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Oskar E-Book

Jan David Clavijus

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Beschreibung

Oskar, vom Plane­ten Oronoko, muss wäh­rend einer Spritz­tour durch die Galaxien mit seinem Raum­flit­zer auf der Erde notlanden. Hier schließt er Freundschaft mit Franziska und Moritz. Die beiden leben mit ihrem Pflegevater Ehrenfried, einem ehemaligen Zirkusdirektor, in drei Zirkuswagen auf einem großen Grundstück. In dieser Abgeschiedenheit glaubt Oskar in Ruhe seinen Raumflitzer reparieren zu können. Doch dann erfährt Ehrenfrieds Bruder Rufus, Professor für Biologie, von Oskars Existenz und rückt mit einem riesigen Wohnmobil an, in dem sich ein Forschungslabor befindet. Wie weit will Rufus mit seiner Alienforschung gehen? Franziska beschließt, ihren außerirdischen Freund nicht mehr aus den Augen zu lassen ...

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Seitenzahl: 226

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Jan David Clavijus

Oskar

Der Außerirdische

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Ster­nen­flit­zer

Heri­bert Raffze

Der Zirkus­direk­tor

Ein un­heim­licher Pro­fessor

Die Abmachung

Der Eis­berg

Ein neuer Freund

Alienforschung

In der Geisterbahn

Katz und Maus

Der Bruch­pilot

Stern­schnup­pen

Impressum neobooks

Ster­nen­flit­zer

Es war ein Tanz mit den Ster­nen und Plane­ten.

Der Raumflit­zer sauste unter einem gas­förmi­gen Plane­ten hin­durch, der in allen Regen­bogen­farben schim­merte. Schließlich ver­schwand er hinter einer riesigen Sonne die gewaltige Gaswolken ins All schleuderte und tauchte Sekunden später wieder auf, wobei er eine Drehung um die eigene Achse vollführte. Die Sterne leuchteten wie Diamanten in der Nacht. Und da es im Weltall keine Schwer­kraft gibt, kein ‚Unten‘ und kein ‚Oben‘, spürte der Pilot nichts von den schnellen Manö­vern die er mit seinem Flitzer ausführte.

Oskar erfüllte sich einen Traum. Der Flit­zer war ein Ge­schenk seiner Freun­de zum 150. Ge­burts­tag und end­lich, end­lich konnte auch er auf Spritz­tour gehen. Wie er sie alle be­neidet hatte, Wassili und Tenkow, die bereits vor drei Jahren ihren Raum­flit­zer be­kommen hatten. Nicht zu ver­gessen Maschakow, die schon mit erstaunlich jungen 110 Jahren eine Fahr­erlaub­nis er­halten hatte. Maschakows Vater war ein hohes Tier in der Welt­raum-Ver­kehrs­gesell­schaft. Natür­lich hatte sie da ihre Be­zie­hungen.

Oskar riss den Flit­zer um 180 Grad herum und sauste auf ein an­gren­zendes Sonnen­system zu, das als System 770007 auf der Anzeige ausgewiesen wurde. Ein Blick auf den Zeit­messer ver­riet ihm, dass er sich bald auf den Weg nach Hause machen musste. Morgen hieß es: Früh auf­stehen – und er war schließ­lich ein halbes Dut­zend Gala­xien von zu Hause ent­fernt.

Sein zehntes und letz­tes Lehr­jahr als Raumschifftechniker in einem Welt­raum­dock hatte vor kurzem be­gonnen. In den zu­rück­lie­genden Jahren hatte Oskar sich schon ge­nug Schnit­zer er­laubt, vor allem, weil er mor­gens nicht aus dem Bett kam. Jetzt musste er wenigs­tens das eine Jahr bis zur Ab­schluss­prü­fung noch durchhalten und durfte nicht mehr un­an­genehm auf­fallen.

