Out of Office - Elke Frank - E-Book

Out of Office E-Book

Elke Frank

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Beschreibung

Einst waren die Büros die Verheißung auf eine bessere Arbeitswelt – in der heutigen Gesellschaft von digital vernetzten Wissensarbeitern verlieren diese an Bedeutung. Die entscheidenden Fragen lauten: Wie, wo und wann wollen wir zukünftig arbeiten? Und was muss sich in den Köpfen und Unternehmen ändern, damit wir den Anschluss an das neue digitale Wirtschaftswunder nicht verpassen? Mit anderen Worten: Hier ist eine nachholende Revolution (über)fällig, eine Emanzipation von Ort und Zeit, vom »nine to five«, eine Abkehr von der strikten Trennung von »harter« Arbeit tagsüber und »endlich« Freizeit und »echtem« Leben danach. Bis dahin ist es noch ein weiter, aber notwendiger Weg. Was sich in Unternehmen und Gesellschaft dafür ändern muss, ja ändern wird, haben Elke Frank und Thorsten Hübschen aus ihrer Praxis reflektiert und auf den Punkt gebracht. In ihrem Buch beschreiben sie alle Aspekte des nötigen Umbaus der Arbeitsorganisation und Arbeitswelt: weg vom klassischen Büroalltagskorsett, hin zu einer mitarbeitergestalteten, flexiblen und mobilen Arbeitsweise und vertrauensbasierten Unternehmenskultur. Ihre Konzepte, Modelle und Prozessbeschreibungen sind nicht nur zukunftsweisend, sondern auf viele Firmen übertragbar.

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Seitenzahl: 264

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

2. Auflage 2015

© 2015 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: J. T. A. Wegberg, Berlin

Umschlaggestaltung: Melanie Melzer, München

Autorenfotos: © Microsoft Deutschland GmbH

Satz: inpunkt[w]o, Haiger

ISBN Print 978-3-86881-582-5

INHALT

Vorwort von Götz W. Werner

Einleitung

Teil I Wir Wissensarbeiter

1. Nicht mal einen Parkplatz

2. »Es liegt zwischen den Ohren!«

3. Wie ein alter Fernsehbericht

4. Wie schafft man Wissen?

5. Von der Information zum Wissen

Teil II Lösungen von gestern führen nicht in die Arbeitswelt von morgen

6. Wie wir uns entfremdeten

7. Das Ende der Postkarten-Romantik

8. Stress: oder Wie krank ist die eigene Firma?

Teil IIIDie Arbeit neu erfinden

9. Der Dreiklang der Arbeitswelt von morgen

Der Mensch

10. Die Zukunft gehört den virtuellen Teams

11. Donnerstag, 14 bis 16 Uhr: »Nichts«

12. Führen, wenn das Team zu Hause sitzt

13. Wollen wir lauter Fleißbienchen?

14. »Wir müssen die Work-Life-Balance verbessern!«

15. Geld macht nicht unglücklich, aber auch nicht glücklich

Ort

16. Neue Arbeit nicht nur denken

17. Amsterdam, Wien, Madrid und Lissabon

Technologie

18. Als ich noch am Festnetz saß

19. Wie ist die neue Arbeitswelt? Sie ist vernetzter

20. Neue Technologien

21. Fern und trotzdem nah

Teil IVEin digitales Bündnis für Arbeit in Deutschland

22. Arbeit und Digitalisierung

23. Die Synchronisation

24. Doch nicht überall Weltmeister

25. Graue Experten

26. Der Abschied vom Gestern

27. Haben wir eigentlich genug Kabel?

28. Nah am Menschen

Danksagung

Leseempfehlungen

VORWORT

von Götz W. Werner

Ein befreundeter Unternehmer zeigte mir eines Tages seine Firma. Als er mich in sein Büro führte, sagte er: »Hier wird gedacht!« Die zahlreichen Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter kommentierte er mit: »Und dort wird gemacht.«

Diese Begebenheit ist schon einige Jahre her, aber sie kam mir sofort in den Sinn, als ich das Manuskript von Elke Frank und Thorsten Hübschen zu diesem Buch las. Mein Erlebnis veranschaulicht einen Zeitgeist, der der Vergangenheit angehört, als ein Chef seinen Mitarbeitern noch sagte, was sie tun sollen. Für einen jungen Menschen, der erst seit einigen Jahren Einblick ins Wirtschaftsleben hat, klingt diese Anekdote wie eine Geschichte aus einer anderen Epoche. Tatsächlich liegt das Erlebnis nicht einmal zwanzig Jahre zurück.

Entwicklung ist ein diskontinuierlicher Prozess, der irreversibel in der Zeit verläuft – insofern sind Entwicklungssprünge nicht überraschend, und doch bleibt die Frage, wie Unternehmen auf die neue Situation antworten können. Wesentlich für die heutigen Verhältnisse ist: Individualismus und Autonomie sind keine Begriffe mehr, mit denen sich nur Soziologen beschäftigen, sondern Realität in jedem erfolgreichen Unternehmen.

