Ovid: Metamorphosen - Ovid - E-Book

Ovid: Metamorphosen E-Book

Ovid

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Beschreibung

Mit seinen "Metamorphosen" schuf der römische Dichter Ovid ein Meisterwerk der antiken Mythologie. Von der Erschaffung der Welt bis in seine eigene Zeit erzählt er von Verwandlungen aller Art: Götter verwandeln Menschen in Tiere, Pflanzen oder Sterne, Menschen werden zu Göttern, die Natur selbst ist in ständigem Wandel. In kunstvoll verflochtenen Episoden erscheinen Apoll, der die fliehende Daphne verfolgt, Orpheus, der seine Eurydike aus der Unterwelt zurückholen will, der schöne Narziss, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt. Mit psychologischem Gespür und feiner Ironie schildert Ovid die Leidenschaften seiner Figuren – ihre Liebe und Eifersucht, ihren Hochmut und ihre Verzweiflung. Das zwischen 1 und 8 n. Chr. entstandene Epos begeisterte über die Jahrhunderte hinweg Dichter und Künstler und prägte unser Bild der klassischen Mythologie wie kaum ein zweites Werk der Antike.

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Ovid

Metamorphosen

Verwandlungsgeschichten

Copyright © 2024 Novelaris Verlag

1. Auflage

ISBN: 978-3-68931-143-8

Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch

Zweites Buch

Drittes Buch

Viertes Buch

Fünftes Buch

Sechstes Buch

Siebentes Buch

Achtes Buch

Neuntes Buch

Zehntes Buch

Elftes Buch

Zwölftes Buch

Dreizehntes Buch

Vierzehntes Buch

Fünfzehntes Buch

Cover

Table of Contents

Text

Erstes Buch

Inhalt. Weltschöpfung. Die vier Zeitalter. Giganten. Lycaon. Die große Flut. Deucalion und Pyrrha. Erneuerung der Thierwelt. Python. Daphne. Jo (Argus; Syrinx).

Lust wird rege zum Sang, wie sich Formen in andere Körper

Wandelten. Götter, o seid – ihr habt ja auch sie gewandelt –

Meinem Beginnen geneigt, und vom Uranfange der Schöpfung

Führt bis auf unsere Zeit des Gedichts fortlaufenden Faden.

Ehe denn Meer und Land und der alles bedeckende Himmel,

War in dem ganzen Bereich der Natur ein einziges Aussehn,

Das man Chaos genannt, ein verworrenes rohes Gemenge,

Anderes nicht als träges Gewicht und zwistige Keime

Trübe zu Einem gehäuft von lose verbundenen Stoffen

Noch goß kein Titan in das Weltall leuchtende Strahlen;

Noch nicht füllete aus durch Zuwachs Phöbe die Hörner;

Eignes Gewicht auch hielt noch nicht frei schwebend die Erde

In der umfließenden Luft; noch breitete Amphitrite

Nicht weithin an dem Rand daliegender Länder die Arme;

Da, wo Aether, alldort war Erdreich, Luft und Gewässer.

So war nicht zum Stehen das Land, zum Schwimmen die Woge;

Lichtes entbehrte die Luft; die Gestalt blieb keinem beständig.

Eins war feindlich im Wege dem Anderen, weil in der Masse

Kaltes im Streit stets lag mit Warmem, mit Trockenem Feuchtes,

Weiches mit Hartem und mit dem Gewichtigen das, was gewichtlos.

Aber dem Zwist gab Schlichtung ein Gott und die bessere Triebkraft;

Denn er schied von dem Himmel das Land und vom Lande die Wogen,

Und von der dunstigen Luft los trennt’ er den lauteren Himmel.

Als er so sie entwirrt und dem finsteren Haufen entnommen,

Schloß er gesondert im Raum sie zusammen in friedlicher Eintracht.

Ohne Gewicht stieg auf lichtvoll des gewölbeten Himmels

Feurige Kraft und ersah sich die Statt in der obersten Höhe.

Ihr ist die Luft am nächsten im Raum und in Mangel der Schwere.

Dichter als sie zog an die gröberen Theile die Erde,

Niedergedrückt durch eignes Gewicht. Das umströmende Wasser

Wählte den äußersten Sitz und umschloß den gefestigten Erdkreis.

Wie er so das Gemisch, wer jener der Götter gewesen,

Ordnend hatte zertheilt und in Schichten gefügt das zertheilte,

Rundete er im Beginn, auf daß nach jeglicher Seite

Gleich sie wäre, zur Form großmächtiger Kugel die Erde.

Dann goß Fluten er aus und hieß sie von tobenden Winden

Schwellen und rings umfahn der umgürteten Erde Gestade;

Quellen gesellt’ er dazu und Seen und unendliche Sümpfe

Und wies Flüssen die Bahn in den Grenzen gewundener Ufer,

Die in verschiedenem Lauf theils werden geschlürft von dem Grunde,

Theils hinkommen zum Meer, und empfangen vom offenen Felde

Freierer Flut anstatt der Ufer bespülen die Küsten.

Ebenen ließ er sich auch ausdehnen und Thäler sich senken,

Wälder sich decken mit Laub, aufsteigen die steinigen Berge.

Und wie den himmlischen Raum zwei Gürtel durchschneiden zur Rechten,

Links gleichviel und heißer als sie in der Mitte der fünfte,

So in die nämliche Zahl schied auch die geschlossene Masse

Sorglich der Gott, und es trägt gleich viele der Striche die Erde.

Der in der Mitte sich zieht, ist nicht vor Hitze bewohnbar;

Zwei deckt mächtiger Schnee; zwei legte er zwischen die beiden,

Denen er Mäßigung gab, mit der Glut die Kälte vermengend.

Darob schwebet die Luft, die lastender ist als das Feuer

Soviel, wie an Gewicht nachstehet der Erde das Wasser.

Dort hieß Nebel er auch, dort dunstige Wolken sich lagern

Sammt dem Donnergeroll, das menschliche Herzen erschrecke,

Und mit den Blitzen zugleich die Frost herführenden Winde.

Ihrem Gelüste jedoch gab nicht zum Schweifen den Luftraum

Frei der Besteller der Welt. Kaum wird jetzt ihnen gewehret,

Da in verschiedenem Strich sein Weh’n doch jeglicher richtet,

Daß sie zerreißen die Welt: so liegen in Hader die Brüder.

Fern zu Aurora entwich, gen Persien und Nabatäa

Und zu den Höhen der Ost, die stehen im Lichte des Morgens;

Abendlich Land und die Küsten gewärmt von der sinkenden Sonne

Liegen dem Weste zunächst; die Scythen befällt und die sieben

Stiere der schaurige Nord; durch unablässige Wolken

Näßt gegenüber das Land der regengeschwängerte Südwind.

Drobhin lagert’ er dann den klar durchsichtigen Aether,

Der von Schwere befreit nichts hat von der irdischen Hefe.

Kaum nun hatt’ er verzäunt das alles in sichere Grenzen,

Als die Gestirne, die lang sich gepreßt in jenem Gemenge

Bargen, am Himmel umher glanzreich anhuben zu flimmern.

Jetzo, damit kein Raum ermangele seiner Bewohner,

Haben den himmlischen Sitz mit den Sternen die Göttergestalten;

Wohnstatt ward in den Wellen verlieh’n den glänzenden Fischen;

Thiere bekam das Land und Vögel der regsame Luftraum.

Aber es fehlete noch ein Geschöpf, das höher in Würde

Mit tiefdenkendem Geiste den anderen könnte gebieten.

Sieh, da wurde der Mensch, ob ihn aus göttlichem Samen

Machte der Bildner der Welt, der Urquell besserer Schöpfung,

Oder die Erd’ im Beginn, die sich vom erhabenen Aether

Eben gelöst, noch Keime behielt gleichartigen Himmels

Und des Japetus Sohn sie gemengt mit fließenden Wellen

Bildete gleich der Gestalt der alles beherrschenden Götter.

Während die Erde gebückt ansehen die andern Geschöpfe,

Gab er erhabenes Gesicht dem Menschen und ließ ihn den Himmel

Schauen und richten empor zu den Sternen gewendet das Antlitz.

Also kleidete sich die völlig veränderte Erde,

Formlos eben und wüst, mit den neuen Gebilden der Menschen.

Erst nun sproßte von Gold das Geschlecht, das sonder Bewachung

Willig und ohne Gesetz ausübte das Recht und die Treue.

Strafe wie Furcht war fern; noch lasen sie drohende Worte

Nicht am gehefteten Erz; noch stand ein flehender Haufe

Bang vor des Richters Gesicht: Schutz hatten sie ohne den Richter.

Noch nicht hatte, gefällt auf heimischen Bergen, die Fichte,

Andere Welt zu seh’n, sich gesenkt in die flüssigen Wogen;

Noch von keinem Gestad’, als dem ihrigen, wußten die Menschen.

Noch umgürteten nicht abschüssige Gräben die Städte;

Kein krummgehendes Horn und keine gestreifte Drommete

War, kein Helm, kein Schwert. In behaglicher Muße vergingen

Ohne des Kriegers Bedarf die Tage den sicheren Völkern.

Undienstbar und verschont von dem Karst und von schneidender Pflugschaar

Nimmer verletzt gab alles von selbst die gesegnete Erde,

Und mit Speisen begnügt, die zwanglos waren erwachsen,

Lasen sie Arbutusfrucht, Erdbeeren an sonniger Halde

Oder am rauhen Gerank Brombeeren und rothe Cornellen

Und von dem ästigen Baume des Jupiter fallende Eicheln.

Da war ewiger Lenz, und gelind mit lautem Gesäusel

Küßte die Blumen der West, die sprosseten ohne Besamung.

