Ohne Aktien geht es nicht! - Werner Schwanfelder - E-Book

Ohne Aktien geht es nicht! E-Book

Werner Schwanfelder

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Beschreibung

Zwischen 2003 und 2006 ist der DAX wieder um 4000 Punkte gestiegen und es zeigt sich: Aktien bieten nach wie vor bei der Geldanlage langfristig die besten Gewinnchancen.

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Schwanfelder, Werner

Ohne Aktien geht es nicht!

Schritt für Schritt zum Anlage-Erfolg

www.campus.de

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2007. Campus Verlag GmbH

Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de

E-Book ISBN: 978-3-593-40301-4

|9|Vorwort

Ein chinesisches Sprichwort lautet: Der Fischer, der am Ufer wartet, bis sich alle Wellen gelegt haben, wird nie einen Fisch fangen. Wie wahr. Bei der Aktienanlage kann man viel gewinnen, aber man muss auch handeln. Viele Menschen warten ab, bis sich eine gute Gelegenheit ergibt. Die gute Gelegenheit ist schon heute gegeben! Warten Sie nicht, bis das Meer zur Ruhe gekommen ist. Auf dem Meer wird es immer Wellen geben.

Vielleicht gehören Sie zu jenen, die im Börsencrash des Jahres 2001 viel Geld verloren haben. Oder auch zu jenen, die die bösen Erfahrungen von damals nicht am eigenen Leib erleben wollen. Da Sie dennoch zu diesem Buch greifen, leben sicherlich auch Sie nach der Devise »Aus Erfahrung wird man klug«. Wir machen alle immer wieder Fehler – auch an der Börse. Die Hauptsache ist, dass wir aus ihnen lernen!

Der weithin bekannte Spekulant und Anleger George Soros sagt: »Wer den Verlust fürchtet, kann keine Gewinne machen.« Diese Aussage kann ich nur unterstreichen. Wer aufgrund von Verlusten nicht mehr investiert, kann nicht gewinnen. Aus Verlusten kann man aber lernen und das nächste Mal die erhofften Gewinne einfahren. Wichtig ist am Ende, dass die Gewinne die Verluste übersteigen.

Während ich diese Zeilen schreibe, denke ich daran, wie ich kürzlich bei einer Anlage einen größeren Verlust erlitt. Warum? Ich hatte mich dumm benommen. Ich hatte alle Regeln, die ich in diesem Buch beschreibe, missachtet. Ich stellte mich gegen den Trend, dachte, dass ich den Markt besser kennen würde als alle anderen Anleger. Ich hatte Anfangserfolge, und die Gier überwältigte mich. Ich kaufte ständig nach, auch als der Kurs schon fiel. Ich verkaufte nicht, ich hoffte nur immer wieder von neuem auf Besserung. Kurz: Ich benahm mich wie der letzte Anfänger.

|10|Wie sagte André Kostolany? An der Börse gibt es nur Schmerzensgeld – erst kommen die Schmerzen, dann das Geld! Nachdem ich meinen Fehler eingesehen hatte, schrieb ich mir einen Spickzettel mit guten Vorsätzen und investierte weiter. Nach einiger Zeit hatte ich meine Verluste wieder ausgeglichen.

Es gibt kein Rezeptbuch, in dem man nachlesen kann, wie man das macht. Man benötigt etwas Wissen – das dieses Buch bietet –, und dann muss man Erfahrungen sammeln und schließlich Wissen und Erfahrungen zum Tun kombinieren. Schließlich geht es an der Börse darum, das Richtige zu tun, ohne immer ganz genau zu wissen, warum.

|11|1 Einleitung

Das echte Börsenwissen ist das, was übrig bleibt, wenn man alle Details vergessen hat.

Eduard Herriot

Der Jahrhundertcrash und was er uns lehrt

In den Jahren 2000 bis 2003 stürzte der DAX von 8000 Punkten auf 2200 Punkte hinab. An der Börse war die Hölle los. Wie konnte dies geschehen? Wir brauchen darauf eine Antwort, um zu wissen, wie wir uns künftig an der Börse verhalten sollten.