Ein Unternehmen, in dem nur in der Geschäftsführung »gedacht« wird, kann den Anforderungen der Zeit nicht mehr gerecht werden. Die Verhältnisse ändern sich beständig, sodass »Wissen kontinuierlich revidiert, permanent als verbesserungswürdig angesehen« werden muss, um es mit Worten aus diesem Buch zu beschreiben. Eine Folge ist, dass heute jeder Einzelne situative Geistesgegenwart benötigt, um Aufgaben bewältigen zu können. Man greift sinnbildlich schnell daneben, wenn man Antworten oder Methoden von gestern tradieren, perpetuieren oder repetieren will, ohne sie zuvor zu hinterfragen und gegebenenfalls umzudenken. Unternehmen sind heute nur so erfolgreich wie die Menschen darin. Je mehr Menschen in einem Unternehmen selbst erkennen, worauf es ankommt, und dann eigeninitiativ tätig werden, umso unternehmerischer ist das Unternehmen.

Was mich an diesem Buch überzeugt hat, ist erstens, dass die beiden Autoren dieses Zeitphänomen aufgreifen und treffend benennen – mit dem von Peter F. Drucker geprägten Begriff Wissensarbeit: »Wissensarbeiter agieren autonom und managen sich selbst, sie definieren ihre Aufgaben selbst.« Vor diesem Hintergrund leuchtet jedem ein, warum moderne Führung stets zur Selbstführung anregen will. Führung ist heute nur noch legitim, wenn sie die Selbstführung der anvertrauten Mitmenschen zum Ziel hat.

Zweitens, dass sie die zahlreichen Facetten dieses Zeitphänomens wie »Führen heißt dienen« oder »Wer bin ich für euch? Nur Arbeitskraft? Oder auch soziales Wesen?« klar und pointiert beschreiben. Eine Facette, die mir persönlich sehr am Herzen liegt, wird im Kapitel 14 behandelt: »Wir müssen die Work-Life-Balance verbessern? Nein. Müssen wir nicht. Wir müssen Leben und Arbeiten neu organisieren. Eine Trennung der beiden Welten sollte nicht das Ziel sein.«

Die Begriffe Arbeitszeit und Freizeit sind irreführend. Denn letztendlich ist es immer die eigene Lebenszeit, um die es geht. Und Lebenszeit ist eine sehr knappe Ressource, mit der jeder Mensch so umgehen sollte, dass er am Ende seines Lebens sagen kann: Das war sinnvoll! Je mehr Wissensarbeiter es gibt, je mehr Menschen die Verhältnisse hinterfragen, umso mehr Menschen wird klar, dass es für einen Lebensunternehmer, der seine eigene Biografie aktiv gestaltet, Sirenengesang ist, in Kategorien von Arbeitszeit und Freizeit zu denken.

Überhaupt ist der Begriff »Balance« eine Blendgranate, die vom Wesentlichen ablenkt. Im Leben geht es nicht um Balance – wer arbeitet, kann sich nicht gleichzeitig um seine Familie kümmern –, sondern stets darum, einander naturgemäß widersprechende Pole in einen gesunden Rhythmus zu bringen. Es ist wie beim Atmen: Wer nur einatmet, stirbt, wer nur ausatmet, stirbt ebenso. Ein Unternehmen, das nur Kostenmanagement betreibt, ist genauso zum Scheitern verurteilt wie ein Unternehmen, das beständig investiert. Im Rhythmus zwischen diesen Polen liegt die Kraft! Wer den für ihn angemessenen Rhythmus zwischen einander ausschließenden Aufgaben findet, der ist erfolgreich.

Drittens hat mich überzeugt, dass die Autoren dieses Buches bei ihren persönlichen Erlebnissen und Beobachtungen nicht von ihrer Perspektive abkommen – nämlich einer Perspektive, die den Menschen im Blick hat. Diese Perspektive ist heute nicht selbstverständlich. Wer den Wirtschaftsteil einer Zeitung liest, meint, die Menschen seien für die Wirtschaft da. Fakt ist: Es ist genau umgekehrt, denn ohne Menschen gäbe es keine Wirtschaft. Die Menschen sind nicht das Mittel, sondern der Zweck der Wirtschaft. Und die wichtigsten Menschen für ein Unternehmen sind die Mitarbeiter. Sie verbinden sich mit dem Unternehmen. Wenn es nicht gelingt, ihnen zu vermitteln, worauf es ankommt, braucht man es bei anderen Menschen erst gar nicht zu versuchen.

Die im Titel selbst gestellte Aufgabe »Warum wir die Arbeit neu erfinden müssen« beleuchten die beiden Autoren auf eindrucksvolle Weise. Mit ihrer Forderung nach einem gesellschaftlichen Diskurs, um ein »neues Verständnis von Arbeit zu entwickeln«, treffen sie den Nerv der Zeit. Denn die überlieferten Vorstellungen von Arbeit passen nicht mehr zur Wirklichkeit. Eine Auseinandersetzung mit diesem Thema ist dringend nötig.

Die aktuelle Entwicklung hin zu mehr Wissensarbeit eröffnet Chancen, aber wie vermeiden wir die Theoriefalle und nehmen uns – wirklich alle! – als geistig göttliche Wesen wahr? Oder wie Goethe schreibt:

Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben, Sucht erst den Geist herauszutreiben, Dann hat er die Teile in seiner Hand, Fehlt, leider, nur das geistige Band.

