Patasana – Mord am Euphrat - Ahmet Ümit - E-Book

Patasana – Mord am Euphrat E-Book

Ahmet Ümit

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Beschreibung

Ein deutsch-türkisches Archäologenteam macht im Südosten der Türkei einen sensationellen Fund: 2700 Jahre alte Tontafeln aus der Zeit der Hethiter, auf denen die Vernichtung eines ganzen Volkes beschrieben wird. Während der Ausgrabungen erschüttern Morde die Region. Für Esra, die junge Leiterin, sind es Fundamentalisten, die Grabungen an heiligen Orten verhindern wollen. Oder steckt die kurdische Guerilla dahinter? Und was hat der deutsche Archäologe mit den Fällen zu tun? Ahmet Ümits packender Krimi erzählt in zwei parallel verlaufenden Handlungssträngen von Liebe und Verrat, von Licht und Schatten der menschlichen Seele – in Geschichte und Gegenwart.

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Über dieses Buch

Während einer archäologischen Ausgrabung erschüttern Morde die Region im Südosten der Türkei. Ahmet Ümits packender Krimi erzählt in zwei parallel verlaufenden Handlungssträngen von Liebe und Verrat, von Licht und Schatten der menschlichen Seele – in Geschichte und Gegenwart.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Ahmet Ümit (*1960) studierte Verwaltungslehre in Istanbul und schrieb 1983 seine erste Erzählung. Von 1974 bis 1989 beteiligte er sich an Untergrundaktionen. Später arbeitete er in einer Werbeagentur. Er gilt als der Autor, der für die Türkei den Kriminalroman literaturfähig gemacht hat.

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Recai Hallaç, geboren 1962 in Istanbul, absolvierte in Brüssel eine Ausbildung zum Simultandolmetscher. Seit 1990 ist er als Redakteur, Verleger und literarischer Übersetzer in Deutschland tätig.

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Ahmet Ümit

Patasana – Mord am Euphrat

Kriminalroman

Aus dem Türkischen von Recai Hallaç

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Die Originalausgabe erschien 2000 unter dem Titel Patasana bei Doğan Kitapçılık, Istanbul.

Die deutsche Erstausgabe erschien 2009 unter dem Titel Patasana in der Edition Galata im Dağyeli Verlag, Berlin.

Die Veröffentlichung wurde gefördert von TEDA, einem Projekt des Ministeriums für Kultur und Tourismus der Republik Türkei.

Originaltitel: Patasana

© by Ahmet Ümit 2012

© by Kalem Literary Agency

© by Unionsverlag, Zürich 2024

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Ladida

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30842-8

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Version vom 26.07.2024, 19:37h

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Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

PATASANA – MORD AM EUPHRAT

1 – Über der Tiefebene lag Dunkelheit. Doch plötzlich flackerte …Erste Tafel2 – Auf Esras Gesicht lag der Schatten der schmerzenden …Zweite Tafel3 – Die Strahlen der Sonne berührten das dunkle Wasser …Dritte Tafel4 – Die Gendarmeriewache war auf einem der hohen Hügel …Vierte Tafel5 – Der Minibus fuhr, auf dem Asphalt schaukelnd …Fünfte Tafel6 – Nach dem Essen blieb Esra unter der Weinlaube …Sechste Tafel7 – Die Archäologen versammelten sich wie jeden Abend zum …Siebte Tafel8 – Beim Essen dachte Esra unentwegt an das Unheil …Achte Tafel9 – Esra saß unter der Weinlaube und war verstimmt …Neunte Tafel10 – Der nächste Morgen begann für alle früh …Zehnte Tafel11 – Die zwei Soldaten erhoben sich und gingen Esra …Elfte Tafel12 – Esra behielt ihre Angst für sich und sagte …Zwölfte Tafel13 – Wie kann man seine Erfolge feiern, wenn die …Dreizehnte Tafel14 – Es lag niemand neben ihr. Für einen Moment …Vierzehnte Tafel15 – Es war schon längst dunkel geworden, als die …Fünfzehnte Tafel16 – Esra fragte sich, was die Schüsse zu bedeuten …Sechzehnte Tafel17 – Als Esra erwachte, fühlte sie sich wie gerädert …Siebzehnte Tafel18 – Esra und David hatten sich von den beiden …Achtzehnte Tafel19 – Nachdem Esra sich von Kemal verabschiedet hatte …Neunzehnte Tafel20 – Sie lagen auf Eşrefs Doppelbett nackt nebeneinander …Zwanzigste Tafel21 – Der Hauptmann begann zu erzählen. Seine Stimme verriet …Einundzwanzigste Tafel22 – Sie hatten sich auf dem Areal der Bibliothek …Zweiundzwanzigste Tafel23 – Esra wollte einen einwandfreien Text schreiben, nur wusste …Dreiundzwanzigste Tafel24 – Er stand mit dem Rücken zu ihr mitten …Vierundzwanzigste Tafel25 – »Wir müssen Kemal finden«, sagte Esra. Alle waren …Fünfundzwanzigste Tafel26 – Auf der ganzen Fahrt bis zur Stadtverwaltung gingen …Sechsundzwanzigste Tafel27 – Endlich war der ersehnte Tag gekommen. Wie alle …Siebenundzwanzigste Tafel28 – »Wir müssen die Grabung abbrechen«, sagte Teoman flüsternd …Achtundzwanzigste TafelZur Aussprache des Türkischen

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Für Gül

metro

1

Über der Tiefebene lag Dunkelheit. Doch plötzlich flackerte ein Licht auf, phosphoreszierend wie ein Glühwürmchen. Sie lehnte an der steinernen Festungsmauer der antiken Stadt und beobachtete dieses seltsame Glühen. Eine sanfte Brise trug süßen, an Nelken erinnernden Duft von Oleander herbei. Sie schloss die Augen und spürte, wie der Wind ihre Haut streichelte. Auf einmal verschwand die Brise; stattdessen nahm sie aus der Ferne ein Dröhnen wahr. Neugierig öffnete sie die Augen. Das seltsame Geräusch kam von den sich vermehrenden Glühwürmchen: zwei, fünf, acht … Sie vervielfältigten sich so rasch, dass sie nicht mehr mitzählen konnte. Gebannt schaute sie auf die immer näher kommende, immer größer werdende Lichtermenge und lauschte dem in Wellen ansteigenden Dröhnen. Jetzt konnte sie auch Stimmen vernehmen. Obwohl sie die Worte nicht verstand, glaubte sie, eine vertraute Melodie auszumachen. Ein alter, bekannter Refrain: »Allahüekber, Allahüekber … Allah ist erhaben.«

 Plötzlich tauchten aus der Dunkelheit Menschen auf, die Fackeln in den Händen trugen. Im Widerschein des Feuers sah sie die in den Himmel gereckten Fäuste der Männer und ihre grünen flatternden Fahnen. Ihr Körper spannte sich vor Angst an; sie versuchte zurückzuweichen, aber die eingefallenen Stadtmauern ließen sie nicht durch. Die Menge kam immer näher. »Allahüekber, Allahüekber …«

 Das gesamte Volk der Kleinstadt stand versammelt vor ihr. Als seien alle ein einziger Körper, hatten sie ihre Blicke auf sie gerichtet und starrten sie an. Das Licht, das zwischen den Schatten tanzte, zog eine seltsame Maske über die Gesichter dieser Menschen. Ihr Herz schlug so wild, als würde es im nächsten Augenblick ihren Brustkorb durchbrechen und herausspringen. »Allahüekber, Allahüekber …«

 Sie wollte fliehen, konnte sich aber nicht bewegen; es war, als klebte sie an der antiken Mauer fest. Die Menschen näherten sich beharrlich und schrien wie aus einem Munde: »Allahüekber, Allahüekber …«

 Jetzt kann mich nichts mehr retten, dachte sie voller Entsetzen. Jeden Moment könnte ein Stein oder eine Faust ihren Kopf treffen. Sie verbarg ihn unter ihren Armen und Händen und wartete bange auf den ersten Schlag. Doch anstelle des Schmerzes drang aus weiter Ferne ein Rufen an ihr Ohr, so kräftig, dass es den Refrain übertönte. Sie hob den Kopf und suchte in der Finsternis hinter der Menschenmenge diese Stimme, die immer wieder dieselben zwei Wörter rief. Sie wusste, dass sie ihr bekannt waren, verstand aber ihren Sinn nicht und lauschte wie verzaubert. Der Besitzer dieser Stimme blieb hartnäckig. Unermüdlich rief er wieder und wieder die gleichen Worte. Endlich gelang es ihr, zu verstehen: »Esra Hanim … Esra Hanim …«

 Da erhellte sich das Zimmer. Licht floss durch das Fenster in den kleinen Raum einer Grundschule, die noch vor zwei Monaten mit den Kindern des Dorfes gefüllt war. Mit einem Ruck richtete sie sich im Bett auf. Irgendjemand hämmerte wie verrückt an die Tür und wiederholte pausenlos ihren Namen: »Esra Hanim … Esra Hanim …«

 Sie sprang aus dem Bett und rannte zur Tür. Verwirrt machte sie kehrt und blieb abrupt in der Mitte des Zimmers stehen. Sie versuchte, sich zu beruhigen. Da fiel ihr auf, dass sie nur ein T-Shirt anhatte.