Um diese eine Sonne im System 770007 wollte er noch herum­flit­zen, dann würde er sich auf den Heim­weg machen. Er durchquerte mit Höchstgeschwindigkeit den fast leeren Raum zwischen den Sternensystemen und tauchte schließlich in das Sternensystem 770007 ein. Die Sonne dieses Systems war überraschend klein. Oskar steuerte sie an. Der Heliumball raste mit einer Ge­schwin­dig­keit auf ihn zu, die atem­berau­bend war. Das Thermo­meter stieg. Die rote Bar­riere, die eine Über­hit­zung des Raumflit­zers an­zeigte, war fast schon er­reicht. Oskar schien mitten in das brennende Inferno hineinzurasen. Er quietsch­te vor Vergnügen, dann riss er mit einem Schrei die Hand­steue­rung nach rechts, um­kreis­te die Sonne und hielt auf einen der klei­neren Plane­ten des fremden Sonnen­sys­tems zu. Es war der Planet, der der Sonne am drittnächsten stand und der deshalb, so die Anzeige im Flitzer, die Bezeichnung 770007 -3 und den Beinamen 'Blauer Planet' trug. Er war wirklich blau, herrlich blau, und an vielen Stellen mit einer weißen Wolkenschicht überzogen. Oskar fand, dass es einer der schöns­ten Plane­ten war, die er auf seiner Spritz­tour bis­her ge­sehen hatte. Allerdings war Solar 770007 -3 einer der ver­bote­nen Plane­ten. Er musst also auf Distanz bleiben, zumal er primitive Satelliten verschiedener Größe sichtete, die davon zeugten, dass die Bewohner dieses Planeten mit der Raumfahrt begonnen hatten. Der Reiz diesen Blauen Plane­ten einmal zu umrunden war allerdings stärker als alle Bedenken. Was sollte schon passieren? Eine kleine Ehrenrunde und dann ab nach Hause, nach Oronoko. Oskar wollte eben beschleunigen, als ein Brum­men einsetzte. Es klang wie ein Vibrieren, als wären alle Schrauben des Flitzers locker. Ein solches Geräusch hatte er in seinem Raumflitzer noch nie gehört. Mit jeder Sekunde wurde es lauter. Die Armatur begann verrückt zu spielen. Über­all blink­te es plötzlich, als hätte jemand einen der Licht­werfer in Gang ge­setzt, die seit eini­ger Zeit bei Ge­burts­tags­partys auf Oronoko der letzte Renner waren. Der Flit­zer ver­lor an Ge­schwin­dig­keit. Einige Leucht­anzei­gen fielen aus. Andere blink­ten wie wild. Oskars Augen blie­ben an der Energie­an­zeige des Raumflitzers hängen. Ener­gie­ver­lust. Nur gut, dass auf den Flit­zer noch Garantie war. Diese Ausfälle waren schließlich nicht seine Schuld. Oskar schob den irren Gedanken zur Seite. Die Frage, ob das hier ein Garantiefall war, war im Augenblick völlig unerheblich. Es ging um Leben und Tod. Und zwar um sein Leben. Und um seinen Tod.

Der Ge­schwin­dig­keits­rausch in dem Oskar sich noch vor weni­gen Sekunden be­funden hatte, war ver­flogen. Ster­ben. Der Ge­danke schnür­te ihm den Hals zu. Er wollte zurück. Unbedingt. Zurück nach Oronoko. Zu seinen Freunden. In das Weltraumdock. Alles war ihm recht, nur nicht sterben. Die hellen Borsten auf seinem Kopf hatten sich aufgerichtet.

Hatte er sich zu Tode amü­siert?

Das Brummen hörte mit einem Schlag auf. Das leise Summen der Antriebsdüsen war plötzlich das einzige Geräusch, das die Pilotenkabine noch erfüllte. Es klang, als würde der Raumflitzer sein Leben aushauchen. Das Summen schlich sich in jeden Winkel und flüsterte Oskar ins Ohr: Aus. Vorbei. Garantie oder nicht – das war's.

Die Ener­gie­an­zeige sackte weiter ab. Sie ging gegen Null. 10 – 9 – 8 - Der Kommuni­kator. Die Stand­ort­bestim­mung. Das erste, was sie im Flug­unter­richt ge­lernt hatten, war, an die Stand­ort­bestim­mung zu denken. Vergessen. Alles vergessen. Er hatte keine Standortbestimmung durchgeführt. 7 – 6 – 5 – 4 - Oskar betätigte ein paar Schal­ter für den Autopiler, um seinen Standort noch schnell nach Oronoko zu funken.

Zu wenig freie Ener­gie.

Der Blaue Planet entfaltete sich vor ihm in seiner ganzen Pracht. Der Anblick dieser Schönheit würde das Letzte sein, das er je zu sehen bekam. Kurs­kor­rektur. 3 – 2 – 1 – Oskars Finger gaben blitzschnell die Daten ein. Das Raumschiff nahm eine Kurskorrektur vor. Es waren die aller­letz­ten Ener­gie­reser­ven. Dann verstummten die Antriebsdüsen, und der Flit­zer bewegte sich ge­räusch­los auf den frem­den Plane­ten zu, nur noch an­getrie­ben durch die ver­blei­bende Schub­kraft. Er hatte sein kleines Raumschiff direkt auf den verbotenen Planeten ausgerichtet, in der Hoffnung, von der Anziehungskraft erfasst zu werden. Oskar starr­te auf den Moni­tor. Die Schub­kraft musste aus­rei­chen! Sie musste aus­rei­chen! Sonst würde er im Welt­raum trei­ben, bis er ver­hun­gert war. Oder vertrocknet. Wahrscheinlich würde er als erstes vertrocknen und dann verhungern. Vom Verhungern würde er dann nicht mehr viel spüren. Die Not­beleuch­tung war nur mit halber Kraft an­gesprun­gen, so dass die Pilo­ten­kabine im Halb­dunkel lag. Der Flitzer wurde langsamer, während er sich dem Planeten näherte. Zu langsam?

