O du fröhliche, o du tödliche - Mila Roth - E-Book + Hörbuch

O du fröhliche, o du tödliche E-Book und Hörbuch

Mila Roth

0,0

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

So hatte sich Janna Berg das Weihnachtsfest nicht vorgestellt! Da sie sich seit ihrem letzten gemeinsamen Abenteuer etwas besser verstehen, besucht sie ihren Geheimdienst-Partner Markus Neumann am Heiligen Abend in dem kleinen Irish Pub HellHole, um ihm ein wenig Gesellschaft zu leisten. Leider ist die Agentin Alexa auf die gleiche Idee gekommen, was der weihnachtlichen Stimmung nicht unbedingt förderlich ist. Zu allem Überfluss wird Alexa dann auch noch vor Jannas Augen von einer Gruppe verkleideter Weihnachtsmänner entführt. Janna und Markus nehmen die Verfolgung auf und finden heraus, dass die Geiselnehmer zu einer gewaltbereiten Neonazi-Gruppierung gehören, gegen die Alexa einige Monate zuvor im Auftrag des BKA undercover ermittelt hat. Allem Anschein nach soll der Anführer der Gruppe im Austausch gegen die Agentin freigepresst werden. Das Versteck der Entführer ist bald gefunden, doch dann fallen Schüsse, und plötzlich steht Janna ganz allein da. Fall 8 für Markus Neumann und Janna Berg

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 158

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:3 Std. 45 min

Sprecher:Saskia Kästner
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Table of Contents

Buchtitel
Impressum
Personenverzeichnis
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Über Mila Roth
Danke
Mila Roth
 
O du fröhliche, o du tödliche
Fall 8 für Markus Neumann und Janna Berg
 
 
 
 
Allen Serienjunkies gewidmet.
Impressum
 
O du fröhliche, o du tödliche ‒ Fall 8 für Markus Neumann und Janna Berg
eBook Edition, 5. Auflage, August 2022
Copyright © 2014 by Mila Roth (Pseudonym)
Herausgeberin: Petra Schier, Lerchenweg 6, 53506 Heckenbach
Cover-Design unter Verwendung von Adobe Stock:
© illustrart / © paunovic / © adidesigner23 / © Karin & Uwe Annas / © snaptitude
Lektorat: Barbara Lauer
ISBN 978-3-96711-031-9
 
Alle Rechte vorbehalten.
 
Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin möglich.
Die Personen und Handlungen im vorliegenden Werk sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Erwähnungen von historischen bzw. realen Ereignissen, realen Personen oder Orten sind rein fiktional.
Personenverzeichnis
 
Hauptpersonen
 
Janna Berg
Pflegemutter von neunjährigen Zwillingen, betreibt selbstständig einen kleinen Schreib- und Büroservice
 
Markus Neumann
Agent
 
 
Geheimdienst (alphabetisch)
 
Alexa Baumgartz
Agentin
Sylvia Birkner
Empfangsdame des Instituts
Murat Coskun
IT-Spezialist, für die technische Ortung von Personen und Gegenständen zuständig
Dr. Jochen Schwartz
Leiter der Abteilung für interne Angelegenheiten
 
Sonstige Personen (alphabetisch)
 
Bernhard Berg
Jannas Vater
 
Linda Berg
Jannas Mutter
 
Susanna Berg
Jannas Pflegetochter, Zwillingsschwester von Till, 9 Jahre
 
Till Berg
Jannas Pflegesohn, Zwillingsbruder von Susanna, 9 Jahre
 
Edi Braumeister
Mitglied der Vereinigung für den wahren Heimatschutz
 
Isad Hayderoglu
Freund und Informant von Markus Neumann
Hacker
 
Karl
Mitglied der Vereinigung für den wahren Heimatschutz
 
Beate Rumler
Mitglied der Vereinigung für den wahren Heimatschutz
 
Manfred Söhnken
Mitglied der Vereinigung für den wahren Heimatschutz
 
Klaus Scherhag
Kriminaldirektor beim BKA in Meckenheim
Vater von Markus Neumann
 
Heiner Schürkens
Mitglied der Vereinigung für den wahren Heimatschutz
Bruder von Theo Schürkens
 
Theo Schürkens
Anführer der Vereinigung für den wahren Heimatschutz
 
Möchtest du die passende Weihnachtsmusik zu diesem Buch hören?
Dann besuche meine Weihnachts-Playlist auf YouTube:
http://bit.ly/1wayuTg
 
