Öffentliches Baurecht in Sachsen-Anhalt - Thorsten Franz - E-Book

Öffentliches Baurecht in Sachsen-Anhalt E-Book

Thorsten Franz

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Beschreibung

Das Öffentliche Baurecht, vor allem das Bauordnungsrecht, ist landesrechtlich geprägt. Auch im Rahmen des Bauplanungsrechts kommt, wenn auch in geringem Umfang, Landesrecht zur Anwendung. Wer sich daher in Studium oder Praxis in einem Bundesland mit dem Baurecht befasst, bedarf Baurechtsliteratur, die die landesrechtlichen Rechtsgrundlagen bzw. Besonderheiten berücksichtigt. Für das Bundesland Sachsen Anhalt bildet dieses Handbuch eine gründliche Darstellung, die weit über das Grundwissen hinausgeht. Die Rechtsprechung von Bundesverwaltungsgericht und sachsen-anhaltischer Verwaltungsgerichtsbarkeit ist intensiv ausgewertet.

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Vorwort

Sehr geehrte Baurechtsinteressierte,

das vorliegende Buch soll

1. allen im Bauwesen in Sachsen-Anhalt Berufstätigen als Nachschlagewerk für das öffentliche Baurecht dienen sowie

2. Studierenden der Rechts- und Verwaltungswissenschaft, der Architektur und des Bauingenieurwesens Sachsen-Anhalts neben dem nötigen Grundwissen vertiefendes Wissen im öffentlichen Baurecht vermitteln sowie bei der Anfertigung von Studienarbeiten hilfreich sein.

Das Öffentliche Baurecht ist ein ebenso hochkomplexes wie hochdynamisches Rechtsgebiet. Zahlreiche Rechtsänderungen und jüngere Gerichtsentscheidungen haben eine Neuauflage des Werks „Öffentliches Baurecht. Darstellung auf Grundlage der Rechtslage Sachsen-Anhalt“ erforderlich gemacht. Einzuarbeiten waren unter anderem

- das „Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften“ vom 3. Juli 2023 (BGBl. I Nr. 176, S. 1),

- das Gesetz für die Wärmeplanung (…) vom 20. Dezember 2023 (BGBl. I Nr. 394, S. 1),

- das Vierte Gesetz zur Änderung der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 14. Februar 2024 (GVBl. LSA S. 22) und

- das Zweite Gesetz zur Änderung des Landesentwicklungsgesetzes vom 14. Februar 2024 (GVBl. LSA S. 23) sowie über fünfzig Gerichtsentscheidungen. Dabei wuchs der Umfang des Werks erheblich an, obwohl die Seitenzahl sank (durch Verkleinerung und Verdichtung des Schriftsatzes). Es war daher an der Zeit, das Werk „Handbuch“ zu nennen. Es soll aber auch als großes Lehrbuch nutzbar bleiben, so dass Anwendungsbeispiele und Prüfungsfragen beibehalten wurden.

Thorsten Franz

(im Mai 2024)

Inhaltsübersicht

A. Begriff, Entwicklung, Rechtsquellen

B. Bauplanungsrecht

C. Bauordnungsrecht

Anhang Prüfungsfragen

Sachverzeichnis

A. Begriff, Entwicklung, Rechtsquellen
I. Begriff des öffentlichen BaurechtsII. Entwicklung des öffentlichen BaurechtsIII. Gesetzgebungskompetenz und RechtsquellenIV. Verfassungsrechtliche Grundlagen

B. Bauplanungsrecht

I. Grundbegriffe
1. Wesen und Begriff der Bauleitplanung2. Planrechtfertigung3. Anpassungsgebot4. Abstimmungsgebot5. Ziele und Grundsätze6. Sonderrecht
II. Bauleitpläne im Einzelnen
1. Flächennutzungsplan
a) Wesen und Rechtsnaturb) Zuständigkeit, Verfahren und Formc) Inhalt des Flächennutzungsplansd) Materielle Anforderungen
2. Bebauungsplan
a) Zuständigkeit/Verfahren/Formb) Entwicklungsgebotc) Festsetzungen
aa) Allgemeinesbb) Festsetzung der Art der baulichen Nutzungcc) Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzungdd) Sonstige Festsetzungen nach BauGBee) Festsetzungen nach Landesrechtff) Eingriffsintensität und Baufreiheit
d) Planinhalte ohne Rechtsnormcharaktere) Arten von Bebauungsplänenf) Rechtsnatur und Rechtswirkungen
3. Abwägungsgebot4. Umweltschutzanforderungen
a) Umweltprüfung und Umweltberichtb) Berücksichtigungsgebotec) Bodenschutzklauseld) Eingriffsregelunge) Umweltverträglichkeitsprüfungf) Habitatschutzrechtg) Sonstige Umweltschutzanforderungen
5. Verhältnis zur Planfeststellung6. Fehlerfolgen
III. Plansicherung, Bodenordnung und Enteignung
1. Plansicherung2. Bodenordnung3. Enteignung
IV. Vorhabenzulässigkeit
1. Geltung für bauliche Anlagen2. Vorhaben im Plangebiet3. Vorhaben im künftigen Plangebiet4. Vorhaben im Innenbereich
a) Allgemeinesb) Innenbereichc) Einfügen und weitere Voraussetzungend) Innenbereichssatzungen
5. Vorhaben im Außenbereich
a) Allgemeinesb) Privilegierte Vorhabenc) Nicht-privilegierte Vorhabend) Beeinträchtigung bzw. Entgegenstehen von Belangene) Teilprivilegierungf) Erschließungg) Außenbereichssatzungh) Gemeindliches Einvernehmen
V. Besonderes Städtebaurecht
1. Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen2. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen3. Stadtumbaugebiet, Soziale Stadt4. Erhaltungssatzung5. Städtebauliche Gebote
VI. Rechtsschutz
1. Rechtsschutzziele und Zulässigkeitsvoraussetzungen2. Nachbarschutz
a) Begriff des Nachbarn und des Nachbarschutzesb) Nachbarschützende Normen des Bauplanungsrechts
VII. Planungsschadensrecht und Amtshaftung

Anh. 1

:

Sonderrecht der Flüchtlingsunterbringung

Anh. 2

:

Sonderrecht zur COVID 19-Pandemie

Anh. 3:

Sonderrecht für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt

Anh. 4:

Sonderrecht für Wiederaufbaugebiete

Anh. 5

:

Recht des Windkraftausbaus 2023

Anh. 6

:

Prüfschema Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans

C. Bauordnungsrecht

I. Grundbegriffe
II. Baugenehmigung
1. Rechtsnatur, Erforderlichkeit, Wirkungen
a) Rechtsnaturb) Erforderlichkeitc) Genehmigungsvoraussetzungend) Gegenstand und Rechtswirkungen
2. Materielle Anforderungen
a) Prüfprogrammb) Prüfung außerhalb des gesetzlichen Prüfprogrammsc) Grundpflichtend) Abstandsflächene) Sicherheit: stand- und verkehrssicher, brandgeschütztf) Wärmeschutz/Gebäudeenergieg) Stellplätze/Gestaltung/Elektromobilitäth) Sonstige Anforderungen der BauO u.a. an Bauprodukte/Gest.i) Baunebenrecht
aa) Denkmalschutzrechtbb) Immissionsschutzrechtcc) Naturschutzrechtdd) Sonstiges Baunebenrecht
j) Abweichungen
3. Formelle Anforderungen
a) Zuständigkeit und Formb) Verfahrensschrittec) Beteiligung der Gemeinded) Beteiligung weiterer Behördene) Beteiligung der Nachbarnf) Vereinfachtes Verfahreng) Nebenbestimmungenh) Bekanntgabe und Geltung
4. Anforderungen aus untergesetzlichen Regelwerken
III. Sonstige Entscheidungen präventiver baubehördlicher Kontrolle
1. Teilbaugenehmigung2. Typengenehmigung3. Bauvorbescheid
IV. Bauaufsichtliche Eingriffsbefugnisse
1. Grundlagen/Generalklausel2. Baueinstellungsverfügung3. Nutzungsuntersagungsverfügung4. Abrissverfügung
a) Tatbestandliche Voraussetzungenb) Ermessensausübungc) Bestandsschutz als Ermessensschranked) Weitere Rechtmäßigkeitsanforderungen
aa) Allgemeine Anforderungenbb) Vollstreckung bauaufsichtlicher Verfügungen
5. Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten
V. Organisation der Bauverwaltung
VI. Baulast
VII. Rechtsschutz
1. Rechtsschutz von Vorhabenträgern2. Rechtsschutz der Nachbarn
a) Widerspruch und Klage gegen Baugenehmigungenb) Vorläufiger Rechtsschutz gegen Baugenehmigungenc) Verwirkung von Nachbarrechten und Verzichtd) Nachbarschutz gerichtet auf bauaufsichtliches Einschreitene) Drittschützende Vorschriften im Einzelnenf) Bedeutung reduzierter Prüfpflichten für den Nachbarschutz
VIII. Amtshaftung

Anhang: Prüfungsfragen

Teil A – Begriff, Entwicklung, Rechtsquellen

I. Begriff des öffentlichen Baurechts

1

Das öffentliche Baurecht1 ist die Gesamtheit der Normen des öffentlichen Rechts2, die in spezifischer Weise das Bauen regeln.3 Es ist vom privaten Baurecht abzugrenzen, welches die zivilrechtlichen Beziehungen im Hinblick auf das Bauen regelt.

2

Das private Baurecht besteht vor allem aus dem Bauvertragsrecht der §§ 631 ff. BGB, der VOB4, der HOAI, der Makler- und Bauträgerverordnung sowie dem privaten Nachbarrecht des Nachbarschaftsgesetzes5 und des BGB6. Normen des privaten Baurechts regeln aber etwa auch die Vertiefung von Grundstücken (§ 909 BGB), einen Einwilligungsvorbehalt für die Errichtung einer Nachbarwand (§ 5 II Nachbarschaftsgesetz Sachsen-Anhalt – NbG)7, die Anzeige der Absicht, eine Grenzwand zu errichten (§ 12 I NbG), das Hammerschlags- und Leiterrecht (§ 18 I NbG) oder die Errichtung von Grundstückseinfriedungen (§ 22 I NbG)8. Verfehlt ist es daher, wenn mitunter behauptet wird, das private Baurecht betreffe (nur) baubezogene Vereinbarungen von Vertragspartnern. Nicht zum privaten Baurecht zu zählen sind Normen, die zwar Rechtsgrundlage für den Ersatz von Schäden sind, die durch Bauwerke entstehen oder Rechtsgrundlage zur Abwehr der von baulichen Anlagen ausgehenden Störungen9 sein können, jedoch keinen spezifischen Bezug zu baulichen Anlagen aufweisen (so etwa § 823 I, § 823 II BGB oder § 1004 I BGB). Öffentliches und privates Baurecht stehen sich zwar grundsätzlich selbständig gegenüber, sind aber bisweilen miteinander verzahnt.

Bsp.: So ist etwa das Fehlen der sich maßgeblich nach öffentlichem Recht richtenden Baulandeigenschaft eines Grundstücks ein Sachmangel gem. § 459 BGB10 oder die nachbarrechtlichen Baurechtsvorschriften über die Nachbar- und Grenzwand gelten nur, soweit keine zwingenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen (vgl. § 2 I NbG).

3

Ein eigenständiges Baustrafrecht im Sinne eines abgegrenzten Rechtsgebiets existiert nicht. Einige Vorschriften des StGB gelten jedoch in spezifischer Weise für den Umgang mit Bauwerken.