‚Ein kleines Stückchen noch’, flüsterte Oskar, ganz leise, so als könnte er seinen Raumflitzer erschrecken, wenn er zu laut sprach. ‚Ein kleines Stückchen. Lass mich nicht im Stich.’

Oskar glaubte zu schweben vor Angst. Dann trat der Flit­zer in die Exosphäre ein, in die äußerste Schich­t der Atmo­sphäre des Blauen Plane­ten. Den Eintrittswinkel hatte die Elektronik des Flitzers bereits automatisch berechnet, als noch Energie dafür vorhanden war: 6,8 Prozent las Oskar auf der Anzeige. Der richtige Winkel. Die Geschwindigkeit reichte aus. Das Raum­schiff wurde schließlich von der An­zie­hungs­kraft des Plane­ten erfasst.

Ge­schafft! Leben. Überleben. Oskar schrie seine Anspan­nung hinaus und trom­melte mit seinen Fäus­ten auf die Armatur des Flit­zers. Ge­rettet! Nicht ein­ge­sperrt in sein kleines Raumschiff, drau­ßen im All. Der Flit­zer ge­wann an Ge­schwin­dig­keit. Ab­brem­sen. Oskar hatte keine Ener­gie zum Ab­brem­sen. Der Raumflit­zer fiel wie ein Stein. Gleit­flug! Alles ver­gessen. Alles. Jeder Flit­zer hatte Gleit­fächer. Diese Fächer wurden mit einer eige­nen Batte­rie be­trie­ben.

Oskar fuhr die Gleit­fächer aus und ver­suchte, den Flit­zer mit der Hand­steue­rung gerade zu halten.

Er hatte zu spät rea­giert.

Das Raumschiff stand beim Aus­fahren der Gleit­fächer bei­nahe Kopf, so dass einer der Fächer einen Riss bekam. Der Flit­zer schaukelte, als wäre er in einen Sturm geraten. Die fremde Welt raste auf Oskar zu. Wälder, Wiesen. Der Flitzer jagte durch graue Wolken. Regen­wolken. Auf Oronoko waren sie eine Seltenheit, aber Oskar konnte im Augenblick keinen Gedanken an die herrlichen Wolken verschwenden. Es gelang ihm, trotz des beschädigten Fächers, den Flitzer in eine halbwegs vernünftige Landeposition zu bringen. Der Aufprall stand kurz bevor. Breite, helle Bänder durchzogen die Landschaft, Bänder, auf denen sich Fahrzeuge bewegten, die von Sekunde zu Sekunde größer wurden. Oskar zog das Steuer weiter zu sich heran, um den Winkel, mit dem er sich der Oberfläche näherte, so flach wie möglich zu halten. Ein Wald kam ins Blickfeld, fremd und bedrohlich. Es knall­te, als hätte jemand eine Blech­dose in Oskars Ge­hirn zerquetscht. Dann kam der Flit­zer abrupt zum Stehen. Oskars Brust wurde zusammengepress­t. Er gab ein dumpfes Keuchen von sich, als der Gurt ihm die Luft abschnürte. Der Druck ließ nach, und Oskar sank zu­rück in seinen Pilotensessel. Der Moni­tor fiel aus, auch die Not­beleuch­tung gab nach einem kurzen Fla­ckern auf. Oskar saß in ab­solu­ter Dunkel­heit und Stille.

Vor­sich­tig be­gann er zu atmen. Seine Brust schmerz­te und sein Herz hämmerte so heftig, dass er genau spürte, wo es sich im Augenblick auf der Reise durch seinen Körper befand. Oskar schnall­te sich ab um tief ein­atmen zu können. Dann fuhr er sich durch die vor Aufregung aufgerichteten Borsten auf seinem Kopf. Ruhig. Er schloss die Augen und besann sich auf seine Atem­übungen. Ganz ruhig. Oskar legte die Spit­zen seiner vier Finger an­einan­der und be­rührte mit den beiden Zeige­fin­gern seine winzige, kaum sichtbare Nase, die nicht mehr war, als ein kleiner Vorsprung im Gesicht. Er atmete tief ein und aus. Der Notkoffer. Wo war der Notkoffer? Unter dem Sitz. Wo sonst?

Als sein Herzschlag sich einigermaßen beruhigt hatte, kramte Oskar blind unter dem Pilo­ten­sitz herum, schließlich hatte er den vertrauten Griff des Koffers in der Hand. Er zog den Not­koffer heraus, tastete nach den Verschlüssen und öff­nete den Deckel. Kurz darauf spürte er die Formen der Hand­lampe zwischen seinen Fingern.