 
1
 
Bonn Poppelsdorf, Kirschallee
Grauer Van
Samstag, 24. Dezember, 18:30 Uhr
 
»Reich mir mal die Dominosteine, ich hab Kohldampf.« Ohne die Frau auf dem Beifahrersitz anzusehen, streckte der untersetzte blonde Mann am Steuer des Lieferwagens fordernd die rechte Hand aus. Mit der Linken hielt er ein Fernglas vor die Augen.
Wortlos reichte die brünette Frau ihm die Schachtel mit den Süßigkeiten. Auch sie hatte ein Fernglas, benutzte es aber im Augenblick nicht.
»Ich könnt mir ja was Schöneres vorstellen, als am Heiligen Abend hinter dieser Mistkröte herzuspionieren. Die kommt doch im Leben heute nicht mehr raus. Wird gemütlich feiern, und das würde ich auch lieber.«
»Mecker nicht rum, Edi. Du weißt ganz genau, wie wichtig unser Auftrag ist. Und überhaupt, du bist doch wohl kein Kind mehr, oder? Wirst es schon überleben, an Weihnachten zu arbeiten. Müssen andere schließlich auch.«
»Ja, ja, aber das hier ist vergebene Liebesmüh, ich sag’s dir. Die rührt sich nicht vom Fleck, und wir sind die Gelackmeierten.«
»Woher willst du das denn wissen? Die wird doch wohl auch eine Familie oder Freunde haben. Vielleicht fährt sie ja noch irgendwohin. Dann kassieren wir sie ein.«
»Damit?« Edi warf einen Blick auf den Rücksitz, wo in einem großen Karton eine Flut von rotem und weißem Stoff zu sehen war.
»Warum nicht? Gibt doch an Weihnachten nix Besseres, um sich zu tarnen, oder?«
»Und sich zum Affen zu machen? Da würde mir aber schon was einfallen, Beate.« Ungehalten brummelte Edi vor sich hin.
»Stell dich nicht so an. Ist schließlich für einen höheren Zweck. Du weißt ganz genau, dass unsere Brüder und Schwestern auf uns zählen. Wir sind dafür zuständig, diese Kanaille einzufangen und gegen unseren Anführer einzutauschen.«
»Ja, wenn die Behörden darauf eingehen.«
»Das werden sie müssen, sonst geht es einem nach dem anderen von ihnen an den Kragen. Sobald Theo frei ist und wir wissen, wer uns verpfiffen hat, machen wir uns alle vom Acker. Unsere Partner in Südamerika warten bereits auf uns. Dort können wir dann unsere nächsten Schritte planen.«
In diesem Moment öffnete sich die Schiebetür des Lieferwagens und ein weiterer blonder Mann trat ein. Er war größer und schlanker als Edi und strahlte eine natürliche Autorität aus. »Gibt’s was Neues?« Er ließ sich auf die Rückbank gleiten und schob dabei den Karton ein Stück zur Seite.
»Nee, nix«, knurrte Edi. »Wir werden uns hier noch den Arsch abfrieren, weil diese dämliche Karre keine Standheizung hat.«
»Ist doch gar nicht so kalt.«
»Du hast gut reden, Manfred, du bist ja auch gerade erst gekommen.«
Beate hatte inzwischen auch das Fernglas an die Augen gehoben und richtete ihren Blick auf ein hellgelb gestrichenes Haus etwa fünfzig Meter von ihrem Standort entfernt. Hinter mehreren Fenstern brannte Licht. Sie konnte beobachten, wie ihre Zielperson, in einen flauschigen weißen Bademantel gehüllt und mit einem Handtuchturban auf dem Kopf, durch die Wohnung ging. »Sieht wirklich nicht so aus, als hätte die heute noch viel vor.«
»Sag ich doch.« Gereizt wippte Edi mit dem Knie. Dann nahm er noch einen Dominostein und schob ihn sich zwischen die Lippen. »Totaler Mist, dieser Plan«, nuschelte er.
»Hey, reiß dich mal zusammen«, rügte Manfred ihn. »Der Plan ist gut. Wir müssen nur Geduld haben.«
2
 