Bsp.: So macht sich etwa nach § 323 I StGB strafbar, wer bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Baus oder beim Abbruch eines Bauwerks gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib und Leben eines anderen gefährdet. Weitere Strafrechtsvorschriften mit Bezug zum Bauen bzw. zu Gebäuden sind etwa die strafbare Zerstörung von Bauwerken (§ 305 StGB) oder die Beschädigung wichtiger Anlagen (§ 318 StGB).

Eine weitaus größere praktische Bedeutung haben Vorschriften des Bauordnungswidrigkeitenrechts, etwa wegen Schwarzbaus, Missachtung von Anzeigepflichten oder wegen der Nichteinhaltung von Auflagen zur Baugenehmigung.

Bsp.: § 213 BauGB, § 83 BauO LSA, § 17 CWVO, § 9 Technische Prüfungsverordnung

4

Das öffentliche Baurecht gliedert man herkömmlich in die beiden Teilbereiche Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht. Zwischen diesen beiden Rechtsgebieten bestehen grundlegende Unterschiede im Hinblick auf den Gegenstand und die Zwecke. Das Bauplanungsrecht, welches man auch als Städtebau- oder Stadtplanungsrecht bezeichnet,11 regelt die rechtliche Qualität des Bodens sowie dessen Nutzbarkeit12 und ist somit in erster Linie boden- bzw. flächenbezogen. Den Kern des Bauplanungsrechts bilden Regelungen zum Planen im Sinne eines gestaltenden Abwägens von widerstreitenden Raumansprüchen. Hingegen regelt das Bauordnungsrecht vor allem die ordnungs- bzw. sicherheitsrechtlichen Anforderungen an konkrete bauliche Anlagen.13 Das Bauordnungsrecht ist somit in erster Linie ein objektbezogenes Gefahrenabwehrrecht. Es umfasst insbesondere das sog. Baupolizeirecht.

Bsp.: Brandschutzrecht, baubehördliche Abrissverfügung Aus der Unterscheidung zwischen primärer Flächenbezogenheit und primärer Objektbezogenheit wird mitunter der Merksatz abgeleitet, das Bauplanungsrecht regele, wo gebaut werden dürfe und das Bauordnungsrecht bestimme, wie gebaut werden dürfe. Diese Unterscheidung ist aber ebenso ungenau wie irreführend und sollte daher keine Verwendung finden.

Neben die sicherheitsrechtliche Funktion des Bauordnungsrechts treten weitere Schutzzwecke, die allerdings weit schwächer ausgeprägt sind. So dient ästhetischen Zielen das Baugestaltungsrecht, welches überwiegend zum Bauordnungsrecht zählt, soweit es nicht bauplanungsrechtliche Fragen städtebaulicher Gestaltung regelt.

Bsp.: bauordnungsrechtliche Satzungsbestimmung zur Dachhautfarbe bei baulichen Anlagen

Im Bauordnungrecht sind zudem gewisse soziale Standards normiert, die über eine reine Gefahrenabwehr hinausgehen.

Bsp.: Barrierefreiheit öffentlich zugänglicher baulicher Anlagen (§ 49 II BauO); Mindestanforderungen an Wohnräume und sanitäre Einrichtungen (überlagern sich mit Sicherheitsanforderungen)

Schließlich findet sich im Bauordnungsrecht auch der Schutzzweck Umweltschutz, der indes im Bauplanungsrecht weit ausgeprägter enthalten ist. Er beschränkt sich neben der – sehr abstrakten – Vorgabe des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen (vgl. § 3 I BauO) im Bauordnungsrecht auf Aspekte des Klima- und Schallschutzes und der Energieeffizienz (vgl. § 15 BauO).

5

Weitere Unterschiede bestehen im Hinblick auf Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz sowie die Aufsicht. Während dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für das Bauplanungsrecht zusteht, haben die Länder die Gesetzgebungshoheit für das Bauordnungsrecht.14 Das Bauplanungsrecht adressiert in erster Linie die Gemeinde, ist auf einen Vollzug durch eine nur der Rechtsaufsicht unterliegende gemeindliche Selbstverwaltung angelegt, während das Bauordnungsrecht in der Regel von Landesbehörden sowie Kreisen und kreisfreien Städten unter staatlicher Fachaufsicht vollzogen wird.

6

Trotz der aufgezeigten Unterschiede sind die beiden Rechtsgebiete dogmatisch nicht scharf abgrenzbar. So ist etwa das Bauplanungsrecht im Hinblick auf die § 34 und § 35 BauGB oder im Hinblick auf den vorhabenbezogenen Bebauungsplan ebenso boden- wie objektbezogen. Anderseits ist das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot z.T. umgebungsbezogen. Das Bauplanungsrecht enthält ebenfalls Regelungen zur Verunstaltung (vgl. etwa das Verunstaltungsverbot des § 35 III 1 Nr. 5 BauGB).15

6a

Zudem ist die Aufteilung des öffentlichen Baurechts in die beiden Rechtsgebiete Bauplanungs- und Bauordnungsrecht nicht erschöpfend. So fehlt hierbei etwa das Rechtsgebiet Bausubventionsrecht (Recht der öffentlichen Subventionierung des Bauens).16 Die große Mehrzahl der Fördermittel wird indes nicht auf gesetzlicher Grundlage, sondern auf Grundlage von Förderrichtlinien gezahlt.17

7

Das Bauplanungsrecht gehört zum Raumplanungsrecht. Zu diesem zählen neben dem Bauplanungs- auch das Raumordnungs- und das Fachplanungsrecht.18 Die Abgrenzung dieser Gebiete vom Bauplanungsrecht ist in formeller Hinsicht klar, in materieller Hinsicht aber schwierig. Der inhaltlich weite Begriff des Raumplanungsrechts erfasst alle Vorschriften zur Regelung der räumlichen Planung als raumbezogene Gesamt- oder Fachplanung der öffentlichen Hand.19 Unter Gesamtplanung versteht man eine Planung, die fachübergreifend alle in einem Raum auftretenden Nutzungsansprüche an diesen Raum koordiniert. Die Bauleitplanung mittels Flächennutzungsplan und Bebauungsplan nach dem BauGB ist eine örtliche Gesamtplanung. Die Raumordnung ist eine überörtliche Gesamtplanung. Sie ist die zusammenfassende und übergeordnete Planung und Ordnung des Raumes,20 wobei man herkömmlicherweise zu ihr nur die überörtliche Raumplanung und nicht die örtliche Bauleitplanung zählt (als örtlicher Raumplanung). Landesplanung ist die Raumordnung in den Ländern (vgl. den Zweiten Abschnitt des Raumordnungsgesetzes – ROG).21 Regionalplanung ist Landesplanung bezogen auf eine Teilfläche eines Landes (§ 8 I Nr. 2 ROG).

8

Das Raumordnungsrecht ist zwar kein Bestandteil des öffentlichen Baurechts, weist aber zahlreiche Bezüge zum öffentlichen Baurecht auf. Hingegen ist die Fachplanung eine eher vorhabenbezogene, fachspezifische Planung von Einzelvorhaben. Meist geht es dabei um große Einzelvorhaben, etwa den Bau von Eisenbahntrassen, Flughäfen, Fern- und Wasserstraßen. Die dogmatisch klaren Trennlinien zwischen der „Gesamtplanung“ in Gestalt der Bauleitplanung und der Fachplanung verwischen. So kann Fachplanung im Einzelfall eine weitaus umfassendere Gestaltung der Bodennutzung in einem Gesamtraum darstellen als die Gesamtplanung durch einen bestimmten Bebauungsplan. Hingegen können Bebauungspläne in noch stärkerem Maße als die Fachplanung rein vorhabenbezogen sein.

Bsp.: vorhabenbezogener Bebauungsplan mit Vorhaben- und Erschließungsplan für ein großflächiges Einzelhandelsgeschäft; Bebauungsplan für eine isolierte Planung einer Gemeindestraße Der Bebauungsplan kann sogar nur ein einziges Grundstück betreffen.22 Hingegen kann Fachplanung, zumindest im Hinblick auf die beplante Fläche, rein örtlichen Bezug haben.

Bsp.: Planfeststellung eines Segelflugplatzes

Auch die dogmatischen Trennlinien zwischen (örtlicher) Bauleitplanung und (überörtlicher) Raumordnung sind in praxi weniger klar. So gibt es im Bereich der Bauleitplanung eine überörtliche Gesamtplanung in Gestalt von gemeinsamen Flächennutzungsplänen benachbarter Gemeinden (§ 204 BauGB) oder von Bauleitplänen der Planungsverbände (§ 205 BauGB). Auf der Ebene der Regionalplanung gibt es detaillierte Teilgebiets-Regionalpläne.

9

Kein Gegenstand des Raumplanungsrechts sind definitionsgemäß die sog. nicht-förmlichen oder informellen Planungen.

Bsp.: Baulückenschließungsprogramme, Bedarfspläne für Kindergärten, Grundsätze der Stadtgestal tung; (nachhaltige, kooperative, integrative)23 Stadtentwicklungsplanung24

Informelle Planung kann gleichwohl – zumindest als Abwägungsbelang – gesetzliche Bedeutung erlangen (vgl. § 1 VI Nr. 11 BauGB, § 9 IIa 2 BauGB). Der Umkehrschluss, förmliche Raumplanung sei stets strikt verbindlich, wäre indes verfehlt. Die Bindungswirkung der Inhalte förmlicher Planung reicht nämlich von der strikten Verbindlichkeit bis zum bloßen Empfehlungscharakter.

10

Die Raumplanung stellt ein ineinander verzahntes System von Planungsebenen dar. Kennzeichnend ist vor allem eine Hierarchie der Planungsarten. Grundlegend sind insoweit zwei Gesetzesaussagen: Erstens ist die Bauleitplanung an die Ziele der Raumordnung anzupassen (Anpassungsgebot gem. § 1 IV BauGB)25. Zweitens gehen fachplanungsrechtliche Festlegungen, insbesondere in Planfeststellungsbeschlüssen, nach Maßgabe des § 38 BauGB den bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen (und damit auch den Vorgaben aus Bauleitplänen) grundsätzlich vor (sog. Vorrang der Fachplanung oder Fachplanungsprivileg).26 Die für die Fachplanung zuständigen Behörden haben die Gemeinde jedoch an ihren Planungen zu beteiligen, soweit diese Planungen die gemeindliche Planungshoheit berühren. Zudem muss der Fachplanungsträger die Darstellungen des FNP nach Maßgabe des § 7 BauGB beachten.27

II. Entwicklung des öffentlichen Baurechts

Lit.:Garrelmann, Die Entwicklung des Bauordnungsrechts, 2010; Jäde, Die Entwicklung des Bauordnungsrechts, ZfBR 2015, 19-32; auf die Rspr. bezogene Darstellung Entwicklungen des Bauordnungsrechts: Ortloff, NVwZ 2003, 660 ff.; 2004, 934 ff., 2005, 1381 ff., 2006, 999 ff.; Schröteler-von Brandt, Stadtbau- und Stadtplanungsgeschichte. Eine Einführung, 2. Aufl., 2014; dies., Geschichte der Stadtplanung, 2018 (Online-Publikation); Söfker, Einführung, in: Baugesetzbuch (Beck-Texte im dtv), 50. Aufl., 2018, S. IX-LII.

