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Warum dieses Buch kaufen? Die Vorzimmer der Zahnarztpraxen und das Web sind voll von allen möglichen mehr oder weniger guten und sachlich richtigen Informationen, Ratgeberbroschüren und Produktanpreisungen von Mitteln gegen Parodontitis. Schließlich bekommen mehr als 2 von 3 Menschen im Alter ab 40 diese Krankheit. Die Chance, einer von den beiden zu sein ist ja recht groß und Parodontitis geht nicht nur die Zähne an. Herzkrankheiten, Diabetes, Rheuma und andere Beschwerden stehen nach neuesten Erkenntnissen in direktem Zusammenhang zu dieser Entzündung im Mund. Dieses Buch bietet die vielleicht umfassendste und zugleich laienverständliche Darstellung des Themengebietes Parodontitis mit Wissen auf dem aktuellen Stand der Forschung. Egal ob sie sich nur einen Überblick verschaffen wollen oder sich für die wissenschaftlichen Hintergründe interessieren. Die intelligente Gliederung macht beides möglich und gibt die Möglichkeit, direkt in die verschiedenen Abschnitte einzusteigen ohne Elementares zu verpassen.
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Seitenzahl: 186
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Patientenratgeber ZahnMed Band 1
Dr. Thomas Cremer
Parodontitis
ein ganzheitliches Problem
woher kommt sie
was hilft
wer hilft
was kann ich tun ?
Ein Ratgeber und Nachschlagewerk
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2016 Dr. Thomas Cremer
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
978-3-7323-5422-1
Paperback
ISBN
978-3-7323-5423-8
Hardcover
ISBN
978-3-7323-5424-5
ebook
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig.
Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
…statt eines Vorworts:
Wichtiger Hinweis
Dieses Buch als Patientenratgeber beschreibt den Themenkomplex der Erkrankungen des Zahnbettes und die Auswirkungen auf den Gesamtorganismus.
Es ist ein einfach verständliches und nach Themen geordnetes Nachschlagewerk. Auf wissenschaftlich exakte und korrekte Formulierungen wurde wissentlich zu Gunsten der Verständlichkeit verzichtet. Zusammenhänge sind teilweise vereinfacht dargestellt. Dennoch basiert der wissenschaftliche Teil auf sorgfältiger Recherche und drei Jahrzehnten beruflicher Erfahrung mit parodontalen Erkrankungen.
Das Buch gibt eine gezielte Hilfestellung, um die Ursachen von wiederkehrenden Misserfolgen zu erkennen und einen Weg zur erfolgversprechenden Therapie im ganzheitlichen Sinne zu finden.
Das Werk soll Patienten aber auch Ärzten zu mehr Therapieerfolg und Zufriedenheit und Verständnis führen.
Es kann und soll die Diagnostik und Behandlung durch den spezialisierten Arzt und Zahnarzt keinesfalls ersetzen.
Therapieentscheidungen jeglicher Art dürfen ausschließlich vom behandelnden Arzt oder Zahnarzt getroffen werden.
Der akute Bedarfsfall und ERSTE HILFE Eine programmierte Anweisung für die Behandlung
Signale für einen Parodontitisverdacht
Die ersten Maßnahmen
Vorstellung beim Spezialisten
Das effektive Therapieprogramm
Parodontitis - woher kommt sie ?
