Codename E.L.I.A.S. - Doppelschlag - Mila Roth - E-Book

Codename E.L.I.A.S. - Doppelschlag E-Book

Mila Roth

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Beschreibung

Während Ex-Spion Michael Cavenaugh sich um seinen schwerverletzten Bruder Daniel kümmert, wartet bereits die erste Mission der Geheimorganisation E.L.I.A.S. auf ihn. Gemeinsam mit seinem früheren CIA-Partner Harvey soll er einen Einbrecher beschatten und ihm seine Beute abnehmen. Diese besteht aus brisanten Dokumenten über Drogen- und Menschentransporte. Da Brianna und Luke gerade dabei sind, einen ganz anderen Fall zu lösen, bei dem sie seine Hilfe benötigen, findet sich Michael bald inmitten von kolumbianischen Drogenhändlern und einem geheimen Killerkommando wieder. Wenn er beide Seiten zur Strecke bringen will, muss er zu einem gewagten Doppelschlag ausholen, der möglicherweise seinen neuen Auftraggebern nicht gefallen könnte. Band 3 der Action-Thrillerserie Codename E.L.I.A.S.

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Table of Contents

Titelseite
Impressum
Personenverzeichnis
Was zuvor geschah …
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
Über Mila Roth
Danke
Mila Roth
 
Codename E.L.I.A.S.
Doppelschlag
 
Band 3
Impressum
 
Deutsche Erstausgabe
2. Auflage, Oktober 2020
Copyright © 2017 by Mila Roth
Herausgeberin: Petra Schier, Lerchenweg 6, 53506 Heckenbach
Cover-Design: Judith Kühl
Cover-Abbildungen:
#60454691 - Downtown Los Angeles, California Cityscape © SeanPavonePhoto www.fotolia.de
#48262873 - couple woman man detective secret agent criminal silhouette © snaptitude www.fotolia.de
Lektorat: Barbara Lauer
ISBN 978-3-96711-044-9
 
Alle Rechte vorbehalten.
Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin möglich.
 
Die Personen und Handlungen im vorliegenden Werk sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Personenverzeichnis
 
 
Hauptpersonen
 
Michael Cavenaugh: Spion für die CIA
 
Brianna Wagner: Michaels Ex-Freundin, Hehlerin
 
Luke Tanner: Ehemaliges Mitglied der Special Forces, Kopfgeldjäger
 
 
Michaels Familie
 
Helen Cavenaugh: Michaels Mutter
 
Joe Cavenaugh: Michaels Vater
 
Daniel Cavenaugh: Michaels jüngerer Bruder
 
 
Briannas Familie
 
Conrad Wagner: Briannas Vater
 
James (Jim) Wagner: Briannas Großvater
 
Matt Wagner: Briannas älterer Bruder
 
 
Sonstige Personen (alphabetisch)
 