Die Pilotenkabine wirkte fremd im Schein der Lampe. Die Energieversorgung. Er musste sie wieder in Gang setzen. Irgendwie. Der Monitor verfügte ebenso über eine eigene Energiever­sor­gung wie die Gleitfächer. Weshalb funktionierte er trotzdem nicht? Oskar öff­nete den Batte­rie­schacht des Monitors. Ein Kabel hatte sich ge­löst. Mit eini­gen Hand­grif­fen stellte er den Kon­takt wieder her. Kurz darauf tauchte ein Bild auf. Oskar kniff die Augen zu­sammen und starr­te auf einen Wald, dessen Bäume reich­lich merk­würdig aus­sahen. Anders als die Bäume auf Oronoko waren sie er­staun­lich schmal und dräng­ten sich mit ihren Ästen wie Neu­gie­rige an seinen Flit­zer. Außer­dem hatten sie keine Blät­ter, son­dern waren mit grünen Stif­ten be­stückt, die in alle Rich­tungen ab­stan­den. Wie Stacheln. Wie die Borsten auf seinem Kopf. Das hätte witzig sein können, wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre. Eine bizarre Welt war das, in die er da geraten war.

Die Batte­rien der Gleit­fächer muss­ten eben­falls noch Energie haben. Sie waren stark genug, um damit den Kommunikator zu betreiben. Mit Ersatz­kabeln stell­te Oskar eine Ver­bin­dung her. Kurz darauf leuch­tete das grüne Lämp­chen am Kommuni­kator auf. Er konnte seine Freun­de an­funken.

Alpha drei. Dieser Code­name war ihm offiziell zugeteilt worden.

Oskar nahm den Kommuni­kator aus der Ver­anke­rung und drück­te den Knopf, mit dem das Ge­rät akti­viert wurde.

„Alpha drei an Oronoko 14. Alpha drei an Oronoko 14“, krächz­te er.

Außer einem Rau­schen war nichts zu hören.

„Hier Alpha drei“, rief er. „Bin not­gelan­det.“ Oskar schwieg für ein paar Sekun­den, dann ge­stand er: „Auf einem der ver­bote­nen Plane­ten. Solar 770007 –3.“ Er war­tete. Keine Ant­wort. Er wieder­holte seinen Not­ruf - wieder ohne eine Be­stäti­gung zu er­halten. Dann wurde das Rau­schen leiser und hörte schließ­lich ganz auf. Der Kommunikator lag stumm wie ein Stein in seiner Hand. Die Elektronik des Kommunikators musste etwas abbekommen haben, als der Flitzer auf dem Planeten aufgeschlagen war. Der wahre Horror. Der absolute Abltraum. Er konnte niemandem Bescheid geben. Jetzt war er ganz alleine auf sich gestellt.

Eine kalte Hand schien seinen Nacken zu berühren. Das Gefühl überkam ihn in dem Moment, in dem er sah, dass die Batterien der Gleitfächer Energie verloren. Sie verfügten plötzlich nur noch über ein Minimum ihrer Leistung. Auch sie hatten also die Notlandung nicht ohne Beschädigung überstanden. Das war das Ende. Die Energieversorgung des Monitors konnte er für den Kommunikator nicht nutzen, die Technik war dafür nicht ausgerichtet. Von den Gleitfächern hätte er Energie abzapfen können. Doch diese Möglichkeit war nun auch nicht mehr vorhanden. Das bedeutete: Keine Energie. Keine Verbindung. Selbst, wenn er den Kommunikator wieder instand setzen konnte.

Er war von Galaxie zu Galaxie ge­rast, ohne auch nur einen Ge­danken an den Autopiler zu ver­schwen­den. Hätte er ihn beim Start an­geschal­tet, wäre seine Posi­tion alle paar Sekun­den auto­ma­tisch an eine Empfangsstation auf Oronoko ge­sendet worden. So aber wusste nie­mand, wo er war. Nie­mandem hatte er ge­sagt, wohin er flog. Er hatte es ja am Anfang seines Ausflugs selbst noch nicht gewusst. Eine Spritz­tour wollte er machen. Das war alles, was seine Freun­de wuss­ten.

„Alpha drei an Oronoko 14“, wieder­holte Oskar heiser. Er hielt den Kommunikator noch immer fest mit seiner Hand umklammert. Schließ­lich gab er auf und steck­te das Ge­rät zu­rück in die Halte­rung.

Nie hatte Okar sich so ein­sam gefühlt. Nie so elend. Die Welt um ihn herum war fremd, höchstwahrscheinlich sogar ge­fähr­lich. Er ver­suchte, sich an Einzel­heiten über Solar 770007 –3 zu erin­nern. Aber viel war es nicht, was ihm ein­fiel. Er hatte sich immer nur für Tech­nik interes­siert. Für Fächer wie AL (Außer­irdi­sches Leben) hatte er nie be­son­ders viel Zeit auf­gewen­det. ’Nied­rige Zivili­sations­stufe‘, das war das ein­zige, was ihm über den Blauen Planeten in Erinne­rung ge­blie­ben war. Er war also auf einem Plane­ten mit ’nied­riger Zivili­sations­stufe‘.

Das be­deu­tete jedenfalls nichts Gutes.

