Palliative Care bei Kindern und ihren Familien -  - E-Book

Palliative Care bei Kindern und ihren Familien E-Book

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Beschreibung

Die lebensverkürzende Erkrankung eines Kindes oder Jugendlichen bedeutet den frühen Verlust von Perspektiven, Träumen und gesellschaftlicher Teilhabe. Um in dieser schwierigen Lage Lebensqualität zu erhalten und Leid zu lindern, bedarf es einer palliativen Versorgung, die auf die besonderen Belange erkrankter Kinder, Jugendlicher und ihrer Familien zugeschnitten ist. Von der Onkologie und Neurologie über die vorhandenen Versorgungsstrukturen, die Beratung von Schwangeren mit fatal erkranktem Ungeborenen bis hin zur Behandlung bspw. der Atemnot wird in diesem Werk das breite Spektrum der interdisziplinären Kinder- und Jugendpalliativmedizin dargestellt. Basierend auf ihrer langjährigen Erfahrung zeigen die Autoren Perspektiven und Lösungsansätze für kommunikative, existenzielle und ethische Herausforderungen auf. Stimmen von Angehörigen betroffener Kinder ergänzen die fachlichen Beiträge.

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Inhalt

Cover

01_Winzen_Titelei

Geleitwort

Grußwort

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Vorwort der Herausgebenden

1 Warum Palliativversorgung von Kindern? Zehn Jahre KinderPalliativTeam Südhessen

2 Von Streckenposten und Weichenstellern in der Kinderonkologie und Kinderpalliativmedizin

Literatur

3 Elternstimme: Fabio

4 Palliativversorgung von Kindern aus neuropädiatrischer Perspektive

4.1 Einführung ins Thema

4.2 Welche neuropädiatrischen Krankheitsbilder spielen in der Palliativversorgung eine Rolle?

4.3 Wann braucht ein neuropädiatrisch krankes Kind eine Palliativversorgung?

4.4 Was benötigen Eltern und Kind aus dem Fachbereich Neuropädiatrie?

4.5 Wie können Neuropädiaterinnen und Neuropädiater zur Palliativversorgung beitragen?

5 Elternstimme: Unser Weg mit dem Team des KinderPalliativTeams Südhessen

6 Existenzielles in der Kinderpalliativversorgung

6.1 Kindersterben

6.2 Schmerz und Sprache

6.3 Natalität

6.4 Transformation

7 Perinatale palliativmedizinische Beratung – eine Chance auf gemeinsame Zeit

7.1 Die besondere Situation sterbender Neugeborener

7.2 Leitsätze für Palliativversorgung und Trauerbegleitung in der Peri- und Neonatologie

7.3 Pränataldiagnostik

7.4 Entscheidungen gemeinsam abwägen – langfristig tragfähig und nachvollziehbar

7.5 Perinatale Palliative-Care-Konzepte

7.6 Die multiprofessionelle pränatale palliativmedizinische Versorgung

7.7 Den eigenen Weg finden

7.8 Gründe zum Weitertragen

7.9 Den eigenen Weg gehen

7.10 Ausblick/Fazit

Literatur

8 Elternstimme: Levi lebt

9 Ethische Überlegungen in der Kinderpalliativversorgung

9.1 Ethik und moralische Dilemmata

9.2 Normative Ethik und moralische Prinzipien

9.3 Medizinische Ethik

Literatur

10 Das intergenerationelle Gespräch

10.1 Biographische Sprache

10.2 Zirkuläre Sprache

10.3 Szenische Sprache

10.4 Intergenerationelle Sprache

11 Atemnot in der palliativen Versorgung von Kindern

11.1 Erste Maßnahmen in der Atemnot

11.2 Therapeutische Maßnahmen zur Linderung einer Atemnot

11.3 Rechtzeitige Vorausplanung: Die erhoffte und teilweise erreichbare Sicherheit im drohenden Chaos

11.4 Atemnot in der Lebensendphase

Literatur

12 Kultursensible Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen

Literatur

13 Autonomie und Selbstbestimmtheit in der Adoleszenz – eine Herausforderung für die Palliativversorgung

13.1 Einleitung

13.2 Sophia

13.3 Autonomie und Palliativversorgung von Adoleszenten

13.4 Nochmals Sophia

Literatur

14 Geschwisterstimme: Für Ilyas

15 Geschwister von Kindern und Jugendlichen mit einer lebensverkürzenden Erkrankung

15.1 Herausforderungen und Ressourcen, die sich aus der besonderen Lebenssituation ergeben können

15.2 Wie kann Geschwisterbegleitung unterstützen?

15.3 Fazit

Literatur

16 Spezialisierte ambulante Palliativversorgung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (SAPV-KJ) in Deutschland: Eine Bilanz des KinderPalliativTeams Südhessen von seiner Gründung 2012 bis heute

16.1 Einleitung

16.2 Ergebnisse

16.2.1 Diagnosen der versorgten Kinder im Verlauf von der Gründung bis heute

16.2.2 Kinderneurologische Diagnosen, Symptome und Fragestellungen

16.3 Fazit

Literatur

17 Erfahrungen mit dem praktischen Einsatz von Pflegeschülerinnen und -schülern im KinderPalliativTeam Südhessen: Was hat sich seit der Einführung der Generalistik geändert?