Wissensarbeit birgt neue Chancen: die Möglichkeit, dass immer mehr Menschen Arbeit als Lebensinhalt begreifen – wobei jede Tätigkeit für einen anderen als Arbeit anerkannt werden muss, unabhängig davon, ob und wie gut sie bezahlt wird. Das Einkommen benötigen wir, um leben zu können, die Arbeit, um uns entwickeln zu können. Wenn das gelingt, wird der Arbeitsplatz zum Lebensschauplatz – zu einem Teil der eigenen Biografie, den jeder als Lebensunternehmer selbst gestaltet.

Götz W. Werner

Stuttgart, im Frühling 2015

EINLEITUNG

Die Frage kommt immer. Sie kommt ganz selbstverständlich im Bewerbungsgespräch. Jede Bewerberin, jeder Bewerber fragt uns heute: Wie halten Sie es mit dem flexiblen Arbeiten? Kann ich mein Leben, meine Familie mit dem Beruf vereinbaren? Das machen übrigens nicht nur jüngere Bewerber, auch die älteren. Jeder, wirklich jeder will wissen: Wer bin ich für euch? Nur »Arbeitskraft«? Oder auch soziales Wesen?

Wer darauf als Arbeitgeber heute keine Antwort hat, sieht alt aus – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Bis zum Jahr 2025 geht das Potenzial der Erwerbsfähigen in Deutschland um 3,6 Millionen auf 41,1 Millionen Menschen zurück. Langfristig fehlen 6,5 Millionen Arbeitskräfte. Zudem sinkt die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter von heute rund 50 Millionen bis zum Jahr 2050 auf 26,5 Millionen.

Uns gehen die Arbeitskräfte aus. Der demografische Wandel verändert den Arbeitsmarkt des 21. Jahrhunderts. Die Zahl der Arbeitnehmer sinkt, der Bedarf an Fachkräften steigt weiter an. Ingenieure, IT-Fachkräfte und auch Mediziner werden dringend gesucht. Unternehmen müssen ihren Bewerbern künftig deshalb mehr bieten als Gehalt und Stelle, mehr als Sicherheit und Chancen. Es geht um Lebensqualität. Und Lebensqualität heißt: gutes Arbeiten, heißt: flexibles Arbeiten.

Doch das ist nur ein Teil der Geschichte.

Parallel erleben wir eine digitale Revolution, deren Ende wir längst nicht absehen können. Wir sehen, wie der Online-Handel das Kaufverhalten der Menschen massiv verändert hat (inzwischen liegt der Umsatz beim Online-Handel allein in Deutschland bei mehr als 42 Milliarden Euro). Wir sehen, wie die sozialen Netzwerke eine völlig neue Form der Kommunikation geschaffen haben. Vier von fünf Internetnutzern in Deutschland sind in einem sozialen Netzwerk angemeldet, und viele pflegen ihren Austausch inzwischen auf der digitalen Ebene.

Wir sehen und registrieren das – wollen aber doch nur recht zaghaft wahrhaben, dass die neuen Technologien auch die Art und Weise der Arbeit und der Zusammenarbeit revolutionieren werden.

Bei der Debatte um die Arbeit der Zukunft ist es allerdings immer wieder erstaunlich, dass der Wandel in der Arbeitswelt mit Rezepten der Vergangenheit gemeistert werden soll. Denn das wird nicht mehr ausreichen. Wir brauchen vielmehr ein grundlegend neues Bild von Arbeit – nicht nur, um Bewerbern eine Stelle schmackhaft zu machen. Ein neues Verständnis von Arbeit ist vielmehr das Fundament für den Aufbruch in die digitale Gesellschaft. Wir werden die Digitalisierung nur meistern können, wenn wir uns von althergebrachten Vorstellungen von Arbeit lösen.

Wir, und damit sind sowohl Unternehmen als auch jeder Einzelne gemeint, müssen neue Wege einschlagen, wenn wir die Fähigkeiten und Interessen der Menschen mit den Interessen und Zielen eines Unternehmens vereinbaren wollen.

Deshalb verstehen wir dieses Buch auch als so etwas wie einen Reiseführer, als einen Navigator in die Arbeitswelt von morgen. Und zwar in erster Linie für Wissensarbeiter. Uns ist bewusst, dass der Begriff »Arbeit« auch Handwerker, Industriearbeiter, Verkäuferinnen und andere Dienstleister mit einschließt. Wir haben dieses Buch jedoch in erster Linie mit der Absicht verfasst, die Büroarbeit der Zukunft neu zu definieren. Aus einem einfachen Grund: In Büros kennen wir uns aus.

Wir, das sind Elke Frank und Thorsten Hübschen. Wir sind Führungskräfte beim Technologiekonzern Microsoft, und wir erleben den Wandel in der Arbeitswelt hautnah bei uns im Unternehmen. So haben wir bei Microsoft Deutschland seit geraumer Zeit die Präsenzpflicht aufgehoben. Keiner muss ins Büro. Jeder hat die Wahl: Will ich heute lieber zu Hause, im Park oder doch am Schreibtisch in München arbeiten? Es wurde offensichtlich: Wir können Menschen nicht länger an einen Ort binden und von ihnen ihre Arbeits- und Schaffenskraft einfordern, ohne ihnen eine angemessene und individuelle Arbeitsumgebung zu schaffen. Und das aus einem einfachen Grund: Bei uns arbeiten größtenteils sogenannte Wissensarbeiter.