11

Die Geschichte des öffentlichen Baurechts reicht mindestens zurück bis zu antiken hoheitlichen Stadtplanungen und Anordnungen in Bezug auf das Bauen und Gebäude. Die ersten Baurechtsakte auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands könnten spätantike Hoheitsakte im Zusammenhang mit römischen Stadtgründungen wie Trier, Mainz etc. sein.28 Einige mittelalterliche Stadtgründungen im 12. und 13. Jahrhundert erfolgten durch einen verbindlichen Plan, wobei Straßen parallel oder rechtwinklig zu den Kirchen verlaufen, während viele bestehende Städte oft planlos wucherten.29 Manche Städte erließen etwa brandschutzbezogene Regelungen über Abstände und Baumaterialien oder Regelungen zur Sicherung der Wehrhaftigkeit der Bauten an der Stadtmauer. Instrumente der Planung, etwa zur Festlegung von Straßenfluchten oder zur Zonung30, waren meist noch das Eigentumsrecht, der Grunderwerb sowie Entschädigungszahlungen für Baubeschränkungen.31 Im Zeitalter des Absolutismus (17. und 18. Jahrhundert) kam es zu einer Blüte des Städtebaus, die u.a. durch rigorose Eingriffe des in seiner Macht unbeschränkten (absoluten) Landesherrn ermöglicht wurde, der aufgrund seiner umfassenden „Polizeygewalt“ handelte.32 Er agierte u.a. mit Baupflichten und Enteignungsrechten.33 Während viele „Bauordnungen“ dieser Zeit im Wesentlichen Arbeitszeiten oder Entlohnung der Baumeister und Handwerker regelten, enthielt die im deutschsprachigen Raum viel beachtete württembergische Bauordnung34 bereits zahlreiche bauordnungsrechtliche Vorschriften im heutigen Sinne. Der Gestaltungswille und das Repräsentationsbedürfnis der Landesherren bzw. Fürsten waren Ursachen häufiger Überreglementierung.

12

Hingegen bewirkte der sich im 19. Jahrhundert infolge der französischen Revolution auch in Deutschland verbreitende Liberalismus eine Stärkung der privaten Eigentumsfreiheit. In § 65, § 66 I 8 Preußisches Allgemeines Landrecht (PrAllgLR) von 1796 wurde eine Baufreiheit geregelt, in die nur aus polizeilichen Gründen eingegriffen werden durfte. Bauplanungsrecht fehlte zu dieser Zeit nahezu völlig.35 Ansätze einer Bauleitplanung enthielt das Preußische Fluchtliniengesetz des Jahres 1875, das den Gemeinden das Recht gewährte, Straßen- und Baufluchten festzulegen, im Übrigen auch Anliegerbeiträge zu erheben und das Bauen an unfertigen Straßen zu untersagen.36 Ansonsten beschränkte sich die Bauverwaltung im Wesentlichen auf die staatliche Aufgabe der sog. „Baupolizey“.37 Dies bestätigt sich auch im berühmten Kreuzberg- Urteil des PrOVG,38 worin das Gericht eine Polizeiverfügung des Berliner Polizeipräsidenten für ungültig erklärte, welche die Bebauung in der Umgebung des auf dem Kreuzberg errichteten Siegerdenkmals beschränkte und dazu dienen sollte, die Aussicht vom Fuß des Denkmals auf die Stadt und die freie Sicht auf das Denkmal zu schützen. Das Gericht befand, dass lediglich eine Rechtsgrundlage zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorhanden sei (§ 10 II, § 17 PrAllgLR), nicht aber zum Schutz des Orts- und Straßenbildes (im Urteil: städtebauliche „Wohlfahrtspflege“). Der Sache nach wurde hierdurch die Baufreiheit anerkannt und Maßnahmen der Baupolizei auf polizeirechtlicher Grundlage durften die Baufreiheit nur noch zum Zwecke der Gefahrenabwehr beschränken. Der immer stärkere Bevölkerungszuwachs in den Städten infolge der Industrialisierung39 und der durch sie ausgelösten Landflucht zwang dazu, den Bauboom dieser Zeit auch stadtplanerisch zu lenken und zu ordnen.40 Gleichwohl galt zur Zeit des Baubooms der sog. Gründerzeit noch eine weitgehend liberalistische Grundkonzeption des Baurechts. Wegbereitend für die sich später intensivierende Bauleitplanung war u.a. die Idee der Gartenstadt, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstand und in verschiedenen deutschen Städten umgesetzt wurde.41 In der Weimarer Republik entwickelte sich sodann zwar ein substanzielles Bauplanungsrecht,42 jedoch drängte erst die nationalsozialistische Zeit die liberalistische Betonung der Baufreiheit zugunsten einer hoheitlichen Bauleitplanung zurück.43

13

Die Geschichte des Bauplanungsrechts der Nachkriegszeit ist durch die Aufbaugesetze der Länder der Jahre 1948/49 geprägt, die eine rasche Wiedererrichtung von Wohnungen fördern sollten. Die Aufbaugesetze sahen bereits eine umfassende und verbindliche gemeindliche Bodennutzungsplanung vor. In der Folgezeit kam es zu einer unterschiedlichen Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Im Gebiet der ehemaligen DDR wurde die gemeindliche Planungshoheit im Zuge der Einführung des demokratischen Zentralismus44 beseitigt.45 Den Räten der Städte und Gemeinden waren nur Aufgaben zur Erfüllung des staatlichen Wohnungsbauprogramms zugewiesen.46 Leitvorstellungen des sozialistischen Städtebaus wurden erstmals im Jahr 1950 formuliert („Die Grundsätze des Städtebaus“).47

14

In der Bundesrepublik wurde das Recht der Bauleitplanung durch das Bundesbaugesetz im Jahre 1960 vereinheitlicht, das u.a. den Flächennutzungsplan und den Bebauungsplan heutiger Prägung einführte. Zuvor hatte die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht ein Rechtsgutachten eingeholt, das die Zweifel an einer Bundeskompetenz ausräumte, aber auch die Grenzen der Bundeskompetenz absteckte und das Bauordnungsrecht den Ländern zuwies.48 Das Bauplanungsrecht wurde im Jahre 1971 durch das Städtebauförderungsgesetz ergänzt.49 Beide Zentralgesetze des Bauplanungsrechts wurden durch das BauGB des Jahres 1986 zusammengeführt.50

Ein in baurechtlicher Hinsicht ereignisreiches Jahr war das Jahr 1990. Die erste frei gewählte Volkskammer führte die gemeindliche Planungshoheit wieder ein. Eine im Juni 1990 erlassene DDR-Bauplanungs- und Zulassungsverordnung hatte indes nur eine kurze Geltungsdauer.51 Fragen der Überleitung bzw. Fortgeltung von DDR-Plänen scheinen sich in der Praxis nicht zu stellen.52 Auf der Grundlage des Einigungsvertrages trat das Baugesetzbuch am 3.10.1990 in den neuen Ländern in Kraft, wobei zunächst noch einzelne Vorschriften des DDR-Rechts fortgalten.53 Nach Maßgabe der Überleitungsvorschrift des § 246a IV BauGB wurden unter anderem auch Generalbebauungspläne der DDR übergeleitet.54 Ein sozialistisches Baulandgesetz55 aus dem Jahre 1984 verlor mit dem Einigungsvertrag seine Bedeutung. Ein wie der Einigungsvertrag im Jahre 1990 in Kraft getretenes, zeitlich befristetes BauGB-Maßnahmengesetz zielte auf eine Erleichterung des Wohnungsbaus durch „Vereinfachungen“ im Planungs- und Baurecht.56 Auch das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz aus dem Jahre 199357 diente der Erleichterung des Bauens und zudem der Verfahrensbeschleunigung. Eine grundlegende Neufassung und -ordnung des gesamten Bauplanungsrechts erfolgte durch das Bau- und Raumordnungsgesetz (BauROG 1998)58, das u.a. Sondervorschriften für die neuen Länder aufhob und das BauGB-Maßnahmengesetz ins Dauerrecht überführte. Demgegenüber erscheint das Europarechtsanpassungsgesetz Bau aus dem Jahr 2004 als eine weniger weit reichende Novellierung.59 Im Rahmen von zwei Novellen der Jahre 2006 und 2013 wurde die Innenentwicklung gestärkt.60 Die sog. Klimaschutznovelle aus dem Jahr 2011 erweiterte u.a. die Möglichkeiten von Festsetzungen zugunsten der Nutzung erneuerbarer Energien.61 Der erleichterten Unterbringung von Flüchtlingen dienten die „Flüchtlingsnovellen“ des BauGB der Jahre 2014 und 2015.62 Sodann erfolgten wesentliche Änderungen des Bauplanungsrechts im Rahmen einer Städtebaurechtsnovelle im Jahre 2017 durch das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenhalts in der Stadt“.63 Es trat am 3.05.2017 in Kraft. Neben der Umsetzung der Richtlinie soll die Novelle das Zusammenleben in Städten und Gemeinden stärken und zielt auf eine „nutzungsgemischte Stadt der kurzen Wege“. Im Interesse der Nachverdichtung wurde der neue Baugebietstyp „Urbanes Gebiet“ geschaffen (§ 6a BauNVO) und die Verwaltungsvorschrift zur TA Lärm geändert. Die zulässigen Immissionsrichtwerte am Tag in der Nähe von Sportplätzen wurden durch Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) erhöht. Erleichtert wurde der Landschaftsverbrauch durch ein beschleunigtes Verfahren zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen für den Wohnungsbau (§ 13b BauGB). Die Vorschrift wurde indes vom BVerwG unlängst für unionswidrig erklärt64 und nun vom Gesetzgeber aufgehoben.65 Soziale „Einheimischenmodelle“ erhielten eine Rechtsgrundlage im BauGB (§ 11).66 Die Möglichkeit zur Eindämmung von sog. Rollladensiedlungen wurde verbessert, indem die Begründung von Bruchteilseigentum unter Genehmigungsvorbehalt gestellt werden darf.

14a

Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz67 des Jahres 2021 sollte den Gemeinden (befristet) die Bereitstellung von Bauland erleichtert und die Sicherung bezahlbaren Wohnraums unterstützt werden.68 Neu ist der (sektorale)69 „Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung“ (§ 9 IId BauGB).70 Er wird als einfacher Bebauungsplan für im Zusammenhang bebaute Ortsteile aufgestellt. Bei Vorhaben im unbeplanten Innenbereich kann vom Erfordernis des Einfügens nun auch „in mehreren vergleichbaren Fällen“ abgewichen werden (§ 34 IIIa BauGB n.F.).71 Das allgemeine Vorkaufsrecht wurde erweitert (§ 24 I 1 Nr. 6 und Nr. 8 BauGB) – auch im Hinblick auf die Ausübungsfrist (§ 28 II 1 BauGB). Neu geschaffen wurde der Baugebietstyp „Dörfliches Wohngebiet“ (§ 5a BauNVO) und aus den bisherigen Obergrenzen des § 17 BauNVO a.F. wurden bloße Orientierungswerte (§ 17 BauNVO n.F.). Einige der Neuregelungen knüpfen an eine vorherige Festlegung von „Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt“ durch Verordnung der Landesregierung an (§ 201a BauGB). So bewirkt die Festlegung insbesondere eine Genehmigungspflicht für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach § 1 WEG (§ 250 I BauGB). Zudem können für diese Gebiete nun erleichtert Befreiungen von Bebauungsplanfestsetzungen erteilt werden (§ 31 III BauGB). Der (bis 31.12.2026 befristeten) Gebietsfestlegung kommt daher im Baulandmobilisierungsgesetz eine bedeutsame Rolle zu. Nur deklaratorische Bedeutung hat hingegen die Neuregelung zum Entwicklungskonzept zur Stärkung der Innenentwicklung (§ 176a BauGB). In besonderem Maße mit dem gesetzlichen Nachhaltigkeitsziel in Konflikt war die Verlängerung der Geltungsdauer des unionsrechtswidrigen72 und nun aufgehobenen § 13b BauGB. Dieses „Landschaftszerstörungsgesetz“ widersprach auch der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, bis zum Jahr 2030 die tägliche Flächeninanspruchnahme auf 30 ha pro Tag zu begrenzen (und ab 2050 eine Flächenkreislaufwirtschaft etabliert zu haben). Das BauGB verfehlt – indes nicht erst mit dem Baulandmobilisierungsgesetz – seine Aufgabe73 in Erfüllung des verfassungsrechtlichen (wie bauplanungsrechtlichen) Nachhaltigkeitsauftrags auch eine nachhaltige Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung zu gewährleisten. Der noch immer viel zu hohe Landschaftsverbrauch für Siedlungszwecke ist Ergebnis des Zusammenspiels einer Vielzahl von Regelungen des BauGB mit sonstigen Regelungen anderer Rechtsbereiche (ROG, LEntwicklG, BNatSchG etc.).