Nicht vom Pfluge bestellt trug bald auch Halme die Erde;

Ohne zu ruh’n ward grau von belasteten Aehren der Aecker.

Ströme von Milch nun wallten daher und Ströme von Nectar,

Und gelb tropfte herab von grünender Eiche der Honig.

Als nunmehr, da gestürzt in des Tartarus Dunkel Saturnus,

Jupiter lenkte die Welt, da folgte das silberne Alter,

Schlechter als Gold, im Werthe voraus dem röthlichen Erze.

Jupiter schmälerte nun die Zeit vormaligen Frühlings

Und ließ wandeln das Jahr durch Winter und ungleichmäß’gen

Herbst und flüchtigen Lenz und Glut vierfältig geschieden.

Jetzo geschah es zuerst, daß schwül von trockener Hitze

Brannte die Luft und das Eis starr hing von den Winden verdichtet.

Jetzo traten sie ein in Wohnungen. Wohnungen waren

Höhlen und dichtes Gesträuch und mit Bast verbundene Zweige.

Jetzo wurde zuerst in gezogenen Furchen der Ceres

Samen verscharrt, und vom Joche gedrückt aufseufzten die Rinder.

Drauf als drittes erwuchs nach ihnen das eherne Alter,

Wilder im Sinn und derb und den schrecklichen Waffen geneigter,

Aber verbrecherisch nicht. Hart ist das letzte von Eisen.

Jählings brachen herein in die Zeit von schlechterer Ader

Alle die Gräu’l; es entflohen die Scham und die Treu’ und die Wahrheit,

Und an die Statt einzogen Betrug und tückische Falschheit,

Hinterlist und Gewalt und verruchte Begier des Besitzes.

Segel entfaltete nun der Schiffer den wenig bekannten

Winden, und Kiele, die lang auf hohen Gebirgen gestanden,

Schwammen geschaukelt umher auf nimmer befahrenen Wogen.

Fluren, zuvor wie die Luft und das Licht der Sonne gemeinsam,

Zeichnete jetzt mit begrenzendem Strich vorsichtig der Messer;

Und nicht wurde geheischt blos Saat und schuldige Nahrung

Von dem ergiebigen Feld: ein ging’s in der Erde Geweide.

Schätze, die jene versteckt und stygischen Schatten genähert,

Werden gewühlt an’s Licht, Anreizungen böser Gelüste.

Heillos Eisen bereits und Gold heilloser als Eisen

Stiegen herauf: auf steiget der Krieg, der streitet mit beidem

Und mit der blutigen Faust schlägt klirrende Waffen zusammen.

Lebensbedarf gibt Raub. Von dem Wirth der Gast, von dem Eidam

Selber der Schwäher bedroht; auch selten sind Brüder in Eintracht;

Tod gar sinnet der Mann dem Weib, wie diese dem Gatten;

Graunvoll brauen den Trank Stiefmütter von bleichendem Sturmhut;

Lang vor der Zeit schon forschet der Sohn nach den Jahren des Vaters.

Achtende Scheu ist dahin, und von blutbefeuchteten Ländern

Kehrte die Jungfrau heim Asträa, der Himmlischen letzte.

Daß nicht sicherer sei als die Erde die Höhe des Aethers,

Trachteten nun, wie man sagt, nach dem himmlischen Reich die Giganten,

Und zu den Sternen hinan aufthürmten sie mächtige Berge.

Da mit geschmettertem Blitz durchbrach der allmächtige Vater

Stracks den Olymp und schlug vom Pelion nieder den Ossa.

Als die entsetzliche Brut nun selbst von der Masse gedrückt lag,

Ward, von dem strömenden Blute der Söhne begossen, die Erde

Feucht – so kündet die Mähr – und belebte das warme Geblüte,

Und daß bliebe hinfort ein Denkmal ihres Geschlechtes,

Gab sie ihm Menschengestalt. Indeß auch diese Verfügung

Sprach den Himmlischen Hohn, nach gräßlichem Morde begierig

Und unbändigen Sinns: man ersah, sie stammten von Blute.

Wie von der Höhe der Burg das sah der saturnische Vater,

Seufzet er tief, und gedenk unlängst des scheuslichen Mahles

Am lycaonischen Tisch, das neu noch wenig bekannt war,

Faßt er gewaltigen Zorn im Gemüth, wie er Jupiters würdig,

Und er berufet den Rath. Kein Zögern verweilt die Geruf’nen.

Hoch geht droben ein Weg, bei heiterem Himmel bemerkbar,

Der, Milchstraße genannt, am Lichtglanz eben zu kennen.

Dort ist der Himmlischen Pfad zu des mächtigen Donnerers Wohnung

Und zu dem Königessitz. Mit Besuchen bei offenen Thüren

Füllen sich rechts und links die Säle der höheren Götter.

Niedere wohnen zerstreut allerorts. Stolz haben im Vorgrund

Ihre Penaten gesetzt die hehren Gewalten des Himmels.

Das ist der Ort, den wohl, wenn Worten gestattet die Kühnheit,

Ich des Himmels Palast mir möchte getrauen zu nennen.

Als in dem Marmorgemach nun saßen die oberen Götter,

Schüttelte höher an Platz und gestützt auf das helfene Scepter

Jupiter drei- viermal des Schrecken erregenden Haupthaars

Locken, davon sich gereget die Erde, das Meer, die Gestirne.

Also entströmte darauf unmuthigen Lippen die Rede:

»Mehr nicht hab’ ich gezagt für die Weltherrschaft im Gemüthe

Dazumal wie die Brut der Schlangenfüßler die hundert

Arme geregt und gehofft den eroberten Himmel zu greifen.

Denn, wie grimmig der Feind auch war, doch ruhte auf Einem

Haufen allein und Einem Geschlecht die erhobene Fehde.

Jetzo muß ich, soweit rings Nereus rauscht um den Erdkreis,

Weih’n dem Verderb das Menschengeschlecht. Bei den Fluten der Tiefe

Schwör’ ich, die unter der Erd’ hingleiten im stygischen Haine.

Erst sei alles versucht, doch nimmer zu heilende Wunde

Muß ausschneiden der Stahl, daß nicht das Gesunde verderbe.

Hab’ ich doch auch Halbgötter und ländliche Mächte, die Nymphen,

Faune und Satyrvolk und Silvane die Berganwohner:

Diese, von uns noch nicht zu der Ehre des Himmels erhoben,

Sollten zum wenigsten frei die beschiedene Erde bewohnen.

Glaubt ihr aber genug, ihr Himmlischen, jene gesichert,

Da mir, der ja den Blitz, der euch stark hält in den Händen,

Lauernde Fallen gestellt der berüchtigte rohe Lycaon?«

Murren erhob sich umher, und mit glühendem Eifer verlangt man

Ihn, der solches gewagt. So, wenn ein verworfener Haufe

Trachtet zu tilgen im Blut des Cäsar den römischen Namen,

Steht von plötzlichem Schreck ob solchem erhabenen Sturze

Starr das Menschengeschlecht, und schaudernd entsetzt sich der Erdkreis;

Und nicht minder ist dir die Treue der Deinen, Augustus,

Lieb, als sie Jupiter war. Wie dieser dem wirren Gerede

Wehrte mit Wort und Hand, saß lautlos da die Versammlung.

Als nun ruhte der Lärm von des Herrschenden Würde beschwichtigt,

Da bricht wieder der Gott mit folgender Rede die Stille:

»Längst hat jener verbüßt – darum nicht sorget – die Strafe;

Welches jedoch das Vergeh’n, und welches die Rache, vernehmet.

Uns war böses Gerücht von der Zeit zu Ohren gedrungen:

Wünschend, es sei unwahr, entschweb’ ich dem hohen Olympus

Und durchstreife die Erd’, ein Gott im menschlichen Bilde.

Säumniß wär’ es, wieviel allorts ich gefunden von Bosheit,

Aufzuzählen: zurück blieb hinter dem Wahren der Leumund.

Ueber des Wildes Versteck, den gefürchteten Mänalus, zog ich,

Ueber Cyllene hinaus und die Fichten des kalten Lycäus.

In’s ungastliche Haus des wilden arcadischen Herrschers

Tret’ ich sodann, da der Abend bereits mit der Dämmerung einbrach.

Zeichen verlieh ich, ein Gott sei nah, und zu beten begonnen

Hatte das Volk. Erst höhnet die frommen Gebete Lycaon; –

Bald: ›Ob dieser ein Gott, ob ein Sterblicher, will ich erproben –

Sprach er – zu klarem Beweis; unzweiflig entscheid’ ich die Wahrheit.‹

Meuchlerisch mich bei Nacht im bannenden Schlummer zu morden

Trachtet er. Also beliebt ihm Probe zu halten der Wahrheit.

Nicht zufrieden damit durchschneidet er einem der Geiseln,

Die ihm das Volk der Molosser gesandt, mit dem Schwerte die Kehle,

Und so kocht’ er zum Theil in siedendem Wasser die Glieder

Halb lebendig, zum Theil auch briet er sie über dem Feuer.

Wie er sie nun auftischt, da stürz’ ich mit rächender Flamme

Nieder das Haus auf den Herrn und die gleich strafbaren Penaten.

Jener entfliehet geschreckt, und zur Stille des Feldes entkommen

Heulet er laut und versucht zu sprechen umsonst. Von ihm selber

Sammelt im Munde sich Wuth, und mit der gewohneten Mordgier

Bricht in die Heerden er ein, auch jetzt am Blute sich letzend.

Rauh in Haare verkehrt sich das Kleid, in Beine die Arme:

Wolf ist er nun und bewahrt noch Spuren der vorigen Bildung.

Noch ist dasselbige Grau, derselbige Trotz in den Zügen,

Ebenso funkelt der Blick, dasselbe Gebilde der Wildheit.