 »Einen Moment, ich komme«, rief sie dem Mann draußen zu. Sie griff zu ihrer Leinenhose, die auf einem Stuhl lag. Während sie in die Hose schlüpfte, dachte sie darüber nach, dass sie seine Stimme kannte, konnte ihr aber weder einen Namen noch ein Gesicht zuordnen. Sie öffnete die Tür und blickte in die schüchternen schwarzen Augen des Hauptmanns.

 Hauptmann Eşref stand einen Schritt von der Tür entfernt. Bei seinem Anblick musste Esra unwillkürlich lächeln. Sie mochte keine Uniformen, aber dieser grob gewebte, kakifarbene Stoff schien an Eşref seine Funktion zu verlieren und sah in Esras Augen wie eine ganz normale Kleidung aus. Sie erinnerte sich an die Zeit, als sie in Istanbul die fremdsprachige Schule besucht hatte; damals verachtete sie die Mädchen, die mit den Schülern der Militärschulen ausgingen: »Diese blöden Weiber, die lassen sich doch nur vom Glanz der Uniformen blenden.« Jetzt war sie also auf deren Niveau gesunken. Und obwohl sie außerdem der Ansicht war, dass solche Beziehungen für die Leistung bei Ausgrabungen nicht förderlich seien, hielt sie ihr Interesse an dem groß gewachsenen, schüchternen Hauptmannaufrecht.

 Als sie ihr Staunen überwunden hatte, fragte sich Esra, wie sie wohl gerade aussah. Ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen und ihre Haare in Ordnung zu bringen, hatte sie dem Mann geöffnet. Morgens war ihr Gesicht meistens geschwollen und ihre Augen gerötet. Heute jedoch tat sie sich mit dieser Annahme unrecht. Die zerzausten Haare, die ihr in die Stirn fielen, verliehen ihrem Gesicht einen unschuldigen Ausdruck; ihre großen hellbraunen Augen blickten weich und verträumt.

 Esra hatte eine Schönheit, die sich nicht auf den ersten Blick preisgab; ein feines Gesicht, von dem die Falten sich fernhielten, obwohl sie in ihren Dreißigern war; leuchtende, honigfarbene Augen unter sanft geschwungenen Augenbrauen; Lippen, weder besonders voll noch besonders dünn, die sich zwischen ihrer kleinen Nase und dem zarten Kinn leicht nach rechts neigten und vom Küssen genauso viel verstanden wie vom Sprechen. Wenn sie sprach, zeigte sich die Asymmetrie ihres Mundes deutlicher, aber dieser Fehler gab ihrem ernsten Gesicht einen kindlichen Ausdruck und machte es noch liebenswürdiger. Esra war sich dessen nicht bewusst. Sie empfand sich selbst nicht als besonders schön.

 Hauptmann Eşref begrüßte sie mit einem verlegenen Lächeln.

 »Entschuldigung, ich habe Sie geweckt. Ich habe versucht, Sie auf Ihrem Handy anzurufen, aber es war ausgeschaltet.«

 »Ich schalte es nachts aus. Aber es macht nichts, dass Sie mich früh wecken, wir stehen immer um diese Zeit auf.« Sie bemerkte Eşrefs besorgte Miene. »Aber wie sehen Sie denn aus, ist was passiert?«

 In seinen Augen flackerte es unruhig. Er versuchte, ihr nicht ins Gesicht zu sehen.

 »Haci Settar ist tot.«

 Esra schwankte, als wäre sie geschlagen worden. Sie dachte an Haci Settars weißen Bart, sein strahlendes Gesicht, seine Mütze mit Pompon, die er nie absetzte und die ihm das Aussehen eines aramäischen Geistlichen vor Tausenden von Jahren gab.

 »Er ist wirklich tot?«

 »Ja, er ist heute Morgen gestorben«, sagte der Hauptmann niedergeschlagen. »Er ist vom Minarett heruntergestürzt. Wie jeden Freitag ist er auch heute Morgen hinaufgestiegen, um zum Gebet zu rufen …«

 »In diesem Alter hätte er nicht mehr aufs Minarett steigen dürfen.«

 Der Hauptmann schüttelte traurig den Kopf.

 »Wir gehen nicht davon aus, dass es ein Unfall war. Man hat ihn von dort oben heruntergestoßen.«

 »Sind Sie sicher?«

 »Die Mauern des Umgangs sind sehr hoch; es ist ausgeschlossen, dass er heruntergefallen ist, weil ihm vielleicht schwindlig wurde. Jemand hat Haci Settar umgebracht.«

 »Aber das ist nur eine Vermutung …«

 »Wenn es nur so wäre. Aber Leute, die zum Morgengebet gegangen sind, haben einen Mönch gesehen, der ganz in Schwarz gehüllt war und aus der Moschee geflohen ist …«

 Haci Settar, vom Minarett heruntergestoßen, ein fliehender Mönch in Schwarz … Esra versuchte zu verstehen, was überhaupt geschehen war.

 »Einen Moment, Eşref Bey«, unterbrach sie ihn. »So geht es nicht. Kommen Sie rein, damit Sie mir alles von Anfang an berichten können.«

 Der Hauptmann zeigte sich unentschlossen, aber einen Augenblick später nahm sein Gesicht einen fügsamen Ausdruck an. Er drehte sich zu dem bewaffneten Soldaten um, der ein paar Schritte entfernt neben dem Jeep stand.

 »Warte dort auf mich!«, rief er ihm zu. »Wir werden gleich weiterfahren.«

 Der Soldat nahm Haltung an und brüllte: »Zu Befehl, mein Kommandant!«

 Esra schaute auf den Euphrat, der einige Hundert Meter entfernt in seinem jahrtausendealten Bett still dahinfloss und in der Morgensonne lapislazulifarben leuchtete.

 Als ihr die Unordnung in ihrem Zimmer auffiel, bereute sie, Hauptmann Eşref hereingebeten zu haben, ärgerte sich aber sogleich, diesen Gedanken überhaupt gefasst zu haben. Wo es um einen Tod ging, der vielleicht die ganze Ausgrabung gefährden würde, hatte sie nichts Besseres zu tun, als sich um das Durcheinander im Zimmer zu sorgen. Sie räumte den Stuhl neben dem Tisch frei.

 »Setzen Sie sich doch.«

 Der Hauptmann ließ sich auf einen Stuhl fallen, Esra setzte sich ihm gegenüber. Auf dem Tisch lagen Fotografien der ausgegrabenen Tontafeln. Eşref betrachtete sie interessiert, als würde er die akkadische Schrift darauf entziffern wollen. Aber Esra hatte jetzt nicht die Nerven, seine Neugier zu befriedigen. Mit einer raschen Handbewegung zog sie die Fotos zu sich heran.

 »Sind Sie sicher, dass Haci Settar umgebracht wurde?«

 »Ich fürchte, ja. Die Aussagen der Augenzeugen und unsere Erkundungen vor Ort deuten darauf hin, dass es sich um Mord handelt.« Während er erzählte, ruhte sein schüchterner Blick auf Esra. Diese verängstigte Haltung eines Soldaten, der in der Frontlinie des Krieges in dieser Region gekämpft, an Dutzenden von Schusswechseln teilgenommen, Hunderte von Toten gesehen hatte, überraschte Esra und entmutigte sie. Denn unter den Menschen, denen sie vertrauen konnte, stand Hauptmann Eşref an erster Stelle. Er hatte die Ausgrabungstruppe von Anfang an unterstützt und war ihnen immer zu Hilfe geeilt, wenn sie ihn brauchten. Aber vielleicht irrte sie sich, vielleicht hatte der Hauptmann gar keine Angst, und dieser geheimnisvolle Tod hatte ihn nur für einen Moment durcheinandergebracht und hilflos erscheinen lassen … Sie versuchte, möglichst stark zu wirken.

