Onyx Storm – Flammengeküsst - Rebecca Yarros - E-Book

Onyx Storm – Flammengeküsst E-Book

Rebecca Yarros

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Beschreibung

Die sehnsüchtig erwartete Fortsetzung von ›Fourth Wing‹ und ›Iron Flame‹ Bist du bereit, der Dunkelheit zu trotzen? Nach fast achtzehn Monaten am Basgiath War College weiß Violet, dass die Zeit für theoretische Übungen vorbei ist. Die Zeit für Unsicherheit ist vorbei. Denn der Krieg hat begonnen und mit Feinden sowohl innerhalb als auch außerhalb der Mauern ist es schwer, zu wissen, wem man vertrauen kann. Violet muss jenseits des Schutzzaubers in unbekannten Ländern nach Verbündeten suchen. Die Reise wird ihren Verstand, ihre Fähigkeiten und ihr Glück fordern, aber sie wird alles tun, um zu retten, was sie liebt: ihre Drachen, ihre Familie, ihre Heimat – und ihn. Selbst, wenn es bedeutet, ein Geheimnis zu bewahren, das alles zerstören könnte. Sie benötigen eine Armee. Sie benötigen Macht. Sie benötigen Magie. Und die eine Sache, die nur Violet finden kann: die Wahrheit.  Doch ein Sturm zieht auf … und nicht alle werden seinem Zorn standhalten können. Alle Bände der Flammengeküsst-Reihe: Band 1: Fourth Wing  Band 2: Iron Flame Band 3: Onyx Storm (erscheint am 21. Januar 2025, jetzt vorbestellen) Die Bände sind nicht unabhängig voneinander lesbar. »Rebecca Yarros hat großartige Drachen erschaffen! Stolz, schön und voll einzigartiger Magie.« Christopher Paolini »Eine Fantasy, wie man sie noch nie gelesen hat.« Jennifer L. Armentrout »Unwiderstehliches Abenteuer trifft epische Liebesgeschichte.« Tracy Wolff »Ein Buch, das mich den Schlaf gekostet hat. Ich konnte nicht aufhören!« Millie Bobby Brown

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Über das Buch

»Reiter fliehen nicht. Wir kämpfen.«

 

Nach fast achtzehn Monaten am Basgiath War College weiß Violet, dass die Zeit für theoretische Übungen vorbei ist. Die Zeit für Unsicherheit ist vorbei. Denn der Krieg hat begonnen und mit Feinden sowohl innerhalb als auch außerhalb der Mauern ist es schwer, zu wissen, wem man vertrauen kann.

Violet muss jenseits des Schutzzaubers in unbekannten Ländern nach Verbündeten suchen. Die Reise wird ihren Verstand, ihre Fähigkeiten und ihr Glück fordern, aber sie wird alles tun, um zu retten, was sie liebt: ihre Drachen, ihre Familie, ihre Heimat – und ihn.

Selbst, wenn es bedeutet, ein Geheimnis zu bewahren, das alles zerstören könnte.

Sie benötigen eine Armee. Sie benötigen Macht. Sie benötigen Magie. Und die eine Sache, die nur Violet finden kann: die Wahrheit.

Doch ein Sturm zieht auf … und nicht alle werden seinem Zorn standhalten können.

 

 

Von Rebecca Yarros ist bei dtv außerdem lieferbar:

Fourth Wing – Flammengeküsst (Band 1)

Iron Flame – Flammengeküsst (Band 2)

Weil ich an dich glaube – Great and Precious Things

Alles, was ich geben kann – The Last Letter

Rebecca Yarros

Onyx Storm

Flammengeküsst

Band 3

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von Michelle Gyo und Julia Schwenk

 

 

Für alle, die nicht zum Beliebtheits-Club gehören,

die beim Lesen unter dem Tisch erwischt werden,

die das Gefühl haben, nie eingeladen, berücksichtigt oder gesehen zu werden.

Ab in euer Flugleder. Unsere Drachen warten.

Anmerkung der Autorin

Onyx Storm – Flammengeküsst ist ein spannendes Fantasyabenteuer, das in dem brutalen und von Konkurrenz bestimmten Militärcollege für Drachenreiterinnen und -reiter spielt. Es kommen darin Elemente wie Krieg, Nahkampf, Blut, heftige Gewalttätigkeit, schwere Verletzungen, Verstümmelungen, Mord, Tod, sterbende Tiere, Rehabilitation nach Verletzungen, Trauer, Vergiftungen, Verbrennungen, lebensgefährliche Situationen, derbe Sprache und sexuelle Handlungen vor. Leserinnen und Leser, die solchen Inhalten gegenüber empfindlich sind, mögen dies bitte zur Kenntnis nehmen und sich wappnen, um dem Sturm zu trotzen …

 

 

Der folgende Text wurde von Jesinia Neilwart, Kuratorin des Quadranten der Schriftgelehrten am Basgiath War College, originalgetreu aus dem Navarrianischen in die moderne Sprache übertragen. Alle Ereignisse sind wahr und die Namen wurden beibehalten, um die Gefallenen und ihre Tapferkeit zu ehren. Möge Malek ihren Seelen gnädig sein.

Prolog

Basgiath und seinen Schutzzauber zu sichern, forderte einen hohen Preis, auch General Sorrengails Leben. Die Strategie muss angepasst werden. Eine Allianz mit Poromiel, und sei sie nur vorübergehend, ist im besten Interesse des Reichs.

WIEDERERLANGTE KORRESPONDENZ,

von General Augustine Melgren

an Seine Majestät King Tauri

Wo in Maleks Namen will er hin? Ich eile durch die Tunnel unter dem Quadranten, versuche, an ihm dranzubleiben, aber die Nacht ist das ultimative Schattenreich und Xaden verschmilzt nahtlos mit der Dunkelheit. Ohne die Verbindung unserer Drachen, die mich grob in seine Richtung führt, und das sporadische Verlöschen der Magielichter würde ich nicht einmal ahnen, dass er irgendwo vor mir ist.

Die Angst umklammert mich mit eisiger Faust und meine Schritte verlieren an Entschlossenheit. Heute Abend hatte er sich bedeckt gehalten, war von Bodhi und Garrick bewacht worden, während wir nach der Schlacht, die uns fast Basgiath gekostet hätte, auf Neuigkeiten zu Sawyers Verletzung warteten. Aber ich habe keinen Schimmer, was er da jetzt vorhat. Sollte jemand die matten erdbeerroten Ringe um seine Iris entdecken, wird man ihn festnehmen – und höchstwahrscheinlich hinrichten. Meinen Recherchen zufolge verblassen sie in diesem Stadium mit der Zeit, aber was könnte ihm so wichtig sein, dass er das Risiko eingeht, von jemandem gesehen zu werden, bevor das eintritt?

Die einzige logische Antwort jagt mir Schauder über den Rücken, die nichts mit der Kälte des Steinbodens zu tun haben, die durch meine Socken dringt. Mir war keine Zeit für Stiefel oder meine Rüstung geblieben, nachdem mich das Klick der sich schließenden Tür aus einem unruhigen Schlaf gerissen hatte.

»Keiner von beiden antwortet«, sagt Andarna und ich ziehe die Tür zur überdachten Brücke auf, gerade als ihr Gegenstück am anderen Ende mit einem leisen Schnippen ins Schloss fällt. War er das? »Sgaeyl ist immer noch … erbost und Tairn riecht nach Zorn und Kummer.«

Verständlich aus all den Gründen, mit denen ich mich einfach noch nicht beschäftigen kann, aber ungünstig.

»Soll ich Cuir oder Chradh fragen …«, setzt sie an.

»Nein. Die vier brauchen ihren Schlaf.« Ohne Zweifel werden wir ab den frühen Morgenstunden patrouillieren und nach verbliebenen Veneni suchen. Ich überquere die eisige Spanne der Brücke mit zunehmend unsicheren Schritten und zucke beim Blick aus den Fenstern zusammen. Vorhin war es warm genug für ein Gewitter, jetzt fällt Schnee wie ein dichter Vorhang und verbirgt die Schlucht, die den Quadranten von Basgiaths Hauptcampus trennt. Meine Brust zieht sich zusammen und eine neue Welle scheinbar endloser Tränen prickelt mir in den schmerzhaft geschwollenen Augen.

»Es ging ungefähr vor einer Stunde los«, sagt Andarna sanft.

Die Temperatur ist stetig gefallen in den Stunden nach … Denk nicht daran. Mein nächster Atemzug zittert und ich schiebe alles, womit ich nicht zurechtkomme, in Gedanken in eine feuerfeste Kiste und verstaue sie dann tief in mir.

Es ist zu spät, um Mom zu retten, aber ich lasse ganz sicher nicht zu, dass Xaden sich auch noch umbringt.

»Du darfst trauern«, ruft Andarna mir in Erinnerung, gerade als ich die Tür zum Heilerquadranten aufziehe und in den überfüllten Gang trete. Verwundete in jeglicher Uniformfarbe säumen die Wände des Steintunnels und Heiler eilen durch die Türen der Krankenstation ein und aus.

»Wenn ich mich in jedem Verlust suhle, habe ich für nichts anderes mehr Zeit.« Diese Lektion habe ich in den vergangenen achtzehn Monaten gelernt. Ich laufe an einer Reihe offensichtlich betäubter Infanteriekadetten vorbei und haste dann durch eine Erweiterung der Krankenstation, immer auf der Suche nach einem verdächtigen, dunkel-verschwommenen Fleck. Dieser Teil des Quadranten hat keinen Schaden abbekommen, stinkt aber trotzdem nach Schwefel und Asche.

»Möge deine Mutter in bester Erinnerung bleiben! Auf General Sorrengail, die Flamme von Basgiath!«, ruft ein Senior und der Knoten in meinem Magen zieht sich fester zusammen, während ich ohne Antwort weiterstürze.