Ursachenverständnis für eine wirksame Behandlung
Parodontitis bedeutet
Die Parodontitis in der Geschichte
Die Parodontitis in Zahlen
Die wichtigsten Fakten
Entstehung und Ablauf
Funktionsgewebe: Knochen, Desmodont, Weichgewebe, Zahn
Schauplatz von Gingivitis und Parodontitis:
So sieht Parodontitis aus
Gingivitis
Quantensprung von der Gingivitis zur Parodontitis
Parodontitis
Rolle der Bakterien
Plaque, der historische Begriff
Biofilm
Wachstum des Biofilms
Struktur und Bedeutung der Matrix
Problem der Therapieresistenz
KOMPAKT
Immunologie
Einfluss der erblichen Faktoren
Immunsystem und Belastung
KOMPAKT
Anamnese - Untersuchung - Diagnose
Zielgerichtete Anamnese
Untersuchung und Befundung auf Parodontitis
Die klassischen Methoden
PSI
BOP
Röntgen
Zeitgemäße Untersuchungsmethoden
Die vererbte Immunlage als Befund
Die Bestimmung der Bakterien als Befund
Die Bestimmung des Enzyms aMMP-8 als Befund
Diagnosestellung, Klassen der Parodontitis
KOMPAKT
Wissenschaftliche Fakten verständlich
KOMPAKT
Ganzheitliche Betrachtung der Parodontitis
Asthma
Atemwegserkrankungen
Diabetes
Diabetes als ererbtes Risiko
Diabetes als zweiseitiges Risiko
Diabetes – Parodontitis – Implantate
Darmerkrankungen
Herz- und Kreislauferkrankungen
Immunsuppression durch Medikamente
Krebs und andere Tumore
Nierenerkrankungen
Osteoporose
Rheuma und Arthritis (Gelenkentzündung)
Kinder – ein wichtiger Sonderfall
Chronische Zahnfleischentzündung – Gingivitis
Aggressive Parodontitisbehandlung
Besondere Risiken für Frauen
Menstruationsphase – das kurzzeitige Risiko
Hormonelle Umstellung – das langfristige Risiko
Die Pille – Verhütung mit synthetischem Progesteron oder/und Östrogen
Wechseljahre (Klimakterium) und die Zeit danach
Schwangerschaft – der parodontale Sonderfall
Besondere Risiken für Männer
Prostata
Impotenz
KOMPAKT
Bin ich betroffen? Was ist mein Krankheitsbild ?
Forschung nach den Ursachen der eigenen Zahnbetterkrankung
Fall 1: Sie haben keine Parodontitis.
Fall 2: Sie wissen schon über Ihre parodontale Krankheit Bescheid
Die eigene Krankheitsgeschichte - die Suche nach den Ursachen
Ursachen aus der vererbten Veranlagung
Ursachen aus der eigenen Situation
Krankheiten
Lebensumstände und individuelle Risikofaktoren
Mundhygiene und Zähneputzen
Stress und Stresshormone
Stress und psychische Faktoren wie Depressionen
Lebensalter
Risikofaktor Funktion und Fehlbiss
Ernährung Unzureichende Ernährung
Immunsystem und der Verdauungstrakt
Sieben Faktoren, die eine Darmflora schädigen können
Medikamente
Mundtrockenheit
Blutverdünnung
Blutdruckmittel
Cholesterinwertkontrolle
Rolle der Vitamine
Rauchen
Bewegung
BMI Body-Mass-Index
Ansteckung
KOMPAKT
Pflege des Körpers und Mundhöhle
Unterstützung durch den Arzt und Zahnarzt
Test zum Parodontitisrisiko
Behandlungszyklus einer effektiven Parodontitistherapie
Was hilft?
Plädoyer für den parodontologisch tätigen Zahnarzt
Präventivmedizin
Die erste Phase – Primäre Prävention
Die zweite Phase – Sekundäre Prävention
Die dritte Phase – Tertiäre Prävention
Professionelle Zahnreinigung oder PZR
Rolle des Recall-Systems in der Parodontalbehandlung
Individualprophylaxe
KOMPAKT
Klassischer Ansatz der mechanistischen Zahnfleischbehandlung
Operativer mechanischer Teil der Behandlung.
Die vierte Phase - Quartäre Prävention
Handinstrumente
Ultraschall und Schallreiniger
Laser Behandlung
Pulverstrahltechnik
Chirurgische Techniken
Karottenvergleich und Wertung
KOMPAKT
Medizinisch basierten Behandlung zeitgemäß
Antibiotische Behandlung als Ersatz zur Mechanik?