17.1 Ausbildung zu Gesundheits- und Kinderkrankenpflege

17.2 Praxisanleitung in der ambulanten Palliativversorgung

17.3 Ausblick

18 Quo vadis Palliative Care – Versuch eines Ausblicks

18.1 Was bedeutet eigentlich »Palliative Care«?

18.2 Bedarf einer Sorgekultur für schwer kranke und sterbende Menschen

18.2.1 Allgemeine Betrachtung

18.2.2 Besondere Belange von Kindern und Jugendlichen

18.3 Status quo

18.3.1 Allgemeine Entwicklung

18.3.2 Besondere Belange von Kindern und Jugendlichen

18.4 Versuch eines Ausblicks

18.4.1 Blick auf die palliativmedizinische Situation und Entwicklung im Allgemeinen ...

18.4.2 ... und auf die besonderen Belange von Kindern und Jugendlichen im Speziellen

Literatur

Trauer und Trost – ein Nachwort

Stichwortverzeichnis

Kohlhammer

Die Herausgebenden

Peter J. Winzen, MTh, ist Psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis in Frankfurt a. M., klinischer Supervisor, Theologe und Soziologe sowie Dozent für Psychotherapie. Peter J. Winzen ist aufgewachsen in Belgien, studierte Theologie/Religionswissenschaften in Marburg a. d. Lahn und Heidelberg sowie Soziologie in Frankfurt a. M. und absolvierte traumatherapeutische Ausbildungen in Johannesburg (Südafrika) sowie eine psychoanalytische Ausbildung (PoP) in Wien.

Dr. med. Sabine Becker ist Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Zusatzbezeichnung Palliativmedizin, Ethikberaterin im Gesundheitswesen und ärztliche Leitung des KinderPalliativTeams Südhessen. Sie studierte Humanmedizin in Frankfurt a. M. und promovierte über das Thema »Veränderungen der Hämostase nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma im Kindesalter«. Nach der Facharztweiterbildung am Universitätsklinikum Frankfurt a. M. sammelte sie Erfahrungen in der Palliativversorgung von Erwachsenen und engagierte sich im Strukturaufbau der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen in Hessen.

Holger Fiedler (†), Palliative-Care-Fachkraft und Pain Nurse, war die pflegerische Teamleitung des KinderPalliativTeams Südhessen und Ethikberater im Gesundheitswesen. Während seines Studiums der Sozialarbeit war er auch in der Altenpflege tätig. In einem anschließenden Studium der Soziologie fasste er den Entschluss, sich der Versorgung schwerkranker Menschen zuzuwenden – zuerst für Erwachsene mit dem Aufbau einer Palliativstation, dann im Aufbau ambulanter Versorgungsstrukturen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

Peter J. WinzenSabine BeckerHolger Fiedler(Hrsg.)

Palliative Care bei Kindern und ihren Familien

Interdisziplinäre Perspektiven

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

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1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-043988-7

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-043989-4epub: ISBN 978-3-17-043990-0

Geleitwort

Kai Klose

Wer Kinder und Jugendliche mit einer begrenzten Lebenserwartung sowie ihre Angehörigen begleitet und unterstützt, benötigt spezielles Wissen und besondere Kompetenzen. Das Aufgabenfeld ist multiprofessionell und interdisziplinär – deshalb lohnt es sich hier besonders, den Blick zu weiten und Kenntnisse sowie Erfahrungen zu reflektieren und zu teilen.

Der vorliegende Sammelband aus Beiträgen, die sich mit Palliative Care bei Kindern und ihren Familien befassen, zeigt das große Engagement unterschiedlicher Akteure und Akteurinnen und den Zusammenhalt der in der Begleitung und Behandlung Tätigen. Die Schilderungen verdeutlichen, dass sich aus den jeweils individuellen Versorgungsperspektiven der Betroffenen ganz unterschiedliche Aufgaben ergeben, die gemeinsam bewältigt werden können.

Die hier gebündelten praxisbezogenen Informationen über die Besonderheiten der palliativen Behandlung, Begleitung und Pflege von Kindern und ihren Familien halten Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgungslage bereit und bieten einen Einblick in ein breites Spektrum an Bereichen, die die Situation betroffener Familien beeinflussen.

Die sensible Begleitung von Kindern und ihren Angehörigen als zentrale Aufgabe im Bereich der Palliativversorgung wahrzunehmen und zu erleben, ist wichtig. Deshalb hat das Hessische Ministerium für Soziales und Integration insgesamt 450.000 Euro als Anschubfinanzierung für den Aufbau von drei Teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung für Kinder und Jugendliche zur Verfügung gestellt.

Eine adäquate Versorgung der erkrankten Kinder und Jugendlichen sicherzustellen, ihre individuellen Wünsche zu würdigen und dabei zu unterstützen, dass eine möglichst hohe Lebensqualität ermöglicht werden kann, ist unser gemeinsames Ziel. Danke für Ihre Arbeit.

Wiesbaden, im Oktober 2023Kai KloseHessischer Minister für Soziales und Integration (Mai 2022 – Januar 2024)

Grußwort

Jürgen Graf

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen!

Die Palliativmedizin ist bei terminalen onkologischen, neurologischen Erkrankungen, aber auch bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine akzeptierte Modalität zur Änderung des Therapieziels in medizinisch ausweglosen Situationen. Hierbei geht es insbesondere um die Linderung von belastenden Symptomen, wie Schmerz, Übelkeit, Schwindel, Schwäche und Appetitlosigkeit – unabhängig davon, ob diese von der zugrundeliegenden Erkrankung oder von den therapeutischen Maßnahmen ausgelöst werden. Das Ziel palliativmedizinischer Unterstützung ist der Erhalt von Selbstbestimmung und Lebensqualität – auch gegebenenfalls auf Kosten der Überlebenszeit.

Im Bereich der Erwachsenenmedizin akzeptieren die in der Versorgung Tätigen aller Berufsgruppierungen dieses Konzept, und insbesondere beim alten Menschen wird dies auch gesellschaftlich respektiert und im Umfeld der Betroffenen – vor allem der Patienten und Angehörigen – zustimmend begleitet.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – dieses Dogma der Kinderheilkunde trifft auch (und insbesondere) für die Palliativmedizin zu. Aus einer Vielzahl von Gründen fällt es Pflegenden, Ärzten und Therapeuten, Eltern und Angehörigen, Freunden und Nachbarn ungleich schwerer, Palliativmedizin für kleine und große Kinder als angemessenen Umgang mit medizinisch ausweglosen Situationen zu akzeptieren.