Rodrigo Ausilio: Boss eines Drogenkartells
 
Edith Barkley: Ehefrau von Leon Barkley
 
Leon Barkley: Angestellter bei Carson & Carson Air
 
Harvey Callahan: Michaels früherer Partner bei der CIA
 
Dwayne Carson: Miteigentümer der Carson & Carson Air
 
Andrew Dillinger: Bootsdieb, Kautionsflüchtling
 
Bradley (Brad) Sullivan: Matt Wagners Liebhaber
 
Was zuvor geschah …
 
»Du kochst noch immer ausgezeichnet, Mike.« Mit einem Stück Maisbrot wischte Matt die Reste des Bratensafts von seinem Teller und schob es sich zwischen die Lippen. Dann spülte er mit einem Schluck Bier nach. »Was mache ich eigentlich hier? Ich wollte dir den Garaus machen und mich nicht von dir mit Silvesterbraten und Linsensuppe bestechen lassen.«
»Hey, die Suppe habe ich mitgebracht«, protestierte Brianna.
»Weiß Dad, für wen du davon etwas abgezweigt hast?«
»Natürlich nicht.«
»Wann willst du es ihm sagen?«
»Keine Ahnung. Wenn ich lange genug warte, brauche ich ihm vielleicht gar nichts zu sagen, weil Michael bei einer Mission für diese Elias-Typen draufgegangen ist.«
»Womit wir wieder beim Thema wären.« Luke prostete ihnen mit seinem Weinglas zu. »Ich halte nicht viel von deinem Plan, Mike. Er birgt derzeit noch zu viele Unbekannte.«
»Das scheint mir auch so«, stimmte Matt zu. »Aber wie ich Mike kenne, ist ihm das herzlich egal. Er will mit dem Kopf durch die Wand – wie immer.«
»Ich will nicht mit dem Kopf durch die Wand. Ich will mein Leben zurück!«
»Was ich durchaus verstehen kann.« Als sein Handy piepste, warf Matt einen kurzen Blick auf das Display. »Das ist Brad.« Er hob den Kopf wieder. »Fest steht, dass du das nicht ohne Hilfe schaffen kannst, Mike.«
»Wer ist Brad?«, wollte Luke wissen.
»Ich habe Bri und Luke bereits um ihre Mithilfe gebeten.« Michael verschränkte die Arme vor der Brust und wippte ein wenig ungeduldig mit dem rechten Bein.
»Und was ist dabei herausgekommen?«
»Ich bin noch unentschieden.« Luke beugte sich halb über den Tisch. »Wer ist Brad?«
»Sein derzeitiger Freund«, erklärte Brianna.
»Und was ist mit dir?« Matt musterte seine Schwester aufmerksam.
Brianna schob die Unterlippe ein wenig vor und schwieg.
Matt nickte ihr zu. »Es ist dein gutes Recht, ihm in den Arsch zu treten. Lass ihn draufgehen, ich würde es dir nicht übelnehmen.«
Nun verschränkte auch Brianna die Arme vor dem Körper. »In dem Fall sehe ich aber mein Geld nie wieder.«
»Geschäftsrisiko.« Matt zuckte die Achseln. »Wenn es nach mir ginge, würdest du gleich morgen die Stadt verlassen. Geh zurück nach Chicago oder irgendwo anders hin. Hauptsache weit genug von Michael entfernt.«
»Es geht aber nicht nach dir.« Auf Briannas Stirn hatten sich mehrere Falten gebildet.
»Sondern?«
»Ich tue, was ich für richtig halte.«
»Und das wäre?« Erwartungsvoll sah Michael sie an und auch in Matts Augen war ein lauernder Ausdruck getreten.
Langsam und bedächtig löste Brianna ihre Arme und griff nach der Champagnerflasche. Sie goss sich ihr Glas nahezu randvoll und warf einen Blick über die Schulter auf den Fernseher. »In fünf Minuten ist das Jahr vorbei.« Entschlossen erhob sie sich. »Ich weiß nicht, was ihr vorhabt, aber ich schaue mir das Feuerwerk an.«
