Panama Letters - Elena Coloma Andrews - E-Book

Panama Letters E-Book

Elena Coloma Andrews

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Beschreibung

Aus einer Zeit vor Internet, Skype und WhatsApp. Briefe einer Mutter an ihre Freunde in Deutschland aus Panama geschrieben und abgeschickt. Kommentare einer Tochter hierzu und Erinnerungen an diese Zeit in Retrospektive aufgeschrieben. Ein authentischer Rückblick in die 90er-Jahre in Panama und der Ferne zu Deutschland. Kulturschock und Familie. Ein Buch. Zwei Lebenswelten, erzählen zwei unterschiedliche Geschichten, die parallel passieren. Eine persönliche Geschichte.

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Über die Autorin:

Die Autorin hat zahlreiche Erfahrungen sammeln dürfen, die ihr ein weites Spektrum an Einblicken in verschiedene Lebenswelten gewährt haben. Halb Deutsche, halb Chilenin, ist sie trilingual in Deutschland und Panama aufgewachsen. Zurzeit hat sie ihre Heimat im Rheinland, Bonn gefunden.

Zudem ist sie Kulturanthropologin, hat Psychologie und amerikanische Sprache und Literatur studiert.

Egal ob Erwachsener oder Kind: Es braucht eine Handvoll passgenauer Menschen, um die Einsamkeit zu vertreiben.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Panama - el centro del universo

Rundbrief Nr. 1

Gedankenflut

Rundbrief Nr. 2

Einsamkeit

Freischwimmen

P.E.

Russische Klavierlehrerin

Tennis

Gymnastik

Aikido

Krokodile

Lamellenfenster

Rundbrief Nr. 3

Heimaturlaub, Rastazöpfe, Weihnachten und Silvester

Skorpion

Rundbrief Nr. 4

Aladin, Armut, Telefon und Sarah

Sra. Lavanda

Rundbrief Nr. 5

Ordnung muss sein

Croissants

Rundbrief Nr. 6

Fliegende Schuhe

Fliegende Schuhe II oder Armut

Unfalltote

Rundbrief Nr. 7

Stadtplanung

St. Martin bzw. Halloween

Urlaube in Panama

Heimaturlaube in Duisburg, Deutschland

Tocumen Airport, Panama

Noriega

Rundbrief Nr. 8

Internet

„Que linda” oder als Mädchen in Panama

Haustiere

Essen

Rundbrief Nr. 9

Apropos: „Gefährliches Pflaster”

Liebe Friedmanns!

„Hervorragend”

Haushaltshilfen/ Empleadas

Schweizer Taschenmesser

Interkulturelle Außenseiter?

„Que Dios le Bendiga”

T-Shirts

Schluss

Nachwort

Vorwort

Als zarte Pflanze von sechs Jahren kam sie in ein ihr völlig fremdes Land. Die Reaktion Außenstehender auf ihre Geschichte ist üblicherweise: „Oh wie schön! Da hast du ja bestimmt viele Sprachen gelernt und viel erlebt.“

„Das stimmt.” Erwidert die nun erwachsene Pflanze den neugierigen Zuhörern, „Es war neben exotisch und toll auch herausfordernd.”

In diesem Buch geht es um die Geschichte von Mutter und Tochter in den 90er-Jahren in Panama. Besonders als Kind bleibt die Geschichte oft im Verborgenen.

In diesem Buch gibt es beide Geschichten ...

Einleitung

Kulturschock - anders kann man das nicht nennen, was meine Mutter erfahren hat. Sie ist als Deutsche 1992 nach Panama ausgewandert, weil ihr Mann - mein Vater - einen Vertrag für zunächst zwei Jahre erhalten hatte, um das duale System der Berufsausbildung in Panama einzuführen. So lebten wir - mein Bruder Samuel, mein Vater Pedro, meine Mutter Silvia und ich - dann plötzlich in Panama.