Biomarker zur zeitgemäßen Behandlungskontrolle
Markerkeim Test
mmP-8 Test
Umfassender Behandlungsansatz
unterstützende Begleitmaßnahmen
Mittel der klassischen Zahnmedizin und Pharmakologie
Medikamente direkt in die Zahnfleischtaschen
Antibiotika lokal:
Tetracycline (Doxycyclin, Minocyclin)
Imidazol und Metronidazol Gel
alternative Therapielösungen:
Chlorhexidin Chip
Photo aktivierte chemische Therapie – PhotoACT
Mundspüllösungen
Chlorhexidin
Triclosan
Cetylpyridiniumchlorid
Natriumlaurylsulfat – Sodiumlaurylsulfate SLS
Fluoride
Metallionen
Methylsalicylat
Parabene
Ätherische Öle
Kombinationen
Speichel
Mittel aus der alternativen Medizin
Gruppe 1: Ätherische Öle, vernachlässigte Wundermittel in direkter Anwendung?
Gruppe 2: Alternative Heilmittel mit indirekter Wirkung
Ätherische Öle und Pflanzenheilkunde
KOMPAKT
Ernährungsunterstützung
KOMPAKT Tabelle
Wer hilft?
So wird aus dem Kranken und dem Parodontologen ein effektives Team
Die sieben Schritte zur Bestimmung des Ist-Zustandes
Das können Sie von einem guten Parodontologen erwarten
Ein guter Plan
Die zweite Meinung
Was kann ich zusätzlich tun
und warum eine Zahnfleischerkrankung oft immer wieder kommt?
Mundhygienesystematik
Mechanik und örtliche Wirkung
Systemunterstützung
Spezieller Rat für Eltern und alle, die Kinder betreuen
Clever finanziell vorsorgen
Rückfall bei Zahnfleischerkrankungen
Lokal im Mund
Ganzheitlich
Fehlersuche im Mund
Stichwortverzeichnis
Literatur und Quellen
Persönliche Notizen für den eigenen Fall
Warnhinweise
Bei gesundheitlichen Beschwerden konsultieren Sie bitte grundsätzlich je nach Beschwerdebild Ihren Arzt oder Zahnarzt. Nur eine persönliche Untersuchung kann zu einer sicheren Diagnose und erfolgreichen Therapie unter Mitarbeit des Patienten führen.
Nehmen Sie Medikamente nur nach Absprache mit einem Arzt oder Apotheker ein.
Verwenden Sie Informationen aus diesem Buch nicht als die alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen.
Allgemeine Hinweise
In manchen Passagen wird vom Patient, Zahnarzt oder Parodontologen u.a. gesprochen.
Dies gilt bitte gleichermaßen für Patientinnen, Zahnärztinnen und weibliche Parodontologen u.a. und lautet nur aus Gründen der Sprachglättung nicht in jedem Fall: Patient/Patientin, Zahnarzt/Zahnärztin, Parodontologe/Parodontologin u.a..
Jegliche geschlechtliche Diskriminierung wird hier ausdrücklich verneint
Der akute Bedarfsfall und ERSTE HILFE Eine programmierte Anweisung für das Therapieprogramm
NUTZEN
Sie suchen nach einem schnellen, aber systematischen Einstieg in die Therapie. Hier finden Sie das Vorgehen Schritt für Schritt.
Signale für einen Parodontitisverdacht
Das Startsignal für dieses Programm heißt:
Irgendwas ist nicht so, wie es sein soll und das länger als zwei bis drei Tage. Am Rand der Zähne blutet es, spontan oder beim Essen oder Putzen. Das Zahnfleisch sieht farblich verändert aus oder ist geschwollen.
Die ersten Maßnahmen
Sind Schmerzen vorhanden, dann ist der Besuch beim Zahnarzt sofort notwendig.
Eine reine Parodontitis macht in den seltensten Fällen Schmerzen. Mögliche Ursachen für den Schmerz:
– Fremdkörper, meist aus dem Essen, haben sich eingeklemmt.
– Verletzung der Zahnfleischoberflächen.
– Eine Beteiligung des Zahnnervs, der Zahnpulpa. Der Zahn ist dann empfindlich auf heiß oder kalt. Je älter der Zahn ist, desto schneller sollte die professionelle Hilfe kommen, denn im Lauf der Lebensjahre nimmt die Selbstheilungsfähigkeit dieses Gewebes deutlich ab.
– Eine Entzündung im Bereich der Wurzelspitze, die entweder am Zahnfleischrand oder in der Zahnpulpa zu einer zusätzlichen Entzündung geführt hat.