So ist gestürzt ein Haus; doch nicht war werth zu verderben

Eines allein: wo Erde sich dehnt, herrscht wilde Erinnys.

Jeder, so dächte man, schwor zum Vergeh’n. Auf alle denn falle

Ohne Verzug – so steht der Entschluß – die verwirkete Strafe!«

Jupiters Worte belobt ein Theil, und des Grollenden Ingrimm

Stacheln sie an; ein Theil stimmt zu durch Zeichen des Beifalls.

Allen jedoch weckt Schmerz der Verlust des Menschengeschlechtes:

Welch Aussehen hinfort, so fragen sie, werde die Erde

Zeigen, von Sterblichen leer? wer Weihrauch auf die Altäre

Streuen? ob reißendes Wild denn solle verheeren die Länder?

Doch den Besorgten verbeut – er werde des Weiteren walten –

Bang zu verzagen das Haupt des Unsterblichen, und er verheißet

Ungleich früherem Volk ein Geschlecht seltsamer Entstehung.

Und schon wollt’ er den Blitz auf alle die Länder versenden,

Doch er besorgt, daß Feuer vielleicht der heilige Aether

Fange von soviel Glut, und brenne die Axe des Weltalls,

Und er erwägt, daß stehe verhängt, einst werde die Zeit sein,

Wo mit der Erde das Meer und die Feste des Himmels ergriffen

Stehen in Brand, und wanke der Welt mühvolles Gefüge.

Drum bleibt ruh’n das Geschoß von der Hand der Cyclopen geschmiedet.

Andere Strafe beliebt, das Menschengeschlecht zu vernichten

Unter der Flut und rings Platzregen zu gießen vom Himmel.

Schleunig verschließet er nun den Nord in des Aeolus Höhlen,

Alle die Winde dazu, die jagen verhüllende Wolken,

Und läßt schnauben den Süd. Der aber mit triefenden Schwingen

Stürmet hinaus, pechschwarz umschattet das schreckende Antlitz.

Schwer ist von Regen der Bart; Flut strömt vom graulichen Haupthaar;

Nebel benetzen die Stirn; naß tropfen die Brust und die Flügel.

Jetzt, wie er drückt mit der Hand die weithin hangenden Wolken,

Tönt ein Gekrach, und gedrängt nun stürzen von oben die Güsse

Juno’s Botin im Schmuck des schillernden Farbengewandes,

Iris schöpfet die Flut und bringt Zuwachs dem Gewölke.

Niedergestreckt ist die Saat und des Landmanns sehnliche Hoffnung

Lieget beweint, und des Jahrs langwierige Müh ist verloren.

Jupiters Zorne genügt noch nicht sein Himmel: zum Beistand

Schickt mithelfende Flut nun auch sein bläulicher Bruder.

Dieser berufet die Ströme gesammt, und als sie gehorsam

Füllten des Königes Haus: »Nicht will ich mit langer Ermahnung –

Sprach er – vergeuden die Zeit: laßt strömen, soviel ihr vermöget.

Solches ist noth. Die Häuser erschließt und die Dämme beseitigt

Und laßt schießen zumal die Zügel den drängenden Wogen.«

So der Befehl. Sie geh’n und lockern den Quellen die Mündung,

Und nun wälzen sie sich mit entfesseltem Lauf in die Meerflut.

Aber den Dreizack stach er selbst in den Grund, und die Erde

Bebte vom Stoß und erschloß mit dem Ruck Auswege den Wassern.

Außer der Bahn nun stürzen durch offne Gefilde die Flüsse;

Saaten zugleich und Gehölz und Heerden und Männer und Häuser

Raffen sie mit und sammt den Gebilden die heiligen Kammern.

Wo noch stehet ein Bau, der solches Verderben vermochte

Unverrückt zu besteh’n, da geht doch höher die Woge

Ueber den First, und vom Strudel bedrängt verschwinden die Thürme.

Schon war zwischen der See und dem Land kein sichtlicher Abstand;

Alles umher war Meer, und das Meer war ohne Gestade.

Dieser erklimmet die Höh’; im gebogenen Nachen gesessen

Rudert der Andere dort, wo er unlängst hatte gepflüget;

Der schifft über die Saat und des untergegangenen Landguts

Firsten, und jener ergreift den Fisch im Wipfel der Ulme.

Zufall fügt, daß der Anker sich senkt auf grünende Wiese

Oder der bauchige Kiel anstreift an Rebengelände.

Wo noch eben sich Gras abrupfeten schmächtige Ziegen,

Strecken sich jetzt mit gedunsenem Leib unförmliche Robben.

Nereus’ Töchter erstaunt sehn Haine und Häuser und Städte

Unter der Flut. Delphine durchziehen die Wälder und rennen

Wider das hohe Gezweig und schlagen die schwankenden Stämme.

Schafen gesellt schwimmt ängstlich der Wolf; gelbmähnige Löwen

Trägt und Tiger die Flut; nicht frommet dem Eber des Blitzes

Kraft, und der flüchtige Fuß hilft nichts dem entführeten Hirsche.

Wenn er lange gespäht nach Land, wo zu fußen vergönnt sei,

Fällt mit ermüdetem Flug in die See der schweifende Vogel.

Ueber die Hügel ergoß sich des Meeres unermeßliche Willkür,

Und an die obersten Höh’n schlug brandend das neue Gewoge.

Wellen entraffen die Meisten, und deren geschonet die Wellen,

Diese bezwingt bei dürftiger Kost langwieriger Hunger.

Von der Aonier Volk trennt Phocis ätolische Fluren,

Fruchtbares Land, da es Land noch war, doch ein Theil von dem Meere

Dazumal und ein weites Gefild urplötzlicher Wasser.

Dort, Parnassus genannt, strebt hoch ein Berg zu den Sternen

Mit zweitheiligem Haupt und beherrscht mit dem Gipfel die Wolken.

Wie Deucalion hier – denn das Uebrige deckte die Meerflut –

Sammt dem vermähleten Weib anfuhr im gebrechlichen Nachen,

Beten sie an die Mächte des Bergs und corycische Nymphen

Und, die jetzt das Orakel besaß, die enthüllende Themis.

Nie war besser ein Mann als er und dem Rechten ergeb’ner;

Nie trug irgend ein Weib mehr Scheu als sie vor den Göttern.

Als nun Jupiter sieht in Morästen versumpfen den Erdkreis,

Und daß übrig verblieb von all den Tausenden Einer,

Und daß übrig verblieb von all den Tausenden Eine,

Beid’ unsträflichen Sinns und beide Verehrer der Gottheit,

Theilt er die Wolken und zeigt, da der Regen verscheucht von dem Nordwind,

Wieder dem Himmel die Erd’ und wieder den Aether der Erde.

Nicht bleibt zürnend die See. Hinlegend die zackige Waffe,

Glättet die Flut der Beherrscher des Meers, und den blaulichen Triton

Rufet er, der, an der Schulter bedeckt von hastenden Schnecken,

Ueber der Tiefe sich hebt, und heißt in die tönende Muschel

Blasen den Gott und heim mit gegebenem Zeichen bescheiden

Wogen und Ströme zumal. Der nimmt die hohle Drommete,

Welche gewunden sich dehnt in die Breite vom untersten Wirbel,

Jene Drommete, davon, wenn sie Luft in Mitten des Meeres

Aufnimmt, hallet der Strand, wo Phöbus sich senkt, wo er aufsteigt.

Jetzt auch, wie sie den Mund, der bethaut vom triefenden Barte,

Jenem berührt’ und blies das Zeichen gebotenen Rückzugs,

Scholl sie zu allen gesammt, zu den Wellen des Landes und Meeres,

Und zu denen sie scholl, die alle gehorchten und standen.

Fallend verliert sich die Flut; auf scheinen zu tauchen die Hügel;

Schon hat Küsten das Meer; voll wallen im Bette die Ströme;

Boden ersteht, und es hebt sich das Land, wie die Wellen sich senken,

Und nach langem Verzug nun zeigen die Wälder entblößte

Wipfel und halten im Laub noch Schlamm, der haften geblieben.

Dastand wieder die Welt. Wie er leer sie sah und verlassen

Und das verödete Land in schauriges Schweigen versunken,

Sprach Deucalion so mit quellenden Thränen zu Pyrrha:

»Schwester und Ehegemahl, du einziges Weib auf der Erde,

Die mir verwandtes Geschlecht und vom Ahn die gemeinsame Herkunft,

Dann das Lager vereint, nun selber Gefahren vereinen:

Von den Gefilden zumal, die der Morgen bestrahlt und der Abend,

Sind wir beide das Volk. Das Uebrige raffte die Meerflut.

Und noch immer ist nicht die Bürgschaft unseres Lebens

Sicher genug; auch jetzt noch ängstigen Wolken die Seele.«

Wie, wenn dich das Geschick verschonete ohne den Gatten,

Wäre dir jetzt, du Arme, zu Muth? Wie könntest du einsam

Dann aushalten die Angst? Wer sollte dich trösten im Schmerze?

Ich – das glaube gewiß – wenn dich auch deckte die Meerflut,

Folgte dir nach, o Weib, und mich auch deckte die Meerflut.

›Könnt’ ich doch mit der Kunst des Vaters von neuem die Völker

Schaffen und lebenden Geist einflößen gestalteter Erde!

Nun ist übrig in uns den zweien die sterbliche Gattung –

So war Götterbeschluß – wir bleiben als Bilder von Menschen.‹

Sprach’s und weinte mit ihr. Sie beschließen der himmlischen Gottheit

Betend zu nah’n und Rath zu erfleh’n durch heiligen Ausspruch.

Sonder Verzug geh’n beide zugleich an den Strom des Cephisus,

Der noch nicht sich geklärt, doch einhielt frühere Grenzen.