Als ich mich der Ecke nähere und abbiege, sehe ich einen holpernden Herzschlag lang einen Fleck Dunkelheit an der rechten Wand, dann gelange ich an die Treppe zur Verhörkammer, vor der zwei erschöpfte Wachen stehen. Schatten gleiten die Stufen hinab.

Fuck. Normalerweise habe ich wirklich gerne recht, aber in diesem Fall hatte ich mir etwas anderes erhofft. Ich taste im Geiste nach Xaden, aber da ist nur eine dicke Mauer aus kühlem Onyx.

Ich muss an diesen Wachen vorbei. Was würde Mira tun?

»Sie hätte deinen Lieutenant längst erschlagen und wäre von ihrer Entscheidung überzeugt«, antwortet Andarna. »Deine Schwester ist eine ›Erst handeln, dann fragen‹-Reiterin.«

»Nicht hilfreich.« Das bisschen, was ich zum Abendessen hatte, droht einen neuerlichen Auftritt hinzulegen. Andarna hat recht. Mira wird Xaden umbringen, wenn sie herausfindet, dass er aus der Erde kanalisiert hat, ungeachtet der Umstände. Aber Überzeugung? Keine schlechte Idee. Ich kratze jedes Fünkchen Arroganz zusammen, das ich aufbringen oder vortäuschen kann, straffe die Schultern, hebe das Kinn und gehe auf die Wachen zu, wobei ich bete, dass ich sicherer wirke, als ich mich fühle. »Ich will den Gefangenen sprechen.«

Die beiden Männer tauschen einen Blick, dann räuspert sich der größere links von mir. »Wir unterstehen Melgrens Befehl, niemanden durchzulassen.«

»Sag mir …« Ich neige den Kopf zur Seite und verschränke die Arme vor der Brust, als wäre ich mit jedem Dolch aus meinem Besitz bewaffnet – oder als hätte ich wenigstens Schuhe an. »… wenn der Mann, der direkt für den Tod deiner Mutter verantwortlich ist, nur einen Treppenabsatz entfernt wäre, was würdest du dann tun?«

Der kleinere sieht zu Boden und enthüllt dabei einen Schnitt unter seinem Ohr.

»Befehl …«, setzt der Größere wieder an und sieht auf die Spitzen meines vom Schlaf gelockerten Zopfs.

»Er ist hinter einer verriegelten Tür«, unterbreche ich ihn. »Ich bitte dich nur, für fünf Minuten woanders hinzusehen, nicht, mir den Schlüssel auszuhändigen.« Ich sehe zum Schlüsselbund, der an seinem blutbefleckten Gürtel hängt. »Wäre es deine Mutter gewesen und sie hätte das gesamte Verteidigungssystem des Königreichs mit ihrem Leben gesichert, dann würde ich dir den gleichen Dienst erweisen, das verspreche ich dir.«

Der große wird blass.

»Goverson«, flüstert der kleine. »Sie ist die Blitzbeschwörerin.«

Goverson brummt unzufrieden und krümmt die Finger an den Seiten. »Zehn Minuten«, sagt er. »Fünf für deine Mutter und fünf für dich. Wir wissen, wer uns heute gerettet hat.« Er nickt zur Treppe.

Doch er weiß es nicht. Keiner von ihnen weiß um das Opfer, das Xaden gebracht hat, um den Lehrmeister zu töten … ihren General.

»Danke.« Mit wackligen Knien steuere ich die Treppe an und ignoriere den durchdringenden Geruch nach nasser Erde, der an den Rändern meiner Fassung kratzt. »Ich kann nicht glauben, dass er hier unten ist.«

»Er will vermutlich Informationen«, bemerkt Andarna. »Ich kann ihm nicht verdenken, dass er herausfinden will, was er ist.« Die Sehnsucht in ihrer Stimme erschreckt mich gleich auf mehreren Ebenen.

»Er ist kein seelenloser Veneni. Er ist immer noch Xaden. Mein Xaden«, blaffe ich und klammere mich an das Einzige, dessen ich mir sicher bin, während ich leise die Stufen hinablaufe.

»Du weißt, was das Kanalisieren aus der Erde bewirkt«, ermahnt sie mich.

Wissen? Ja. Akzeptieren? Auf keinen Fall. »Hätte er sich vollständig verloren, hätte er mich heute Nacht ausgesaugt, spätestens während ich geschlafen habe. Stattdessen hat er für unsere Sicherheit gesorgt und seine Entdeckung riskiert, um stundenlang an meiner Seite zu sitzen. Er hat ein einziges Mal aus der Erde kanalisiert. Wir bekommen das mit Sicherheit wieder hin, wo auch immer seine Seele … vielleicht einen Riss bekommen hat.« Das ist das einzige Zugeständnis, das ich mir abringen kann. »Tairns Meinung dazu kenne ich schon und die Möglichkeit, mich vielleicht gegen euch beide durchsetzen zu müssen, ist anstrengend, also steh um Amaris willen bitte auf meiner Seite.«

Das Band zwischen uns schimmert. »Alles klar.«

»Wirklich?« Ich verharre auf einer Stufe und lege die Hand an die Wand, um mich abzustützen.

»Ich bin ein genauso unbekanntes Wesen wie er und du vertraust mir dennoch«, sagt sie. »Ich werde keine weitere Schlacht sein, die du schlagen musst.«

Den Göttern sei Dank. Ihre Worte dringen mir bis ins Mark und ich lasse den Kopf vor Erleichterung sinken. Erst in dem Augenblick, in dem sie das sagte, habe ich bemerkt, wie dringend ich das gebraucht habe. »Danke. Und du hast zwar jedes Recht zu erfahren, woher du kommst, ich habe jedoch keinen Zweifel daran, wer du bist.« Ich setze mich wieder in Bewegung, jetzt mit sicherem Schritt. »Du allein solltest die Entscheidung treffen, deine Familie zu suchen, und ich mache mir Sorgen, dass Melgren …«

»Ich habe die Veneni in der Schlacht verbrannt«, unterbricht sie mich mit einem Strom aus Worten, die ineinanderfließen.

»Das … stimmt.« Ich runzle die Stirn und laufe weiter die Wendeltreppe zu den Verhörzellen hinab. Ihr Auftauchen und die seltsame Verschiebung ihrer Schuppen hatten mich zu sehr schockiert, um an die brennende dunkle Magierin zu denken. Soweit ich weiß, haben wir bisher nie einen von ihnen in Brand gesetzt. Und Tairn hatte auch nichts dazu gesagt.

»Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht. Magie fühlt sich anders an, wenn ich die Farbe wechsle. Vielleicht hat der Einsatz meiner Macht in diesem Moment die Veneni verändert, sie so geschwächt, dass sie in Flammen aufgehen konnte.« Andarna redet etwas langsamer, um die Worte deutlich auszusprechen, aber nicht viel.

»Das könnte … alles verändern.« Dumpfe Stimmen erklingen unter mir und ich beschleunige meine Schritte. »Das müssen wir uns später unbedingt genauer ansehen.« Nicht, dass ich bereit wäre, Andarna aufs Spiel zu setzen, indem ich herausposaune, dass sie vielleicht unsere neueste Waffe sein könnte. Ganz besonders nicht, wenn schon das Gerücht über ein mögliches Bündnis mit Poromiel umgeht. Was könnte schlimmer sein als eine Führung, die Andarna in Gefahr bringt? Die gesamte Führungsriege des Kontinents, die sie in Gefahr bringen will.

»Wehr dich ruhig, so viel du willst, aber diese Macht, die durch ihre Adern strömt?«, höhnt Jack, dessen Worte deutlicher werden, je näher ich den letzten paar Windungen komme. »Die hohen Tiere wollen sie aus gutem Grund. Ein kleiner brüderlicher Rat? Mach mit und such dir jemand anderen zum Vögeln. Deine berüchtigte Selbstbeherrschung braucht in ihrer Gegenwart nur ein kleines bisschen zu schwächeln …«

»Das würde ich niemals tun«, gibt Xaden mit tödlich kalter Stimme zurück.

Mein Herz schlägt jetzt doppelt so schnell und ich halte vor der letzten Windung der Treppe inne, um außer Sichtweite zu bleiben. Jack redet über mich.

»Selbst du darfst nicht entscheiden, welche Teile von uns zuerst dran glauben müssen, Riorson.« Jack lacht. »Aber wo wir gerade von persönlicher Erfahrung reden, Selbstbeherrschung ist gleich am Anfang mit dabei. Sieh dich nur an, frisch genährt von der Quelle und schon hier unten, verzweifelt auf der Suche nach Heilung. Irgendwann machst du einen Fehler und dann … Tja, dann wird dieses Silberhaar, in das du so vernarrt bist, genauso grau sein wie der Rest von ihr und diese erbärmlich blassen Ringe eines Junggeweihten in deinen Augen glimmen dann nicht bloß ein paar Tage – die bleiben.«

»Das wird nicht passieren.« Xaden presst jedes Wort hervor.

»Du könntest sie ihnen selbst ausliefern.« Ketten rasseln. »Oder du lässt mich raus und wir machen das zusammen. Wer weiß, vielleicht lassen sie sie ja am Leben, um dich an der Leine zu halten, bis du zum Asim wirst und sie vergisst.«

»Fick dich.«

Unwillkürlich balle ich die Hände zu Fäusten. Jack weiß, dass Xaden kanalisiert hat. Er wird es beim erstbesten Verhör ausplaudern und dann wird Xaden verhaftet. In meinem Kopf herrscht Chaos, während die beiden nur wenige Meter von mir entfernt streiten, aber ihre Worte verschwimmen im Strudel meiner Gedanken. Götter, ich könnte Xaden verlieren, genauso wie …

Das kann ich nicht. Das werde ich nicht. Ich lasse nicht zu, dass ich ihn verliere, dass er sich selbst verliert.