Für alle diese Fälle hat der Zahnarzt ein Mittel, um Sie schnell schmerzfrei zu bekommen. In der Regel braucht es dafür keine Systemmedikamente (geschluckt) sondern ein Mittel direkt am Zahn (→ „Mittel der klassischen Zahnmedizin und Pharmakologie“).
Vorsicht vor der Entscheidung, einen Zahn ohne gute Diagnostik zu ziehen. Weg ist weg und jeder spätere Ersatz ist nicht unproblematisch und kostet Geld!
Bei Schmerzfreiheit ist es sinnvoll, die Mundhygiene intensiver als vorher zu betreiben. Falls noch nicht Routine, ist jetzt der Einsatz von Mundspüllösungen, zwei- bis dreimal am Tag sinnvoll (→ „Mundspüllösungen“). Ziel ist es, bei der weiteren Diagnostik die einfache Zahnfleischentzündung durch unzureichende Mundhygiene als Ursache auszuschließen und Ihnen, zumindest symptomatisch, zunächst eine Besserung zu verschaffen.
Dies ersetzt nicht die notwendige Diagnostik beim Spezialisten. Zu unterschiedlich sind die Krankheitsbilder und besonders wegen der Wechselwirkung zu anderen Krankheiten und Organen muss diese Diagnostik gemacht werden.
Vorstellung beim Spezialisten
Vorsicht! Der fatale Fehler in der Diagnostik (→ „Anamnese – Befundung – Diagnose“ ) der Parodontitis ist folgender Trugschluss: das Bluten am Zahnfleisch hat aufgehört, also ist die Parodontitis geheilt. Diese Folgerung ist falsch!
Richtig ist, dass der Weg zur Parodontitis über die Zahnfleischentzündung führt und da blutet das Zahnfleisch. Eine tiefe Zahnfleischtasche kann aber immer noch ein Versteck für eine tiefe und zerstörerische Entzündung sein.
Perfekte Mundhygiene am oberen Rand, mit Unterstützung durch Medikamente und Mundspüllösungen, führt zu dem Effekt, dass der Zahnfleischrand ganz gesund wirkt und auch nicht mehr blutet.
Sogar das krasse Gegenteil, nämlich keine Mundhygiene dafür üppig hochprozentiger Alkohol und/oder starkes Rauchen führen dazu, dass es am Zahnfleischrand nicht mehr blutet. Das ist nur ein trügerisches Zeichen von Gesundheit am Zahn und das falsche Signal!
Erst bei Sondierung durch den Profi in der Tiefe der Zahnfleischtasche zeigt die Blutung das ziemlich sichere Zeichen für eine Entzündung.
Dieser Test an einzelnen Zähnen ist der PSI, der BOP testet jede einzelne Zahntasche an mehreren Stellen und gibt das genaue Blutungsergebnis ( → „Die klassischen Methoden, - PSI, - BOP“).
Das effektive Therapieprogramm
Parodontitis ist ein komplexes Krankheitsbild. Löcher in den Zähnen sind in Minuten repariert. Parodontitistherapie braucht Systematik und Zeit.
– Die Vorbereitung erste Vorbereitung ist die eigene Risikoeinschätzung. Schritt 1 ist: → „Test zum Parodontitisrisiko“.
– Schritt 2 ist aus der allgemeinen Risikobeurteilung die genaue Suche nach den → „Ursachen aus der eigenen Situation“.
– Mit dieser Vorbereitung wird Schritt 3 → „Wer hilft?“ der richtige Einstieg für eine erfolgreiche Therapie beim Spezialisten.
– Parodontitisbehandlung ist Teamwork. Je besser Sie die Behandlung verstehen und mit dem Parodontologen zusammenarbeiten, desto besser wird der Erfolg sein. Somit machen Sie sich am besten nach der sicheren Diagnostik in Schritt 4 mit den Kapiteln → „Medizinisch basierten Behandlung zeitgemäß“ und → „Umfassender Behandlungsansatz“ vertraut.
– Schritt 5 ist das Kapitel → „Was kann ich zusätzlich tun und warum eine Zahnfleischerkrankung oft immer wieder kommt?“
Parodontitis - woher kommt sie ?
