Metamorphosen. Die berühmtesten Verwandlungsgeschichten - Ovid - E-Book

Metamorphosen. Die berühmtesten Verwandlungsgeschichten E-Book

Ovid

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Beschreibung

Die Weltgeschichte von der Schöpfung bis in die eigene Zeit – erzählt in einem einzigen fortlaufenden Gedicht von rund 12.000 Versen: In Ovids berühmtem Epos entsteht aus Altem immerzu Neues. Pflanzen, Steine, Gestirne, Tiere – alles hat seine Geschichte, zu jedem gibt es eine Erklärung, einen Mythos. Die berühmtesten dieser Verwandlungsgeschichten begegnen uns immer wieder in der bildenden Kunst; in dieser Ausgabe lassen sie sich in einer Prosaübersetzung entdecken. 

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Ovid

Metamorphosen

Die berühmtesten Verwandlungsgeschichten

Übersetzt, ausgewählt und herausgegeben von Michael von Albrecht

Reclam

Die Textauszüge folgen der Ausgabe: P. Ovidius Naso: Metamorphosen. Lat./Dt. Übers. und hrsg. von Michael von Albrecht. Stuttgart: Reclam, 1994 [u. ö.]. (Reclams Universal-Bibliothek. 1360.)

 

2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH

Coverabbildung: Narcissus betrachtet sein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche. Gemälde von Franz von Stuck, um 1926. Privatbesitz (© akg-images)

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962100-5

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014377-3

www.reclam.de

Inhalt

Vorwort

1. Buch

2. Buch

3. Buch

4. Buch

5. Buch

6. Buch

7. Buch

8. Buch

10. Buch

11. Buch

14. Buch

15. Buch

Zehn Lektüretipps

Vorwort

Ob im Museum, in Schlössern und Gärten, in der Literatur oder im Film: Allenthalben begegnen wir den Themen aus Ovids Epos Metamorphosen. Die ›Verwandlungen‹ bzw. ›Verwandlungsgeschichten‹ überliefern den kostbaren Schatz des griechisch-römischen Mythos in anschaulichen und einfühlsamen Erzählungen, die eine an die andere anschließend in einem fortlaufenden Gedicht. Diese fesselnden exemplarischen Situationen und Schicksalsverläufe dienten zweitausend Jahre lang als Fundgrube, ja geradezu als Bibel für Maler, Bildhauer und Dichter.

Ihren Autor, Publius Ovidius Naso, hat man mit Recht den ersten Vollblutitaliener der Weltliteratur genannt. Er ist am 20. März 43 v. Chr. in Sulmo (heute Sulmona) im Pälignerland geboren: Seine Heimat liegt östlich von Rom in einem fruchtbaren, wasserreichen Tal am Fuße schroffer Felsenberge. Er war stolz darauf, nicht dem Geldadel zu entstammen, sondern einem alten Rittergeschlecht, und vergaß auch nicht zu erwähnen, dass sein Geburtsort im Bundesgenossenkrieg (91–88 v. Chr.) das Zentrum des Widerstandes gegen Rom war. Der Vater schenkte ihm in Rom eine ausgezeichnete Ausbildung als Redner und eröffnete ihm den Zugang zur Senatskarriere – die der Sohn jedoch ausschlug, um sich dem ›brotlosen‹ Dichterberuf zu widmen. Immerhin fungierte der rechtskundige Poet als Einzelrichter in Zivilsachen und hatte auch das Amt eines Triumvirn (wohl eines Münzmeisters) inne.

Aus der zweiten von drei Ehen hatte Ovid eine Tochter, die ihm zwei Enkel schenkte. Seine dritte Ehe mit einer Frau aus senatorischer Familie (wohl der Fabii) wäre die glücklichste gewesen, hätte nicht Augustus den Dichter im Jahre 8 n. Chr. (aus nicht mehr bekannten Gründen) verbannt – ein Urteil, das auch der Nachfolger Tiberius nicht zurücknahm. Ovid starb im Jahr 17 oder 18 n. Chr. im Exil in Tomis (heute Constanţa in Rumänien).