Silvia beschloss, den Kontakt zu ihrer Heimat Deutschland, genauer gesagt Duisburg, halten zu wollen. Sie wollte ja auch nach zwei Jahren wieder nach Duisburg zurückkehren und an ihren alten Freundeskreis anknüpfen können. Sie fing also kurz nach der Ankunft in Panama damit an, einen Rundbrief an circa 30 Freundinnen, Freunde und Verwandte bzw. Familien zu verfassen.

Eine dieser befreundeten Familien heißt Friedmann. Die Briefe an die Friedmanns sind in diesem Buch beispielhaft für die anderen 30 abgetippt worden, da Ursula, die Frau und Mutter der Familie, diese Briefe über mehr als 20 Jahre in ihrem Dachboden aufbewahrt und mir zur Verfügung gestellt hat. Die Rundbriefe bestehen aus einem allgemeinen Teil, der für alle 30 Adressaten geschrieben wurde, und einer persönlichen Anrede, die handschriftlich hinzugefügt wurde, und einem ebenso handschriftlich hinzugefügten Abschlussteil, der persönlich formuliert auf den oder die Adressaten zugeschnitten ist.

Die Briefe wurden mit einem Computer geschrieben. Die Umlaute gab es auf unserer ersten Computertastatur nicht, da es eine englische Tastatur war. Daher sind die ersten Briefe mit Umlautumschreibungen wie „ue“ für „ü“ usw. abgetippt. Die Tastatur-Codes für die Umlaute und das Eszett kannte meine Mutter dann ab Rundbrief Nummer sieben. Alles ist wie im Original, auch die Zeichnungen, und sogar die Flüchtigkeitsfehler wurden übernommen.

Warum hat meine Mutter Rundbriefe geschrieben und nicht etwa eine E-Mail? Oder einen Anruf getätigt?

Zu dieser Zeit gab es noch kein Internet für den „Otto-Normal-Verbraucher“ und Anrufe von Festnetz zu Festnetz kosteten eine horrende Summe.

Eine Tante von mir sammelte über Monate hinweg Münzen, um von einer Telefonzelle aus in Deutschland meine Mutter für circa fünf Minuten anrufen zu können, um ihre Stimme mal wieder zu hören. Es war schlichtweg nicht anders möglich, den Kontakt zu Freunden, Familie und Bekannten in Deutschland zu halten, als diese Briefe zu schreiben. Damals gab es zwar schon Handys, aber die glichen einem großen, schweren Knochen und waren nur für eine ganz kleine, ausgewählte Elite erschwinglich, wie zum Beispiel für meine Tante Bettina, die als Stewardess bei der Lufthansa immer und überall erreichbar sein musste.

Zurück zu den Rundbriefen. Meine Mutter befand sich also in Panama und wusste nur das, was sie irgendwo in Büchern wie „Oh, wie schön ist Panama“ von Janosch gelesen hatte. Spaß beiseite.

Natürlich meine ich die Reiseliteratur, die sie vor unserer Abreise gewälzt hatte. Sie fand genau ein Buch in der Stadtbibliothek zum Thema Panama. Und zwar: zum Bau des Panamakanals. „Oh, wie schön ist Panama“ haben wir in vierfacher Ausführung zum Abschied nach Panama, jedoch mit unterschiedlichen Widmungen, von Bekannten geschenkt bekommen. Wie dem Tiger und dem Bären ging es uns auch.

Wir haben uns zu Anfang sehr verloren gefühlt und dann irgendwann haben wir so langsam den Groove herausbekommen, wie Panama so tickt und die Menschen dort auch. Dies war jedoch ein steiniger Weg, bis wir wieder „zu Hause“ in Deutschland angekommen sind.