Natürlich durfte niemand ungestraft damit rechnen, dass es nur steil nach oben gehen würde und dass die Börse eine Gelddruckmaschine sei. Junge Leute unterbrachen ihre Ausbildung, um sich auf das Spekulieren zu konzentrieren. Gestandene Handwerker verkauften ihren Betrieb, um an der Börse einzusteigen. Aktienbücher verkauften sich wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Auch dieses Buch. Obwohl den meisten Büchern – hätte diese nur irgendjemand wirklich gründlich studiert – zu entnehmen war, dass ein Aktienkurs sich selbstverständlich in beide Richtungen entwickeln kann: nach oben, aber eben auch nach unten.

In jedem Buch über Aktien steht aber auch die alte Weisheit, dass man den Trend nicht verpassen darf, dass man sich im Trend bewegen muss. Dies ist immer noch richtig, und zweifelsohne waren viele Anleger gut beraten, sich dem Trend anzupassen und einzusteigen. Und noch eine weitere Selbstverständlichkeit soll hier erwähnt werden: Nicht die Privatanleger, und steckten sie noch so viel Geld in Aktienkäufe, machen den Trend, sondern sie nutzen ihn lediglich und verstärken ihn bestenfalls.

Doch schauen wir noch einmal zurück in das Jahr 2000. Damals stieg der DAX binnen weniger Monate von 5000 Punkten auf 8 136 Punkte. Hauptauslöser dieses Trends war die Versicherungswirtschaft. Hatte diese in der Vergangenheit ihr Geld eher in festverzinslichen Papieren angelegt, so zwang sie der Markttrend – ausländische Versicherungsunternehmen |12|hatten seit je mehr in Aktien investiert und konnten nun ihren Versicherten höhere Renditen bieten – zu einer Umkehr ihrer Anlagepolitik. Nur so konnte man diesen ausländischen Versicherungsunternehmen besser begegnen. Irgendwann im Jahr 2000 scheint diese Tatsache aber zu einer konzertierten Aktion der Versicherungswirtschaft geführt zu haben. Man schichtete unisono in Aktien um. Die Kurse stiegen, jeder versuchte, daran zu partizipieren. Am 7. März 2000, als die Blase platzte, gehörte jede dritte Aktie einem Versicherungsunternehmen.

Bis zur Jahreswende 2000 gab der Kurs um 20 Prozent nach. Das wäre eigentlich kein Problem gewesen, denn eine Kurskorrektur in dieser Größenordnung spricht eher für eine gesunde Entwicklung. Sie ist ein Zeichen für Konsolidierung. Das Hauptproblem war jedoch abermals die Versicherungswirtschaft. Die deutschen Versicherungsunternehmen hatten sich dem Trend relativ spät angeschlossen und waren folglich bei einem relativ hohen Kursniveau eingestiegen. Die Kaufkurse wurden also bald unterschritten, und gemäß den Kursverlusten wurden Abschreibungen nötig. Deren Ausmaß wuchs noch, denn bis Mitte 2001 fielen die Kurse um weitere 15 Prozent.

In Deutschland gibt es wie in den meisten anderen Ländern eine Behörde, die die Anleger und die Versicherungsnehmer schützen soll. Diese Behörde ist die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Die BaFin forderte von den Versicherungsunternehmen, ihre Aktienbestände drastisch zu verringern. Die hohen Bestände erschienen ihr als ein zu großes Risiko. Die Versicherer folgten ihrer Aufsichtsbehörde und warfen massiv Aktien auf den Markt. Die Folge war, dass die Kurse noch stärker unter Druck gerieten und erneut verloren.

Und dann kam es zu den Ereignissen jenes 11. Septembers des Jahres 2001. Natürlich weiß man, dass jeder Terroranschlag die Kurse belastet – und erst recht ein Anschlag in bisher nicht da gewesenen Dimensionen. Deshalb war es nicht überraschend, dass der Kurseinbruch an Schärfe gewann. Der DAX verlor binnen zehn Tagen rund ein Viertel und damit wesentlich mehr als andere Indizes, weil ausländische Börsen vorübergehend geschlossen wurden, die Verkaufsaktivitäten sich folglich auf Deutschland konzentrierten.