Angst flackert in mir auf und ich lösche sie aus, nehme ihr die Luft zum Atmen, zum Wachsen. Stärker als die Macht, die in mir tobt, ist nur meine Entschlossenheit, die mir das Rückgrat stärkt.

Xaden ist mein. Mein Herz, meine Seele, mein Ein und Alles. Er hat aus der Erde kanalisiert, um mich zu retten, und ich werde die Welt durchkämmen, bis ich eine Möglichkeit finde, ihn ebenso zu retten. Selbst wenn es bedeutet, dass ich mit Tecarus verhandeln muss, damit ich Zugang zu jedem Buch auf dem verdammten Kontinent erhalte, oder einen dunklen Magier nach dem anderen einzufangen und auszuhorchen. Ich finde ein Heilmittel.

»Wir finden ein Heilmittel«, verspricht Andarna. »Wir nehmen uns zuerst alle Mittel vor, die uns hier zur Verfügung stehen, doch wenn ich richtigliege und diese Veneni bei meinem Schuppenwechsel unbeabsichtigt verändert habe, dann sollten die anderen meiner Art wissen, wie man diese Taktik meistert. Wie man ihn verändert. Ihn heilt.«

Mir stockt der Atem angesichts dieser Möglichkeit … und was sie kosten würde. »Selbst wenn du recht hast, werde ich nicht dich nutzen, um …«

»Ich will meine Familie finden. Wir beide wissen, dass der Befehl, auf die Suche nach meiner Art zu gehen, unvermeidlich kommen wird, da eure Führung jetzt weiß, was ich bin. Lass es uns zu unseren eigenen Bedingungen und zu unserem eigenen Zweck tun.« Ihr Tonfall wird deutlich schärfer. »Lass uns jeden möglichen Pfad zu einem Heilmittel verfolgen.«

Ich könnte ihr nicht mehr zustimmen. »Das erfordert vielleicht ein paar Verstöße gegen das Gesetz.«

»Drachen unterstehen nicht den Gesetzen der Menschen«, entgegnet sie in einem Ton, der mich an Tairn erinnert. »Und als meine Gebundene, als Tairns Reiterin, gehorchst auch du ihnen nicht mehr.«

»Rebellische Teenagerin«, murmle ich und entwerfe gleich ein halbes Dutzend Pläne, von denen vielleicht die Hälfte funktionieren könnte. Selbst als ihre Reiterin gibt es dennoch einige Verbrechen, die meine Hinrichtung verlangen würden … sowie von allen, denen ich mich damit anvertraue. Ich nicke vor mich hin und akzeptiere das Risiko, zumindest für mich selbst.

»Du musst wieder Geheimnisse wahren«, mahnt Andarna.

»Nur die, die Xaden schützen.« Was erst einmal bedeutet, Jack daran zu hindern, diese Unterhaltung irgendwem zu verraten. Und zwar ohne ihn zu töten, da wir uns die Jagd, die der Tod unseres einzigen Gefangenen auslösen würde, nicht leisten können.

»Bist du sicher; soll ich nicht doch Cuir oder Chradh fragen …«

»Nein.« Ich setze mich wieder in Bewegung, gehe die restlichen Stufen hinab. Es gibt nur eine andere Person außer Bodhi und Garrick, der ich vertrauen kann, in Xadens bestem Interesse zu handeln, nur eine andere Person, die die ganze Wahrheit erfahren darf. »Sag Glane, ich brauche Imogen.«

1

Ich werde heute nicht sterben.

Ich werde ihn retten.

Violet Sorrengails persönlicher Nachtrag

zum BUCH VON BRENNAN

 

Zwei Wochen später

Im Januar zu fliegen, sollte als Verstoß gegen den Kodex gelten. Im tosenden Sturm und mit dauerhaft beschlagener Flugbrille sehe ich einen Scheiß, als wir durch das wilde Schneegestöber über den Bergen nahe Basgiath fegen. Ich hoffe, dass es nicht mehr viel schlimmer wird, und packe mit meinen behandschuhten Händen die beiden Knäufe meines Sattels fester.

»Heute zu sterben, wäre unpraktisch«, sage ich über das Band in meinem Geist, das mich mit Tairn und Andarna verbindet. »Es sei denn, du willst mich am Nachmittag vom Senarium fernhalten?« Über eine Woche habe ich auf den als Einladung getarnten Befehl vom Rat des Königs gewartet, doch dieser Verzug ist verständlich, da es der vierte Tag der ersten Friedensgespräche der bekannten Geschichte ist, die auf dem Campus stattfinden. Poromiel hat verlauten lassen, seine Repräsentanten am siebten Tag abzuziehen, falls keine Einigung erzielt werden kann, und es sieht nicht gut aus. Ich hoffe nur, dass sie in passabler Laune sind, wenn ich ankomme.

»Du möchtest zu deiner Besprechung? Dann fall diesmal nicht runter«, gibt Tairn zurück.

»Zum letzten Mal, ich bin nicht runtergefallen«, entgegne ich. »Ich bin runtergesprungen, um Sawyer zu helfen …«

»Erinnere mich nicht daran.«

»Ihr könnt mich nicht immer von den Patrouillen ausschließen«, unterbricht uns Andarna aus der Wärme und dem Schutz des Vale heraus.

»Es ist nicht sicher«, erinnert Tairn sie zum wohl hundertsten Mal. »Vom Wetter mal ganz abgesehen sind wir auf der Jagd nach dunklen Magiern und machen hier keinen Vergnügungsflug.«

»Du solltest in dem Sturm nicht fliegen«, stimme ich zu und sehe mich nach Ridoc und Aotrom um, aber mich umschließen nur weiße Mauern. Meine Brust zieht sich zusammen. Wie sollen wir das Gelände oder unsere Staffelkameraden in diesem Chaos erkennen, von einem dunklen Magier Hunderte Schritte unter uns ganz zu schweigen? Ich kann mich an keine brutaleren Stürme erinnern als die, die in den letzten zwei Wochen gegen das War College brandeten, aber ohne …

Mom. Die Trauer schlägt ihre rasiermesserscharfen Klauen in meine Brust und ich hebe das Gesicht, um den stechenden Biss des Schnees auf meinen Wangenknochen zu spüren, konzentriere mich auf irgendetwas anderes, um weiteratmen, weitermachen zu können. Ich trauere später, immer später.

»Es ist nur eine kurze Patrouille«, jammert Andarna und reißt mich damit aus meinen Gedanken. »Ich brauche die Übung. Wer weiß, welches Wetter wir auf der Suche nach meiner Art haben?«

»Kurze Patrouillen« haben sich schon oft genug als lebensgefährlich erwiesen und ich suche nicht nach Anlässen, Andarnas Feuertheorie auf die Probe zu stellen. Die Macht der dunklen Magier ist innerhalb des Schutzzaubers vielleicht begrenzt, aber dennoch sind sie tödliche Kämpfer. Die, die nach der Schlacht nicht entkommen sind, haben das Überraschungsmoment genutzt, um der Gefallenenliste noch weitere Namen hinzuzufügen. Das Erste Geschwader, das Dritte und unser Klauenschwarm haben dabei Verluste erlitten.

»Dann üb du lieber mal, ausreichend Magie zu verteilen, um all deine Extremitäten während des Flugs warm zu halten, denn deine Flügel können die Last des Eises nicht tragen«, knurrt Tairn in den herabfallenden Schnee.

»Deine Flügel können die Last des Eises nicht tragen«, verhöhnt Andarna ihn unverfroren. »Und doch tragen deine wundersamerweise die Last deines Egos.«

»Such dir ein Schaf und überlass die Arbeit den Erwachsenen.« Unter mir bewegen sich Tairns Muskeln in einem mir vertrauten Muster und ich beuge mich vor, so weit der Sattel es mir erlaubt, um mich für einen Sturzflug bereit zu machen.

Mein Magen schlingert mir in die Kehle, als seine Flügel sich mit einem Schnappen schließen und wir fallen, den Sturm durchpflügen. Der Wind zerrt an meiner Winterflugmütze und der Ledergurt meines Sattels beißt mir in die eisigen Oberschenkel, während ich zu Zihnal bete, dass unter uns kein Berggipfel auftaucht.

Tairn legt sich wieder in die Waagerechte und mein Magen beruhigt sich. Ich ziehe die Flugbrille auf die Stirn und blinzle, sehe dann nach rechts. Durch den Abfall der Flughöhe hat der Sturm nachgelassen und meine Sicht hat sich so weit verbessert, dass ich die felsige Kammlinie über dem Flugfeld erkenne.

»Sieht frei aus.« Mir steigen Tränen in die Augen bei dem Ansturm aus Wind und Schnee, der sich eher wie winzige Eissplitter statt nach Flocken anfühlt. Ich reinige meine Linsen mit den Wildlederspitzen meiner Handschuhe, bevor ich sie mir wieder über die Augen ziehe.

»Denke ich auch. Sobald wir das auch von Feirge und Cruth hören, beenden wir das heutige Unterfangen«, grummelt er.

»Bei dir klingt das, als wären drei Tage in Folge ohne Feindkontakt schlecht.« Vielleicht haben wir sie wirklich alle erwischt und getötet. Wir Kadetten haben einunddreißig Veneni in der Umgebung von Basgiath erledigt, während unsere Professoren den Rest der Provinz säubern. Es wären zweiunddreißig, wenn jemand den Verdacht hegte, dass einer unter uns lebt – selbst wenn man ihm siebzehn der toten Veneni anrechnen kann.

»Die Stille beruhigt mich nicht …« Der Wind peitscht mit einem Knall über uns hinweg und Tairns Kopf ruckt hoch. Meiner folgt gleich darauf.

Oh nein.

Nicht Wind. Flügel.

