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Tarnung ist alles … Geheimagent Markus Neumann erhält vom Institut den Auftrag, den Prototyp einer neuen Steuerung für Land- und Seeminenräumfahrzeuge namens Catfish ins Brüsseler NATO-Hauptquartier zu befördern. Bis zum Abtransport soll Janna Berg das Gerät auf ihrem Grundstück verstecken. Doch trotz Überwachung wird die Steuerung gestohlen und kurz darauf eine Geldforderung an die Bundesregierung gestellt. Das Institut nimmt schon bald ein Ehepaar ins Visier, das bereits zuvor mit internationalem Waffenhandel in Verbindung gebracht wurde. Da den beiden ein luxuriöses Wellnesshotel gehört, werden Markus und Janna dort eingeschleust – als Pärchen, das seinen Hochzeitstag mit einem Kurzurlaub feiert. Doch obwohl sie ihre Rollen sehr überzeugend spielen, scheinen ihnen die Schurken immer einen Schritt voraus zu sein … Fall 5 für Markus Neumann und Janna Berg
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Mila Roth
Katzenfische
Fall 5 für Markus Neumann und Janna Berg
Allen Serienjunkies gewidmet
Impressum
Katzenfische - Fall 5 für Markus Neumann und Janna Berg
eBook Edition, 8. Auflage, August 2022
Copyright © 2013 by Mila Roth (Pseudonym)
Herausgeberin: Petra Schier, Lerchenweg 6, 53506 Heckenbach
www.mila-roth.de
Cover-Design unter Verwendung von Adobe Stock:
© illustrart / © paunovic / © adidesigner23 / © jd-photodesign / © patrimonio designs
Lektorat: Barbara Lauer
ISBN 978-3-96711-028-9
Alle Rechte vorbehalten.
Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin möglich.
Die Personen und Handlungen im vorliegenden Werk sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Erwähnungen von historischen bzw. realen Ereignissen, realen Personen oder Orten sind rein fiktional.
Personenverzeichnis
Hauptpersonen
Janna Berg: Pflegemutter von achtjährigen Zwillingen, betreibt selbstständig einen kleinen Schreib- und Büroservice
Markus Neumann: Agent
Geheimdienst (alphabetisch)
Alexa Baumgartz: Agentin
Gerlinde Bernstein: Chefsekretärin und Ehefrau von Walter Bernstein
Walter Bernstein: Leiter der Abteilung für nationale und internationale Feldeinsätze für die Bereiche Terrorabwehr und organisiertes Verbrechen (Abteilung 7)
Murat Coskun: IT-Spezialist, für die technische Ortung von Personen und Gegenständen zuständig
Alfred Hasselbaum: Agent
Dirk Kellermann: Agent
Gabriel Riemann: Analyst
Melanie Teubner: Agentin
Thomas Wörner: Agent
Sonstige Personen (alphabetisch)
Arti: Schlägertyp
Bernd: Betreuer der Pfadfindergruppe von Susanna und Till
Bernhard Berg: Jannas Vater
Felicitas (Feli) Berg: Jannas Schwester
Linda Berg: Jannas Mutter
Susanna Berg: Jannas Pflegetochter, Tills Zwillingsschwester
Till Berg: Jannas Pflegesohn, Susannas Zwillingsbruder
Annette Henning: Arnold Müllers Geliebte
Ella Krautwich: Sören Krautwichs Ehefrau
Sören Krautwich: Hotelier in der Eifel
Arnold Müller: Stellvertreter des Staatssekretärs Theodor Willbach
André Riessmann: Assistent des Staatssekretärs Theodor Willbach
1
Bonn, Kaiserstraße
Institut für Europäische Meinungsforschung
Montag, 24. Oktober, 8:05 Uhr
»Markus? Besprechung in Walters Büro.« Melanie Teubner, eine attraktive Agentin mit langem schwarzem Haar und strahlend blauen Augen streckte den Kopf durch die geöffnete Glastür des großen Büroraums herein und winkte Markus Neumann auffordernd zu.