Gerade (kleine) Kinder, deren Leben oft stärker vom Bewusstsein der Gegenwart als der Erinnerung an die Vergangenheit oder dem Blick in die Zukunft geprägt ist, profitieren von palliativmedizinischen Angeboten. Gleiches gilt für Eltern und Großeltern, bisweilen auch Geschwister und Freunde, die mit ihrer Trauer, Angst und Unsicherheit – neben den großen organisatorischen und nicht selten auch finanziellen Herausforderungen – für die Bewältigung des Alltags Unterstützung benötigen, um die kostbare verbleibende Zeit möglichst fröhlich und hoffentlich auch immer wieder unbeschwert miteinander verbringen und langsam Abschied nehmen zu können.

Alle, die hauptberuflich oder ehrenamtlich einen Teil der vielfältigen Aufgaben der palliativmedizinischen Versorgung übernehmen, verdienen den Respekt und die Unterstützung der Gesellschaft – dies trifft insbesondere für die Kinderpalliativversorgung in Südhessen zu, die jüngst ihren 10-jährigen Geburtstag gefeiert hat. Menschen wie Sie machen unsere Gesellschaft jeden Tag und immer wieder zu einer lebenswerten Gemeinschaft!

Frankfurt, im Oktober 2023Jürgen GrafÄrztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikum Frankfurt am Main

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Becker, Sabine, Dr. medKinderPalliativTeam SüdhessenGeleitsstraße 1460599 Frankfurt am [email protected]

Bochennek, Konrad, PD Dr. med. habil.Universitätsklinikum Frankfurt am MainTheodor-Stern-Kai 760596 Frankfurt am [email protected]

Ehlers, Silke, Dr. med.KinderPalliativTeam SüdhessenGeleitsstraße 1460599 Frankfurt am [email protected]

Fiedler, Holger (†)KinderPalliativTeam SüdhessenGeleitsstraße 1460599 Frankfurt am Main

Hach, MichaelaFachverband SAPV Hessen e. V.Weihergasse 1565203 [email protected]

Hornke, Ingmar, Dr. med., DEAAPalliativTeam Frankfurt gGmbHGeleitsstraße 1460599 Frankfurt am [email protected]

Klingebiel, Thomas, Prof. Dr. med.Hilfe für krebskranke Kinder Frankfurt e. V.Komturstraße 360528 Frankfurt am [email protected]

Krümpelmann, Sebastian, Dr. med.KinderPalliativTeam SüdhessenGeleitsstraße 1460599 Frankfurt am [email protected]

Mader, NadineKinderhospiz Bärenherz WiesbadenBahnstraße 13a65205 [email protected]

Pietz, Joachim, Prof. Dr. med.KinderPalliativTeam SüdhessenGeleitsstraße 1460599 Frankfurt am [email protected]

Philippi, Heike, PD. Dr. med.Sozialpädiatrisches Zentrum Frankfurt MitteTheobald-Christ-Straße 1660316 Frankfurt am [email protected]

Roth, KatharinaKinderPalliativTeam SüdhessenGeleitsstraße 1460599 Frankfurt am [email protected]

Winzen, Peter J., MThPsychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis (psychoanalytisch)Am Dornbusch 960320 Frankfurt am [email protected]

Vorwort der Herausgebenden

Peter J. Winzen und Sabine Becker

Sie kann nicht begriffen werden, die Diagnose einer lebensbedrohlichen oder lebensverkürzenden Erkrankung eines Kindes – nicht vom Kind oder Jugendlichen, nicht von den Eltern, nicht im ersten, auch nicht im zweiten Moment: Es braucht Zeit, um zu verstehen, dass im Anfang eines jungen, aufblühenden Lebens der Tod schon so früh seine Schatten wirft. Diagnosein, das griechische Wort, bedeutet »erkennen«. Wie aber soll die Unausweichlichkeit menschlicher Vergänglichkeit erkannt und verstanden werden, wenn das ganze Leben sich noch entfalten will, wenn Träume noch geträumt und Lebensperspektiven noch gewonnen werden wollen?

Mit der Diagnose gerät das Fundament einer Familie ins Wanken, der Kampf ums Überleben überlagert das Wachstum und die Entwicklung der Betroffenen. Fragen wie »Wie lange noch?« und »Welche Lebensqualität zu welchem Preis?« bestimmen den Alltag und prägen die Beziehung zwischen dem erkrankten Kind und seinen Eltern, die in Ängsten und im Schmerz nach Trost für ihr Kind und evtl. seine Geschwister suchen.

Palliativversorgung und Hospizbegleitung für Kinder beginnen mit der kaum zu begreifenden Diagnose und haben die Aufgabe, diese ins Leben der Betroffenen zu übersetzen. So gilt es, Leiden zu verringern, Lebensqualität zu verbessern und Selbstbestimmung so weit wie möglich Räume zu verschaffen. Inbegriff der Palliative Care und Hospizbegleitung für Kinder ist und bleibt allerdings der Trost: Wie die Mutter, die das erkrankte Kind tröstet und nur schwer trösten kann, so stehen Palliative Care und Kinderhospizbegleitung der ganzen Familie zur Seite, fassen emotionale Belastungen in Worte und bieten Entscheidungsorientierungen an, wenn diese schwer zu finden sind.

Palliativversorgung für Kinder als Übersetzung der Diagnose ins Leben, als Übersetzung von Therapien in Lebensqualität und als Übersetzung von Trost in eine lebendige Eltern-Kind-Beziehung bis zum Schluss: Neben den fachlichen Beiträgen kommen in diesem Buch Elternstimmen zu Wort, die die Integration der Palliativversorgung ihrer Kinder ins Familienleben aufgreifen. Die kurzen, prägnanten und auch poetischen Beiträge der Eltern finden in diesem Buch mit der eigenen Überschrift Elternstimme eine besondere Stellung und bringen zum Ausdruck, worum es den fachlichen Kapiteln geht.