Außenbezirk von Rheinbach
Gut Tomberg
Samstag, 24. Dezember, 18:45 Uhr
 
»Jannaaaa!« Die neunjährige Susanna zappelte auf ihrem Stuhl herum. »Machen wir jetzt bitte endlich die Bescherung? Wir haben doch längst alles aufgegessen. Ich krieg jedenfalls keinen Happen Kartoffelsalat mehr rein. Und auch kein Würstchen. Kann ich das halbe hier Bella geben?«
Als sie ihren Namen hörte, spitzte die braunschwarze Mischlingshündin die Ohren und tappte an den festlich gedeckten Küchentisch heran.
»Nein, auf gar keinen Fall.« Energisch schüttelte Janna den Kopf, lächelte ihrer Pflegetochter jedoch zu. »Die arme Bella platzt ja fast. Ihr habt ihr viel zu viele Leckerchen gegeben, ganz zu schweigen von den Plätzchen, die Feli ihr zugesteckt hat.« Sie bedachte ihre jüngere Schwester mit einem bezeichnenden Seitenblick.
»Ach, komm schon.« Feli grinste und schüttelte ihre blonde Lockenmähne. »Es ist schließlich Weihnachten. Der Hund soll doch auch etwas davon haben.«
»Ja, Bauchweh.« Janna lachte.
»Ich krieg von Plätzchen doch auch kein Bauchweh«, warf Till, Susannas Zwillingsbruder, ein. »Und Bella mag sie genauso gern wie wir. Aber Bescherung will ich jetzt auch machen.«
»Wisst ihr was, warum helft ihr nicht erst mal Janna, den Tisch abzuräumen«, schlug Jannas und Felis Mutter vor. »Euer Onkel Bernhard geht in der Zwischenzeit mit Frank rüber ins Wohnzimmer und hält Ausschau nach dem Christkind. Vielleicht war es ja schon da.« Sie warf erst ihrem Mann, dann ihrem Sohn auffordernde Blicke zu. Beide erhoben sich sogleich. Frank öffnete die große Schiebetür, die die Küche vom Wohnzimmer trennte, einen Spaltbreit, um sich hindurchzuzwängen, ohne dass die Kinder allzu viel von dem geschmückten Zimmer erkennen konnten.
Normalerweise war der Übergang vom Wohnbereich zur Küche offen, vor allem, seit die einfache Tür beim Umbau des großen Gutshauses in den vergangenen Monaten durch eine elegante, zwei Meter fünfzig breite zweiteilige Schiebetür ersetzt worden war.
Janna hielt es am Heiligen Abend wie bereits ihre Eltern früher: Den Weihnachtsbaum hatten sie alle gemeinsam am Nachmittag geschmückt, doch das fertig hergerichtete Zimmer, samt der hübsch drapierten Geschenke, sollten die Kinder erst wieder zur Bescherung betreten.
Die maulten zwar ein bisschen und verdrehten bei Erwähnung des Christkindes die Augen, hüpften aber beinahe gleichzeitig von ihren Stühlen und begannen eilig, das Geschirr zusammenzustellen und zur Anrichte zu tragen. Janna sortierte es in die Spülmaschine.
»Hast du die Geschenke von uns auch alle unter den Weihnachtsbaum gelegt?« Susanna klang besorgt. »Nicht, dass nachher eins fehlt.«
»Aber sicher doch.« Janna verstaute die Reste des Salats und der Würstchen im Kühlschrank. »Dieses Jahr sind sie übrigens besonders hübsch eingepackt. Hast du das gemacht, Susanna?«
»Klar, wer denn sonst?« Das Mädchen warf ihrem Zwillingsbruder einen spöttischen Blick zu. »Till kann so was doch überhaupt nicht. Das Geschenk für mich hat er bestimmt bloß in eine Tüte gesteckt oder so, weil er zwei linke Hände hat.«
»Hab ich gar nicht!« Till tat beleidigt. »Ich kapiere halt nicht, warum man sich stundenlang mit Papier und Bändern und Tesafilm rumplagen soll. Wird doch eh alles wieder aufgerissen.«
»Und warum wolltest du wohl, dass ich deine Geschenke einpacke?«
»Wolltest du doch unbedingt.«
»Ja, damit sie wenigstens schön aussehen.«
»Dann bist du doch jetzt zufrieden und ich hab meine Ruhe.«
Janna musste über seinen altklugen Tonfall schmunzeln; es fiel ihr schwer, ernst zu bleiben. »Kinder, vertragt euch. Es ist Weihnachten.« Um sie abzulenken, scheuchte sie die beiden ins Bad, damit sie sich noch einmal die Hände wuschen. Augenblicke später klingelte das kleine Glöckchen, mit dem Jannas Vater früher bereits sie und ihre Geschwister zur Bescherung gerufen hatte.
 