Aotroms Klauen füllen mein Sichtfeld aus und mein Herz wird von Panik gepackt. Er fällt aus dem Sturm heraus direkt auf uns herab.

»Tairn!«, schreie ich, doch er rollt sich bereits nach links und ändert die Richtung.

Die Welt dreht sich, Himmel und Erde tauschen zweimal in übelkeiterregendem Tanz den Platz, bevor Tairn mit einem erschütternden Knall die Flügel auseinanderreißt. Die Bewegung bringt die zentimeterdicke Eisschicht auf den vorderen Flügelrippen zum Bersten und sie fällt in großen Brocken herab.

Ich atme einmal tief, aber bebend durch, als Tairn unter größter Anstrengung mit den Flügeln schlägt und innerhalb von Sekunden Hunderte Schritt an Höhe gewinnt, um direkt auf den Braunen Schwertschwanz zuzuhalten, der Ridoc gebunden hat.

Zorn versengt mir die Luft in der Lunge, als Tairns Emotionen mich einen Herzschlag lang durchfluten, bevor ich meinen mentalen Schutzschild hochziehen und so das Schlimmste abfangen kann, das durch unsere Verbindung hereinströmt.

»Nicht!«, schreie ich in den Wind, als wir links von Aotrom aufsteigen, aber wie immer tut Tairn, was er will, und schnappt anscheinend nur Zentimeter vor Aotroms Kopf die Kiefer zusammen. »Das war offensichtlich ein Versehen!« Eins, das normalerweise zu vermeiden wäre, wenn Drachen miteinander kommunizierten.

Der kleinere Braune Schwertschwanz kreischt, als Tairn seine Warnung noch einmal wiederholt, dann entblößt Aotrom in einer Geste der Unterwerfung die Kehle.

Ridoc sieht durch die Wand aus Schnee zu mir und wirft die Hände in die Luft, aber ich bezweifle, dass er mein entschuldigendes Schulterzucken sieht, bevor Aotrom sich abfallen lässt und gen Süden auf das Flugfeld zuhält.

Schätze, Feirge und Rhi sind angekommen.

»War das wirklich nötig?« Ich lasse meinen Schutzschild sinken und die Verbindung zu Tairn und Andarna ist wieder in voller Stärke zurück, doch das schimmernde Band, das zu Xaden führt, ist immer noch blockiert und zu einem Echo seiner eigentlichen Präsenz verklungen. Der Verlust unserer ständigen Verbindung nervt, aber er traut sich selbst – oder dem, was er zu werden glaubt – nicht genug, um sie offen zu halten.

»Ja«, antwortet Tairn und erklärt das einzelne Wort damit als ausreichend.

»Du bist fast doppelt so groß wie er und es war offensichtlich ein Versehen«, wiederhole ich, während wir zügig zum Flugfeld hinabsinken. Der Schnee in der Schlucht ist durch die Patrouillen, die die Juniors und Seniors ständig fliegen, zu matschigen Pfaden zertrampelt.

»Es war fahrlässig und ein zweiundzwanzigjähriger Drache sollte es besser wissen, als sich von seiner Schar abzuschotten, nur weil er sich mit seinem Reiter streitet«,grollt Tairn, aber seine Wut schwächt sich zu einem leisen Köcheln ab, als Aotrom neben Rhis Grünem Dolchschwanz Feirge landet.

Tairns Klauen prallen links von Aotrom auf dem gefrorenen Boden auf und die abrupte Landung schwingt in jedem meiner Knochen nach wie ein Glockenschlag. Schmerz explodiert in meiner Wirbelsäule und mein unterer Rücken bekommt die volle Wucht ab. Ich atme durch den schlimmsten Schmerz hindurch, akzeptiere den Rest und mache weiter. »Na, das war elegant.« Ich zerre mir die Flugbrille auf die Stirn.

»Nächstes Mal fliegst du.« Er schüttelt sich wie ein nasser Hund und ich halte mir die Hände vors Gesicht, weil Eis und Schnee von seinen Schuppen fliegen.

Als er wieder stillhält, ziehe ich am Ledergurt meines Sattels, aber die Schnalle verfängt sich an den gezackten, beschissen ausgeführten Nähten, mit denen ich ihn nach der Schlacht geflickt habe, und eine reißt. »Verdammt. Das wäre nicht passiert, wenn du das Xaden hättest machen lassen.« Ich zwinge meinen Körper aus dem Sattel, ignoriere den stechenden Protest meiner von der Kälte verkrampften Glieder und laufe dann vorsichtig über das eisige Muster aus Stacheln und Schuppen, das ich so gut kenne wie meine eigene Hand.

»Der Dunkle hat ihn aber nicht zerschnitten«, erwidert Tairn.

»Nenn ihn nicht so.« Meine Knie geben nach und ich strecke hastig die Arme aus, um die Balance zu halten, und verfluche meine Gelenke, als ich Tairns Schulter erreiche. Nach einer Stunde im Sattel bei diesen Temperaturen ist ein angepisstes Knie gar nichts; ich habe Glück, dass meine Hüften noch funktionieren.

»Hör auf, die Wahrheit zu leugnen.« Tairn legt Gewicht in jedes Wort dieses vernichtenden Urteils, während ich einer Eisplatte ausweiche und mich zum Absteigen bereit mache. »Seine Seele ist nicht länger die seine.«

»Das ist etwas überdramatisch.« Auf diese Diskussion lasse ich mich nicht wieder ein. »Seine Augen sind wieder normal …«

»Nach einer solchen Macht wird man süchtig. Das weißt du, sonst würdest du dich nachts nicht schlafend stellen.« Er dreht den Kopf auf eine Art und Weise, die mich an eine Schlange erinnert, und richtet seinen gold-finsteren Blick auf mich.

»Ich schlafe.« Das ist nicht direkt gelogen, aber es ist definitiv an der Zeit, das Thema zu wechseln. »Hast du mich meinen Sattel flicken lassen, um mir eine Lektion zu erteilen?« Mein Hintern protestiert bei jeder Schuppe an Tairns Bein, als ich daran herunterrutsche und in frischem, dreißig Zentimeter hohem Schnee lande. »Oder weil du Xaden auch in Bezug auf meine Ausrüstung nicht mehr traust?«

»Ja.« Tairn hebt den Kopf hoch über meinen und bläst einen Feuersturm über seinen Flügel, um das restliche Eis zu schmelzen. Ich wende mich von der Hitzewelle ab, die in schmerzhaftem Kontrast zu meiner Körpertemperatur steht.

»Tairn …« Mühsam suche ich nach Worten und sehe wieder zu ihm auf. »Ich muss vor diesem Treffen wissen, wo du stehst. Zustimmung des Empyrean hin oder her, ich kann nichts hiervon ohne dich tun.«

»Du fragst also, ob ich die ungezählten Methoden gutheißen werde, mit denen du den Tod im Namen der Heilung desjenigen hofieren willst, der jenseits jeglicher Rettung ist?« Sein Kopf schlängelt sich erneut in meine Richtung.

Spannung knistert über Andarnas Verbindung.

»Er ist nicht …« Ich unterbreche auch diese Debatte, denn der Rest ist stichhaltig. »Im Grunde genommen, ja.«

Er grollt tief in der Brust. »Ich fliege, ohne meine Flügel warm zu halten, um mich darauf vorzubereiten, ein größeres Gewicht über eine längere Distanz zu tragen. Beantwortet das deine Frage nicht?«

Also Andarna. Erleichterung rauscht mir in einem raschen Atemzug über die Lippen. »Danke.«

Dampf entströmt in wallenden Wolken seinen Nüstern. »Aber verwechsle meine unerschütterliche Unterstützung von dir, meiner Gefährtin und Andarna nicht mit irgendeiner Form des Glaubens an ihn.« Tairn hebt den Kopf und beendet diese Unterhaltung damit.

»Ist angekommen.« In diesem Sinne schleppe ich mich in Richtung des Trampelpfads, wo Rhi und Quinn warten. Ridoc macht einen großen Bogen um Tairn und läuft rechts neben mir her. Meine fast tauben Finger in den Handschuhen tasten nach den drei Knöpfen an der Seite meiner Winterflugmütze und der pelzgefütterte Stoff fällt von meiner Nase und meinem Mund herab, als ich endlich an sie herankomme. »Alles gut auf eurer Route?«

Rhi und Quinn sehen durchgefroren, aber unverletzt aus, den Göttern sei Dank.

»Noch immer … beunruhigend eintönig. Wir haben nichts Besorgniserregendes gesehen. Die Wyvernbrandgrube ist auch bloß Asche und Knochen.« Rhi pflückt einen Schneeklumpen vom Futter ihrer Kapuze, dann zieht sie sie wieder über ihre schulterlangen schwarzen Zöpfe.

»Wir haben in den letzten zehn Minuten einen Scheiß gesehen, Punkt.« Ridoc fährt sich mit der behandschuhten Hand in die Haare und Schneeflocken gleiten über seine braunen Wangen hinab, ohne zu schmelzen.

»Wenigstens bist du ein Eisbeschwörer.« Ich deute auf sein ätzend flockenfreies Gesicht.

Quinn fasst ihre blonden Locken zu einem losen Knoten zusammen. »Deine Magie könnte auch dabei helfen, dich warm zu halten.«

»Das riskiere ich nicht, wenn ich nicht sehe, was ich dabei vielleicht erwische.« Besonders, da ich meinen einzigen Konduit in der Schlacht verloren habe. Ich werfe Ridoc einen Blick zu, als hinter ihm eine Reihe Drachen aus dem Schwingenschwarm unseres Geschwaders zur Patrouille in die Luft steigt. »Worüber hast du dich überhaupt mit Aotrom gestritten?«

»Es tut mir leid.« Ridoc verzieht das Gesicht und senkt die Stimme. »Er will nach Hause – zurück nach Aretia. Er sagt, wir können die Suche nach der siebten Rasse von dort aus beginnen.«

Rhi nickt und Quinn presst die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen.