Ohne ausreichend Ener­gie gab es keine Mög­lich­keit, die Sensoren des Flitzers für eine Ana­lyse der Atmo­sphäre einzusetzen. Er konnte also nicht einmal feststellen, wie die Atmosphäre sich zusammensetzte. Gab es auf diesem Planeten Sauerstoff? Solange er das nicht wusste, konnte er sein Raumschiff nicht verlassen. Er war also letztlich doch ein Gefangener.

Das Mobag!

Fast hätte er auch das noch vergessen. Es gab ein mobiles Ana­lyse­grät im Not­fallkoffer. Einer der älteren Kolle­gen im Welt­raum­dock hatte Oskar ein­mal ge­zeigt, wie man so ein trag­bares Ana­lyse­geräte an die Technik eines Flit­zers an­schloss. Man musste das Mobag nur mit der Haupt­lei­tung ver­binden, die zu den Außen­senso­ren führte. Das mobile Analysegerät war dann in der Lage, die Außensensoren für eine Analyse zu verwenden. Eine kniff­lige Sache. Sofort machte Oskar sich an die Arbeit. Im Schein der Lampe öffnete er die Zentralschaltung der Außensensoren, um das Mobag an die Verbindungen anzuschließen. Die An­gele­gen­heit ge­stal­tete sich zwar schwie­riger als er ge­dacht hatte, aber nach drei Wut­anfäl­len, in denen er zwei­mal in die Hand­steue­rung ge­bissen und ein­mal mit der Faust gegen das Armaturenbrett ge­schla­gen hatte, war es end­lich ge­schafft: Das Ge­rät lie­ferte eine Analyse. Was Oskar an Werten sah, war groß­artig. Keine gifti­gen Stoffe in der Luft, ab­gese­hen von einem etwas erhöhten Wert an Kohlendioxid Aber, und das war das Wichtigste, es war aus­rei­chend Sauer­stoff vor­handen. Man konnte also leben auf dem Plane­ten. Leben. Aber auch über­leben? Oskar hatte keine Waffe dabei. Nichts. Nur das Werk­zeug. Zum Bei­spiel den Schrau­ben­zieher. Wie sollte er sich etwas zu essen be­sorgen? Sollte er mit dem Schrau­ben­zieher außer­irdi­sche Lebe­wesen jagen? Waren die überhaupt genießbar?

Oskar dachte an die ein­samen Tage und Nächte, die auf ihn warte­ten. Er sehnte sich nach seinen Freun­den. Be­son­ders nach Mjira. Wahr­schein­lich würde er keinen von ihnen je wieder­sehen. Er wisch­te sich mit dem Hand­rücken Tränen von den Wangen. Nicht heulen. Er musste ins Freie. Er musste eine Mög­lich­keit finden an Ener­gie zu kommen. Ener­gie für den Kommuni­kator. Das war alles. Die Schä­den am Kommuni­kator würde er vielleicht in den Griff be­kommen. Aber nur vielleicht. Doch wenn die Ver­bin­dung erst stand, wenn er seinen Freun­den mit­teilen konnte, wo er war, würden sie kommen.

Mit einem Ruck öff­nete Oskar die Ausstiegsluke und kletterte ins Freie. Langsam ließ er sich von seinem Flitzer herabgleiten. Der Boden war weich und mit den brau­nen, spitzen Teilen be­deckt, die auch an dünnen Ästen hingen. Die Bäume waren nicht sehr kräf­tig, stan­den aber dicht bei­sammen. Der Flit­zer hatte einige der kleineren Gewächse ziemlich beschädigt und war schließ­lich an dem kräf­tigen Wurzel­ge­flecht eines umgestürzten Baumes hän­gen geblie­ben.

Oskar klet­terte schwang sich wieder auf seinen Flit­zer und sah sich um. Der überwiegend aus jungen Bäumen bestehende Teil des Waldes, in dem sein Flit­zer notgelandet war, wurde halb­kreis­förmig von weitaus größeren Bäumen eingegrenzt, die schon mehr Ähn­lich­keit mit denen auf Oronoko hatten, da eini­ge von ihnen ausladende Äste aufwiesen, an denen rich­tige Blät­ter hingen. Die offene Seite des Waldes gab den Blick frei auf eine grüne Wiese, über der graue Wolken hingen. Ein herr­licher An­blick. Auf Oronoko gab es nur sehr wenige frucht­bare Gegenden. Diese Gegenden waren natürlich be­liebte Wohn- und Urlaub­sorte. Dunkel erin­nerte Oskar sich nun auch wieder an einige Fakten, die er über den Blau­en Plane­ten gehört hatte: Gut zwei Drit­tel Wasser, Salzwasser allerdings - viele verschiedene Klimazonen. Nie hätte er ge­dacht, dass er diesen Theo­rie­schrott aus dem AL-Unter­richt ein­mal brau­chen könnte.