Wissensarbeiter, das hat die Beraterlegende Peter F. Drucker schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts erkannt, »agieren autonom und managen sich selbst, sie definieren ihre Aufgaben selbst – und: Sie sind keine Arbeitskräfte, sondern das Kapital der Firma«.

Drucker war es auch, der den Begriff »Wissensarbeiter« geprägt hat – und erst heute wird allmählich klar, wie relevant die Drucker’schen Einschätzungen für die Arbeitswelt von morgen sind. Noch zu wenig wird Wissensarbeitern die Wertschätzung zuteil, die angebracht wäre. In vielen Unternehmen sind Wissensarbeiter noch starren Regeln und strengen Hierarchien unterworfen – ein Klima, in dem Kreativität und Innovation nicht immer gedeihen können. Auch deshalb forcieren wir einen Wandel – nicht ohne auf die andere Seite der Medaille zu verweisen.

Denn es wäre zu kurz gedacht, die Mitarbeiter einfach von der Leine zu lassen nach dem Motto: Seht mal zu, wie ihr zurechtkommt, ihr seid ja alle so schlau, und nächsten Monat sehen wir uns wieder. Oder übernächsten. Das wird so nicht funktionieren. Voraussetzung für ein Gelingen des neuen Arbeitens ist das konsequente Führen nach Zielen. Ohne konkrete, individuell ausgehandelte und vor allem auch messbare Ziele wird das flexible Arbeiten scheitern. Darin steckt die eigentliche Herausforderung beim Wandel der Arbeitswelt.

Wir bei Microsoft gehen daher einen sehr konsequenten Weg. Gerade wegen der Aufhebung der Präsenzpflicht fühlen wir uns verpflichtet, Ziele genauer zu formulieren. Wir prüfen nicht nur einmal pro Jahr die Zielvorgaben, wie das in vielen Unternehmen üblich ist, sondern konkretisieren die abgestimmten Ziele mindestens einmal im Quartal. Flexibles Arbeiten sollte auf einer gesunden Mischung aus Vertrauen, Kommunikation und Zielvereinbarung basieren. Wie sich das vereinbaren lässt, werden wir in diesem Buch darlegen.

Klar ist: Die Kollegen wissen selbst, wie sie ihre Arbeit sinnvoll und zum Wohl (und Erfolg) des Unternehmens verrichten. Sie sind in der Tat selbst in der Lage, gute Entscheidungen zu treffen. Wir vertrauen ihnen da auf ganzer Linie und haben uns daher konsequent vom Glauben gelöst, Mitarbeiter eng kontrollieren zu müssen.

Wir müssen sie achten und wertschätzen. Aber wir müssen ihnen die Wahl lassen – denn sie wissen, was sie tun. Das ist der erste Schritt in die Arbeitswelt von morgen: Gute Führungskräfte behandeln ihre Mitarbeiter wie erwachsene Menschen, die in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen. Damit wollen wir auch beispielgebend sein.

Denn flexibles Arbeiten, auch »Smart Working« oder »New Way of Work« genannt, das ist keine PR-Veranstaltung, bei der man sich als Unternehmen profilieren kann, oder gar eine Zierde unter dem Motto: »Wenn alle nett sind, sage ich zu ihnen: Arbeitet doch heute alle mal im Park!« Wer sich mit solchen Incentives zufrieden gibt, bleibt aus unserer Sicht auf halber Strecke stehen. Das sind nämlich nur Kompromisse, kleine, gut wirkende Ergänzungen, die aber knapp am Problem vorbeizielen. In Wahrheit geht es um die Art des Arbeitens, geht es um DIE ARBEIT.

Wir werden in Zeiten der Digitalisierung die Art, wie wir als Menschen miteinander Dinge tun, grundlegend ändern müssen. Wir müssen die Arbeit neu erfinden – um die zukünftigen Herausforderungen zu meistern.

Für Microsoft führt der Weg in die neue Arbeitswelt über drei Aspekte:

– Menschen

– Orte

– Technologien

Nur wem es gelingt, diese drei Faktoren sinnvoll und mitarbeitergerecht zu verbinden, kann die nächste Station auf dem Weg in die neue Arbeitswelt in Angriff nehmen.

Das Problem ist, dass die »Arbeit« zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Deutschland noch zutiefst von Denkweisen und Strukturen des Industriezeitalters geprägt ist, obwohl mittlerweile die Mehrzahl der deutschen Arbeitnehmer in Nicht-Fertigungsjobs arbeiten und so etwas wie »Routine« bei den meisten Jobs kaum mehr gegeben ist. Trotzdem denken wir: Arbeit ist immer noch irgendwie Fabrikarbeit – Tag für Tag, Stein auf Stein –, nur eben jetzt in modernen Wissens- und Verwaltungsfabriken, den Büros. Im Grunde eben immer noch ein maschinelles Herstellen von irgendetwas.

Dabei hat die Digitale Revolution längst den Schwerpunkt verschoben, viele klassische Arbeitsschritte in Büros und Geschäften weitgehend automatisiert. Die Betonung liegt künftig eher auf der sogenannten Interaktionsarbeit, auf austauschbasierten Kooperationen mit anderen – ganz gleich über welche Kanäle.