»Ja, das verstehe ich«, sage ich – diese Ansicht ist in unserer Schar recht verbreitet. Wir sind hier nicht gerade willkommen. Die Einigkeit zwischen navarrianischen und aretianischen Reitern ist nach dem Ende der Schlacht innerhalb von Stunden zerfallen. »Doch der einzige Weg zu einem Bündnis zum Schutz der poromischen Zivilisten erfordert, dass wir hier sind. Wenigstens im Moment.«

Ganz zu schweigen davon, dass Xaden darauf beharrt, dass wir bleiben.

»Er bleibt, weil Navarres Schutzzauber dich vor ihm schützt.« Tairn stößt einen weiteren Feuerschwall aus, als ich ihn ignoriere, und erhitzt seinen linken Flügel, dann geht er kurz in die Knie, bevor er sich den anderen anschließt und in den Himmel aufsteigt.

Der Hof ist beinahe leer, als wir durch den Tunnel kommen, der unter der Kammlinie verläuft, die ihn vom Übungsfeld trennt. Vor uns bedeckt Schnee den Schlaftrakt, die Rotunde in der Mitte, die die Gebäude des Quadranten miteinander verbindet, und alles außer dem südlichsten Dach des Lehrtrakts links, wo Maleks Feuer hell auf dem höchsten Turm brennt und die Habseligkeiten unserer Toten verschlingt, so wie er es verlangt.

Vielleicht verflucht mich der Gott des Todes, weil ich die persönlichen Tagebücher meiner Mutter behalten habe, aber es ist auch nicht so, als hätte ich nicht ein paar gewählte Worte für ihn parat, falls wir uns begegnen sollten.

»Bericht«, befiehlt Aura Beinhaven von dem Podium zu unserer Linken, auf dem sie zusammen mit Ewan Faber steht – dem stämmigen, missmutig dreinblickenden Geschwaderführer von dem kläglichen Rest, der von Navarres Viertem Geschwader übrig ist.

»Oh, schön, ihr seid alle zurückgekommen.« Ewans Stimme trieft vor Sarkasmus und er verschränkt die Arme, während ihm der Schnee auf die breiten Schultern fällt. »Wir haben uns solche Sorgen gemacht.«

»Der Depp war gerade mal Staffelführer bei den Klauen, als wir gegangen sind«, murmelt Ridoc.

»Heute Morgen nichts«, erwidert Rhiannon und Aura nickt, lässt sich aber nicht dazu herab, etwas zu sagen. »Irgendwas Neues von der Front?«

Mein Magen verknotet sich. Dieser Mangel an Informationen macht mich fertig.

»Nichts, das ich bereit wäre, einem Haufen Deserteure zu erzählen«, antwortet Aura.

Sie kann mich mal.

»Ein Haufen Deserteure, die euren Arsch gerettet haben!« Quinn zeigt ihnen im Vorbeigehen den Mittelfinger, während unsere Stiefel auf dem schneebedeckten Kies knirschen. »Navarrianische Reiter, aretianische Reiter … so geht das nicht«, sagt sie leise zu uns. »Wenn sie uns schon nicht akzeptieren wollen, haben die Flieger keine Chance.«

Ich nicke. Mira arbeitet an diesem Problem – nicht, dass die Führung Bescheid wüsste oder erlauben wird, dass wir ihre Erkenntnisse einsetzen, selbst wenn es die Verhandlungen retten könnte. Aufgeblasene Arschlöcher.

»Devera und Kaori sollten bald zurück sein. Sie werden eine Befehlskette einsetzen, sobald die Adligen ein Abkommen unterzeichnen, in dem man uns hoffentlich für unseren Abgang begnadigt.« Rhi legt den Kopf schief, als Imogen aus der Rotunde vor uns tritt. Ihr pinkes Haar umspielt ihre Wangenknochen, während sie die Steinstufen herabsteigt. »Cardulo, du hast die Patrouille verpasst.«

»Lieutenant Tavis hat mich woanders eingeteilt«, erklärt Imogen, ohne zu zögern, und kommt auf uns zu. Ihr Blick zuckt zu mir. »Sorrengail, auf ein Wort.«

Ich nicke. Sie hatte Xaden-Dienst.

»Sieh zu, dass du morgen anwesend bist.« Rhi läuft mit den anderen beiden an Imogen vorbei, dann hält sie auf halbem Weg die Treppe hinauf inne und blickt über die Schulter zurück, während der Rest hineingeht. »Moment. Soll Mira nicht heute zurückkommen?«

»Morgen.« Die Nervosität schlingt eine hübsche kleine Schleife um meine Kehle und zerrt daran. Es ist eine Sache, einen Plan zu schmieden, und eine ganz andere, ihn auszuführen, besonders wenn die, die ich liebe, dadurch zu Verrätern werden könnten … schon wieder.

»Jeder mögliche Pfad«, ruft Andarna mir in Erinnerung.

»Jeder mögliche Pfad«, wiederhole ich wie ein Mantra und straffe die Schultern.

»Gut.« Langsam breitet sich ein Lächeln auf Rhis Gesicht aus. »Wir sind auf der Krankenstation, wenn ihr fertig seid«, verspricht sie und läuft dann die verbleibenden Stufen zur Rotunde hinauf.

»Du hast den Juniors erzählt, was Mira vorhat?«, flüstert Imogen mit scharfem Vorwurf in der Stimme.

»Nur den Reitern«, gebe ich genauso leise zurück. »Wenn wir erwischt werden, ist es Hochverrat, aber wenn die Flieger das machen …«

»Bedeutet es Krieg«, beendet Imogen den Satz.

»Ridoc, hast du die Tür zugefroren?«, ruft Rhi vom oberen Treppenabsatz und zerrt mit ganzem Körpereinsatz am Türgriff der Rotunde, bevor sie durch das Gegenstück links marschiert. »Komm zurück und mach das weg, sofort!«

»Klar. Ihnen das zu erzählen, war eine hervorragende Entscheidung.« Imogen reibt sich den Nasenrücken, während Ridoc in der Rotunde hysterisch loslacht. »Ihr vier seid verfluchte Quälgeister. Es wird ein Wunder sein, wenn wir das alles hinkriegen, ohne dabei hingerichtet zu werden.«

»Du musst nicht mitmachen.« Ich starre sie auf eine Art nieder, die ich mir vor achtzehn Monaten noch nicht einmal erträumt hätte. »Ich mache es mit oder ohne deine Hilfe.«

»Wir sind aber heute bissig, was?« Einer ihrer Mundwinkel wandert nach oben. »Entspann dich. Solange Mira einen Plan hat, bin ich natürlich dabei.«

»Sie weiß nicht, wie man versagt.«

»Das sehe ich genauso.« Schnee fegt uns über die Gesichter und Imogens Blick verhärtet sich. »Aber bitte sag, dass du unserem verheerenden Vierertrupp nicht alles darüber erzählt hast, wieso wir das machen.«

»Natürlich nicht.« Ich schiebe die behandschuhten Finger in die Tasche. »Er ist immer noch sauer auf mich, weil ich dir dieses Wissen ›aufgeladen‹ habe.«

»Dann sollte er keinen so dämlichen Scheiß mehr machen, den man vertuschen muss.« Sie reibt in der Kälte die Hände aneinander und folgt mir die Stufen hinauf. »Hör mal, ich wollte dich allein sprechen, weil Garrick, Bodhi und ich geredet haben …«

»Ohne mich?« Mein Rückgrat versteift sich.

»Über dich«, stellt sie ungerührt klar.

»Noch besser.« Ich strecke die Hand nach der Tür aus.

»Wir haben entschieden, dass du deine Schlafgelegenheit überdenken solltest.«

Ich packe die Klinke fester und ziehe kurz in Betracht, ihr die Tür vor die Nase zu knallen. »Ich habe entschieden, dass ihr euch alle mal kreuzweise könnt. Ich renne nicht vor ihm davon. Selbst in den Momenten, in denen er die Kontrolle verloren hat, hat er mich nie verletzt. Und das wird er auch nie.«

»Ich habe ihnen gesagt, dass deine Antwort so ausfallen würde, aber sei nicht überrascht, wenn sie weiter darum bitten. Und es ist gut zu wissen, dass du immer noch berechenbar bist, selbst wenn Riorson das nicht ist.«

»Wie ging es ihm heute Morgen?« Hitze trifft auf mein Gesicht, als wir die leere Rotunde betreten, und ich schiebe meine Kapuze zurück. Ohne Unterricht, Appelle oder sonstige Ordnung ist der Lehrtrakt verlassen, die Gemeinschaftsräume und die Aula aber voll mit ziellosen, besorgten, unruhigen Kadetten, die darauf hoffen, die nächste Patrouille zu überleben, und ihren Frust am liebsten an jemand anderem auslassen wollen. Jeder Einzelne von uns würde für einen Lagebericht töten.

»Mürrisch und störrisch wie immer«, antwortet Imogen, als wir den Schlaftrakt betreten, und unser Gespräch kommt zum Erliegen, als wir an einer Gruppe finster dreinblickender Juniors vom Ersten Geschwader vorbeikommen, einschließlich Caroline Ashton, was bedeutet, dass die Wahrheitssager sie freigesprochen haben. Zu unserem Glück sind die Stufen, die hinab zum Heilerquadranten führen, herrlich leer. »Du überlegst, ihm zu erzählen, was wir vorhaben?«

»Er ist sich bewusst, dass man uns ausschicken wird, um Andarnas Art zu finden. Was den Rest angeht? Er will es nicht wissen.« Ich nicke einem Paar herannahender aretianischer Reiter aus dem Dritten Geschwader zu, als wir die Tunnel erreichen, warte aber ab, bis wir außer Hörweite sind, bevor ich fortfahre. »Er macht sich Sorgen, dass er ungewollt zur undichten Stelle wird – was albern ist, aber ich respektiere seine Wünsche.«

»Ich kann gar nicht erwarten, dass er herausfindet, dass du deine eigene Rebellion anführst.« Sie grinst, während wir die überdachte Brücke zum Heilerquadranten überqueren.

