ÖKOnomie - Jule Bosch - E-Book

ÖKOnomie E-Book

Jule Bosch

0,0

Beschreibung

Ökologisch sinnvoll zu handeln und gleichzeitig ökonomisch erfolgreich zu wirtschaften, muss kein Widerspruch sein. Längst gibt es Unternehmen, die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in ihren Geschäftsmodellen miteinander in Einklang bringen. Denn zaudern und auf politische Vorgaben warten gilt nicht: Wer heute schon die Weichen für ein nachhaltiges Wirtschaften von morgen stellen will, muss selbst aktiv werden. Jule und Lukas Bosch zeigen am Beispiel zahlreicher Unternehmensaktivist*innen, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit unserem Planeten ein rentables Erlösmodell wird, sodass aus Ökologie und Ökonomie endlich eins wird: Öko-Nomie! »Ein erfrischender Einblick in eine Art zu wirtschaften, von der zu viele immer noch behaupten, sie sei nicht umsetzbar. Ist sie doch, wie dieses Buch unterhaltsam demonstriert. Come on! Wir sind dran!« Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ehrenpräsident des Club of Rome Immer mehr Unternehmer*innen machen sich auf den Weg, die Wirtschaft zu unfucken. Dieses Buch erzählt wie und inspiriert andere, es ihnen gleich zu tun.« Waldemar Zeiler, Gründer des Unternehmens einhorn »Die entscheidende Frage für die Zukunft ist, ob die ökologische Transformation Lust auf Wandel machen kann, statt Angst vor morgen. Möge dieses Buch ein Meilenstein dazu sein!« Matthias Horx, Gründer des Zukunftsinstituts »Nachhaltigkeit erreicht immer stärker die unternehmerische Praxis. Die Beispiele in diesem Buch stimmen hoffnungsvoll und zeigen: Die große Transformation nimmt Fahrt auf!« Prof. Dr. Uwe Schneidewind, ehemaliger Präsident des Wuppertal Instituts

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 368

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



JULE BOSCH & LUKAS BOSCH

ÖKOnomie

SO RETTEN FÜHRENDE UNTERNEHMENSAKTIVIST*INNEN UNSERE ZUKUNFT

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Ökologisch sinnvoll zu handeln und gleichzeitig ökonomisch erfolgreich zu wirtschaften, muss kein Widerspruch sein. Längst gibt es Unternehmen, die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in ihren Geschäftsmodellen miteinander in Einklang bringen. Denn zaudern und auf politische Vorgaben warten gilt nicht: Wer heute schon die Weichen für ein nachhaltiges Wirtschaften von morgen stellen will, muss selbst aktiv werden. Jule und Lukas Bosch zeigen am Beispiel zahlreicher Unternehmensaktivist*innen, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit unserem Planeten ein rentables Erlösmodell wird, sodass aus Ökologie und Ökonomie endlich eins wird: Öko-Nomie!»Ein erfrischender Einblick in eine Art zu wirtschaften, von der zu viele immer noch behaupten, sie sei nicht umsetzbar. Ist sie doch, wie dieses Buch unterhaltsam demonstriert. Come on! Wir sind dran!«Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ehrenpräsident des Club of RomeImmer mehr Unternehmer*innen machen sich auf den Weg, die Wirtschaft zu unfucken. Dieses Buch erzählt wie und inspiriert andere, es ihnen gleich zu tun.«Waldemar Zeiler, Gründer des Unternehmens einhorn»Die entscheidende Frage für die Zukunft ist, ob die ökologische Transformation Lust auf Wandel machen kann, statt Angst vor morgen. Möge dieses Buch ein Meilenstein dazu sein!«Matthias Horx, Gründer des Zukunftsinstituts»Nachhaltigkeit erreicht immer stärker die unternehmerische Praxis. Die Beispiele in diesem Buch stimmen hoffnungsvoll und zeigen: Die große Transformation nimmt Fahrt auf!«Prof. Dr. Uwe Schneidewind, ehemaliger Präsident des Wuppertal Instituts

Vita

Jule Bosch geht als Zukunftsforscherin weit über die Analyse von Trends hinaus. Ihr Motto: Zukunft wird nicht vorhergesehen. Zukunft wird gemacht. Lukas Bosch bringt als Unternehmensberater und Coach für Innovation und Transformation neuen Wind in alte Geschäftsmodelle und Denkmuster. Auf Basis ihrer Hintergründe in der Zukunftsforschung, dem Design Thinking und etlichen weiteren Methoden begleiten sie Organisationen bei der Gestaltung zukunftsfähiger Produkte, Services, Prozesse, Geschäftsmodelle und Strategien. Ob bei Mittelständlern oder Konzernen – in ihrem Ansatz schwingt stets die Etablierung einer Unternehmenskultur mit, die es schafft Widersprüche konstruktiv zu vereinen und Probleme in Potenziale zu verwandeln. Diese Grundhaltung ist auch Ausgangspunkt für ihr Start-up HOLYCRAB!, das die Biodiversitätskrise adressiert, indem es invasive und abundante Arten als Lebensmittel »in Wert setzt«. Aus einem Problem für Ökosysteme wird ein innovativer Beitrag zur Ernährungswende. Das Geschäftsmodell erhielt eine breite öffentliche Aufmerksamkeit, sowie diverse Auszeichnungen, u.a. vom Bundesministerium für Wirtschaft und Leaders Club. Gestützt durch ihre Netzwerke – in die Start-up-Szene, als Speaker/in beim Zukunftsinstitut, als Fellow des tt30 des CLUB OF ROME Deutschland und Mitglied bei Entrepreneurs4Future – laden Jule und Lukas Bosch mit diesem Buch ein zur Reise in eine Zukunft, die bereits da ist – eine Zukunft, in der die Lösung planetarer Probleme (wieder) Geschäftsgrundlage unternehmerischen Erfolgs wird.

INHALT

UNTERNEHMENSAKTIVIST*INNEN IN DIESEM BUCH

EINLEITUNG: WIR MÜSSEN DIE ZUKUNFT RETTEN – UND ZWAR VOR UNS SELBST

Kapitel 1START WITH WHAT THE FUCK

FROM WHY TO WHAT THE FUCK

VORSICHT, ANSTECKEND!

WIE ENTSTEHEN WTF-MOMENTE?

Kapitel 2UNTERNEHMEN STATT UNTERLASSEN

RADIKALE VERANTWORTUNGSÜBERNAHME

ALLES IST DESIGNED

AKTIVISMUS TRIFFT UNTERNEHMER*INNENTUM

HELD*INNEN DER VERÄNDERUNG: FRANK THELEN UND GRETA THUNBERG

UNTERNEHMEN ALS LÖSUNGSINFRASTRUKTUR

Kapitel 3BESSER IST GUT (WENN BESSER BESSER UND BESSER WIRD)

50 SHADES OF GREEN

VIVA LA (R)EVOLUCION!

DEFAULT TRUMPIFICATION

STRATEGIE 1: FOKUS AUF DAS WESENTLICHE

STRATEGIE 2: PLAN IT FOR THE PLANET

WHAT’S NEXT? THE INFINITE GAME

Kapitel 4ZAHLEN FÜR WERTE

VON GREENWASHING ZU GREENDOING

WHAT GETS MEASURED GETS MANAGED

VON WERTSCHÖPFUNG ZU WERTESCHÖPFUNG

WALKING THE WALK … AND TALK!

Kapitel 5MARKET LIKE YOU GIVE A DAMN

VON BULLSHIT ZU REALSHIT

IST DAS DANN NICHT SCHON WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION?

UND WAS WIEGT DEIN MARKETINGRUCKSACK?

WERTE, WAHRHEIT, WIRKSAMKEIT

Kapitel 6REAL WORLD PROBLEMS STATT FIRST WORLD PROBLEMS

PRODUKTE ZU PLAKATEN

FROM EGOISM TO ECOISM

RÄUBERLEITER-IMPACT – »CSR AS A SERVICE«

BEYOND CSR

PROBLEM GELÖST, UNTERNEHMEN WEG?