In seinen Werken machte Ovid nicht nur mythische Geschichten zum Thema, sondern auch die Liebe sowie die Fremde bzw. Verbannung aus der Heimat. So begann seine Laufbahn mit Liebeselegien (Amores), in denen (wie bei seinen Vorgängern Tibull und Properz) meist der Liebhaber das Wort führt. Als weibliche Ergänzung dazu schuf unser Poet die bis dahin unbekannte Gattung der ›Heroidenbriefe‹ (Heroides), in denen verlassene Frauen ihr Leid klagen: eine kühne Neuerung! Die Ars amatoria (›Liebeskunst‹) schließlich fasst die Erfahrungen beider Geschlechter in einem unterhaltsamen Lehrbuch der praktischen Psychologie zusammen.

Die in dieser seiner ersten Schaffensperiode erworbene Menschenkenntnis kam dem Dichter bei der Abfassung seiner Tragödie Medea (leider verloren) und der Metamorphosen sehr zustatten: Sogar das Thema Eros/Liebe wurde in Letzteren, seinem umfangreichsten Werk, um neue Gebiete erweitert (Ehe, Homosexualität, Inzest). Parallel zu den Metamorphosen entstanden die Fasti, eine poetische Bearbeitung des römischen Festkalenders, doch infolge der Verbannung wurde sie nur zur Hälfte fertig. Und in der Verbannung verfasste Ovid elegische Briefe: fünf Bücher Tristia und vier Bücher Epistulae ex Ponto (›Briefe vom Schwarzen Meer‹). Durch sie ist Ovid zum weltlichen Schutzpatron aller Exildichter geworden.

Doch sehen wir uns die Anlage der Metamorphosen genauer an: Die fünfzehn Bücher des Epos, rund 12 000 Hexameter-Verse, bilden eine Enzyklopädie des Mythos im Zeichen der Verwandlung, ohne dass sich Ovid auf diese Klammer beschränkt hätte. In fortlaufender Erzählung reicht die Thematik in immerhin ca. 250 Verwandlungssagen von der Erschaffung der Welt bis in die historische Zeit des Dichters.

Die mythische Geschichte steht im Zeichen großer Städte: Im ersten Werkdrittel bildet Theben, die erste europäische Stadt, den Mittelpunkt, im zweiten Werkdrittel Athen, im dritten sind es Troia und Rom. Die Verwandlungsgeschichten zeigen, dass der Mensch als nach oben blickendes Wesen Chancen hat, sich durch Anschauung des Himmels höherzuentwickeln, aber auch in Gefahr steht, durch einseitige Spezialisierung zum Tier zu werden – zum Beispiel wird die engstirnige Weberin Arachne zur Spinne (S. 75 ff.). Den möglichen Aufstieg verdeutlichen Apotheosen (zum Beispiel Io–Isis; Hercules, Caesar); dabei verdienen Doppelapotheosen von Mann und Frau besonderes Augenmerk: in Theben Cadmus (S. 46 ff.) und Harmonia, in Griechenland Philemon und Baucis (im zentralen 8. Buch, S. 100 ff.), in Rom Romulus und Hersilia – hier erscheinen Mann und Frau vereint als Ebenbild der Gottheit, eine wichtige Ergänzung und Vertiefung der erotischen Thematik. Viele der Verwandlungsgeschichten entwickeln sich aus menschlichen Affekten heraus – wie Eifersucht oder Hochmut –, und einige sind aitiologischer Natur: Sie liefern die Erklärung für bestimmte Phänomene wie das Echo (S. 52 ff.) oder die dunkle Hautfarbe (S. 37).