Es gibt wenige gesicherte Daten zu der Zahl der betroffenen Kinder, geschätzt gibt es in Deutschland 32 Kinder/Jugendliche mit lebensverkürzenden Erkrankungen auf 10.000 Kinder/Jugendliche (Tendenz leider steigend), davon ca. 3.500 Kinder und Jugendliche, die jährlich versterben1. Ziel der Palliation für diese Kinder und deren Familien ist es, eine häusliche Versorgung einzurichten, die familiären Bindungen zu unterstützen und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Palliativversorgung kann nur interdisziplinär und im Zusammenwirken mit den speziellen Expertisen wie z. B. Kinderonkologie, Neuro- und Sozialpädiatrie gelingen. K. Bochennek betont, wie notwendig das Zusammengehen von Onkologie und Palliativmedizin gerade in der Kinderonkologie erscheint und wie sehr die disziplinären Grenzen bis heute dagegenstehen. Der Beitrag H. Philippis beschreibt ebenso eindrücklich und fallbezogen die produktive Kooperation von Neuro-/Sozialpädiatrie und Palliative Care. Dass die lebensverkürzend-neurologischen Erkrankungen, aber auch die Organerkrankungen in der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen an Bedeutung gewinnen, macht das Autorenteam J. Pietz, S. Becker, H. Fiedler und I. Hornke in einem Rückblick auf die junge Geschichte der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen deutlich.

S. Ehlers und Th. Rosenberger gehen das noch kaum bekannte Thema der Beratung von Schwangeren bei fatalen Erkrankungen des Ungeborenen an und zeigen, wie hilf- und sinnreich eine vorgeburtliche palliative Beratung schon im Blick auf ungeborenes Leben sein kann.

In einem eigenen Kapitel wendet sich S. Krümpelmann dem besonders bedrohlichen Symptom der Atemnot zu und beschreibt die damit einhergehende hohe emotionale Belastung, aber auch symptomlindernde, längerfristige Maßnahmen – bis hin zum letzten Atemzug und der folgenden Stille.

Beinahe alle medizinischen und pflegerischen Interventionen erfordern eingehende und oftmals schwierige ethische Abwägung zwischen Therapieverantwortung und möglicher Autonomie-Beschränkung der Betroffenen. H. Fiedler lotet diese gebotene ethische Abwägung und ihre zuweilen begleitenden Dilemmata mit Rückgriff auf die Geschichte der Medizinethik aus. Ethische Abwägungen, die Minderjährige betreffen, bedürfen sowohl einer spezifisch intergenerationellen Kommunikation und auch einer existenziellen Reflexion, denen P. J. Winzen jeweils nachgeht. Gerade die erkrankten Kinder und Jugendlichen erinnern uns nicht nur an Vergänglich- und Endlichkeit, sondern an die Fähigkeit, immer wieder neu zu beginnen, ins Leben zu ziehen und Beziehungen nachhaltig zu gestalten. Insbesondere Jugendliche ringen dabei – trotz und mit ihrer Erkrankung – darum, ihren autonomen Ausdruck zu finden und zu formen, wie S. Becker eindrücklich schildert. Dass das Ringen um Autonomie immer innerhalb eines sozial-kulturellen Kontextes geschieht, der Biographie und Bewältigung von Krankheit formt, würdigen S. Becker und H. Fiedler mit systematischen Ausführungen zur Kultursensibilität. Auch Familien formen ihre eigene Kultur und bilden einen eigenen Formenkreis – N. Mader verdeutlicht mit einem beeindruckenden Beispiel, wie sehr Geschwister von Kindern mit einer lebensverkürzenden Erkrankung das damit einhergehende Leid mittragen und die Familie stützen, ohne dabei immer gesehen zu werden.

In abschließenden Beiträgen fragt K. Roth nach sinnvollen Ausbildungs- und M. Hach nach zukünftigen Gestaltungsmöglichkeiten der Kinderpalliativversorgung, wobei deutlich wird, wie sehr Palliativversorgung, besonders die von Kindern und Jugendlichen, um Aufbau und Beständigkeit von Strukturen ringen musste und weiterhin muss.

Der interdisziplinären und sektorenübergreifenden Entwicklung von Strukturen für die Kinderpalliativversorgung widmete sich ein Fachsymposium, das am 5. Oktober 2022 am Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main stattfand. Wesentliche Inhalte dieses Symposiums finden sich im Beitrag von T. Klingebiel.

Einer, der den Aufbau der ambulanten Palliativversorgung seit der ersten Stunde mit vorangetrieben hat, war Holger Fiedler, unser Mitherausgeber, Autor und Ko-Autor dieses Buches. Noch während die Beiträge redigiert wurden, erkrankte er schwer und verstarb im September 2023. Holger Fiedler gehörte zu den Pionieren der Palliativversorgung. So war er in einer der ersten deutschen Palliativkliniken, im Frankfurter »Evangelischen Hospital für palliative Medizin«2, tätig, dann im Rahmen eines integrierten Versorgungsprojektes in der aufsuchenden palliativen Versorgung von Erwachsenen, später mitwirkend beim Aufbau einer Palliativstation für Erwachsene. Sein Herz gehörte jedoch der ambulanten Versorgung, um ein Sterben zuhause in familiärer Umgebung und in Würde zu ermöglichen. Gerade die Zerrissenheit von Familien, die sich mit einem schwerstkranken oder gar sterbenden Kind zwischen Klinik und zu Hause aufreiben, bewegte ihn sehr. Entsprechend brachte er ab 2012 mit hohem persönlichem Einsatz die spezialisierte ambulante Palliativversorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen voran. Die Familien, die erkrankten Kinder, die Jugendlichen, aber auch die Kollegen und Kolleginnen liebten seine Art: besonnen, offen und mutig, bereit, Palliation auch dort zu wagen, wo sie kaum möglich erschien. Ihn vermissend erinnern wir diesen Mut.