HYBRIDE ORGANISATIONEN

Kapitel 7HEDONISTISCHE NACHHALTIGKEIT

MEHR IST MEHR!

HEDONISTISCHE NACHHALTIGKEIT

NACHHALTIGKEIT IST EIN KRATZIGER PULLOVER – NICHT!

VON DER NISCHE IN DEN MAINSTREAM

CHANGE OUTCOMES, NOT BEHAVIOR

Kapitel 8REGENERATIVE BUSINESS

BEYOND ZERO

GESCHÄFTSMODELLE DER ZUKUNFT

SCHWUNG IN DIE SACHE BRINGEN

UNTERNEHMENSWACHSTUM … TO SAVE OUR HOME PLANET

ZUKUNFTSTURBO: WER, WENN NICHT WIR

ANMERKUNGEN

UNTERNEHMENSAKTIVIST*INNEN IN DIESEM BUCH

Dass Nachhaltigkeit und gutes Business sich nicht ausschließen, sondern gerade in ihrer Zusammenkunft großes Potenzial bieten, wird mit Blick auf Planetly gleich in mehrerlei Hinsicht klar. Gegründet von Anna Alex und Benedikt Franke, beide erfolgreiche Gründer*innen aus dem Rocket-Internet-Umfeld, bietet es Unternehmen eine Plattform zum Management ihrer CO2-Emissionen. Das Geschäftsmodell skaliert nicht nur in finanziellen Kennzahlen, sondern wie alle in diesem Buch vorgestellten Unternehmen gleichzeitig auch ökologisch durch den direkten Beitrag zur CO2-Einsparung.

© Planetly

Schon der Name des Unternehmens verweist auf den Betätigungsbereich – zumindest für Eingeweihte: Knärzje beschreibt auf Hessisch das Endstück eines Brots. Hieraus, jedenfalls im übertragenen Sinne, braut Daniel Anthes Bier und rettet so große Mengen an Backwaren, die ansonsten aus der Bäckereiauslage in den Müll wandern würden, so wie es über 30 Prozent der weltweit produzierten Lebensmittel tun. Trinken gegen Lebensmittelverschwendung!

© Knärzje

Nachdem Jakob Berndt bereits mit Lemonaid und Charitea gezeigt hat, wie sich Unternehmer*innentum als Vehikel für soziale Zwecke einsetzen lässt, geht er mit Tomorrow nun den nächsten Schritt. Das 2018 gegründete nachhaltige FinTech-Start-up, welches er 2018 mit Inas Nureldin und Michael Schweikart in Hamburg gründete, bietet eine State-of-the-Art-Banking-App, bei der Kund*innen mit ihrer Einlage, ihren Kartenzahlungen et cetera jeweils einen nennenswerten und transparent nachvollziehbaren ökologischen Beitrag leisten. Die Verbindung zwischen Technologie, Business und Impact wird komplettiert von der Wissenschaft: Schon seit Jahren belegen diverse Studien, dass sich Nachhaltigkeit in der Geldanlage sogar positiv auf die Performance auswirkt.

© Tomorrow

Klimapositive Kühe, Bäume mitten auf den Feldern und Anbau, der das krasse Gegenteil zur Monokultur darstellt. Die »regenerative Landwirtschaft«, wie sie der ehemalige Investmentbanker Benedikt Bösel auf seinem Bauernhof Gut & Bösel erprobt, klingt zunächst kontraintuitiv, könnte aber tatsächlich die Lösung gleich mehrerer Probleme sein: Böden, die CO2 aufnehmen statt abzugeben, dadurch wieder fruchtbarer werden und damit die Klimakrise mit der Ernährungskrise lösen – oder andersherum? Beides.

© Finck Photography

Es war ein Treffen mit dem Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, das Saskia Bruysten dazu erwog, ihre Karriere bei der Boston Consulting Group an den Nagel zu hängen und sich gemeinsam mit Yunus einer an ihr schon länger nagenden Frage zu stellen: Wie lässt sich die Kraft von Unternehmen für soziale Zwecke einsetzen? Mit Yunus Social Business, deren CEO Saskia ist, unterstützen und finanzieren sie weltweit sozialunternehmerische Projekte und initiieren und entwickeln Joint Ventures mit global agierenden Konzernen.

© Yunus Social Business

Louisa Dellert war eine der erfolgreichsten Fitness-Influencerinnen im deutschsprachigen Markt – bis sie sich in genau dieser Rolle der Nachhaltigkeit annahm. Mittlerweile ist sie mit ihrer neuen thematischen und ideellen Ausrichtung mit ihrem Instagram-Account @louisadellert und ihrem eigenen Shop Naturalou mindestens genauso erfolgreich und informiert, inspiriert und versorgt ihre Hunderttausende Follower*innen mit ökologisch und sozial nachhaltigen Impulsen und Produkten.

© Louisa Dellert

Vom Tech-Start-up über eine TV-Serie zum Impact-Investor: Bereits im Jugendalter entwickelte Fridtjof Detzner aka Fridel Websites und baute im Anschluss den erfolgreichen Webseiten-Baukasten Jimdo auf. Eine Asienreise im Rahmen einer TV-Produktion der Deutschen Welle brachte ihn mit zahlreichen Impact-Entrepreneur*innen zusammen – und auf ganz neue Gedanken: Wie könnte er seine Fähigkeiten und Privilegien dafür einsetzen, Lösungen zu erschaffen, die unser Planet wirklich und dringend braucht? Mit Planet A Ventures investiert er genau in solche Start-ups, die einen messbaren und skalierbaren positiven Impact auf unseren Planeten haben.

© Planet A Ventures

Patagonia gilt als absolutes Poster-Child für Impact-Unternehmen. 1973 vom Outdoor-Enthusiasten und Naturschützer Yvon Chouinard gegründet, ist das Unternehmen mit mehreren Hundert Millionen Dollar Umsatz mittlerweile eine der führenden Marken im Segment der Outdoor-Ausstattung. Ihre Vision »We’re in business to save our home planet« reflektiert Patagonias fundamentalen Anspruch, ihr wirtschaftliches Wirken in den Dienst aktivistischer Zielsetzungen in puncto Ökologie und Soziales zu stellen. Der 2020 zum CEO beförderte Ryan Gellert führt diese Vision, die sich mittlerweile neben der Outdoor-Ausstattung in viele weitere Segmente ausgeweitet hat, fort.

© Patagonia

Schockiert von der Menge an Verpackungsmüll, die sie – obwohl sie bereits bewusst einkaufte – regelmäßig in ihrem Einpersonenhaushalt produzierte, entschloss sich Milena Glimbovski zu handeln: Warum so viele Einwegverpackungen? Warum überhaupt Verpackungen? Es folgte die Gründung von Original Unverpackt, einem der ersten sogenannten Unverpackt-Läden, im Jahr 2014 durch eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne. Deutschland- und weltweit versorgen inzwischen Hunderte solcher Konzepte die wachsende Zero-Waste-Bewegung und inspirieren mittlerweile auch den klassischen Lebensmitteleinzelhandel.

© Christian Kielmann

Während man sich in Politik und Automobilwirtschaft jahrelang zur Ladeinfrastruktur für E-Autos verdiskutiert, ertüftelt Laurin Hahn mit Jona Christians und Navina Pernsteiner, mit denen er bereits die Walldorf-Schulbank drückte, direkt nach dem Abitur ein Elektroauto, das sich über Solarkollektoren in der Karosserie einfach selbst auflädt. Nur wenige Jahre später hat ihre Firma Sono Motors mittels Crowdfunding bereits über 12700 Vorbestellungen, über 100 Millionen Euro Wagniskapital eingesammelt, beschäftigt 120 Mitarbeiter*innen und bereitet den Serien-Produktionsstart ihres »Sion« vor.