 »Schauen Sie, Eşref Bey, Sie wissen, wie wichtig diese Angelegenheit für uns ist. Wenn die Nachricht, dass Haci Settar vom Minarett heruntergestoßen wurde, und dazu noch von einem Mönch in Schwarz, sich verbreitet …«

 »Sie verbreitet sich bereits«, unterbrach er resigniert. »Abid, der Vorbeter der Moschee, hat sich sogar neben dem Leichnam aufgebaut und verkündet: Das Schwarze Grab wurde angetastet. Deswegen ist das passiert.«

 Esra bekam eine Gänsehaut. Was ihr damals durch den Kopf ging, als sie zum ersten Mal hergekommen war und das Grab dieses Heiligen gesehen hatte, widerfuhr ihr jetzt wirklich.

 »Völlig absurd! Wie können die so was denken?«

 Der Hauptmann gab keine Antwort. Esra nahm an, dass er dachte: Wenn ihr aufhört zu graben, wird sich alles wieder fügen. Er hatte sogar die Befugnis, die Grabung auszusetzen. Würde er davon Gebrauch machen?

 »Sie müssen die Schuldigen finden.« Sie wusste, dass ihre Stimme lauter als nötig geklungen hatte; sie befürchtete aber, dass Eşrefs Zaudern auch von ihr Besitz ergreifen würde, wenn sie schwieg.

 »Sie müssen die Schuldigen finden«, sagte sie noch einmal mit Nachdruck. »Wenn sie gefunden sind, wird sich zeigen, dass diese Sache nichts mit unserer Ausgrabung zu tun hat.«

 Sie glaubte, ein Leuchten in den erschöpften Augen des Hauptmanns zu erkennen. Vielleicht könnte sie ihn überzeugen.

 »Das ist ein kleiner Ort hier, es dürfte nicht so schwer sein, einen Mörder zu finden.«

 Eşref wich ihrem Blick aus.

 »Falls, wie ich vermute, die separatistische Organisation dahintersteckt, wird es nicht so einfach sein«, sagte er leise.

 »Die Separatisten? Sie meinen also, die hätten Haci Settar umgebracht?«

 »Zweifellos ja. Ich vermute, sie sind in diese Gegend hier geflohen. Um das Dorf Göven herum haben wir alles abgesucht, aber niemanden gefunden. Da habe ich gedacht, wo ich schon mal da bin, komme ich doch kurz bei Ihnen vorbei und sage Bescheid.«

 »Vielen Dank, dass Sie vorbeigekommen sind. Aber diese Sache mit der Organisation erscheint mir nicht besonders logisch. Warum sollten die denn Haci Settar töten wollen?«

 »Um Unruhe zu stiften, Anarchie zu erzeugen, das Vertrauen in den Staat zu erschüttern.«

 »Es gibt doch so vieles, was man benutzen kann, um das Volk anzustacheln; ich glaube nicht, dass die dafür auf einen solchen Mord angewiesen sind.«

 »Sie kennen die Menschen in dieser Region nicht. Ihnen sind die Orte heilig, an denen Sie graben. Das beunruhigt die Leute in der Kleinstadt. Und die Separatisten schrecken nicht davor zurück, jedes Ereignis zu nutzen, das Beunruhigung auslöst. Deswegen haben sie meiner Meinung nach Haci Settar getötet.«

 »Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe das Gefühl, es stecken andere dahinter. Ich denke eher, dass die religiösen Fanatiker Haci Settar umgebracht haben. Sie haben ja selber gesagt, dass der Vorbeter Abid sofort uns dafür verantwortlich gemacht hat. Und wie Sie bereits wissen, erhalte ich auch Drohungen am Telefon.«

 »Wir wissen aber nicht, ob es die Religiösen sind, die Sie bedrohen.«

 »Meiner Meinung nach sind die es. Ich habe sie an ihrer Art zu sprechen erkannt. In jedem Satz fiel das Wort Allah. Und trotz aller Drohungen haben sie mich kein einziges Mal beschimpft.« Sie schwieg für einen Moment, dann fügte sie hinzu: »Wenn Sie sie fassen, wird sich sicher alles klären. Dann gibt es kein Problem mehr zwischen den Leuten und uns.«

 »Doch. Glauben Sie mir, auch wenn wir die Mörder fassen, werden die Menschen in der Kleinstadt weiterhin die Ausgrabung beschuldigen. Sie werden sagen: Bevor man hier gegraben hat, war die Welt in Ordnung. Jetzt sind die hierhergekommen und haben uns unsere Ruhe geraubt.«

 »Das ist doch der Aberglaube von Analphabeten!«, widersprach sie.

 »Analphabeten oder was auch immer, diese Menschen leben so«, entgegnete der Hauptmann.

 »Und was tun wir jetzt?«, fragte sie gereizt. »Sollen wir die Ausgrabung abbrechen?«

 »Ich weiß es nicht, glauben Sie mir, Esra Hanim, ich weiß es wirklich nicht.«

 Seine eingeschüchterte, resignierte Haltung nervte sie jetzt langsam.

 »Schauen Sie, Hauptmann«, sagte sie, das Wort »Hauptmann« besonders betonend. »Es mag sein, dass Sie nicht wissen, was Sie tun sollen, ich aber muss diese Ausgrabung bis zum Ende weiterführen. Wir haben sehr wichtige Erkenntnisse gewonnen. Wegen des Aberglaubens von irgendwelchen Leuten kann ich diese Arbeit nicht abbrechen.«

 »Ein Mensch ist tot …«, sagte er missbilligend.

 »Ebendeswegen dürfen wir die Ausgrabung nicht abbrechen«, fiel ihm Esra ins Wort. »Haci Settar war auf unserer Seite. Er hat immer gesagt, unsere Arbeit sei keine Respektlosigkeit dem Grab des Heiligen gegenüber. Vielleicht hat man ihn deswegen getötet. Wenn wir die Ausgrabung nicht zu Ende führen, werden wir uns vor allem dem Andenken Haci Settars gegenüber als respektlos erweisen. Wir müssen diese Arbeit weiterführen, damit die Mörder ihr Ziel nicht erreichen.«

 Der Hauptmann schwieg und dachte nach. Dann zeigte er auf die Fotos, die vor Esra auf dem Tisch lagen. »Ist es das, was Sie ausgegraben haben?«

 »Ja, das sind die ersten Tafeln, die wir gefunden haben. Sie wurden vor ungefähr 2700 Jahren geschrieben.«

 »Darf ich?«

 Er nahm ein Foto in die Hand und betrachtete die fremdartigen Schriftzeichen.

 »Wer hat das geschrieben?«

 »Die Hethiter, besser gesagt, die späten Hethiter.«

 »Diese späten Hethiter, ist das nicht die Zivilisation, die wir Eti nennen?«

 »Ja, genau. Sie gründeten das erste große Reich in Anatolien. Und obwohl sie indoeuropäischer Abstammung waren, ähneln sie unseren Osmanen; sie kamen auch von außen nach Anatolien. Genauso wie die türkischen Stämme lebten sie ein paar Jahrhunderte lang mit den Völkern in Anatolien zusammen, vermischten sich mit den hier ansässigen Menschen und gründeten ein großes Imperium. Wenn ich groß sage, meine ich das auch wörtlich. Damals war es nach den Ägyptern das zweitgrößte Reich der Erde.«

 »In der Tat sehr groß«, staunte der Hauptmann. »Und was ist das für eine Schrift?«

 »Keilschrift. Eigentlich benutzten die späten Hethiter die Hieroglyphenschrift. Aber der Schreiber hat hier die Keilschrift verwendet, weil sie haltbarer war, und er hat die akkadische Schrift benutzt, weil sie einen größeren Kreis von Menschen erreichte. Akkadisch ist eine Art Englisch von damals; die Schriftsprache, in der sich in Mesopotamien und Anatolien die Völker verständigten.«