14b

In den Jahren 2022 und 2023 ergaben sich vor allem energiewirtschaftsbezogene Änderungen des Baugesetzbuchs. Den Anfang machte das Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes zur Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen sowie zur Änderung von § 246 des Baugesetzbuchs vom 26.04.2022.74 Die Änderung von drei Absätzen des § 246 zum Sonderrecht der Flüchtlingsunterkünfte war indes (anders als der Name des Änderungsgesetzes vermuten lässt) ohne energiewirtschaftlichen Bezug. Jüngere Änderungen des BauGB richteten sich vor allem auf den schnelleren Ausbau der Windkraftnutzung. So ordnet das „Gesetz zur Erhöhung der Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land“ vom 20.07.202275 die Zulässigkeit der Errichtung von Windkraftanlagen im Außenbereich grundlegend neu. Eine besondere Rolle soll dabei dem neuen § 249 BauGB zukommen. Die Norm (mit mittlerweile zehn Absätzen!) modifiziert die Zulässigkeitsanforderungen an Außenbereichsvorhaben der Windenergienutzung erheblich. Sie steht in Verbindung mit dem im Gesetzespaket enthaltenen „Windenergieflächenbedarfsgesetz“ (WindBG), welches die Länder zur Ausweisung von Windkraftstandorten verpflichtet und dabei zur Erreichung verbindlicher Flächenziele (sog. „Flächenbeitragswerte“) verpflichtet.76 So wurde Sachsen-Anhalt verpflichtet, bis 31.12.2027 mindestens 1,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie an Land auszuweisen und den Flächenbeitragswert bis 31.12.2032 sogar noch auf 2,2 Prozent der Landesfläche zu steigern.77

Das Gesetz zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften vom 8.10.202278 ergänzte den § 245e BauGB79 und schuf eine Sonderregelung für Biogasanlagen (§ 246d). Das Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht vom 4.01.202380 enthält (u.a.) eine Sonderregelung für Vorhaben zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien (§ 249a),81 Verordnungsermächtigungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien in Abbaubereichen des Braunkohletagebaus (§ 249b) und privilegiert bestimmte Nutzungen solarer Strahlungsenergie (§ 35 I Nr. 8).

14c

Das Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 3.07.202382 ist im Wesentlichen seit dem 7.07.2023 in Kraft83. Es änderte zahlreiche Vorschriften des BauGB, um das Bauleitplanverfahren stärker zu digitalisieren (insbes. §§ 3, 4, 4a und 200),84 schuf die neue Digitalisierungsregelung des § 245f, enthielt aber auch eine Neufassung der Regelung zu Wiederaufbaugebieten (§ 246c). Zudem finden sich Änderungen der Baunutzungsverordnung, die v.a. die solare Strahlungsenergie stärker berücksichtigen. Die Novelle enthält auch einen Evaluationsauftrag.85

14d

Durch das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze vom 20.12.202386 wurde das Baugesetzbuch insbesondere im Hinblick auf eine Berücksichtigung der künftigen Wärmeplanung geändert. Das Gesetz bedarf noch der Umsetzung durch Landesrecht (4/2024). Gem. § 4 II des Gesetzes sind Wärmepläne sind zu erstellen 1. spätestens bis zum Ablauf des 30. Juni 2026 für alle bestehenden Gemeindegebiete, in denen zum 1. Januar 2024 mehr als 100 000 Einwohner gemeldet sind, sowie 2. spätestens bis zum Ablauf des 30. Juni 2028 für alle bestehenden Gemeindegebiete, in denen zum 1. Januar 2024 100 000 Einwohner oder weniger gemeldet sind. Gem. § 4 III können die Länder für bestehende Gemeindegebiete, in denen zum 1. Januar 2024 weniger als 10 000 Einwohner gemeldet sind, ein vereinfachtes Verfahren nach Maßgabe von § 22 vorsehen. Die Länder können vorsehen, dass für mehrere Gemeindegebiete eine gemeinsame Wärmeplanung erfolgen kann. Entsprechende Regelungen des Landes Sachsen-Anhalt dürften noch im Jahr 2024 ergehen.

15

Verschiedene Entwicklungslinien des Bauplanungsrechts lassen sich aufzeigen. Vor allem entwickelte sich die Stadtplanung von einer reinen Bauplanung zu einer umfassenden staatlichen Bodennutzungsplanung. Im Zuge des Anwachsens des Rechtsstoffs haben sich die Sachgebiete und Instrumente immer weiter ausdifferenziert. Während für die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts noch eine Planungseuphorie prägend war, ist für die jüngere Zeit aufgrund der Erkenntnis der Schnelllebigkeit sozio-ökonomischer Strukturen eine gewisse planerische Zurückhaltung kennzeichnend.87 Zudem lässt sich eine Tendenz zur Privatisierung der Planung (im weitesten Sinne) nachweisen.

Bsp.: Stärkung der Handlungsform des städtebaulichen Vertrages in den neunziger Jahren – vgl. § 1a III 3, § 11, § 12 I 1 BauGB, hiervon insbesondere die Vorhaben- und Erschließungsplanung gem. § 12 BauGB durch Investoren und die Einschaltung Privater gem. § 4b BauGB

Eine weitere wichtige Entwicklungslinie des Bauplanungsrechts verläuft von der Reaktions-, über die Auffang- hin zur Entwicklungsplanung. Gemeinsam ist dem Bauplanungs- wie im Bauordnungsrecht die Entwicklung zu einer immer stärkeren „Subjektivierung“, vor allem durch den richterrechtlichen Ausbau des Drittschutzes.88 Während bis zum Ende der fünfziger Jahre ein Drittschutz im öffentlichen Baurecht nicht anerkannt war, wurde dieser seit Anfang der sechziger Jahre von der Rechtsprechung immer stärker ausgebaut. Hinzu tritt die zunehmende Europäisierung.

Bsp.: So verweisen nationale Vorschriften über Bauprodukte wie § 20 I 1 BauO LSA89 oder § 1 Bauproduktengesetz90 auf die CE-Kennzeichnung. Die europarechtlich gebotene grenzüberschreitende Beteiligung wird in § 4a BauGB ebenso geregelt wie die Einbeziehung der FFH-Richtlinie in die Bauleitplanung durch § 1a IV BauGB.

Schließlich beschreibt eine Entwicklungslinie die stärkere Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten, insbesondere solchen des vorsorgenden Umweltschutzes91 (Integration der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, Einbeziehung der FFH-Ausdehnung der UVP-Pflicht von Bebauungsplänen, Vorrang der Innenentwicklung etc.). Sie drückt sich etwa aus im BauROG (1997, indes ambivalent), im Gesetz zur Umsetzung der UVP-Richtlinie, IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz (2001), im Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes (2005), in den Innenentwicklungsnovellen (2006, 2013) und im Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes (2011). Die Novellen mit Bezug zur Nutzung erneuerbarer Energien, dienen zwar dem Klimaschutz, stehen indes in einem Zielkonflikt an anderen Umweltschutzzielen wie dem Arten- und dem Landschaftsschutz. Vor allem aber bedeutet neues Recht, wie das zur kommunalen Wärmeplanung, meist neue Aufgaben.

Die Vereinfachung des Planens und Bauens war zwar immer wieder Ziel von Novellen, so etwa im Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz (1993), BauGB-MaßnahmenG (2000), Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben (2007), bei den Flüchtlingsnovellen (2014, 2015) oder der Städtebaurechtsnovelle 2017, jedoch haben diese die Komplexität des Rechtsstoffs nicht etwa reduziert, sondern immer weiter erhöht (Komplexitätszunahme). Die Komplexität des Rechtsstoffs hat ein im Hinblick auf die Gesamtrationalität geradezu irrationales, groteskes Ausmaß erreicht.92 Mit erfolgreichen Schritten zu einer Komplexitätsreduktion ist nicht zu rechnen. So sind etwa jüngst das Planen und Bauen „vereinfachende“ Regelungen erlassen worden (vgl. nur § 6a BauNVO), jedoch wurden damit zumeist weitere Handlungsvorgaben bzw. Gestaltungsoptionen geregelt, die in der Summation das unübersichtliche Normendickicht noch komplexer machen. Das kritikwürdige Baulandmobilisierungsgesetz hat die Komplexität der Rechtsmaterie u.a. mit neuartigen Rechtsinstrumenten (vgl. etwa das Städtebauliche Entwicklungskonzept i.S.d. § 176a, die Verordnungen über Gebiete mit angespannter Wohnungsmarktsituation, die COVID-Anlagen-Regelung des § 246b BauGB93 oder den neuen Baugebietstypus Dörfliches Wohngebiet gem. § 5a BauNVO) auf ein Rekordhoch getrieben. Zugenommen haben dabei auch Übergangsregelungen bzw. zeitlich befristete Baugesetze. Sie nähern sich de facto Experimentierklauseln an, die indes i.d.R. regional begrenzt zur Anwendung kommen und eine andere Stoßrichtung haben.94 Die ungezügelte Komplexitätszunahme ist gepaart mit einer anhaltend hohen Dynamik der Rechtsänderungen, so dass man zugespitzt von einer Volatilität des Baurechts sprechen könnte.95 Besonders deutlich drückt sich das in der Zunahme von Befristungsregelungen aus. Immer höhere Dynamik und Komplexität treffen auf eine unzureichende Personaldecke in ohnehin oft überlasteten Bauverwaltungen. Meist sind die nötigen Mittel für einen wirksamen Vollzug (etwa für die Kosten von Ersatzvornahmen) nicht im Haushalt eingestellt. Dies zusammen bewirkt eine dem Rechtsstaat abträgliche Situation: immer mehr Normen gelten, aber immer werden wirksam vollzogen. Dies bleibt auch dem Durchschnittsbürger nicht verborgen, dessen Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates, Rechtsstaat und Gerechtigkeit beschädigt wird. Dies wird dadurch verstärkt, dass auch der gebildete Durchschnittsbürger oder Gemeinderat die Komplexität des Baurechts nicht mehr erfassen und allenfalls eine gewisse Groborientierung erlangen kann. Dies gilt für viele andere Rechtsbereiche entsprechend, so dass der Verlust von Handlungsfähigkeit und Vertrauen ein für Demokratie und Rechtsstaat bedrohliches Ausmaß zu erreichen scheint.