Ohne auf die Männer zu warten, stieg sie die Treppe zur Galerie hinauf, wo sich nicht nur Michaels Schlafraum befand, sondern auch eine schmale Stahltreppe, die hinauf zu einer Falltür führte, durch die man auf das große Flachdach gelangte. Sie stieß die Falltür auf und war kurz darauf verschwunden.
Michael erhob sich ebenfalls und folgte ihr, denn auch wenn es sentimental schien, wollte er doch den Jahreswechsel gerne mit Brianna gemeinsam verbringen. Luke und Matt folgten ihm aufs Dach. Beide hatten ihre Gläser, die Wein- und Champagnerflasche mitgebracht.
Brianna stand an der hüfthohen Brüstungsmauer, die das Dach vollständig umgab, und blickte in Richtung Los Angeles. Irgendwo weiter die Straße hinauf grölte eine Horde Jugendlicher. Ab und zu fuhr ein Auto am Haus vorbei.
Michael trat neben Brianna, hielt aber wohlweislich eine Armlänge Abstand. Er konnte sehen, dass sich die Haut an ihrem Arm an der Stelle, mit der sie gegen den Pfeiler geknallt war, rotblau verfärbt hatte. »Ich brauche deine Hilfe, Bri.«
»Warum? Weil niemand sonst da ist?«
»Auch wenn es nicht das ist, was du hören willst, ist es leider eine Tatsache.«
»Ich bin nicht gerne austauschbar.«
»Du warst noch nie austauschbar. Nicht für mich.«
Sie stellte ihr Glas auf der Brüstung ab und verschränkte die Arme vor dem Körper, reckte ihr Kinn. Er bewunderte den stolzen Ausdruck auf ihrem Gesicht und die unbeschreibliche Energie, die ihr graziler Körper ausstrahlte. In diesem Moment fühlte er sich wie magnetisch zu ihr hingezogen, doch er blieb ganz ruhig stehen, wo er war.
Ohne ihn anzusehen, sprach sie weiter. »Wie wird es zukünftig zwischen uns sein, Michael?«
Das war eine Frage, die er krampfhaft vermied, sich zu stellen. »Ich weiß es nicht.«
»Wir können nicht einfach so tun, als würde die Vergangenheit nicht existieren.«
Er wusste, er saß in der Falle. Er brauchte Bri, aber wenn er mit ihr arbeitete, würde er sie auch wieder in sein Leben lassen. Ehe er etwas sagen konnte, drehte sie ihm den Kopf zu. Ihre Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. »Wenn du jetzt Lass uns Freunde sein sagst, jage ich dir das Messer, das ich am Strumpfband trage, zwischen die Rippen.«
Unwillkürlich wanderte sein Blick über ihren Körper, der wie so oft in einem sexy, heute grau-schwarzen Kleidchen steckte, hinab bis zu ihren Beinen. Er schluckte hart und konzentrierte sich wieder auf ihr Gesicht. »Bitte, Brianna. Wenn du bereit bist, mir zu helfen, wird auch Luke mitmachen.«
Spöttisch verdrehte sie die Augen. »Ein gutes Argument, dich im Regen stehen zu lassen.« Seufzend griff sie nach ihrem Glas und nippte daran. »Wenn ich es nicht tue, bekomme ich vermutlich mein Geld nie zurück.«
»Countdown!«, rief Luke vom anderen Ende des Daches.
»Danke, Bri.« Er lächelte zaghaft.
Brianna schüttelte jedoch den Kopf. »Warte erst ab, ob du es nicht noch bereuen wirst, mich um Hilfe gebeten zu haben.«
Das tat er jetzt schon. Trotzdem war er in diesem Moment dankbar wie selten zuvor.
»… drei, zwei, eins … Frohes neues Jahr, Mike!« Luke kam mit erhobenem Glas auf ihn zu, dicht gefolgt von Matt, der abwechselnd Michael und Brianna argwöhnische Blicke zuwarf. Im selben Moment ging in einiger Entfernung das Feuerwerk los. Die Stadtverwaltung von Boyle Heights hatte sich trotz notorisch leerer Kassen nicht lumpen lassen. Grelle Lichter und vielfarbiger Sternenregen erhellten den Himmel und waren von ihrem Standort gut zu beobachten.