© Sono Motors

Als Partner beim renommierten Venture-Capital-Unternehmen eventures und ehemaliger Chief Marketing Officer bei Rocket Internet gilt Luis Hanemann als absoluter Experte für digitales Marketing und die erfolgreiche Skalierung digitaler Geschäftsmodelle. Obwohl er sich selbst nicht als ausgewiesener Impact-Investor sieht, erkennt er die Zeichen der Zeit und setzt sich seit Jahren intensiv und kontrovers mit der Rolle, der Verantwortung und den Potenzialen von und für Venture-Capital (VC) in der Nachhaltigkeitstransformation auseinander. Mit Revent hat er nun einen VC-Fonds aufgelegt, der ausschließlich in Impact-Tech-Start-ups investiert.

© Raphael Krämer

Getrieben von der ernüchternden Erfahrung, »dass Nachhaltigkeit an sich keinen interessiert« und man damit erst Gehör findet, »wenn es um die Finanzen geht«, hat Hannah Helmke gemeinsam mit ihrem Mit-Gründer Dr. Sebastian Müller genau dies zum Ausgangspunkt für ihr Unternehmen right. based on science gemacht: Auf Basis von Unternehmensdaten zur wirtschaftlichen Wertschöpfung und den damit relational in Verbindung stehenden Emissionen errechnet right. die sogenannte XDC-Kennzahl und legt somit offen, in welchem Maße ein Unternehmen mit dem Ziel kompatibel ist, die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen. Die Berechnung bietet Unternehmen der Realwirtschaft und der Finanzbranche Software-gestützt elementare Entscheidungsgrundlagen auf ihrem Weg in eine nachhaltigere Zukunft.

© Farideh Fotografie

Kann eine Charterflug-Gesellschaft, die Privatjets vermittelt, nachhaltig sein? Das haben wir den erfahrenen Unternehmer Clive Jackson gefragt, der mit Fly Victor so ein Unternehmen betreibt und als absoluter Vordenker der Luftfahrtbranche in Sachen Nachhaltigkeit gilt. Eine Vermeidung von Leerflügen oder Flugroutenoptimierung gingen ihm irgendwann nicht mehr weit genug – daher wird bei Fly Victor seit 2019 jeder Flug gleich doppelt CO2-kompensiert, standardmäßig, auf Firmenkosten. Seinen wohlhabenden Kund*innen legt er mit britisch-höflichem Nachdruck nahe, den Faktor der Kompensation aus den eigenen tiefen Taschen doch noch deutlich zu erhöhen oder gleich auf den Flug zu verzichten.

© Fly Victor

Als Jürg Knoll realisierte, dass sein im Studium aufgebautes Business im Handel mit Fisch im Gegensatz zu seinen Idealen in Sachen Nachhaltigkeit stand, traf er eine radikale Entscheidung: Sein neues Unternehmen followfish sollte für Konsument*innen Fangregion und -methode einfach und transparent nachvollziehbar machen. Mittlerweile sind diese Methoden zu einem Standard bei Fischprodukten geworden – und followfood bietet neben Fisch eine Vielzahl weiterer nachhaltiger Lebensmittel im Convenience-Bereich an.

© followfood

Mit seinem 2019 gegründeten Unternehmen hat sich Thomas Krämer eine große Aufgabe gesetzt: Forest Gum gibt uns die Möglichkeit, uns beim Kaugummi-Konsum gegen Plastik und für Natur zu entscheiden. Seine Forest Gums bestehen nämlich anders als die herkömmlichen im Handel erhältlichen Varianten nicht aus erdölbasiertem Kunststoff, sondern aus »Chicle«, einem Naturprodukt aus den Wäldern Mittel- und Südamerikas. Da das Unternehmen bei der Beschaffung der Grundzutat strikt auf nachhaltige Bewirtschaftung bestehender Wälder und faire Bezahlung achtet, helfen wir mit jedem Kaugummi, ein Stück wertvollen Regenwald zu bewahren, anstatt auf einem fossilen Brennstoff zu kauen.

© Forest Gum

Als Patrick Mijnals davon las, dass sich Menschen über das damals noch kaum existierende »Crowdinvesting« zusammengetan hätten, um gemeinsam eine Insel zu pachten, erwuchs in ihm die Frage, ob man diesen Trend nicht für noch Größeres nutzen könnte. Gemeinsam mit Marilyn Heib und weiteren gründete er bettervest, um Energieeffizienz- und mittlerweile auch erneuerbare Energien-Projekte aus Bürger*innenhand zu finanzieren. Der Grund: Energieeffizienz spart Geld, schont Ressourcen und senkt CO2-Emissionen und macht somit aus Impact eine veritable Investmentmöglichkeit. Mittlerweile werden über bettervest Projekte rund um den Globus finanziert.

© Dominik Ketz

Mark und Martin Poreda sind keine Unbekannten in der Start-up-Szene: nachdem sie ihr voriges Start-up, die Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu, erfolgreich an Xing veräußert haben, bringen sie nun mit Hektar Nektar frischen Wind ins Imkereiwesen. Ihr Projekt 2028 verfolgt das ehrgeizige Ziel, in Zeiten des Insektensterbens die Zahl der Bienen bis 2028 um 10 Prozent zu erhöhen. Zu ihrem digitalen Imkerei-Marktplatz hat sich im Zuge dessen ein neues Geschäftsmodell gesellt: Unternehmen stellen Imker*innen aus ihrer Region Bienenvölker zur Verfügung, bekommen dafür Honig und können der Öffentlichkeit zeigen, dass sie sich ökologisch engagieren.

© Hektar Nektar

Dr. Hans Dietrich Reckhaus führt in gewisser Weise ein Doppelleben: Als Familienunternehmer in zweiter Generation stellt er neben Insektenvernichtungsmitteln (noch!) auch »Insektenrettungsprodukte« her, baut Ausgleichsflächen und etabliert mit dem Siegel Insect Respect einen Branchenstandard. Denn sowohl im Sinne der Ethik als auch aus langfristig wirtschaftlicher Perspektive erschien es ihm irgendwann einfach nicht mehr sinnvoll, im Zeitalter des größten Insektensterbens weiter auf Vernichtung zu setzen, und machte sich auf den Weg.

© Hartmut Nägele

Seit der Erweiterung der Produktpalette um Menstruationsprodukte wie Tampons, Slipeinlagen und Menstruationstassen hat sich das Unternehmen einhorn, das bisher ausschließlich nachhaltige Kondome verkaufte, zum Hersteller für »Untenrumprodukte« gewandelt. Cordelia Röders-Arnold wechselte im Zuge einer persönlichen Sinnsuche von der Konzernkarriere zum Start-up und trommelt nun als »Head of Menstruation« kommunikativ-aktivistisch für die Enttabuisierung der Regelblutung. Einhorn investiert große Anteile seiner Gewinne in die Wertschöpfungskette, um sie nach und nach immer nachhaltiger und nachhaltiger zu machen.

© Verena Brandt

Ohne Moos nix los! Auf genau diese Einsicht bauen Peter Sänger und seine Mitgründer Dénes Honus, Victor Splittgerber und Zhengliang Wu mit Green City Solutions – mit »klimaaktiven Grünelementen«. Die sogenannten CityTrees vereinen Moos mit Hightech, lassen sich im Stadtraum aufstellen und absorbieren dort auf natürliche Weise Feinstaub und andere gesundheitsschädliche Luftpartikel, während sie gleichzeitig die Umgebungstemperatur regulieren.

© Green City Solutions

Dass Malte Schremmer einmal Kompost-Toiletten auf Festivals betreiben und Klopapier verkaufen würde, hätte er vor einigen Jahren wohl selbst noch nicht ganz für wahrscheinlich gehalten. Doch genau dies tun er und seine Kolleg*innen mit Goldeimer. Die Idee entstand – wie sollte es auch anders sein – bei akutem Durchfall auf einer Afrikareise. Erklärtes Ziel ist es, mit den Erlösen aus den verschiedenen Goldeimer-Geschäftszweigen den Zugang zu sanitären Anlagen weltweit zu verbessern, mit jedem Toilettengang ein bisschen mehr.