16

Die im bundesrepublikanischen Nachkriegsdeutschland erlassenen Landesbauordnungen richteten sich weitgehend nach der von einer Bund-Länder-Kommission im Jahre 1959 verabschiedeten und später von der Länder-Arbeitsgemeinschaft Bau (ARGEBAU) weiterentwickelten Musterbauordnung.96 In den neuen Bundesländern galt zunächst ein von der freien Volkskammer in Anlehnung an die Musterbauordnung (MBO) erlassenes Gesetz über die Bauordnung fort.97 Dieses wurde zunehmend modifiziert und schließlich aufgehoben. Auch aufgrund der übergangsweisen Geltung einer „Anordnung“ über Bauvorlagen etc.98 wies das in den neuen Bundesländern geltende Bauordnungsrecht wenig länderspezifische Besonderheiten auf. Weitere DDR-Anordnungen, die bis zum Erlass von Landesrecht galten, betrafen Feuerungsanlagen99 und Garagen100. Zuvor hatte die letzte Volkskammer ein Gesetz über eine Bauordnung erlassen.101 Diese DDR- Bauordnung wurde in den frühen neunziger Jahren durch Landesrecht geändert102 bzw. durch neue Landesbauordnungen ersetzt. In Sachsen-Anhalt wurde im Jahr 1994 eine Landesbauordnung erlassen.103 Sie hatte im Wesentlichen bis zum Erlass einer neuen Bauordnung durch Gesetz des Jahres 2005 Bestand.104 Der Wechsel vom DDR-Baurecht zum bundesrepublikanischen Baurecht warf einige Rechtsfragen auf wie die Überplanung unklarer Eigentumslagen, den Umgang mit DDR-Schwarzbauten, die Schutzwürdigkeit von Siedlungen mit ehemaligen LPG-Tierhaltungsanlagen105 oder das Verbot der Schlechterstellung106.

17

Vor allem um die Jahrtausendwende war im Bauordnungsrecht bundesweit das Bestreben nach Verfahrensvereinfachung und Deregulierung nachweisbar.107 So sind etwa für Sachsen-Anhalt insoweit der Erlass der neuen Bauordnung (2001),108 der Erlass des Ersten (2002)109 und des Zweiten Investitionserleichterungsgesetzes (2003)110 hervorzuheben. Die Deregulierungsbestrebungen der Bundesländer haben gewisse Verfahrenserleichterungen bewirkt, letztlich aber die Überregulierung dieses Sachbereichs nicht wesentlich eingedämmt und zudem die Rechtszersplitterung in den Bundesländern verschärft.111 So ergeben die Normsetzungsebenen Europäische Union, Bund, sechzehn Bundesländer und die Gemeinden (sowie weitere Baurechtsetzer) eine insgesamt unübersichtliche Rechtslage, zumal Baurecht auch weithin richterrechtlich geprägt ist. Die Kritik an der Rechtszersplitterung und am Abweichen von der Musterbauordnung greift indes zu kurz. Es kann nicht sinnvoll gerade das kritisiert werden, womit der Föderalismus vor allem gerechtfertigt wird (Einheit in Vielfalt). Nicht die Orientierung an einer die Sinnhaftigkeit der Länderkompetenz in Frage stellenden MBO, sondern das anachronistische Festhalten an einer Länderkompetenz in einem wirtschaftswichtigen Bereich wie dem Bauordnungsrecht ist das eigentliche Problem, weil es auch im Hinblick auf die Europäisierung ein nicht mehr zu rechtfertigendes Wirtschaftshemmnis darstellt. Letztlich ist aber der Bundesstaat auf nationaler Ebene in Frage zu stellen, da er insbesondere unangemessen teuer, schwerfällig und integrationsfeindlich ist.112

17a

Problematisch sind auch die ordnungsrechtlich bedingten Kostensteigerungen für das Bauen privater wie öffentlicher Bauherren.113 Neue baurechtliche Anforderungen bzw. immer höhere Standards führen zu immer höheren Kosten vor allem beim Gebäudebau. Man kann insoweit unterscheiden nach Verantwortungsbereichen bzw. Rechtsetzern (EU, Bund, Land, Gemeinden sowie die privaten Normgeber wie das DIN e.V., deren Regelwerke regelmäßig rechtsersetzende Funktion haben), nach Sachbereichen (Abwasseranlagen, Barrierefreiheit, Brandschutz, Gestaltungsvorgaben, Standsicherheit, Schall-, Wärme- und Klimaschutz/Energieeffizienz etc.) und nach Rechtsgebieten (Bauplanungs-, Bauordnungs- und Baunebenrecht).

18

Bauplanungs- und Bauordnungsrecht enthalten heute eine nie gekannte Vielfalt an Steuerungsinstrumenten und Handlungsformen. Im Bauplanungsrecht sind – in gesetzessystematischer Hinsicht – die Bauleitpläne (Flächennutzungsplan und Bebauungsplan) die wichtigsten Steuerungsinstrumente. Zahlreiche bebauungsplanakzessorische Instrumente dienen der Planverwirklichung. Daneben gibt es indes zahlreiche weitere gemeindliche Möglichkeiten der Steuerung der Bebauung ihres Gebietes (nicht bebauungsplanakzessorische Instrumente). Dabei kann zwischen folgenden Gruppen von Steuerungsinstrumenten unterschieden werden:regulative,

Bsp.: Innenbereichssatzungen, § 34 IV BauGB; Außenbereichssatzungen, § 35 VI BauGB; Sanierungssatzung, § 142 III BauGB

nicht regulativ-planerische,

Bsp.: informelle Pläne wie Entwicklungskonzepte nach § 1 VI Nr. 11 BauGB, § 176a BauGB, etwa Stadtmarketingkonzept zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche

vertragliche,114

Bsp.: Grundstückskaufverträge etwa als Einheimischenmodelle; städtebauliche Verträge, § 11 BauGB

distributive (v.a. Anreize),

Bsp.: Einsatz von Städtebaufördermitteln, § 164a BauGB; Vergabe eigener Mittel

und persuasiv/informatorische Instrumente.

Bsp.: Stadtmarketing, Beratung zu EU-, Bundes-, Landes- und eigenen Föderprogrammen; Baulandkataster

Diese Instrumentenvielfalt schafft zahlreiche Handlungsoptionen, zugleich aber auch ein kompliziertes Gesamtsystem, das seine Ziele nicht immer erreicht.

Man mag insoweit auch von Steuerungsschwächen bzw. Vollzugsdefiziten sprechen. Die wohl größte ungelöste Zukunftsfrage des Bauplanungsrechts ist der anhaltend hohe Landschaftsverbrauch von über 50 Hektar pro Tag (für Siedlungs- und Verkehrszwecke), der dem Gebot nachhaltigen Umgangs mit dem Boden widerspricht115 und (angesichts kritischer Belastungssituation und fehlenden Maßnahmenkonzepts) auch dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen des Art. 20a GG zuwiderläuft. Anstelle einer wünschenswerten Vereinfachung besteht weiterhin eine Tendenz zum Anwachsen des Rechtsstoffs unter Zunahme seiner Komplexität bzw. Schwierigkeit. Weitere Fehlentwicklungen, die das Baurecht nur unzureichend eindämmt, sind etwa die Gentrifizierzung und die mit der Zunahme des Individualverkehrs verbundene Verlärmung durch den Betrieb von Verbrennungsmotoren. So ist insbesondere auf eine steuerungstechnisch stärkere Förderung der Innenentwicklung im Interesse einer Abschwächung der Suburbanisierung mit ihrem Bebauungsdruck auf Freiflächen zu hoffen. Im Zuge einer Digitalisierung der Verkehrslenkung können evtl. einmal Verkehrsströme von KI gelenkt werden, um einen „Verkehrsinfarkt“ von Städten zu verhindern. Eventuell wird das bisherige Leitbild der funktional streng gegliederten Siedlung in Frage zu stellen und der Trennungsgrundsatz einzelfallbezogener als bisher anzuwenden sein, um Räume effizienter zu nutzen.116

19

Die Handlungsformen der Bauverwaltung (im weiteren Sinn)117 sind äußerst vielgestaltig. Es findet sich die ganze Vielfalt öffentlich-rechtlicher Handlungsformen: Rechtsnorm in Gestalt von Verordnungen und Satzungen,

Bsp.: Bauvorlagenverordnung, Gestaltungssatzung

Verwaltungsvertrag,

Bsp.: Erschließungsvertrag, Folgekostenvertrag

Verwaltungsakt,

Bsp.: Baugenehmigung, Abrissverfügung

Verwaltungsvorschrift,

Bsp.: VVBauO, Industriebaurichtlinie,

Einzelweisung

Bsp.: Weisung der oberen an die untere Baubehörde eine Genehmigung zu erteilen

sowie Rechtsakte eigener Art.

Bsp.: Flächennutzungsplan, Beschluss über ein Entwicklungskonzept gem. § 171e III oder § 176a BauGB

20

Hinzu treten öffentlich-rechtliche Realakte (schlicht hoheitliches Handeln).

Bsp.: Baustellenkontrolle, Siegel-Anbringung, Dienstfahrt, Nachforderung von Bauvorlagen

21

Zudem kann die Bauverwaltung auch privatrechtlich handeln.118 Dies gilt in erster Linie für die Bedarfsdeckungsverwaltung (fiskalische Hilfsgeschäfte) und die Rolle der Verwaltung als Arbeitgeber, seltener hingegen für erwerbs- bzw. gemeinwirtschaftliche Betätigung.

Bsp.: Beschaffung von Bürobedarf, Abschluss eines Arbeitsvertrages, städtische Bauhof-GmbH schließt Werbevertrag (als Annex zur Aufgabenwahrnehmung)

22

Handlungsformen Privater gegenüber der Bauverwaltung i.w.S. sind u.a.: Anträge,

Bsp.: Bauantrag gem. § 67 BauO, Antrag auf Erlass eines Vorbescheids gem. § 74 BauO

einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärungen,

Bsp.: Baulasterklärung gem. § 82 I BauO, Plananerkenntnis gem. § 33 I BauGB

auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtete Willenserklärungen,

Bsp.: bzgl. eines Durchführungsvertrags gem. § 12 I BauGB

Tathandlungen in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht

Bsp.: Absteckung der Grundrissfläche119, Anbringung des Bauschildes

und sonstige tatsächliche Handlungen (Realakte).