***
 
Landstraße zwischen Rheinbach und Gut Tomberg
Samstag, 24. Dezember, 19:10 Uhr
 
Um der gefühlt eintausendsten Wiederholung von Last Christmas im Radio zu entgehen, hatte Markus Neumann einen USB-Stick mit seinen Lieblingsjazzstücken herausgesucht und genoss nun die weichen Klavier- und Klarinettentöne, die aus den Lautsprechern über ihn hinwegrieselten. Das half, die lästige Stimme in seinem Kopf zu ignorieren, die ihn beständig fragte, was er um diese Zeit am Heiligen Abend hier auf der Landstraße zu suchen hatte. Im Grunde war es ja auch vollkommen logisch. Janna Berg hatte ihm postalisch ein Päckchen mit selbst gebackenen Plätzchen und Lebkuchen sowie eine ausgesprochen nette Weihnachtskarte zukommen lassen. Dabei war ihm ganz kurz unwohl gewesen, dass sie seine Postadresse kannte. Doch immerhin hatte er sie vor einiger Zeit im Rahmen eines Einsatzes einmal kurz mit zu seiner Wohnung genommen.
Das Päckchen war heute bei ihm eingetroffen und hatte ihn, obwohl er sich für verrückt erklärte, doch ein wenig in Bedrängnis gebracht. Ein paar langjährige Kolleginnen und Kollegen sowie Leute, mit denen er gut bekannt war, hatten von ihm bereits in der vergangenen Woche kleine Geschenke bekommen. Die Frauen Pralinen, die Männer je nach entsprechendem Geschmack eine Flasche Wein, Whiskey oder Scotch.
Janna hatte er in dieser Hinsicht standhaft aus seinen Gedanken ausgeklammert und auch nicht damit gerechnet, dass sie ihn zu Weihnachten mit einem Geschenk bedenken würde. Noch dazu einem von ihr selbst hergestellten. Die Plätzchen waren ganz hervorragend, und die Lebkuchen hatten garantiert die Kinder so hübsch bunt verziert.
Das hatte ihn dazu bewogen, sich mehr oder weniger den gesamten Tag den Kopf zu zerbrechen, was er ihr auf die Schnelle noch kaufen könnte. Erschwert wurde die Sache dadurch, dass die meisten Geschäfte spätestens kurz nach Mittag ihre Pforten geschlossen hatten.
Am Ende hatte er sich, verärgert über sich selbst, für die letzte verbliebene Schachtel Pralinen entschieden, die nur übrig war, weil er sich beim Einkaufen verzählt hatte. Immerhin waren es feine belgische Trüffel. Teuer. Edel. Mit einer hübschen blauen Schleife versehen. Eine Karte hatte er auch noch gefunden und einen kurzen Weihnachtsgruß hineingeschrieben.
Es war natürlich vollkommen irrational, das Geschenk noch heute zu ihr zu bringen. Dazu wäre ein andermal auch noch Zeit gewesen. Doch den morgigen Tag würde er wohl oder übel mit seinem Vater und seiner Stiefmutter verbringen müssen, und er konnte nicht garantieren, dass seine Stimmung danach noch salonfähig sein würde. Also doch lieber heute. An Heiligabend hatte er nie viel vor. Wenn er nicht arbeiten musste, ging er entweder bei gutem Wetter wandern oder machte es sich bei schlechtem Wetter – wie heute – mit ein paar guten Filmen auf der Couch bequem.
Als er den Abzweig zu dem Gut nahm, auf dem Janna mit ihrer Familie lebte, setzte zum wiederholten Male an diesem Abend leichter Nieselregen ein. Weiße Weihnachten waren weit und breit nicht in Sicht. Das Thermometer zeigte vier Grad an, für den morgigen ersten Feiertag hatten die Wetterfrösche bis zu neun Grad und weiteren Regen vorhergesagt.
Um sich nicht im Schlamm festzufahren, parkte Markus seinen schwarzen Z3 diesmal nicht auf dem Feldweg neben dem kleinen Gesindehaus, so wie er es zuvor immer getan hatte. Stattdessen stellte er den Wagen auf einem kleinen Wandererparkplatz ab und ging die letzten knapp zweihundert Meter zu Fuß.
Das riesige Grundstück war an drei Seiten von mannshohen Hecken umgeben, lediglich zur Straße hin stand noch die vermutlich bereits jahrhundertealte Bruchsteinmauer mit dem schmiedeeisernen Tor, das wie immer weit und einladend offen stand. Links und rechts der Zufahrt gab es zwei antik wirkende Lampen, in denen moderne Energiesparbirnen leuchteten. Doch heute fielen sie fast gar nicht auf.