Oskar besah sich die Gleitfächer. Der Riss in einem der Fächer war ziemlich groß, aber man konnte ihn wieder zusammenflicken. Die Mechanik selbst schien nicht beschädigt zu sein. Für einen Start würde er die Fächer ohnehin nicht gebrauchen. Oskar spürte eine tiefe Müdig­keit, die seinen ganzen Körper erfasst hatte. Genau genommen war es eher eine Mischung aus Müdigkeit und Hoffnungslosigkeit. Viel­leicht sollte er schla­fen und später, wenn er aus­geruht war, die Um­gebung er­kunden. Sofern man von Aus­ruhen überhaupt spre­chen konnte. Der Flit­zer war nicht für län­gere Reisen ein­gerich­tet, und so er­war­teten Oskar ziem­lich un­gemüt­liche Nächte.

Er kletterte zurück in die Kabine und verschloss die Ein- und Ausstiegsluke wieder. Was sollte er tun? Aus einem kleinen Funken Hoffnung heraus, der plötzlich aufflammte, versuchte er den Raumflitzer zu starrten, aber das leise Summen, das aufflammte, verstummte bald wieder. Der Ge­danke an sein rundes Bett in dem Haus am Fels­hang, das er mit seinen Freunden bewohnte, an den herr­lichen Aus­blick durch die riesi­gen Fens­ter, ließ Oskar eine unendliche Traurigkeit verspüren. Schweren Herzens dachte er daran, was seine Freun­de  durch­machen würden, sobald sie versuchten ein Lebens­zei­chen von ihm zu bekommen.

Oskar kletterte erneut aus dem Flitzer. Seine nackten Füße strichen über den Waldboden. Die spitzigen Dinger, die überall lagen, fühlten sich kitzlig an. Zum Schlafen hatte er keine Ruhe. Doch was sollte er tun? In einem fremden Wald, auf einem fremden Planeten, in einer fremden Galaxie -

Ein Knacken. Nicht weit hinter ihm. Oskar vergaß zu Atmen. Jemand war in der Nähe. Was immer es war, es starr­te ihn an. Oskar spürte es mit jeder Faser seines Körpers. Dieses Etwas beobachtete ihn. Seine Borsten standen wieder aufrecht. Er drehte sich vorsichtig um. Sehr vorsichtig. Was er sah, lähmte ihn vor Schreck. Es war grauenhaft. Ein Wesen, grauenhafter als alles, was er bisher in seinem Leben gesehen hatte.

Oskar schrie vor Ent­set­zen.

Heri­bert Raffze

Fran­ziska glaub­te ihren Augen nicht zu trauen.

„Da ist Heri­bert“, sagte sie.

Moritz, der ge­rade damit be­schäf­tigt war eine Kartof­fel mit einem Stock aus dem Lager­feuer zu holen, sah über­rascht auf.

„Heri­bert?“, raunz­te er.

Er stand lang­sam auf und glotz­te mit Fran­ziska hinü­ber zum Zaun. Dort stand er. Tat­säch­lich. Heri­bert. Brav war­tete er vor dem Tor, an dem der Brief­kasten und die Klin­gel mit der Aufschrift ‚Fam. Thomas‘ be­fes­tigt waren. Der Briefkasten hing etwas schief, aber das störte schon lange niemanden mehr.

„Was will der hier?“

Fran­ziska zuckte mit den Schul­tern.

„Fragen wir ihn“, sagte sie und ging tapfer auf den war­tenden Heri­bert zu. Moritz wisch­te sich die schmut­zigen Hände an der Hose ab und folgte ihr. Auf Besuch waren sie wahrlich nicht vorbereitet. Fran­ziska, die ein klei­nes Stück vor ihm ging, trug ihre Latz­hose mit den großen roten Fli­cken auf den Knien und ein weißes Hemd, das aus­sah, als hätte man es aus einer Lumpen­samm­lung ge­holt. Moritz trug eine Jeans, die oben herum für seinen kräf­tigen Bauch zu eng und unten zu weit war. Sein rotes Hemd, ein altes Stück seines Stief­vaters, hatte er nachlässig in die Hose gestopft.

Viel­leicht war Heri­bert nur ge­kommen, um die Aus­sätzi­gen zu be­gaffen, die in einer Ansammlung alter Zirkus­wagen auf einem ver­rotte­ten Grund­stück haus­ten. Am Rande des Dorfes. Die Schmuddelstiefkinder des ehe­mali­gen Zirkus­direk­tors Thomas. Viel­leicht reich­te es Heribert nicht mehr, sich in der Schule über sie zu amü­sieren. Viel­leicht brauch­te er die nötige Droge Fun schon in den Ferien und kam des­halb auf ein paar Lacher vor­bei.

„Was willst du?“, fragte Fran­ziska ab­wei­send und Moritz unter­strich den Ton­fall seiner Schwes­ter durch ein grim­miges Ge­sicht.

„Ich war ge­rade mit dem Rad unter­wegs“, meinte Heri­bert. „Und da hab ich mir ge­dacht, ich schau mal vor­bei. Habt ihr was da­gegen?“

„Ist deine Sache“, meinte Fran­ziska und wandte sich schon zum gehen.