Markus, der sich gerade an seinen Schreibtisch gesetzt hatte, erhob sich rasch wieder. Thomas Wörner, der Agent am Arbeitsplatz neben ihm, feixte. »Der Tag fängt ja schon gut an, was? Viel Spaß. Hab gehört, es werden heute neue Auslandseinsätze vergeben.«
Stirnrunzelnd wandte Markus sich seinem Kollegen zu. »Ich bin gerade erst aus Südamerika zurück. Außerdem bin ich verletzt, da schicken sie mich nicht gleich wieder raus.« Er wies vage auf sein linkes Bein, das in einer dunkelgrauen Anzughose steckte.
»Ich dachte, die Kugel hätte dich bloß gestreift.«
»Hat sie auch. Trotzdem wurde ich erst mal zu leichten administrativen Tätigkeiten verdonnert. Was auch immer das heißen mag.« Leicht frustriert fuhr er sich mit gespreizten Fingern durch das kurz geschnittene dunkelbraune Haar.
Thomas grinste und seine grauen Augen glitzerten amüsiert hinter den silbern gerahmten Brillengläsern. »Sie wollen dich wohl dazu bringen, endlich mal deine Einsatzberichte auf den neuesten Stand zu bringen. Obwohl, bei dem derzeitigen Engpass an Außendienstagenten und nach den neuesten Sparmaßnahmen würde ich mich nicht wundern, wenn sie sich’s anders überlegt hätten.«
»Markus!« Noch immer stand Melanie in der Tür. Ihre Stimme hatte einen ungeduldigen Ton angenommen.
»Ja, ja, bin doch schon unterwegs.« Markus verdrehte die Augen, während er seiner Kollegin den Gang hinunter zum Büro des Abteilungsleiters Walter Bernstein folgte. Sie trug wie immer teure Designerkleider. Heute war es ein sehr figurbetonendes Kostüm, das aus einem ausgesprochen kurzen dunkelblauen Rock und einem passenden schmalen Blazer bestand, unter dem ein silbern glitzerndes Top hervorblitzte. Der Duft ihres teuren französischen Parfüms umwehte ihn, als sie vor ihm das Reich Walter Bernsteins betrat.
»Da sind wir, Walter.« Anmutig ließ sie sich in einen der Besuchersessel gleiten.
»Morgen, Walter.« Auch Markus setzte sich und betrachtete neugierig das kleine, kastenförmige Gerät, das auf dem Schreibtisch seines Vorgesetzten stand. »Neues Spielzeug?«
»Guten Morgen, Markus. Wie geht es Ihrem Bein?« Kluge braune Augen musterten ihn. Walter Bernstein war ein Mann Mitte fünfzig von mittlerer Größe und kräftiger Statur. Das dunkelbraune Haar ergraute an den Schläfen bereits leicht. Trotz seines eher unauffälligen Erscheinungsbildes strahlte er eine natürliche Autorität aus, die in der Abteilung für internationale Einsätze in den Bereichen Terrorabwehr und organisiertes Verbrechen stets Respekt und Ordnung sicherten.
Markus zuckte die Achseln. »War schon mal besser. Schlimmer allerdings auch. Dass wir zusammen mit den Kollegen aus Südamerika diesen Schmugglerring sprengen konnten, war den Kratzer aber ganz sicher wert.«
»Da will ich Ihnen nicht widersprechen. Es kann übrigens sein, dass Sie noch einen Belobigungsbrief aus dem Außenministerium erhalten.«
»Eine Gehaltserhöhung wäre mir lieber.«
»Ich glaube, das kannst du vergessen«, mischte Melanie sich lachend ein. »Wir können froh sein, dass sie uns nicht noch was abziehen.«
»So schlimm wird es nun auch wieder nicht.« Walter faltete die Hände auf der Tischplatte. »Allerdings ist in der Chefetage die Rede davon, die Abteilungen des Instituts mittelfristig umzustrukturieren. Es kann sein, dass uns zumindest die Abteilung 10 angegliedert wird.«
»Was haben wir denn mit den Jungs und Mädels von der Wirtschaftskriminalität zu tun?« Verständnislos schüttelte Melanie den Kopf. »Das kann ja lustig werden.«
»Noch ist nichts entschieden. Aber durch die letzten Budgetkürzungen bleibt uns wahrscheinlich nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen.« Achselzuckend lehnte sich Walter ein wenig in seinem Bürostuhl zurück. »Deshalb habe ich Sie beide aber nicht hergebeten. Es geht vielmehr um einen neuen Einsatz. Markus, ich hoffe, Sie fühlen sich bereits fit genug für einen kleinen Auftrag.«
»Es war nur ein Streifschuss. Ich bin okay.«
»Gut.« Walter betätigte den Knopf der Gegensprechanlage. »Gerlinde, bring bitte Herrn Riessmann herein.«
Augenblicke später öffnete sich die Glastür und Gerlinde Bernstein, Walters Chefsekretärin und zugleich Ehefrau, führte einen schmalen, dunkelblonden jungen Mann herein, dessen blasse Gesichtsfarbe vermuten ließ, dass er sich nicht allzu oft an der frischen Luft aufhielt. Er ließ sich auf Walters einladende Geste hin auf dem verbleibenden Besuchersessel nieder und rückte seine randlose Brille zurecht.