Am Ende des Werkes fasst der Philosoph Pythagoras das Verwandlungsthema zusammen (S. 142 f.): Alles wandelt sich, nichts geht unter. Hier tritt an die Stelle des dreigeschossigen mythischen Weltbildes das naturwissenschaftliche (man denke an die Metamorphose von der Raupe zum Schmetterling!), das auch am Anfang bei der Weltschöpfung dominiert (wo die Erde wissenschaftlich korrekt als Kugel erkannt ist; S. 12).

Die hier vorgelegte Auswahl präsentiert die berühmtesten Verwandlungsgeschichten in einer Prosaübersetzung. Sie kann nicht mehr als einen Anreiz bieten, das ganze Werk zu lesen, allein schon, um die feine Kunst der Übergänge und Rahmenerzählungen zu würdigen oder die stilistische Meisterschaft im lateinischen Original. Jede einzelne Sage hat ihre eigene weltweite Wirkungsgeschichte in Dichtung und bildender Kunst. Gerade die Größten – Dante, Shakespeare, Goethe, Puschkin – haben Ovid geliebt.

1. BUCH

Vorwort des Dichters

Von Gestalten zu künden, die in neue Körper verwandelt wurden, treibt mich der Geist. Ihr Götter – habt ihr doch jene Verwandlungen bewirkt –, beflügelt mein Beginnen und führt meine Dichtung ununterbrochen vom allerersten Ursprung der Welt bis zu meiner Zeit!

Entstehung der Welt und des Menschen

[5] Ehe es Meer, Land und den allumschließenden Himmel gab, hatte die ganze Natur ringsum einerlei Aussehen; man nannte es Chaos: eine rohe, ungeordnete Masse, nichts als träges Gewicht und auf einen Haufen zusammengeworfene, im Widerstreit befindliche Samen von Dingen, ohne rechten Zusammenhang. [10] Noch kein Titan spendete der Welt Licht, keine Phoebe ließ ihr Mondhorn immer wieder aufs Neue nachwachsen. Keine Tellus (Erde/Erdkugel) schwebte in der Luft, die sich um sie ergoss, und hielt sich durch ihre eigene Schwerkraft im Gleichgewicht; keine Amphitrite (ein Meereswesen) hatte die Arme weit um den Rand der Länder gespannt. [15] Zwar gab es da Erde, Wasser und Luft; doch konnte man auf der Erde nicht stehen, die Woge ließ sich nicht durchschwimmen, und die Luft war ohne Licht. Keinem Ding blieb die eigene Gestalt, im Weg stand eines dem anderen, weil in ein und demselben Körper Kaltes kämpfte mit Heißem, Feuchtes mit Trockenem, [20] Weiches mit Hartem, Schwereloses mit Schwerem.

Diesen Streit schlichtete ein Gott und die bessere Natur. Er schied nämlich vom Himmel die Erde und von der Erde die Gewässer, und er sonderte von der dichten Luft den klaren Himmel. Nachdem er diese vier herausgeschält und aus dem unübersichtlichen Haufen genommen hatte, [25] trennte er sie räumlich und verband sie so in einträchtigem Frieden. Die feurige Kraft des schwerelosen Himmelsgewölbes sprühte empor und schuf sich ganz oben in der höchsten Höhe einen Platz. Am nächsten steht ihr die Luft, was die Leichtigkeit und den Standort betrifft. Dichter als beide ist die Erde; sie zog die wuchtigen Elemente an sich [30] und wurde durch die eigene Schwere nach unten gedrückt. Ringsum strömte das Feuchte, nahm den Rand in Besitz und umschloss das feste Erdenrund.