© Goldeimer

Zu guter Letzt: Natürlich fließen – neben unseren Hintergründen als Innovationsberaterin und -berater sowie Zukunftsforscherin und -forscher – auch unsere eigenen unternehmerischen Erfahrungen im gesamten Buch mit ein. Letztlich stellte das 2018 von uns gemeinsam mit dem Gourmetkoch Andreas Michelus gegründete Start-up HOLYCRAB! den initialen Funken und Ausgangspunkt für die weitergehende Erforschung der Handlungsweisen und Erfolgsstrategien unternehmensaktivistischer Praxis dar. Die im Zusammenhang mit diesem Buch intensiv geführten Gespräche und Reflexionen werden uns in Zukunft in all unseren Tätigkeiten – ob als Beraterin und Berater, Forscherin und Forscher oder Unternehmerin und Unternehmer – weiter begleiten. Wir hoffen, dass sie auch dich inspirieren, wirtschaftliche und ökologisch-soziale Ambitionen in Einklang zu bringen und wechselwirksam zu großem Erfolg für dich, uns alle und unseren Heimatplaneten zu führen.

Jule Bosch © Abbi Wensyel

Lukas Bosch © Abbi Wensyel

EINLEITUNG: WIR MÜSSEN DIE ZUKUNFT RETTEN – UND ZWAR VOR UNS SELBST

Es gab eine Zeit, da waren wir Menschen wenige. Um uns herum nur leuchtendes Grün und Blau – Natur, so weit das Auge reichte – und noch viel weiter! Inzwischen sind wir viele Menschen, die zu viel auf zu verschwenderische Weise konsumieren. Und weil wir das wissen, haben wir uns als ganz besonders findige Wesen etwas einfallen lassen … Ach, stopp, nein, an diesem Punkt der Geschichte sind wir leider noch nicht. Wir kolonisieren unsere Zukunft, sagt der renommierte Wirtschaftsjournalist Gabor Steingart. Wir häufen nicht nur Berge aus Schulden an, die unsere Nachfahren zurückzahlen müssen, wir produzieren auch Unmengen an schädlichen Gasen, extrahieren massiv Ressourcen aus der Natur und zerstören Lebensgrundlagen, die diesen eigentlich zur Verfügung stehen müssten, um ein gutes Leben zu führen, die sie aber nicht mehr haben werden, sobald sie sie benötigen – ein ökonomisches wie ökologisches Desaster. Jetzt brennt unser Haus, aber löschen sollen es die anderen. Die Lage ist dramatisch, wir alle, die wir in den vergangenen Jahren nicht komplett die aus Medien und Gesellschaft auf uns einströmenden Informationen scheuklappenartig ausgeblendet haben, wissen das.

Dies ist jedoch kein Buch, in dem es nur um den drohenden Weltuntergang geht. Solche Bücher gibt es, und wir möchten ihnen die Existenzberechtigung nicht absprechen. Mit der reinen Betrachtung der Apokalypse lässt sich diese jedoch nicht abwenden. Wir müssen die Zukunft retten – und zwar vor uns selbst. Aber wie? Unser Vorschlag: Anstatt der Ökonomie als Gegenspieler des Planeten eine progressive Rolle abzusprechen, etablieren wir sie als Teil der Lösung, als Öko-Nomie.

Die Metapher mit dem brennenden Haus haben wir uns von Greta Thunberg ausgeliehen. In ihrer Rede vor den führenden Köpfen der Weltpolitik und -wirtschaft beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2019 forderte sie die Anwesenden dazu auf, in Anbetracht der Lage der Welt endlich zu handeln: »I want you to act as if the house was on fire, because it is.«1 Den griechischen Wortstamm »oikos« für Haus finden wir sowohl im Wort »Ökonomie« als auch in »Ökologie«. In beiden Häusern sind wir als Weltgesellschaft zu Hause, beide brennen lichterloh. Die Ökonomie, die Art und Weise, wie wir wirtschaften, ist dafür verantwortlich, wie es um die Ökologie und damit um unsere planetaren Lebensgrundlagen bestellt ist. Die zwingendere Abhängigkeit ist jedoch andersherum gelagert: ohne planetare Lebensgrundlage keine Wirtschaft. Ohne Ökologie keine Ökonomie. Wollen wir das Problem also angehen, haben wir nüchtern betrachtet mehrere Möglichkeiten.

Nach uns die Sintflut: Der natürliche Reflex »Fight or Flight« (Kämpfen oder Fliehen) wurde uns allen mit den Genen in die Wiege gelegt und entschied vor langer Zeit bei der Begegnung mit einem Säbelzahntiger über Leben oder Tod. Heute sind ein paar Elon, Jeff und Richard Düsentriebs2 dabei, unseren kollektiven Fluchtinstinkt in die Tat umzusetzen, indem sie nicht nur Raketen bauen, sondern auch die Stadt der Zukunft auf dem Mars planen und somit die Kolonialisierung des Weltalls vorantreiben. Sollten wir es also nicht schaffen, unserere Lebensgrundlagen zu erhalten, sorgen SpaceX, Blue Origin, Virgin Galactic und Co. möglicherweise dafür, dass einige von uns eine filmreife Flucht in die unendlichen Weiten der Galaxie hinlegen können. So cool das auch klingt, diese Lösung hält wahrscheinlich nur für ein paar wenige Auserwählte ein Happy End bereit. Bisher ist auch noch nicht klar, ob und wann die Weltraum-Arche technisch wirklich funktionsfähig sein wird. Außerdem verbringen wir zumindest unseren Urlaub lieber am Meer oder in den Bergen als auf dem Mond. Wir finden, unser Zuhause hier auf der Erde ist viel zu schön, um es einfach aufzugeben. Wie können wir also unsere Zukunft noch retten?

Richtig haushalten: Was tun wir, wenn wir, statt zu fliehen, handeln – fight statt flight –, sodass mehr Wirtschaft nicht weniger Planet bedeutet? Einige findige Köpfe rund um Ernst Ulrich von Weizsäcker hatten in den 90er-Jahren die Idee, die Wirtschaft von der Natur zu entkoppeln, und zwar durch eine massive Steigerung von Effizienz um ungefähr den Faktor vier bis fünf.3 Das würde dazu führen, dass wir 80 Prozent aller Energie einsparen könnten, bei gleichbleibendem Wohlstand. Konkret heißt das: Je effizienter wir beispielsweise durch gute Dämmung unsere Häuser heizen, desto weniger Energie, sprich: Emissionen müssen wir dafür einsetzen und desto weniger Kosten entstehen. Leider taucht in diesem Szenario ein übles Monster auf, es heißt Rebound-Effekt. Dieses Monster sitzt auf unseren Schultern und flüstert uns unerhörte Angebote ins Ohr: Wenn ich für weniger Geld mehr heizen kann, vielleicht lebe ich dann ein bisschen weniger sparsam oder kann mir gleich eine etwas größere Wohnung leisten? Dann benötige ich gesamthaft betrachtet wieder genauso viel Energie wie vor dem Effizienzgewinn, bei gleichen Kosten. Genial! Dadurch, dass Effizienz immer ein Verhältnis beschreibt, geht die Sache nicht so auf, wie wir uns das gewünscht hatten. Die Entkopplung (Decoupling) von Wirtschaft und Ressourcen ist also möglich. Leider wächst im Zuge der Effizienzsteigerung auch der Wohlstand, die Werte stehen in einem attraktiveren Verhältnis zueinander, das eigentliche Problem aber ist nicht behoben. Versteht uns nicht falsch, schon jetzt ist Effizienzsteigerung ein probates Mittel dem Klimaproblem entgegenzuwirken. Es geht aber nur wirklich auf, wenn wir, wie Weizsäcker vorschlägt, einerseits die Preise für Energie anheben und uns andererseits in »Genügsamkeit« üben, also nicht im gleichen Maße, wie die Effizienzgewinne zum Tragen kommen, unsere Konsumgewohnheiten aufblähen. Na, wenn das so ist, liegt die Lösung des Problems doch auf der Hand! Was wäre, wenn wir alle weniger konsumieren?