 »Und können Sie auch verstehen, was auf den Tafeln steht?«

 »Natürlich. Timothy Hurley, unser amerikanischer Experte für tote Sprachen, hat bereits elf Tafeln entziffert. Wir haben es mit einem höchst interessanten Fund zu tun. Denn diese hier ähneln nicht den Tafeln, die man gewöhnlich findet.«

 Der Hauptmann runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«

 »Normalerweise stehen auf den Tafeln die Vermächtnisse der Könige oder religiöse Schriften, Abkommen zwischen Staaten, Gesetze und Verträge, die das gesellschaftliche Leben ordnen, oder Epen. Aber auf diesen wird eine ganz andere Geschichte erzählt.«

 »Eine Geschichte?«

 »Das Wort Geschichte habe ich so dahergesagt; vielleicht hätte ich sagen sollen: Geständnisse. Denn diese Tafeln wurden nicht von einem König diktiert.«

 »Und wissen Sie auch, wer sie geschrieben hat?«

 »Ja, jemand namens Patasana. Er war der Erste Hofschreiber. Bei den Hethitern bekleidete der Erste Hofschreiber ein sehr wichtiges Amt im Staat. Diese Männer wurden sehr gut ausgebildet und lernten mehrere Sprachen. Sie standen im Dienst des Königs und führten seine Korrespondenz. Ihre eigenen Gefühle und Gedanken hatten dort nichts zu suchen. Aber seltsamerweise hat der Schreiber Patasana hier seine eigenen Erinnerungen aufgeschrieben. Deswegen sind diese Tafeln sehr wichtig. Wir planen, unsere Entdeckung bald der Weltöffentlichkeit mitzuteilen.«

 »Sind sie wirklich so wichtig?«

 »Ich denke schon. Haben sie schon mal vom Gilgamesch-Epos gehört?«

 »Ich habe davon gehört, es aber nicht gelesen.«

 »Das ist eines der ersten niedergeschriebenen Epen der Menschheit. Wir glauben, dass diese Tafeln mindestens genauso bedeutend sind. Wir sind davon überzeugt, das erste Dokument der inoffiziellen Geschichtsschreibung der Menschheit gefunden zu haben. In ein paar Tagen werden wir eine internationale Pressekonferenz geben. Das Deutsche Archäologische Institut hat schon mit der Öffentlichkeitsarbeit begonnen.«

 »Und was hat dieser Mann geschrieben, was so wichtig sein soll?«

 »Wir haben Grund zur Annahme, dass er die Geschichte von der Vernichtung der antiken Stadt erzählt. Aber das ist nicht alles, denn zusammen mit der Geschichte dieser Stadt erzählt er auch seine persönliche Geschichte. Die erste Tafel fängt mit den Worten an: Ich war ein niederträchtiger Schuft, der in Zeiten erbarmungsloser Peiniger lebte.«

 In Gedanken versunken, sah sich der Hauptmann noch eine Weile die Fotos an. Dann stand er auf.

 »Ich muss jetzt gehen.« Er warf einen letzten Blick auf den Tisch, schaute dann Esra an und lächelte bitter: »Er sagt also, ich war ein niederträchtiger Schuft, der in Zeiten erbarmungsloser Peiniger lebte, ja?«

Erste Tafel

Ich war ein niederträchtiger Schuft, der in Zeiten erbarmungsloser Peiniger lebte. Ein Schuft, den die Götter zu einem Feigling gemacht haben. Der kümmerlichste aller Niederträchtigen, der abscheulichste. Ein hinterhältiger Hofschreiber, der sein Herz von würdelosem Schmeicheln, seinen Geist von Feindseligkeit ernährt.

 Ein schuldbeladener Dichter, der nicht mit dem Zauber, den ihm seine wahren Gebieter, der Gott der Stürme des Himmels Teschup, seine Frau, die Sonnengöttin Hepat, und unsere Göttin Kupaba in den Atem einhauchen, Gedichte vor sich hin sprach, wie es sich gebührt, sondern im Interesse der Könige Abkommen schrieb und seine Fähigkeiten verriet.

 Ein scheinheiliger Mann der Zeremonien, der den ehrwürdigen Hass in allen Poren seines Körpers, den tiefen Schmerz im Gesicht über prunkvoller Kleidung, hinter einer Maske härter als Bronze verbarg und dem König von Hatti zu Befehl eilte.

 Der unwürdigste Mann der Erde, der, während die geliebte Frau seiner Liebe wegen starb, es vorzog, vor seinem König in würdevoller Ergebenheit die Arme auf der Brust zu verschränken und stillzuhalten. Eine Schande für die Männer. Der schamloseste aller Wüstlinge, der, anstatt die Erhabenheit des Todes für seine Liebe zu wählen, sich skrupellos hinter dem prachtvollen, auf den Steinmauern des Schlosses wachsenden Schatten seines wertlosen Wesens verschanzte.

 Ich, Patasana, Berater des Königs Pisiris, Erster Hofschreiber des Hethitischen Hofes, das erlauchte Mitglied der großen Versammlung Panku, ich, der tadeligste aller Adeligen.

 Ich, Erster Hofschreiber Patasana, der im Blut der Toten schwimmt, ich, dem die Götter »bis in alle Zeiten wird er Qualen leiden« auf die Stirn geschrieben haben.

 Ich, erbärmlicher Patasana, der mit den Abkommen, mit den Briefen, die er verfasste, das Schicksal seines Landes veränderte und seinem eigenen Schicksal ohnmächtig gegenübersteht.

 Dir, der diese Tafeln finden wird, sage ich:

 Nimm dich in Acht! Damit der Fluch der Götter, der mein Leben von einem blühenden Baum in einen verdorrten Zweig verwandelte, nicht auch dich befällt. Damit sie nicht auch dein Leben wie meines durch Befehle eines erbarmungslosen Königs zur Unglücklichkeit verurteilen.

 Bevor du diese Tafeln liest, gehe zum Tempel. Erweiche das Herz der tausend Götter des Landes Hatti. Bringe meinen und deinen Gebietern, dem Gott der Stürme Teschup, seiner Frau, der Sonnengöttin Hepat, und der Göttin Kupaba wertvolle Gaben, erweise ihnen Achtung. Damit sich zu den Tausenden Menschen, die durch meine Schuld gekreuzigt, enthäutet, ins Feuer geworfen, aus ihrem Land vertrieben wurden, nicht ein weiterer gesellt. Und damit mein Jahre anhaltender Fluch nicht einen weiteren Menschen ins Verderben stürzt.

 Wirst du das alles nicht erfüllen, hüte dich davor, diese Tafeln anzuschauen, zu berühren, zu lesen. Atme nicht die schimmelige Luft dieser steinernen unterirdischen Kammer ein, in der ich sie versteckt habe. Seist du jung, mit so schwungvollen Beinen wie ein Fohlen, oder seist du ein Greis, der kaum noch stehen kann, entferne dich von diesen Gegenden mit aller Kraft. Sprich zu niemandem von diesen Tafeln, nicht einmal deinem Allernächsten, nicht einmal deinem Weib, das du nachts in die Arme schließt. Vielleicht erbarmen sich dann die Götter deiner, vielleicht entkommst du in dieser weisen Stadt diesem unheilvollen, sich auf die glanzvollen Ufer des Euphrat wie eine finstere Mauer niederstürzenden Fluch.

 Du, der Mensch, dessen Antlitz meinen Augen, dessen Stimme meinen Ohren, dessen Name meinem Gedächtnis fremd ist. Ich weiß, wenn du die Kammer unter dem Hofe, diesen geheimen Ort, an dem ich diese Tafeln versteckt habe, betrittst, werde ich schon längst ins Reich der Toten gewandert sein. Ich weiß, auch nach meinem Tod werden mir die Götter nicht verzeihen. Sie werden mir diesen Fluch, der mein Herz versengt, bis in die Unendlichkeit zum Weggefährten geben. Sollen sie es, ich bitte sie nicht um Vergebung. Ich habe es verdient. Mein einziger Wunsch ist, meine Nachkommen würden erfahren, was ich erlebt habe. Dafür habe ich diese Tafeln geschrieben. Damit sie dem Zahn der Zeit, nagender als die Zähne einer hungrigen Ratte, widerstehen mögen, habe ich sie im Feuer gehärtet.

 Ich habe sie in der Kammer unter dem Hofe auf den Regalen, die ich bauen ließ, aufgereiht. Diese Tafeln sind für dich. Diese Tafeln sind für den, der liest.

