One touch - Claus-Peter Niem - E-Book

One touch E-Book

Claus-Peter Niem

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Beschreibung

13. Juli 2014: Im Finale der Fußball-WM steht es noch 0:0. In der 88. Spielminute wechselt Joachim Löw Mario Götze ein und schreibt damit Fußballgeschichte. - Nicht nur in Endspielen: Im Fußball stehen Trainer täglich unter Hochdruck. Sie müssen Sportlehrer und Strategen des Spiels sein, aber auch Motivationskünstler, Konfliktmanager und Energiegeber. Auch in der Wirtschaft können sich Führungskräfte nicht in Nischen einrichten. Ihnen verrät dieses Buch, wie man Managementqualitäten entwickeln, Kommunikation verbessern, Beziehungen knüpfen, Expertenwissen steigern und die "Ich-Firma" stärken kann. Lassen Sie sich von der Magie des Fußballs berühren, lernen Sie von Topentscheidern - auf und neben dem Platz!

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Seitenzahl: 360

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One touch

Was Führungskräfte vom Profifußball lernen können

Mit Einwürfen von Jürgen Klinsmann, Joachim Löw & Co.

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

13. Juli 2014: Im Finale der Fußball-WM steht es noch 0:0. In der 88. Spielminute wechselt Joachim Löw Mario Götze ein und schreibt damit Fußballgeschichte. - Nicht nur in Endspielen: Im Fußball stehen Trainer täglich unter Hochdruck. Sie müssen Sportlehrer und Strategen des Spiels sein, aber auch Motivationskünstler, Konfliktmanager und Energiegeber. Auch in der Wirtschaft können sich Führungskräfte nicht in Nischen einrichten. Ihnen verrät dieses Buch, wie man Managementqualitäten entwickeln, Kommunikation verbessern, Beziehungen knüpfen, Expertenwissen steigern und die "Ich-Firma" stärken kann. Lassen Sie sich von der Magie des Fußballs berühren, lernen Sie von Topentscheidern - auf und neben dem Platz!

Vita

Claus-Peter Niem und Karin Helle waren schon immer von der Welt des Fußballs fasziniert. Nach ihrem Studium der Pädagogik, Psychologie und Soziologie arbeiteten sie als Lehrer. 1999/2000 gründeten sie in Dortmund die Agentur »Coaching for Coaches«. Ihre maßgeschneiderten Konzepte und kreativen Ideen für Persönlichkeitsentwicklung und Teamführung nutzen seither Topmanager, Spitzentrainer und Profisportler, unter ihnen Jürgen Klinsmann, Joachim Löw, Hansi Flick, Stefan Kuntz und Sebastian Kehl.

Inhalt

Sind Sie in Führung?

Prolog: Wie alles begann

Heureka – oder: ein Kurs in Führungskompetenz

Der »One Touch«

Die fünf Schlüsselfaktoren guter Führung

Ein starkes Führungs-Ich

Key 1: Professionelles Ethos

Key 2: Expertenwissen

Key 3: Kommunikation

Key 4: Selbstführung

Key 5: Beziehung

Faktor X – der Meister-Code plus One Touch

Ins Spiel kommen

It’s all in the game – oder: Eine erste Annäherung

Gute Führungskräfte – was sie wirklich ausmacht

Fünf Kompetenzen plus Faktor X 

Key 1: Professionelles Ethos

First Touch

Einwurf

Über Visionäre

Kurzpass

Impulse aus der Coachingzone

Skills and tools

Practice 1: Erfolgreich führen

Practice 2: Werte auf und neben dem Platz

Practice 3: Drei Reflexionsfragen

Practice 4: Zielsetzungstraining

Practice 5: Tun

Entscheidend is auf’m Platz

Key 2: Expertenwissen

First Touch

Einwurf

1000 Experten oder eine Führungskraft?

Kurzpass

Impulse aus der Coachingzone

Skills and tools

Practice 1: Ein eigener Matchplan

Practice 2: Visualisierungstraining

Practice 3: Feedback-Taktik

Practice 4: Aus Fehlern lernen

Practice 5: Die besten Köpfe

Practice 6: Profil entwickeln

Entscheidend is auf’m Platz

Key 3: Kommunikation

First Touch

Einwurf

Was exzellente Moderatoren und Meistertrainer gemeinsam haben (könnten)

Kurzpass

Impulse aus der Coachingzone

Skills and tools

Practice 1: Ausgeprägte Körpersprache

Practice 2: Schauspielerische Fähigkeiten

Practice 3: Die magische Drei

Practice 4: Maximum-Denken

Practice 5: Sinne nutzen

Practice 6: Konfliktlösungsstrategie

Practice 7: Konstruktives Feedback

Entscheidend is auf’m Platz

Key 4: Selbstführung

First Touch

Einwurf

Willkommen in der Waschmaschine

Kurzpass

Impulse aus der Coachingzone

Skills and tools

Practice 1: Ich-Firma leben

Practice 2: Innere Balance

Practice 3: Abschalten

Practice 4: Selbstbild

Practice 5: Toughness-Training

Practice 6: Angst bewältigen

Practice 7: Energiegeber

Entscheidend is auf’m Platz

Key 5: Beziehung

First Touch

Einwurf

Von »faulen Äpfeln«

Kurzpass

Impulse aus der Coachingzone

Phase 1: Forming

Phase 2: Storming

Phase 3: Norming

Phase 4: Performing

Phase 5: Transforming

Skills and tools

Practice 1: Verstehend zuhören

Practice 2: Meister der Überzeugung werden

Practice 3: In Wahlmöglichkeiten denken

Practice 4: Trainer-Spieler-Support

Practice 5: Verhalten in Beziehungskrisen

Entscheidend is auf’m Platz

Faktor X – der Meister-Code plus One Touch

Faktor X: Persönlichkeit

Faktor X: Charisma

Faktor X: Herausforderungen

Faktor X: Geschichten

Faktor X: Profession

Dank

Literaturverzeichnis

Sind Sie in Führung?

Als Führungskraft wissen Sie, worum es geht: Das Führen von Teams ist eine echte Herausforderung. Die Aufgaben, die Vorgesetzte und Mitarbeiter an Menschen in Führungspositionen stellen, werden zudem immer anspruchsvoller. Führungskräfte müssen heute – das ist die Kunst und die Last – Multikönner und Multitasker sein. Und zwar alle, die in Führung sind – das unterscheidet sie erheblich von anderen Berufen, in denen Einzelne sich auch mal in Nischen einrichten können.

Und dann das noch: einerseits mehr Verantwortung, mehr Einsatz, (zu) viele Baustellen. Andererseits sind flache Hierarchien und Strahlkraft gefragt – weg vom Management, hin zu Leadership und Empowerment, hin zu visionärer und mutiger Führung! Als Führungskraft müssen Sie täglich vorausdenken, über den Tellerrand schauen, über sich hinauswachsen, die Welt in zehn oder 20 Jahren sehen, begeistern, motivieren, dem Team Energie geben. Dabei immer im Nacken: der Faktor Zeit. Oder anders gesagt: zu wenig Zeit zum Führen. Das beklagen zumindest 79 Prozent aller Menschen in Führung – ganz egal, ob sie ein Unternehmen leiten, eine Firma managen, eine Gruppe von Menschen führen oder ein Team coachen. So oder so: Führung ist im Wandel. Und eine echte Herausforderung, wenn Sie sich entschieden haben, diesen Weg zu gehen – ob im neuen Job, der neuen Saison, dem neuen Semester.