Ursachenverständnis für eine wirksame Behandlung.
NUTZEN
Lernen heißt verstehen und verstehen bedeutet Erfolg. Wollen Sie die Problematik der Parodontitis wirklich bewusst und nachhaltig angehen, dann finden Sie hier in nachvollziehbarer Form alle wichtige Informationen.
Kein Fan von zu viel theoretischem Wissen? Dann springen Sie zumindest zu „die wissenschaftlichen Fakts für jeden verständlich gemacht“. Es lohnt sich!
„Wir behandeln nicht Krankheiten, sondern kranke Menschen.“ Sagt Ludolf Krehl. einer der Begründer der Psychosomatischen Medizin im Jahre 1907.
Schon fast tausend Jahre davor hat der arabische Arzt Ibn Sina ( 980 – 1037 n.Chr. )junge Studenten in der Heilkunst unterrichtet. Nach heutigen Maßstäben weiß er eigentlich wenig von Medizin und schon gar nichts von den schwierigen Zusammenhängen in der Biochemie. Das Wesentliche hatte aber auch er als überzeugter Humanist schon erkannt:, „Wir behandeln nicht Krankheiten, sondern Menschen, die an Krankheiten leiden“,
Parodontitis bedeutet
Parodontitis und die Gingivitis sind beides ernste Entzündungen des Gewebes um den Zahn. Parodontitis hat eine Wirkung auf den Gesamtorganismus.
Das Wort Parodont bedeutet wörtlich „um den Zahn herum“. Die Entzündung des Gewebes um einen Zahn herum heißt so folgerichtig Parodontitis. Dabei ist das Weichgewebe mit allen stützenden Fasern genauso betroffen wie der Halteknochen des Zahnes.
Parodontitis beginnt immer dann, wenn typische Bakterien eine Entzündung auslösen und die Körperabwehr diese Entzündung nicht mehr erfolgreich beseitigen kann.
Es kann sowohl nur ein Zahn als auch das ganze Gebiss betroffen sein. Dabei trifft es Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Ältere.
Die Parodontitis kann schnell oder langsam ablaufen, aggressiv oder zurückhaltend und chronisch in der zerstörerischen Wirkung sein.
Somit gibt es in der Parodontologie quasi nichts, was es nicht gibt.
In unserer modernen Medizin sind es noch keine hundert Jahre her, dass sich die ersten Forscher mit diesem Thema auseinander gesetzt haben. Es war der Fluch der Spartenmedizin, dass schon von Anfang an klar ausgemacht war: diese Erkrankung gehört in die Hand des Zahnarztes.
Zahnärzte waren zu dieser Zeit noch absolut von mechanistischem Denken geprägt. Die Mehrzahl war ja immer noch als Dentisten, also als eine Art Uhrmacher oder Klempner für die Zähne, ausgebildet.
Manch einer hat bis heute nicht verstanden, warum manches vordergründige Zahnproblem nicht allein mit Werkzeug zu lösen ist. Sollten da nicht eher Ärzte mit medizinischem Schwerpunkt die führende Rolle spielen?
Gerade die Parodontitis als eine entzündliche Gewebeerkrankung macht die medizinische und sogar ganzheitliche Betrachtung so wichtig und die Entdeckung der Zusammenhänge so spannend.
Die Parodontitis in der Geschichte
Mit 20 Lebensjahren ist Parodontitis ein seltenes Thema, mit 40 wird sie deutlich interessanter und ab 60 haben zwei von drei Menschen damit zu tun. Damit gehört die Parodontitis schon fast in das Kapitel der degenerativen Erkrankungen und ist ein wichtiges Thema der Gegenwartsmedizin.
Verständlich aus heutiger Sicht, dass diese Erkrankung in den ersten Jahrtausenden der Menschheit kein vorrangiges Thema war und der fortschreitende Zahnverlust als unabwendbares Schicksal des, für damalige Verhältnisse, sehr alten Menschen gesehen wurde.
Der Franzose Fauchard war einer der ersten, der sich umfassend um die Probleme rund um den Zahn gekümmert hat. 1728 beschreibt er zum ersten Mal Zahnfleischerkrankungen, aber ohne näher darauf einzugehen.