 Du kannst alles in Zweifel ziehen, aber sei dir versichert, auf diesen Tafeln gibt es keine Lüge. Meine Feigheit und meinen Mut, meine Güte und meine Bösartigkeit, meine Zuversicht und meinen Zweifel, meine Barmherzigkeit und meine Erbarmungslosigkeit, meine Selbstsucht und meine Selbstlosigkeit habe ich unverfälscht in Worte gefasst. Danach habe ich diese Worte auf die Waage meines Geistes gelegt. Ich habe alles getilgt, was fad, was gefälscht, was übertrieben war. Ich habe mir gewünscht, der Mensch, der meine Geständnisse, dieses große Vermächtnis meiner, in die Hand nimmt, möge sich nicht langweilen. Er möge es mit Neugier, in Schmerzen und Zorn in einem Atemzug zu Ende lesen, wie wenn er das Epos des Gottes Telipinu lesen würde. Selbst wenn es mir nicht gegönnt sein sollte, mein Anliegen gebührend vorzutragen, sei dir versichert, unter allem, was ich geschrieben habe, gibt es kein einziges Wort, das nicht Wahrheit ist. Meine unwahren Worte habe ich in die Mauer am Wassertor geritzt, um den König Pisiris zu loben, in Briefen ausgebreitet, um den phrygischen König Midas hinters Licht zu führen, aneinandergereiht, um den urartäischen König Rusa zu verwirren, verschleudert, um den assyrischen König Sargon anzustacheln. Die übertriebenen, geschmückten, gelogenen Worte habe ich benutzt, um diese Könige, die sich mit dem Lob, das sie bekommen, aufblasen, diese Könige mit großen Namen und kümmerlichen Wesen gegeneinander aufzuhetzen. In die Tafeln, die du lesen wirst, fand kein einziges dieser gelogenen Worte Einlass.

 Du, der Fremde, der an meinen Geheimnissen teilhaben wird, bist du ein Adeliger, ein Glaubender, ein Gutherziger oder ein Peiniger, bist du ein Kluger, ein nichtsnutziger Dummer? Ich weiß es nicht. Ich hoffe, du bist ein guter Mensch. Ich hoffe, dein Herz ist voller Liebe und Mut. Ich hoffe, du bist klug genug, um zu verstehen, was du liest, um aus dem Lehren zu ziehen, was du verstehst. Ich hoffe, du erzählst anderen, was du gelesen, und sie dann wieder anderen. Ich hoffe, mein schwarzes Schicksal wird von Ohr zu Ohr geflüstert, in alle Sprachen an den Ufern des Euphrat übersetzt, auf Tafeln geschrieben, von Alten den Jungen erzählt, Kinder wachsen mit diesem Epos auf. Vielleicht werden dann die Menschen klug, vielleicht peinigen sie dann nicht mehr, vielleicht gibt es dann weniger Tote, vielleicht wird weniger Schmerz erlitten.

2

Auf Esras Gesicht lag der Schatten der schmerzenden Nachricht, die sie erhalten hatte. Sie stand vor der Tür und sah dem Jeep des Hauptmanns hinterher, der sich schaukelnd entfernte. Die Sonne stand noch nicht hoch, aber die Hitze hatte sich bereits über der Tiefebene ausgebreitet. In dieser Gegend ging der kühle Morgen so schnell vorbei wie die Dauer eines Frühstücks. Nach der trockenen Kälte der Nacht, die einen frösteln ließ, kam nur kurz eine Frische auf. Wenn die Farbe des Himmels von Schwarz zu Aschgrau und Orange wechselte und die Sonne ihre Nase am Horizont zeigte, wurde es in wenigen Minuten heiß wie in der Hölle. Gärten, die von Nuss- und Pflaumen-, Aprikosen- und Maulbeerbäumen beschattet wurden, Baumwoll- und Maisfelder, deren Grenzen große Steine markierten, Dörfer mit ihren Lehmhäusern, die antike Stadt, die mit ihren robusten Festungstürmen, die der Zeit noch immer widerstanden, ihren eingefallenen Schlössern, Tempeln, Reliefs und unzähligen Geheimnissen den Hethitern über Hunderte von Jahren als Metropole diente – sie alle fingen an zu brennen.

 Um sich vor der Hitze zu schützen, begannen sie vor dem Sonnenaufgang mit der Arbeit, noch bevor der wohlriechende, feine Dunst, der vom Euphrat aufstieg, sich im endlosen Blau des Himmels auflöste. Und bevor der Tag den Mittag berührte, machten sie Pause, bis der Nachmittag vorbei war, die Sonne ihre Wut zügelte und sich zum Horizont zurückzog. Dann kehrten die Archäologen, die noch zu tun hatten, wieder zum Ausgrabungsort zurück. Aber heute war Freitag, das heißt Ruhetag. Die Arbeiter, selbst die am wenigsten religiösen, wollten ihr Freitagsgebet in der Kleinstadt verrichten. Deswegen war der Ruhetag auf den Freitag verlegt worden. Die Grabung war jetzt dem alten Selo, dem ehemaligen Schmuggler, und seiner Selbstspanner-Doppelflinte anvertraut. Das war auch der Grund, warum Hauptmann Eşref Esra im Schlaf überrascht hatte. An einem anderen Tag hätte man sie zu dieser Stunde nur bei der Arbeit antreffen können.

 Als der Jeep des Hauptmanns hinter einer Staubwolke verschwunden war, dachte Esra: Wenn er bloß nicht hergekommen wäre! Wenn er mir bloß diese Nachricht nicht überbracht hätte! Die Dimensionen der Katastrophe, die der Mord an Haci Settar auslösen konnte, wurden ihr immer klarer, je länger sie darüber nachdachte. Jede Einzelheit, die ihr einfiel, deprimierte sie mehr und ließ ihre Hoffnung schwinden. Als hätte Hauptmann Eşref auch Esras Selbstvertrauen mit in den Jeep genommen und würde sich mit ihm davonmachen. Ihre Entschlossenheit, die sie ihm gegenüber eben noch an den Tag gelegt hatte, war auf einmal, wie die Staubwolke hinter dem Jeep, verflogen. Sie fühlte sich hilflos wie ein kleines Mädchen, das in einem fremden Land auf sich selbst gestellt war.