Im Profifußball haben sich moderne Trainer und Manager in den vergangenen Jahren zu vorbildlichen Führungskräften entwickelt, die Hochleistungsteams erfolgreich führen können. Die Antwort auf die Frage, wie sie das geschafft haben und welche Hürden sie dabei gemeistert haben, dürfte auch Führungskräfte in anderen Organisationen interessieren. Denn Führung ist ein Topthema, ist der wichtigste Stellhebel, der stabilisierende Faktor, die größte Herausforderung für Entscheider. Hierarchien flachen in modernen Organisationen ab. Trotzdem braucht jedes Team Führung, eine Richtungsvorgabe, ein Ziel, eine Vision.

Ein hervorragendes Beispiel, was alles möglich ist, wenn man sich gemeinsam auf den Weg macht und sich Zeit für Entwicklungsprozesse nimmt, ist die Erfolgsgeschichte der deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer seit 2004. Sie fing mit der fast unlösbar scheinenden Herausforderung der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land an und reichte bis hin zum Gewinn des Weltmeistertitels in Brasilien 2014. Nicht umsonst sprachen die beiden Protagonisten – Jürgen Klinsmann und Joachim Löw – schon damals von einem Zehn-Jahres-Plan, den es anzuschieben gelte, um den deutschen Fußball wieder in altem – oder besser gesagt – neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Sie hatten recht. Erfolg folgt, wenn man den Dingen Zeit gibt.

In diesem Buch verraten wir Ihnen – anhand von vielen anschaulichen Beispielen und Geschichten aus der Welt des Fußballs –, wie Sie Ihre Führungsqualitäten entwickeln, Ihre Kommunikation verbessern, Beziehungen anschieben, Expertenwissen steigern und Ihre Ich-Firma stärken können. Lassen Sie sich von unseren Erkenntnissen und Erfahrungen inspirieren und übernehmen Sie das, was zu Ihnen und Ihrem Kontext passt! In Hochform: Entwickeln Sie in Ihrer Führungsrolle Persönlichkeit! Von Topentscheidern lernen – auf und neben dem Platz. Damit Sie in Führung gehen – wo immer Sie gerade an der Spitze eines Teams stehen!

Prolog: Wie alles begann

»Das Leben ist ein leeres Blatt Papier, du hältst den Stift in der Hand und schreibst fortwährend deine eigene Lebensgeschichte. Andere Menschen können die Geschichte nicht schreiben, also hängt es von dir selbst ab, ob du eine interessante oder eine langweilige Geschichte schreibst … In anderen Worten: Ein Stück weit hast du es selbst in der Hand.«

Bernd Nickel, Unternehmer und Visionär

Notizen der Weggefährten: Westfalenstadion Dortmund, 11. Dezember 1998

Freitagabend im Dezember – es schüttete in Strömen. Wie häufig an einem dieser milden Winterabende in Dortmund kurz vor Weihnachten. Keine Seltenheit, dass es zwölf Stunden am Stück und länger regnete. Das mochte wohl am nahen Sauerland liegen und an den Wolken, die sich vor dem Rothaargebirge stauten. Doch wie auch immer – wir hatten uns auf den Weg ins Stadion gemacht.

Das Ziel: Ein Flutlichtspiel der heimischen Borussia gegen den Namensvetter aus Mönchengladbach. Da spielte das Wetter allerhöchstens eine untergeordnete Rolle, hatten wir doch in den vergangenen Jahren schon so manche Regenschlacht erfolgreich geschlagen. Und wie immer hatte alles seine Tradition, seine festen Abläufe: Der Besuch der guten, alten Eckkneipe »Zur Sonne« rund zwei Stunden vor dem Spiel – nur 15 Minuten Fußmarsch vom Stadion entfernt und genau dort, wo sich auch schon vor 40 Jahren Menschen – damals wohl vornehmlich Männer – zum Fußball und Bier getroffen haben mussten, gefolgt von einem Zwischenstopp an der Bude auf dem Weg in Richtung Stadion, und diesmal, ausnahmsweise, eine kurze Einkehr in einem Kopierladen unweit der bereits hell strahlenden Flutlichtmasten der nahen Strobelallee.

Eben das hatte seine Gründe: Die Stimmung im Stadion, genauer gesagt auf Dortmunds legendärer Südtribüne, ließ seit Monaten zu wünschen übrig. Geschuldet war dies wohl den jüngsten Erfolgen in den 1990er Jahren bis hin zum legendären Gewinn der Champions League im Mai 1997 in München gegen Juventus Turin. Was sollte man da noch erreichen, mochten sich viele Anhänger gedacht haben – und so hatte selbst die riesige Stehtribüne einen kleinen (verständlichen) gesangstechnischen Durchhänger. Da hieß es: etwas tun.

Gemeinsam mit einigen anderen Unentwegten wurden kurzerhand Flyer gedruckt – mit alten wie auch neuen Songs sowie dem mindestens so legendären wie ebenso einfachen »B-V-B«-Stakkatogesang der 1960er Jahre – über die Zeit irgendwie in Vergessenheit geraten. 20 DM sollte diese Investition kosten, die sich im Nachhinein als unbezahlbar herausstellen sollte. Denn kein Geringerer als Aki Schmidt, Stürmerlegende des BV Borussia Dortmund früherer Zeiten sowie damaliger Fan-Beauftragter wusste die Aktion mehr als zu schätzen. Er fing uns kurz vor den Toren des Stadions ab, deutete auf einen von uns (»Du verteilst Zettel auf Süd!«), um zum anderen zu sagen: »Und du schaust dir das Spiel von diesem Platz aus an!« Dabei drückte er uns eine Karte in die Hand, um mit den Worten zu enden: »Mit den Jungs auf Süd kannst du noch öfter stehen, Mädchen, doch das hier ist was Besonderes.« Und damit sollte er recht behalten!

»Hi, my name is Paul Barron«, stellte sich 20 Minuten später der groß gewachsene und smart aussehende Mittvierziger im Kaschmirmantel vor. »I’m from Vienna«, entgegenete die in Mödling bei Wien geborene Karin Helle lächelnd zurück und das Eis war gebrochen. Manchmal sind es wohl die kleinen Gesten im Leben, die Großes nach sich ziehen. Jedenfalls war sich Karin Helle, das von Aki Schmidt so liebevoll genannte »Mädchen« nicht zu schade, gleich mehrere Sitzschalen mit einem Taschentuch abzutupfen – der Sprühregen hatte sie leicht befeuchtet – und so nahm Paul Barron samt kostbarem Mantel lächelnd neben ihr Platz. Das war der Türöffner in eine neue Welt. Man kam ins Gespräch und philosophierte über Führungsmanagement in Vereinen, Organisationen und Wirtschaft im Allgemeinen sowie seiner Management-Tätigkeit im englischen Fußball im Speziellen. Ausgerechnet Robert Enke wollte er an diesem Abend sichten – damals noch als junger Keeper für Mönchengladbach spielend. Abschließend riss Paul Barron noch den Briefkopf eines Faxes ab, überreichte die Adresse und lud zu einem baldigen Treffen nach England ein. Das Kümmern um den Sitznachbarn hatte Spuren hinterlassen.