Doch nicht nur die Arbeit ändert sich, auch die Wertschätzung und Definition von Leistung wandelt sich. Auch familiäre »Leistung« sollte von Unternehmen honoriert werden. Wer eine Familie gründet und spürt, dass sein Arbeitgeber dies als Makel betrachtet, wird weder motivierter noch leistungsbereiter.

Dieses Buch zeigt nicht nur auf, wie Arbeit und Familie künftig besser vereinbart werden können, es gibt auch Anregungen, wie die Neuorganisation von Leben und Arbeiten gelingen kann, und erklärt, warum Vertrauen neben der Technologie die entscheidende Währung der künftigen Arbeitswelt ist. »Ich vertraue meinen Mitarbeitern, ich bin überzeugt, dass sie wissen, was richtig ist« – das wird die unternehmerische Grundhaltung der nächsten Jahre.

Denn die neue Arbeitswelt, die »New Work Order«, ist keineswegs ein Mythos. Sie ist auch kein Trendsport junger Hipster oder Selbstdarsteller. Auch die viel beschriebene Generation Y (oder die schon in den Startlöchern sitzende Generation Z) mag sicher klassische Werte anstreben, auch sie will Familien gründen, gute Arbeit leisten, Zeit für sich und ihre Interessen. Doch ihr Verständnis von Arbeit, von Arbeitszeit, von Arbeitsumgebung scheint deutlich von bisherigen Vorstellungen abzuweichen.

Deshalb gehen wir in diesem Buch einen gewagten Schritt: Wir blicken ins Büro. In jene Büros in diesem Land, die immer noch geprägt sind durch Denkweisen und Erfolgsrezepte der industriellen Revolution und des Taylorismus. Die Büros, die immer noch organisiert sind wie maschinelle Papierverarbeitungszentren – in denen aber inzwischen mehr als 50 Prozent Wissensarbeiter sitzen, die alles andere benötigen als eine straff organisierte Legehennenhaltung.

Wir werden zeigen, wie der Abschied von der Legehennenhaltung im Büro gelingt. Welche Führungsqualitäten heute gefordert sind, um ein verstreut arbeitendes Team zusammenzuhalten und zu motivieren – und wie eine neue Synchronisation von Leben und Arbeit umzusetzen ist, auch auf technologischer Ebene. Nicht zuletzt scheint es uns elementar wichtig zu zeigen, wie der einzelne Mitarbeiter mit dieser neuen Freiheit umgehen und wie sich Selbstorganisation gestalten kann.

Wir werden kritisch beleuchten, was es heißt, die Mitarbeiter sich selbst zu überlassen – und welche Konsequenzen, aber auch Probleme und Nachteile das mit sich bringt. Wir beziehen klar Position und lassen auch die Arbeitgeber nicht aus dem Blick. Microsoft hat vor dreißig Jahren die Büroarbeit revolutioniert. Was bis dahin Papier, Stift und Formular waren, wurde abgelöst von Software. Damals wurden im wahrsten Sinne des Wortes Fenster aufgestoßen, und seit damals ist in den Büros nichts mehr so wie vorher.

Nun stehen wir wieder an einem Wendepunkt. Wieder ist es die Technologie, die uns neue, diesmal individuelle Arbeitsrhythmen schaffen wird. Das geht nicht nur uns bei Microsoft oder in der restlichen IT-Industrie etwas an, das wird viele Unternehmen betreffen – und wir verstehen das auch als Appell an die Politik.

Eine »Digitale Agenda«, wie sie die Bundesregierung ausgelobt hat, ist ein wichtiger Schritt. Aber »Digitale Agenda« heißt mehr als nur Netzausbau oder das Verlegen von Breitbandkabeln. Wir brauchen ein umfassendes Konzept mit einem digitalen Bündnis für Arbeit, für den »New Way of Work«, denn dieser neue Weg bedeutet eben auch: Out of Office.

Nach der Lektüre dieses Buches wissen Sie, warum wir eine fundamentale Neugestaltung unserer Arbeitswelt brauchen, wie eine neue Arbeitswelt konkret aussehen kann und wie Unternehmen sie Schritt für Schritt realisieren können. Wir schauen uns an, welche Erfahrungen Vorreiterunternehmen dabei bereits gemacht haben und warum ein gesamtgesellschaftliches Bündnis für Arbeit in Deutschland notwendig ist – damit die digitale Transformation, der wichtigste Schritt in die Arbeitswelt der Zukunft, gelingt.

TEIL I

WIR WISSENSARBEITER

1. NICHT MAL EINEN PARKPLATZAn ihrem ersten Tag beiMicrosoft hat Elke Frank noch nach Papier gesucht

Am Anfang war es ein Wort. Das eine Wort, das mich irritierte. Ich stand an meinem ersten Tag im Sommer 2013 am Empfang von Microsoft in München. Nachdem ich dreizehn Jahre in verschiedenen Konzernen gearbeitet hatte, sollte ich nun als Personalchefin bei Microsoft Deutschland einsteigen.

Ich sagte, wer ich bin – und die junge Frau am Empfang verwendete prompt dieses irritierende Wort: »du«. Der erste Touch-Point mit dem Unternehmen – und gleich »du«. Sie hat mich von Anfang an geduzt. Ich war die Elke. Ich war jetzt im Team, ich war eine Duz-Kollegin, obwohl wir uns noch nie zuvor gesehen hatten.