Michael stieß mit Luke an, erwiderte den traditionellen Neujahrsgruß jedoch nicht. Froh, das war ihm nur allzu klar, würde das neue Jahr nicht werden.
Brianna prostete Luke nur verhalten zu, umarmte dann aber ihren Bruder herzlich und liebevoll. »Alles Gute für das neue Jahr, Matt.« Sie drehte sich wieder zu Michael um und trat auf ihn zu. »Frohes neues Jahr, Michael.« Ihre Miene war ernst und das Lächeln auf ihren Lippen kaum erkennbar.
»Brianna …« Er wusste nicht, was er sagen sollte.
Auch sie schien unentschlossen, wie sie sich verhalten sollte, beugte sich dann aber doch vor und schien ihn auf die Wange küssen zu wollen. Doch mitten in der Bewegung hielt sie inne und runzelte die Stirn.
»Was ist das für ein Geräusch?«
»Was meinst du?« Er lauschte ebenfalls, konnte aber außer dem Gejohle der Kids weiter unten an der Straße und einem mehrstimmigen Chor von irgendwelchen Nachbarn, der Auld Lang Syne zum Besten gab, nichts Ungewöhnliches vernehmen.
»Da, hört ihr das nicht?« Mit leicht schräggelegtem Kopf ging sie in Richtung der Falltür.
»Hast du schon Ohrensausen von dem Gejaule?« Luke deutete feixend in Richtung des Gesangs, wurde aber ernst, als er erkannte, dass sie keinen Scherz gemacht hatte.
»Das kommt von unten.« Schon war sie die schmale Stahltreppe hinabgestiegen.
Fluchend folgte Michael ihr. »Warte, Bri!« Er zog seine Waffe, die er gewohnheitsmäßig auf dem Weg hier herauf in seinen Hosenbund geschoben hatte. Hinter sich hörte er Lukes und Matts Schritte und das zweifache Klicken, als sie fast gleichzeitig ihre Pistolen entsicherten. Brianna war bereits unten im Loft, als er die Galerie erreicht hatte. In diesem Moment hörte er es ebenfalls – ein dumpfes Wummern an der Eingangstür. Mit schnellen Schritten stieg Michael ins Loft hinab, dicht gefolgt von den beiden anderen Männern.
»Erwartest du heute noch Besuch, Mike?« Lukes Stimme klang angespannt.
Michael warf ihm einen vielsagenden Blick zu. »Ich existiere nicht mehr, schon vergessen?«
Wieder pochte es gegen die Tür, diesmal jedoch deutlich schwächer als zuvor.
»Du solltest dir eine Überwachungskamera zulegen.« Brianna hatte aus ihrer Umhängetasche nun auch eine Waffe gezogen und entsichert. Sie baute sich schussbereit neben ihm auf, Luke und Matt schräg hinter ihm. Vorsichtig ging er zur Tür, lauschte, dann riss er sie unvermittelt auf und zückte gleichzeitig seine Pistole.
»Michael.« Sein Bruder Daniel stützte sich schwer gegen den Türrahmen. Mit entsetzt geweiteten Augen starrte er auf die vier auf ihn gerichteten Pistolenläufe. Er wurde blass, taumelte.
Rasch sicherte Michael seine Waffe wieder und reichte sie Brianna. Daniels Hemd war von roten Flecken verunziert, aus seiner Nase und dem Mundwinkel sickerte Blut, der Bereich um sein linkes Auge war rotblau verfärbt.
»Scheiße, Daniel, was ist passiert?«
»Mike, ich … Es tut mir leid …« Daniel bekam kaum ein Wort heraus, sein Gesicht war vollkommen zerschlagen und sein Körper offenbar auch. Er keuchte, taumelte erneut.
Michael konnte seinen Bruder gerade noch auffangen, als dieser kraftlos in sich zusammensackte.
1. Kapitel
 