Bevor wir in Panama ankamen, gab es schon eine lange Vorlaufzeit, die mich als Kind von sechs Jahren merken ließ, dass eine große Veränderung anstand. Mein Vater lebte schon seit einigen Monaten in Panama. Er war ohnehin oft beruflich unterwegs in anderen Ländern, aber bis dato höchstens für zwei Monate. Meine Mutter war zudem damit beschäftigt, Dinge einzupacken.

An ein Ereignis erinnere ich mich noch genau, und zwar musste sie unsere Waschmaschine in Düsseldorf aufgeben.

Die Waschmaschine sollte schließlich mit nach Panama und musste bestimmte Kriterien erfüllen für den Transport. Das hat einen ganzen Tag gedauert. An dem Tag habe ich in der Schule Bauchschmerzen bekommen und wurde von unserer damaligen liebevollen Nachbarin, Frau Wunderschön, bei sich zu Hause aufgenommen und ganz besonders umsorgt.

Ich war in der ersten Klasse in Duisburg eingeschult worden und habe mich dort sehr wohl gefühlt, aber durfte leider nur zwei Monate dortbleiben. Dann ging es in die nächste Grundschule auf Zeit in Bad Honnef. Der Wechsel nach Bad Honnef erfolgte, weil meine Eltern Vorbereitungsseminare für Panama dort besuchen mussten. Für mich ging es dann wieder in einen Kindergarten dort, da die Klassenkameraden in der Schule nicht gerade nett waren. Dann erst ging es nach Panama.

Panama - el centro del universo

In Panama City, in dem Land Panamá, waren Samuel und ich in der internationalen Schule von Panama wieder neu eingeschult worden. Wie in vielen internationalen Schulen auf dieser Welt sind etliche ökonomisch privilegierte Kinder in so einer Schule zu finden. Auch bei uns war dies der Fall.

Wir gehörten mit dem guten Gehalt meines Vaters zu den „Ärmsten“ in der Schule. Ich habe, nachdem ich schon lange dort nicht mehr Schülerin war und schon wieder in Deutschland lebte, gehört, dass ein Schüler meiner ehemaligen Klasse zum 18. Geburtstag einen Hubschrauber-Flugschein geschenkt bekommen hat und den dazugehörigen Hubschrauber ebenfalls - nur, um ein Beispiel zu nennen.

Die Panamaer sagen gerne, dass Panama „el centro del universo” ist. Das bedeutet, dass sie sich als Zentrum des Universums verstehen. Sie sind sehr stolz auf den Panamakanal und auch auf ihre Lebensfreude.

Panama liegt zwischen Kolumbien und Costa Rica. Es ist das schmalste Land zwischen Nord- und Südamerika. Deswegen wurde auch dieses schmale Land für den Bau des Kanals ausgewählt, da die Magellanstraße über das Meer um die südlichste Spitze von Chile umgangen werden sollte. Vor dem Bau des Kanals passierten viel zu viele Schiffbrüche in der Magellanstraße.

Die Lebensfreude der Panamaer kann man zum Beispiel beim Karneval hautnah miterleben. Hautnah auch insofern, als dass die Damen auf den Karnevalswagen fast nichts anhaben außer ein paar Glitzersteinchen in Form eines BHs oder Slips. Der imposante Kopfschmuck aus Federn darf auch nicht fehlen. Die Wagen werden mit viel Liebe über ein Jahr hinweg üppig dekoriert. Unter anderem werden sie mit einer Metallstange für jede auf ihm stehende Dame ausgestattet, die sich an Karneval an dieser besagten Stange festhalten kann, um die Balance zu halten trotz ihres großen Kopfschmuckes und ihrer hohen Hacken. Sie winkt dann wie eine „Miss America“ in die Menge mit der einen Hand, und mit der anderen hält sie sich fest. „Rio Abajo“ und „Rio Arriba“ - die beiden Karnevalsgesellschaften in Panama City - konkurrieren das ganze Jahr über in der Fernsehwerbung, wer an Karneval die schönsten Damen und Wagen hat. Kamelle wie im Rheinland werden in Panama - wenn ich mich recht erinnere - auch geworfen. An die volltrunkenen Männer kann ich mich aber noch besonders gut erinnern. Die rochen so unangenehm und lösten in mir ein ungutes Gefühl aus. Das ganze Land ist auf den Beinen. Es wird Salsa, Samba und am liebsten Reggaeton gespielt. Das Motto an Karneval lautet: Tanzen und Feiern bis zum Umfallen. Der Karneval dort erinnert an den bekannten Karneval von Brasilien und lässt nichts von dessen Flair missen.