Konsum einschränken: Würde uns ohne Kreuzfahrten, ohne Wochenendtrips nach New York, ohne das Zweitauto, ohne morgens, mittags, abends Fleisch, ohne das neunte Paar Sneaker, ohne überheizte Büros im Winter und frostig-kalte im Sommer wirklich etwas fehlen? So ein bisschen Entschleunigung und Minimalismus … Dann wächst die Wirtschaft halt mal nicht, wen stört’s? Doch so einfach ist das nicht. Die einen sagen, wir brauchen um jeden Preis das Wirtschaftswachstum, sonst haben wir bald keine Arbeitsplätze mehr und auch keinen Wohlstand. Die anderen sagen, die Wirtschaft muss so bald wie möglich aufhören zu wachsen, besser noch, sie muss schrumpfen, sonst haben wir bald keinen Planeten mehr, auf dem wir noch wirtschaften können, und dann ist das ausbleibende Wirtschaftswachstum ein Problem, über das eh keiner mehr spricht. Es heißt, entweder, wir entscheiden uns für kurzfristig umgesetztes Leid (Wachstumsstopp) oder für das Leiden in der Zukunft (ungebremstes Wirtschaftswachstum) – oder wir ziehen dann halt alle auf den Mars. Es ist, als stritten sich ein*e Protestant*in und ein*e Katholik*in darum, wann sie sich selbst bestrafen und ob es jetzt oder später in der Hölle schöner ist. Doch bei diesem Streit kommt nicht viel heraus. Nur wenige Menschen entschließen sich offensichtlich freiwillig, ihren Lebensstil einzuschränken. So simpel die Lösung des Konsumverzichts also anmutet, nach all den Jahrzehnten, die wir mit diesem Ansatz schon auf ein Wunder warten, muss die Frage erlaubt sein: Wie lange wollen wir das noch tun? Wenn die Menschen sich anscheinend nicht verändern (können, wollen oder was auch immer), welche Möglichkeiten gibt es noch?

Ökologisch wachsen: Wenn man sich in der Welt so umschaut, drängt sich der Eindruck auf, wir hätten als Menschheit komplett versagt – was sicherlich an vielen Stellen zutreffend ist und was bei vielen von uns permanente Schuldgefühle ob ihrer bloßen Existenz auslöst. Dennoch: per se schlecht für den Planeten sind wir Menschen keineswegs. Tatsächlich gab es in Deutschland die größte Artenvielfalt zu dem Zeitpunkt, als wir auf unzähligen Kleinstbauernhöfen und angrenzenden Streuobstwiesen unsere Lebensgrundlagen erwirtschafteten.4 Eine direkte Interaktion von Mensch und Natur kann also durchaus positiv für alle beteiligten Akteur*innen ausgehen. Was wäre also, wenn es Unternehmen gäbe, die in ihrem eigenen Wachstum als Katalysatoren für Ökowachstum fungieren? Wenn wir Wirtschaftswachstum und Ressourcen nicht voneinander entkoppeln, wie das im Falle der Effizienzsteigerung die Zielsetzung gewesen wäre, und sie auch nicht im Sinne der klassischen Wortbedeutung von »Nachhaltigkeit« so verbinden, dass wir immer nur verbrauchen, was wir im gleichen Maße wiederherstellen können, sondern Wirtschaft und Natur in einer Art positiver Rückkopplung5 (wieder) aneinanderbinden, sodass mehr Wachstum im ökonomischen System zu mehr Wachstum im ökologischen System führt?

In dieser Betrachtung – nennen wir sie Öko-Nomie – wäre die Wirtschaft nicht das größte Problem, sondern ein maßgeblicher Teil der Lösung, eine sorgsam haushaltende Wirtschaft ohne brennenden Planeten. Was wäre, wenn wir dir sagen würden, dass genau so eine Öko-Nomie schon heute, in diesem Moment, immer weiter an Fahrt aufnimmt? Dass eine Öko-Nomie, die das, was Pionier*innen der Wirtschafts- und Umweltwissenschaften seit Jahren erdacht und gefordert haben, intuitiv umsetzt, bereits existiert? Diese Erkenntnis ist die Grundlage für dieses Buch. Als wir mit unserer kleinen Unternehmung HOLYCRAB! anfingen, »kulinarischen Naturschutz« zu betreiben, wurde uns nach und nach bewusst, dass die Dinge in unserem Geschäftsmodell ein bisschen anders sind, als wir es als Innovationsberater*innen von anderen Unternehmen kannten. Diese blenden die Frage danach, wie sie nachhaltig wirtschaften können, meist vollkommen aus, oder aber sie tun sich unglaublich schwer damit, Umwelteffekte zu minimieren – von neutralisieren ganz zu schweigen. Letztendlich war das eben bisher auch nicht notwendig, zumindest nicht in der allgemeinen Wahrnehmung. HOLYCRAB! dagegen funktioniert so, dass jede wirtschaftliche Tätigkeit dazu führt, Ökosysteme zu stärken. Im Frühjahr 2019 wurde von Hunderten Wissenschaftler*innen der Vereinten Nationen, der IPBES6, ein Biodiversitätsbericht verfasst, der noch einmal belegte, dass wir uns heute im rasantesten Massensterben aller Zeiten befinden. Eine Million Tier- und Pflanzenarten werden durch den menschlichen Einfluss in den nächsten Jahrzehnten aussterben, was nicht nur ein Problem für diese Arten ist, sondern ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen wird. Auch wir Menschen sind auf sie angewiesen – für Nahrung und als CO2-Senken, um nur einige für unser Überleben dringend notwendige Ökosystemleistungen zu nennen. Einer der fünf maßgeblichen Treiber für diese dramatische Entwicklung: invasive Arten, neutraler als Neobiota bezeichnete Tiere und Pflanzen. Sie kommen durch Handel oder als in die Freiheit entlassene Haustiere aus fernen Ökosystemen und verdrängen in ihren neuen Lebensräumen heimische Arten. Manche von ihnen gelten dort, wo sie herkommen, als Delikatessen. Mit HOLYCRAB! werden sie auch am neuen Ort zum Teil unseres Speiseplans und der Mensch wieder zu einem sinnvollen Bestandteil der natürlichen Nahrungskette. Fleisch- und Fischessen, die bisher mit einem negativen Impact sowohl auf die Natur als auch auf das Wohl der Tiere verbunden waren, haben einen positiven Effekt auf die Natur, die entstehenden Lebensmittel sind von bester Qualität. Die darin bestehende unternehmerische Tätigkeit ist in ihrem Kern also eine, bei der mehr Konsum – sprich: Unternehmenswachstum – zu weniger Neobiota und somit zu ausgeglicheneren Ökosystemen führt. Diese Paradoxie war es, die uns an der Idee, Neobiota kulinarisch zu verarbeiten, so reizte, denn sie bewies, dass »die Wirtschaft« nicht immer »die Bösen« sein muss – das machte uns Hoffnung. Wenn wir das im Kleinen hinbekommen, schaffen es wohl auch andere, vielleicht sogar »die Großen«! Vielleicht gibt es also doch einen Weg aus der Misere rund um Klimawandel und Umweltzerstörung. HOLYCRAB! ist noch klein, der zugrunde liegende Funktionsmechanismus allerdings folgt einer Logik, die wir als essenziell für die schnelle und effektive Nachhaltigkeitstransformation betrachten – mehr Wirtschaft, mehr Natur! Und so machten wir uns auf die Suche nach anderen Unternehmen, wollten wissen, ob und wie der Mechanismus auch in anderen Branchen funktioniert, um das entstehende Wissen für noch viel mehr Unternehmen zugänglich zu machen und ihnen die Inspiration und die Werkzeuge an die Hand zu geben, ihre Firmen auf eine ähnliche Weise (um) zu bauen, um unseren Beitrag zu leisten, die Öko-Nomie in so vielen Teilen der Wirtschaft wie möglich Realität werden zu lassen. Als Innovationsberater*in und Zukunftsforscher*in gehen wir hiermit einer Berufskrankheit nach – wir waren nie »nur« Food-Unternehmer*in, sondern immer in diesem Hybrid aus professionell neugieriger Beobachtung und dem eigenen Tun unterwegs. Aus der Erfahrung wissen wir, dass Innovationen sich meist nicht nur in einem einzelnen Bereich abspielen. Und auch, dass wir beim Thema Nachhaltigkeit ebenso wie der Digitalisierung von Start-ups, der Veränderungs-Avantgarde, am meisten wirklich Neues lernen können. Wäre das nicht so, hätten wir stattdessen wohl mit den Nachhaltigkeitschef*innen von DAX-Unternehmen gesprochen. Doch so sind unter den Interviewpartner*innen, an deren Fersen wir uns in diesem Buch heften, vielleicht ja sogar der nächste »Mark Zuckerberg« oder »Jeff Bezos« der Nachhaltigkeitsrevolution. Denn zum Glück sind wir weder die Ersten noch die Einzigen, die sich ganz intuitiv auf diesen unternehmerischen Weg begeben haben! Für dieses Buch haben wir mit mehr als 20 Unternehmer*innen und Expert*innen unterschiedlichster Branchen gesprochen – von Fashion über Food bis in die Finanzwirtschaft, von Luftfahrt bis Landwirtschaft, von Sanitärversorgung zu Software sowie von Tech zu Chemie und mit solchen, die sich nur schwer in bestehende Kategorien einordnen lassen. Wir wollten herausfinden, wie sie ihre Unternehmen als Vehikel für positive Veränderung nutzen – wie sie unternehmensaktivistisch handeln. Das aber, ohne ihnen eine Theorie überzustülpen. Wir wollten am praktischen Beispiel erfahren, was sie konkret tun, wie sie Entscheidungen treffen, welche Erfolgsprinzipien sie anwenden, wie ihre Geschäftsmodelle aufgebaut sind und welche Strategien sie verfolgen, um Veränderungen voranzutreiben. Unsere Erkenntnisse haben wir zu 8 Kapiteln synthetisiert, die jeweils einen neuen Blickwinkel liefern – neue unternehmerische Antworten auf die heute wohl dringlichste Frage der Menschheit: Wie retten wir unsere Zukunft vor und für uns selbst?