Als sie die Finger darauf in die Wellen getaucht und mit Tropfen

Kleider besprenget und Haupt, da lenkt zu der heiligen Göttin

Tempel die Schritte das Paar. Noch war an dem Hause der Giebel

Schmutzig von häßlichem Tang, und des Feuers entbehrte der Altar.

Wie an den Stufen sie nun anlangeten, warfen sich beide

Nieder, das kalte Gestein zu küssen mit bebendem Schauer,

Und so huben sie an: »Wenn Himmlische rührt und erweichet

Andachtsvolles Gebet, wenn göttliches Zürnen zu wenden;

Themis, so sprich: was sollen wir thun, den Verlust zu ersetzen

Unsres Geschlechts? Hilf, Gütigste, auf dem versunkenen Leben.«

Themis gerührt ertheilte den Spruch: »Weg gehet vom Tempel,

Hüllt euch beide das Haupt und lös’t die gegürteten Kleider,

Und so werft das Gebein der großen Erzeugerin rückwärts.«

Lang hält Staunen sie starr; dann bricht mit der Stimme das Schweigen

Pyrrha zuerst und versagt dem Gebote der Göttin Gehorsam,

Und sie fleht um Erlaß mit bebenden Lippen und schaudert

Durch das zerstreute Gebein zu kränken den Schatten der Mutter.

Beide erwägen indeß für sich des gegebenen Ausspruchs

Dunkel verschleierten Sinn und prüfen die Worte genauer.

Drauf mit tröstlichem Wort aufrichtend die Epimethide

Sagte Prometheus’ Sohn: »Mich trügt entweder die Einsicht,

Oder der Spruch ist gerecht und räth kein sträflich Beginnen.

Zeugerin nennt er die Erd’, und im Leibe der Erde die Steine,

Däucht mir, sind das Gebein; die sollen wir hinter uns werfen.«

Ob auch froh die Titane vernimmt des Gatten Enthüllung,

Doch ist ihr Hoffen verzagt. So sind mißtrauisch die beiden

Gegen das Göttergebot. Doch was mag schaden die Probe?

Weg nun gehn sie und hüllen das Haupt und entgürten die Kleider;

Hinter sich werfen sie dann auf den Weg die geheißenen Steine.

Und das Gestein – wer glaubt’ es, wofern nicht zeugte das Alter? –

Wird von der Spröde befreit und verlieret die starrende Härte,

Wird allmälig erweicht und beginnt sich erweicht zu gestalten.

Bald, wie es wachsend sich hob und zu milderem Wesen sich wandte,

Trat schon sichtlich hervor, doch noch undeutlich im Umriß,

Menschengestalt, gleichwie aus eben behauenem Marmor,

Nicht vollendet genug und ganz wie rohe Gebilde.

Was an den Steinen jedoch war feucht durchdrungen von Säften

Und was erdiger Stoff, das ward zum fleischigen Leibe;

Aber was unbeugsam und fest, geht über in Knochen,

Und was Ader zuvor, das bleibt mit dem selbigen Namen.

Kurz nur währte die Frist, da gewann durch göttliche Fügung

Alles Gestein, das der Mann entsendete, männliches Antlitz,

Während vom weiblichen Wurf ein Weib neu trat in das Leben.

Davon sind wir ein hartes Geschlecht, ausharrend in Mühsal,

Und wir geben Beweis, woher wir genommen den Ursprung.

Drauf von sich selber gebar die Erde die andern Geschöpfe

Mannigfaltiger Art, als warm von dem Feuer der Sonne

Ward das verbliebene Naß, und der Schlamm und die wässrigen Sümpfe

Schwollen von Hitze gespannt, und befruchtete Keime der Wesen,

Wie in dem Schooße der Mutter genährt vom belebenden Boden,

Wuchsen und mehr und mehr in feste Gestalt sich begaben.

Also, wenn sich verliert von den nassen Gefilden des Nilus

Siebenmündiger Strom und zum früheren Bette zurückkehrt

Und von dem Aethergestirn der frische Morast sich erhitzet,

Trifft zahlreiches Gethier in gewendeten Schollen der Landmann

Und sieht manche davon erst eben begonnen, gerade

Während der Zeit der Geburt, und andere in der Entwicklung

Noch nicht fertig gediehn; oft ist an dem selbigen Körper

Lebend bereits ein Theil, der andere klumpige Erde.

Denn wo Feuchte gewinnt und Wärme die richtige Mischung,

Wird empfangen die Frucht, und alles entsteht von den beiden.

Während das Feuer im Streit mit dem Naß, bringt dunstiger Brodem

Alles hervor, und der Zeugung ist hold zwieträchtige Eintracht.

Wie nunmehr, von der neulichen Flut noch schlammig, die Erde

Von dem ätherischen Strahl und den Gluten der Höhe gewärmt war,

Brachte sie Arten hervor unzählige, und sie erneute

Alte Gebilde zum Theil, theils zeugte sie neue Geschöpfe.

Zwar ihr war’s zum Leid, doch dich auch, mächtiger Python,

Zeugte sie jetzt, und dem neuen Geschlecht, unförmliche Schlange,

Warst du ein Graun: soviel einnahmest du Raum an dem Berge.

Aber der schießende Gott, der nimmer die Waffe des Bogens

Brauchte zuvor, als nur bei Hirschen und flüchtigen Rehen,

Streckt’ ihn hin zahllos mit Geschossen beschwert, da der Köcher

Fast sich erschöpft, und das Gift floß aus durch schwärzliche Wunden.

Und daß nimmer den Ruhm des Werkes vertilge das Alter,

Stiftet’ ein heiliges Fest mit gefeierten Kämpfen Apollo,

Von dem gebändigten Thiere die pythischen Spiele geheißen.

Wer von den Jünglingen dort mit der Faust, mit den Füßen, dem Rade

Hatte gesiegt, empfing die Ehre des eichenen Laubes.

Lorbeer war noch nicht, und von jeglichem Baume bekränzte

Seine von wallendem Haar anmuthigen Schläfe sich Phöbus.

Phöbus liebte zuerst die peneische Daphne, wofür nicht

Blindes Geschick ihn entflammt, nein rächender Zorn des Cupido.

Denn jüngst hatte gesehn, wie die Hörner er bog am gespannten

Strange der delische Gott, noch stolz auf der Schlange Besiegung.

»Was soll kräftige Wehr bei dir, muthwilliger Knabe? –

Spottet’ er – solches Geräth ist unseren Schultern geziemend,

Die wir sicher das Wild wie den Feind zu treffen verstehen,

Die wir Python erlegt, der gebläht mit dem giftigen Bauche

So viel’ Hufen beschwert, unlängst mit unzähligen Pfeilen.

Wenn du entfachst mit der Fackel ich weiß nicht welches Verlangen,

Lass’ es Genüge dir sein: nicht eigne dir unseren Ruhm an!«

Venus’ Knabe versetzt: »Dein Bogen, o Phöbus, erreiche

Alles, der meinige dich! So weit vor dem Gott die Geschöpfe

Weichen gesammt, so weit steht dein Ruhm unter dem meinen.«

Sprach’s und säumete nicht und theilete rasch mit bewegten

Schwingen die Luft und stand auf der schattigen Höh’ des Parnassus.

Zwei der Geschosse entnimmt er dem pfeilumschließenden Köcher,

Ungleichartig an Kraft. Eins scheucht, eins wecket die Liebe.

Welches sie weckt, ist golden und glänzt mit spitziger Schärfe;

Welches sie scheucht, ist stumpf, und Blei ist unter dem Rohre.

Dieses versendet der Gott zur peneischen Nymphe; das andre

Schnellet er durch das Gebein in’s innerste Mark dem Apollo.

Der fühlt Liebe sogleich; sie flieht vor des Liebenden Namen:

Nun an der Wälder Versteck und am Fang des erbeuteten Wildes

Findet sie Lust nach dem Bilde der stets jungfräulichen Phöbe.

Fesselnd schlang sich ein Band um das kunstlos liegende Haupthaar.

Viele wohl warben um sie; doch jene den Werbenden abhold,

Flüchtig und scheu vor dem Mann, durchstreift Einöden der Wälder,

Und sie bekümmert sich nicht um Hymen und Amor und Ehe.

»Tochter – ermahnte sie oft ihr Vater – ich harre des Eidams.«

»Tochter – ermahnte sie oft ihr Vater – du schuldest mir Enkel.«

Sie, der wie ein Vergehn hochzeitliche Fackeln verhaßt sind,

Steht im schönen Gesicht von züchtiger Röthe begossen,

Und mit schmeichelndem Arm umschlingend den Nacken des Vaters

Bittet sie: »Wehre mir nicht, jungfräulich, geliebtester Vater,

Immer zu sein. Einst hat es Dianen vergönnt der Erzeuger.«

Jener gestattet es zwar; doch nicht läßt sein dich der Liebreiz,

Was du begehrst, und deine Gestalt wehrt deinem Verlangen.

Phöbus liebt und ersehnt der geschaueten Daphne Umarmung

Und hofft, was er ersehnt. Ihn trügt sein eignes Orakel.

So wie der Aehren beraubt verbrennen die nichtigen Stoppeln,

Wie von der Fackel der Zaun aufflammt, die ein Wanderer sorglos

Näherte oder vielleicht in der Frühe des Morgens zurückließ:

So ist entfacht zur Flamme der Gott, und im ganzen Gemüthe

Lodert er auf und nährt die vergebliche Liebe mit Hoffnung.

Kunstlos sieht er das Haar ihr hangen im Nacken und denket:

»Wie, wenn es wäre gepflegt?« Die Augen, von Feuer erglänzend,

Schauet er licht wie Gestirn. Er schauet den Mund, und Genüge

Findet er nicht vom Schau’n. Er preiset die Finger und Hände,

Preiset den Arm und die Achsel entblößt bis über die Hälfte.