Darién ist eine Provinz von Panama an der Grenze zu Kolumbien. Manchen ist sie vielleicht wegen des Drogenschmuggels (hauptsächlich Kokain) aus den Nachrichten bekannt.

Die Panamericana, die Straße, die durch Nord- und Südamerika führt, hört plötzlich in Kolumbien auf und geht erst nach Darién wieder weiter - der sogenannte Darién Gap. Man muss als Reisender hier mit einem Flugzeug den Urwald überqueren. Oder man fährt mit einem Schiff. Anders ist der Darién Gap nicht passierbar.

In der Provinz Darién sind keine Straßen vorhanden. Die Einwohner des Urwaldes und die Drogenschmuggler haben das Sagen dort. Deshalb gilt diese Provinz als äußerst gefährlich für Touristen oder sonstige „Normalos“. Außer einem Lehrer der besonderen Art meines Bruders hat meines Wissens nach niemand aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis je einen Fuß in diese Provinz gesetzt.

Der Lehrer meines Bruders war - wie gesagt - besonders. Alle hatten vor ihm Respekt, aber keine Angst. Er hatte keinen autoritären Stil, sondern ging eher freundschaftlich mit seinen Schülern um. Er kommunizierte auf Augenhöhe mit ihnen. Er war, nicht nur was das angeht, besonders, sondern auch aufgrund seiner Leidenschaft für Abenteuer. Er fuhr einfach ohne Plan in den Dschungel von Darién und verbrachte dort mit einem indigenen Stamm, den er zufällig getroffen hatte, Zeit. Er hatte ein Zelt mit einer Hängematte dabei, damit ihn die Schlangen nachts nicht beißen konnten. Er kam komplett mit Henna ähnlicher Farbe bemalt zurück in den Unterricht und lief dann einige Wochen so herum.

Die Bibliothekarin der Schule war für mich sehr besonders und wichtig. Sie war eine magische Frau und schaffte es, mich für das Lesen zu begeistern. Seitdem war ich immer eins mit den Büchern, die ich las. Zu unseren Freizeitaktivitäten später mehr.

Das Klima in Panama ist feucht und warm. Die durchschnittliche Temperatur ist 30 Grad und die durchschnittliche Luftfeuchtigkeit liegt bei 80 Prozent. Das Klima war so, dass die Butter auf dem Frühstückstisch wegschmolz. Allesamt gewöhnten wir uns selbige zu essen ab. Bei mir hielt diese Gewohnheit sogar bis 2018 an, bis ich anfing, Margarine zu essen.

Man ging morgens duschen, und als man fertig war mit dem Abtrocknen, konnte man sich wundern, dass einem wieder „die Suppe“ herunterlief. Meine Mutter sagte in der Nachschau dazu: „Ich habe in Panama die Sonne fürchten gelernt.“

Überall, ob im Supermarkt oder in der Schule, gab es Klimaanlagen. In der Schule liefen sie so stark aufgedreht, dass viele Kinder mit einem Pullover im Unterricht saßen. In den Pausen hatte man dann den Kontrast der circa 38 Grad draußen.

Manchmal erkältete man sich sogar aufgrund des starken Temperaturwechsels zwischen drinnen und draußen. Wenn man schweißgebadet einen klimatisierten Raum betritt, kann man sich schon vorstellen, dass das nicht gut geht.