Kaum hatte er – welcher der Götter es auch sein mochte – das Durcheinander so geordnet, zerschnitten und gegliedert, da ballte er zuerst die Erde zusammen, damit sie auf allen Seiten gleich sei, [35] und gab ihr die Gestalt einer großen Kugel. Dann gebot er den Meeren, sich weithin zu ergießen, von stürmischen Winden gepeitscht anzuschwellen und die Küsten der Erde rings zu umfließen. Dazu schuf er noch Quellen, unermessliche Seen und Teiche. Mit kreuz und quer sich hinschlängelnden Ufern umsäumte er die abschüssigen Ströme, [40] die, an verschiedenen Orten, teils von der Erde selbst verschlungen werden, teils ins Meer gelangen und, von der freieren Wasserfläche aufgenommen, statt an Flussufer an Meeresküsten branden. Er gebot auch den Feldern, sich auszubreiten, den Tälern, sich zu senken, den Wäldern, sich mit Laub zu bekleiden, und den steinigen Bergen, sich zu erheben. [45] Und wie den Himmel zwei Zonen zur Rechten und ebenso viele zur Linken durchschneiden, wobei die fünfte heißer ist als die anderen, so teilte des Gottes Vorsorge die vom Himmel umschlossene Erdmasse durch dieselbe Zahl, und gleich viele Zonen hat die schwere Erde. Die mittlere von ihnen ist wegen der Hitze unbewohnbar; [50] zwei Zonen bedeckt tiefer Schnee; ebenso viele hat der Gott dazwischengesetzt und ihnen ein gemäßigtes Klima gegeben, indem er Feuer mit Kälte mischte. Darüber schwebt Luft, die so viel schwerer ist als Feuer, wie Wasser leichter ist als Erde. Dort gebot er den Nebeln, dort den Wolken zu wohnen, [55] den Donnerschlägen, die Menschenherzen erschrecken sollten, und den Winden, die Blitze und Wetterleuchten bewirken. Doch auch ihnen überließ der Schöpfer der Welt die Luft nicht uneingeschränkt; selbst heute kann man ihnen nur mit Mühe verwehren, dass sie die Welt in Stücke reißen, [60] wo doch jeder von ihnen in einer ganz anderen Richtung weht; so groß ist die Uneinigkeit der Brüder. Der Ostwind entwich zur Morgenröte, zum Reich der Nabataeer, nach Persien und zu den Bergen, auf welche die ersten Strahlen des Tages fallen; der Abend und die Küsten, welche die untergehende Sonne wärmt, sind dem Zephyr am nächsten; in Scythien und dem Norden fiel der Nordwind ein, [65] der uns schaudern lässt; das entgegengesetzte Ende der Welt befeuchtet der Südwind beständig durch Regenwolken. Darüber stülpte der Schöpfer den klaren, schwerelosen Äther, dem gar kein irdischer Bodensatz anhaftet.

Kaum hatte er so alles mit klar umrissenen Grenzen aufgegliedert, [70] als plötzlich die Sterne, die lange von undurchdringlichem Dunkel bedeckt gewesen waren, am ganzen Himmel aufzuglühen begannen. Und damit kein Bereich ohne Lebewesen sei, die ihm angehören, haben Gestirne und Göttergestalten den Himmelsboden inne, den schimmernden Fischen fielen die Wogen als Wohnstatt zu, [75] die Erde nahm Tiere auf und Vögel die bewegliche Luft.

Noch fehlte ein Lebewesen, heiliger als diese, fähiger, den hohen Geist aufzunehmen, und berufen, die übrigen zu beherrschen. Es entstand der Mensch, sei es, dass ihn aus göttlichem Samen jener Weltschöpfer schuf, der Ursprung der besseren Welt, [80] sei es, dass die junge Erde, erst kürzlich vom hohen Äther getrennt, noch Samen des verwandten Himmels zurückbehielt; diese mischte der Spross des Iapetus mit Regenwasser und formte sie zum Ebenbild der alles lenkenden Götter. Und während die übrigen Lebewesen nach vorn geneigt zur Erde blicken, [85] gab er dem Menschen ein emporblickendes Antlitz, gebot ihm, den Himmel zu sehen und das Gesicht aufrecht zu den Sternen zu erheben. So nahm die Erde, die eben noch roh und gestaltlos gewesen war, verwandelt die bisher unbekannten menschlichen Formen an.