Der einzige Wermutstropfen: Rund drei Wochen später fiel die Silvesterparty ruhiger als gewöhnlich aus. Schließlich mussten wir schon am ersten Vormittag des neuen Jahres Ostende erreichen, um mit der Fähre gen England überzusetzen – vorbei an London hinein in die Midlands bis ins Herz von Birmingham, einer Stadt, die auf den ersten Blick nur aus Autobahnen zu bestehen schien – und deshalb wohl auch von den Einheimischen so liebevoll »Spaghetti Junction« genannt. Überhaupt ein großes Abenteuer, so ohne Hotel und heutigen Luxus wie Smartphone, Internet und Navigationssysteme.

»It’s always good to have a contact in Germany!« Ruhig und bestimmt begrüßte uns John Gregory, Trainer des damals auf Platz 1 stehenden Premier-League-Clubs Aston Villa FC im Coaching Room des Villa Park, dem legendären Stadion des Birminghamer Vorstadt-Vereins an der Trinity Road im Stadtteil Aston. Und das gerade einmal zwei Stunden vor einer FA-Cup-Achtelfinalbegegnung gegen die Hull City Tigers – dem ersten Spiel des neuen Jahres. Paul Barron hatte uns vor dem Stadion willkommen geheißen, durch die engen und altehrwürdigen Gänge des Stadions geführt und einen ersten Kontakt zum Head-Coach hergestellt. Eine kurze Begehung des Spielfelds folgte, genauso wie ein ungefährdeter 3:0-Sieg der Villians sowie eine herzlich ausgesprochene Einladung zum Trainingsground des Clubs in Tamworth in den folgenden Tagen.

John Gregory – auch »The Boss« genannt – hatte alles, was eine starke Führungspersönlichkeit auf den ersten Blick ausmachte. Ausstrahlung, Präsenz, Stärke – mindestens genauso cool wie sein musikalisches Vorbild Bruce Springsteen und ganz in Schwarz gekleidet, stand er am folgenden Morgen im Frühstücksraum und lachte mit den Kitchen Ladies, die ihm wie auch den Spielern reichlich Toast, Baked Beans und Rührei auf den Teller klatschten – full english eben! Gesunde Ernährung im Fußball? In Birmingham damals noch Fehlanzeige! Doch als Erster der Premier League durfte man sich das wohl erlauben. Umso erstaunlicher: Er reflektierte seine Arbeit, zeigte sich offen für neue Ideen, Impulse und Inputs. Intensive Diskussionen über seine Vorstellung von Teamführung und Führung im Allgemeinen folgten – bis hin zum Umgang mit dem eigenen Ich, mit Siegen und mit Niederlagen, und mit Spielern, die insbesondere in England häufig mit ihrem Umfeld zu kämpfen hatten.

Wir beschlossen, wiederzukommen. »Heureka!« Eine neue, inspirierende Idee war geboren. Die Vision, mit Führungskräften im Profifußball zu arbeiten, sich auszutauschen, zu forschen, zu recherchieren, Informationen zu sammeln, Konzepte zu entwickeln, Ideen zu kreieren, um dann die Erkenntnisse, Erfahrungen und Erfolgsstrategien mit dem Blick durch die Fußballbrille auf andere Bereiche wie Unternehmen, Management, Organisationen, sprich: auf den Alltag aller, die in Führung sind, zu übertragen.

Wir wollten wissen: Wie kann man Führungsqualitäten entwickeln? Was macht eine gute Führungspersönlichkeit aus und ist genau das erlernbar? Welche Trainer und ihre hochaktuellen Führungskonzepte und -strategien sind eigentlich besonders erfolgreich und warum – und was kann man davon auf die eigene Situation übertragen, erfahren und lernen?

Unser Ziel: mit den Besten zusammenarbeiten, uns auf Augenhöhe austauschen, Wissen teilen, vernetzen, Parallelen ziehen und über den Tellerrand schauen – und uns dennoch für nichts und niemanden zu schade sein. Letzteres ist im Übrigen einer der Schlüssel, der uns stets begleitete und so manche Tür öffnete. In anderen Worten: offen auf die Menschen zugehen, zuhören, neugierig sein und Fragen stellen (denn wer fragt, der führt), sich auf jedem Parkett bewegen können, da sein, wenn es drauf ankommt und stets den ganzen Menschen im Fokus haben.

Und so machten wir uns auf den Weg und durften von allen lernen, denen wir auf diesem Weg begegneten: von Trainern, Managern, Zeugwarten, Fans und Fanshopbetreuern, Sicherheitsbeauftragten, Türstehern, Physiotherapeuten, Ärzten, Präsidenten, Vorständen, Greenkeepern und Hausmeistern, Sekretärinnen, Kitchen Ladies, Betreuern, Pressesprechern und Journalisten sowie Welt- und Europameistern. Von allen durften wir profitieren – und von einigen werden wir auf den folgenden Seiten berichten. Und Aston Villa? Es sollte nicht unser letzter Besuch in Birmingham gewesen sein.

Heureka – oder: ein Kurs in Führungskompetenz

»Ich habe es gefunden« – so oder ähnlich soll Archimedes von Syrakus, unbekleidet und jubelnd, vor mehr als 2000 Jahren durch die Stadt gelaufen sein, nachdem er in der Badewanne das nach ihm benannte Archimedische Prinzip entdeckt hatte – ein Gesetz der Physik, das sich mit dem statischen Auftrieb eines Körpers in einem Medium befasst. In diesem Fall: das Boot im Wasser. Heureka? Ein freudiger Ausruf, die Lösung eines schwierigen Problems, ein Geistesblitz, eine wegweisende Erfahrung!

Genauso mag es wohl auch dem einen oder anderen auf dem Weg zur Führungspersönlichkeit gegangen sein, wenn er auf einen wirklich charismatischen Menschen stieß und erkannte: Hier und von dieser Person kann ich etwas lernen, mitnehmen, mir abschauen. Denn Führung will gelernt sein.

Umso erstaunlicher, dass in vielen Berufen Führungskompetenzen mehr denn je gefordert, diese aber letztlich kaum bis gar nicht in der Ausbildung gelehrt werden. Sprich: die Arbeit am und mit dem Menschen selbst. Von Präsentationstechniken über das richtige Auftreten und Kommunizieren bis hin zum Umgang mit Druck und Stress. Man wächst wohl gezwungenermaßen mit den Anforderungen. Aber ist man dann sofort eine charismatische Führungspersönlichkeit? Oder gibt es so etwas wie ein Führungsgen? Sprich: entweder man hat es oder man hat es nicht?