»Das ist keine Rebellion und ich … führe sie nicht an.« Xaden, Dain, Rhi – sie sind Anführer. Sie inspirieren und geben Befehle zum Wohl der Einheit. Ich mache nur, was immer erforderlich ist, um Xaden zu retten.

»Einschließlich der Mission, Andarnas Rasse zu finden?« Sie stößt die Tür zum Heilerquadranten auf und ich folge ihr hinein.

»Das ist etwas anderes und ich führe sie nicht an, sondern wähle eher einen Anführer aus. Hoffentlich.« Ich sehe den chaotischen Tunnel hinab, an den reglos schlafenden Patienten vorbei, die größtenteils das Blau der Infanterie tragen, und entdecke eine Gruppe Schriftgelehrte in ihren Kapuzenroben zwischen ihnen, die zweifellos immer noch daran arbeiten, eine akkurate Darstellung der Schlacht zu erhalten. »Klingt ähnlich, ist es aber nicht.«

»Na klar.« Die Worte triefen vor Sarkasmus. »Gut, Botschaft überbracht, also bin ich fertig mit dieser Unterhaltung. Sag mir Bescheid, wenn Mira zurückkommt.« Sie geht Richtung Hauptcampus davon. »Grüß Sawyer von mir und viel Glück heute Nachmittag!«

»Danke«, rufe ich ihr hinterher und wende mich dann zur Krankenstation um. Der Duft von Kräutern und Metall füllt meine Lunge, als ich durch die Flügeltür eintrete. Ich winke nach rechts zu Trager, der zu den Fliegern mit Heilerausbildung gehört, die sich nach Kräften bemühen zu helfen, wo sie können.

Er steht am Bett eines Patienten, nickt zurück und greift dann nach Nadel und Faden.

Ich laufe rasch weiter zur nächsten Ecke und weiche den Heilern aus, die zwischen den mit Vorhängen abgetrennten Nischen hin und her eilen, hinter denen Reihen von Verletzten ruhen.

Ridocs Lachen erklingt aus der letzten Nische. Die hellblauen Vorhänge sind zurückgebunden, in der Ecke liegt ein Haufen abgelegter Winterflugjacken und alle anderen Juniors aus unserer Staffel drängen sich um Sawyers Bett.

»Hör auf zu übertreiben«, sagt Rhiannon, die auf Höhe von Sawyers Kopf auf einem Holzstuhl sitzt, und wackelt mit einem Finger vor Ridoc hin und her, der es sich auf dem Bett bequem gemacht hat, genau da, wo früher einmal der Unterschenkel unseres Staffelkameraden war. »Ich habe ihnen bloß gesagt, dass es unser Staffeltisch wäre und sie …«

»Ihre feigen Ärsche zurück zum Ersten Geschwader schleifen sollen, wo sie hingehören«, beendet Ridoc ihren Satz mit einem weiteren Lachen.

»Das hast du nicht gesagt.« Sawyers Mundwinkel verzieht sich nach oben, aber es ist weit entfernt von einem echten Lächeln.

»Hat sie.« Ich achte darauf, nicht auf Cats ausgestreckte Beine auf dem Boden neben Maren zu treten, als ich mich in den beengten Raum geselle, meine Flugjacke aufknöpfe und sie auf den Haufen werfe.

»Reiter sind wegen der seltsamsten Sachen beleidigt.« Cat zieht eine dunkle Braue nach oben und blättert weiter Markhams Geschichtslehrbuch durch. »Wir haben weit größere Probleme als Tische.«

»Stimmt.« Maren nickt und flicht dabei ihre dunkelbraunen Haare zu einem Zopf aus vier Strähnen.

»Wie lief die Patrouille?« Sawyer rutscht ohne Hilfe in eine aufrechtere Position.

»Ruhig«, antwortet Ridoc. »Langsam glaube ich, dass wir sie alle erwischt haben.«

»Oder sie konnten fliehen«, überlegt Sawyer und das Funkeln in seinen Augen erlischt. »Ihr spürt sie bestimmt schon bald auf.«

»Nicht, solange wir keinen Abschluss haben.« Rhi kreuzt die Beine. »Sie schicken keine Kadetten über die Grenzen.«

»Bis auf Violet natürlich, die bald loszieht, um die siebte Rasse zu finden, damit wir diesen Krieg gewinnen.« Ridoc sieht mit einem dämlichen Grinsen zu mir. »Macht euch keine Gedanken, ich beschütze sie.«

Ich bin nicht ganz sicher, ob er mich neckt oder das ernst meint.

Cat schnaubt und blättert noch eine Seite um. »Als würden sie dich gehen lassen. Ich garantiere euch, damit werden nur Offiziere beauftragt.«

»Auf keinen Fall.« Ridoc schüttelt den Kopf. »Es ist ihr Drache, also auch ihre Regeln. Richtig, Vi?«

Alle Köpfe wenden sich mir zu. »Angenommen, sie erteilen uns den Befehl, dann präsentiere ich ihnen eine Liste mit Leuten, denen ich vertraue.« Eine Liste, die so viele Entwürfe durchlaufen hat, dass ich nicht einmal mehr sicher bin, ob ich die richtige dabeihabe.

»Du solltest die Staffel mitnehmen«, schlägt Sawyer vor. »Wir arbeiten am besten als Team.« Dann lacht er spöttisch auf. »Wen will ich hier verarschen? Ihr arbeitet am besten als Team. Ich komme kaum eine Treppe rauf.« Er nickt zu den Krücken neben seinem Bett.

»Du bist immer noch Teil des Teams. Trink was.« Rhi greift Richtung Nachttisch und über eine Notiz hinweg, die in Jesinias Handschrift zu sein scheint, nach einem Zinnbecher.

»Wasser lässt mein Bein nicht nachwachsen.« Sawyer nimmt ihn entgegen und der Metallgriff zischt, als er sich an seinen Griff anpasst. Er sieht zu mir auf. »Ich weiß, es ist scheiße, so etwas zu sagen, nachdem du deine Mutter verloren hast …«

»Schmerz ist kein Wettbewerb«, versichere ich ihm. »Davon gibt es immer für alle genug.«

Er seufzt. »Ich hatte Besuch von Colonel Chandlyr.«

Mir wird flau im Magen. »Der Kommandeur der pensionierten Reiter?«

Sawyer nickt.

»Was?« Ridoc verschränkt die Arme. »Juniors gehen nicht in Pension. Sterben? Ja. In Pension gehen? Nein.«

»Das ist mir schon klar«, setzt Sawyer an. »Ich habe nur …«

Ein schriller Schrei hallt durch die Krankenstation in einer markerschütternden Tonlage, die etwas viel Schlimmerem als Schmerzen vorbehalten ist – Grauen. Die Stille, die darauf folgt, zieht mir eiskalt bis in die Knochen und eine düstere Vorahnung sorgt dafür, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen, während ich zwei Dolche aus ihren Scheiden ziehe und mich der Bedrohung zuwende.

»Was war das?« Ridoc rutscht von Sawyers Bett und die anderen stellen sich hinter mich, als ich aus der Nische trete und zu den geöffneten Krankenstationstüren sehe.

»Sie sind tot!« Ein Kadett in Infanterieblau stolpert herein und fällt auf Hände und Knie. »Sie sind alle tot!«

Der graue Handabdruck an der Seite seines Halses ist unverkennbar.

Veneni.

Mein Herz stockt. Wir haben sie nicht auf unseren Patrouillen draußen gefunden – weil sie schon hierdrin sind.

2

Die seltensten Siegelkräfte – die, die sich einmal in einer Generation oder einem Jahrhundert zeigen – haben sich laut unseren Aufzeichnungen nur zweimal gleichzeitig mit einem ebenbürtigen Gegenstück offenbart, beide Male in Zeiten von entscheidender Bedeutung für unsere Geschichte, aber nur einmal sind die sechs Mächtigsten zugleich über den Kontinent gewandelt. So faszinierend dieses Spektakel auch gewesen sein muss, ich wäre lieber nicht dabei, wenn es sich wiederholt.

SIEGELKRÄFTE, EINE STUDIE,

von Major Dalton Sisneros

Sie sind innerhalb der Mauern!«, brüllt Tairn.

»Das habe ich schon gemerkt.« Ich tausche meine Dolche gegen zwei mit legierten Griffen aus meinen Oberschenkelscheiden und reiche Sawyer rasch einen weiter. »Von uns stirbt heute niemand.«

Mit einem Nicken nimmt er die Klinge am Griff entgegen.

»Maren, du beschützt Sawyer«, befiehlt Rhiannon. »Cat, hilf, wem immer du kannst. Bewegung!«

»Schätze, ich … bleibe einfach hier?«, ruft Sawyer hinter uns her und murmelt dann einen Fluch, während wir zwischen den Reihen aus Krankenbetten hindurchsprinten.

Wir erreichen als Erste die Türen, wo Winifred den heulenden Infanteristen an den Oberarmen gepackt hält. »Violet, geh nicht da raus …«, setzt sie an.

»Verriegel die Türen!«, schreie ich ihr im Hinausrennen zu.

»Als würde sie das aufhalten?«, entgegnet Ridoc, als wir in den Tunnel gelangen, dann kommen wir alle drei bei dem Anblick vor uns schlitternd zum Stehen.

Die Decken auf jedem Zusatzbett im Gang sind zurückgeschlagen und enthüllen ausgezehrte Körper. Mir wird schlecht. Wie konnte das so schnell passieren?

