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Gott einen Ort sichern. Der Gedanke ist für einen gläubigen Menschen schön und nachvollziehbar. Und doch drängt sich die Frage auf, ob Gott "das nötig hat". Ist er nicht immer schon und überall gegenwärtig? Aber: Wie soll Gott für Menschen Wirklichkeit werden, wenn nicht an konkreten Orten, an denen sie leben? In diesem Spannungsfeld bewegt sich das vorliegende Buch von Bernhard Körner. Er greift die Thematik der loci theologici und die kulturwissenschaftliche Diskussion des Lokalen auf und befasst sich mit der Frage, welche Bedeutung Orte für die Glaubenserkenntnis haben. Er - stellt vielfältige Orte der Glaubenserkenntnis vor, - setzt sie in Beziehung zur Lehre von den loci theologici und - diskutiert Möglichkeiten und neuralgische Punkte in ihrem Zusammenspiel. Bernhard Körner tritt für eine Glaubenserkenntnis ein, die von Orten in der Geschichte ihren Ausgang nimmt, mit dem je größeren Gott rechnet und an allen Orten mit "Zeichen seiner Gegenwart und Absicht".
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Seitenzahl: 404
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Bernhard Körner
Studien zurtheologischen Erkenntnislehre
Bernhard Körner
Studien zurtheologischen Erkenntnislehre
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2014
© 2014 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter-verlag.de
Gestaltung: Hain-Team (www.hain-team.de)
Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
ISBN
978-3-429-03752-9 (Print)
978-3-429-04779-5 (PDF)
978-3-429-06194-4 (ePub)
Eine Einführung„Gott einen Ort sichern“
Erstes KapitelDer christliche Glaube und die Bedeutung des LokalenAusgangspunkte und Anknüpfungsmöglichkeiten
I.
Gottes Immer und Überall – Gottes Hier und Heute Theologische Voraussetzungen
1. Gott – mitten im Leben jenseitig
2. Nicht Mythos, sondern historisches Geschehen
3. Der Angelpunkt – das Offenbarungsverständnis
4. Orte des Glaubens in verschiedener Bedeutung
II.
Die Bedeutung des LokalenBausteine aus der kulturwissenschaftlichen Diskussion
1. Was ist das – ein Ort?
2. Orte der Erinnerung
3. Der ‚genius loci‘
4. Denken in historischen Konstellationen
5. Die „Macht des Lokalen“
6. Erinnerung, Identität, Erfahrung, Erkenntnis
7. Anders-Orte – Heterotopien
III.
Was Orte für den Glauben bedeutenAnläufe der theologischen Reflexion
1. Christentum als Topographie von Glaubensorten
2. Was einen Ort zu einem heiligen Ort macht
3. Orte im übertragenen Sinn
4. Die Notwendigkeiten von Orten, an denen der Glaube authentisch bezeugt wird
5. Plädoyer für ungewöhnliche Glaubensorte
6. Orte der Verwirklichung und Bewährung des Glaubens
7. Fremde Orte als Orte des Glaubens
8. Heterotopien des Glaubens
9. Kontexte, in denen der Glaube erst bedeutungsvoll wird
IV.
Orte – eine erste ZwischenbilanzZusammenfassung und Überleitung
1. Orte und Räume
2. Beziehungen zwischen Orten – Prägung durch Orte
3. Erkenntnis an Orten – Erkenntnis aus Orten
Zweites KapitelVielfältige Orte der GlaubenserkenntnisBeispiele und Reflexionen
I.
Orte, an denen der Glaube zur Erfahrung wird
1. „Wie Ehrfurcht gebietend ist dieser Ort …“
2. Einspruch: „Was wäre das für ein Ort …“
3. In der Kirche den Frieden holen
4. In der dunklen Kapelle
5. Eine Erfahrung – eigentlich wider Willen
II.
Orte, an denen der Glaube bezeugt wird
1. Die Bibel: Bezeugung der Ur-Kunde
2. Tradition: Bezeugung als offener Prozess
3. Not und Segen der Letztentscheidung
III.
Orte des Verstehens – Orte der Bewährung
1. Theologie an Orten des Verstehens und der Bewährung
2. Herausforderung und Hilfe
3. Nicht nur intellektuelle Herausforderungen
IV.
Unterscheidungen und Zusammenhänge:Orte, Erfahrungen, Erkenntnisse
1. Erfahrung und Erkenntnis
2. Vorgegebene Erkenntnis – unerwartete Erkenntnis
3. Objektive Erkenntnis und persönliche Disposition
4. Erinnerungsorte – nicht nur um der Vergangenheit willen
5. Mit Gott ist überall zu rechnen
6. Orte als Kontexte
7. Inhalt und Bedeutung von Aussagen
8. Kriterien authentischer Erkenntnis und Unterscheidung der Geister
Drittes KapitelWenn Orte zu Argumenten werdenDie Lehre von den loci theologici
I.