Im Auto machten wir auch die Klimaanlage an. Wir haben einmal zum Spaß die Heizung im Auto aufgedreht. Sauna-Feeling.

Die Sonne geht jeden Tag um sechs auf und um 18 Uhr wieder unter - jeden Tag im Jahr. Mein Vater sagte einmal kurz vor unserer endgültigen Rückkehr nach Deutschland, dass wir die Sonnenauf- und -untergänge über dem Meer noch vermissen und im Nachhinein zu schätzen wissen werden. Er sollte recht behalten.

Es gibt keine Jahreszeiten wie in Deutschland, sondern Trocken- und Regenzeit. Vermisst haben wir die deutschen Jahreszeiten nie. Aber als wir zurück in Deutschland nach fast sieben Jahren Schnee-Abstinenz im Schneegestöber einen Schneemann bauten, hatten wir unheimlich Spaß und eine Freude daran, als hätten wir den ersten Schneemann unseres Lebens gebaut.

In Panama spricht man Spanisch und die Währung ist der US-amerikanische Dollar. Panama war von US-amerikanischen Truppen über Jahre hinweg besetzt. On Base - in der abgesperrten amerikanischen Zone, in die man nur mit Berechtigungsausweis rein kam - sah es sehr amerikanisch aus. Es gab einen Kentucky Fried Chicken, amerikanisches Kino, bei dem man am Anfang des gezeigten Filmes aufstehen musste, um die amerikanische Hymne zu singen, Baseball-Felder und „Fumigadores“ - Giftspritzer aufgrund der vielen Insekten.

Panama City, die größte Stadt Panamas mit ca. 810 000 Einwohnern, in der wir während unseres Aufenthaltes wohnten, ist zugleich auch Hauptstadt Panamas und erinnert mit der Skyline in Paitilla, einem Stadtteil der Stadt, eher an New York als an alles andere. In wirtschaftlicher Hinsicht ist Panama City eine Weltstadt.1

1https://de.wikipedia.org/wiki/Panama-Stadt, 29.06.2020

Rundbrief Nr. 1

Liebe Friedmanns!

Panama, 01.06.92

Seit zwei Monaten versuche ich, einen Rundbrief fertigzumachen, und werde immer wieder unterbrochen und immer wieder hat sich die Situation dann veraendert. Als ich am 20.01. mit den Kindern hier ankam, waren wir zwar froh, die Plackerei und Packerei endlich hinter uns gebracht zu haben und endlich wieder als Familie zusammen zu sein, mussten uns jedoch bald mit einem ziemlichen Chaos auseinandersetzen. Das Chaos bestand nicht so sehr darin, dass viele Dinge nahezu gleichzeitig erledigt werden mussten, sondern darin, dass hier wenige Dinge berechenbar sind. Das hat dann u.a. dazu gefuehrt, dass wir einige Tage auf dem Fußboden geschlafen haben (Handtuecher u. Bettwaesche ausgeliehen) kein Geschirr, kein Besteck. Jeden Tag auf die Moebel gewartet. Warten auf Gasanschluss, Telefonanschluss. Alle paar Tage zum Autohaus fahren, irgendeine fuer die Zwischenzeit geliehene Schrottkiste austauschen, immer mit dem Versprechen, das laengst ueberfaellige gekaufte und zum Teil bezahlte Auto kaeme jetzt in drei Tagen. Langsames Herantasten an den Alltag: Was kauft man wo? Was kocht man? Wie bringt man bloß alle Lebensmittel im Kuehlschrank unter? Bloß nichts Essbares laenger als unbedingt noetig offen stehen lassen. So viele Ameisen wie sich in unserer Kueche tummelten, habe ich selten vorher gesehen. So etwas passiert natuerlich nur einer Tropenanfaengerin, aber ich bin nun mal eine.