»Helft mir, ihn auf die Couch zu legen.« Michael drehte sich so, dass er seinen Bruder unter den Armen zu packen bekam.
Luke fasste an den Beinen an.
»Die ist zu kurz.« Brianna war zur Couch geeilt und warf die Kissen bis auf eines herunter.
»Das ist egal.« Michael fluchte unterdrückt. »Komm schon, Daniel, mach dich nicht so schwer.«
»Hast du hier irgendwo Verbandszeug?« Prüfend sah Brianna sich um.
»Im Bad steht ein Erste-Hilfe-Kasten.«
»Draußen ist niemand.« Matt hatte den Bereich vor der Eingangstür überprüft. Nun trat er näher. »Was ist mit ihm passiert?«
»Jemand hat dem armen Kerl die Prügel seines Lebens verpasst, das sieht man doch.« Brianna kam mit dem Verbandskasten zurück und stellte ihn auf den Couchtisch.
»Scheiße.« Michael hatte Daniel untersucht und fluchte erneut. »Ich bring ihn um!«
»Wen, Daniel?« Verblüfft sah Brianna ihn von der Seite an.
Er drehte vorsichtig Daniels Kopf und strich mit der Fingerkuppe dicht bei einer aufgerissenen Stelle schräg unterhalb von Daniels linkem Augenwinkel entlang. »Siehst du das?« Sein Magen rebellierte. »Das kenne ich.«
»Was kennst du?« Sie beugte sich ebenfalls über Daniel und musterte die kleine Wunde.
»Das stammt von seinem verdammten Ring.«
Brianna begriff noch immer nicht. »Von wessen Ring? Daniels?«
»Nein, verflucht.« Michael richtete sich auf und deutete zornig auf die gleiche Stelle an seinem eigenen linken Auge. Dort befand sich eine winzige verblasste, leicht sichelförmige Narbe.
Daniel stöhnte und schlug das rechte Auge auf. »Mike.«
»Daniel.« Sofort war Michael wieder bei ihm. »Was hast du getan?«
»Mike, ich …« Ein verzweifelter Ausdruck trat in den Blick seines jüngeren Bruders. »Es tut mir leid. Dad …«
Reflexartig griff Michael nach Daniels Hand und drückte sie. »Verfluchte Scheiße, Daniel. Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst ihn nicht reizen?« Kurz schloss er die Augen, um sich zu sammeln, doch ein entsetzlicher Gedanke durchschoss ihn. »Was ist mit Mom? Geht es ihr gut?«
Daniels Auge weitete sich. Er versuchte, sich aufzurichten, sank aber gleich wieder keuchend in das Kissen zurück. »Sie hat ihm, glaube ich, eins mit deinem Hockeyschläger übergebraten.« Er schluckte. »Mike, ich wollte nur …«
»Was, mal wieder meinen Ruf verteidigen? Du weißt genau, dass das sinnlos ist. Halt dich zukünftig …«
»Nein.« Daniel erwiderte den Druck seiner Hand so nachdrücklich, dass Michael innehielt. Etwas zittrig atmete Daniel ein und wieder aus und stöhnte auf, als Brianna mit einem in Antiseptikum getauchten Tupfer sein Gesicht zu reinigen begann.
»Sorry.« Sie zuckte mit den Achseln.
Daniel räusperte sich, dennoch schwankte seine Stimme weiterhin. »Es ging nicht um dich. Oder … nicht direkt. Ich wollte bloß … Scheiße, Mike, ich bin nicht so wie du. Nicht so mutig. Aber ich dachte, jetzt, wo du wieder da bist … Ich wollte …« Seine Stimme brach und er starrte verzweifelt zur Decke hinauf.
Michael starrte seinen Bruder für einen Moment schweigend an, dann begriff er. »Idiot!« Sein Magen hob sich erneut. »Du hast es ihm gesagt? Bist du noch bei Trost?«
»Das hat also euer Vater getan?« Stirnrunzelnd reichte Luke Brianna die notwendigen Erste-Hilfe-Artikel.
Brianna reinigte Daniels Gesicht langsam und gründlich mit einem frischen Tupfer. »Schweinehund« war der einzige Kommentar, der ihr über die Lippen kam.
Daniel zuckte zusammen und atmete heftig, als sie mit einem Wattestäbchen Jodtinktur auf seinen Mundwinkel auftrug. »Ich musste es ihm sagen, Mike. Ich bin zweiunddreißig. Wie lange sollte ich noch mit der Lüge leben?«
»Bis zur Rente, verdammt noch mal. Du weißt genau, wie Dad ist. Hast du wirklich geglaubt, er schluckt das so einfach?«
»Schluckt was?« Interessiert trat Matt näher.
Daniel seufzte. »Ich hatte keine andere Wahl, Mike.«
»Und ob du die hattest.«
»Es ist mein Leben!«
»Das er erfolgreich zu zwei Dritteln aus dir herausgeprügelt hat. Was hast du denn gedacht, wie er die frohe Botschaft aufnimmt?« In Michael kochte hilfloser Zorn hoch. »Du bist ein elender Idiot.«
»Ich musste es tun, Mike. Versteh mich doch.« Diesmal schaffte es Daniel, sich halb aufzurichten. Luke griff nach einem am Boden liegenden Kissen und schob es ihm in den Rücken.
»Er wird es niemals akzeptieren, Daniel. Sieh mich an. Mich hasst er schon wegen meiner bloßen Existenz. Dieses Vergnügen wirst du in Zukunft ebenfalls haben. War es das wirklich wert?«
»Vielleicht verteilt sich sein Zorn jetzt etwas gleichmäßiger.« Was wohl als Scherz gemeint war, klang einigermaßen verzweifelt. Daniel hob die Schultern. »Mike, es musste sein. Du hast es auch geschafft, dich von ihm zu befreien.«
»Habe ich das?« Der Meinung war Michael ganz und gar nicht. Der elende Anblick seines kleinen Bruders machte ihm mehr zu schaffen, als ihm lieb war. Kopfschüttelnd zog er seine Hand aus Daniels und erhob sich langsam. »Du hättest es für dich behalten sollen.«
»Was hätte er für sich behalten sollen?« Brianna warf den Tupfer auf den Tisch und erhob sich ebenfalls. »Michael?« Eindringlich sah sie ihn an.
Er fuhr sich mit einer unwilligen Bewegung durchs Haar. »Schöne Scheiße.«
»Ich hab Dad gesagt, dass ich schwul bin.« Mit einem dankbaren Nicken nahm er den Eisbeutel entgegen, den Matt ihm reichte, und hielt ihn sich vorsichtig ans Auge.
Brianna sah überrascht von Daniel zu Michael und wieder zurück. »Das ist alles?«
Michael lachte höhnisch auf. »Wie du siehst, hat es gereicht, um Dad zur Höchstform auflaufen zu lassen.«
»Aber …«
»Ist dir der Ausdruck Homophobie ein Begriff?« Verärgert musterte er sie. »Dad hat ihn erfunden.« Er ballte die Hände zu Fäusten. »Damit hat er jetzt einen weiteren Grund, sinnlos um sich zu schlagen. Ich fahre zu Mom.« Ohne noch weiter auf Daniel oder seine Freunde zu achten, schnappte er sich seinen Autoschlüssel und verließ das Loft.
 