„Warte“, Heri­bert kratzte sich etwas un­sicher am Kopf. „Ich dachte mir, lass die ande­ren reden. Schau ein­fach mal bei Fran­ziska und Moritz vor­bei. Viel­leicht sind sie ja gar nicht so doof wie immer ge­sagt wird.“

Franz­iska und Moritz warfen sich einen skepti­schen Blick zu.

„Und was er­war­test du jetzt?“, fragte Fran­ziska.

„Viel­leicht zeigt ihr mir ein­fach wie ihr wohnt und wir quat­schen ein biss­chen.“

Fran­ziska öff­nete etwas ruppig das Tor, das aus einem ein­fachen Holz­ge­stell be­stand, das mit einem Ma­schen­draht bespannt war. Moritz gab ein un­willi­ges Grun­zen von sich. Wenn es nach ihm ge­gangen wäre, hätten sie Heri­bert Wur­zeln schla­gen lassen. Es war noch nicht so lange her, da hatte Heri­bert ein paar Regenwürmer in Moritz’ Feder­mäpp­chen versteckt.

Heri­bert Raffze kam herein und schloss das Tor hinter sich, dann folgte er Fran­ziska und Moritz, die zu­rück zum Lager­feuer gingen.

„Ihr dürft hier ein­fach Feuer machen?“, fragte er.

„Das ist unser Grundstück“, sagte Fran­ziska nicht ohne Stolz. „Hier dürfen wir alles. Wir müssen nur auf­passen, dass nichts ab­brennt.“

Sie setzten sich auf die Obstkisten, die um das Feuer standen. Das Holz knackte in den Flammen.

„Willst du eine ge­brate­nen Kar­toffel?“, fragte Moritz.

Er fand lang­sam Ge­fallen daran, einem wie Heri­bert Raffze zu zeigen wie er und Fran­ziska lebten. Viel­leicht kam bei Heri­bert sogar ein biss­chen Neid auf. Schließ­lich hatten sie ein riesiges Grund­stück auf dem jede Menge Platz war. Und die große Musik­maschi­ne. Außerdem ein Pony, eine streu­nende Katze und Hühner. Nicht zu ver­gessen die alten Zirkus­wagen, in denen sie wohn­ten. Ein Schlaf­wagen für Ehrenfried und einen mit zwei Zim­mern für ihn und Fran­ziska. Außer­dem einen Wagen der als Bad, Küche und Wohn­zimmer ge­nutzt wurde und den sie den ‚Wohnwagen‘ nannten. Alle Wagen waren gut isoliert und hatten Wasser und Strom­an­schluss. Es gab auf dem Grundstück sogar eine eigene Kläranlage.

„Könnt ihr euch wa­schen?“, fragte Heri­bert, wäh­rend er an der heißen Kar­toffel herum­zupfte.

„Klar“, sagte Moritz ge­nervt.

„Stin­ken wir viel­leicht?“, fragte Fran­ziska ge­reizt.

„Das hab ich nicht ge­sagt“, wie­gelte Heri­bert ab. „Das sagen Ma­nuela und ein paar andere.“

„Ich weiß schon wer“, meinte Fran­ziska.

„Bole und dieser Hans Hässlich“, sagte Moritz grim­mig. „Die beiden und Manuela erzählen doch überall herum, dass wir stinken würden.“

„Hans Hase­lich“, korri­gierte Heri­bert pi­kiert, so als wäre Hans Hässlich sein bester Freund.

„Für uns heißt er Hans Hässlich“, unter­stütz­te Fran­ziska ihren Bruder.

Heri­bert Raffze ließ die Sache auf sich be­ruhen.

„Eigent­lich ganz span­nend hier“, meinte er. Dann pus­tete er heftig auf die heiße Kar­toffel, ehe er sie stück­weise aß.

Fran­ziska be­obach­tete ihn wie ein frem­des Wesen, von dem man nicht so recht wusste, ob es ge­fähr­lich war oder nicht.

„Meinst du das im Ernst, was du da sagst?“, fragte sie.

„Klar“, kaute Heri­bert und nickte dabei so heftig, dass er sich fast ver­schluckt hätte. „So in der Wildnis leben. Ohne Handys. Und ohne Computer.“

„Handys brauchen wir nicht“, meinte Franziska.

„Uns ruft eh keiner an“, ergänzte Moritz und biss sich gleich darauf auf die Zunge.

„Ehrenfried hat einen Computer, den wir auch benutzen können“, fügte Franziska hinzu und ließ ihren Blick eine Weile mahnend auf ihrem Bruder ruhen.

„Und wo sind eure Zimmer?“

„Da drüben.“

Moritz zeigte auf den Wagen, in dem er und Franziska ihre Zimmer hatten.

„Ist das schön, in so einem Zirkus­wagen zu leben?“

„Ich möchte nirgends anders leben“, meinte Fran­ziska.