Die philosophische Vorgeschichte der loci theologici
1. Die Topik des Aristoteles:eine Argumentationstheorie und ihre Grundlegung
2. Ciceros folgenreiche Wende ins Pragmatische
3. Boethius – zwischen Aristoteles und Cicero
4. Der Einfluss des Boethius auf Thomas von Aquin
5. Petrus Hispanus’ Logik-Kompendium auf der Linie von Boethius
6. Rudolf Agricola – Rhetorialdialektik im Geiste Ciceros
II.
Die Konzeption der loci bei Melchior Cano
1. Ein Dominikanertheologe an der Universität von Salamanca
2. Die Vorlagen, auf die sich Cano gestützt hat
3. Canos Ensemble der loci theologici
4. Deutliche Akzentverschiebungen zu Thomas von Aquin
III.
Ein kurzer Blick auf die Rezeption undInterpretation Canos
1. Die Lehre von den loci in den Schulbüchern
2. Das Verschwinden der loci-Lehre
3. Die Diskussion der Leistung Canos in der Sekundärliteratur
IV.
Die ursprüngliche Leistung Melchior Canos
1. Loci sind Gesichtspunkte
2. Argumentationslehre, nicht in erster Linie Topologie
3. Bei Nichtbeachtung problematische Konsequenzen
Viertes KapitelUnter dem Vorzeichen der GeschichtlichkeitGlaubensorte bzw. loci theologiciin einer zukünftigen Theologischen Erkenntnislehre
I.
Rahmenbedingungen und Gründe für eine relectureund Ausweitung der Lehre von den loci theologici
1. Das Vorzeichen der Geschichtlichkeit ernst nehmen
2. Orte des Glaubens nicht nur formal in die Argumentation einbringen
3. Die gemeinsame Verortung der Theologie und ihre Identität
II.
Vier Dimensionen füreine heutige Lehre von den loci theologici
1. Topik: Welche Orte?
2. Pragmatik: Welches Zusammenspiel?
3. Kriteriologie: Welches Gewicht?
4. Hermeneutik: Welches Verständnis?
III.
Das Ensemble der Glaubensorte erweitern und ausdifferenzieren
1. Die Verortung des Glaubens in Kirche und Welt
2. Das Ensemble der Orte der Glaubensbezeugung erweitern
3. Kontexte und ‚fremde Orte‘
IV.
Aus Glaubensorten Erkenntnis gewinnen
1. Erster Schritt: die Glaubensorte sondieren (Topologie)
2. Zweiter Schritt: Zusammenschau der Orte (Pragmatik)
3. Dritter Schritt: Auslegung und Verständnis reflektieren (Hermeneutik)
4. Vierter Schritt: das Gewicht von Aussagen einzelner Orte klären (Kriteriologie)
Fünftes KapitelDas Zusammenspiel der GlaubensorteNeuralgische Punkte, Gefahren und Chancen
I.
Stichwort Tradition:Eröffnung oder Verhinderungneuer Glaubenserkenntnis?
1. Zwei Gesichter der Tradition
2. Tradition als theologisches Prinzip
3. Ein sakramentales Verständnis der Tradition
4. Tradition, indem die Tradition neu gelesen wird
5. Das Damalige auf heutige Weise lesen
II.
Stichwort Communio:Glaubensorte in einer Überlieferungsgemeinschaft
1. Eine hierarchisch dominierte Ekklesiologie
2. Die communio-Ekklesiologie des Konzils
3. Erkenntnistheoretische Katholizität
4. Einswerden von Zeugnis und Zeugen
5. Nicht ohne eine Spiritualität der Gemeinschaft
6. Spirituelle Konkretisierungen
III.
Stichwort Autorität:Wie werden Glaubensorte und ihre Aussagen verbindlich?
1. Kritik und Rehabilitierung der Autorität
2. Der Begriff der Autorität in der Glaubens- und Theologiegeschichte
3. Eine Diskussion über den Ursprung der Autorität
4. Das Verständnis der Autorität bei Melchior Cano
5. Zur Begründung und Akzeptanz von Autorität
6. Autorität in der Kirche
7. Zur Autorität von Glaubensorten
IV.
Stichwort Pastoral:Wie kann der Glaube zeitgemäß sein?