Was sich verbirgt, dünkt schöner ihm noch. Sie flieht wie ein Lufthauch

Schwebend davon und steht nicht still, wie er solches ihr nachruft:

»Nymphe, du Kind des Peneus, verzieh! Nicht folg’ ich ein Feind dir.

Nymphe, verzieh! So fliehet das Lamm vor dem Wolf, vor dem Löwen

Also der Hirsch, vor dem Aar mit zitternder Schwinge die Taube,

Jedes vom Feinde gescheucht. Mich nöthiget Liebe zu folgen.

Ach, wenn du nur nicht fällst, und den Fuß unwerth der Verletzung

Nur nicht ritzet ein Dorn, und Schmerz durch mich du erleidest!

Rauh ist der Weg, auf welchem du eilst. Sei mäßig im Laufe –

Höre mich – hemme die Flucht! Selbst will ich dir mäßiger folgen.

Wem du gefällst, erforsche doch erst. Kein Mann vom Gebirge

Bin ich oder ein Hirt; nicht hab’ ich auf Rinder noch Schafe

Acht hier lässig in Tracht. Du weißt nicht, Thörin, du weißt nicht,

Wem du entfliehst; drum fliehest du nur. Die delphische Landschaft,

Tenedos huldiget mir und Claros und Patara’s Hofburg.

Jupiter hat mich gezeugt. Durch mich wird kund, was gewesen,

Was sein wird und was ist. Durch mich stimmt Sang zu den Saiten.

Sicher ist unser Geschoß; doch sicherer trifft wie das unsre

Eins noch, welches mir schlug im ruhigen Busen die Wunde.

Heilende Kunst ist erfunden von mir, und Helfer auf Erden

Werd’ ich genannt, und uns sind dienstbar Kräfte der Kräuter.

Ach daß keines vermag von den Kräutern die Liebe zu heilen,

Und dem Besitzer die Kunst nicht nützt, die jeglichem nützet!«

Mehr noch hätt’ er gesagt; doch ängstlich entflohe des Peneus

Tochter und ließ ihn selbst und die unvollendete Rede,

Reizend zu sehn auch da. Den Körper enthüllten die Winde,

Und das Gewand ward flatternd bewegt vom begegnenden Hauche,

Und das gehobene Haar trieb rückwärts drängender Luftzug.

Flucht zeigt schöner den Wuchs. Da mag der unsterbliche Jüngling

Nicht mehr schmeichelndes Wort aufwenden, und wie ihn Cupido

Selbst antrieb, so folgt er beschleunigten Laufes den Schritten.

Wie wenn im offenen Felde den Hasen der gallische Spürhund

Schauet, und dieser mit Hast nach dem Fang strebt, jener nach Rettung;

Immer erscheint einholend der Hund, jetzt ihn zu packen

Hofft er und streift ganz nah mit der schnappenden Schnauze die Läufe;

Jener vermeinet bestürzt, schon sei er gefangen, und reißt sich

Los von dem beißenden Zahn und verläßt den berührenden Rachen:

So ist eilig in Furcht die Dirne, der Gott in Erwartung.

Doch der Verfolgende rennt, von den Fittigen Amors gefördert,

Schneller und gönnt nicht Rast, und dicht an der Fliehenden Rücken

Ist er gebeugt und behaucht im Nacken das fliegende Haupthaar.

Nun, da versagte die Kraft, erblaßte sie, und von der Mühsal

Flüchtigen Laufes erschöpft, die peneischen Wellen gewahrend,

Flehte sie: »Vater, ach hilf, wenn Macht euch Strömen gegeben!

(Wandele diese Gestalt, darin zu sehr ich gefallen.)«

Wie sie kaum es erfleht, faßt starrende Lähmung die Glieder,

Und mit geschmeidigem Bast umzieht sich der schwellende Busen.

Grünend erwachsen zu Laub die Haare, zu Aesten die Arme;

Fest hängt, jüngst noch flink, ihr Fuß an trägem Gewurzel!

Wipfel verdeckt das Gesicht; nichts bleibt wie die glänzende Schönheit.

So auch liebt sie der Gott. Au den Stamm die Rechte gehalten

Fühlt er, wie noch aufbebt in der bergenden Rinde der Busen,

Und mit den Armen die Aest’, als wären es Glieder, umfangend,

Gibt er Küsse dem Holz. Den Küssen entzieht sich das Holz auch.

»Weil du – sprach er sodann – nicht mein kannst werden als Gattin,

Werde denn mein als Baum. Dich soll nun ständig die Leier,

Dich soll tragen das Haar, dich ständig der Köcher, o Lorbeer!

Latiums Führern gesellt sei du, wenn fröhliche Stimmen

Jubeln Triumph, und zum Capitol lang wallet der Festzug.

Treulicher Wächter zugleich den augustischen Pfosten in Zukunft

Sollst du stehn vor dem Thor und in Mitten die Eiche behüten.

Und wie jugendlich trägt mein Haupt frei wachsende Locken,

Halte du fort und fort die beständige Zierde des Laubes.«

Päan hatt’ es gesagt. Der Lorbeer nickte mit jungen

Zweigen dazu und schien wie ein Haupt zu bewegen den Wipfel.

In Hämonien liegt, von bewaldeten Steilen umschlossen,

Tempe genannt ein Hain, durch welchen vom unteren Pindus

Strömend zu Thal sich wälzt in schaumigen Wellen Peneus

Und im gewichtigen Fall mit flüchtigen Dämpfen getränkte

Wolken erregt und die Wipfel umher mit spritzendem Regen

Netzet und mit dem Gebraus nicht blos das Nahe betäubet.

Hier ist das Haus und der Sitz, hier sind die Gemächer des großen

Stromgotts. Hausend allhier in der felsumwölbeten Grotte

Gab er den Wellen Gesetz und den Wellen bewohnenden Nymphen.

Dorthin kamen zuerst zusammen die heimischen Flüsse,

Zweifelnd im Sinn, ob sie Trost, ob Glückwunsch brächten dem Vater,

Pappelumlaubt Spercheos und rastlos immer Enipeus,

Greis Apidanus auch und der sanfte Amphrysos und Aeas;

Andere Ströme sodann, die, wo das Gelüste sie hintreibt,

Führen hinab zum Meer vom Irren ermüdete Wellen.

Inachus nur ist fern. In der untersten Grotte verborgen,

Mehrt er mit Zähren die Flut; denn Jo betrauert der Aermste

Als ein verlorenes Kind. Er weiß nicht, ob sie am Leben,

Ob bei den Manen sie sei; doch sie, die er nirgends gefunden,

Scheint ihm nirgends zu sein, und er fürchtet im Herzen das Schlimmste.

Jupiter hatt’ unlängst, wie sie kehrte vom Strome des Vaters,

Jene geschaut und gesagt: »O Jungfrau Jupiters würdig,

Die einst liebend beglückt, ich weiß nicht wen, in den Schatten

Komm zum stämmigen Hain – und er wies nach dem Schatten des Haines –,

Da Glut sendet zunächst in die Mitte des Kreises die Sonne.

Hegest du Scheu allein zu betreten die Schlüfte des Wildes,

Sicher geleitet ein Gott dich hinein in die Tiefe des Waldes,

Und kein niedriger Gott, nein, welcher das himmlische Scepter

Hält in gewaltiger Hand und zuckende Blitze versendet.

Fliehe mich nicht!« Denn sie floh. Hinweg schon über die Weiden

Lerna’s war sie geeilt und Lyrcea’s waldige Fluren:

Da umhüllte der Gott mit bergendem Dunkel die Lande

Weit und breit und hemmte die Flucht und nahm ihr die Ehre.

Grad’ auf die Felder hinab sah Juno indeß von der Höhe

Und war höchlich erstaunt, daß Nacht am heiteren Tage

Flüchtige Nebel gebracht. Wohl merkte sie, daß sich die Dünste

Weder entwanden dem Fluß, noch stiegen vom wässrigen Boden,

Und nach dem Ehegemahl sucht rings ihr spähendes Auge,

Da ihr die Schliche bekannt des öfter betroffenen Gatten.

Wie sie ihn nicht im Himmel entdeckt: »Ich irre mich – sprach sie –

Oder ich werde gekränkt.« Und der Höhe des Aethers entglitten,

Hatte sie Stand auf der Erd’ und hieß sich entfernen die Nebel.

Doch er hatte geahnet der Gattin Besuch und gewandelt

Inachus’ Tochter zuvor in Gestalt weiß glänzender Färse.

Auch als Kuh ist sie schön. Die saturnische Göttin, ob ungern,

Preiset das stattliche Rind, und sie fragt, unkundig erscheinend,

Wessen es sei und woher und wohin zur Heerde gehörig.

Daß sie die Erde gezeugt, lügt Jupiter, weiterem Forschen,

Wie sie entstand, zu entgehn. Zum Geschenke begehret sie Juno.

Was nun thun? Hart wär’ es, hinweg die Geliebte zu geben;

Weigerung regte Verdacht. Hier ist es die Scham, die ihm zuräth;

Dort räth Liebe ihm ab. Scham wäre gewichen vor Liebe:

Doch wenn das leichte Geschenk der Genossin des Stamms und des Lagers

Würde versaget, die Kuh, nicht Kuh dann möchte sie scheinen.

Als er die Buhle geschenkt, war frei doch nicht von Besorgniß

Juno sogleich, denn sie scheute den Gott und bangte vor Diebstahl,

Bis sie den Argus bestellt zum Hüter, den Sohn des Arestor.

Hundert Augen zugleich trug Argus am Haupt in der Runde:

Immer ergaben sich zwei in wechselnder Folge dem Schlummer,

Während die anderen all’ achtsam auf dem Posten verblieben.