»Herr Riessmann, dies sind Melanie Teubner und Markus Neumann, die beiden Agenten, die sich um den Katzenfisch kümmern werden.« In Richtung der beiden Agenten fuhr er fort: »Melanie, Markus, darf ich vorstellen: André Riessmann. Er ist der persönliche Assistent des Staatssekretärs Theo Willbach aus dem Bundesministerium der Verteidigung.«
Die beiden Agenten und Riessmann nickten einander zu.
»Herr Riessmann ist heute hier, um mit uns gemeinsam den Transport des Katzenfischs zum NATO-Hauptquartier in Brüssel zu organisieren.«
Markus beugte sich ein wenig vor. »Katzenfisch? Was ist das? Eine neue Züchtung von Kampffischen fürs NATO-Aquarium?«
»Aber nein, natürlich nicht.« Riessmann schmunzelte. »Es handelt sich um den Prototyp einer Steuerung für ein neu entwickeltes Land- und Seeminenräumfahrzeug. Dessen Name lautet Catfish, wie der Europäische Wels, weil seine Greifarme den Bartfäden dieser Fischart ähneln. Sie sind sehr tastempfindlich und können selbst große Steinblöcke und Findlinge gefahrlos versetzen, ohne die möglicherweise darunter oder darin verborgenen Minen auszulösen. Dummerweise wurde die Gebrauchsanleitung unzureichend mithilfe eines automatischen Übersetzungsprogramms erstellt und aus Kostengründen nicht hinreichend einer Korrektur unterzogen.«
Markus hob spöttisch die Brauen. »Lassen Sie mich raten. Catfish wurde wörtlich mit Katzenfisch übersetzt.«
»Exakt das ist passiert.« Riessmann lächelte. »Nun, zumindest hat das Fahrzeug – oder in diesem Fall dessen Steuerung – nun einen unverwechselbaren Spitznamen in Bundeswehr- und Regierungskreisen.«
»Wie dem auch sei«, ergriff Walter wieder das Wort. »Das Institut wurde beauftragt, die Steuerung ohne großes Aufsehen, jedoch unter den größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen nach Brüssel zu transportieren. Markus, ich möchte, dass Sie das übernehmen.«
»Alles klar. Wann soll es losgehen?«
Walter räusperte sich. »Nicht so eilig. Es gibt da ein Problem.« Er nickte Riessmann zu, der daraufhin erklärte: »Wir haben in der jüngsten Vergangenheit Hinweise erhalten, dass verschiedene extremistische Vereinigungen sowie einige international bekannte Waffenhändler sich stark für den Katzenfisch interessieren. Wir müssen also mit Diebstahlversuchen rechnen. Deshalb setzen wir auch nicht die gängige Transportvariante mittels Bundeswehr ein, sondern haben uns an das Institut gewandt.«
»Wir wollen folgendermaßen vorgehen«, nahm Walter den Faden auf. »Die Bundeswehr wird offiziell und mit einem gesicherten Konvoi einen Dummy der Steuerung nach Brüssel bringen. Parallel dazu werden Sie, Markus, das echte Gerät in einem unauffälligen Personenwagen transportieren. Selbstverständlich mit Unterstützung mehrerer ziviler Einsatzfahrzeuge und mit GPS-Überwachung. Melanie, Sie kümmern sich um die Koordination beider Aktionen und erstatten mir regelmäßig Bericht. Start des Einsatzes ist morgen Vormittag, neun Uhr.«
»Dann bleibt die Steuerung also so lange hier, bis ich mich damit auf den Weg mache? Darf ich?« Vorsichtig nahm Markus den handspannenlangen schwarzen Kasten in die Hand und betrachtete ihn von allen Seiten.