1. Von den loci theologici zu den Orten der Theologie
2. Eine Neuentdeckung der loci alieni
3. Die Pastoral als Ort des Glaubens
4. Die prekäre Zuordnung von Dogmatik und Pastoral
5. Exkurs: Wirklichkeit und Programm der Inkulturation
6. Ermutigung von höchster Stelle
7. Der Platz des aggiornamento: die Unterscheidung der Geister
8. Mühe um die geistlichen Voraussetzungen
9. Vergewisserung der Glaubensaussagen
10. Erkundung des ‚heutigen‘ Kontextes
11. Abwägung im Licht des Glaubens und im Licht der Wirklichkeit
V.
Stichwort Relativismus:Not und Segen ortsgebundener Glaubenserkenntnis
1. Glaube, Relativismus und Anspruch auf Wahrheit
2. Geschichtlichkeit und Verunsicherung im Glauben
3. Theologisch begründete Relativität, nicht Relativismus
Zum AbschlussFür eine bescheidene und nicht selbstbezogene Theologie
Bibliographie
Abkürzungen
Anmerkungen
Zu den bemerkenswerten Frauen des französischen Katholizismus in der Mitte des 20. Jahrhunderts gehört die Sozialarbeiterin Madeleine Delbrêl (1904–1964). Mit 15 Jahren hatte die hoch begabte Studentin in einem kirchenfernen Milieu nach eigenen Angaben den Glauben ihrer Kindheit aufgegeben. Freilich war sie redlich genug, auch die offenen Fragen und die Argumente für den Glauben nicht einfach wegzuschieben. So muss sie sich eines Tages eingestehen, dass sie sich eigentlich nicht mehr als Atheistin bezeichnen kann: „Ich begann zu beten … Dann habe ich durch Lesen und Nachdenken Gott gefunden. Aber als ich betete, habe ich geglaubt, dass Gott mich fand und dass er lebendige Wahrheit ist und dass man ihn lieben kann, wie man eine Person liebt.“1
Diese einschneidende Erfahrung ändert ihr Leben, das sie schließlich zusammen mit einigen gleichgesinnten Frauen in die Pariser Industrievorstadt Ivry führt – als Sozialarbeiterin in einem überwiegend kommunistischen Milieu. Dort hatte das Wort ‚Gott‘ über weite Strecken keine Bedeutung mehr, und der Glaube wurde nicht mehr verstanden. Der Glaube war gewissermaßen ortlos geworden. Was legt sich für einen gläubigen Menschen mehr nahe, als dem Glauben und damit Gott einen Ort sichern zu wollen? Und so schreibt sie im Blick auf ihre kleine Gemeinschaft:
„Der Mittelpunkt dieses Lebens, seine Freude, sein Daseinsgrund, ohne den es eitel schiene, ist die Gabe unserer selbst an Gott, in Jesus Christus. Ist, in dieser Welt, in sie hinein versenkt, als Partikel der Menschheit, mit all seinen Fasern ausgeliefert, dargebracht, enteignet zu sein. Als Inseln göttlicher Anwesenheit. Um Gott einen Ort zu sichern.“2
Gott einen Ort sichern heißt in diesem Text: Gott – vor allem – im eigenen Leben Raum geben, das eigene Leben zu einer Insel göttlicher Anwesenheit machen. Aber Delbrêl versteht das nicht als etwas Privates. Auf diese Weise will sie Gott in der Gesellschaft, im Leben der Menschen eine wirksame und erlösende Gegenwart ermöglichen.
Gott einen Ort sichern, so macht dieser Text sichtbar, bedeutet nicht in erster Linie, für ihn einen geographischen Ort aussparen. Der Begriff ‚Ort‘ bedeutet an dieser Stelle und so auch in den weiteren Ausführungen mehr und Vielgestaltigeres. Vielleicht lässt es sich auch mit Hilfe des Begriffes ‚Raum‘ verdeutlichen. Gott und dem Glauben an ihn Raum geben heißt dann: Gott soll nicht ‚über‘ oder ‚jenseits‘ der Wirklichkeit des persönlichen, gesellschaftlichen, ‚irdischen‘ Lebens bleiben, sondern er soll – in der einen oder anderen Weise – ‚mitten in‘ diesem Leben einen Platz bekommen, wirklich und wirksam werden. Die Art, wie Gott in den Raum des Irdischen eintritt und gegenwärtig wird, reicht von einer geistig-geistlichen Präsenz im Glauben über die Gegenwart in einem aus dem Glauben gespeisten Handeln oder einer rituellen Präsenz bis hin zu einer Art mystischer Gegenwart. Gemeinsam ist diesen sehr unterschiedlichen Formen, dass damit das deutliche Bewusstsein eines ‚Hier und Jetzt‘ verbunden ist, das sich von einer allgemein verstandenen Allgegenwart Gottes unterscheidet.
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