 Eşref hatte recht. Esra kannte die Menschen dieser Gegend nicht wirklich. Sie war zwar in den letzten zehn Jahren jeden Sommer zwei oder drei Monate lang bei Ausgrabungen mit den Menschen unterschiedlicher Regionen in Südostanatolien zusammengekommen, war bei ihnen zu Gast gewesen, hatte sie als Arbeiter eingesetzt, den Frauen bei Entbindungen geholfen, war zu Hochzeiten eingeladen worden. Sie war Zeugin ihres Unwissens geworden, ihrer Freigebigkeit, ihrer Armut, ihrer kleinen Intrigen, ihrer Aufrichtigkeit und ihrer Bereitschaft, einander erbarmungslos zu vernichten. Aber es war ihr nicht gelungen, das Geheimnis der hartnäckigen Schweigsamkeit, die auf ihren dunklen, von der Sonne schonungslos verbrannten Gesichtern nie fehlte, zu lüften. Was sie, Frauen wie Männer, Alte wie Junge hinter dieser etwas unterwürfigen Stille, die sie wie eine eiserne Maske auf ihrem Gesicht trugen, verbargen, hatte sie nicht herausgefunden. Ihre Art, das Leben zu betrachten, die wahren Gründe ihres Verhaltens und ihre Denkstrukturen hatte sie in diesen zehn Jahren nicht begriffen. Obwohl sie mit ihnen im gleichen Land lebte, waren sie für Esra immer noch Fremde, deren Reaktionen sie nicht einschätzen konnte. Diese Ungewissheit war auch die eigentliche Ursache ihres wachsenden Unbehagens, seitdem Probleme mit dem Schwarzen Grab aufgekommen waren. Als die Angelegenheit dank der entschlossenen Haltung von Hauptmann Eşref und der beschwichtigenden Vermittlung von Haci Settar friedlich gelöst werden konnte, hatten sich ihre Sorgen einigermaßen gelegt. Aber jetzt, mit der Nachricht von Haci Settars Tod, regte sich dieses Unbehagen in ihr stärker als früher. Und dummerweise musste sie immer an die schlimmsten Möglichkeiten denken. Schreckliche Szenen spielten sich vor ihren Augen ab, von einem Aufstand der Bauern wie in ihrem nächtlichen Albtraum, die für die Ereignisse die Archäologen verantwortlich machten und das blutige Hemd von Haci Settar in ihren Händen, »Allah ist erhaben« auf ihren Lippen, die Ausgrabungsstätte steinigten, bis hin zu der Vorstellung, sie würden alle Mitglieder des Teams gefangen nehmen und in den Kellergewölben des antiken Schlosses unterhalb des Schwarzen Grabes bei lebendigem Leibe begraben. Wie um die schlimmen Bilder zu verjagen, fuhr sie mit der rechten Hand durch die Luft und murmelte vor sich hin: »Ich muss mich beruhigen, ich muss mich beruhigen!« Dann fiel ihr ein, dass jemand sehen könnte, wie sie derart wunderliche Gesten machte und mit sich selbst sprach, und eilte hinein. Aber kaum war sie in ihrem Zimmer, bereute sie es auch schon wieder. Warum erzählte sie ihren Kollegen nicht von dem Vorfall? Wenn eine Entscheidung getroffen werden musste, sollten sie sie alle gemeinsam treffen. Das würde sie auch davor bewahren, die Verantwortung ganz allein zu tragen. Der Gedanke hatte etwas Beruhigendes, aber eine innere Stimme sagte ihr, das sei falsch. Sie war die Leiterin der Ausgrabung, deswegen musste sie, Esra Beyhan, die Entscheidung treffen. Aber auch der verantwortliche Archäologe konnte eine Aussetzung der Grabung beschließen. Anders als die Leiterin hatte er die Funktion eines autorisierten Beobachters, der vor Ort die staatliche Kompetenz repräsentierte. Zu seinen Aufgaben gehörte die Auflistung der Funde und die Aufsicht über die ausländischen Archäologen. Und er durfte im Falle einer negativen Entwicklung die Ausgrabung auch abbrechen. Zum Glück war diesmal Kemal verantwortlicher Archäologe, was übrigens kein Zufall war. Kemal arbeitete im Archäologischen Museum in Istanbul. Bei der letzten Ausgrabung hatte er die Fotografin Elif kennengelernt, und zwischen beiden war eine große Liebe entflammt. Um bei dieser Ausgrabung mit ihr zusammen sein zu können, hatte er, auch mithilfe einflussreicher Personen im Ministerium, diese Aufgabe übernommen. Es kam Esra gelegen, dass ein alter Freund wie Kemal, mit dem sie in Harmonie zusammenarbeiten konnte und der sich nicht in ihre Arbeit einmischen würde, für die Ausgrabung zuständig war. Was wäre wohl geschehen, wenn statt Kemal einer der üblichen bürokratischen Archäologen da gewesen wäre? Wahrscheinlich hätte dieser die Ausgrabung sofort abgebrochen. Aber war es denn richtig, sie nicht zu beenden? Ein Mensch war ermordet worden; nicht nur die Zukunft der Grabung war in Gefahr, sondern vielleicht sogar das Leben der Mitarbeiter. Es war also nur richtig, dass sie sich an der Entscheidung beteiligen durften. Aber musste sie nicht als Leiterin ihren Kollegen die verschiedenen Alternativen präsentieren, damit sie sich entscheiden konnten? Andererseits könnte es auch als Schwäche ausgelegt werden, wenn sie die Entscheidung anderen überließ, und das könnte die Kollegen an ihrer Kompetenz zweifeln lassen …

 Während sie noch unentschlossen in der Mitte des Zimmers herumstand, fiel ihr Blick auf die Zigarettenschachtel, die auf dem kleinen Beistelltisch am Kopfende des Bettes lag. Hastig nahm sie eine Zigarette heraus. Als sie sie an die Lippen führte, fiel ihr das Zittern ihrer Hände auf. In diesem Augenblick wurde ihr klar, wie sehr sie all diese Gedanken, die wirr in ihrem Kopf herumflogen, dieses verzweifelte Herumstehen in der Mitte des Zimmers und das Zittern ihrer Hände verabscheute. Sie schleuderte die Zigarette zurück auf den Tisch, als wäre sie für den ganzen Schlamassel verantwortlich. Was sie brauchte, war keine Zigarette. Sie musste sich sammeln; falls sie in Panik geraten sollte, würde diese erste Ausgrabung, die sie leitete, in einem Fiasko enden. Ihr Scheitern würde nicht nur ihre Karriere an der Universität beeinträchtigen, sondern auch von ihr geschätzte Persönlichkeiten wie Professorin Behice Hanim und einen Kollegen wie Professor Krencker, den Leiter der Istanbuler Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, der sie immer unterstützt hatte, enttäuschen. Und was sollte sie Elif, Teoman und Kemal sagen? Sie hatten mehr als zwei Jahre mit ihr dieses Projekt vorbereitet. Monatelanger Schriftwechsel, die ganzen Bemühungen, Geldgeber zu finden und Kontakte mit ausländischen Archäologen zu knüpfen. Und wie sollte sie den Ausländern in der Gruppe die Situation erklären? Sollte sie Timothy und Bernd gegenübertreten und ihnen sagen, tut mir leid, wegen eines dummen Aberglaubens lassen wir die Arbeit, gerade in einem Moment, in dem wir wahrscheinlich die ersten Dokumente der inoffiziellen Geschichtsschreibung der Menschheit gefunden haben, ruhen? Timothy, der schon mit allen Wassern gewaschen war, könnte ihr vielleicht recht geben. Aber Bernd, der sich von Anfang an bemüht hatte, Grabungsleiter zu werden, dieses Ziel aber nicht erreicht hatte und Esra nicht leiden konnte, würde er sich nicht über sie lustig machen? Würde er nicht dem Deutschen Archäologischen Institut berichten, die von der Universität Istanbul erwählte Grabungsleiterin habe alles vermasselt? Nein, nein … Sie durfte die Ausgrabung nicht abbrechen. Sie musste sich besinnen und tun, was zu tun war. Die Mitglieder der Gruppe sollten in so einem kritischen Moment eine selbstbewusste Leiterin vor sich haben. Sonst wären alle Bemühungen umsonst. Als Erstes musste sie das verlorene Selbstbewusstsein wiedererlangen oder wenigstens zu der Ruhe wiederfinden, die sie gestern vor dem Schlafengehen noch gehabt hatte …

 Esra fiel ein, dass sie nicht einmal ihr Gesicht gewaschen hatte. Entschlossen ging sie hinaus in den kleinen Garten und lief zu dem Wasserhahn unter der Weinlaube. Das Wasser hatte die nächtliche Kälte aufgenommen und war eisig. Sie machte sich nichts daraus, klatschte das Wasser ins Gesicht, kühlte sich hinter den Ohren und am Hals ab. Leider half es nicht. Weder verschwand die unheilvolle Unruhe, die in ihr immer weiter wuchs, noch wurden die Fragen, die in ihrem Kopf hämmerten, weniger. »Dir gehts gut, dir gehts gut«, murmelte sie und nickte zustimmend. Dabei wusste sie, dass es ihr nicht gut ging. Ihr war klar, dass ihr Zustand an ihrem Gesicht abzulesen war und dass sie wie jemand wirkte, der gleich losheulen würde. Sie kehrte ins Zimmer zurück. Ohne sich weiter zu wehren, nahm sie die weggeworfene Zigarette und presste sie zwischen die Lippen. Sie zündete sie hastig an, schloss die Augen und inhalierte tief. Bitterer Tabakgeruch füllte den Raum. Als sie die Augen einen Spaltbreit öffnete, sah sie den aschgrauen Rauch zur Decke aufsteigen. Sie nahm noch ein paar Züge, als wäre der Rauch sonst vergeudet. Sie betrachtete wieder ihre Hände; sie zitterten zwar noch, aber sie fühlte sich etwas besser. Sie setzte sich auf den Stuhl, von dem vorhin der Hauptmann aufgestanden war, und dachte nach.