Warum gerade Unternehmen, könnte man an dieser Stelle fragen. Denn eigentlich ist es doch die Politik, die mit dem größten Hebel ausgestattet ist. Sie ist es, die »einfach nur« die richtigen Anreize setzen müsste, Verbote aussprechen und Sanktionen beschließen, dann würde »die Wirtschaft« sich schon fügen! Einer unserer Interviewpartner, Patagonias CEO Ryan Gellert, hat dazu eine sehr klare Meinung: Es gebe drei Vehikel für Veränderung und den Schutz unseres Planeten. Da seien zum einen die Individuen, für und mit denen es schwer sei, da sie eben einzelne Individuen seien. Dann gebe es die Regierungen, deren, so würde er argumentieren, Rolle es sei, den Planeten, die Gesellschaft und die Individuen zu schützen. Unglücklicherweise sehe man insbesondere im Großteil der westlichen Welt, wie Regierungen versagen, diese Verantwortung wirklich zu übernehmen. Und so bleibe als drittes Vehikel die Wirtschaft – und selbst wenn man nun eine philosophische Debatte darüber führen wolle, ob es nun die Politik oder die Wirtschaft sei, die etwas tun müsse, bleibe lediglich festzuhalten: Die Politik tue – zumindest zum aktuellen Zeitpunkt – nichts: »the bottom line is: government’s not doing it«,7 so Ryan. Doch seine Botschaft ist alles andere als hoffnungslos. Anstatt die heiße Kartoffel immer vom einen zur nächsten zu werfen und uns mit einer endlosen Diskussion aufzuhalten, müssen wir alle etwas tun, und zwar jetzt und sofort!

Wir könnten natürlich darauf warten und auch aktiv darauf hinwirken, dass Regierungen die Prioritäten in naher Zukunft richtig, also für das langfristige Überleben unserer Spezies auf diesem Planeten setzen werden. Genau darin besteht die unglaublich wichtige Arbeit aktivistischer Gruppen wie Fridays for Future, Extinction Rebellion und unzähligen mehr. Gleichzeitig jedoch können Unternehmen, die neben Regierungen als die größten Hebel für menschliche Energie und finanzielle Mittel gelten können, die wir kennen (was sicherlich im Negativen auch ein Grund dafür ist, dass die Politik so zögerlich handelt), die Antwort auf die Frage nach dem »Und dann?« geben. Was tun wir, wenn ein Automobilproduzent aufgrund von Umweltsanktionen nicht mehr wirtschaftlich arbeiten kann? Wenn die Landwirtschaft durch Klimaveränderungen nicht mehr rentabel ist, so ohne Chemie und Genmanipulation? Wenn die Finanzakteur*innen nicht mehr in umweltschädliche Unternehmen investieren dürfen? Dann füllen wir die entstehenden Lücken mit solchen Angeboten, Systemen, Geschäftsmodellen, die den »alten« Akteur*innen ökologisch und wirtschaftlich radikal überlegen sind. Und wir gehen noch einen Schritt weiter. Die Unternehmen in diesem Buch sind nicht passiv abwartende Davids, die aus ihren Löchern kriechen, sobald Goliath auf dem Sterbebett liegt. Sie beantworten nicht nur die Frage nach dem »Was dann?«, sondern auch die nach dem »Wie kommen wir da hin?«. Sie wirken aktiv auf die Transformation hin, schaffen Realitäten, wo vorher träge Fragezeichen standen, machen die Veränderung so erst möglich und beschleunigen sie durch ihre Arbeit immer weiter.

Warum machen sie das? Warum konzentrieren sie sich nicht allein darauf, ein wirtschaftlich tragfähiges Unternehmen aufzubauen, und lassen die Politik die Richtung vorgeben, wie sich das gehört? Woher nehmen sie den Anspruch, die Welt verändern zu wollen? Welche Erfahrungen im Leben führen dazu, Unternehmensaktivist*in zu werden? Sein Unternehmen zu nutzen, um gesellschaftliche Veränderungen in die Tat umzusetzen? Betrachtet man genauer, wie Menschen sich gegenüber dem Klimawandel, seinen Folgen für den Planeten und den daraus eigentlich resultierenden Folgen für unser menschliches Verhalten positionieren, so findet man erstaunlich viel Sinn in einem jahrzehntealten Modell der schweizerischen Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross. In ihrer Forschung mit Sterbenden kristallisierte sie ein Fünf-Phasen-Modell heraus, wie Menschen mit der Bewältigung des Abschiednehmens vom eigenen Leben und dem geliebter Mitmenschen umgehen.8 Alles beginnt mit einer Phase des »Nicht-wahrhaben-Wollens« (vielleicht lässt es sich ja durch konsequentes Augenschließen einfach abwenden ...). Wenn wir uns anschauen, wie sich die Lebensbedingungen der Menschen auf dem Globus in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben, können wir gar nicht anders, als eklatante Verbesserungen zu verzeichnen. Auch wenn wir glauben, alles würde immer schlimmer – weil wir es in der Schule lernen und die Nachrichten es uns jeden Tag wieder erzählen –, gibt es aktuell weniger Kinderarmut als jemals zuvor, mehr Menschen denn je haben Zugang zu sauberem Trinkwasser, und auch die Alphabetisierungsrate ist auf einem Allzeithoch.