Markus blieb vor dem Tor stehen und kam sich fast vor wie in eine andere Welt versetzt. Die Mauer war mit einer warm glitzernden Lichterkette und Tannengirlanden geschmückt, in der goldene und silberne Kugeln und Ornamente das Licht der Lämpchen reflektierten. Links vor dem Tor stand ein ebenso geschmückter und beleuchteter mannshoher Tannenbaum.
Obgleich er wie immer vorsichtig darauf bedacht war, von niemandem gesehen zu werden, trat Markus nun doch durch das Tor und sah sich eingehend um.
Links stand das kleine Gesindehaus, in dem Janna mit den Kindern bisher gewohnt hatte. Die Fenster waren mit Lichterketten, Pyramiden und Fensterbildern dekoriert. Die Dachrinne zierten beleuchtete Eiszapfen. Auch einige Büsche und Bäumchen ringsum wurden durch LED-Lichterketten erleuchtet und verwandelten den Hof trotz fehlenden Schnees in ein Winterwunderland. Neben der Eingangstür des Gesindehauses gab es einen Korb mit weihnachtlichem Gesteck, daneben ein grinsendes Rentier aus bemaltem Steingut. Ein großes ovales, ganz sicher von den Kindern gebasteltes und bemaltes Schild aus Salzteig an der Tür verkündete Frohe Weihnachten.
Da im Gesindehaus weiter kein Licht brannte, ging Markus linksherum, auf die Rückseite des Grundstücks, und von dort aus zum großen Gutshaus. Janna hatte ihm erzählt, dass sie vor dem Jahresende dort einziehen und mit ihren Eltern die Wohnungen tauschen würde. Er selbst hatte im Oktober bei der Renovierung eines der Kinderzimmer geholfen. Allerdings nicht ganz freiwillig und nur, weil ihm eine anderweitige Beschäftigung gefehlt hatte, während er eine Zeit lang den Personenschutz für Janna übernommen hatte. Er nahm an, dass der Umzug mittlerweile über die Bühne gegangen war. Aber selbst wenn nicht, würde doch bestimmt die ganze Familie gemeinsam Weihnachten feiern. Janna war, im Gegensatz zu ihm, ein absoluter Familienmensch und genoss es, Zeit im Kreis ihrer Lieben zu verbringen. Allerdings hatte sie, anders als er, eine Familie, die man tatsächlich so nennen konnte.
Auch das Gutshaus war rundum mit Lichtern, Tannengirlanden, Weihnachtsschmuck und allerlei Krimskrams geschmückt. Wenn er diesen überschwänglichen Tribut an das Christfest mit der einfachen Weihnachtspyramide verglich, die er alljährlich in seinem Wohnzimmerfenster aufstellte, kam er sich wirklich wie auf einem anderen Planeten vor. Was das Gefühl des Unwohlseins prompt wieder verstärkte.
Als Kind hatte er zu Weihnachten höchstens einen aufklappbaren künstlichen Weihnachtsbaum gekannt, falls seine Mutter überhaupt daran gedacht hatte. Später dann, als sein Vater ihn bei sich aufgenommen hatte, lernte er den gehobenen Chic kennen, mit dem seine Stiefmutter Agnetta das Haus zu dekorieren pflegte. Alles war stets farblich aufeinander abgestimmt und von exquisiter Qualität gewesen, der Tannenbaum immer eine Nordmanntanne ohne den geringsten Makel. Auch morgen, bei seinem Feiertagspflichtbesuch, würde er ein perfekt gestyltes Haus in Weihnachtsstimmung vorfinden. Nicht, dass er dagegen etwas einzuwenden hatte. Agnetta war eine nette Person, er mochte sie und war ihr dankbar, dass sie sich um den verwilderten und rebellischen Jungen gekümmert hatte, der er gewesen war.