Bsp.: Schwarzbau, Duldung der Kontrolle

III. Gesetzgebungskompetenz und Rechtsquellen

23

Die Gesetzgebungskompetenzen für das öffentliche Baurecht sind nach dem Grundgesetz auf Bund und Länder verteilt.120 Während dem Bund das Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung für das Bauplanungsrecht zusteht, haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung für das Bauordnungsrecht. Diese Kompetenzverteilung ist nicht ausdrücklich geregelt, sondern Ergebnis der Grundgesetzauslegung. Dem Bund steht gem. Art. 74 Nr. 18 GG ausdrücklich das Gesetzgebungsrecht für das Bodenrecht (mit Ausnahme der Erschließungsbeiträge) zu. Unter Bodenrecht versteht man diejenigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die die unmittelbaren rechtlichen Beziehungen zu Grund und Boden, insbesondere seine Nutzbarkeit, regeln.121 Das Bauplanungsrecht mit seinen Regelungen der baulichen Nutzbarkeit der Grundstücke bildet mithin den Kern des Bodenrechts.122 Daher fehlte den Ländern etwa die Kompetenz, den Erlass von besonderen Bebauungsplänen oder gebietsbezogene Mindestabstandsflächenregelungen123 zu regeln. Die ehem. Länderöffnungsklausel des § 249 III BauGB a.F. ließ ländereigene Regelungen von Mindestabständen zu (in Sachsen-Anhalt nicht erlassen). Zum dem Bund vorbehaltenen Bodenrecht zählt des Weiteren auch das Recht der Umlegung und der Baulanderschließung.124 Das Bauordnungsrecht mit seinen vornehmlich sicherheitsrechtlichen Aspekten fällt hingegen nach der Auffangzuständigkeit des Art. 70 GG in die Länder-Gesetzgebungskompetenz. Eine Sondersituation besteht im Bereich des Erschließungsbeitragsrechts, das durch eine Grundgesetzänderung den Ländern zugewiesen wurde. Das bisherige Erschließungsbeitragsrecht des Bundes gilt bis zu seiner Ersetzung durch Landesrecht als Bundesrecht fort (Art. 125a GG).

24

Einen Grenzfall bildet die den Ländern zustehende Kompetenz zur Regelung der Baugestaltung, zumal auch der Bund im Rahmen seiner bodenrechtlichen Kompetenz Verunstaltungsregelungen erlassen hat (vgl. § 35 III 1 Nr. 5 BauGB bzw. als „mittelbare“ Baugestaltungsregelung das Einfügensgebot des § 34 I BauGB). Es kommt daher maßgeblich auf den Zweck der Regelung an. Der Abgrenzung dient die Unterscheidung, dass Bodenrecht flächenbezogen und Bauordnungsrecht objektbezogen ist. Die Verunstaltungsabwehr als baugestalterische Regelung liegt ebenfalls in der Kompetenz der Landesgesetzgebung.125 Baugestaltungsvorgaben der Länder bzw. mancher Gemeinden wirken im Einzelfall dirigistisch. Der rechtliche Rahmen der Baugestaltung insgesamt, v.a. im Hinblick auf den Altbestand, ist es aber nicht. Er gewährleistet auch keine hohe Baukultur in ästhetischer Hinsicht – weder im Hinblick auf den Bestand noch die Neubebauung.126 Die Vollzugspraxis des Baurechts lässt – ungeachtet der vielen Steuerungs- und Eingriffsmöglichkeiten – im Ergebnis den Bestand in der Regel unberührt und erlaubt meist große Freiräume für ein Bauen auf niedrigem ästhetischen Niveau. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Indes sind – zumindest aus der Perspektive des ästhetisch empfindsamen Betrachters – die meisten baulichen Anlagen, Straßen- und Ortsbilder nicht schön bzw. harmonisch. Gelungene Ensembles alter bis moderner Baukultur sind Ausnahmen. Weit häufiger als hohe Baukultur, die beim Betrachter im Regelfall positive Empfindungen bewirkt, sind bauliche Anlagen, die ein negatives ästhetisches Empfinden bewirken. So ist die überwiegende Zahl der Baulichkeiten gesichtslos, nichtssagend bzw. stillos, lieblos, kalt, rein funktionalistisch, vernachlässigt, nicht selten hässlich oder fügt sich nicht in die Umgebung ein. Nur dort, wo Geld, Geist und Geschmack zusammentreffen und sich als Straßen- oder gar Ortsbild über einen langen Zeitraum entfalten können, entsteht i.d.R. eine hohe Baukultur. Der Staat sollte regulativ wie distributiv das Entstehen hoher Baukultur fördern und zudem bei eigenen Bauten mit gutem Beispiel vorangehen.

25

Die Rechtsquellen des öffentlichen Baurechts können nach den Ebenen der Rechtsetzung unterschieden werden nach völker-, unions-, bundes-, landes- und ortsrechtlichen Regelungen.127 Das Völkerrecht, etwa in Investitionsschutzabkommen,128 enthält indes meist nur hochgradig abstrakte, nicht unmittelbar „vollzugsfähige“ Normen. Das Unionsrecht enthält zumindest einige wenige für das Bauen und Planen bedeutsame Vorgaben.

Vgl.: Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.03.2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten (EU-BauPVO); Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.07.2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen pp. (Seveso-II-Richtlinie); sog. Baustellen-Richtlinie 92/57/EWG

Das Unionsrecht genießt Anwendungsvorrang vor ihm widersprechenden nationalen Recht. Das nationale Recht ist im Übrigen europarechtskonform auszulegen und bei der Auslegung gilt das Gebot der größtmöglichen praktischen Wirksamkeit des Europarechts.129

26

Von mittelbarer Bedeutung für das Bauen sind die europarechtlichen Regelungen zu Umweltverträglichkeit, Energieeffizienz und Artenschutz.

Vgl.: FFH-Richtlinie mit Aussagen zur Unzulässigkeit bestimmter Bauvorhaben in FFH-Gebieten, Vogelschutz- und UVP-Richtlinie

EU-Umweltrichtlinien wirken sich mittelbar – über das nationale Transformationsgesetz – vor allem auf die kommunale Bauleitplanung aus (vgl. § 1a II Nr. 3 und 4 BauGB, §§ 32 ff. BNatSchG,§ 4 ff., § 50 UVPG).

27

Das Grundgesetz thematisiert das Bauen nicht ausdrücklich, jedoch lassen sich ihm einige Grundaussagen zum Bauen entnehmen. Hervorzuheben sind insoweit neben den Artikeln, die die Kompetenz des Bundes für Bereiche des Baurechts begründen, vor allem die Eigentumsfreiheit gem. Art. 14 I GG, aus der die Baufreiheit und der Schutz des Eigentums am Bauwerk abgeleitet werden.130 Die kommunale Planungshoheit wird weithin aus der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II GG abgeleitet.131

28

Das zentrale Bundesgesetz des Bauplanungsrechts ist das Baugesetzbuch.132 Es ist in vier Kapitel gegliedert, wobei die ersten beiden Kapitel „Allgemeines Städtebaurecht“ und „Besonderes Städtebaurecht“ die bedeutendsten sind.

Das Baugesetzbuch wird durch verschiedene Bundesverordnungen konkretisiert, wobei die Baunutzungsverordnung besonders hervorzuheben ist.133

29

Weitere Bundesverordnungen des Baurechts sind vor allem die Planzeichen-134, die Wertermittlungs-135 sowie die Energieeinsparverordnung136. Zum Baurecht im weiteren Sinne kann man etwa die Baustellenverordnung zählen, die den Arbeitsschutz auf Baustellen regelt, allerdings auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes erging.137 Eine große Bedeutung nimmt mittlerweile auch das Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung ein, so dass es vermehrt als Rechtsquelle des Baurechts bezeichnet wird. Seine Rechtsgrundlagen finden sich im UVPG138 (vgl. §§ 4 ff., 50 UVPG, Anlage 1 Nr. 18 „Bauplanungsrechtliche Vorhaben“) und in dem Landes-UVPG139 (das für das Bauen von geringerer Bedeutung ist).

30

Zentrale landesrechtliche Regelungen140 des öffentlichen Baurechts sind die Landesbauordnungen. In Sachsen-Anhalt gilt gegenwärtig die Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BauO LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.09.2013.141 Sie wurde mehrfach, zuletzt im Jahr 2023, geändert.142 Sie gliedert sich in sechs Teile: „Allgemeine Vorschriften“, „Das Grundstück und seine Bebauung“, „Bauliche Anlagen“, „Die am Bau Beteiligten“, „Bauaufsichtsbehörden und Verwaltungsverfahren“ und „Ordnungswidrigkeiten, Rechtsvorschriften und Übergangsvorschriften“.

31

Die Landesbauordnung wird durch verschiedene (ministerielle) Landesverordnungen konkretisiert. Sie sind Vorschriften die „auf Grund des Gesetzes“ ergingen (vgl. etwa § 62 S. 1 b), § 63 S. 1 Nr. 2 BauO). Sie regeln sowohl formelle wie auch materielle Anforderungen. Einige Verordnungen sind allgemeiner Natur und betreffen das Genehmigungsverfahren wie die Bauvorlagenverordnung143 oder die Baugebührenverordnung.144 Andere beziehen sich auf bestimmte Typen von Anlagen: Feuerungsverordnung,145 Garagenverordnung,146 Verordnung über Campingplätze und Wochenendplätze,147 Verordnung über Beherbergungsstätten,148 Verordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten,149 Verordnung über technische Anlagen und Einrichtungen nach Bauordnungsrecht (TAnlVO)150 sowie die Verordnung über den Bau von Betriebsräumen für elektrische Anlagen (EltBau- VO)151. Das zuständige Landesministerium veröffentlicht eine „Übersicht Baurechtliche Bestimmungen in Sachsen-Anhalt“.152 Zudem kann man im Online-Portal „Landesrecht Sachsen-Anhalt“ jederzeit Überblick über die gültigen Baurechtsvorschriften des Landesrechts gewinnen.153 Örtliches Baurecht findet sich in Gestalt gemeindlicher Bausatzungen.

Bsp.: Bebauungspläne, Gestaltungs-, Erhaltungs- und Stellplatzablösesatzungen

32

Nicht zu den Rechtsquellen gehören nach h.M. als Verwaltungsinnenrecht die Verwaltungsvorschriften.154 Sie finden sich u.a. in Gestalt von Richtlinien, Erlassen und vergleichbaren Regelungen, die im Ministerialblatt des Landes verkündet werden oder unveröffentlicht sind.155

Bsp.: Verwaltungsvorschrift über die bauaufsichtliche Prüfung bautechnischer Nachweise und die Bauüberwachung (VVPrüfBau)156, Erlass zur Wahrnehmung der bauaufsichtlichen Aufgaben und Befugnisse durch die Wasserbehörde,157 Schulbaurichtlinie,158 Erlass über notwendige Toiletten in Gaststätten159

Das Verwaltungsinnenrecht bindet grundsätzlich nur im Verhältnis von erlassender und nachgeordneter Behörde und kann nach außen nur aufgrund des Gleichheitssatzes in Verbindung mit dem Rechtsgedanken der Selbstbindung der Verwaltung Verbindlichkeit erlangen.160

33

Eine Sonderstellung zwischen Rechtsnormen und reinem Verwaltungsinnenrecht nehmen die von der obersten Baubehörde im Ministerialblatt für das Land Sachsen-Anhalt veröffentlichten Technischen Baubestimmungen ein. Sie dienen der Konkretisierung der allgemeinen Anforderungen an bauliche Anlagen.161 Sie sind beim Bauen „zu beachten“.162 Die oberste Bauaufsichtsbehörde macht nach Anhörung der beteiligten Kreise durch das Deutsche Institut für Bautechnik zur Durchführung der BauO und der aufgrund der BauO erlassenen Vorschriften die Technischen Baubestimmungen als Verwaltungsvorschrift im Ministerialblatt für das Land Sachsen-Anhalt öffentlich bekannt (VV TB).163 Ihre konkrete Wirkungsweise bzw. Verbindlichkeit ist umstritten.164 Nach zutreffender Ansicht haben sie die Bedeutung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften.165 Sie haben im Bauordnungsrecht einen sehr breiten Anwendungsbereich.166 Ihre praktische Bedeutung ist sehr hoch.