»Oh Scheiße.« Rechts von mir zieht Ridoc noch einen Dolch, während hinter uns zwei weitere Reiter durch die Krankenstationstüren hasten, beide vom Zweiten Geschwader.

Ich taste nach Xaden und stelle fest, dass sein Schutzschild nicht nur aktiv, sondern undurchdringlich ist.

Frustrierend, aber gut. Ich bin voll und ganz in der Lage, allein zu kämpfen, und ich habe Ridoc und Rhi bei mir.

»Du hast keinen Konduit«, erinnert Tairn mich. Was heißt, dass ich mit meinen Blitzschlägen nicht genau zielen kann, besonders nicht in Innenräumen.

»Mit Dolchen war ich schon immer viel präziser als mit meiner Macht. Warn den Drachen, dessen Reiter den Obelisken bewacht.«

»Schon erledigt«, erwidert er.

»Seht nach der Brücke!«, befiehlt Rhiannon den beiden aus dem Zweiten Geschwader und sie rennen Richtung Reiterquadrant davon.

»Bringt ihre Leichen nach draußen, wenn ihr mit dem Töten fertig seid, damit wir sie zum Spaß grillen können«, schlägt Andarna vor.

»Nicht jetzt.« Ich verlangsame meine Atmung und konzentriere mich.

»Augen auf«, sagt Rhiannon und ihre Stimme ist so ruhig wie die Hand, mit der sie einen legierten Dolch zieht. Dann tritt sie links neben mich. »Gehen wir.«

Geschlossen setzen wir uns in Bewegung, leise und schnell, und laufen den Gang hinab. Ich sehe geradeaus, während Rhi und Ridoc jeweils die linke und rechte Seite im Blick behalten, und ihr Schweigen verrät mir alles, was ich wissen muss. Es gibt keine Überlebenden.

Wir folgen der Krümmung des Tunnels und kommen gerade am letzten Bett vorbei, da stürzt plötzlich ein Schriftgelehrter aus dem Treppenhaus vor uns. Seine Robe flattert hinter ihm her, während er in vollem Lauf auf uns zuhält.

Ich werfe den Dolch herum und fange ihn an der Spitze auf, während mein Puls in die Höhe schnellt.

»Wo sind sie lang?«, fragt Rhi den Kadetten.

Die Kapuze des Schriftgelehrten rutscht nach hinten und enthüllt rot geränderte Augen und spinnwebartige Adern an seinen Schläfen. Nope, eindeutig kein Kadett. Er greift unter seine Robe, aber ich habe schon das Handgelenk vorschnellen lassen, bevor er das Heft eines Schwerts zu packen bekommt.

Mein Dolch bohrt sich auf der linken Seite in seine Brust und seine Augen quellen vor Entsetzen hervor, dann sackt er zu Boden. Sein Körper verschrumpelt innerhalb eines Herzschlags.

»Verdammt. Manchmal vergesse ich, wie gut du damit umgehen kannst«, flüstert Rhi und sieht sich um, während wir weiterlaufen.

»Woher wusstest du es?«, fragt Ridoc genauso gedämpft, dreht mit einem schnellen Tritt die vertrocknete Hülle auf dem Boden um und zieht meine Klinge heraus.

»Ein Schriftgelehrter wäre zu den Archiven gerannt.« Ich nehme den Dolch wieder an mich und lege die Hand fest um den Griff. »Danke.« Das machtvolle Summen der Legierung ist etwas schwächer, aber immer noch spürbar und reicht hoffentlich noch für einen weiteren Todesstoß. Wie viele haben Imogen und ich auf unserem Weg zur Krankenstation gesehen, ohne es zu merken? »So haben sie gezehrt, ohne dass wir es mitbekommen. Sie sind als Schriftgelehrte getarnt.«

Zwei Gestalten in cremefarbenen Roben nähern sich uns von der anderen Seite des Tunnels, ihre Rookie-Abzeichen schimmern im Schein der Magielichter und ich mache mich bereit, weitere Dolche zu werfen.

»Die Kapuzen runter«, befiehlt Rhi.

Sie zucken zusammen und die Kadettin rechts schiebt rasch die Kapuze herunter, doch die Hände ihrer Begleiterin zittern leicht, als sie gehorcht, und der Blick ihrer großen blauen Augen ist auf die Leiche zu meinen Füßen geheftet. »Ist das …«, haucht sie und schwankt leicht, sodass ihre Freundin ihr einen Arm um die Schultern legt.

»Ja.« Ich senke die Klinge und erkenne, dass kein Rot in ihren Augen oder an den Schläfen zu sehen ist. »Geht zurück in die Archive und warnt die anderen.«

Die Frauen drehen um und rennen los.

»Hoch oder runter?«, fragt Ridoc, der zur Treppe sieht.

Unter uns erklingt ein Schrei.

»Runter«, sagen Rhi und ich zugleich.

»Toll.« Ridoc lockert den Nacken. »Die Treppe zur Folterkammer, wo eine unermessliche Zahl an frisch gezehrten dunklen Magiern wartet. Ein Spaß.« Er geht voran, den Dolch in der linken Hand, die rechte zur Beschwörung bereit gehoben, während Rhiannon sich hinter mir einreiht.

Rasch rücken wir vor, laufen mit dem Rücken an der Steinmauer die Stufen hinab und ich schicke einen stummen Dank an Eran Norris, der die Treppen in Basgiath aus Stein statt aus Holz erbaut hat, das knarzen könnte … oder brennen.

»Konzentrier dich auf die Gegenwart, nicht auf die Vergangenheit«, belehrt mich Tairn.

Unter uns klirrt Metall, das Geräusch wechselt zwischen dem Ting aufeinanderprallender Klingen und dem beinahe unerträglichen Scharren von Stahl auf Stein. Doch es ist das manische Gelächter gemischt mit schmerzerfülltem Ächzen, das mich weiter antreibt, bei dem meine Macht sich erhebt und über meine Haut knistert.

»Kontrolliere es!«, befiehlt Tairn.

»Schweigefuchs«, rufe ich ihm in Erinnerung und ziehe meine Schutzschilde hoch, um ihn zu blockieren, wobei ich natürlich weiß, dass er hindurchkommt, wenn er will.

»Hör auf, mit deiner Beute zu spielen, und hilf uns, diese Tür zu öffnen!«, fordert jemand unten. Wenn die Personen dort die Zellentüren öffnen wollen, stehen sie eindeutig nicht auf unserer Seite. Sie sind wegen Jack hier.

»Wie viele Wachen sind bei Barlowe?«, flüstert Ridoc, während wir uns der letzten Windung der Treppe nähern, hinter der wir unsere Deckung verlassen werden.

»Zwei …« Rhiannons Antwort wird abrupt von einem tiefen, schmerzerfüllten Schrei übertönt.

»Mach einen draus«, erwidere ich und hebe meine rechte Hand zum Wurf.

Der Vorraum zum Verlies kommt in Sicht und mein Blick huscht durch den mir nur allzu vertrauten Raum, macht eine rasche Bestandsaufnahme der Situation.

Zwei dunkle Magier in Schreiberroben zerren am unnachgiebigen Türgriff zu Jacks Zelle, während eine Frau ein Schwert mit rubinbesetztem Griff über die Kehle eines Zweiten Lieutenants zieht, der mit Dolchen an den Händen an den schweren Tisch genagelt wurde. Eine vierte Veneni steht am Rande der Schatten.

Ein langer Silberzopf fällt unter ihrer Kapuze hervor, als ihr Kopf zu uns herumzuckt. Ihre gespenstisch roten Augen finden meine und weiten sich leicht unter einem verblassten Tattoo auf ihrer Stirn. Das Blut gefriert mir in den Adern, als ein Grinsen ihren Mund verzieht, die roten Adern an ihren Schläfen verzerrt, und dann … verschwindet sie.

Ich blinzle gegen die unerwartete Brise an, die eine Strähne aus meinem Zopf löst, dann starre ich auf den leeren Fleck, an dem sie gerade noch stand. Zumindest denke ich, dass sie da gestanden hat. Bilde ich mir jetzt schon Dinge ein?

Hinter mir keucht Rhi auf und ich sehe zu dem gefangenen Reiter. Blut strömt aus seiner Wunde quer über den Tisch und ich schlucke den beißenden Geschmack von Säure hinunter, als ich zwei Leichen zu unserer Linken entdecke, eine in cremefarbener, die andere in schwarzer Uniform.

Die Frau mit dem juwelenbesetzten Schwert am Tisch wirbelt herum und ihr kurzes blondes Haar peitscht über die scharfen Wangenknochen, als auch sie sich uns zuwendet und dabei verästelte rote Adern an ihren Schläfen enthüllt.

Ich lasse mein Handgelenk vorzucken, nur für den Fall, dass auch sie sich in Luft auflöst.

»Reiter …« Ihre Warnung erstirbt mit meiner Klinge, die sich mitten in ihre Kehle bohrt.

Ridoc stürzt sich auf die beiden an der Tür, aber sie sind bereit und einer zieht ein Schwert, das Ridoc mit einem dicken Eisschild blockt.

Ich schleudere meinen verbliebenen Dolch auf den anderen und springe die letzten beiden Stufen runter, aber der dunkelhaarige Veneni weicht meinem Angriff mit unnatürlicher Geschwindigkeit aus. Meine Klinge prallt von der Steinmauer hinter ihm ab und ich renne zu dem Reiter, der auf dem Tisch ausblutet.

Fuck!

Rhi hechtet über den Körper der Frau auf Ridoc zu, während ich weiterlaufe, wobei ich allerdings den dunklen Magier im Auge behalte, den ich verfehlt habe.

Der Veneni schwingt einen Arm herum und etwas fliegt auf mich zu.

»Runter, Vi!«, schreit Ridoc. Er stößt die Hand mit nach unten gewandter Handfläche vor und etwas Kühles wischt über meine Schienbeine hinweg, während Stacheln auf mein Gesicht zuschießen.