Doch als Markus seitlich im Schatten eines Strauchs an eines der großen Wohnzimmerfenster trat, versetzte ihm das Bild, das sich ihm bot, einen heftigen Stich in die Magengrube. Zuerst fiel ihm der zimmerhohe Tannenbaum ins Auge. Perfekt geformt schien er nicht zu sein, doch das konnte man unter den Unmengen von bunten Kugeln, Girlanden, Ornamenten und Lichterketten kaum mehr erkennen. Echtes Lametta, nicht dieses flatterige, hässliche Zeug, das oftmals in der Bonner Altstadt die Weihnachtsdeko vervollständigte, reflektierte das Licht der elektrischen Kerzen. Markus, geschult darin, Details wahrzunehmen, entdeckte sogar Baumschmuck aus echten Lebkuchen sowie selbst gebastelte Sterne und Laubsägearbeiten. Nichts, aber auch gar nichts schien hier zusammenzupassen. Es sah aus, als sei der gesammelte Weihnachtsbaumschmuck von mehreren Generationen bunt gemischt über die Zweige des Baumes verteilt worden. Die Gestecke und Girlanden, die den übrigen Raum zierten, waren offenbar ebenso kunterbunt zusammengewürfelt. Dennoch machte alles einen stimmigen, heimeligen Eindruck auf ihn. Wohl nicht zuletzt, weil die Familie sich auf Couch und Sesseln ausgebreitet hatte und mitten in der Bescherung steckte. Fünf Erwachsene und die beiden neunjährigen Blondschöpfe waren dabei, Geschenke aufzureißen, Gegenstände zu bewundern, sich gegenseitig zu umarmen und zu herzen. Gelächter mischte sich mit der weihnachtlichen Chormusik aus den Lautsprechern, die Markus nur deshalb wahrnehmen konnte, weil eines der Fenster gekippt war.
Länger als er ursprünglich vorgehabt hatte, blieb er beim Fenster stehen und beobachtete Janna und ihre Familie. Zum ersten Mal sah er sie alle zusammen. Jannas Eltern, die Kinder und Felicitas, die jüngere Schwester, hatte er bereits gesehen. Der rotblonde sportliche Mann, der die Runde vervollständigte, konnte nur Jannas älterer Bruder Frank sein. Die Ähnlichkeit zu seinem Vater fiel deutlich ins Auge. Auch die beiden Schwestern ähnelten einander, obgleich Felis Lockenmähne sich lang und blond um ihr hübsches Gesicht schmiegte, während Jannas etwa schulterlange Locken denselben intensiven kupferroten Farbton hatten wie die Haare ihrer Mutter. Linda Berg war auch mit Ende fünfzig noch eine attraktive Frau und strahlte eine heitere Herzlichkeit aus, die sie ebenso wie die Haarfarbe ihrer Tochter vererbt hatte. Die Locken hingegen stammten wohl eher von der Vaterseite. Allerdings war Bernhard Berg mittlerweile ergraut.
Die Zwillinge hatte Janna vor fünf oder sechs Jahren zu sich genommen, nachdem ihre Cousine bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Markus hatte das Dossier über Janna Berg seinerzeit, als er erstmals mit ihr hatte zusammenarbeiten müssen, mit wenig Interesse gelesen. Inzwischen wusste er natürlich mehr über sie. Einiges hatte Janna ihm erzählt, anderes hatte er später in ihrer Akte nachgelesen, um sie besser einschätzen zu lernen.
Ganz schlau wurde er dennoch nicht aus ihr. Eine Frau wie sie hatte in seinem Berufsfeld, dem Geheimdienst, nichts zu suchen. Die Einsätze, in die sie immer wieder verwickelt wurde, waren nicht selten lebensgefährlich. Dennoch zog sie sich nicht zurück, und mittlerweile hatte Markus sich sogar ein wenig an sie gewöhnt. Und um der Gefahr zu entgehen, von seinem Vorgesetzten Walter Bernstein früher oder später zwangsweise einen festen Partner aufs Auge gedrückt zu bekommen, wollte er Janna weiterhin ab und zu für kleinere Handreichungen und einfache Missionen in seine Arbeit einbeziehen. Gerade erst vor einer Woche hatten sie ein gemeinsames Abenteuer durchlebt.
Auch wenn er nicht recht wusste, wie sie es immer wieder schaffte, aber sie war schon mehrfach ausgesprochen nützlich gewesen, wenn es darum ging, Zielpersonen dingfest zu machen oder sich aus brenzligen Situationen zu befreien. Doch wenn er sie so im Kreis ihrer Familie betrachtete, zweifelte er sehr an seinem Entschluss. Gleichzeitig stieg ein Gefühl der Bitterkeit in ihm auf. Hatte er überhaupt das Recht, sich in ihr Leben zu drängen? Er hatte es damals, im Sommer, unbeabsichtigt getan, weil er keine andere Wahl gehabt hatte. Sie jedoch der ständigen Gefahr auszusetzen, die sein Job mit sich brachte, erschien ihm mehr als bedenklich.