1921 hatte Oskar Weski zunächst den Begriff Parodontose als Sammelbegriff für alle Erkrankungen (entzündliche und nicht entzündliche) des Zahnbettes eingeführt.
Erst seit rund 70 Jahren machen wir den Unterschied zwischen Parodontitis und Parodontose, wobei sich dieser letztere Begriff für die gesamte Krankheit so hartnäckig hält wie der Zahnbelag.
Die Unterscheidung entspricht der allgemein in der Medizin gebräuchlichen Definition, in der die Endung „-itis“ für entzündlichen und die Endung „-ose“ für allgemeinen und nicht näher verstandenen Gewebsschwund steht. Heute hat der Begriff Parodontose nur noch historische Bedeutung.
Die Parodontitis in Zahlen
Gezählt und statistisch ausgewertet wird die Parodontitis bei uns erst so richtig ab den 60er Jahren des letzten Jahrtausends.
Nehmen wir die heutigen Zahlen, so hat die Verbreitung deutlich zugenommen.
Bei den Erwachsenen über 40 sind es über 50% mit einer mittelschweren und weitere 20% mit einer schweren Parodontitis. Gesund ist nur die vordere Reihe.
Nimmt man daraus die Gruppe der über 65- Jährigen, so sind es knapp 50% mit einer mittelschweren und weitere fast 40 % mit einer schweren Parodontitis!
Gerade bei den schweren Formen sind Männer noch etwas häufiger erkrankt als Frauen.
Vor vielen Jahren hat ein wichtiger Dachverband der Zahnärzte in Deutschland (die Deutsche Gesellschaft für Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde) für 2020 das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Parodontitis auf 10 % in der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen beziehungsweise auf 20 % in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen zu reduzieren.
Davon sind wir leider gefühlte Lichtjahre entfernt.
Fakt ist: die Parodontitis bringt heute drei von vier Erwachsenen und sieben von acht Senioren in Gefahr, Zähne und Gesundheit zu verlieren!
Damit war die Parodontitis auch im Guiness Buch der Rekorde als Volkskrankheit Nummer 1.
Hier können Sie schon mit einem ersten Selbsttest starten. Das hilft Ihnen entweder zur entspannten weiteren Lektüre oder bei der gezielten Suche nach einem erfolgreichen Behandlungskonzept für den Umgang mit dieser Krankheit.
(Test als Wiederholung in → „Bin ich betroffen und was ist wohl mein Krankheitsbild ?“
Erklärung für den PSI → „Anamnese - Untersuchung – Diagnose → die klassischen Methoden“).
Hat Ihr Zahnarzt in den letzen zwei Jahren einen PSI (parodontalen Screening Index) bei Ihnen gemacht?
ein solcher Test gemacht, alles war bestens
zutreffend
0 Punkte
ein solcher Test wurde nicht gemacht
zutreffend
1 Punkt
ein solcher Test wurde gemacht, es gab Zahnfleischtaschen
zutreffend
1 Punkt
ein solcher Test wurde gemacht, das Zahnfleisch hat geblutet
zutreffend
1 Punkt
Punktsumme:
ab 1 Punkt zutreffend besteht Handlungsbedarf !
Die wichtigsten Fakten
NUTZEN
Parodontitis in der Gesamtheit kann man nur verstehen, wenn man sich zuerst über die Strukturen und die Funktionen des Gewebes im Klaren ist.
Entstehung und Ablauf
Abbildungen und Beschreibungen des Zahnes mit Zahnhaltegewebe gibt es schon unzählige. Auf Zahnpastapackungen, Webseiten von Zahnärzten und von vielen anderen, oft selbst ernannten Experten für Parodontalbehandlung findet man alle Arten von Abbildungen der Zähne mit und ohne Parodontitis.
Leider sind die meisten Darstellungen nicht gerade zeitgemäß und zeigen, dass dieses komplexe System in seiner Funktion keineswegs verstanden wurde.
Funktionsgewebe: Knochen, Desmodont, Weichgewebe, Zahn
Der Zahn ist nicht im Knochen verwachsen. Er ist vielmehr in einer schachtähnlichen Höhle des Kieferknochens eingebettet (Zahnfach, parodontales Gewebe, Alveole).