»Nicht ganz.« Wieder räusperte sich Walter vernehmlich. »Das da ist der Dummy.«
»Sieht aber ziemlich echt aus.« Markus hatte das Gerät aufgeklappt und beäugte nun die winzige, jedoch sehr komplexe Tastatur samt LCD-Bildschirm, die im Inneren des Gehäuses verborgen war.
»Das soll es ja auch, um etwaige Diebe in die Irre zu leiten«, erklärte Riessmann eifrig. »Den echten Prototyp wollen wir bis morgen an einem sicheren Ort verstecken.«
»An einem sicheren Ort?«, hakte Melanie nach. »Und wo genau soll der sich befinden? Ich meine, was könnte sicherer sein als der Safe in Herrn Bernsteins Büro?«
»Wir wollen keinerlei Risiko eingehen. Dass der Dummy hier ist, könnte bereits die Aufmerksamkeit auf uns gelenkt haben.« Walter wirkte sehr zufrieden mit sich. »Deshalb wird der echte Catfish nicht einmal in die Nähe dieses Gebäudes gelangen. Stattdessen bringen wir ihn an einen Ort, der so unauffällig und gewöhnlich ist, dass niemand auch nur im Traum auf die Idee kommen wird, dort könnte sich ein hochgradig geheimer Prototyp befinden.«
»Unauffällig und gewöhnlich?«, echote Markus skeptisch. »Können Sie das vielleicht präzisieren?«
»Das muss ich sogar, Markus.« Auf Walters Gesicht erschien ein heiteres Lächeln. Er blickte auf seine Armbanduhr. »Weil das Paket nämlich in diesem Moment auf die Reise geht. Ich schlage vor, Sie rufen die Empfängerin umgehend an und geben ihr Bescheid, was sie erwartet.«
»Die Empfängerin?« Markus zog argwöhnisch die Stirn in Falten. Doch Walters Lächeln verbreiterte sich lediglich eine Spur.
2
Außenbezirk von Rheinbach
Gut Tomberg
Montag, 24. Oktober, 8:37 Uhr
»Susanna, Till, beeilt euch ein bisschen! Der Bus ist bestimmt gleich hier. Habt ihr jetzt alles?« Janna Berg eilte zwischen einem Haufen Reisegepäck und dem Proviantkorb in der Küche hin und her. Rasch packte sie noch ein paar Päckchen Orangensaft in den Korb.
»Janna, ich kann meinen Teddy nicht finden!«, jammerte die achtjährige Susanna und polterte die Treppe herunter. »Ohne meinen Teddy fahre ich nicht ins Pfadfinderlager.«
»Baby!«, hänselte ihr Zwillingsbruder, der ihr auf dem Fuß gefolgt war.
»Blödian!«, schrie das Mädchen und schubste ihn.
»Ziege!«, zankte er zurück und zog sie an ihrem blonden Zopf.
»Lass mich! Janna, Till hat mich an den Haaren gezogen. Ich will meinen Teddy. Bestimmt hat Till ihn versteckt, um mich zu ärgern.«
»Hab ich gar nicht, du dumme Nuss. Kann ich was dafür, wenn du den Teddy verschluderst? Ich brauch jedenfalls keinen. Bin ja kein Baaaaby mehr.«
»Ich bin kein Baby!«
»Bist du wohl.«
Kurz schloss Janna die Augen und zählte langsam bis fünf, bevor sie zurück in den Flur ging, wo ihre beiden Pflegekinder mittlerweile heftig miteinander rangen. »Schluss jetzt, ihr beiden«, sagte sie und setzte eine strenge Miene auf, die sie sich für solche Situationen zugelegt hatte. »Wenn ihr den Quatsch nicht sofort bleibenlasst, sage ich eurem Betreuer, dass ihr nicht mit ins Lager fahrt, weil ihr euch nicht benehmen könnt.«
Sogleich ließen die beiden Streithähne voneinander ab.
Janna griff nach Susannas signalrotem Rucksack und zog den Reißverschluss auf. »Hier ist dein Teddy. Du hast ihn doch gestern Abend schon eingepackt.«
»Oh.« Verlegen, aber erleichtert griff das Mädchen nach dem Rucksack und zog sorgfältig den Reißverschluss wieder zu.