Und so ging das weiter. Auch alle anderen duzten mich, wohin ich auch kam: »du«. Im Grunde war das eine der größten Umstellungen: Jeder duzt jeden. Hierarchien sind dabei egal, es wird rauf und runter geduzt.

Nun ist es ja nicht so, dass man sich in anderen Unternehmen nicht auch duzt, vor allem, wenn man länger zusammenarbeitet. Aber bei Microsoft macht es eben jeder. Von da an duzte ich auch. Manchmal duzte ich Kunden und externe Dienstleister, und manchmal fiel ich in der Abteilung wieder ins Sie. Inzwischen bin ich aber eine gute Duzerin und habe erkannt, dass Offenheit zu Offenheit einlädt und dass das Duzen ein wichtiger Schritt zu mehr Offenheit und auch zu mehr Teamgeist ist.

Der Blick auf die Hauswand

Das »Du« war die eine Herausforderung, mein Arbeitsplatz die nächste. »Hier, Elke, das ist dein Platz.« Ein Schreibtisch in einem großen Raum. Und der Raum gefüllt mit weiteren Schreibtischen. Was für ein Anblick!

Aus dem einen oder anderen Unternehmen kennen wir das: Wie wichtig einer ist, erkennt man an der Größe seines Schreibtischs, an der Größe seines Büros und ob er aus seinem Fenster auf Wälder oder die Skyline blicken darf oder eben auf die nächste Hauswand. Schreibtische und Büros, und natürlich die Größe von Schreibtischen und die Quadratmeterzahl von Büros, sind wichtige Insignien der Bürohierarchie.

Nicht so bei Microsoft.

Wir von der Geschäftsführung sitzen alle in einem Raum. Der Christian zum Beispiel, der sitzt schräg gegenüber. Christian Illek war mein Chef, war Microsoft-Deutschland-Chef, er ist inzwischen Personalvorstand der Deutschen Telekom AG. Für jemanden, der wie ich ein paar Jahre in klassischen deutschen Unternehmen zugebracht hat, ist das ein bisschen ein Kulturschock: Da sitzt der Chef in einem großen Raum mit vielen anderen, und sie nennen es Open Space. Aber so ist das hier: »du« und »Open Space«. Man braucht allerdings nicht lange, um zu erkennen, dass beides von Vorteil ist.

Kein Blog – ein Block!

Ja, und dann fehlte mir etwas an meinem ersten Tag. Ich benötigte einen Block, einen normalen Schreibblock. Wie gewohnt wollte ich mir notieren, was meine Aufgaben umfasst, worüber ich Bescheid wissen müsste, wie ich mich einlogge, welches Passwort ich brauche, all diese Dinge, diese normalen Dinge, die man braucht in einem neuen Unternehmen und die man sich schnell handschriftlich notieren möchte.

Meine Assistentin war sehr freundlich und hilfsbereit, sie wollte mir gerade am ersten Tag wirklich alles ermöglichen. Ich sollte es ja gut haben, mich wohl fühlen. »Klar, Elke!« Aber einen Block? Aus Papier? Und einen Stift? Sie blickte etwas ungläubig. Ich dachte damals noch, das sei ein bescheidener Wunsch, so ein Block. In ihr fragendes Gesicht sagte ich: Nein, keinen Blog, einen Block, ein Block aus Papier. Sie machte sich also auf den Weg. Sie wollte mir helfen, irgendwie der Elke helfen. Und irgendwo in der Deutschland-Zentrale von Microsoft in Unterschleißheim müsste doch ein Papierblock zu finden sein.

Sie war eine Weile unterwegs.

Schließlich kam sie strahlend zurück, sie habe etwas gefunden: ein Notizbuch, DIN-A 5, mit unbeschriebenen Seiten. Ich war dankbar, sie war froh. Und ich dachte: Alle duzen sich, alle sitzen in einem Raum, ich habe jetzt ein Notizbuch, bin Personalchefin bei Microsoft und muss aber vor allem noch lernen, was dieses Personal hier ausmacht – und warum Papier nicht die Lösung ist.

Übrigens: Auch Mappen sind keine Lösung. Meine lieben, so vertrauten Mappen, die treuen und zuverlässigen Begleiter durch mein Berufsleben. Büromappen, in die Dokumente sortiert werden, die man sich »auf Wiedervorlage« legt, die für sich genommen ein erstaunliches Mappensystem darstellen, die Krone des Büroalltags, eine der wichtigsten Errungenschaft mitteleuropäischer Bürokunst.

Aber: Mappen ist nicht.

Einen Block konnte sie auftreiben, da gab es Verständnis. Aber als ich am ersten Tag nach Mappen verlangte, schien das Maß voll. Das gab es beim besten Willen nicht, nirgends im ganzen Haus. Mappen ließen sich nicht auftreiben bei Microsoft. Und vermutlich hätte auch keiner meiner neuen Kolleginnen und Kollegen gewusst, was sie mit diesen Mappen machen sollen.

Also habe ich mich gedanklich und auch ganz konkret vom Mappensystem verabschiedet. Und das gleich am ersten Tag.