Im Jahr 2002 erholten sich die Kurse. Man schöpfte wieder neue Hoffnung. Doch nun gab es Bilanzskandale, die argentinische Schuldenkrise |13|drückte die Stimmung, der Irak-Konflikt machte sich bemerkbar, und auch der Wahlsieg von Rot-Grün belastete die Börse. Es kam wieder zu hektischen und teilweise panikartigen Verkäufen, als zum Beispiel Gerüchte die Runde machten, denen zufolge viele Versicherer vor der Pleite standen. Die Meinung setzte sich durch, dass die Versicherer im großen Stil verkaufen mussten. Die Profis spekulierten darauf, indem sie nicht auf steigende, sondern auf fallende Kurse setzten. Die Hedgefonds verdienten bestens. Auch viele Ausländer verkauften, weil sie im deutschen Aktienmarkt keine Ordnung mehr erkannten. Die Krise, so ihr Urteil, wurde sehr dilettantisch gemanagt. Die BaFin verschärfte ihre Bilanzvorschriften zum Schutz der Anleger und erreichte, dass die Versicherer noch mehr Aktien verkaufen mussten und die Kurse im Jahr 2003 erneut in den Keller gingen.

In diesem Jahr wurde jedoch andererseits das Tal der Tränen endgültig durchschritten, und es ging langsam, aber zügig wieder aufwärts. Der Börsencrash hat allerdings nicht nur das Vermögen vieler Anleger vernichtet. Er zog auch unübersehbare Sekundärschäden wie Wachstumsschwäche, Arbeitslosigkeit, Turbulenz der Sozialsysteme nach sich. Das Vertrauen vieler Anleger in den Aktienmarkt war nachhaltig erschüttert, sodass sie sich fernhielten, anstatt die Renditen mitzunehmen, die der Markt in den Jahren ab 2003 bot. Die Aktienkurse stiegen nun kontinuierlich, und der DAX erreichte, ausgehend von 2200 Punkten, im Jahr 2006 wieder die magische Marke von 6000. Hätte man rechtzeitig erneut auf den Trend gesetzt, hätte man schon wieder gute Gewinne machen können.

Im Jahr 2006 ist festzustellen, dass viele Anleger neuen Mut geschöpft haben und wieder einsteigen. Eigentlich spricht nichts dagegen, denn die grundsätzlichen Aussagen zu Aktien haben sich nicht geändert. Der Einstieg lohnt sich. Er lohnt sich nach wie vor.

Welche Lehren haben uns die beschriebenen Börsenjahre beschert? Eigentlich keine neuen, eigentlich nichts, was wir vorher nicht auch schon wussten. So bleibt die Börsenregel Nummer eins unwidersprochen: Immer im Trend bleiben. Gemeint ist nicht nur der Trend nach oben, sondern auch der Trend nach unten. Mancher hat auch schon bei fallenden Kursen gutes Geld verdienen können. Wie das möglich ist, dazu später mehr.

Und auch die zweite Regel bleibt bestehen wie eh und je: konsequent |14|handeln. Warten Sie nicht stets nur voller Hoffnung ab, sondern seien sie auch bereit, auszusteigen und zu verkaufen, wenn der Trend sich gedreht hat.

Der Einstieg lohnt sich

Wer wenig Selbstvertrauen besitzt, ist anfällig gegenüber kurzfristigen Kursbewegungen und fremden Meinungen. Wer jedoch über zu viel Selbstvertrauen verfügt, läuft Gefahr, seine Meinung über den Markt zu stellen, eigene Fehler nicht mehr zu korrigieren, Verluste laufen zu lassen und letztendlich nach Anfangserfolgen zu scheitern.

Unbekannt

Laut Statistik geben die Deutschen mehr Geld für Bananen aus als für den Erwerb von Aktien. Während sie für Bananen im Monat durchschnittlich etwa 3,50 Euro übrig haben, bringen sie für Aktien vergleichsweise nur 0,61 Euro auf. Ist Deutschland also eine anlagepolitische Bananenrepublik?

Manches spricht tatsächlich dafür. Prozentual gesehen gibt es in den USA viermal so viele Aktionäre wie in Deutschland, in Schweden sind es sogar achtmal so viele. Bei uns rangieren Aktien im Kreis der Anlageformen als Schlusslicht. Und das ganz zu Unrecht. Denn die Statistik zeigt, dass Aktien eine der lukrativsten Anlageformen sind.

Betrachtet man die Jahre 1947 bis 2003, so stellt man fest, dass die Aktienanlage in diesem Zeitraum eine durchschnittliche jährliche Rendite von 9,0 Prozent abwarf. Im Vergleich erbrachte eine Anlage in festverzinslichen Wertpapieren nur 2,2 Prozent pro Jahr.