»Entschuldige dich bei Till dafür, dass du ihn einen Blödian genannt hast.«
»Aber ...«
»Ätsch!« Till grinste breit.
Janna bedachte ihn mit einem scharfen Blick. »Und Till, du entschuldigst dich dafür, dass du Susanna ein Baby und eine dumme Nuss genannt hast.«
»Menno.«
Abwartend stemmte Janna die Hände in die Hüften. »Wird’s bald? Ich höre den Bus gerade vorfahren. Es dauert nur einen Augenblick, Bernd Bescheid zu sagen, dass ihr hierbleibt.«
Die Zwillinge maßen einander mit genervten Blicken.
»Entschuldigung, Till.« – »Entschuldigung, Susanna«, sagten sie gleichzeitig und schüttelten einander halbherzig die Hände.
»Okay, noch mal Glück gehabt. Und nun schnappt euch euer Gepäck, damit der Busfahrer nicht so lange warten muss.«
Während die Kinder mit lautem Gejohle zur Haustür hinausstürmten, holte Janna den Proviantkorb. Vor dem Haus traf sie auf ihre Eltern Linda und Bernhard, die sich von den Kindern verabschieden wollten.
»Habt ihr auch an alles gedacht?«, fragte Linda besorgt und strich sich ihr kupferrotes, kinnlanges Haar hinters Ohr, während sie sich zu den Zwillingen hinabbeugte. Beide drückte sie kurz an sich. »Nichts Wichtiges vergessen? Zahnbürste? Schlafanzug? Teddybär?«
»Nee, alles da«, zwitscherte Susanna. »Ich hab gedacht, Till hätte meinen Teddy versteckt, dabei hatte ich ihn schon längst in den Rucksack gepackt. Janna hat ihn gefunden.«
»Na, so ein Glück.«
»Und wie. Ohne meinen Teddy kann ich doch nicht wegfahren. Janna?« Das Mädchen hob die Arme, und Janna zog sie fest an sich. »Ja, mein Schatz?«
»Das Lager wird bestimmt ganz ganz schön. Aber am Donnerstag kommen wir schon zurück.«
»Ich weiß.«
»Und am Freitag haben wir Geburtstag.«
»Tatsächlich?«
»Das weißt du doch!«
Janna lachte. »Klar weiß ich das.«
»Backst du uns einen Kuchen?«
»Das hatte ich vor.«
»Und am Samstag fahren wir mit unseren Freunden ins Schwimmbad.«
»So ist es geplant.«
»Janna?«
»Ja?«
»Ich freu mich schon ganz doll. Wir werden neun!«
»Ein biblisches Alter.« Zärtlich strich Janna ihrer Pflegetochter übers Haar.
»Mensch, Susanna, komm endlich. Sonst fahren wir ohne dich!«, rief Till durch die offene Bustür.
»Habt ihr auch wirklich nichts vergessen?« Janna richtete sich auf und blickte zu ihrem Vater. »Papa, guckst du sicherheitshalber noch mal nach, ob alle Gepäckstücke, die im Flur lagen, im Bus sind?«
»Bin schon unterwegs.« Bernhard Berg zwinkerte ihr zu und begab sich in das kleine ehemalige Gesindehaus, das links neben dem alten Gutshaus stand, in dem Jannas Eltern wohnten. Noch wohnten, um genau zu sein, denn zum Jahresende würden sie die Wohnungen tauschen, damit Janna und die Kinder mehr Platz hatten.