Anscheinend »rutscht« man in diese Aufgabe einfach so hinein. Man guckt sich Dinge bei anderen ab, übt durch das tägliche Tun und kann sich glücklich schätzen, wenn man das Richtige (hoffentlich) zur rechten Zeit lernt. So widerfuhr es zumindest New Yorks Bürgermeister Rudolph Giuliani, der sich im Frühjahr 2001, also ein halbes Jahr vor den Terroranschlägen auf das World Trade Center, dazu entschlossen hatte, ein Buch über Führung zu schreiben. »Es war so, als habe Gott mir die Gelegenheit gegeben, einen Kurs in Führungskompetenz zu entwickeln, gerade als ich diese am dringendsten benötigte.« Das Resultat: Er war ein Stück weit besser vorbereitet auf die Attentate, die am 11. September Manhattan erschüttern und die Welt verändern sollten, war klarer in seinen Gedanken und Entscheidungen und hatte mehr Selbstvertrauen in das eigene Tun.

Führungskompetenz entsteht nicht von selbst. Man kann sie jedoch ein Stück weit vermitteln, entwickeln und auch lernen – durch die Auseinandersetzung mit der persönlichen Vergangenheit, dem eigenen Lernen und der Lebensphilosophie. Eltern steuern genauso dazu bei wie Lehrer oder erste Chefs, Vorbilder aus der Kindheit oder Menschen, die inspirieren oder motivieren. Durch das Studieren anderer, ihre Auftritte, Reden, Charakterstärke oder einfach das Gefühl, berührt worden zu sein.

Führung – ein abendfüllendes Thema. Und garantiert hat jeder etwas zu sagen, denn jeder wurde schon mal geführt oder musste – in welchem Rahmen auch immer – führen. Umso schwieriger stellt es sich zunächst heraus, gute Führung in geeignete Bilder oder einfache Worte zu fassen. Hier bieten die fünf Keys guter Führung eine transparente Möglichkeit und exzellente Diskussionsgrundlage – einerseits für sich allein stehend, andererseits ineinander greifend und verbindend.

Und während Roman Kratochvil, österreichischer Triathlet- und Ironman-Spezialist bei einem unserer abendfüllenden Gesprächskreise einen kurzen, zweiseitigen Überblick über das Thema forderte, wies Jörg Behnert, A-Jugendtrainer von Bayer Leverkusen, auf den noch zu ergänzenden Spezialschlüssel hin. Für ihn das Meistergen, der Faktor X, die ganz besondere Führungsnote eben, die Fußballer im Speziellen und Menschen im Allgemeinen durch persönliche Berührung zu Meisterhaftem antreibt. Für uns: der One Touch!

Der »One Touch«

Im Fußball ist der One Touch nichts anderes als die schnelle Weitergabe des Balles – ohne diesen zu stoppen. Das setzt eine hohe Laufbereitschaft, technisches Können und automatisierte Laufwege voraus. Der One-Touch-Fußball entwickelte sich in den 1980er Jahren in den Fußball-Eliteschulen in den Niederlanden und wurde nachfolgend von Arsène Wenger mit Arsenal London perfektioniert. Nach Joachim Löw: »Die Spieler kreuzen und queren den Rasen wie ferngesteuert und zelebrieren jene rare Kunstform, die Fachleute ›One-Touch-Fußball‹ nennen, weil der Ball direkt weitergeleitet wird, mit nur einer Berührung pro Spieler.« Ein Spielzug von jener nahezu perfekten Automatik, wie er Löw restlose Befriedigung verschafft.

Der One Touch im metaphorischen Sinn ist eine emotionale Berührung mit einer klaren Ansage, die Spuren hinterlässt und zum Handeln bewegt. Hier stellen sich mehrere Fragen: Wo ist er angesiedelt? Was kann er bewirken? Wofür braucht man ihn? Er ist immer und überall dort zu finden, wo Menschen in Kontakt und Beziehung zueinander treten. Wo sie sich begegnen, ins Gespräch kommen, sich austauschen und kommunizieren. Die Form: ein Wort, ein Satz, ein Gruß, ein Gespräch, eine inspirierende Motivation, eine Intervention, eine Stimulierung, ein Hinweis, eine Botschaft, eine Vision. Im nonverbalen Bereich sind es die Gesten, Signale, ein Wink, ein Zeichen, eine kurze Berührung. Es gilt, mit Überzeugungskraft ein starkes Gefühl anzustoßen, das zur Ausführung bestimmter Handlungen führt. Der schnörkellose Inhalt soll im Gefühlszentrum des anderen ankommen – aus dem Herzen für die Seele. Ein magischer Moment entsteht. Der One Touch kann, um im Bild zu bleiben, der Anstoß für eine Initialzündung sein.

Hier kommen erfahrene Führungskräfte ins Spiel. Sie dürfen den Herzschlag ihres Teams nicht überhören. Leader, die den Puls der Gruppe nicht fühlen, verlieren das Team. Ihre Antennen müssen ständig auf Empfang für Veränderung bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sein. Sie können Gefühle lesen. Sie nehmen ihre eigenen Emotionen und die der Mitarbeiter sensibel wahr. Sie können sie zuordnen, ihre Herkunft deuten und gut damit umgehen und daraus Ideen für eine wirksame Intervention und Schlüsse für ihre Arbeit als Coach ziehen – sie verfügen über emotionale Intelligenz.

Die fünf Schlüsselfaktoren guter Führung

Führungsqualitäten lassen sich – bis zu einem gewissen Grad – erlernen. Dazu gehört zum Beispiel die Fähigkeit, sich immer wieder selbst kritisch zu reflektieren, die Fähigkeit, die eigene Führungsrolle aktiv zu gestalten, Beziehungen zu Umfeld und Mitarbeitern aufzubauen und zu pflegen oder mit komplexen Führungssituationen umzugehen.

Ein starkes Führungs-Ich

Auf den Punkt gebracht handelt es sich um die Five Keys, die fünf Schlüsselfaktoren, für erfolgreiches Management: Professionelles Ethos, Expertenwissen, Kommunikation, Selbstführung und Beziehung.

Key 1: Professionelles Ethos

Jeder Mitarbeiter kann sein Potenzial dann optimal entfalten, wenn er sich autonom, kompetent, anerkannt, sozial eingebunden und wertgeschätzt fühlt. Es ist die Kunst, als Organisator von Lernprozessen ein gutes Arbeitsklima zu schaffen. Genauso wie mit Weitblick zu führen, Entscheidungen umzusetzen, Grenzen zu setzen, Regeln aufzustellen, Aufgaben zu verteilen, alte Strukturen aufzubrechen und neue Standards zu setzen – und dabei immer nach vorn zu schauen. Die Hochform: ein visionärer Anführer, der das Wohl aller im Blick hat und seinen Beruf als Berufung auffasst. Der Antrieb: ein langer Atem, Beharrlichkeit, Zuversicht und Entschlossenheit, um einen oftmals steinigen Weg zu gehen. Denn: Nicht alle sind von neuen Wegen begeistert!

Key 2: Expertenwissen

Alles braucht seine Zeit. Und Übung macht bekanntlich den Meister. Bis zu 10.000 Trainingsstunden sind nötig, um die Schale in der Hand zu halten. Maßgeschneiderte Führung ist gefragt, um mit wenigen Worten individuell und zielgenau meisterhaft zu coachen. Große Strategen leben ihre Bestimmung – sie können Spiele lesen, reflektieren und evaluieren, die Entwicklung ihrer Spieler erkennen, Fehler analysieren und in Stärken umwandeln. Sie wissen, dass die Jeans passen muss.