 Haci Settar musste getötet worden sein, um die Archäologen aus der Region zu vertreiben. Ihr fiel der groß gewachsene Fayat mit dem schütteren Bart und den blauen Augen ein, der in der Kleinstadt als Laufbursche für den Korankurs arbeitete. Fayat war der Sohn der Schwester von Haci Settar, ähnelte aber seinem Onkel nicht im Geringsten. Im Sommer wie im Winter lief er mit seinem grünen Turban auf dem Kopf, dem braunen Talar auf dem Rücken und einem Stab in der Hand herum. Sosehr Haci Settar der Ausgrabungstruppe nahestand, so distanziert war Fayat ihnen gegenüber. Immer, wenn sie sich begegneten, verzog er das Gesicht, als hätte er den Teufel in Person gesehen. In der zweiten Woche war er den ganzen Weg von der Kleinstadt bis hierher gelaufen, um die Archäologen zu warnen. Dieser Tag ging Esra nicht aus dem Kopf.

 Ihr Stellvertreter Teoman, der verantwortliche Archäologe Kemal, die Fotografin der Ausgrabung Elif und der Student Murat hatten unter der Weinlaube Tee getrunken und die Fotos betrachtet, die vor zwei Tagen gemacht worden waren. In diesem Augenblick war Fayat gekommen. Wie ein Geist war er aus der Hitze aufgetaucht und hatte sich vor ihnen aufgebaut. Er hatte reglos unter der Sonne gestanden und seine blauen, hasserfüllten Augen auf sie geheftet. Eine Zeit lang hatte er die unter der Weinlaube Versammelten wortlos, mit wildem Blick betrachtet, als wären sie Außerirdische. Auch sie hatten diesen seltsamen Fremden angestarrt, ratlos darüber, was er von ihnen wollte. Esras Blick war auf den staubbedeckten Plastikschuhen und den dünnen, dunklen Fußknöcheln Fayats haften geblieben, die sich unter der schwarzen Bauernhose zeigten. Diese mageren Knöchel, die den Eindruck erweckten, als würden sie jeden Moment durchbrechen, standen in einem seltsamen Widerspruch zu seinen kraftvoll blickenden Augen. Esra hatte die Anspannung nicht weiter ausgehalten und Fayat gesagt, er solle nicht in der Sonne stehen bleiben, sondern zu ihnen unter die Laube kommen. In ihrer Stimme war keine Spur von Missbilligung, sie war freundlich gewesen.

 Aber Fayats Lippen hatten sich leicht verzogen, und in einem schlechten Türkisch mit kurdischem Akzent hatte er vorwurfsvoll verkündet, es sei eine schwere Sünde, in der Nähe des Schwarzen Grabes zu graben, großes Unheil würde über sie kommen, wenn sie davon nicht lassen sollten. Während sie sich ratlos, was sie diesem seltsamen Mann antworten sollten, gegenseitig anschauten, war Halaf, ihr Koch und Fahrer, der gerade mit dem Abwaschen des Mittagsgeschirrs in der Küche beschäftigt gewesen war, in seiner Schürze herausgestürzt, hatte »Wem glaubst du hier zu drohen, Kerl!« geschrien und Fayat am Kragen gepackt. Bis Esra und ihre Kollegen dazwischengehen konnten, hatte er ihm bereits zwei saftige Ohrfeigen verpasst und ihn zu Boden geworfen. Ehe Fayat von dem stattlichen Teoman und dem flinken Murat gerettet wurde, hatte ihn Halaf ordentlich verprügelt. Fayats Lippen waren aufgeplatzt, das herausrinnende Blut hatte seine Zähne rot gefärbt. Er hatte die Hand, die Teoman zur Hilfe ausgestreckt hatte, abgewiesen und war aus eigener Kraft aufgestanden. Als er seine staubbedeckte Bauernhose sauber klopfte, hatte er mit hasserfüllter Stimme gesagt: »Gott soll euch alle verdammen! Wartet nur ab, Gott, der Erhabene, wird euch alle bestrafen!«

 Dann war er in der Hitze verschwunden, aus der er aufgetaucht war. Kaum war Fayat gegangen, hatte Esra Halaf zu sich gerufen und ihm eingeschärft, seine Aufgabe sei es, zu kochen, er solle sich in diese Angelegenheiten nicht einmischen. Halaf war es nur darum gegangen, die Archäologen in Schutz zu nehmen, deswegen war er von Esras Kritik überrascht und enttäuscht gewesen, hatte es aber nicht versäumt, sich zu entschuldigen.

 Dieser Vorfall hatte Esra sehr nachdenklich gemacht. Aber sie hatte dem Hauptmann nichts davon erzählt. Sie wollte die Angelegenheit nicht aufbauschen, indem sie die Gendarmerie mit einbezog. Stattdessen hatte sie mit Haci Settar gesprochen. Als er von Fayats Verhalten erfahren hatte, war Haci Settar vor Zorn außer Rand und Band gewesen; noch am gleichen Abend hatte er Fayat aufgesucht und ihm die Ohren lang gezogen. Seitdem war das Ausgrabungsteam von Fayat nicht mehr belästigt worden, aber jedes Mal, wenn sie sich begegneten, hatte er das Gesicht verzogen wie beim Anblickvon Kot.

 Ob Fayat der Mörder war? Nein, das glaubte sie nicht. Fayat mochte die Archäologen hassen, aber seinen Onkel Haci Settar achtete er sehr. Es hieß, er habe seine erste religiöse Unterweisung von ihm bekommen. Aber was, wenn Fayat auch fanatische Lehrer haben sollte, die es ins Auge gefasst hatten, zu sterben oder umgebracht zu werden? Sogar Abid, der Vorbeter der Moschee, hatte sogleich vom Fluch der Ausgrabung gesprochen. Man erzählte von konspirativen Aktivitäten der radikalen Organisation Hizbullah, die vor allem in den Gebieten mit hohem kurdischen Bevölkerungsanteil tätig war. Vielleicht hatten diese Leute Haci Settar getötet, weil er die Archäologen unterstützte? Warum nicht? Zwar war Haci Settar bei jedem beliebt und hatte großen Einfluss, aber vielleicht hatten sie ihn aus genau diesem Grunde umgebracht, weil sie ihn als Hindernis betrachteten, ihre konservativen Ansichten unter dem Volk zu verbreiten. Dann könnten sie nämlich mit den gottlosen Archäologen schneller abrechnen. Es würde auch leichter sein, die Bewohner der Kleinstadt zu beeinflussen, wenn Haci Settar nicht mehr existierte.

 Die Archäologen hatten ihre Hände gegen das heilige Schwarze Grab ausgestreckt, dem sich die Menschen anvertrauten, dessen Hilfe sie erbaten, wenn sie krank wurden, keine Kinder bekamen, ihre Töchter nicht verheiraten konnten. Sie hatten das Grab des Heiligen geöffnet, das den Leuten diesseits wie jenseits eine Hilfe war. Dass sie es als einen Angriff auf ihren Glauben betrachteten, als Gotteslästerung, wie Fayat es ausdrückte, war nur verständlich. Und jetzt, wo Haci Settar tot war, würde niemand die religiösen Eiferer daran hindern können, das Volk aufzuwiegeln, so wie es heute Morgen der Vorbeter Abid getan hatte.

 Doch andererseits war in dieser Region seit Jahren kein religiös motivierter Mord verübt worden. Auch wenn die Menschen etwas ablehnten, weil es nicht ihrem Glauben entsprach, und selbst, wenn sie Drohungen aussprachen, hatten sie deswegen nie jemanden umgebracht. Aber möglicherweise irrte sie sich auch, vielleicht waren es nicht die religiösen Fanatiker. Gut, aber wer sonst würde denn Haci Settar töten wollen?

 Während ihr Blick über die Fotografien der Tafeln auf dem Tisch wanderte, ging ihr ein Licht auf. »Schatzsucher«, sagte sie sich. Natürlich, Schatzsucher! Warum hatte sie nicht daran gedacht? Sie konnten hinter dem Schatz her sein, den Pisiris, der letzte hethitische König der Stadt, vor den Assyrern versteckt haben soll. Sie würden dafür morden, ohne sich die Mühe zu machen, herauszufinden, ob ein solcher Schatz existierte oder nicht. Als sie gesehen hatten, dass hier ein Ausgrabungsteam die Arbeit aufgenommen hatte, mussten sie an die Existenz des Schatzes mehr denn je geglaubt haben. Wer waren wohl diese Menschen, die dermaßen brutal und schlau sein konnten? Sie hatte Memili den Einarmigen vor Augen, der erwischt worden war, als er aus dem Königstor herausgeschnittene Reliefs verkaufte. Nein, Memili konnte es nicht sein. Es war völlig absurd, anzunehmen, dass dieser kleinwüchsige verkümmerte Mann, der hinter ihrem Rücken wetterte, jedoch immer, wenn er sie traf, sich schmierig anbiederte, ein so umfangreiches Komplott einschließlich eines Mordes schmieden könnte. Aber sonst fiel ihr niemand ein.