Technik kann alles – außer parken

Auch wenn ich mich die ersten Tage fühlte, als sei ich von einem fernen Planeten angereist und würde noch mit der Wählscheibe telefonieren, dauerte es nicht lange, bis ich verstand, wie klar und präzise sich der Büroalltag organisieren lässt, wenn man die moderne Technik einsetzt. Bis zu meiner Microsoft-Zeit habe ich durchaus anerkannt, dass Laptops wichtig sind, ohne sie geht es nicht – aber es hat einige Zeit gedauert, bis ich entdeckte, was alles in ihnen steckt und wie viel mehr man damit machen kann. Mein Mann ist immer wieder erstaunt, wie souverän ich inzwischen mit der Technik umgehe und vor allem wie schnell. Er meint, früher sei ich eher nicht so gewesen.

Heute weiß ich, wie sehr gerade Vertrauensarbeit von der Technologie profitiert. Es geht nicht anders. Wenn ich meinen Mitarbeitern etwas zutraue, wenn ich sie wie Erwachsene behandele, nicht wie Untergebene – und wenn ich, wie Microsoft es im vergangenen Jahr getan hat, die Präsenzpflicht aufhebe –, dann brauche ich die Technologie, die genau dies alles ermöglicht. Und das sage ich nicht nur, weil ich seit einigen Monaten vor der Microsoft-Zentrale parke, um dort zu arbeiten.

Wobei – das mit dem Parken ist ja auch so eine Sache.

Wenn ich morgens später reinkomme, habe ich keine Chance auf einen guten Parkplatz. Denn auch das ist Microsoft: Die Geschäftsführung hat keine reservierten Parkplätze vor dem Unternehmensgebäude. In anderen Firmen ein Heiligtum: der Parkplatz des Chefs. Bei Microsoft in München parkt jeder, wo er will. Und wer um 10 oder 11 Uhr kommt, muss sehen, wo er bleibt. Dabei ist es kein Problem, um 10 oder 11 oder auch 12 Uhr anzurücken. Ich habe es noch nie erlebt, dass ich gefragt wurde: »Wo kommst du denn jetzt erst her?«, wenn ich gegen 11 Uhr komme.

Niemand fragt: »Elke, hast du die Zeitumstellung verpasst?«, oder: »Ist dein Wecker kaputt?« Diese vermeintlich witzigen Fragen habe ich in meiner Zeit bei Microsoft noch nie gehört. Es gibt nicht diese Mentalität des Auf-den-anderen-Achtens, dieses Misstrauen, meine Kollegin könnte sich vor der Arbeit drücken, also muss ich ein Auge darauf haben – oder ihr zumindest ein schlechtes Gewissen bereiten. Das funktioniert nicht bei Microsoft.

Wer um 18 Uhr nach Hause geht, muss nicht hören: »Was, hast du einen halben Tag Urlaub genommen?« Diese leicht vergifteten Scherze, die in einem Klima der Angst immer funktionieren, verpuffen in einem Klima des Vertrauens. Wer eine Auszeit braucht, nimmt sich die Auszeit, wer früher geht, später kommt, zu Hause arbeitet, seine Kinder in die Kita bringt oder im Café gerade ein Projekt bespricht – der wird seine Gründe habe. Der tut es nicht, um die Firma zu schädigen, der führt nichts Böses im Schilde. Und der muss sich nicht ständig rechtfertigen.

Allein dass es diesen Rechtfertigungsdruck nicht gibt, macht schon viel aus für ein gutes Betriebsklima. Die Firma weiß, dass man einen guten Gedanken auch bekommt, wenn man auf der Terrasse sitzt oder im Zugabteil. Und wenn es sich mit den anderen aus dem Team koordinieren lässt, kann jeder beispielsweise bei der Telefonkonferenz dabei sein – auch wenn er gerade auf dem Weg zum Zahnarzt ist.

Das ist bekannt, das können andere auch, aber es ist weiter gedacht. Es kommt nicht darauf an, wie lange ich irgendwo sitze, sondern was ich am Ende auf die Beine stelle. Das Ergebnis zählt, nicht das Sitzfleisch. Die bloße Anwesenheit ist kein Indikator für die Qualität der Arbeit.

Oder anders ausgedrückt: Man behandelt seine Mitarbeiter wie Erwachsene. Wie erwachsene Menschen, die wissen, was sie tun. Man vertraut ihnen. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit. Aber bei uns ist es gelebte Unternehmenskultur: Es geht nicht darum, ein Klima der Angst zu erzeugen, in dem der eine auf den anderen schielt und sich einen Vorteil erhofft, wenn er um 22 Uhr dem Chef auf dem Gang begegnet, von wegen: Sehen Sie mal, wie lange ich arbeite, wie ich mich hier aufreibe, und die Frau Frank aus der Personalabteilung, die ist schon wieder weg, hat die nichts zu tun, die ist letzte Woche immer schon so früh gegangen …

Das mag keiner. Das will keiner.

Ich habe bei Microsoft früh erkannt: Man vertraut mir. Ich erlebe echte Wertschätzung, nicht nur in Sonntagsreden oder auf Betriebsversammlungen. Und die größte Wertschätzung ist: Wir glauben, dass du weißt, was du tust, deshalb müssen wir dich nicht ständig kontrollieren.