Key 3: Kommunikation

»Man kann nicht nicht kommunizieren« (Paul Watzlawick) – Präsenz, Rhetorik, Verhandlungsgeschick sind gefragt! Stark Denken und stark Auftreten gehören zu den größten Geheimnissen des Spitzensports, die jede Führungspersönlichkeit trainieren kann – auch wenn die anstehende Herausforderung unlösbar erscheint. Das Ziel: in jeder Sekunde wirken, optimistisch nach vorn schauen und mit einem Lächeln auf den Lippen und den entsprechenden Worten seinem Team Selbstvertrauen schenken. Offenheit gehört dazu wie auch die Kunst, das Richtige zur rechten Zeit anzusprechen! Sind Sie in Ihrer Kommunikation stark, ist es Ihr Team auch! Denn: Teammitglieder spüren alles. »Before you even say a word, the team sees your face the look in your eyes, even your walk. Show the face your team needs to see.«

Key 4: Selbstführung

Konflikte lösen, Niederlagenserien stoppen, sich selbst verändern, wenn man andere verändern möchte – je mehr Wahlmöglichkeiten einem Trainer zur Verfügung stehen, desto erfolgreicher kann er führen, andere wie auch sich selbst. Dazu bedarf es einer ausgefeilten Selbstregulation und Selbstreflexion sowie des optimalen Gleichgewichts zwischen Anspannung und Entspannung. Auf den Punkt gebracht: Ich-Firma leben, Energiemanagement beachten, Work-Life-Balance finden, Belastbarkeit erhöhen sowie auch Grenzen setzen – für sich und andere.

Key 5: Beziehung

Um ein erfolgreiches Team zu formen oder ein bestehendes Team erfolgreich weiterzuentwickeln, bedarf es einer Grundvoraussetzung: die Charaktere und Eigenschaften seiner Mitarbeiter richtig zu erkennen und zu nutzen. Zuhören können und Empathie entwickeln sind hierfür wichtige Voraussetzungen. Die Hochform: Stärken und Schwächen der Kollegen erfassen, diese ausgleichen und gewinnend vernetzen. Prozessorientiert führen, die richtige Feedbackkultur entwickeln sowie auf Augenhöhe coachen sind ideale Instrumente der Hilfe zur Selbsthilfe. Die Königsklasse in Sachen Führung: motivieren und inspirieren sowie im richtigen Moment magisch berühren. One Touch!

Faktor X – der Meister-Code plus One Touch

Große Führungspersönlichkeiten leben ihre Bestimmung – leben das, was sie aus der Masse heraushebt und bewegen gleichzeitig Massen. Sie lösen Initialzündungen aus, lassen die Tiere raus und sehen in Erfolgen weit mehr als einen Sieg. Durch Berührung, durch Worte, durch Willen, durch Wissen, durch Strategie! Durch die Kunst, allen eine Nasenlänge voraus zu sein in ihrem Handeln und Tun. Durch ihr sensitives Gespür für das Feinstoffliche und alle Eventualitäten, die im nächsten Moment passieren könnten. Sie erfinden sich immer wieder neu, halten nichts vom Status quo und schärfen täglich ihr Profil.

Sie sind in Führung? Elf Reflexionsfragen

Was ist das schönste Kompliment, das Ihnen ein Mitglied Ihres Teams machen kann?

Welche Kritik würde Sie verletzen?

Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit besonders viel Freude?

Was sind Ihre Führungsstärken?

Was sind Ihre Führungsschwächen?

Welche Führungskompetenz wird Ihrer Meinung nach überbewertet?

Welche Aspekte an Führung finden Sie persönlich herausfordernd?

Wie definieren Sie Erfolg?

Was sind Ihre Erfolge, die Sie bis heute in Führung erreicht haben?

Wenn Sie ein Buch über Ihr Leben und Ihren Führungsstil schreiben würden: Wie würde es heißen?

Wenn Sie die Wahl hätten, für was würden Sie sich entscheiden: Erfolg, Bestätigung oder Herausforderung?

Ins Spiel kommen

»Wenn Sie sich jeden Tag ein wenig verbessern, geschehen letztendlich große Dinge. Nicht morgen, nicht am nächsten Tag, aber irgendwann wird ein großer Gewinn erzielt. Sehnen Sie sich nicht nach der großen, schnellen Verbesserung. Streben Sie nach der kleinen Verbesserung, ein Tag nach dem anderen. Das ist der einzige Weg, wie es passiert – und wenn es passiert, hält es für eine lange Zeit an.«

John Wooden, US-amerikanischer Basketballspieler und -trainer

Notizen der Weggefährten: Karlsruhe, Februar 2001

Es war kalt, sehr kalt sogar, trostlos und ungemütlich. Schneeregen prasselte bei einer geschätzten Außentemperatur von plus zwei Grad gegen die Windschutzscheibe unseres roten VW Golf 4. Wieder einmal hatten wir uns auf den Weg gemacht. Unser Ziel: der mittlerweile in die dritte Liga abgestiegene Karlsruher SC – oder besser gesagt: dessen noch sehr junger Trainer Stefan Kuntz. Zu Beginn der Saison hatte er den führungslosen KSC übernommen und fortan durch kluge Spielereinkäufe auf die Siegerstraße gebracht. Aber war dies das einzige Geheimnis seines Erfolges? Genau dieser Frage wollten wir nachgehen. Mit zwölf Punkten Vorsprung und laut Bildzeitung ungewöhnlichen Maßnahmen hatte der ehemalige Nationalspieler und Europameister von 1996 den KSC an die Tabellenspitze der damaligen Regionalliga Süd gehievt. Das interessierte uns. Und so schrieben wir ihm postwendend einen Brief.

Am Stadion angekommen, machten wir uns sofort auf die Suche nach »unserem« Trainer. Schon lange beschäftigten wir uns mit der Hochform des Fußballcoachings und durften auf diesem Wege, ob über Medien oder im persönlichen Gespräch, viele interessante Trainer und ihre Sicht- und Arbeitsweisen kennenlernen – vom offenen, mit dem Herzen führenden Pädagogen bis hin zum wortkargen Schleifer oder Einpeitscher. Vom Menschenfreund bis zum menschenverachtenden Egozentriker. Alles war dabei. Aber: Niemand war wie Stefan Kuntz. Prompt hatte er auf unsere Zeilen geantwortet, uns angerufen und eingeladen. Und genauso prompt war er in allen Dingen – wie sich im Verlauf des Gespräches herausstellen sollte.

Doch zunächst – zunächst fanden wir ihn nicht. Erst durch die Hilfe des Hausmeisters wurden wir auf die richtige Spur gebracht, um ihm plötzlich in den heiligen Hallen des Stadions gegenüberzustehen. Locker, leicht und sportlich, in Jeans, Turnschuhen und einem dunkelblauen Sweater saß er mit baumelnden Beinen auf einem Tisch und strahlte uns an – was für ein Kontrast zum Wetter, dachten wir. Und was für ein Kontrast zu all den Trainern, die wir bisher erleben durften. Fortan ging alles Schlag auf Schlag. Kuntz, wie schon erwähnt ein Mann des schnellen Handelns, wollte sofort alles wissen. »Woher kommt ihr? Was macht ihr? Wie kann ich euch helfen?«, waren seine ersten Fragen, bevor er uns schon in der nächsten Minute in sein Auto einlud und zu einem Freundschaftskick in den verschneiten Schwarzwald mitnahm. Offen, kommunikativ, begeisterungsfähig, spontan. Eben ein absoluter Macher, der auch mal gern aus dem Autofenster heraus einen Plausch mit der Bereitschaftspolizei hielt, die sich um die mitreisenden Fans des KSC zu kümmern hatte. Kommunikation auf allen Ebenen sozusagen – was ihm in diesem Fall als gelerntem Polizisten nicht schwerfiel.