Wie er den Stand auch immer gewählt, er schaute nach Jo;

Jo stand vor dem Blick, auch wenn er gewendet das Antlitz.

Weiden darf sie am Tag; ist unter der Erde die Sonne,

Schließt er sie ein und legt um den Hals unwürdige Bande.

Nahrung ist ihr das Laub von den Bäumen und bittere Kräuter.

Statt auf schwellendem Pfühl muß ruhn auf dem Boden die Arme,

Der nicht immer begras’t, und sie trinkt aus schlammigen Flüssen.

Wenn sie mit Flehen empor zum Argus die Arme zu heben

Trachtete, war sie der Arme beraubt, die sie hübe zum Argus.

Wollte sie klagen ihr Leid, so stieg ein Gebrüll aus dem Munde:

Bebend vernahm sie den Ton und erschrak vor der eigenen Stimme.

Auch an den Strand, wo oft sie vormals pflegte zu spielen,

Kam sie, an Inachus’ Strand, und wie sie im Wasser die neuen

Hörner erblickt, da bebt sie und flieht vor sich selbst mit Entsetzen.

Keine Najade erkennt, auch Inachus selber erkennt nicht,

Wer sie sei; doch sie folgt dem Erzeuger und folget den Schwestern;

Streicheln läßt sie sich gern und tritt den Bewundernden näher;

Inachus reicht ihr gerupfetes Gras, der bejahrte Stromgott:

Jene beleckt ihm die Hand, gibt Küsse den Fingern des Vaters

Und gönnt Thränen den Lauf, und wenn nur folgten die Worte,

Würd’ um Hilfe sie flehn und Namen verkünden und Schicksal.

Aber gezeichnet im Staub mit dem Fuß gab traurige Kunde

Von dem gewandelten Leib ein Zug an der Stelle der Worte.

»Weh mir!« rufet im Schmerz Greis Inachus aus, und die Hörner

Hält er umfaßt und den schneeigen Hals der stöhnenden Färse:

»Weh mir! – klaget sein Ruf – du bist’s, o Tochter, die ringsum

Ich in den Landen gesucht? Du warst mein Jammer verschollen

Minder, denn also entdeckt. Du schweigst, und erwidernde Worte

Redest du nicht und drängst nur Seufzer vom Grunde des Herzens

Und, was allein dir vergönnt, du brummst zu unseren Klagen.

Arglos richtet’ ich zu für dich Brautkammer und Fackeln;

Erst nach dem Eidam stand mein Hoffen und dann nach den Enkeln.

Nun harrt dein von der Heerde ein Mann, ein Sohn von der Heerde;

Und nicht ist mir erlaubt durch Tod mein Leiden zu ändern:

Mir zum Verderb ja bin ich ein Gott, und unsere Trauer

Dehnet in ewige Zeit die verschlossene Pforte des Todes.«

Aber den jammernden Greis drängt fort der gestirnete Argus,

Reißt vom Vater das Kind und treibt sie zu anderen Weiden.

Selber begibt er sich fern auf die Höhe des ragenden Berges,

Wo er sich setzt und weit nach jeglicher Seite sich umschaut.

Doch der Unsterblichen Haupt kann länger der Phoronide

Qual nicht sehn, und den Sohn, den die lichte Plejade geboren,

Rufet er her und gebeut durch Mord zu vertilgen den Argus.

Rasch nimmt jener den Hut auf das Haupt, an die Füße die Flügel

Und in die mächtige Hand die Schlummer verleihende Ruthe.

Wie er sich fertig gemacht, springt Jupiters Sohn von des Vaters

Burg auf die Erde hinab. Dort wieder entfernt er die Flügel

Und legt nieder den Hut und behält in den Händen den Stab nur.

Damit treibt er als Hirt quer durch die Gefilde die Ziegen,

Die er im Geh’n mitbracht’, und bläs’t auf gefügeten Halmen.

Zauberisch klang das neue Getön dem junonischen Wächter:

»He, wer immer du seist, – rief Argus – du könntest dich setzen

Zu mir hier auf den Stein; denn üppiger wächst für die Heerde

Nirgends das Gras, und du siehst für Hirten erquicklichen Schatten.«

Atlas’ Sproß nahm Sitz und wußte mit vielem Gerede

Plaudernd zu dehnen den Tag und strebte die wachsamen Augen

Einzuwiegen gemach mit dem Spiel auf verbundenen Rohren.

Jener bekämpfet jedoch des Schlummers gelinde Bestrickung,

Und obschon sich dem Schlaf ein Theil von den Augen ergeben,

Hält er die anderen wach. Auch fragt er – denn neulich erfunden

War das flötende Spiel – was Anlaß gab zur Erfindung.

Drauf sprach also der Gott: »In Arcadiens kalten Gebirgen

War die schönste im Kreis der nonacrischen Hamadryaden

Eine Najad’ unlängst: die Nymphen benannten sie Syrinx.

Mehrmals war sie bereits entschlüpft nachstellenden Satyrn

Und den Göttern zumal, die der schattige Wald und das Saatfeld

Heget. Sie weihte sich ganz der ortygischen Göttin mit Neigung

Und jungfräulichem Sinn. Nach Sitte Dianens gegürtet

Konnte sie täuschen und selbst wol gelten als Tochter Latona’s,

Wär’ ihr nicht ein Bogen von Horn und ein goldener jener.

Doch so täuschte sie auch. Wie sie einst heimging vom Lycäus,

Schaute sie Pan, und das Haupt umwunden mit nadliger Fichte

Hub zu reden er an.« Noch war zu erzählen die Rede,

Und wie die Nymphe gefloh’n, nicht achtend der dringenden Bitten,

Durch pfadloses Gefild, bis daß zu des sandigen Ladon

Ruhigem Strom sie gelangt, und als die Wellen versperrten

Weiteren Lauf, um Wandlung gefleht zu den flüssigen Schwestern;

Wie dann Pan, da schon er gedachte zu haschen die Syrinx,

Statt der Nymphe Gestalt Sumpfrohr in den Armen gehalten,

Und als seufzend er stand, die wehende Luft in dem Schilfe

Leises Geflüster erregt, das ähnlich ertönte wie Klage,

Wie er entzückt vom Zauber des Tons und der neuen Erfindung

Hatte gesagt: »Das soll fortan uns beide vereinen!«

Und an den Halmen sodann, die er ungleich unter einander

Hatte verbunden mit Wachs, den Namen des Mädchens erhalten.

Solches zu sagen bereit sah schon der cyllenische Jüngling

Alle die Wimpern gesenkt und verdeckt vom Schlummer die Augen.

Gleich nun hält er die Stimme zurück und verstärkt die Betäubung,

Mit dem bezaubernden Stab die schläfrigen Lider bestreichend.

Rasch dann führt er den Streich auf den Nickenden mit dem gekrümmten

Schwert, wo das Haupt sich schließt an den Hals, und stürzt ihn vom Felsen

Blutig hinab und beflecket das schroffe Gestein mit dem Blute.

Argus, du liegst, und das Licht, das so viel Leuchten erfüllte,

Ist dir verlöscht und es hüllt Ein Dunkel das Hundert von Augen.

Juno nimmt sie heraus und setzt in des heiligen Vogels

Federn sie ein und füllet den Schweif mit gestirnten Juwelen.

Zornig entbrannte sie jetzt und verschob nicht länger die Rache.

Graunvoll rückt sie dem Blick und dem Geist der argolischen Buhle

Vor der Erinnys Gestalt und senket verborgene Strahlen

Ihr in die Brust und jagt sie im Schreck rings über den Erdkreis.

Du warst übrig zuletzt, Nilstrom, der unendlichen Drangsal.

Als sie diesen erreicht, da sank sie am Rande des Ufers

Nieder, die Knie gebeugt, und mit rückwärts strebendem Nacken,

Was allein ihr vergönnt, das Gesicht zu den Sternen erhebend

Schien sie mit Klagegestöhn und Thränen und schmerzlichem Brüllen,

Jupiter zeihend der Schuld, zu erflehen ein Ende der Leiden.

Da bat jener, den Arm um den Hals der Gemahlin geschlungen,

Endlich zu setzen ein Ziel der strafenden Pein: »Für die Zukunft –

Sprach er – banne die Furcht! Nie soll Ursache des Schmerzes

Jo dir sein.« Und er heißt es vernehmen die stygischen Sümpfe.

Als nun Juno erweicht, nimmt jene das frühe Antlitz

Wieder und wird wie zuvor. Von dem Körper entweichen die Haare;

Schrumpfend vergeht das Gehörn; eng zieh’n sich die Kreise der Augen;

Schmäler das Maul; nun kehren zurück die Schultern und Hände;

In fünf Zehen getheilt allmälig verliert sich die Klaue;

Und nichts bleibet an ihr von der Kuh als die blendende Weiße.

Aufrecht schreitet begnügt mit nur zwei Füßen die Nymphe;

Worte getraut sie sich kaum, daß nicht nach Sitte des Rindes

Brülle der Mund, und versucht sich verzagt abbrechend im Reden.

Leinwand tragende Schaar ehrt jetzt die gefeierte Göttin.

Ihr wird endlich geglaubt, daß Epaphus sei von des großen

Jupiter Samen gezeugt, und rings in den Städten besitzt er

Tempel der Mutter gesellt. An Stolz war ihm wie an Jahren

Phaethon gleich, Sol’s Sohn. Als der einst prahlte mit Hochmuth

Und vor ihm nicht wich und sich rühmte des Phöbus als Zeugers,

Trug’s nicht Inachus’ Sproß: »Du glaubst auch – sprach er – der Mutter

Alles, o Thor! Dich blähet das Bild des erlogenen Vaters.«

Phaethon glüht im Gesicht, und die Scham nur hemmte den Jähzorn,

Und vor Clymene bracht’ er des Epaphus Schmähung und sagte:

»Daß du, Mutter, es recht auch fühlst, ich habe geschwiegen,

Ich so trotzig und keck. O Schmach, daß jener den Vorwurf

Uns zu sagen vermocht, und wir ihn nicht zu entkräften!