In einem Nachwort wird nochmals unterstrichen, was Palliativversorgung und palliative Teamarbeit ausmacht: Der Mut und die Fähigkeit zur Trauer, die in diesem Buch nicht mit einem eigenen Kapitel bedacht sind, weil sie in allen Beiträgen präsent sind – eine Trauer, die zu Trost findet, die ins Leben führt und die sich unheilbarem Leid zuzuwenden vermag, ohne diesem das letzte Wort zu überlassen.

Wir danken allen Autoren und Autorinnen für ihre Beiträge und ihr Mitwirken an diesem Buch. Ermöglicht wurde es durch Eigenmittel der PalliativTeam Frankfurt gGmbH und durch die großzügige Hilfe des Verlages, besonders durch den großen persönlichen Einsatz Herrn Dr. Poensgens, Frau Brutlers und Herrn Jansens, wofür wir besonders danken. Unser erster und letzter Dank gilt den Kindern und Eltern, die die Palliativversorgung aufgriffen, auf eigene Weise mitgeformt und ihr in diesem Buch eine Stimme geben haben.

Frankfurt am Main, im Oktober 2023S. Becker und P. J. Winzen

Endnoten

1Vgl. Zernikow, B., Hasan, C. (2013). Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen. Zeitschrift für Palliativmedizin 14‍(4), 157 – 172. Vgl. Führer, M. (2011). Kinderpalliativmedizin. Monatszeitschrift Kinderheilkunde 159‍(6), 583 – 596. Vgl. auch Fraser, L. K., Miller, M., Hain, R. et al. (2012). Rising national prevalence of life-limiting conditions in children in England. Pediatrics 129‍(4), e923–e929.

2Vgl. Gottstein, U. (2023). Weitere Aspekte zur Entwicklung der Palliativmedizin in Frankfurt am Main. Hessisches Ärzteblatt 84‍(5), 326. https://www.laekh.de/heftarchiv/ausgabe/artikel/2023/mai-2023/weitere-aspekte-zur-entwicklung-der-palliativmedizin-in-frankfurt-am-main (30. 10. 2023)

1 Warum Palliativversorgung von Kindern?Zehn Jahre KinderPalliativTeam Südhessen

Thomas Klingebiel

Warum Palliativversorung von Kindern? Die Antwort auf die Frage finde ich, wenn ich auf zehn Jahre »KinderPalliativTeam Südhessen« zurückblicke.

In der »Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung« vom 20. Dezember 2007 heißt es in § 1 Absatz (2): »Den besonderen Belangen von Kindern ist Rechnung zu tragen.« Da wir mit der Zielsetzung der Richtlinie, »die Lebensqualität und die Selbstbestimmung schwerstkranker Menschen zu erhalten, zu fördern und zu verbessern und ihnen ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung [...] zu ermöglichen«, ganz und gar einverstanden waren, sahen wir uns unmittelbar in der Pflicht, diese Art der Versorgung auch Kindern zukommen zu lassen.

Zur Initiierung der Palliativ-Versorgung von Kindern wurden viele Aktivitäten unternommen. Beginnend mit einem Kongress zur Palliativversorgung im Jahr 2009 haben wir uns aus klinischer Perspektive sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Insbesondere war es uns wichtig, alle »Stakeholder« – Kliniker, Niedergelassene, Verordnungs-/Gesetzgeber, Krankenkassen u. a. – mit an einen bzw. mehrere runde Tische zu bekommen, um uns nicht dem Vorwurf auszusetzen, wir als Klinik würden uns unautorisiert auf diesem ambulanten Feld bewegen. Ein Schriftstück erscheint mir dabei besonders wichtig; es handelt sich um eine Vorlage beim Sozialministerium, die seinerzeit von Herrn Hornke entworfen und von den Verantwortlichen aus den Regierungsbezirken Kassel, Gießen und Darmstadt mit dem Ziel einer landesweiten Lösung zur Kinder-Palliativversorgung in Hessen konsentiert wurde. In diesem am 20. 02. 2012 verfassten Schreiben werden die wesentlichen Grundlagen für die Palliativversorgung von Kindern gut zusammengefasst. Deshalb erlaube ich mir, ihn hier etwas ausführlicher zu zitieren.

»Bis dato gibt es für die Bundesrepublik Deutschland keine verlässlichen Daten über die Anzahl und den Sterbeort von Kindern und Jugendlichen mit absehbar tödlichen Erkrankungen. In Anlehnung an die allgemein akzeptierten Anhaltszahlen anderer Zentren ist davon auszugehen, dass in einem Versorgungsgebiet mit ca. 1,2 Millionen Einwohnern jedes Jahr mindestens 40 Kinder und Jugendliche einer spezialisierten ambulanten pädiatrischen Palliativversorgung über einen Zeitraum von im Mittel zwei Quartalen bedürfen und diese Versorgung auch anfordern. Je nach Versichertenanteil der teilnehmenden Kassen in der Region ist ein entsprechender Anteil dieser Grundgesamtheit als zu versorgende Versicherte zu erwarten. In Hessen leben mehr als 1500 Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene (< 20 Jahre) mit schweren unheilbaren Erkrankungen. Diese werden im Verlauf vom Neugeborenen- bis ins junge Erwachsenenalter trotz aller Bemühungen und Fortschritte der modernsten medizinischen Versorgung absehbar versterben. Jährlich trifft dieses Schicksal ca. 300 hessische Kinder und Familien. Für diese Kinder und ihre Familien fehlt jedoch bisher ein entsprechendes Betreuungskonzept, welches insbesondere dem größten Wunsch betroffener schwerstkranker Kinder, möglichst viel Zeit zuhause verbringen zu können, Rechnung trägt.