Die folgenden Monate waren mehr als intensiv, und so durften wir dem Geheimnis seines Erfolges näherkommen. Ganz unbewusst machte er viele Dinge richtig. Und zwar im Umgang mit sich selbst wie auch im Umgang mit anderen. Stets aus dem Bauch heraus. Stets offen für Innovationen und voller Wissbegierde. Stets mit einer absolut professionellen Einstellung: Das Lernen-Lernen könnte er erfunden haben. Er liebte es, auf neuen Gebieten zu wandeln, sich mit seinem Gegenüber intensiv auszutauschen und über das Gelernte zu reflektieren. Er glaubte immer schon an sich selbst, an die eigenen Stärken sowie die daraus resultierende Gewissheit, die gesetzten Ziele auch zu erreichen. Nur so konnte er auch als Fußballer bestehen, nur so Deutscher Meister mit dem 1. FC Kaiserslautern sowie Nationalspieler werden.

»Normalerweise«, so erzählte er einmal zwischen Schmutzwäsche und Faxgerät in seinem sehr kleinen Trainerbüro, das er sich auch noch mit zwei Co-Trainern teilen durfte, »normalerweise wäre ich als Spieler nie über die zweite Liga hinausgekommen«. Aber es war eben sein unbändiger Wille, sein positives Denken, seine Leidenschaft und Hingabe, die ihn stets beflügelten und ganz nach oben brachten. »Letztlich war und bin ich immer für mich und meine Leistung ganz alleine verantwortlich. Ob früher in der Schule, als Polizist, als Fußballer oder als Trainer. Da hat sich nicht viel geändert. Und genau diese Einstellung zum Lernen gebe ich meinen Profis weiter. Ganz wichtig: Man muss sich auch mal selbst in den Hintern treten, malochen, kämpfen.«

So hatte er es bei sich selbst gemacht, das übertrug er auf seine Spieler. Ob in Einzelgesprächen, Gruppen- oder Teamsitzungen. Als wir zu Beginn der Rückrunde – das Heimspiel gegen Schweinfurt 05 sollte in wenigen Minuten angepfiffen werden – bei einer ersten Mannschaftsbesprechung mit dabei sein durften, staunten wir nicht schlecht, wie sehr er – bewusst oder unbewusst – jeden seiner einzelnen Spieler berührte. Stefan Kuntz verschaffte seiner Mannschaft Bilder, spielte mit Worten, traf den Nerv oder besser gesagt das Gefühl und arbeitete sogar im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Geschmack und dem Geruchssinn seiner Spieler. Auf allen Sinnesebenen eine perfekte Einstellung auf das bald beginnende Spiel. Wir selbst hätten auflaufen können, so motiviert waren wir durch die gefühlten Worte, Bilder und Gedanken an das Siegerbier danach.

Das Spiel wurde übrigens gewonnen und der KSC stieg nur wenige Monate später wieder in die zweite Liga auf. Und Kuntz? Der begab sich einige Zeit später auf ganz neues Terrain. Das kurzlebige Trainergeschäft brachte den zur Selbstreflexion neigenden Trainer auf neue Ideen. Nicht umsonst lautet einer seiner Glaubenssätze: »Nur wer sich verändert, bleibt sich treu.«

Schon lange hatte es ihm das Sport-Management angetan, und so kam es wie es kommen sollte. Er setzte sich neue Ziele, entschloss sich zum Studium an der Universität in Düsseldorf und lernte vor allem durch Selbsttun. Über die TuS Koblenz, seine erste Station als Manager, mit der er ebenfalls gleich in die zweite Liga aufstieg, schaffte er den Sprung zum VfL Bochum und später als Vorstandsvorsitzender zum 1. FC Kaiserslautern. »Es ist schwierig, einen Manager zu finden, der Marketing, kaufmännisches Denken und Fußballkenntnisse so vereint wie Stefan Kuntz«, so sein ehemaliger Chef der TuS. Doch neben all seinen Kompetenzen sind auch im heutigen Job echte Stürmerqualitäten gefragt – und zwar vor allem dann, wenn es um die Verpflichtung neuer Spieler geht: zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, ein Auge für die Situation haben, Bauchgefühl sowie dann zuschlagen, wenn andere schlafen. Das gelingt häufig – aber nicht immer. Doch man lernt immer dazu.

Der Glaube an sich selbst, positives Denken, Willenskraft und Leidenschaft, Offenheit und Wissbegierde, Strebsamkeit und Arbeitseifer, das Geübte auf neue Situationen zu übertragen und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Grundpfeiler des Lebenslangen Lernens und absolute Fähigkeiten des Fußballers, Trainers und Managers Stefan Kuntz – die uns stets fesselten, wenn wir dabei sein durften.

Es ist anscheinend ein Irrglaube, dass Führungstalent angeboren oder womöglich sogar vererbbar ist. Ganz im Gegenteil: Man muss es sich erarbeiten in vielen Stunden – und lernt nie aus. Durch Lebenserfahrung genauso wie durch tägliche harte Arbeit im Beruf mit Menschen. Und nicht durch einen Hochschulabschluss.

»Führungstalent ist nichts Genetisches. Man kann es sich auch nicht durch Lesen oder den Besuch von Vorlesungen aneignen. Man muss es sich durch entsprechende Erfahrungen mitten in der Arena hart verdienen und nicht etwa, indem man von einem Logenplatz aus zuguckt.«

Warren Bennis, Wirtschaftswissenschaftler

Umso erstaunlicher, dass fachliche Kompetenz in deutschen Unternehmen nach wie vor das Hauptkriterium bei der Besetzung einer Führungsposition darstellt. Die Qualität der Mitarbeiterführung spielt nur eine untergeordnete Rolle. Dabei können die Folgen einer schlechten Personalführung sowohl für die Psyche der Arbeitnehmer als auch für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens schwerwiegend sein – von Demotivation über innere Kündigung und Erkrankung des Arbeitnehmers bis hin zu bewusster Zurückhaltung von Informationen und Sabotage der Firma. Und im Fußball?

It’s all in the game – oder: Eine erste Annäherung

Beschäftigt man sich mit Führungspersönlichkeiten im Fußballsport und hier insbesondere mit den großen Trainerlegenden – von Sepp Herberger über Ernst Happel bis hin zu Jürgen Klopp –, so fällt auf, dass alle einen Plan verfolgten, und zwar auf und neben dem Platz. Neudeutsch würde man wohl von einem Matchplan sprechen, einer genauen Fehleranalyse nach dem Spiel, die dazu dient, die richtigen Schlüsse für das kommende Match zu ziehen. Denn: bekanntlich ist ja spätestens seit Sepp Herberger nach dem Spiel vor dem Spiel. In anderen Worten: die perfekte Vorbereitung, die Kunst, ein Spiel quasi komplett vorauszudenken, dem einzelnen Profi mehrere Lösungen für allerlei Szenarien an die Hand zu geben, um den Zufällen des Fußballs eine möglichst geringe Chance zu geben. Die Hochform: das Training auf die jeweiligen Spiele und Gegner genau auszurichten, variabel, flexibel, vorausdenkend und individuell.