Noch interessanter wird der Vergleich, wenn man auch die Steuer (siehe Kapitel 4, S. 76) einbezieht. Denn der Finanzminister erhebt auf Zinsen und Dividenden (siehe Kapitel 2, S. 49 f.) Steuern, auf Wertgewinne jedoch nur, wenn diese innerhalb der sogenannten Spekulationsfrist realisiert werden. Das heißt, Kursgewinne kann der Aktienanleger nach Verstreichen dieser Frist voll kassieren.

Ein Spitzenverdiener mit 42 Prozent Steuerbelastung konnte im Zeitraum von 1947 bis 2003 bei Aktien eine jährliche Rendite von 4,4 Prozent einstreichen. Bei festverzinslichen Wertpapieren musste er hingegen sogar drauflegen. Hier ergab sich eine jährliche Wertentwicklung |15|von minus 3,2 Prozent. Bezieht man die Inflation mit ein, so fällt die Bilanz zugunsten von Aktien noch vorteilhafter aus.

Nun wird so mancher Anleger sagen: »Halt, das stimmt nicht. Ich habe mit der Anlage in Aktien viel Geld verloren.« Und er hat Recht, weil sich die Zeitpunkte, zu denen er Aktien gekauft und später wieder abgestoßen hat, im Nachhinein als ungünstig erwiesen haben. Je nachdem, welchen Zeitabschnitt wir für einen Vergleich wählen, können wir für oder gegen Aktien argumentieren. Der Chart des DAX über zehn Jahre (siehe Abbildung 1) zeigt dies sehr gut.

Abbildung 1: Entwicklung des DAX von 1998 bis Anfang 2006

Quelle: Consors

Wer im Jahr 2000 (endlich oder schließlich) eingestiegen ist und vom Aktienboom noch profitieren wollte, hat bis heute Geld verloren. Wer allerdings 1997 oder 2004 eingestiegen ist, der hat von der allgemeinen Kursentwicklung profitiert.

Daraus ergibt sich die Frage: Ist die Aktienanlage eine langfristige oder eine kurzfristige Anlage? Die Antwort lautet: Sie ist beides. Darüber werden wir später noch mehr erfahren. Die Aktienanlage ist aber auf jeden Fall eine Anlage, die man regelmäßig beobachten sollte.

|16|Was kann man mit der Aktienanlage gewinnen oder verlieren? Das sogenannte DAI-Rendite-Dreieck (siehe Abbildung 2) zeigt dies sehr eindrucksvoll. Aus diesem Dreieck können wir ablesen, welche Rendite mit einer Anlage in den 30 größten börsennotierten Unternehmen für verschiedene Anlagezeiträume von einem Jahr bis zu 22 Jahren erzielt werden konnte. Wer beispielsweise Ende 1988 in Aktien investierte und diese zum 31. Dezember 1996 verkaufte, erzielte eine Jahresrate von 10,2 Prozent. Wer 1998 kaufte und 2001 verkaufte, realisierte nur 1,0 Prozent jährlich. Das DAI-Rendite-Dreieck finden Sie leicht im Internet, wenn Sie den Begriff in eine Suchmaschine eingeben.

Abbildung 2: DAX-Renditen seit 1948 – das DAI-Rendite-Dreieck

Quelle: Deutsches Aktieninstitut

Das DAI-Rendite-Dreieck ist unbestechlich. Es zeigt natürlich auch, dass man mit Aktien verlieren konnte, aber die Summe der Erkenntnisse heißt nach wie vor: Aktien sind, gemessen an der Rendite, besser als andere Anlageformen.

Die Schlussfolgerung daraus kann nur sein: Ja, die Anlage in Aktien |17|ist vor allem eine langfristige Anlage. Viele Verwerfungen gleichen sich bei einem längeren Anlagehorizont aus. Aber man darf seine Aktien nicht vollkommen aus den Augen verlieren. In einem Jahr wie beispielsweise 2001 hätte jeder – auch der langfristig orientierte – Anleger reagieren und verkaufen müssen, um Gewinne zu realisieren. Die Anlage in Aktien bedeutet nämlich mehr als nur den Kauf von Aktien. Dazu später mehr.

Aktienanlage mit etwas Überlegung, also die Kombination von längerfristiger Anlage und periodischem Blick auf die Kursentwicklung, ist immer unschlagbar. Es gibt keine gleichwertigen Alternativen.