Weil das für jeden gilt, ganz gleich in welcher Hierarchiestufe, belebt es den Teamgeist. Was soll ich sagen: Ich kenne eine Reihe anderer Firmen, und viele fortschrittliche Firmen in der ganzen Welt sind dabei, neue Arbeitsformen zu entwickeln oder die Präsenzkultur auf den Prüfstand zu stellen. Doch in einigen Punkten sehe ich die anderen noch nicht so konsequent, nicht so mutig. Vor allem ist der Teamgedanke wohl in wenigen Unternehmen so verinnerlicht, so Teil der Firmen-DNA, wie ich das bei Microsoft erlebe.

Hier gibt es zahlreiche Freundschaften im Beruf, hier fühlt man sich wirklich als Mannschaft. Die Mitarbeiter werden neben ihren beruflichen Qualifikationen immer auch danach ausgewählt, wie sehr sie bereit sind, offen zu sein, Fehler einzugestehen, wie sie mit Menschen umgehen, ob sie in der Lage sind, sich zurückzunehmen im Team, und wie selbstbewusst sie sind, um ihre Rechte und Anliegen vorzutragen. Denn das dürfen sie.

Wer muss alles ins CC: gesetzt werden?

In vielen Unternehmen haben Führungskräfte kleine Hürden aufgebaut. Es gibt die Sekretärin, die Anrufe entgegennimmt, sie koordiniert auch die Mails. Und wenn der Angestellte eine Frage an den Chef hat, gilt es eine Reihe von Hierarchiestufen zu durchlaufen. Bei uns werden alle direkt angemailt, Chef oder Entwickler oder Personalchefin. Wer eine Frage hat, mailt, chattet oder blogt.

Nun mag man denken: Jeder mailt – das ist doch der Kommunikations-GAU, das führt doch zum Dauer-Mailen, zum Dauer-Beantworten. Das ist doch genau das, was zu Stress und Erschöpfung führt.

Das tut es nicht. Weil es ein Unterschied ist, jemand direkt anzumailen – oder der CC:-Krankheit zu verfallen und jeden an der Nachricht teilhaben zu lassen, nur um sich abzusichern. Es ist auch eine Frage des Vertrauens.

In meiner Zeit bei Microsoft habe ich nicht mit allen Traditionen gebrochen. Über den Verlust meiner Mappen bin ich hinweg, habe erkannt, wie sinnvoll und effektiv es ist, wenn man mit digitalen Produktivitätstools wie OneNote arbeitet, die Dokumente für alle zugänglich und transparent machen. Die anderen können mitdiskutieren, mitkommentieren, können sich austauschen. Wenn vieles offengelegt wird, sinkt die Lust am Tricksen, an der Heimlichtuerei – auch nicht das Schlechteste für das Betriebsklima. Es ist ja nicht verboten, morgens ganz real zu den Kolleginnen und Kollegen hinzugehen, einen guten Morgen zu wünschen, nach dem Wochenende zu fragen oder nach dem, was heute ansteht. Wir haben ja nicht den zwischenmenschlichen Kontakt abgeschafft, wir wissen nur, dass dieser Kontakt darüber hinaus auch effizient auf digitaler Ebene ablaufen kann.

Wichtig ist, dass Kontakt immer möglich ist. Es gibt nicht dieses Grübeln, das Abwägen, das Zweifeln, wenn man Führungskräfte mit einem Anliegen behelligen will. Das ist eben Vertrauenskultur, und die erreicht man, wenn man Mitarbeiter nicht als maschinengleich funktionierendes Eigentum betrachtet, sondern als eigenständige und eigenverantwortliche Wesen, die nicht alles perfekt machen, die aber im entscheidenden Augenblick die richtige Idee haben.

Es beginnt mit einem Du

Das hat sich alles herumgesprochen. Auch dass wir Freizeitangebote für unsere Mitarbeiter machen. Es gibt auf dem Firmengelände ein Fitnessstudio, das von 6 bis 23 Uhr geöffnet hat, es gibt einen Familienservice, nicht nur zur Kinderbetreuung, sondern auch im Pflegefall, wenn man sich um Eltern kümmern muss. Denn auch das gehört dazu, wenn man seine Mitarbeiter ernst nimmt: Sie können nur gut arbeiten, wenn ihr Umfeld in Ordnung ist.

Und weil das alles gerade auch bei Kunden auf großes Interesse stößt, werde ich immer häufiger gebeten, über unser Modell zu sprechen. Mindestens einmal in der Woche besuche ich andere Firmen und rede über unsere besondere Arbeits- und Unternehmenskultur. Vor allem seit wir die Präsenzpflicht aufgehoben haben, wollen andere Unternehmen wissen, wie wir das regeln, wie es trotzdem zu Ergebnissen kommt, und die Antwort ist meistens: Vertrauen. Und auch wenn es für mich eine immense Umstellung war, aber das Vertrauen beginnt mit einem Du.

Was ist heute noch Routine?

Das Du ist Zeichen von Vertrauen und Nähe, vielleicht auch ein Zeichen einer neuen Arbeitskultur, die weniger auf Hierarchien setzt, sondern auf die bestmögliche Organisation von einer Arbeit, die immer weniger mit dem zu tun hat, was wir immer noch im Kopf haben, wenn wir »Arbeit« sagen.