Als Funktionseinheit hat er verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Diese bringen sowohl Druck von oben als auch von allen Seiten auf den Zahn.
Ein Zahn ist deshalb sinnvollerweise mit einem komplizierten, faserähnlichen Gewebe in dieser Knochenhöhle fixiert. Diese desmodontalen Fasern bilden für den Zahn eine Aufhängung wie die Randverschnürung bei einem Trampolin. Der Zahn ist also elastisch abgefedert und doch sehr fest in der Alveole befestigt. Kommt Druck von oben oder der Seite, wird der Zahn entweder tiefer in sein Zahnfach gedrückt oder in der Achsenrichtung gekippt.
Das Gewebe zur Abdichtung dieser Aufhängung gegenüber der Mundhöhle ist das parodontale Grenzgewebe.
Schauplatz von Gingivitis und Parodontitis:
Als oberer Rand um den Zahn liegt das sichtbare Zahnfleisch (Gingiva). Es läuft als freie Gingiva, als Girlande um jeden Zahn und bildet zwischen den Zähnen die Zahnfleischspitzen (Zahnfleischpapillen). Zwischen der Gingiva und dem Zahn gibt es eine umlaufende Rinne oder Furche, ähnlich einer schmalen aber tiefen Regenrinne (Sulkus gingivalis).
Die normale Tiefe liegt bei 1–2,5mm. Der Sulkus wird laufend mit Flüssigkeit, die aus dem Gewebe kommt, gespült.
Weiter weg vom Sulkus wird das Zahnfleisch dichter, mehrschichtiger und ist durch Fasern mit dem Knochen verbunden (attached gingiva).
Die eigentliche Abdichtung nach unten zum Fasergewebe macht das Saumepithel.
Epithele sind die Deckgewebe aus einer oder mehreren Lagen von Zellen. Mit dieser Konstruktion haben sie eine mechanische Schutzfunktion in Form einer Deckhaut. Zweite wichtige Funktion ist die Eigenschaft, Flüssigkeiten und chemische Stoffe von innen nach außen und von außen nach innen durchzulassen.
Dieses Saumepithel auf der glatten Zahnoberfläche ist eher einer Gummidichtung ähnlich als einem verwachsenen Gewebe und ist das wichtigste Gewebe für das Verständnis einer Parodontitis; sowohl bei der Erkrankung als auch bei der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung.
Stützend um die Zahnwurzel liegt der Kieferknochen mit einer dünnen, kompakten Deckschicht (Knochenkortikalis) und einem schwammartig verzweigten Inneren (Spongiosa). Dieses Innere ist von vielen kleinen Blutgefäßen durchzogen, die eine wichtige Rolle beim Ablauf der Erkrankung spielen.
So sieht Parodontitis aus
Zahnfleisch um den Zahn herum, das in irgendeiner Form krank ist, sieht zuerst einmal fast immer so aus:
Die ganz natürliche blassrosa Farbe geht verloren und wird zum Rot bis Violett.
Die zierlichen Zahnfleischspitzen (Papillen) zwischen den Zähnen werden zu prall gefüllten Kegeln und das ganze Zahnfleisch blutet manchmal schon bei der geringsten Berührung. Bereits das Zähneputzen kann zu einer dramatischen Farbenshow im Waschbecken führen.
Nicht selten kommt ein typischer Mundgeruch dazu, der sich besonders morgens bemerkbar macht und den oft auch schon die Menschen im näheren Umfeld als störend wahrnehmen.
Schmerzen entstehen dabei recht selten.
Dieses Erscheinungsbild nennen die Zahnärzte das klinische Bild. Doch das allein hilft leider bei der Diagnostik noch nicht recht weiter.
Gingivitis
Gingivitis wäre die freundliche und harmlose Variante. Diese ist auch im theoretischen Ansatz noch leicht zu begreifen.
Wir gehen im Modell erstmal von einem vollkommen sauberen Zahn aus. Im Laufe des Tages legt sich immer wieder eine Schicht von Nahrrungsresten und freien Bakterien auf und um den Zahn.