33a

Zumindest im Hinblick auf seine praktische Bedeutung kann auch das Richterrecht als Rechtsquelle i.w.S. (genauer: Rechtsfindungsquelle) angeführt werden, das vor allem weite Bereiche des Bauplanungsrechts prägt (Abwägungslehre, Abgrenzung Innen- und Außenbereich, Drittschutz von Vorschriften etc.).167 Die baurechtlichen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und der sachsen-anhaltischen Verwaltungsgerichtsbarkeit sind heute in der Regel frei und kostenlos im Internet verfügbar.168

34

Mit dem Begriff des Baunebenrechts werden Regelungen bezeichnet, die nicht zum Baurecht im formellen Sinne zählen, die aber im Rahmen der Zulassung von Bauvorhaben typischerweise zu beachten sind.169

Bsp.: Denkmalschutz-, Abwasser- und Naturschutzrecht

Immissionsschutzrecht kann nur dann Baunebenrecht sein, wenn es sich bei dem Vorhaben um eine nach BImSchG genehmigungsfreie Anlage handelt. Insoweit können v.a. § 22 BImSchG und die zu seiner Ausführung ergangenen Verordnungen Bedeutung erlangen (etwa die Sportanlagenlärmschutzverordnung). Der Brandschutz ist zum Teil Gegenstand des formellen Bauordnungsrechts (§§ 14, 29 BauO etc.), im Übrigen aber auch in besonderen Vorschriften geregelt (Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz,170 VO über die Brandsicherheitsschau171 etc.). Nicht für die Zulassung des Vorhabens relevant (daher kein Baunebenrecht), aber bei dessen Ausführung zu beachten sind sozialversicherungsrechtliche Anforderungen. So kann bei Eigenbauarbeiten mit Bauhelfertätigkeit eine Versicherungspflicht bei der Berufsgenossenschaft für Bauwirtschaft bestehen.172

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Die Verwaltungskompetenzen zum Vollzug des öffentlichen Baurechts liegen nahezu ausschließlich bei den Ländern. Sie vollziehen v.a. die Bundesgesetze BauGB und BauNVO als eigene Angelegenheit.173 Dabei ist die Gestaltungsfreiheit der Länder bei der Regelung der Verwaltungsorganisation und des Verfahrens erheblich eingeschränkt, weil der Bund im BauGB die Gemeinde zur Trägerin der Planungshoheit bestimmt und einige Verfahrensregelungen getroffen hat.174 Der Vollzug des Landesrechts ist naturgemäß Ländersache.

ÜbersichtVorschriften des öffentlichen Baurechts, die in Sachsen-Anhalt gelten

35a

Stand 1.01.2024

A. Europarecht(ohneRichtlinien)

Bauproduktenverordnung175

B. BundesrechtI. GesetzeBaugesetzbuch176II. VerordnungenBaunutzungsverordnung177Planzeichenverordnung178Immobilienwertermittlungsverordnung179(Baustellenverordnung)180C. LandesrechtI. GesetzeBauordnung des Landes Sachsen-Anhalt181Gesetz zum Abkommen über das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt-Abkommen)182Gesetz zum Abkommen zur zweiten Änderung des Abkommens über das Deutsche Institut für Bautechnik183 und Gesetz zum Abkommen zur dritten Änderung des Abkommens über das Deutsche Institut für Bautechnik184Gesetz zur Durchführung der Marktüberwachung von harmonisierten Bauprodukten in Sachsen-Anhalt185
II. Verordnungen1. Genehmigungsverfahren:Bauvorlagenverordnung186Elektronische Bauverfahrensverordnung187Baugebührenverordnung188Feuerungsverordnung1892. Bauaufsicht:Verordnung über die Übertragung von bauaufsichtlichen Befugnissen1903. Typen baulicher Anlagen:Garagenverordnung191Verordnung über Campingplätze und Wochenendplätze192Verordnung über Beherbergungsstätten193Verordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten194Verordnung über technische Anlagen195Verordnung über den Bau von Betriebsräumen für elektrische Anlagen1964. Bauprodukte:Verordnung über Anforderungen an Hersteller von Bauprodukten und Anwender von Bauarten197Verordnung über das Übereinstimmungszeichen198Verordnung über die Überwachung von Tätigkeiten mit Bauprodukten und bei Bauarten199Wasserbauproduktenverordnung2005. Ausführung des BauGB:Verordnung zur Übertragung von bauplanungsrechtlichen Aufgaben und Befugnissen201Verordnung über die Bodenordnung nach dem Baugesetzbuch202
Verordnung über den Gutachterausschuss für Grundstückswerte2036. Sonstige:Verordnung zur Untersagung der Einführung der Teilungsgenehmigung nach § 19 Abs. 5 des Baugesetzbuches204Verordnung über Prüfingenieure und Prüfsachverständige205Verordnung über die Anerkennung als Prüf-, Überwachungs- oder Zertifizierungsstelle nach Bauordnungsrecht206

III. Untergesetzliche Regelwerke (keine sog. Rechtsquelle)

Verwaltungsvorschrift zur Einführung Technischer Baubestimmungen207

Hinzu treten Vorschriften des Baurechts im (nur) materiellen Sinn wie z.B. die

(abfallrechtliche) Ersatzbaustoffverordnung

IV. Verfassungsrechtliche Grundlagen

Lit.:Beaucamp, Der Einfluss der Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG auf das öffentliche Baurecht, JA 2018, 487492; Kaeser, Das Recht selbstbestimmter Baugestaltung, 2002; Mannsen, Stadtgestaltung durch örtliche Bauvorschriften, 1990; Schneider, Die Freiheit der Baukunst, 2002; Voßkuhle, BayVBl. 1995, S. 613 ff.; Wapenhans, BauR 2002, S. 270

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Im Zentrum der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Baurechts steht die Diskussion der sog. Baufreiheit. Die ganz h.M. sieht die Baufreiheit als Element des verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentums an Grund und Boden an: Baufreiheit sei nicht Gegenstand staatlicher Rechtsverleihung,208 sondern die bauliche Nutzbarkeit sei vielmehr „essentieller Bestandteil des Eigentums”209. Während die Gegenansicht davon ausgeht, dem Grundrechtsträger werde das Baurecht durch die Baugenehmigung zugewiesen („verliehen“),210 behandelt die h.M. in Rechtsprechung und Lehre die Baugenehmigung als eine „Entsperrung eines dem Bauwilligen zustehenden Rechts” (Kontrollerlaubnis).

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Dies wird insbesondere mit der historischen Erwägung begründet, die Baufreiheit zähle seit dem 19. Jahrhundert zu den Kernbestandteilen (essentialia) der Eigentümerbefugnisse und es sei mit den heutigen essentialia des Eigentums, der Privatnützigkeit und der Verfügungsbefugnis, unvereinbar, die in wirtschaftlicher Hinsicht wichtigste Nutzungsart eines Grundstücks aus dem Eigentumsbegriff auszuklammern.211 Die praktische Relevanz der Streitfrage ist indes gering, da jedenfalls unstrittig ist, dass nicht für jedes Grundstück Baurecht besteht und ein Grundstück nur unter Beachtung der zahlreichen gesetzlichen Einschränkungen bebaubar ist. Auch soweit man mit der h.M. aus Art. 14 I GG die Baufreiheit des Eigentümers ableitet, gilt, dass deren Inhalt und Schranken gem. Art. 14 II 2 GG durch die Gesetze bestimmt werden.212 Inhalt der Baufreiheit ist daher nur ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein Vorhaben, das im Einklang mit allen gesetzlichen Anforderungen steht. Die Baufreiheit besteht insbesondere nur nach Maßgabe des Planungsrechts, so dass auch die h.M. zumindest von einer de facto „eigentumsverteilenden Wirkung”213 der Bauleitplanung ausgeht.

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Entgegen gelegentlicher Äußerungen in Rspr. und Lit. folgt der Anspruch auf die Genehmigung eines konkreten Bauvorhabens nicht unmittelbar aus der Baufreiheit gem. Art. 14 I GG. Das Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber lediglich, zum Schutze der Eigentumsgarantie in einem von ihm zu bestimmenden Umfang ein Recht zum Bauen einzuräumen. Daher folgt der Genehmigungsanspruch allein aus den einschlägigen Bestimmungen der Landesbauordnungen über die Zulassung von Bauvorhaben.214 Selbst wenn man aus Art. 14 I GG einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung ableiten wollte, wären die einfachgesetzlichen Vorschriften über die Erteilung der Baugenehmigung lex specialis gegenüber dem Grundrecht. Das Grundrecht kann indes für die Auslegung einer einfachgesetzlichen Norm über die Erteilung der Baugenehmigung als Anspruchsnorm Bedeutung erlangen.215

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Die wichtigste verfassungsrechtliche Bedeutung der Anerkennung der Baufreiheit liegt darin, dass Eingriffe in das Grundrecht dem klassischen Gesetzesvorbehalt unterliegen216 und i.Ü. verhältnismäßig sein müssen. Soweit nicht ausnahmsweise ein Eingriff in Gestalt einer Enteignung vorliegt, sind Eigentumseingriffe durch das öffentliche Baurecht Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums i.S.v. Art. 14 I 2 GG, welche die Sozialbindung des Eigentums in der Regel in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise ausformen und daher entschädigungslos hinzunehmen sind (vgl. Art. 14 II GG). Für die Bestimmung der Zumutbarkeit hinzunehmender Beschränkungen kann die Situationsgebundenheit des Eigentums Bedeutung erlangen.

Bsp.: So können etwa sowohl eine aufgrund verfestigter Planung zu erwartende Geräuschbelästigung (plangegebene Vorbelastung) als auch die tatsächliche Geräuschvorbelastung einem Grundstück kraft seiner Situationsgebundenheit anhaften.217 Sie muss vom jeweiligen Eigentümer unabhängig vom Zeitpunkt des Erwerbs und von der Kenntnis der Vorbelastung hingenommen werden.

In Fällen schwerer, unzumutbarer Betroffenheit des Eigentümers aufgrund baurechtlicher Beschränkungen kommen geschriebene218 und subsidiär auch ungeschriebene Entschädigungsansprüche in Betracht.219 Der Gesetzgeber darf etwa einen Grundeigentümer nicht ohne jeden Ausgleich verpflichten, ein Baudenkmal auf seine Kosten zu erhalten, ohne dass dem Eigentümer irgendeine sinnvolle (privatnützige) Nutzungsmöglichkeit verbleibt.220

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Die staatlichen Beschränkungen des freien Bauens lassen in ihrer Summe die Baufreiheit als bloße juristische Fiktion erscheinen. Sie gilt schon faktisch nur für die Teile der Bevölkerung und zwar nur für diejenigen, die sich tatsächlich das Bauen leisten können. Schon die Preise von Baugrundstücken sind für weite Bevölkerungskreise unbezahlbar. Diese soziale Situation scheint sich zu verschärfen, da die „soziale Schere“ weiter auseinandergeht und zudem Bauen immer teurer wird. Da auch die (immer höheren) baurechtlichen Anforderungen an bauliche Anlagen eine Ursache für das Ansteigen der Baupreise sind, fragt sich, ob das derzeitige Baurecht ein unsoziales Baurecht ist bzw. zunehmend unsozial wirkt, weil es (entgegen dem Staatsziel sozialer Gerechtigkeit und dem Ziel einer sozialgerechten Bodennutzung i.S.v. § 1 V BauGB) sozial Schwachen zunehmend unmöglich macht, zu bauen.