Wir bewegen uns also im Bezug auf den Zustand unserer Welt in einer mentalen Zwickmühle. Müssen wir in den Weltschmerzmodus schalten, oder wird doch eigentlich immer alles besser? Müssen wir was tun, oder ist das ganze Gerede um Energiewende, Mobilitätswende, Agrarwende und alle sonstigen Wenden schnödes Geblubber einer grün-aktivistischen Minderheit mit Hang zur Selbstkasteiung? Die Antwort: Es ist komplex. Komplex und nicht kompliziert. Wäre die Welt kompliziert, müssten wir nur den richtigen Schalter drücken, und alles würde ins Lot kommen. Die Suche nach diesem Schalter könnte eine Ewigkeit dauern, aber wenn wir ihn gefunden haben, wird alles gut. Doch so einfach ist die Sache leider nicht. Während bestimmte Kennzahlen für den Zustand unserer globalen Gesellschaft maßgeblich besser werden, bewegen sich andere in bodenlose Abgründe. Es gibt kein Richtig und kein Falsch, kein Schwarz und Weiß, kein So-und-nicht-anders. Wahrscheinlich hat es das auch nie gegeben. Menschen, die das Gegenteil behaupten, haben meistens politische Gründe dafür. Dass Leugnung eine beliebte Strategie im Umgang mit unliebsamen Entwicklungen ist, ließ sich von 2016 bis 2021 eindrucksvoll am politischen Stil Donald Trumps mitverfolgen. Was sich jedoch auch mitverfolgen ließ, war, dass diese Taktiken zwar teilweise aufzugehen schienen, wenn es genügte, politische Gegner einzuschüchtern, sich aber angesichts von Problemen, deren Faktizität sich schlicht nicht mit einem eisernen Willen zur Leugnung beeinflussen lässt, eher nach hinten losgehen. Pandemien, die Klimakrise – oder eben mit Kübler-Ross gesprochen der eigene Tod – sind solche Sachverhalte. Was wir erleben, wenn wir sehen, wie nach und nach immer weitere Ökosysteme kollabieren und die Natur uns mehr und mehr zum Feind wird, wo sie uns doch bisher so verlässlich ernährt und ein Zuhause gegeben hat, kann man durchaus mit dem Label einer massiven »kollektiven Verlusterfahrung«9 versehen. Dass das Resultat angesichts der Tatsache dieser also nicht aufgehenden Strategie der Leugnung in Phase 2 nach Kübler-Ross »Zorn« ist, lässt sich menschlich nachvollziehen. Wir sehen auch das wunderbar in puncto Klimakrise: Auch wenn die Wissenschaft seit Jahrzehnten eindeutig belegt, dass es sie gibt – das Leugnen der Klimakrise war lange Jahre und ist erschreckenderweise in kleinen Ausschnitten heute noch immer gelebte Praxis. Das Gute am Zorn in Phase 2 ist, dass sich so zumindest schon die Erkenntnis festgesetzt hat, dass Fakten Fakten sind. Er zeigt sich in den Trotzreaktionen von Vertreter*innen der Bewegung »Fridays for Hubraum«, die sich in Anlehnung an Fridays for Future offensiv und medienwirksam ihrer PS-Liebe hingeben. Es zeigt sich, wenn Menschen über die Maßen gereizt auf den Vorschlag eines (!) fleischfreien Tags in Kantinen reagieren oder sich emotional angegriffen fühlen, wenn sie mit Veganismus, Stoffwindeln oder Elektromobilität konfrontiert werden: »Warum soll gerade ich etwas ändern?« Der Übergang zu Phase 3 im Kübler-Ross-Modell ist fließend – Verhandeln: »Ich ernähre mich ja schon überwiegend vegan, da darf ich mir dann doch auch mal den Flug nach Ko Samui gönnen, oder etwa nicht?« Auch in der Wirtschaft sind solche Argumentationsmuster häufig anzutreffen. Man spielt sozusagen Schwarzer Peter und ist dabei, offen gesprochen, ähnlich kindisch und politisch inkorrekt: »Wir als Kreuzfahrtbranche machen doch nur einen winzig kleinen Bruchteil der Emissionen aus. Schauen Sie sich doch mal die Logistikbranche an, die fahren viel mehr, und das sogar mit Schweröl. Da müsste man was tun, da sollte man anfangen.« Auch wenn die folgende Phase an sich weder viel bringt noch angenehm ist, so kann man in der Hoffnung auf weiteren Fortschritt nur begrüßen, dass die von Kübler-Ross als in der Abfolge vierte benannte Haltung, die »Depression«, sich vermehrt einzustellen scheint, wenn auch vorrangig im Privaten. Zwar ließe sich von außen betrachtet auch in gewissen Teilen der Wirtschaft vielleicht eine Art Depression ausmachen, man denke an schwächelnde Autobauer und Ölpreise, wobei man sich hier nach außen immer noch gerne optimistisch gibt (Leugnung) oder versucht, sich durch cleveres Taktieren (Verhandeln) im Spiel zu halten. Die am häufigsten anzutreffende Strategie besteht wohl darin, sich auf die Frage zu berufen, was mit den ganzen Arbeitsplätzen im Bergbau und den auf Verbrenner ausgerichteten Entwicklungsabteilungen passieren würde. »Wollen Sie diese ganzen Jobs auf dem Gewissen haben?!« Die fünfte Phase der »Akzeptanz« läge hier wohl im Appell, diese vermutlich ohnehin nicht zukunftsfähigen Jobs alleine schon in puncto wirtschaftlicher Nachhaltigkeit schleunigst abzuschreiben und den Mitarbeiter*innen, solange es noch nicht zu spät ist, die Chance zu geben, in vielversprechenderen Branchen auch ihre eigene Zukunft optimistischer zu verbringen. Denn wer bitte kann heute noch wahrlich glaubhaft vermitteln, dass wir in wenigen Jahrzehnten weiterhin Energie aus Kohle erzeugen werden? Richtig spannend wird die Phase der Akzeptanz allerdings dann, wenn wir nicht nur akzeptieren, dass Dinge wie das Klima sich wandeln, sondern auch, dass wir daran teilhaben – und zwar nicht nur passiv an den Auswirkungen, sondern eben auch aktiv an den Ursachen. Hier trifft dann das Kübler-Ross-Modell nicht mehr zu 100 Prozent zu: Während wir im Angesicht unserer eigenen Sterblichkeit in der Akzeptanz eine wohltuende Erlösung finden, sind die sich zuspitzenden planetaren Krisenzustände nichts, was wir akzeptieren dürfen. Pandemien und die Klimakrise als globale Phänomene sind jedoch Sachverhalte, die wir beeinflussen und so dafür sorgen können, dass, wenn schon nicht wir selbst, so doch unsere Kinder und Enkel, die Menschheit als Ganzes eine Zukunft hat. Die Akzeptanz beläuft sich vielmehr auf das Faktische – What the fuck! Wie kann das denn sein? –, daraus abgeleitet das Notwendige – Wir müssen etwas tun! – und daraus resultierend das Mögliche – Ich kann etwas tun! Die einzig mögliche Strategie, der Umweltzerstörungs-Ende-der-Menschheit-Depression zu entkommen, besteht im Machen.