Betrachten wir doch einmal, wie die Bundesbürger ihr Geld anlegen. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank verfügten sie Anfang 2005 über ein Geldvermögen von etwa 4 065 Milliarden Euro. Tabelle 1 weist aus, wo beziehungsweise in welchen Anlageformen dieses Vermögen gebunden war.

Anlageform

Mrd. €

bei Banken

1 451

bei Versicherungen

1 040

Rentenwerte

474

Aktien

251

sonstige Beteiligungen

152

Investmentfonds

464

Pensionsrückstellungen

233

Summe

4 065

Tabelle 1: Struktur des Geldvermögensbesitzes in Deutschland

Quelle: Deutsche Bundesbank

Die Aktie gewinnt im Vergleich fast immer. Und dennoch schenken ihr nur so wenige Geldanleger ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Dennoch bestreitet sie einen Anteil von nur wenig mehr als 6 Prozent des Geldvermögens der Deutschen. Warum?

Die Gründe dafür sind vielfältig. Einer davon besteht sicher darin, |18|dass das Geschäft mit Aktien als eine hochgradig komplizierte Angelegenheit erscheint, derer sich nur gewiefte Profis souverän annehmen können. Der geheimnisvolle DAX, die irritierenden Zahlenkolonnen im Wirtschaftsteil der Zeitungen und die Fernsehbilder aus den heiligen Hallen der Börse tun ein Übriges, um den Eindruck zu verstärken, es handele sich hier eher um ein Insidergeschäft, bei dem die Teilnahme von Otto Normalbürger nicht vorgesehen ist.

Und natürlich hat die Geschichte gezeigt, dass die Kurse auch nach unten gehen können. Für viele war es eine Überraschung, aber im Grunde genommen ist es keine. Die Anleger haben nur vergessen, dass die Kurse steigen und auch fallen können. Viele haben ihre schmerzhaften Erfahrungen gemacht, und nun haben sie die Lust verloren. So ist die Zahl der Aktionäre bis 2004 gefallen. Erst im Jahr 2005 kam es zu einer zaghaften Umkehr; nach Angeben des Statistischen Bundesamtes stieg in diesem Jahr die Zahl der Aktionäre auf rund 10,8 Millionen an.

Der DAX steigt, und die Zeit der Trübsal ist vorbei. Stimmt. Aber die Zeit der Vorsicht wird nie mehr vorbei sein. Dieses Buch will gegen das verzerrte Image der Aktie angehen. Schritt für Schritt wird der Leser oder die Leserin in die Welt der Aktien eingeführt, um sich am Ende sicher darin bewegen zu können. Dabei werden zunächst Informationen gegeben, und die Theorie wird etwas erläutert. Dann aber folgt schon die Praxis. Die Praxisbausteine lassen sich sofort umsetzen und widmen sich ganz konkreten Fragen: Wie tue ich was? Kurz: Dieses Buch ist ein Leitfaden, der zeigen soll, wie man Aktionär wird. Es lädt ein, sich am attraktiven Aktienspiel zu beteiligen.

Die zehn wichtigsten Börsenregeln

Ehe wir uns in die Einzelheiten vertiefen, wollen wir einige Regeln aufstellen. Diese Regeln sollten Sie vor jedem Investment lesen und bei jedem Investment berücksichtigen. Sie sind nicht neu. Sie sind uralt, so alt wie die Aktie selbst. In den späteren Teilen dieses Buches werden wir diese Regeln in unseren Tipps und Hinweisen immer wieder aufgreifen.

|19|Regel 1: Niemals alles auf eine Karte setzen. Überraschungen und Fehlspekulationen gehören zur Börse. Den ultimativen Aktientipp gibt es nicht. Es empfiehlt sich daher, zu diversifizieren, also zum Beispiel auf mehrere Branchen oder auf mehrere Länder zu setzen. Dadurch können Sie das Risiko streuen. Wenn Sie dies nicht selbst machen wollen, empfehlen sich beispielsweise Fonds.

Regel 2: Nur Geld investieren, das man nicht kurzfristig braucht. Langfristig sind Aktien als Anlageform unschlagbar, kurzfristig können Sie mit einer Aktienanlage allerdings auch Geld verlieren. Grundsätzlich sollten Sie von einem Zeithorizont von drei Jahren ausgehen.