Janna reichte einem der Betreuer, die den Pfadfinderausflug beaufsichtigten, den Proviantkorb. »Hier, ein bisschen Wegzehrung für euch. Wie versprochen Kekse und Muffins für die ganze Truppe. Und für Till und Susanna hab ich noch ein bisschen O-Saft dazugepackt.«
»Danke, du bist ein Schatz.« Bernd nahm den Korb strahlend entgegen. »Schade, dass du diesmal nicht mitfahren kannst.«
»Ja, lässt sich leider nicht ändern. Wir stecken derart in der Renovierung, dass ich kaum weiß, wo mir der Kopf steht. Und arbeiten muss ich ja auch noch, also ...«
»Vielleicht klappt es beim nächsten Mal. Lena würde sich sehr freuen.«
»Ja, ich auch. Grüß deine Frau von mir. Ist sie schon im Lager?«
»Ja, sie ist schon um sechs Uhr früh vorgefahren, um mit Alex und Pfarrer Heitmann alles vorzubereiten.«
»Viel Spaß euch allen.« Janna blickte sich suchend um. »Till? Wo steckst du? Hast du nicht etwas vergessen?«
Der Junge sprang noch einmal aus dem Bus. »Tschüss, Janna!« Er umarmte sie kurz, aber heftig und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
»Macht’s gut, ihr beiden. Viel Spaß!« Janna sah zu, wie der Busfahrer den Gepäckraum schloss, nachdem Bernhard versichert hatte, dass sämtliche Gepäckstücke der Zwillinge verstaut seien. Sie blieb in der Auffahrt stehen, bis der Bus sich in Bewegung setzte, und winkte den Kindern noch einmal zu, bevor sie sich seufzend abwandte. »Puh!«
Ihr Vater lachte und legte ihr seinen rechten Arm um die Schultern. »Ganz schön anstrengend, die beiden.«
»Das kannst du laut sagen. Waren wir auch so schlimm, wenn wir auf Pfadfinderfahrt gegangen sind?«
»Soll ich ehrlich sein?« Bernhard lachte. »Fast noch schlimmer. Und ihr wart zu dritt. Obwohl, na ja, bis Feli so weit war, dass sie mitfahren konnte, wart ihr ja schon Teenager, da ging es dann allmählich.«
»Ich glaube, ich werde jetzt erst mal rasch das Chaos beseitigen, das sie im Bad und in ihrem Zimmer hinterlassen haben.«
»Tu das. Ich muss noch mal kurz in die Kanzlei, bin aber am frühen Nachmittag wieder zurück. Später kommt dann noch der Fliesenleger wegen der neuen Fliesen in den Bädern.«
»Gut, bis dahin müsste ich mit meiner Arbeit fertig sein.«
»Soll ich dir bei irgendwas helfen?«, fragte Jannas Mutter prompt.
Doch Janna winkte ab. »Danke, nicht nötig, Mama. Bis nachher dann.« Eilig kehrte sie ins Haus zurück und machte sich daran, die herumliegenden Kleidungsstücke und Spielsachen im Kinderzimmer aus dem Weg zu schaffen, damit sie wenigstens kurz staubsaugen konnte. Den Rest würden die Zwillinge nach ihrer Rückkehr selbst aufräumen müssen.
In dem Moment, als sie den Staubsauger wieder abschaltete, vernahm sie das Klingeln des Telefons. Hektisch sah sie sich um. »Mist! Wo ...?« Sie folgte dem Schrillen, bis sie das mobile Endgerät auf dem Küchentisch unter einer Zeitung fand. »Janna Berg?«, meldete sie sich etwas außer Atem.
»Sagen Sie mal, stimmt etwas mit Ihrem Handy nicht? Ich versuche schon seit einer Ewigkeit, Sie zu erreichen.«
Als sie die Stimme des Geheimagenten vernahm, mit dem sie seit Juli bereits mehrfach in aufregende und nicht gerade ungefährliche Abenteuer verwickelt gewesen war, machte ihr Herz einen unvermittelten Satz. Vor Überraschung natürlich, denn mit einem Anruf von ihm hatte sie absolut nicht gerechnet. Zuletzt hatte sie ihn vor drei Wochen gesehen, als sie ihren Bericht zu den Ereignissen um die Verhaftung des Terroristen Burayd im Institut abgeliefert hatte. Seitdem hatten weder er noch sein Vorgesetzter, Herr Bernstein, sich bei ihr gemeldet.
Überhaupt fußte ihre gesamte Verbindung zu Markus und dem Institut lediglich auf einer zufälligen Begebenheit. Wenn Markus ihr an jenem Morgen im Juli nicht auf dem Flughafen Köln-Bonn diesen Umschlag mit der DVD aufgedrängt hätte, damit die darauf befindlichen Daten nicht in die Hände von Extremisten gelangten, wüsste sie bis heute nicht einmal um die Existenz jenes Geheimdienstes. So aber hatte sie in einem spontanen und, wie sie inzwischen fand, vielleicht doch etwas unvernünftigen Entschluss zugestimmt, sich in die Liste der zivilen Hilfspersonen dieser geheimen Sicherheitsbehörde eintragen zu lassen, die unter dem Deckmantel eines Meinungsforschungsinstituts agierte.