„Unser Onkel war schließ­lich Zirkus­direk­tor“, warf Moritz ein, der etwas Ver­trauen zu Heri­bert ge­fasst hatte. „Das ist alles, was von seinem Zirkus übrig ist.“

„Ich weiß“, sagte Heri­bert. „Meine Mutter hat mir vom Zirkus ’Thomas‘ er­zählt. Euer Onkel hat ihn heruntergewirtschaftet.“

Fran­ziska stand auf.

„So ein­fach ist das auch nicht“, sagte sie „So ein Zirkus hat es schwer. Die Leute gehen nicht so oft in den Zirkus. Außer­dem ist es ganz schön teuer, die ganzen Tiere zu versorgen.“ Fran­ziska steck­te die Hände in die Hosen­ta­schen. „Willst du nun unsere Zimmer sehen?“, fragte sie etwas unwirsch.

Sie hatte offensichtlich genauso wenig Lust wie Moritz, sich Heri­bert Raffze auf­zu­drän­gen. Heri­bert sprang wie von einer Feder abge­schos­sen hoch.

„Klar.“

Fran­ziska schlen­derte hinü­ber zu dem Wagen, den sie erst vor zwei Jahren frisch gestrichen hatten, in Franziskas Lieblingsfarbe - grün. Mit roten Punkten! Die Punkte waren Ehrenfrieds Idee gewesen. Moritz hatte keine Vorlieben, was den Anstrich des Wagens betraf. Hauptsache Farbe. Onkel Thomas hatte ihnen damals gezeigt, wie man so etwas machte und hatte sie dann alleine malern lassen. Moritz und Franziska hatten jede Menge Spaß dabei gehabt, aber das wollte er Heribert Raffze nicht erzählen. Der Wagen, und die Farbe und das anmalen, das gehörte nur seiner Schwester und ihm.

Heri­bert ging neben Franziska, dabei leckte er sich die Finger von den Kar­toffel­resten frei. Moritz folgte den beiden. Er wusste noch nicht so recht, was er von der neuen Auf­geschlos­sen­heit Heribert Raffzes halten sollte. Trotz der Skepsis hatte sich eine ge­wisse Vor­freude in seinem Bauch breit ­ge­macht. Wenn sie mit Heri­bert in der Schule nun einen Ver­bünde­ten ge­winnen würden, würde die Mauer der Ab­leh­nung, die gegen ihn und Fran­ziska be­stand, seit sie zur Schule gingen, viel­leicht zu brö­ckeln be­ginnen. Viel­leicht. Zu viel wollte Moritz nun auch nicht erwarten. Bisher hatte es immer nur Ent­täu­schungen gegeben.

Der Zirkus­wagen hatte zwei Türen, die von außen in die jewei­ligen Zimmer führ­ten. Alledings waren Fran­ziskas und Moritz' Zimmer durch eine Zwi­schen­tür mit­einan­der ver­bunden. Da Moritz seine Be­hau­sung – wie immer – nicht auf­ge­räumt hatte, zeigte Fran­ziska dem un­erwar­teten Gast ihr Zimmer.

„Und wie heizt ihr im Winter?“, fragte Heri­bert. Er schien wirk­lich interes­siert daran zu sein, wie die beiden Außen­seiter lebten.

„Mit Holz“, sagte Fran­ziska. „Hier ist ein Holz­ofen. Wenn es drau­ßen kalt ist und Schnee liegt und hier drin­nen der Holz­ofen pras­selt, dann ist das rich­tig ge­müt­lich.“

„Du kannst gerne ein­mal kommen im Winter“, meinte Moritz. „Dann – “

Er kam nicht da­zu den Satz zu Ende zu spre­chen. Heri­bert hatte etwas aus seiner Hosen­tasche gezogen und fal­len gelas­sen. Nun trat er mit dem Fuß darauf. Im nächs­ten Augen­blick war er aus der Tür, sprang die drei Holz­stufen hinab und rannte auf das Tor zu. Ein fauli­ger Ge­ruch stieg Moritz in die Nase. Fran­ziska ver­zog eben­falls das Ge­sicht. Stink­bombe. Heri­bert Raffze hatte eine Stink­bombe zer­treten.

Moritz don­nerte aus der Tür. Fast wäre er die Holz­stufen hinab ge­stolpert. Er ver­wünsch­te sein Über­ge­wicht und rannte so gut es ging hinter Raffze her.

„Du Wild­sau“, keuch­te er wütend. „Du Schwein.“

Das auf­müp­fige Ki­chern Heri­bert Raffzes sporn­te Moritz zwar an, aber gegen die Natur seines Kör­pers war er macht­los. Er war zu schwer­fällig, um Raffze ge­wach­sen zu sein. Franziska war schnel­ler. Sie raste an ihm vor­bei und folgte Heri­bert Raffze, als dieser außer­halb des Grund­stü­ckes den Feld­weg ent­lang sprin­tete. Sein Fahr­rad hatte er ste­hen lassen. Fran­ziska war ihm zu dicht auf den Fersen ge­wesen, als dass er es sich hätte er­lauben können auf das Rad auf­zu­steigen.