In Kapitel 1 erforschen wir diesen Erkenntnisprozess im Detail und setzen ihn in den größeren Zusammenhang menschlicher Handlungsmotivationen von der Befriedigung grundlegender Bedürfnisse bis hin zur Selbstverwirklichung und schließlich darüber hinaus. Wo etablierte Unternehmen heute in langwierigen Strategieprojekten nach ihrer Daseinsberechtigung – ihrem ureigenen »purpose« – in einer sich verändernden Welt forschen, der ihnen unterwegs wohl irgendwie abhandengekommen zu sein scheint, sind die von uns interviewten Unternehmensaktivist*innen zum Großteil nicht allein von einem ihnen innewohnenden »Why« getriggert. Was sie antreibt, ist vielmehr ein lautes »What the Fuck!«, die Einsicht, dass etwas Äußeres in der Welt gründlich schiefläuft, das sie fortan dazu anhalten wird, etwas zu »unternehmen« – eine Mischung aus Staunen, Empörung, Geistesblitz und Tatendrang. Und außerdem eine Aufgabe, die sie sich (nicht immer aktiv) ausgesucht haben. Dennoch sehen sie diese als Privileg von Menschen, die zumindest die Wahl haben, etwas zu tun, bevor sie selbst von den unaufhaltsamen Auswirkungen der ökologischen und auch der allseits grassierenden ökonomisch-sozialen Krise betroffen sein werden. Schon heute sind das so viele andere auf der ganzen Welt, für die Unternehmensaktivist*innen sich, über ihren Einsatz als digital vernetzte »global citizens« verantwortlich zeigen. Aktivist*innen sind sie insofern, als dass sie aktiv darauf hinwirken, das System umzugestalten. Der Philosoph Karl Popper definierte den Aktivismus als »die Neigung zur Aktivität und die Abneigung gegen jede Haltung des passiven Hinnehmens«.10 In dem Sinne, in dem die Ökonomie als maßgebliche Ursache für die Zerstörung unseres Planeten genannt werden muss, wird es somit zur Aufgabe einer*s jeden Unternehmers*in, diese Tatsache nicht einfach hinzunehmen und zu jammern, wie furchtbar das sei, aber schließlich wollten ja die Kunden ihre Produkte kaufen, was sollen sie denn tun? Sondern sie als die eigene Verantwortung anzunehmen, um aktiv darauf einzuwirken, eine grundlegende Veränderung in der Rolle von Wirtschaft für Mensch und Planet herbeizuführen.

Kapitel 2 – Unternehmen statt unterlassen – unterzieht die öko-sozial getriebenen Unternehmensaktivist*innen einer Charakterstudie. Ein durchaus mit dem Prädikat extrem zu bezeichnendes Verantwortungsbewusstsein spielt darin eine ebenso große Rolle wie ihre Fähigkeit, die Unzulänglichkeiten der Realität als Gestaltungspotenzial zu begreifen. Oder, um es mit den Worten von Kolleg*innen des Gestaltungsgurus schlechthin, Steve Jobs, auszudrücken: Unternehmensaktivist*innen sind mit einem »Reality Distortion Field«11 ausgestattet, einer Sichtweise auf die Welt, wie sie sein müsste und könnte, nicht wie sie ist. Anhand dieser Analyse wollen wir herausfinden, was sie antreibt, tatsächlich aktiv zu werden, während andere so lange wie nur irgend möglich die Füße stillhalten und mit dem erhobenen Zeigefinger auf »die anderen« zeigen.

Eine Haltung, die dabei vor allem hervorsticht, ist die des »Besser ist gut«, der wir aufgrund der zentralen Bedeutung Kapitel 3 in Gänze gewidmet haben. Wir befinden uns in Sachen Nachhaltigkeitstransformation aktuell in einer moralisch bis zum Maximum aufgeladenen Phase: Jedem, der sich anmaßt, durch das eigene Verhalten irgendwie etwas »besser« machen zu wollen als andere, wird gleich im nächsten Moment mit einem verschmitzten Grinsen auf die Nase gebunden, sie oder er habe doch letzte Woche Freitag auch eine Wurst gegessen! »Und du willst mir sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe?!« Die moralische Komponente, die sich hier besonders deutlich heraushören lässt, heizt die Diskussionen dermaßen auf, dass die Hürde, überhaupt erst anzufangen, etwas anders zu machen, enorm hoch ist. An jeder Ecke muss man fürchten, der Versuch, alles richtig zu machen, könne gegen einen verwendet werden – inklusive Shitstorm und vernichtender Presseberichte. »Besser ist gut« bedeutet in diesem Zusammenhang die Anerkennung der Imperfektion als Teil der Reise. Unternehmensaktivist*innen wissen, dass sie mit vielem, was sie tun, falsch liegen werden, dass vieles zu Beginn noch nicht perfekt sein kann – aber eben auch, dass gar nicht erst anzufangen keine Option ist. Dabei hilft es, zu lernen, wie wir mit der Komplexität, vor die uns das Thema stellt, angemessen umgehen können. Wir müssen uns verabschieden von richtig und falsch, schwarz und weiß, binärem Denken und finalen Antworten. Nichts ist entweder nachhaltig oder nicht nachhaltig, vielmehr ist Nachhaltigkeit eine Skala aus »50 Shades of Green«. Wenn wir vorankommen wollen, brauchen wir einen für alle nachvollziehbaren, kommunizierbaren Plan, doch der eigentliche Weg entsteht erst dadurch, dass wir ihn gehen. Sich auf dem Erreichten auszuruhen ist dabei nicht erlaubt: Besser ist gut, aber nur, wenn, diesem Motto folgend, besser immer besser und besser wird und wir auch unsere Fehler transparent offenlegen.

Und so kommen wir zu Kapitel 4, das beantwortet, worin genau dieses »besser« eigentlich besteht. Investor Luis Hanemann bringt es im Interview auf den Punkt: Es gibt drei Sorten von Nachhaltigkeits-Unternehmer*innen – »die, die nur erzählen, sie täten etwas Gutes, die, die wirklich etwas Gutes tun, und die, die meinen, etwas Gutes zu tun, aber bei genauer Betrachtung eigentlich alles nur noch schlimmer machen. Die Existenz der dritten Form ist wahrscheinlich noch dramatischer als die der ersten, denn da merkt man im Normalfall ganz schnell, dass es sich um Greenwashing handelt.« Weltretten erzählt sich gut, doch wie schafft man es, die Wahrheit hinter der schönen Geschichte transparent offenzulegen und zu ermitteln, ob, und wenn ja, wie effektiv die eigene Lösung das angestrebte Ziel tatsächlich erreicht? Wann ist etwas tatsächlich besser und wann sieht es nur hübsch aus oder fühlt sich gut an? Unsere Unternehmensaktivist*innen haben in unseren Gesprächen immer wieder deutlich gemacht, wie wichtig es für sie selbst ist, zu ermitteln, wie groß der positive Impact des Unternehmens ist. Für Unternehmensaktivist*innen sind die genauen Zahlen hinter ihren Unternehmenswerten von ganz besonderer Wichtigkeit. Sie definieren den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg. Daher setzen sie verschiedenste Messinstrumente ein, um zu bestimmen, was »netto besser« oder »netto schlechter« ist. Wer noch tiefer in die beschriebenen »Zahlen für Werte« blickt, stellt außerdem fest, dass von Impact getriebene Unternehmen in puncto Risiko, Wachstum und Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu etablierten Unternehmen ohne einen solchen Fokus eine durchaus vorteilhafte Wahl beispielsweise für Investor*innen sind. Geld antizipiert Zukunft, und so wird Nachhaltigkeit von der netten Story zum »harten« Entscheidungskriterium in Sachen ökonomische Zukunftsfähigkeit. Die Zahlen hinter den Werten sind es auch, die zur Grundzutat des Marketings von aktivistischen Unternehmen werden. Unternehmenskommunikation entfernt sich damit immer weiter von der Werbung und wechselt ans begrünte Ufer der Wissenschaftskommunikation. Wozu Bullshit ausdenken, bunte Welten aus süßen Wesen und Glitzer, wenn die Wahrheit so viel spannender ist? »Market like you give a damn«, vermarkte, weil es dir um die Sache geht! Diese Unternehmen schalten keine doppelseitigen Anzeigen in Zeitschriften – die Presse ruft ganz von allein an, die Kunden erzählen ihre persönlichen Aha-Momente in den eigenen Netzwerken auch ohne Bezahlung weiter, denn wer echte Probleme löst, generiert per se News-Wert. Das Einzige, was wir tun müssen: die Wahrheit sagen. Der Rest ergibt sich (fast) von selbst. Kapitel 5 gibt Einblicke in diese Magie des Fakten-Marketings und verdeutlicht, warum es eine der größten Stellschrauben dafür sein kann, nachhaltige Produkte zu mehrheitstauglichen Preisen anzubieten. Dass diese Art der Kommunikation nicht für jedes Angebot geeignet ist, leuchtet ein.

Unternehmensaktivist*innen gründen, wie wir in Kapitel 6