Aber wenn anders ich bin aus himmlischem Samen entsprossen,

Gib mir Beweis von dem hohen Geschlecht mir den Himmel zu sichern.«

Phaethon sprach’s und umfing der Zeugerin Hals, und bei Merops

Und bei dem eigenen Haupt und den Hochzeitfackeln der Schwestern

Bat er sie kund zu thun durch ein Zeichen den wirklichen Vater.

Clymene, mochte sie nun mehr folgen den Bitten des Sohnes

Oder dem Zorn, den gab die Beschuldigung, streckte die Arme

Beide zum Himmel empor, und schauend zum Glanze des Phöbus

Sagte sie: »Dort bei dem Licht in der Pracht hellblitzender Strahlen

Schwör’ ich dir, Sohn, bei dem Licht, das uns anhöret und anblickt:

Er, den droben du siehst, ja Sol, der Erquicker des Weltalls,

Hat dich gezeugt. Ist Lüge mein Wort, dann geb’ er sich nimmer

Mir zu schaun, dann scheine der Tag mir heute zum letzten.

Leicht ist die Mühe für dich, die Penaten des Vaters zu finden:

Nah angrenzet das Haus, wo er aufsteigt, unserem Lande.

Bist du gewillt, geh hin, und er wird dich selber belehren.«

Phaethon springt sogleich, als solches die Mutter geredet,

Auf in freudiger Hast, und im Geist umfaßt er den Aether.

Sein Aethiopengeschlecht durcheilet er rasch und die Inder

Unter dem heißen Gestirn und erreicht Sol’s östliche Wohnung.

Zweites Buch

Inhalt. Phaethon. Die Heliaden. Cycnus. Callisto. Der Rabe (Coronis). Nyctimene. Aesculapius. Ocyrrhoe. Battus. Aglauros (die Mißgunst). Europa.

Stattlich erhöht stand da Sol’s Burg auf ragenden Säulen

Hell von blinkendem Gold und von flammengleichem Pyropus.

Glänzendes Elfenbein war oben die Zierde des Giebels;

Strahlend prangten die zwei Thorflügel im Lichte des Silbers.

Ueber den Stoff noch siegte die Kunst. Dort hatte gebildet

Mulcibers Meißel das Meer, wie es rings umgürtet die Länder,

Und die gerundete Erd’ und den Himmel über der Rundung.

Bläuliche Götter umschließet die Flut, den blasenden Triton,

Proteus’ Wandelgestalt und, wie er den mächtigen Rücken

Drückt mit den Armen dem Wal, den Riesen Aegäon, und Doris

Und, die Doris gebar. Theils scheinen zu schwimmen die Jungfrau’n,

Theils auf felsigem Riff sich die grünlichen Haare zu trocknen,

Theils auf Fischen zu ruh’n. Nicht gleich ist bei allen das Antlitz,

Ohne verschieden zu sein, so wie es bei Schwestern geziemend.

Männer besitzt und Städte die Erd’ und Wälder und Thiere,

Flüsse und Nymphen dazu und die anderen Mächte der Fluren.

Darob stehet gewölbt das Gebilde des glänzenden Himmels,

Und sechs Zeichen sind rechts und sechs auch links an dem Thore.

Als nunmehr dorthin auf steigendem Pfade gelangt war

Clymene’s Sohn und trat in das Haus des bezweifelten Vaters,

Lenkt er die Schritte sofort nach dem Antlitz seines Erzeugers;

Fern dann bleibet er stehn; denn näher vermochte sein Auge

Nicht zu ertragen das Licht. Da saß im Purpurgewande

Phöbus auf prächtigem Thron, der glänzte von hellen Smaragden.

Neben ihm stand Tag, Monat und Jahr zur Rechten und Linken,

Zum Jahrhundert gesellt, und gleich abstehende Stunden,

Stand frisch grünender Lenz, umwunden von blühendem Kranze,

Stand mit dem Aehrengeflecht im Haar der entkleidete Sommer,

Stand der Herbst mit dem Saft der gestampfeten Trauben besudelt,

Endlich der Winter beeis’t und struppig das greisende Haupthaar.

Dorther mitten im Raum ward Sol den betroffenen Jüngling,

Der bang staunte, gewahr mit den alles erblickenden Augen.

»Was trieb dich zu dem Gang? Was suchest du, Phaethon, – sprach er –

Hier in der Burg, du Sproß, der nicht zu verleugnen dem Zeuger?«

Jener versetzt: »O gemeinsames Licht des unendlichen Weltalls,

Vater Phöbus, wofern du mir solche Benennung gestattest,

Und nicht Clymene Schuld mit falschem Gebilde verhehlet,

Gib mir, Erzeuger, ein Pfand, das mich als wirklichen Sprößling

Zeige von dir, und unser Gemüth von dem Zweifel befreie.«

Phaethon sprach’s. Ablegt der Erzeuger die blendenden Strahlen,

Die umglänzten sein Haupt, und gebeut ihm näher zu gehen,

Und er umarmt ihn und spricht: »Wohl bist du der Meine zu heißen

Würdig, und Clymene that dir kund wahrhaftigen Ursprung.

Daß du dem Zweifel entsagest, erbitte beliebige Gabe,

Und ich gewahre sie dir. Der Pfuhl, bei welchem die Götter

Schwören, von uns noch nimmer geschaut, sei Zeuge des Wortes!«

Kaum war solches gelobt, als jener den Wagen des Vaters

Heischt und das Recht für den Tag die geflügelten Rosse zu lenken.

Jetzo bereut sein Vater den Schwur, und er schüttelt im Unmuth

Drei vier Mal sein leuchtendes Haupt: »Durch das deinige – sprach er –

Ward sinnlos mein Wort. O, wär’ es vergönnt, das Verheiß’ne

Nicht zu verleih’n! Dies würd’ ich dir, Sohn – ich gesteh’ es – versagen.

Warnung jedoch ist vergönnt. Nicht ist dein Verlangen gefahrlos.

Großes erstrebt dein Wunsch, o Phaethon, was den geringen

Kräften mit nichten geziemt, noch so unmännlichen Jahren.

Dir fiel sterbliches Loos; nicht sterblich ist, was du begehrest.

Höheres gar, als was zu erreichen den Himmlischen möglich,

Forderst du ohne Bedacht. Sich selbst mag jeder genügen;

Aber von allen vermag auf der feurigen Achse zu stehen

Keiner denn ich. Der Beherrscher sogar von dem weiten Olympus,

Der mit der schrecklichen Hand hinschmettert vernichtende Blitze,

Lenkt nicht dieses Gespann: und was gleicht Jupiters Größe?

Steil ist der Weg im Beginn, wo kaum in der Frühe die frischen

Rosse sich mühen hinan. Hoch steigt er in Mitten des Himmels,

Wo tief unten das Meer und die Lande zu sehen mir selber

Oftmals graut, und die Brust mir erbebt vor banger Besorgniß.

Jäh ist am Ende die Bahn und bedarf der sicheren Leitung.

Dann ist Thethys sogar, die mich in dem Schooß der Gewässer

Unten empfängt, in Furcht, daß schwindligem Sturz ich erliege.

Denke dazu, daß gerafft von ständigem Schwunge der Himmel

Mitzieht hohe Gestirn’ und in eiligem Wirbel herumdreht.

Gegen ihn streb’ ich mit Macht, und der Kraft, die alles bewältigt,

Trotz’ ich und lenke die Fahrt entgegen der wälzenden Kreisung.

Laß dein sein das Gespann: was thätest du? Kannst du dich stemmen

Wider den rollenden Pol, daß nicht dich entführte die Achse?

Haine vielleicht auch dort und Häuser und Städte zu finden

Wähnst du in deinem Gemüth, und Tempel mit reichen Geschenken:

Durch Nachstellungen gehet der Weg und Gebilde von Thieren.

Wenn du die Bahn auch hältst und nie abschweifst in die Irre,

Mußt du durch das Gehirn des begegnenden Stieres dich winden,

Durch des Centauren Geschoß und den Rachen des grimm’gen Löwen,

Am Scorpion auch hin, der krümmet die dräuenden Scheeren

Weit ausgreifend im Kreis, und am Krebs, der anders sie krümmet.

Auch ist dir das Gespann, vom sprühenden Feuer getrieben,

Das es verschließt in der Brust und aus Maul und Nüstern hervorschnaubt,

Nicht zu bändigen leicht. Kaum leiden mich selber die Rosse,

Wenn heiß dränget der Muth, und der Nacken erwehrt sich der Zügel.

Drum, daß nicht ich dir sei unseliger Gabe Verleiher,

Hüte dich, Sohn, und bess’re den Wunsch, da noch es vergönnt ist.

Daß du von unserem Blut dich glaubest erzeugt mit Gewißheit,

Willst du ein sicheres Pfand. Ich gebe das Pfand durch Besorgniß:

Väterlich Bangen erweis’t als Vater mich. Schau und betrachte

Nur mein Gesicht! O könntest du mir in den Busen das Auge

Senken und innen die Angst des liebenden Vaters erkennen!

Ja, was immer die Welt – blick’ um dich – heget an Reichthum,

Unter dem Köstlichen all auf Erden, im Meer und im Himmel

Wähle dir irgend ein Gut: nicht soll Fehlbitte dich kränken.

Steh’ von dem Einen nur ab, was Strafe mit richtigem Namen,

Ruhm nicht ist. Zum Geschenk, o Phaethon, heischest du Strafe.