Die besonderen qualitativen Anforderungen in der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen sowie langjährig erkrankter junger Erwachsener im Vergleich zu Erwachsenen ergeben sich aus dem großen Spektrum unterschiedlichster pädiatrischer Grundkrankheiten sowie den alters- und entwicklungsabhängigen Besonderheiten in der ärztlichen, pflegerischen, und psycho-sozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen im familiären Umfeld, unabhängig von der zugrundeliegenden Erkrankung. Die Leistungserbringung der SAPV-KJ ersetzt oder verdrängt Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB V nicht. In Notfallsituationen erbringt das Palliativteam für Kinder und Jugendliche aber alle notwendigen Leistungen, die zum häuslichen Verbleiben notwendig sind, bis diese aus der Regelversorgung gemäß SGB V erbracht werden können. In der pädiatrischen Palliativversorgung steht die Familie als Ganzes im Fokus der Betreuung, dadurch kommt der Palliativversorgung auch eine wesentliche präventive Bedeutung (Vermeidung psychischer Überlastung, komplizierter Trauer, psychischer Probleme von Geschwistern etc.) zu. Kinder und Jugendliche mit lebensverkürzenden Erkrankungen und ihre Familien benötigen umfassende medizinisch-pflegerische und psychosoziale Hilfe, um die extremen Belastungen bewältigen zu können, die sich aus der Diagnose und dem Krankheitsverlauf ergeben. Dies wird in der WHO-Definition für die Palliativmedizin im Kindesalter deutlich (WHO, 1998): ›Die Palliativversorgung von Kindern umfasst die aktive Betreuung der körperlichen, geistigen und spirituellen Bedürfnisse des Kindes vom Zeitpunkt der Diagnosestellung an und schließt die Unterstützung der Familie mit ein. Die Versorgenden müssen die körperlichen und psychosozialen Leiden des Kindes erkennen und lindern. Eine effektive Palliativversorgung benötigt einen multidisziplinären Ansatz, der die Familie einbezieht und regionale Unterstützungsangebote nutzbar macht.‹

Als Patientengruppen mit entsprechendem Bedarf für die Palliativversorgung im Kindes-‍, Jugend- und jungen Erwachsenenalter werden gemäß international anerkannter Standards (IMPaCCT3 sowie ACT4) folgende beschrieben:

1.

Kinder mit lebensbedrohlichen Erkrankungen, für die kurative Therapien existieren, aber ein Therapieversagen wahrscheinlich ist (z. B. extreme Frühgeburtlichkeit, bestimmte Krebserkrankungen, irreversibles Organversagen).

2.

Kinder mit Erkrankungen, bei denen lang andauernde intensive Behandlungen zum Ziel haben, das Leben zu verlängern und die Teilnahme an normalen kindlichen Aktivitäten zu ermöglichen, aber ein frühzeitiger Tod unvermeidlich ist (z. B. zystische Fibrose, Muskeldystrophie).

3.

Kinder mit fortschreitenden Erkrankungen ohne kurativ therapeutische Optionen, bei denen häufig über viele Jahre eine ausschließlich palliative Versorgung durchgeführt wird (z. B. Zeroidlipofuszinose, Mucopolysaccaridose).

4.

Kinder mit schweren neurologischen Behinderungen, die Schwäche und Anfälligkeit für gesundheitliche Komplikationen verursachen und sich unvorhergesehener Weise verschlechtern können, aber üblicherweise nicht als fortschreitend angesehen werden (z. B. Hirn- oder Rückenmarkserkrankungen, einschließlich einiger Kinder mit schwerer Zerebralparese).

Gemäß wissenschaftlich publizierten internationalen Erfahrungen profitieren alle Patienten mit oben genannten Krankheitsbildern von einer häuslichen spezialisierten Palliativversorgung, mit dem Ziel der Reduktion von stationären Krankenhausaufenthalten. Allerdings genügen die Krankheitsbilder möglicherweise nicht in jedem Fall den Kriterien der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung nach § 37b SGB V und gem. der nachfolgenden Richtlinie zur Verordnung der SAPV des Gemeinsamen Bundeszuschuss (GBA RL-SAPV).

Die Zugangskriterien nach dieser Richtlinie sehen den Rechtsanspruch für den erkrankten Versicherten vor, wenn er an einer fortgeschrittenen, fortschreitenden und lebensbegrenzenden Erkrankung leidet, sofern die Versorgung durch eine besondere Aufwändigkeit gekennzeichnet ist und eine Verordnung von einem Arzt vorliegt. Die besondere Aufwändigkeit begründet sich im Versagen der Zielerreichung des häuslichen Verbleibs unter Erhalt der Würde und bei guter Symptomkontrolle ohne die zusätzliche Versorgung durch das Palliativteam.

Diese Versorgung ergänzt das vorhandene Angebot durch den niedergelassenen Kinderarzt, Hausarzt, amb. Pflegedienst, Kinderkliniken, Spezialambulanzen und Kinderhospizdiensten, sowie der stationären Kinderhospize. Wenn das Ziel der Versorgung nicht vor allem der Verbleib in der häuslichen Umgebung ist und eine Lebensverlängerung in der palliativen Lebenssituation noch oder andauernd angestrebt wird, so ist der Rechtsanspruch allerdings möglicherweise strittig. Denn es ist die Lesart des § 1 der RL-SAPV möglich, dass unter diesen Umständen der Rechtsanspruch nicht besteht. Im Rahmen von Einzelfallentscheidungen der Kostenträger könnten die PCT-KJ dennoch eine häusliche Palliativversorgung auch dieser Patienten anbieten, wenn die Möglichkeiten einer allgemeinen Palliativversorgung nicht ausreichend sind, um zumindest die Häufigkeit und Dauer von evtl. notwendigen Krankenhausaufenthalten signifikant zu reduzieren. Wie viele Kinder und Jugendliche hiervon betroffen sein werden, ist derzeit nicht abschätzbar. Dies gilt um so mehr, als auch in Hessen Strukturen der allgemeinen Palliativ-Versorgung (APV/AAPV) für Kinder und Jugendliche bisher weder im ambulanten noch im stationären Sektor ausreichend verfügbar sind.