Mindestens genauso wichtig jedoch ist die didaktische Umsetzung der Pläne, das Lehren des Lernstoffes, das Rüberbringen in die Praxis. Zweifellos sind viele Trainer in der Theorie gleich, den Transfer auf den Fußballplatz zu schaffen, gelingt jedoch nicht jedem – vom Einschleifen der Automatismen, die in Fleisch und Blut übergehen müssen bis zur genauen Ballannahme, denn die kann und muss je nach Situation variabel sein. Details eben.

Exkurs

Konzept oder Spieler – wer steht im Mittelpunkt?

Einer der neuesten Begriffe, der seit geraumer Zeit in den sportaffinen Medien diskutiert wird: Konzepttrainer! Hier gilt der Trainer als absoluter Systemexperte, der gemeinsam mit der Spielphilosophie des Clubs ein System möglichst durchgängig bis in die Jugendmannschaften umsetzt. Die Aufgabe der fachlich top geschulten Spieler: möglichst variabel auftreten, sich dem System unterordnen – und ein Stück weit austauschbar sein. Denn: Das System steht im Vordergrund.

Aber Hand aufs Herz: Macht allein das Wissen über das Wissen sowie das Umsetzen des Wissens eine Führungspersönlichkeit in der Coachingzone – und darüber hinaus – aus? Oder gibt es weitere Erfolgsgeheimnisse?

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine im Sommer 2015 durch Ex-Bayern-Profi Mehmet Scholl angestoßene Diskussion: Er kritisierte die derzeitigen lehrgangsbesten Trainer, ausgebildet an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Köln – zu verkopft seien sie, zu weit weg vom Menschen wie auch vom Profi. Was er damit sagen will: Fachlich top ausgebildet zu sein, heißt noch lange nicht, auch den Menschen berühren zu können. Eine durchaus interessante Bemerkung, denn betrachtet man die momentane Entwicklung im deutschen Profifußball, so fällt auf: Gleich fünf Fußballtrainer mit dem besten Akademie-Abschluss verloren in der Saison 2015/16 auf höchster Ebene – also in der Bundesliga – ihren Trainerjob.

»Ich habe immer gesagt: In einem Fußballclub, der nur wenig Geld zur Verfügung hat, musst du dieses Geld für den besten Trainer ausgeben, den du bekommen kannst. Alles hängt von der Qualität des Trainers ab.«

Peter Risdale, Vorsitzender des Fußballvereins Leeds United

Vielleicht lag es ein Stück weit daran, dass der eine oder andere zu selbstbewusst auftrat. So erklärte Alexander Zorniger, Bundesliga-Trainer-Novize der Saison 2015/16 beim VfB Stuttgart und Jahrgangsbester in der DFB-Ausbildungszentrale im Köln 2012 den Fußball gern wissenschaftlich – menschlich jedoch stieß er den einen oder anderen arg vor den Kopf. Man müsse diejenigen »erschlagen«, die das Talent Joshua Kimmich verkauft hätten, so Zorniger. Eine solche Schlagzeile nehmen die Medien gern auf – und der Aufsichtsrat fühlt sich in der Regel bloßgestellt. Oder der Fall Timo Werner – ein junges Talent des VfB, der auch aufgrund seines Alters noch Formschwankungen unterworfen war. Hier sah sich Zorniger nicht als »Kindermädchen«. Zudem machte er sich nach einem wichtigen Ausgleichstreffer gegen 1899 Hoffenheim kurz vor Ende der Partie über Werner lustig – zu leidenschaftlich hätte dieser gejubelt. Seine Empfehlung: weniger jubeln und den Siegtreffer machen. Alles in der Theorie richtig. Doch wird so etwas unbedacht und öffentlich rausgehauen, muss man sich über die Reaktionen nicht wundern. Die Folge: Man verliert die Mannschaft – Stück für Stück.

Exkurs

Laptop-Trainer

Mehmet Scholl sorgte im Sommer 2015 mit einem Interview im »Spiegel« für Aufsehen, als er von einer »Schwemme von Trainern sprach, immer der gleiche Typus, der alles anders macht«, als er es machen würde. Laut Scholl »Kursbester-Gesichter«, die in der verschulten Ausbildung die Theorie aufsaugen, ohne den ganzen Fußballer zu sehen. Der Hauptkritikpunkt: Viele wüssten nicht, wie ein Profi tickt! Stattdessen laufe alles nur noch über Laptop. »Auf die gucke ich als Letztes«, sagte er. »Ohne Menschen kann man Taktik vergessen. Ich beherrsche diese ganzen Begriffe ja auch: die diametral abkippende Doppelsechs, der falsche Neuner, dieser ganze Kram.« Aber: »Fußball ist ein einfaches Spiel, und damit die Menschen es verstehen, muss es einfach bleiben.«

Interessant auch die Äußerungen von Robin Dutt, Topabsolvent des Jahrgangs 2005, der als Trainer von Bayer Leverkusen 2011 vor versammelter Mannschaft auf sein Besten-Diplom hinwies – wohl mit dem Gedanken im Hinterkopf, dadurch vom Team noch ernster genommen zu werden. Das Gegenteil war der Fall. Statt Autorität in der Kabine zu gewinnen, verlor er sie – und wurde später entlassen.

Forsches Auftreten mag im richtigen Kontext gut sein – doch manchmal sind eben auch Fingerspitzengefühl, Empathie und Bescheidenheit gefragt. Vielleicht hängt ein solches Auftreten mit einer gewissen Unsicherheit zusammen, wenn man selbst nicht in der ersten Liga gespielt hat. Zumindest bei dem einen oder anderen. So sieht es Mehmet Scholl, der sich schwerlich vorstellen kann, dass ein Bestnotentrainer in den Schuhen eines Profis laufen kann – wenn er nicht selbst schon mal drin gesteckt hat. Um zu wissen, wie ein Spieler denkt, muss man eben selbst auf höchstem Niveau gespielt haben, so seine Meinung.

Interessant auf jeden Fall die Diskussion und auffällig auch, dass in den letzten Jahren fast nur noch Quereinsteiger mit sehr guten Zensuren abschlossen: Fußballlehrer, vermehrt mit akademischem Hintergrund, weniger mit Erfahrung aus den höchsten deutschen Fußballligen. Ob die Ausweitung des Trainerlehrgangs auf zehn Monate und damit einhergehend die vermehrte inhaltliche Lernstoffdichte für besonders verkopfte Trainer sorgt? Fakt ist: Es gibt anscheinend einen großen Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Und es ist letztendlich wie in der Schule. Die Bestnotenschüler müssen nicht unbedingt im späteren Leben die Erfolgreichsten sein. Ein Spiel wird eben nicht auf dem Reißbrett entschieden. Sondern: auf dem Platz! Man darf gespannt sein, wie sich die Entwicklung fortsetzt und gesteuert wird – auch vonseiten des DFB, der Sporthochschule Köln sowie deren Chefausbilder selbst und dem damit verknüpften Curriculum.