Ich lasse mich auf die Knie fallen und rutsche über eine kleine Eisfläche, während der Streitkolben über meinen Kopf hinwegfegt und die Luft mit einem Pfeifen zerteilt.

»Nicht das Silberhaar!«, brüllt der dunkle Magier mit dem Schwert. Ich komme eilig wieder auf die Füße und verliere auf dem blutbedeckten Stein kurz den Halt. »Wir brauchen sie!«

Um Xaden zu kontrollieren? Am Arsch. Mich wird nie wieder jemand gegen ihn einsetzen.

»Das ist jetzt meiner!«, ruft Rhi und als ich nach links blicke, schwingt sie den Streitkolben gegen seinen vorherigen Besitzer und verschafft mir so Zeit, den zuckenden Reiter auf dem Tisch zu erreichen.

»Halt durch«, sage ich zu ihm und strecke die Hand nach seiner Kehle aus, um die Blutung zu stoppen, dann halte ich inne, als sein letzter Atemzug in seiner Brust rasselt und er erschlafft. Er ist tot. Mein Herz krampft sich nur einen Schlag lang zusammen, bevor ich zwei weitere Dolche ziehe und mich zu meinen Freunden umdrehe.

Der schwarzhaarige Veneni ist so schnell, dass seine Umrisse verschwimmen, als er sich unter dem Streitkolben in Rhiannons Hand hindurchduckt, und dann taucht er vor mir auf, als hätte er schon die ganze Zeit da gestanden.

Schnell. Sie sind zu verdammt schnell.

Mein Herz holpert, als ich meinen Dolch an seine Kehle reiße, und er mustert mich mit übelkeiterregender Begeisterung in den roten Augen. Macht durchflutet meine Adern, erhitzt meine Haut und richtet die Härchen auf meinen Armen auf.

»Ah, die Blitzschlaggebieterin. Du bist weit weg vom Himmel und wir beide wissen, dass du mich mit diesem Messer nicht töten kannst«, höhnt er und die Adern an seinen Schläfen pulsieren, gerade als Rhi sich hinter ihm heranschleicht, den legierten Dolch zum Stoß erhoben.

Schatten zittern an den Rändern der Kammer und ich ziehe einen Mundwinkel nach oben. »Das brauche ich gar nicht.«

Seine Augen werden für den Bruchteil einer Sekunde vor Verwirrung groß, dann explodieren Schatten um uns herum, verschlingen augenblicklich jeden Funken Licht in einem Meer aus endloser Schwärze, die sich sofort wie Zuhause anfühlt. Eine Ranke aus Dunkelheit legt sich um meine Hüften und reißt mich nach hinten, dann streift sie sanft meine Wange und beruhigt meinen galoppierenden Herzschlag, besänftigt meine Macht.

Schreie erfüllen die Kammer, gefolgt von zwei dumpfen Schlägen, und ich weiß ohne jeden Zweifel, dass jegliche Bedrohung für mein Leben ausgelöscht ist.

Einen Herzschlag später ziehen sich die Schatten zurück und enthüllen die vertrockneten Körper der dunklen Magier am Boden, in deren Brust je ein legierter Dolch steckt.

Ich lasse meine Waffen sinken, als Xaden von der Mitte des Raums aus auf mich zukommt. Die Hefte der zwei Schwerter, die er immer auf den Rücken geschnallt trägt, ragen über seinen Schultern hervor. Er ist in das dicke Winterflugleder gekleidet, das bis auf seinen Rang als Zweiter Lieutenant nichts über ihn preisgibt und mit winzigen Wassertropfen gesprenkelt ist, die mir verraten, dass er draußen im Schnee war.

Zweiter Lieutenant. Der gleiche Rang wie Barlowes Wachen.

Der gleiche Rang wie Garrick, der am Fuß der Treppe hinter Xaden steht, sowie von fast jedem anderen der Offiziere, die hier vorübergehend zum Schutz Basgiaths stationiert sind.

Mein Herz stottert und mein Blick wandert über Xadens große, muskulöse Gestalt, sucht nach einem Hinweis auf Verletzungen. Der Blick aus goldgefleckten Onyxaugen trifft auf meinen, aber mein Atem beruhigt sich erst, als ich erkenne, dass er unversehrt und keine einzige Spur Rot in seiner Iris zu finden ist. Theoretisch mag er ein Junggeweihter sein, doch er ist kein Stück wie die Veneni, gegen die wir gerade gekämpft haben.

Bei den Göttern, ich liebe diesen Mann.

»Sag mir eins, Violence.« Ein Muskel an seinem kantigen Kiefer zuckt, sodass sich die rötlich braune Haut seiner stoppligen Wange kräuselt, als er auf mich herabstarrt. »Warum eigentlich immer du?«

*

Eine Stunde später entlässt man uns aus der Einsatzbesprechung mit dem Kommandeur des Reiterquadranten, Colonel Panchek, und schickt uns weg.

»Er schien nicht einmal beunruhigt, weil sie Barlowe retten wollten, statt es auf den Obelisken abgesehen zu haben.« Garrick fährt sich mit einer Hand durch das kurze dunkle Haar, während er vor Xaden und mir die Treppe im Lehrtrakt hinabgeht.

»Vielleicht ist das nicht der erste Versuch.« Rhi sieht über die Schulter zu Garrick. »Es ist ja nicht so, als würden wir jeden Tag auf den neuesten Stand gebracht.«

Wir sind hier nicht sicher – nicht, dass wir das je wirklich waren.

»Panchek wird den Rest der Führungsriege in Kenntnis setzen, richtig?«, fragt Ridoc, gerade als wir am zweiten Stock vorbeilaufen.

»Melgren weiß es schon. Es waren nur zwei von uns da unten.« Xaden wirft einen Blick auf Garricks Hand, wo das Rebellionsmal unter dem Uniformärmel hervorlugt.

»Ich bin nur dankbar für die Schutzzauber, die Sorrengail errichtet hat, bevor sie gegangen ist.« Garrick macht sich nicht die Mühe zu erläutern, dass er von meiner Schwester redet. »Barlowe kann außerhalb dieser Kammer nichts hören oder sehen, es sei denn, jemand öffnet die Tür, also kann er keine weiteren Informationen sammeln. So wie die Steine in der Zelle aussehen, die er ausgesaugt hat, stirbt er innerhalb einer Woche.«

Xaden spannt sich neben mir an und ich taste im Geiste nach ihm, aber sein Schild ist dicker als die Mauern dieser Festung.

»Es bin nicht immer ich«, flüstere ich ihm zu und streife seine Hand mit meiner, als wir weiter die breite Wendeltreppe Richtung erstem Stock hinablaufen.

Xaden schnaubt, dann verwebt er seine Finger mit meinen und hebt meinen Handrücken an seinen perfekt geformten Mund. »Doch«, erwidert er genauso leise und unterstreicht die Bemerkung mit einem Kuss.

Mein Puls hüpft so wie jedes Mal, wenn seine Lippen meine Haut berühren, was in den letzten paar Wochen nicht oft passiert ist.

»Weißt du, diese ganze ›Töte sie in der Dunkelheit‹-Aktion war zwar krass …« Ridoc hebt den Finger. »… aber ich hatte die Sache voll im Griff.«

»Hattest du nicht.« Xaden streicht mit dem Daumen zärtlich über meinen und Garricks Schultern beben sichtlich unter einem leisen Lachen, während wir die letzte Treppenflucht zum Haupteingang hinabgehen.

»Ich war gerade dabei, die Sache im Griff zu haben«, behauptet Ridoc und wedelt jetzt mit dem Finger herum.

»Warst du nicht«, versichert Xaden ihm.

»Woher willst du das wissen?« Ridoc lässt die Hand sinken.

Garrick und Xaden tauschen einen völlig frustrierten Blick und ich kämpfe gegen ein Grinsen an.

»Weil du auf einer Seite des Raums warst«, sagt Garrick, »aber deine Klinge auf der anderen.«

»Ein Problem, das ich gerade lösen wollte.« Ridoc zuckt mit den Schultern, gerade als er und Rhi das Erdgeschoss erreichen.

Xaden zögert kurz und zieht leicht in einer wortlosen Bitte, bei ihm zu bleiben, an meiner Hand, woraufhin auch ich anhalte.

»Wir sollten nach den anderen sehen.« Rhi blickt zu mir auf. »Geht ihr in die große Halle?«

Ich nicke und jetzt regt sich die Nervosität in meinem Bauch.

»Du bist bereit. Du schaffst das schon«, sagt sie mit einem kurzen Lächeln. »Sollen wir dich begleiten?«

»Nein. Seht ihr nach der Staffel«, erwidere ich und Garrick hält eine Stufe unter uns inne. »Ich komme danach zu euch.«

»Wir warten«, verspricht Ridoc über seine Schulter hinweg, biegt mit Rhi nach links ab und sie verschwinden um eine Ecke.

»Alles in Ordnung?« Garrick dreht sich zu uns um und mustert Xadens Augen.

»Ja, wenn du uns fünf Minuten allein lässt«, antwortet Xaden.

Sorge verzieht Garricks Stirn und er wirft mir einen Blick zu, doch die Falten verschwinden schnell wieder, als ich nicke.

»Scheiße, Mann. Du traust ihr ja auch zu, nachts auf mich aufzupassen, oder?« Xaden sieht seinen besten Freund aus schmalen Augen an.

»Tu nicht so, als wäre ich schuld daran, dass du einen Babysitter brauchst«, gibt Garrick zurück.

Schatten kriechen über die Stufe zu unseren Füßen.

»Ist schon gut«, beruhige ich Garrick rasch und lasse meine Hand mit Xadens viel größerer verschränkt. »Mir geht’s gut. Ihm geht’s gut. Alles ist gut.«