Daher besteht neben der notwendigen Strukturbildung für die Leistungen gem. §§ 37b und 132d SGB V zumindest für die Verbesserung der stationären Versorgung sterbender und schwerstkranker Kinder voraussichtlich ein Bedarf für die Unterstützung in den Kliniken durch entsprechende Fachexpertise. Diese kann beispielsweise durch die zu bildenden PCT-KJ im Sinne eines als »Hospital-Support« bezeichneten Leistungsanteils außerhalb der SAPV-Finanzierung bedarfsweise erbracht werden.

Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Ihren Familien im Rahmen einer palliativen Lebenssituation bedarf, wie zuvor dargestellt, neben der medizinisch-pflegerischen Versorgung des Patienten einer umfänglichen und mehrdimensionalen Begleitung, Entlastung, Anleitung und Unterstützung aller Familienangehörigen, um den häuslichen Verbleib des Patienten sicherzustellen. Hierzu muss neben der Einbindung vorhandener ambulanter kinder-hospizlicher Angebote eine angemessene psychosoziale Unterstützung durch entsprechend spezialisierte Soziale Arbeit und psychologische Fachexpertise als integraler Bestandteil der Komplextherapie auch für die Angehörigen des Versicherten verfügbar sein. Die nachweisbar präventive Funktion dieses Angebotes zur Vermeidung bzw. Reduktion von psychischer und psychosomatischer Folgemorbidität bei Geschwisterkindern, Eltern und weiteren Angehörigen entfaltet seine Nachhaltigkeit nur bei Interventionsbereitschaft auch über den Zeitpunkt des Versterbens des Versicherten hinaus. Eine evtl. gewünschte, mit der Komplexintervention eng abgestimmte, seelsorgerliche Begleitung kann die Effektivität dieser Maßnahmen sinnvoll ergänzen und nachhaltig verstärken. Die Interventionen für die Angehörigen, auch über den Tod hinaus, sind in diesem Zusammenhang keinesfalls als optionales Angebot zu verstehen. Allerdings ist derzeit vollkommen unklar, wie der hierzu notwendige Aufwand zu finanzieren ist, da eine Kostenträgerschaft seitens der Krankenkassen aktuell nicht gesehen wird. Die Leistungen der SAPV werden von den privaten Krankenversicherungen (PKV) nur in Ausnahmefällen im Rahmen einer Kulanzentscheidung übernommen. Ein Rechtsanspruch auf Erstattung besteht nur für PKV-Versicherte im sog. Standard-Tarif (auch: »Basis-Tarif«) sowie für Beihilfe-Berechtigte des Bundes.«

Soweit unser damaliges Statement. Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass es gelungen ist, diese damals kühnen Überlegungen in die Tat umzusetzen. Allerdings verlief das alles nicht so reibungslos, wie es im mildgestimmten Rückblick erscheinen mag. Wie immer war es nicht ganz einfach, die zuständigen Behörden und die zuständigen Geldgeber von den vom Gesetzgeber gewollten »besonderen Belangen von Kindern« zu überzeugen.

Wir hatten seinerzeit überlegt, ob wir nicht aus der Klinik für pädiatrische Onkologie heraus die Palliativversorgung übernehmen sollten. Diese Lösung konnte nicht umgesetzt werden. Dafür bin ich heute dankbar, denn die dann gefundene Lösung, mit dem KinderPalliativTeam Südhessen die Versorgung zu organisieren, hat sich als äußerst sinnvoll und nachhaltig erwiesen. So ist es möglich, die Palliativversorgung der Kinder unabhängig von klinischen Finanzierungsrahmen und klinischen Strukturvorgaben zu entfalten.

Warum Palliativversorgung von Kindern? Die zehnjährige Geschichte des ambulanten KinderPalliativTeams Südhessen zeigt deren Notwendigkeit, aus kinderonkologischer wie auch aus neuropädiatrischer Sicht:

Auch kurativ behandelte an Krebs erkrankte Kinder leiden an Schmerzen, durchaus oft an starken Schmerzen.

Kinderonkologische und neuropädiatrische Patienten erfordern nicht nur einen hohen Behandlungs-‍, sondern auch einen besonderen weiteren Versorgungs- und Organisationsaufwand, der den Eltern aufgetragen ist, die dabei oft an die Grenzen ihrer Möglichkeiten geraten.

Gerade Kinder bedürfen der elterlichen Zuwendung, des familiären Schutzes und eines guten häuslichen Rahmens, den die Palliativversorgung durch Beratung und Hilfestellung stützen kann.

Wenn eine kurative Behandlung nicht mehr möglich ist, bedarf es im Sinne des Kindeswohls der außerordentlichen Stütze aller Beteiligten – des Kindes, der Eltern bzw. Care-Persons und der ganzen Familie.

Oftmals sind Palliativversorgungen von langer Dauer, die hausärztlich nicht geleistet werden können; zudem zeigen sich dabei oft komplexe und spezifische pflegerische Probleme, die über den Erfahrungsrahmen von Pflegediensten hinausgehen.

Ein Kindestod erschüttert zutiefst. Damit die Angehörigen nicht erkranken und die Familien nicht zerrüttet werden, bedarf es – oft auch mit Blick auf Geschwisterkinder – einer Nachsorge.