Es passiert aber auch Folgendes: Vor zwei Tagen, als ich morgens ins Wohnzimmer komme, ist es erfuellt von einem wunderschönen Duft. So riechen doch die Nelken nicht, die dort stehen! Uebers Fruehstueck machen und taeglichen Arbeiten vergesse ich, diesem Duft weiter nachzuforschen. Gestern Abend sitze ich auf der Terrasse, es ist dunkel (19.00 Uhr) da sehe ich ploetzlich an einem Baum in unserem Garten viele kleine weiße Bluetenbueschel leuchten. Am Tag fallen sie kaum auf. Dieser mickrige Baum mit den kleinen Blaettern ist Jasmin! Als hier die Regenzeit anfing, ist er ueber Nacht aufgeblueht. Da im Wohnzimmer an der Seite zur Terrasse nur Eisengitter und Moskitodraht, aber kein Glas ist, zieht dieser herrliche Duft nachts herein und erfuellt den ganzen Raum.

Zurueck zum Anfang: ich hatte manchmal den Eindruck, als wolle gar nichts klappen. Bei den groeßeren Sachen, wie dem Auto, ist man eher darauf eingestellt, dass es Schwierigkeiten geben kann. Aber die Kleinigkeiten! Da hatte ich endlich Hammer und Naegel gefunden und muss feststellen, dass sie nicht in die Waende gehen, weil diese aus Beton sind! Da scheint es doch in ganz Panama keine sueße Sahne zu geben! usw. Da gab es haeufig Anstrengungen, die zu keinem Ergebnis fuehrten. Zusammen mit dem Klima hat mich dies manchmal ganz schoen fertig gemacht.

Da die Schule erst 10 Tage spaeter anfing, genossen die Kinder zunaechst den ganzen Tag den Swimmingpool. Aber dann! Unterricht von 7.20 Uhr bis 14.20 Uhr! Lisa mit 3, Samuel mit 2 Pausen. Der gesamte Unterricht in Englisch, außer einer Stunde spanische Sprache pro Tag. Am Nachmittag versuchte ich, so gut es ging, bei den Hausaufgaben zu helfen. Es dauerte allerdings auch einige Zeit, bis mir bestimmte Ablaeufe klar wurden. Die gesamte Information der Schule ist in Englisch, teils mit spanischer Uebersetzung. Nach zwei Wochen waren die Kinder voellig fertig, hatten nachts Alptraeume und wollten nach Deutschland. Allmaehlich stellten sich jedoch erste Erfolge ein. Nach hartem Training in der Schulmannschaft (3 mal pro Woche bis 16.00 Uhr) errang Samuel zwei Bronzemedaillen im Leichtathletikwettkampf, beide Kinder knuepften Kontakte zu Mitschuelern und erzielten ab und zu eine gute Note. Beim Zwischenzeugnis vor Ostern hatten tatsaechlich beide eine Durchschnittsnote von 4 (5 ist die beste Note).

Mit der Zeit hatte sich immer deutlicher herausgestellt, dass unsere Vermieter dabei waren, uns kraeftig zu betruegen und uns aus dem Haus zu ekeln. Wir hatten Stromrechnungen (sehr teuer hier) von November bezahlt und an Samstagen kamen mehrere Leute, um das Haus zu besichtigen, da es verkauft werden sollte. Wir traten die Flucht nach vorn an und suchten nach einem neuen Haus. Und das, als ich gerade mit Hilfe eines Menschen mit Bohrmaschine die meisten Bilder aufgehaengt hatte und die letzte Umzugskiste ausgepackt war! Karneval zogen wir in unser neues Haus ein. Bald zeigt sich, dass wir mit der Wahl unseres neuen Hauses Glueck im Unglueck hatten. Es ist zwar kleiner (ein zusaetzliches Gaeste- und Arbeitszimmer fehlen jetzt) doch ist es besser ausgestattet, der Garten ist schoener und die Vermieter sind sehr nett. Schließlich ist es auch noch billiger. Nun, ja der ganze Umzug hat erst mal wieder einiges an Anstrengung gekostet. Telefon und Strom ab- und anmelden. Alles nicht so einfach. Hier wird direkt der ganze Stromzaehler abgebaut! Aufs Telefon (obwohl wir unsere Nummer mitnehmen konnten) wartet man manchmal Wochen. Uebrigens, Telefonrechnung bezahlen: Als ich die Rechnung in der Bank ueberweisen wollte, sahen sie mich an, als ob ich von einem anderen Stern kaeme. Ueberweisungen scheinen hier unueblich zu sein. Es ging jedenfalls nicht. Rechnungen bezahlt man hier direkt bei der entsprechenden Stelle. Das kann bedeuten, dass man sich erst mal durch dicken Verkehr quaelt, Parkplatz sucht und dann bis zu einer Stunde in der Schlange ansteht. So ist die Hausfrau, auch wenn sie eine der hier ueblichen Haushaltshilfen hat, ausreichend beschaeftigt.