Was umfängst du den Hals mir, Thor, mit schmeichelnden Armen?

Zweifle nicht, du erlangst, – ich schwor bei den stygischen Fluten –

Was du immer gewünscht; doch mußt du verständiger wünschen.«

Also mahnte der Gott. Doch jener verschmähte die Warnung

Und hält fest am Entschluß und brennt vor Begier nach dem Wagen.

Drum, so lang es vergönnt, noch säumig geleitet der Zeuger

An Vulcanus’ Geschenk den erhabenen Wagen, den Jüngling.

Dran war golden die Achs’ und dunkel die Deichsel und golden

Außen am Rade der Kranz und silbern die Reihe der Speichen.

Chrysolithen am Joch und gereihte Edelgesteine

Gaben die Strahlen zurück dem widergespiegelten Phöbus.

Als noch dies und die Kunst der muthige Phaethon staunend

Musterte, sieh, da thut im gerötheten Osten Aurora

Wach das purpurne Thor schon auf und den rosenbestreuten

Vorhof. Bald ist das Heer der Gestirne verscheucht, und den Zug schließt

Lucifer, welcher zuletzt abzieht von der Wache des Himmels.

Wie er der Erd’ ihn sah sich nah’n und sich röthen das Weltall

Und gleichsam an dem Monde die Enden der Hörner vergehen,

Heißt der Titan das Gespann anschirren die hurtigen Horen.

Rasch ist gethan das Gebot, und die glutausschnaubenden Renner,

Die mit Ambrosiasaft sich gesättiget, führen von hohen

Krippen die Göttinnen her und befestigen klirrende Zäume.

Jetzo bestrich dem Sohne mit heiliger Salbe das Antlitz

Phöbus und ließ ihm Kraft zu bestehen die sengende Flamme,

Und mit Strahlen umgab er sein Haar und ahnend das Unheil

Drängte er Seufzer hervor aus bekümmertem Herzen und sagte:

»Kannst du wenigstens hier des Vaters Ermahnungen folgen:

Schone den Stachel, o Sohn, und kräftiger brauche die Zügel.

Selbst da eilen sie schon. Müh ist’s, ihr Streben zu hemmen.

Auch nicht wähle die Bahn durch die fünf gradlaufenden Bogen.

Schräg hin zieht sich ein Pfad in weit abbiegender Krümmung,

Der mit der Grenze begnügt von dreien der Zonen vermeidet

So den südlichen Pol wie am nördlichen Himmel den Bären:

Dort einschlage den Weg. Du erkennst noch deutliche Gleise.

Und daß Himmel und Erd’ empfahn gleichmäßige Wärme,

Senke du nicht, noch treib’ in die Höhe des Aethers den Wagen.

Gehst du hinauf zu hoch, so verbrennst du die himmlischen Häuser;

Gehst du zu tief, die Erd’; am sichersten hältst du die Mitte.

Daß auch nicht rechtsab zur gewundenen Schlange dich reiße,

Noch dich führe das Rad linksab zum gesenkten Altare,

Halte dazwischen die Bahn. Des Weiteren walte Fortuna!

Möge sie besser als du Acht haben und helfen: ich wünsch’ es.

Während ich rede, berührt das Ziel am hesperischen Strande

Längst die thauige Nacht. Nicht frei steht längere Säumniß.

Auf denn, es drängt! Hell glänzt, da geflohen das Dunkel, Aurora.

Nimm die Zügel zur Hand! Doch bist im Gemüthe du lenksam,

Mache dir unseren Rath, nicht unseren Wagen zu Nutze,

Da du es kannst und Stand noch hast auf gediegenem Grunde,

Eh rathlos du beschwerest die leider begehrete Achse.

Daß du sicher es schaust, laß Licht mich geben den Ländern.«

Leicht im Schwunge besteigt den flüchtigen Wagen der Jüngling

Und steht oben und hält in der Hand die gegebenen Zügel

Freudig und dankt von da dem nicht gutheißenden Vater.

Pyrois, Aethon indeß und Eous und Phlegon der vierte,

Phöbus’ Flügelspann, erfüllen die Lüfte mit Wiehern

Flammenden Hauchs und schlagen im Drang mit den Hufen die Barren.

Als die Tethys zurück, nicht ahnend des Enkels Verhängniß,

Hatte geschoben, und frei dalag der unendliche Weltraum,

Stürzen sie hastig dahin, und die Luft mit den Hufen zertheilend

Bahnen sie sich durch Wolken den Weg, und von Schwingen gehoben

Eilen dem Ost sie voraus, der weht von derselbigen Gegend.

Aber die Last war leicht und nicht zu verspüren dem edeln

Sonnengespann, und das Joch entbehrte der sonstigen Schwere.

So wie das bauchige Schiff, dem fehlt die gebührende Ladung,

Schwankt und, weil es zu leicht, haltlos auf dem Meere dahintreibt,

Also, befreit vom gewohnten Gewicht, thut Sprünge der Wagen,

Und hoch wird er geschnellt in die Luft und erscheint wie ein leerer.

Aber das Viergespann stürzt wild, wie es solches gewahret,

Von dem befahrenen Raum und läßt von der früheren Ordnung.

Jener in Angst weiß nicht die vertraueten Zügel zu lenken,

Noch auch, welches der Weg, und wüßt’ er es, wär’ er doch machtlos.

Jetzt erwarmten zuerst von den Strahlen die kalten Trionen,

Und sie versuchten umsonst in verbotene Flut sich zu tauchen,

Die sich gelagert zunächst dem eisigen Pole, die Schlange,

Träge von Kälte zuvor und keinem ein Bild des Entsetzens,

Thauete auf und schwoll von der Glut zu neuem Ergrimmen.

Du auch flohest gestört nach der Sage von hinnen, Bootes,

Ob auch säumig du warst und dich dein Wagen zurückhielt.

Doch als Phaethon jetzt, der unglückselige, schaute

Hoch vom Aether hinab auf die tief tief liegenden Länder,

Ward er bleich, und die Knie erbebten in plötzlichem Schrecken;

Und bei dem blendenden Licht umzog ihm Dunkel die Augen.

Hätt’ er doch nie, so wünscht er, berühret die Rosse des Vaters!

Hätt’ er doch nimmer erkannt das Geschlecht und erreicht das Verlangen!

Merops’ Sohn gern blieb er genannt. Nun irret er unstät

Wie vor dem stürmenden Nord ein Schiff, wenn die Zügel in Ohnmacht

Frei sein Lenker ihm gibt und es Göttern vertraut und Gelübden.

Was nun thun? Viel hat er bereits vom Himmel im Rücken;

Vor ihm dehnet sich mehr. Im Geiste bemißt er die Strecken.

Vorwärts bald, wohin das Geschick zu gelangen ihm wehret,

Schaut er, zum Untergang; bald rückwärts schaut er zum Aufgang.

Rathlos starrt er in Angst und läßt nicht fahren die Zügel,

Noch auch zieht er sie an, noch weiß er die Namen der Rosse.

Hier und da auch sieht er mit Zittern am wechselnden Himmel

Wundergestalten zerstreut und Gebilde von dräuenden Thieren.

Südwärts zeigt sich ein Ort, wo die Scheeren in doppelter Windung

Krümmet der Scorpion und beugend den Schwanz und die Arme

In den Bereich von zwei Sternzeichen die Glieder hinausreckt.

Als den Phaethon sah, wie er troff vom Schweiße des schwarzen

Giftes und ihn mit dem Stich des gebogenen Stachels bedrohte,

Ließ er vor eisigem Schreck sinnlos aus den Händen die Zügel.

Als die aber erschlafft nun oben die Rücken berührten,

Schweifen die Rosse vom Weg und sprengen von keinem gehalten

Durch den entlegensten Raum, und wohin sie treibt das Gelüste,

Jagen sie ohne Gesetz, und an Sterne, die oben im Aether

Fest stehn, rennen sie an und raffen den Wagen durch Wildniß.

Bald in schwindelnde Höhn, bald fahren sie jach in die Tiefe

Auf abschüssigem Pfad und gehn ganz nah an der Erde,

Und mit Verwunderung sieht tief unter dem ihrigen Luna

Laufen des Bruders Gespann und es dampfen gesenkt die Gewölke.

Feuer ergreift nunmehr an den ragenden Höhen die Erde:

Berstend zerreißet der Grund und lechzt, da die Säfte versieget.

Dürr entfärbt sich das Gras; mit dem Laube verbrennen die Bäume,

Und die getrocknete Saat gibt Stoff dem eignen Verderben.

Kleiner Verlust! Mit den Mauern vergehn großmächtige Städte;

Ganze Länder sogar mitsammt den bewohnenden Völkern

Wandelt in Asche der Brand. Mit den Bergen entbrennen die Wälder.

Athos, Tmolus entbrennt, der cilicische Taurus und Oete,

Ida, trocken anjetzt, vormals reichhaltig an Quellen,

Helicons Jungfraunhöh’ und der später öagrische Hämos.

Von der gedoppelten Glut brennt nun ins Unendliche Aetne;

Auch der getheilte Parnaß und Cynthus und Othrys und Eryx,

Rhodope auch, nun endlich des Schnees entbehrend, und Mimas;

Dindyma, Mycale brennt und zur Feier erkoren Cithäron.

Keinen Gewinn vom Frost hat Scythien: Caucasus brennet:

Ossa mit Pindus zugleich und groß vor beiden Olympus,

Luftige Alpenhöhn und der wolkige Apenninus.

Da sieht Phaeton nun, wie auf jeglicher Seite der Erdkreis

War von den Flammen erfaßt, und er kann nicht tragen die Hitze.

Kochende Luft, gleichwie dem Schlunde des Ofens entstiegen,