Viel davon wird vom Speichel wieder weggespült und von den Gegenzähnen oder anderer Nahrung weggerieben. In Nischen und Grübchen und auch im Grenzbereich zum Zahnfleisch bleibt eine immer dicker werdende Schicht haften.
Auch hier hilft uns wieder der Speichel. Mit einem Sortiment von aktiven Substanzen wird diese Schicht verdaut. Andere Speichelstoffe wie Lysozym, Laktoferrin und Immunglobulin A wirken antibakteriell. Durch unsere Ernährungsgewohnheiten reicht das leider nicht, um die Zähne dauerhaft relativ sauber und bakterienfrei zu halten.
Wird diese Schicht nicht durch Maßnahmen der Mundpflege entfernt, entwickelt sich in Phasen der bakterielle Biofilm (siehe unten “Biofilm”). Früher sagte man dazu Zahnbelag oder Plaque.
Ein Kontakt des Biofilms mit dem Zahnfleisch an den Papillen, im Sulkus und am Saumepithel führt zu einer Zahnfleischentzündung. Eine völlige Entzündungsfreiheit im Sulkus ist ausgeschlossen.
Wenn diese Entzündung klinisch wahrnehmbar ist heißt sie Gingivitis. Die Abwehr des Körpers funktioniert und verhindert ein tieferes Eindringen von Bakterien und deren Toxine.
Eine Gingivitis ist zum Glück eine lokal begrenzte Entzündung und, egal ob akut oder chronisch, heilt diese bei richtiger Behandlung aus, ohne Spuren zu hinterlassen.
Quantensprung von der Gingivitis zur Parodontitis
Auf dem Weg zur Parodontitis führt kein Weg an der Gingivitis vorbei. Sie ist immer die Vorstufe zur Parodontitis und unterscheidet sich doch immunologisch so grundlegend von ihr.
Eine Parodontitis ist grundsätzlich ein entzündlicher und zerstörender Prozess.
Egal ob akut oder chronisch: immer wird Gewebe abgebaut, das vom Körper nicht wieder repariert werden kann.
Der Übergang von der Gingivitis zur Parodontitis ist nicht automatisch und zwangsläufig, obwohl sich diese irrige Meinung noch hartnäckig hält.
Sorgfältige Diagnostik und Therapie der leicht heilbaren Gingivitis machen das Abrutschen in die zerstörerische Parodontitis meist vermeidbar.
Parodontitis
Einzig entscheidend für den Übergang von der Gingivitis zur Parodontitis sind die Abwehrvorgänge des Immunsystems.
Schauen Sie sich bitte die nachfolgende Schemazeichnung ganz genau an.
Rechts die Gingivitis. Ein der ausgewogene Vorgang zwischen dem bakteriellen Angriff und der Körperabwehr. Die kleinen Krümelmonster sind die Bakterien. Sie leben im Biofilm als Belag auf dem Zahn. Die grünen Helferlein sind die Zellen der Abwehr.
Diese Kette von leukozytären Abwehrzellen stellt die erste Verteidigungslinie der unspezifischen Abwehr. Es sind die Granulozyten (heute in der Literatur meist “PMN, PolyMorphkerniger Neutrophil“). Bei der Gingivitis ist diese Kette intakt. Weder Bakterien noch deren Toxine können tiefer in das Gewebe eindringen. Dieser Zustand könnte theoretisch lebenslang bestehen und es kommt zu keiner Parodontitis!
Wird diese Barriere durchbrochen, kommt es fatalerweise zu einer ganz neuen Szenerie. Das Immunsystem ist außerstande, den Angriff der Bakterien mit ihren Toxinen zu stoppen. Das ist der chaotische Zustand auf der linken Seite. Die Angriffsstoffe der Bakterien können als Keile in das Gewebe eindringen.
Die Parodontitis ist aktiv, der parodontale Zusammenbruch beginnt.
Der Mechanismus heißt jetzt: die Bakterienkolonie (Biofilm) zusammen mit dem leider dem damit verbundenen Zahn muss aus dem Körper entfernt werden, um den gesamten Organismus zu schützen und schlussendlich die Entzündung zu beseitigen.
Die Immunabwehr des Körpers beginnt damit, das Zahnhaltegewebe abzubauen und zu zerstören.