Regel 3: Man braucht einen guten Partner. Finger weg von dubiosen Anlagefirmen oder Telefonverkäufern. Alle Wertpapiere, die an internationalen Börsen gehandelt werden, erhalten Sie über die Bankfiliale oder den Online-Broker. Machen Sie sich mit dem Informationssystem der Bank oder des Brokers vertraut, sodass Sie Informationen dann, wenn Sie sie benötigen, schnell finden.

Regel 4: Selbst den Profis gelingt es nicht, zum niedrigsten Kurs zu kaufen und zum höchsten Kurs zu verkaufen. Grämen Sie sich nicht, wenn es Ihnen so geht wie den Profis. Wenn Sie allerdings ständig krass danebenliegen, sollten Sie die Finger von Aktien lassen.

Regel 5: Nur Aktien von Unternehmen kaufen, die man kennt. Zumindest sollten Sie eine Meinung zu den Aktien haben, deren Kauf Sie erwägen. Dies gilt insbesondere für Börsenneulinge. Außerdem sollte die Kursentwicklung dieser Werte langfristig klar nach oben weisen.

Regel 6: Die Aktienanlage ist kein Selbstläufer. Ihr Aktiendepot braucht eine regelmäßige Überwachung und Pflege.

Regel 7: Nicht zu viele verschiedene Papiere kaufen. Mehr als zehn Werte kann kaum jemand auf Dauer überwachen. Je mehr Aktien, desto größer wird die Gefahr, den Überblick zu verlieren.

Regel 8: Oft ist es besser, schrittweise zu investieren. Wer sein Pulver |20|nicht gleich auf einmal verschießt, hat die Chance, eventuell zu einem niedrigeren Kurs nachzukaufen. Doch Vorsicht! Zwei alte Börsenregeln besagen: Greife nie in ein fallendes Messer! Und: Nur dem Trend folgen. Also Zwischentiefs ausnutzen, aber nicht in den Niedergang hinein kaufen.

Regel 9: Kleine Verluste sind immer einzukalkulieren. Die Börse ist keine Einbahnstraße. Wichtig ist es, die Verluste zu begrenzen. Dabei helfen Stop-Loss-Orders.

Regel 10: Nicht ungeduldig werden, wenn sich eine Top-Aktie nicht gleich so entwickelt wie gewünscht. Seitwärtsbewegungen können Sie durchaus akzeptieren und engagiert bleiben. Wenn der Trend allerdings nach unten weist, ist Geduld nicht angebracht. Dann sollten Sie sofort verkaufen.

Die Anlage in Aktien bedarf auch eines gewissen zeitlichen Einsatzes. Sie können und dürfen sich nicht ohne jegliches Wissen ins Abenteuer stürzen. Sie müssen herausfinden, welche Anlageform (Aktien, Fonds, Zertifikate, Optionsscheine) dem eigenen Wissen und dem zeitlichen Einsatz, zu dem Sie bereit sind, angemessen sind. Wenn man ein neues Auto kauft, stellt man Vergleiche an, informiert sich, lässt sich beraten. Dieses Vorgehen sollten Sie auch bei jedem Aktieninvestment beherzigen. Dieses Buch hilft Ihnen dabei.

|21|2 Von Aktie bis Aktionär

Wer gut schlafen will, kauft Anleihen; wer gut essen will, bevorzugt Aktien.

André Kostolany

Am Anfang steht die Aktiengesellschaft

Viele Unternehmen führen hinter ihrem Namen die beiden Großbuchstaben AG. Bei diesen Unternehmen handelt es sich um Aktiengesellschaften, Unternehmen in einer ganz besonderen Rechtsform. Aktiengesellschaften sind aus einem ganz einfachen Grund entstanden: Für manche Unternehmungen benötigt man sehr große Kapitalmengen – beispielsweise um Flughäfen zu erbauen und zu betreiben –, die eine einzelne Person alleine nicht zur Verfügung stellen kann. Mehrere Finanziers schließen sich also zusammen, um große Investitionsvorhaben in Angriff zu nehmen, und gründen ein Unternehmen, an dem die einzelnen Finanziers in Höhe ihrer Beteiligung einen Anteil erhalten. Diese Anteile werden im Fall der Aktiengesellschaft als Aktien bezeichnet. An der Gründung einer AG müssen sich eine oder mehrere Personen beteiligen, die die Aktien gegen Einlagen übernehmen. Die frühere Untergrenze von fünf Gründern wurde im Jahr 1994 aufgehoben. Das Gesellschaftsvermögen einer AG nennt man Grundkapital. Das Grundkapital einer AG beträgt in Deutschland mindestens 50000 Euro und ist in Aktien zerlegt. Es wird durch Übernahme der Aktien durch den oder die Gründer aufgebracht.