Es muss also neben dem Expertenwissen und der entsprechende Didaktik noch eine Vielzahl anderer Kriterien geben, möchte man auf lange Sicht erfolgreich und nachhaltig führen. Also Faktoren und Merkmale, die qualitativ gute Führung ausmachen – und insbesondere im Profifußball eine ganze Region begeistern, eine ganzes Land mitreißen, eine ganze Nation inspirieren können, wenn denn alles perfekt ineinander greift und zusammen passt. Denn nirgendwo sonst spielen die Gefühle eine ähnlich entscheidende Rolle wie hier, liegen Glück oder Pech so eng beieinander genauso wie Freud oder Leid, Hoffnung oder Aufgabe, Glaube oder Unglaube, Triumph oder Niederlage.

Fußball kann das wahre Leben widerspiegeln – mit allen seinen Höhen und Tiefen: durch das entscheidende Tor in der Nachspielzeit, den nicht für möglich gehaltenen Auf- oder Abstieg, die Meisterschaft der Herzen, den verschossenen Elfmeter. So emotional Zuschauer, Fans, Spieler und Trainer die wahren Momente des Fußballs auch leben mögen und dadurch reichlich Druck erzeugen können – allein die Existenz des Trainers hängt von ihnen ab. Schon mancher Übungsleiter wurde gefeuert, bevor er überhaupt richtig im Verein angekommen war. Das führt zu purem Stress!

So sprechen selbst gestandene Trainerpersönlichkeiten von einem täglichen Überlebenskampf. Womit wir bei einem weiteren Schlüssel guter Führung wären: mit Druck umgehen können! »Stressbedingt haben wir einen der gefährlichsten Berufe. Als ich mir einst bei Borussia Dortmund erst einen Namen machen musste, dachte ich oft bei einer Niederlage, meine Existenz steht auf dem Spiel«, so Ottmar Hitzfeld, der oft vor den Spielen nachts wach lag und grübelte. »So viele Dinge, an die ich denken muss, welches Team stelle ich auf; du spielst Situationen durch, die im Spiel dann nie auftreten.«

Zweifellos: Der Trainerjob gehört zu den brisantesten, unsichersten und kurzlebigsten Jobs im professionellen Fußballzirkus. Ständig ist man abhängig, und zwar insbesondere von drei Mitspielern, die schnell zum Gegenspieler werden können: Funktionären, Spielern und Medien. Funktionäre nutzen Trainer gern als Sündenböcke, um von eigenen Fehlern in der Vereinsführung oder Einkaufspolitik abzulenken, Spieler, wenn sie von schlechten Leistungen ablenken wollen, und die Medien lieben einfach das Spiel rund um das ewige Trainerkarussell. Es ist ein Balanceakt, allen gerecht zu werden – und wird man heute noch umschwärmt, kann man morgen schon abgesägt worden sein.

So bedarf es also einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein sowie des Vertrauens in die eigenen Stärken und das eigene Tun, möchte man längerfristig im Profifußball überleben und immer widerstandsfähiger und belastbarer werden. Doch selbst so emotional abgeklärte Trainer wie Felix Magath sprechen von der Angst als ständigem Begleiter sowie von Abhängigkeiten. »Ich habe immer Angst, auch weil ich weiß, wie schnell sich in einer Mannschaft die Situation verändert. Man ist abhängig davon, was bei einem Spieler privat los ist. Wenn einen die Freundin verlässt, kriegen Sie das erst mit, wenn es den Spieler schon längst beschäftigt hat. Deswegen versäume ich nie ein Training, weil ich immer dabei sein muss, sehen muss, spüren muss, was mit der Mannschaft los ist.« Was auf weitere wichtige Schlüsselkompetenzen hindeutet: immer stark auftreten, ein Gespür für Spieler und Mannschaft entwickeln und möglichst schon im Vorfeld fühlen, was als nächstes passieren könnte.

Dieses Potenzial wiederum erkannte Bobby Robson, Trainer des FC Barcelona, in seinem damaligen Dolmetscher und späteren Assistenten José Mourinho: »Und er war nahe bei den Spielern, verstand ihre Psychologie, was seine herausragende Fähigkeit als Fußballlehrer war.« Schafft man es dann noch, aus einzelnen, hoch talentierten Individualisten eine echte Einheit zu formen, ist man auf einem guten Weg, auch längerfristig im kurzlebigen Fußballgeschäft bestehen zu können. In anderen Worten: die Fähigkeit, Menschen zu führen und Teams zu formen. Oder frei nach Dettmar Cramer, ehemaliger DFB- und Bundesligatrainer: »Der liebe Gott macht Spieler. Trainer machen Mannschaften.«

Und genau das ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe, hat man es doch des Öfteren mit echten Individualisten und Grenzgängern zu tun! Ein Beispiel: Eric Cantona, französischer Nationalspieler und Stürmerstar von Manchester United, der nicht nur durch einen Kung-Fu-Tritt gegen einen Fan während eines Spiels gegen Crystal Palace aus der Rolle fiel. In der Regel schaffte er es – zumindest auf seinen fußballerischen Stationen, ob bei Olympique Marseille oder Leeds United –, seinem Ruf gerecht zu werden und verbrannte Erde zu hinterlassen. Das bedeutete im Normalfall: sich mit anderen Spielern prügeln, Schiris den Ball an den Kopf werfen, dem Nationaltrainer das Trikot bei der Auswechslung vor die Füße pfeffern – das ganze Programm eben. Nicht ganz einfach, der hochtalentierte Stürmer, der auf der anderen Seite gern malte und abstrakte Kunst liebte. Ein Sonderling, gegensätzlich bis ambivalent, nicht zu packen, chronisch durchgeknallt.

Hier ist es die wahre Führungskunst, einen durchaus schwierigen Charakter teamfähig zu machen, ihn zu integrieren und ihm dennoch seine Freiheiten zu lassen – oder andererseits den Mitspielern den Sinn vor Augen zu führen, was es bringt, eben diesen einen Schritt mehr zu machen. Sir Alex Ferguson muss dieses Kunststück gelungen sein. Er zähmte den Widerspenstigen ein Stück weit und formte aus ihm einen Schlüsselspieler, die prägende Erscheinung von Manchester United der 1990er Jahre – kleinere Ausfälle, wie der erwähnte Kung-Fu-Tritt, bestätigen allerdings die Regel.

Vielleicht trifft auf den Schotten Alex Ferguson, der der Glasgower Working Class entstammte, sich zum erfolgreichsten Trainer Englands hocharbeitete und in 27 Jahren mit Manchester United sage und schreibe 38 Titel holte, folgender Spruch zu: »Am Umgang mit schwierigen Schülern erkennst du gute Lehrer.« Denn in jedem guten Trainer, jeder Führungspersönlichkeit sollte immer auch ein Stück weit ein kompetenter Lehrer stecken, oder besser gesagt ein guter Pädagoge und Psychologe – ein Menschenfreund.