Ж Ж Ж
 
Brianna und Luke sahen einander für einen kurzen Moment reglos an.
»Wir müssen ihm nach.« Brianna eilte zur Tür.
»Ja, verdammt.« Luke folgte ihr.
»Ich kümmere mich um Daniel«, hörten sie Matt rufen, doch da fiel die Stahltür schon hinter Luke ins Schloss.
Brianna hatte sich bereits ans Steuer ihres dunkelroten Kias gesetzt und den Motor angelassen.
Luke konnte sich gerade noch auf den Beifahrersitz schwingen, bevor sie aufs Gaspedal trat. Hastig zog er die Tür ins Schloss. »Feine Familie, was? Schlimmer, als ich dachte.«
»Dieses Schwein hat so etwas seinem Sohn angetan, bloß weil der auf Männer anstatt auf Frauen steht?« Sie spürte eine unbändige Wut in sich kochen. »Hast du davon gewusst?«
»Woher sollte ich? Mike redet nicht viel über seine Familie, das müsstest du doch am besten wissen.«
Sie warf Luke einen kurzen Blick zu. »Nicht, dass Daniel schwul ist. Dass sein Dad so ein mieses Dreckschwein ist.«
»Du etwa nicht?«
Sie schluckte unbehaglich. »Dass es solche Ausmaße annimmt, habe ich nicht erwartet. Wie kann jemand seinen eigenen Sohn so grausam behandeln?«
»Mike hatte gute Gründe, sich von seiner Familie fernzuhalten, Brianna. Für eine Frau, die jahrelang in einer der übelsten Ecken der Bronx gelebt hat, bist du erstaunlich naiv.«
»Das ist krank, Luke!«
»Natürlich ist es das.«
»Der Mann gehört in eine Therapie.«
»Und da ist sie schon wieder, diese entzückende Naivität.« Spöttisch sah Luke sie von der Seite an. »Männer wie Joseph Cavenaugh machen keine Therapie. Die prügeln so lange weiter, bis sie im Jenseits landen. Entweder trifft ihn irgendwann der Schlag oder er säuft sich zugrunde.«
»Wenn Mike ihn nicht vorher umbringt.« Brianna umfasste das Lenkrad fester und gab Gas. »Was denkst du, hat er vor?«
»Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, er wird Kleinholz aus seinem Dad machen.«
»Glaubst du, er wird ihn …?«
»Verdient hätte er es.«
Brianna nickte grimmig. »Ja, aber Michael nicht.«
 