Betrachten wir an einem Beispiel, wie die Gründung einer Aktiengesellschaft aussehen kann.

Vier Freunde wollen eine Fahrradfabrik gründen. Sie entscheiden sich für die Form einer Aktiengesellschaft. Drei von ihnen bringen Barvermögen von jeweils 25000 Euro ein, der vierte hat eine Lagerhalle geerbt, die er der Aktiengesellschaft überschreiben und sich somit beteiligen will. Sie hat einen Wert von |22|50000 Euro. Das Grundkapital der neu gegründeten Fahrradfabrik beträgt 125000 Euro.

Wenn es lediglich um einen Kapitalbedarf von 100000 Euro geht, muss man nicht unbedingt eine Aktiengesellschaft gründen, denn diese Summe kann in vielen Fällen auch ein einzelner Investor aufbringen. In der Regel verfügt eine Aktiengesellschaft daher auch über ein Vielfaches an Grundkapital, und eine Vielzahl von Personen hat sich an der Aktiengesellschaft beteiligt. Mit ihrem finanziellen Einsatz wurden sie zu Aktionären und haben damit gleichzeitig das Recht erworben, an den Gewinnen des Unternehmens beteiligt zu werden.

Die Aktionäre haben sich mit ihren Geld- oder Sachwerten an der Aktiengesellschaft beteiligt. Ihnen gehören die Aktien (Anteile) der Gesellschaft. Sie sind damit Miteigentümer, die das Recht erworben haben, mitzubestimmen und an den Gewinnen des Unternehmens beteiligt zu werden.

(Rechte: siehe Abschnitt Welche Rechte hat der Aktionär?, S. 32)

An der Fahrradfabrik haben sich vier Personen beteiligt. Diese vier Personen sind die Aktionäre. Ihnen gehört die Firma – und zwar im Verhältnis ihrer Anteile. Den drei Freunden mit der 25000-Euro-Bareinlage gehören je 20 Prozent; der vierte, der die Lagerhalle eingebracht hat, hält 40 Prozent der Anteile.

Es gibt noch einen zweiten wichtigen Grund, ein Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft zu gründen: die Regelung der Haftung. Sollte das Unternehmen tief in den roten Zahlen stecken, schließlich zahlungsunfähig werden und Insolvenz anmelden müssen, haften die Anteilseigner einer Aktiengesellschaft nur bis zur Höhe ihres Anteils am Grundkapital. Darüber hinaus können sie nicht belangt werden, während bei Personengesellschaften der Unternehmer auch mit seinem Privatvermögen haftet. Wo das gesamte Grundkapital der Aktiengesellschaft zur Disposition steht, kann ein Verlust immer noch sehr schmerzlich sein; gleichzeitig haben die Unternehmenseigner aber die Gewissheit, dass ihr Privatvermögen nicht angegriffen wird, um Schulden zu tilgen.

|23|Eine Aktiengesellschaft haftet nur bis zur Höhe ihres Vermögens oder auch ihres Grundkapitals

In Deutschland gibt es ungefähr 15000 Aktiengesellschaften – von denen rund 1000 öffentlich gehandelt werden. Das sind nicht viele an der Zahl, insbesondere, wenn man sie mit den weit über einer halben Million Unternehmen vergleicht, die in der Rechtsform einer GmbH geführt werden.

Die Aktiengesellschaft hat drei Organe: Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung. Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft besteht aus allen Aktionären. Sie ist also die Versammlung aller Eigentümer des Unternehmens. Sie wählt die Mitglieder des Aufsichtsrates, die den Vorstand bestellen, beschließt über die Verwendung des Bilanzgewinns und über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Weiterhin kann sie Satzungsänderungen beschließen (siehe Abschnitt Was geschieht auf der Hauptversammlung?, S. 33).

Auf der Hauptversammlung der Fahrradfabrik treffen sich zunächst nur die vier Eigentümer. Einer von ihnen verkauft von seinem Anteil an vier bislang noch Außenstehende Anteile im Wert von je 5000 Euro. Jeder der neuen Miteigentümer hält folglich einen Anteil von 4 Prozent am Unternehmen. Ihre Stimme bei der Hauptversammlung hat entsprechend ein Gewicht von 4 Prozent.