Mittlerweile haben wir in der Kinderheilkunde der Universitätsklinik Frankfurt am Main ein Konzept entwickelt und handeln auch danach, das die Bedürfnisse des Patienten und seiner Familie in den Mittelpunkt stellt. Ein Inhouse-Palliativteam – bestehend aus Fachärzten für pädiatrische Onkologie, Neurologie und Intensivmedizin, psychosozialen Mitarbeiterinnen und fachweitergebildetem Pflegepersonal – wurde aufgebaut und wird dann aktiv, wenn die behandelnden Ärzte des jeweiligen Schwerpunkts gemeinsam mit Patient und Familie das Behandlungsziel als palliativ definieren. In wöchentlichen Runden wird die Situation des Patienten aus medizinischer und psychosozialer Sicht beurteilt und gemeinsam überlegt, ob eine Versorgung zuhause möglich ist. Das pädiatrische SAPV-Team Südhessen wird frühzeitig kontaktiert und lernt noch in der Klinik entweder im stationären oder ambulanten Setting Patient und Familie kennen. Diese enge Abstimmung erlaubt es dann auch, bestimmte medizinische Maßnahmen zu realisieren, die der Linderung von Leiden (z. B. Vermeidung von Blutungen nach außen durch Gabe von Blutplättchen) dienen. So sind viele Patienten und ihre Familien in den letzten Jahren betreut worden.

Ich wünsche dem KinderPalliativTeam Südhessen und allen Kinder-Palliativdiensten viele weitere erfolgreiche Jahre.

Endnoten

3International Meeting for Palliative Care in Children, Trento

4Association for Children with Life-Threatening or Terminal Conditions and their Families

2 Von Streckenposten und Weichenstellern in der Kinderonkologie und Kinderpalliativmedizin

Konrad Bochennek

Jenseits der Neugeborenenperiode ist Krebs in unserem Kulturkreis die häufigste Todesursache im Kindesalter. Nicht Unfälle, nicht Drogen, nicht Suizid. Krebs. Den »König aller Krankheiten« nennt Siddhartha Mukherjee diese Katastrophe, die über Familien aller Bildungshintergründe und Herkunftsorte hereinbricht. An Krebs erkranken nicht nur Erwachsene, kein Lebensalter ist vor Krebs gefeit; Säuglinge, Schulkinder, Jugendliche, junge Erwachsene sterben an Krebs. Dabei verlaufen die Krankheiten mitunter über Jahre und sind vielleicht nur der Vorbote für eine Reihe von Rückfällen oder Zweiterkrankungen.

Gleichzeitig stellen krebskranke Kinder, obwohl – oder gerade weil – sich ihr Krankheitsverlauf mitunter über Jahre erstrecken kann, nur einen kleinen Teil der Kinder in der Palliativversorgung.

Warum ist das so? Warum fremdeln diese beiden Fachgebiete, Kinderonkologie und Palliativversorgung, die doch so viel gemeinsam haben? Vielleicht ist die Kinderonkologie genau die Spezialisierung in der Kinderheilkunde, die eines der grundlegenden Dilemmata der Palliativmedizin am ehesten vor Augen führen kann: Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt der Therapiezieländerung von kurativ nach palliativ.

Dramatik und Dilemmata der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt der Therapiezieländerung werden deutlicher, wenn man die Geschichte der Kinderonkologie etwas genauer betrachtet. Denn Krebs hat es mit hoher Wahrscheinlichkeit schon immer auch bei Kindern gegeben. Archäologische Funde in Begräbnisstätten früher Zeitalter können zum Teil sehr direkte Nachweise von Krebs bei Kindern und Jugendlichen geben (Józsa & Fóthi, 2002; di Ruffano & Waldron, 2016). Der Kalk von Knochentumoren an den langen Knochen der Extremitäten hat in Gräbern die Jahrhunderte überdauert und ist stummer Zeuge einer Zeit, lange bevor aus Magie Wissenschaft wurde. Im Tierreich können wir Krebs sogar schon bei Dinosauriern des Jura nachweisen (Rothschild et al., 1999). Dennoch dauerte es bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, bis Krebs auch bei Kindern Beachtung in der wissenschaftlichen Welt erlangte. Rudolph Virchow entschlüsselte das Geheimnis der Wucherung durch seinen Beitrag zur Zellpathologie. Dass Krankheiten auf der Fehlfunktion von Zellen beruhen, war zuvor nicht ganzheitlich formuliert worden. Krebs als zellulare Fehlfunktion zu beschreiben, nicht als eine Folge der in Unruhe gebrachten Körpersäfte (Humoralpathologie), Strafe für falschen Lebenswandel oder einen Fremdkörper, war die Grundlage für eine kausale Therapie. Krebs war damit entmystifiziert – es waren eben auch nur körpereigene Zellen, die da wucherten. Und gerade bei Kindern fand man die Art von Krebs gehäuft, die man als »weißes Blut«, Leukämie, bezeichnete, Knochenmark- oder Blutkrebs also.

Die erste Beschreibung einer akuten Leukämie, also von Blut- bzw. Knochenmarkkrebs bei einem Kind, lieferte Michael A. Biermer 1860. Er beschrieb, neben den medizinisch-pathologischen Details, den Weg der fünfjährigen Patientin Maria von der Manifestation der Erkrankung bis zu ihrem Tod. Es ist der erste Fall, der – wissenschaftlich attestiert – die Machtlosigkeit der Medizin im Angesicht der Kinderkrebserkrankungen darstellt. Der Kinderarzt hatte keine Handhabe gegenüber dieser Erkrankung. Er war – und das ohne ausgefeilte Supportivtherapie und moderne Schmerzmittel – Sterbebegleiter der jungen Erkrankten. Heilung war bei den schnellen, krisenhaften Verläufen undenkbar. Mehr als 80 Jahre lang wurden pädiatrische Patienten, deren Krankheit man nun als Krebserkrankung benennen konnte und deren Pathologie man seit Virchow kannte, in der Klinik aufgenommen und beim Sterben begleitet. Jede Ärztegeneration gab an die nächste weiter: Hier ist keine Hoffnung.

Und dann, am 28. Dezember 1947, testete der amerikanische Pathologe Sydney Farber