Ж Ж Ж
 
Mit quietschenden Reifen brachte Michael die silberne Corvette einen halben Block von seinem Elternhaus entfernt zum Stehen. Vor dem Haus parkte ein Polizeiwagen, und eine Traube von Nachbarn hatte sich um den Eingang versammelt.
Als er aus dem Auto stieg, hörte er Briannas Wagen, der dicht hinter ihm hielt. Türen klappten, Schritte kamen näher.
Im ersten Impuls wollte er blindlings auf das Haus zusteuern, doch noch ehe er einen Schritt tun konnte, hatte Brianna ihn am Arm gefasst. Unwirsch versuchte er, sie abzuschütteln, doch sie hielt ihn hartnäckig fest.
»Bri!« Verärgert starrte er auf ihre kleine, grazile Gestalt hinab. Für ihre eins zweiundsechzig besaß sie enorme Kraft.
Sie schüttelte entschlossen den Kopf, sodass ihr gerade schulterlanges, glattes hellbraunes Haar hin und her flog. »Bleib hier. Michael. Du siehst doch, was da los ist. Willst du am Ende noch der Polizei in die Arme laufen?«
»Ich muss zu Mom. Der Himmel weiß, was Dad mit ihr angestellt hat.«
»Und wie willst du dich ausweisen, wenn einer der Cops dich danach fragt?« Luke tauchte auf der anderen Seite auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich sehe nach deiner Mom.«
»Nein, lass mich gehen. Mich kennt sie bereits.« Brianna ließ Michael los, warf aber Luke einen eindeutigen Blick zu. »Halt ihn hier fest.«
Während Brianna mit entschlossenen Schritten auf Michaels Elternhaus zuging, beobachteten er und Luke, wie zwei Polizisten Joseph Cavenaugh aus dem Haus zum Polizeifahrzeug führten. Seine Miene war düster, aber einigermaßen beherrscht. Für einen kurzen Moment, bevor er in den Wagen einstieg, wanderte sein Blick über das Autodach hinweg zu Michael, der instinktiv erstarrte.
»Gut, sie nehmen ihn mit.« Luke lächelte grimmig. »In einer Zelle kann er sich gebührend von seinem Tobsuchtsanfall erholen.«
Michael schnaubte nur. »Was glaubst du, wie oft das in den vergangenen dreißig Jahren vorgekommen ist? Ich habe zu zählen aufgehört.« In ihm drängte alles, zum Haus zu gehen, doch Lukes Hand auf seiner Schulter wurde immer schwerer.
»Bleib hier. Du kannst im Augenblick nichts tun außer dich selbst in Teufels Küche bringen.«
Brianna war inzwischen an einen Officer herangetreten und sprach lächelnd mit ihm, dann begab sie sich auf sein Nicken hin ins Haus. Die Tür schloss sich hinter ihr, die Polizei rückte ab, der Großteil der gaffenden Nachbarn zerstreute sich wieder.
Als das Polizeiauto an Michael und Luke vorbeifuhr, trafen sich Michaels und Josephs Blicke erneut. Bittere Galle stieg in Michaels Kehle hoch, als er den kalten, von tiefsitzendem Zorn erfüllten Ausdruck in den Augen seines Vaters sah.
»Komm, ich schätze, die Luft ist jetzt rein.« Auffordernd gab Luke ihm einen leichten Stoß in den Rücken und ging voran zum Haus.
Michael hatte ihn mit wenigen Schritten überholt und riss im nächsten Moment die Haustür auf.
»Danke, Brianna, aber das geht schon«, hörte er seine Mutter aus dem Wohnzimmer. »Ich muss nur eben … Hier ist so eine Unordnung. Ich räume rasch ein bisschen auf.«
Als er den Raum betrat, war Helen Cavenaugh gerade dabei, eine umgestürzte Lampe zurück auf ihren Platz neben dem Couchtisch zu stellen. Brianna sammelte die Scherben einer zu Bruch gegangenen Vase vom Boden auf.
»Michael!« Als Helen ihn sah, hellte sich ihre gequälte Miene schlagartig auf. Sie ließ Lampe Lampe sein und eilte auf ihn zu. »Es ist alles in Ordnung, wirklich. Ich … Wie geht es Daniel? Ist er bei dir?« Nervös zupfte sie an ihrem blonden Haar herum, das ihr irgendwann an diesem Abend wohl einmal ordentlich frisiert bis auf die Schultern gefallen war. Jetzt war es zerzaust und auf ihrer Wange prangte ein hässlicher Bluterguss.
Wortlos zog Michael seine Mutter an sich und prompt klammerte sie sich an ihm fest und drückte ihr Gesicht fest gegen seine Brust.