Natürlich sind nicht alle Anteilseigner ausreichend kompetent, um sich an den Unternehmensentscheidungen zu beteiligen. Sie wählen deshalb aus ihrer Mitte einen Aufsichtsrat, dessen Aufgabe es ist, die Vorstandsmitglieder zu bestellen und abzuberufen und deren Geschäftsführung zu überwachen. Der Vorstand besteht normalerweise aus mehreren Personen. Diese werden in der Regel durch einen Dienstvertrag angestellt. Sie vertreten die AG nach außen (gerichtlich und außergerichtlich), führen die Geschäfte und berufen die Hauptversammlung ein. Im Allgemeinen ist der Vorstand nicht weisungsgebunden, aber er wird vom Aufsichtsrat, der die AG ihm gegenüber vertritt, kontrolliert.

Damit in größeren Unternehmen auch die Interessen der Belegschaft Berücksichtigung finden, ist über die Mitbestimmungsgesetze geregelt, dass Arbeitnehmervertreter eine bestimmte Anzahl von Sitzen im Aufsichtsrat erhalten.

|24|Hauptversammlung und Belegschaft bestellen den Aufsichtsrat. Dieser bestellt den Vorstand, der wiederum für die Geschäftsführung der Aktiengesellschaft verantwortlich ist

Im Jahr 1994 wurde das deutsche Aktiengesetz (AktG) durch das Gesetz über die kleine Aktiengesellschaft geändert. Die kleine Aktiengesellschaft als eigenständige Rechtsform gibt es jedoch nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber im AktG eine Reihe von Regelungen eingeführt, die eigens für kleine Aktiengesellschaften gelten und die einfacher zu erfüllen sind. So kann die Einberufung der Hauptversammlung in einem vereinfachten Verfahren erfolgen, und bei Aktiengesellschaften unter 500 Arbeitnehmern entfällt die Mitbestimmung im Aufsichtsrat. Eine kleine Aktiengesellschaft ist nicht unbedingt klein an Umsatz und Gewinn, sondern nur klein an Mitarbeitern. Eine kleine Aktiengesellschaft kann man sogar ganz alleine gründen. Weitere Anteilseigner können jederzeit durch die Ausgabe von Aktien beteiligt werden.

Es gibt aber noch eine andere Art der Aktiengesellschaft: die Europäische Gesellschaft (auch: Societas Europaea, SE). Sie ist eine neue Rechtsform für Unternehmen in der Europäischen Union. Mit ihr ermöglicht die EU seit dem Jahresende 2004 die Gründung von Gesellschaften nach weitgehend einheitlichen Rechtsprinzipien. Die SE bietet europäischen Unternehmen die Möglichkeit, EU-weit als rechtliche Einheit aufzutreten. Eine europaweit tätige Firma, die die Rechtsform der SE wählt, kann also ihre Geschäfte in einer Holding zusammenfassen, anstatt für jedes Land, in dem sie präsent ist, eine eigenständige Gesellschaft nach dem jeweiligen nationalen Recht zu betreiben.

Welche unterschiedlichen Aktien gibt es?

Es gibt unterschiedliche Arten von Aktien. Man kann Aktien grundsätzlich nach den folgenden Kriterien unterscheiden:

nach den Rechten der Aktieninhaber,

nach den Möglichkeiten der Eigentumsübertragung von Aktien,

nach der Stückelung des Grundkapitals.

Nach dem ersten Kriterium unterscheidet man zwischen Stamm- und Vorzugsaktie. Die Stammaktie (siehe Abschnitt »Welche Rechte hat der Aktionär?«, S. 32) ist die Grundform einer Aktie. Sie ist in den Börsenteilen der Tageszeitungen mit den Kürzeln St, StA oder auch gar nicht besonders bezeichnet. Wichtig ist, dass die Inhaber von Stammaktien bei der Hauptversammlung voll stimmberechtigt sind.

Die Fahrradfabrik AG ist mittlerweile expandiert und an die Börse gegangen. Sie hat neues Kapital »getankt« und viele Aktionäre gewonnen. Alle herausgegebenen Aktien sind Stammaktien. Die Aktionäre X, Y und Z haben damit alle die gleichen Rechte, unabhängig davon, dass X 10, Y 50 und Z 1