Zudem ist, neben diesen und sonstigen faktischen Beschränkungen, die Baufreiheit im Hinblick auf Eigenbauarbeiten stark eingeschränkt. Das (legale) Selberbauen ist heute aus verschiedenen Gründen kaum noch möglich. So dürfen bereits die Bauvorlagen nur von Bauvorlageberechtigten erstellt werden und die meisten Gewerke nur von Personen errichtet werden, die vor dem Gesetz als hierfür qualifiziert gelten. Baustoffe müssen i.d.R. (nach einem aufwändigen Verfahren) zertifiziert sein, so dass etwa die Verwendung von neuartigen Stoffen oder die Wiederverwendung von Altstoffen stark eingeschränkt ist. Die Vorgaben zum Baugenehmigungsverfahren verhindern (de facto) zudem ein „organisches“ bzw. „evolutives“ Bauen, bei dem ein Bauwerk nicht von vornherein „durchgeplant“ ist, sondern nur ein „Rahmenplan“ besteht und beim Bauen Planabweichungen aufgrund neuer Ideen und Wünsche umgesetzt werden. Ist mit dem Bau einmal begonnen, scheuen Bauherren eine Änderung oder Ergänzung, weil Mehraufwand, Mehrkosten und eine Bauverzögerung drohen, wenn sich die Baubehörde erneut mit der Vorhabenzulässigkeit befasst. Auch kann u.a. wegen der begrenzten Geltungsdauer der Baugenehmigung nicht über einen langen Zeitraum nach Maßgabe des vorhandenen Geldes gebaut werden.

Vor allem schnüren die zahlreichen formellen wie materiellen gesetzlichen, verordnungs- und satzungsrechtlichen sowie untergesetzlichen Vorgaben (insbesondere die technischen Baubestimmungen) in der Summe die Baufreiheit – u.a. durch Vorlage-, Nachweis-, Anzeigepflichten, Brandschutz-, Wärmeschutz-, Umweltschutzauflagen u.v.m. – ganz erheblich ein. Soweit sie nicht nur die Allgemeinheit oder Nachbarschaft, sondern den Einzelnen vor sich selbst schützen, sind sie Ausdruck eines paternalistischen Umweltschutzstaats. Besonders tiefgreifend wirken Eingriffe in die Freiheit der Gestaltung. So ist die Praxis mancher bis ins Detail gehender gestalterischer Vorgaben durch Bebauungspläne bedenklich.221 Selbst im Hinblick auf Fragen der Gestaltung von Fassade, Dach, Vorgarten oder Nebenanlagen sind nicht selten detaillierte Vorgaben zu beachten. Planungsträger sollten sich indes davor hüten, eine Idealsiedlung und „Gleichmacherei“ ohne städtebauliche Notwendigkeit zu verwirklichen. Sie vollführen eine politische Gratwanderung zwischen Gemeinwohl- sowie Sozialstaatsorientierung auf der einen und Individualrechtsschutz auf der anderen Seite. Staatlicher Dirigismus vernachlässigt vor allem die wertsetzende Bedeutung der Eigentumsfreiheit, in deren Licht die Planungsnormen auszulegen sind. Er steht in einem Spannungsverhältnis zur Idee der offenen pluralistischen Gesellschaft. Zudem provozieren dirigistische Vorgaben eine aufwändige Bürokratie und Vollzugskontrolle. Aufgrund der eingeschränkten Justiziabilität planerischer Entscheidungen sind allerdings die meisten Formen übertriebener Bevormundung des Bauherrn nicht justiziabel. Kritisiert wird im Übrigen, das Bauplanungsrecht befördere bzw. verstetige soziale Ungleichheit und Segregation.222

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Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz hindert eine Enteignung bebauter Grundstücke nicht. Die sog. Junktimklausel stellt sie aber ebenso wie jede andere Enteignung unter Allgemeinwohlvorbehalt sowie unter den Vorbehalt der Entschädigung (Art. 14 II GG). Diese Vorgaben werden durch das einfachgesetzliche Enteignungsrecht des BauGB umgesetzt (vgl. §§ 85 ff. BauGB). Dabei wird vor allem der aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgenden Forderung, eine Enteignung müsse Ultima ratio sein, Rechnung getragen (vgl. § 87 II BauGB). Erfolgt die Enteignung durch Verwaltungsakt, muss der Betroffene die ihm zustehenden Rechtsbehelfe nutzen, um die Bestandskraft des Bescheides zu verhindern und darf nicht nach dem Motto „dulde und liquidiere“ verfahren. Es gilt mithin ein Vorrang des Primärrechtsschutzes.223

Enteignung ist der Entzug des Eigentums,224 die abzugrenzen ist von bloßen Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums durch baurechtliche Maßnahmen.

Bsp.: So haben etwa Festsetzungen in Bebauungsplänen, die die bauliche Ausnutzung eines Grundstücks beschränken, keinen enteignenden Effekt.225

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Mit dem Begriff Bestandsschutz bezeichnet man in erster Linie die Frage nach dem „Bleibendürfen” einer Altanlage, die einmal dem geltenden Recht entsprach, aber den jetzigen baurechtlichen Anforderungen widerspricht (sog. passiver Bestandsschutz).226 Die Rechtsprechung hatte aus der Eigentumsgarantie abgeleitet, dass ein Vorhaben, welches zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigt wurde oder zumindest genehmigungsfähig war, passiven Bestandsschutz genießt. Dabei geht es um den Schutz von Investitionen in bauliche Anlagen, die im Vertrauen auf die materielle Rechtslage errichtet wurden. Existierte daher kein schutzwürdiges Vertrauen, kann sich der Betroffene nicht darauf berufen, sein Vorhaben habe der objektiven Rechtslage entsprochen.227 Das ungeschriebene Rechtsinstitut des Bestandsschutzes wurde bis vor kurzem auch im Hinblick auf den sog. aktiven Bestandsschutz unmittelbar aus Art. 14 I GG abgeleitet. Dabei geht es darum, ob Ansprüche auf die Erteilung einer Baugenehmigung für die Wiedererrichtung einer zerstörten oder die Erweiterung einer bestehenden Anlage aus der Eigentumsgarantie abgeleitet werden können. Das BVerwG geht in seiner jüngeren Rspr. davon aus, dass ein Bestandsschutz im Sinne einer eigenständigen Anspruchsgrundlage nicht besteht, wenn eine gesetzliche Regelung vorhanden ist.228 Dies ist vor allem im Anwendungsbereich des § 35 IV BauGB der Fall. Darüber hinaus hat das Gericht (mittlerweile) klargestellt, dass es außerhalb der gesetzlichen Regelungen keinen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz gibt.229 Damit ist die gesamte Rspr. zum aktiven Bestandsschutz überholt, während jene zum passiven Bestandsschutz außerhalb spezialgesetzlicher Regelung (!) nach wie vor Geltung beansprucht.230

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Die einfachgesetzlich durch § 2 I BauGB gewährleistete Planungshoheit ist nach h.M. zugleich durch Art. 28 II GG verfassungsrechtlich gesichert.231 Diese Verfassungsnorm gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Unter diesen Angelegenheiten versteht man „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben”232. Die gemeindliche Planungshoheit gilt als eine der sog. Gemeindehoheiten. Sie umfasst die Befugnis der Gemeinde, die Bodennutzung in ihrem Gemeindegebiet grundsätzlich eigenständig planen und ordnen zu dürfen.

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Das BVerfG hat die Frage, ob ein völliger Ausschluss der Gemeinden von der Planung ihres Raums den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie verletzt, ausdrücklich offen gelassen, jedoch betont, eine staatliche Beschränkung der Planungshoheit sei nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots und des Willkürverbots zulässig.233 M.a.W. müssen schutzwürdige überörtliche Interessen von höherem Gewicht die Einschränkung erfordern. Das Gericht betont also lediglich, dass der Gesetzgeber außerhalb des unantastbaren Kernbereichs das Selbstverwaltungsrecht näher ausgestalten und formen darf, dabei jedoch verschiedenen Bindungen unterliegt und die Gemeinden auch außerhalb des Kernbereichs nicht gänzlich einem Aufgabenentzug und staatlicher Beschränkung ausgeliefert sind.234 Die heute wohl h.M. zählt die kommunale Planungshoheit zum durch Art. 28 II GG geschützten unantastbaren Kernbereich der Selbstverwaltung, da die Bauleitplanung jedenfalls seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zentrale Bedeutung für die gesamte gemeindliche Entwicklung besitzt.235 Mit dem Hinweis darauf, dass die gemeindliche Bauleitplanung nicht immer zum historischen Bild der Selbstverwaltung zählte und noch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als eine polizeirechtliche Aufgabe des Staates angesehen wurde, geht die Gegenansicht davon aus, die Planungshoheit gehöre nicht zum Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie.236 Die Planungshoheit unterfalle lediglich dem sonstigen Gewährleistungsbereich, welcher unter Gesetzesvorbehalt stehe („im Rahmen der Gesetze”). Während die „Kernbereichsthese“ hinsichtlich der Bebauungsplanung als nahezu einhellige Meinung gelten kann, ist die Zuordnung der Flächennutzungsplanung zum unantastbaren Kernbereich der Selbstverwaltung weitaus umstrittener.237

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Außerhalb des Schutzbereichs der Planungshoheit gehört das Bauwesen jedenfalls nicht zum durch die Institutsgarantie geschützten Kernbereich gemeindlicher Selbstverwaltung. Es bestehen allerdings keine verfassungsrechtlichen Bedenken, auch bauordnungsrechtliche Fragen durch die Gemeinden regeln zu lassen, soweit sie einen spezifischen unmittelbaren Bezug zur örtlichen Gemeinschaft haben. De lege lata haben die Länder das Bauordnungsrecht weitgehend selbst durch Gesetz und Verordnung geregelt und den Gemeinden nur eher wenige Bereiche zur Gestaltung überlassen.238

Bsp.: gemeindliche Baugestaltungs- und Stellplatzsatzungen

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Da der Bundesgesetzgeber die Gemeinde nicht nur gem. § 2 I BauGB zum Träger der Bauleitplanung bestimmt, sondern sie durch § 1 III BauGB auch zur Bauleitplanung verpflichtet, kann von einer Selbstverwaltungsaufgabe in Gestalt einer weisungsfreien Pflichtaufgabe239 gesprochen werden.240 Die Kommunalaufsicht überwacht die Wahrnehmung dieser Pflichtaufgabe (nur) im Wege der Rechtsaufsicht.241

Bsp.: Die Kommunalaufsicht darf zur Durchsetzung der Pflicht der Gemeinde, ihre Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung anzupassen, eine kommunalaufsichtliche Anordnung treffen.242

Die Planungshoheit ist als Bestandteil der Selbstverwaltungshoheit ein wehrfähiges subjektives Recht der jeweiligen Gemeinde. Sie ist auch Grundlage eines Beteiligungsrechts der Gemeinde an allen sie betreffenden staatlichen Planungen. Ein Rückgriff auf die verfassungsrechtliche Selbstverwaltungsgarantie ist indes in der Regel nicht nötig, da die Beteiligung einfachgesetzlich normiert ist.

Bsp.: § 7 V ROG, § 4 BauGB im Hinblick auf Nachbargemeinden, § 7 IV AtomG, § 10 Nr. 2a FlurberG, § 14 I Nr. 2 PbefG, § 14 II WaStrG, § 10 II LuftVG

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Außerhalb des unantastbaren Kernbereichs bildet das Verhältnismäßigkeitsprinzip eine Schranke des Eingriffs in die Planungshoheit. Nach der Rspr. kommt eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Planungshoheit aber „nur dann in Betracht, wenn durch das zugelassene Vorhaben eine hinreichend kon