Inzwischen hab ich mich daran gewoehnt, dass hier viele Alltagssachen aufwendiger sind und genieße die Vorzuege meines neuen Berufes, die vor allem darin bestehen, dass ich meine Arbeit selbst organisieren kann und mir Freiraeume schaffen kann zum Fotografieren z.B. oder zum Lesen, Fotoalben fertigmachen, Doppelkopf spielen, Briefe schreiben. Vielleicht schaff ich es demnaechst noch, mich etwas in die spanische Grammatik zu vertiefen. Die Wochenenden sind jetzt wirkliche Wochenenden, ohne Vor- und Nachbereitung und wir koennen gemeinsam etwas unternehmen. All dessen ungeachtet trifft mich natuerlich auch ab und zu das bekannte Hausfrauensyndrom, fuer jeden Mist zustaendig zu sein und von keinem die entsprechende Anerkennung zu bekommen.

Als wir dachten, wir haetten‘s jetzt gepackt hier, kamen die reinsten Horrormeldungen aus Deutschland bezueglich unseres Kontostandes. Riesige Steuernach- und Vorauszahlungen (die sich nachher doch als geringer herausstellten) Ueberweisungen der Sparkasse nach Panama zum falschen Zeitpunkt, so dass wir hier ploetzlich eine große Summe auf dem Konto hatten, in Duisburg aber ein Riesenloch. Zum Glueck konnte meine Familie mit einem schnellen Kredit Schlimmeres verhindern.

Regenzeit heißt bis jetzt: spaetestens jeden zweiten Tag scheint die Sonne, haeufig ist einen halben Tag strahlender Sonnenschein, dann schuettet es wie aus Eimern, prasselt aufs Dach, dass man manchmal schreien muss, um sich zu verstehen. Vor ein paar Tagen haben die Kinder sich waehrend des Regens in dem “Fluss” gewaelzt, der in unserem Garten entstanden war. Sie haben ein wahres Schlammbad veranstaltet. Zwischendurch haben sie sich unter dem Wasser, das vom Dach herunterstuerzte, “geduscht”. Sie genießen es, immer auf der Terrasse, im Garten oder im Schwimmbad spielen zu koennen. Sie bauen sich Haeuser aus Palmblaettern und verfolgen die Ameisenstraßen.

Wenn in diesem Brief viele negative Dinge beschrieben sind, so liegt das an der wirklich nicht einfachen Anfangs zeit. Inzwischen gibt es zwar immer noch genug Aergernisse, aber die angenehmen Seiten ueberwiegen bei Weitem.

Wie bereits gesagt, haben wir jetzt kein Gaestezimmer mehr, aber wer sich auf Improvisation einlaesst, ist herzlich willkommen (immer mit rechtzeitiger Voranmeldung, denn die Familie ist groß)

Unsere Postanschrift:

Telefon: 6441780

Nuñez/Trentmann

Apartado 1958

Panama 4

Panama