 Der Hauptmann hatte gesagt, ein schwarz gekleideter Mönch hätte Haci Settar heruntergestoßen. Der Mörder musste sich in Schwarz gehüllt haben, um nicht erkannt zu werden. Vielleicht wollte er dadurch den Zusammenhang des Mordes mit dem Schwarzen Grab deutlich machen. So würde das Volk an einen Fluch glauben und auf die Beendigung der Ausgrabung drängen. Und das würde sowohl den Fanatikern als auch den Schatzsuchern nützen. Aber wer, verdammt noch mal, hatte den armen Haci Settar auf dem Gewissen?

Zweite Tafel

Ich, Verantwortlicher aller Morde, Verdächtiger aller Verbrechen, Mörder und Opfer zugleich. Ich armseliger Untertan, den die tausend Götter von Hatti verdammt haben. Ich gewesener Dichter, ich unheilvoller Liebhaber, ich Erster Schmeichler und Henker des Königs, ich, der Schreiber Patasana, der verraten hat das Brot, das er gegessen, das Wasser, das er getrunken, die Luft, die er geatmet, den Boden, auf dem er gelebt.

 Dir, der diese Tafeln lesen wird, sage ich:

 Ich wünsche, der fluchgeladene Schatten der Götter bleibe dir fern, ich wünsche, du habest ein Leben süß wie der Honig, lang wie der Euphrat.

 Ich habe ein schönes Leben gehabt in vergangenen Zeiten. Für viele Menschen im hethitischen Lande war die Familie Patasana vom Glück begünstigt. Meine Vorfahren und ihre Ahnen wurden weder versklavt, noch waren sie gewöhnliche Menschen. Sie haben immer am Hofe gelebt. Seit der Zeit des großen heldenhaften Königs Suppiluliuma, inzwischen eine Gottheit, sind sie Hofschreiber gewesen. Auch nachdem unser großes Land in kleine Königreiche aufgeteilt wurde durch die Angriffe der Barbaren, die vor Hunderten von Jahren mit Schiffen über das Meer und mit Ochsenkarren über Land gekommen, haben meine Ahnen weiter ihren Beruf ausgeübt. Denn Könige brauchen gut ausgebildete, der staatlichen Regeln kundige Menschen wie uns. So, wie der Königstitel durch Blutsbande vom Vater auf den Sohn übergeht, so wurde auch in unserer Familie das Amt des Schreibers vom Vater auf den Sohn übertragen. Ich habe also diesen Beruf nicht selbst erwählt, den Beruf des Hofschreibers habe ich durch Blut von meinem Vater geerbt wie einen unheilvollen Bruder.

 Von meinen Ahnen den Schreibern kenne ich nur meinen Großvater Mitannuva und meinen Vater Araras. Und mehr als meinen Vater Araras liebte ich meinen Großvater Mitannuva. Er war mir nicht nur ein Großvater; er war mein Lehrer, mein Freund, er war der Mann, der Patasana zu Patasana gemacht hat. Sosehr mein Vater ein kühler strenger Mann war, so sehr war mein Großvater Mitannuva ein warmherziger Mensch voller Lebensfreude. Allein die Vorstellung, zwei Menschen von solch gegensätzlicher Natur seien Vater und Sohn, mutet seltsam an. Was mich betrifft, so bin ich meinem Großvater wie auch meinem Vater ähnlich. Meine Gefühle sind nach meinem Großvater geraten, mein Verstand nach meinem Vater. Weißt du, wie schrecklich das ist? Was mein Herz mir gebietet, will mein Verstand mir verbieten. Was meinem Verstand edel, ist meinem Herzen würdelose Schmeichelei; was meinem Herzen richtig erscheint, ist für meinen Verstand Verbrechen. Eine Seite von mir ist launenhaft und beschwingt wie der Frühlingswind, die andere streng und hartherzig wie die Kälte des Winters. Die eine Seite lauscht den Stimmen, die aus meinem Inneren kommen, die andere Seite dem, was ich gelernt habe, was ich weiß.

 Ich habe über viele Jahre zwei Menschen in mir getragen, die in die gleiche Richtung gesehen und dort Unterschiedliches erblickt haben, ich habe versucht, die Wünsche von zwei Menschen gleichzeitig zu erfüllen. Zu meinem Verdruss konnte ich weder zu dem einen noch zu dem anderen werden. Ich habe immerfort zwischen ihnen geschwankt. Wäre es mir gelungen, ich hätte mich auf der Stelle von meinem Vater befreit und wäre ganz so geworden wie mein Großvater. Aber das war mir nicht vergönnt. Die Götter hatten mir nun einmal gesagt: »Du wirst diese beiden Menschen gleichzeitig in dir tragen.« Ich konnte dem nicht widersprechen, auch wenn ich es wünschte. Deshalb habe ich versucht, sie miteinander zu versöhnen. Das ein oder andere Mal glaubte ich, Erfolg zu haben, am Ende jedoch musste ich immer meinen Irrtum erkennen.

 Wenn mein Großvater auf den Euphrat blickte, sah er im Glanz des Wassers das Geheimnis der Freude in uns, mein Vater sah im Euphrat die Kraft, die uns unseren Feinden überlegen machte; er sah dort Oliven, Kichererbsen, Weizen, Aprikosen und Weintrauben. Wurde mein Großvater gefragt: »Was ist der Euphrat?«, so antwortete er: »Am Tag ist er das Licht, das in die Augen der Geliebten fällt. Und nachts ist er das gelöste schwarze Haar der Geliebten.« Würde mein Vater gefragt werden, könnte es nur eine Antwort geben: »Ein ergiebiges Wasser, das man dem Feind nicht überlassen darf, das ist der Euphrat.«

3

Die Strahlen der Sonne berührten das dunkle Wasser des Euphrat. Am Flussufer wurden alte Nussbäume, Heilpflanzen, junge Feigenbäume und giftige Kräuter sichtbar; zahme und wilde Tiere begannen, sich zu regen; in den Dörfern erwachten die Menschen und erhoben sich von ihren Nachtlagern.

 Entschlossen verließ Esra ihr Zimmer. Sie wollte mit ihren Kollegen sprechen, bevor sie wieder in Panik geriet, zauderte und noch mehr Zeit verlor. Als sie aus der Tür trat, wurde sie von gleißendem Licht geblendet. Sie merkte, dass sie ihren Strohhut, der sonst nie auf ihrem Kopf fehlte, nicht aufgesetzt hatte, ging aber nicht zurück, um ihn zu holen, sondern schritt auf die Klassenzimmer im vorderen Teil der Schule zu.

 Teoman, Kemal und Murat übernachteten in dem großen Klassenraum, wo auch die Computer standen. Eigentlich hatte Kemal mit seiner Freundin Elif ein Zimmer teilen wollen, aber weil Esra gemeint hatte, das würde sich im Hinblick auf die hiesigen Sitten nicht ziemen, und Elif diese Ansicht unterstützte, musste er mit seinen Kollegen vorliebnehmen. Elif bewohnte die kleine Kammer neben ihnen. Bernd hatte sich im Klassenzimmer direkt gegenüber niedergelassen und Timothy den hellen Raum mit dem Fenster zum Gartengewählt.

 Esra wollte zuerst mit ihren türkischen Kollegen sprechen. Als verantwortlicher Archäologe, auch wenn diese Verantwortung nur auf dem Papier zu bestehen schien, hatte Kemal ein Recht darauf, über die Lage informiert zu werden. Nachdem sie untereinander darüber diskutiert hätten, würde sie Timothy Hurley und Bernd Burns Bescheid geben. Aber gerade, als sie am Schulgebäude um die Ecke bog, tauchte Timothy vor ihr auf. Er trug eine schwarze Hose aus feinem Stoff, ähnlich einer Pumphose, und darüber ein ausgeblichenes T-Shirt. Obwohl er einundfünfzig war, sah er ziemlich fit aus.

 »Guten Morgen«, sagte er in einem fast akzentfreien Türkisch. In der rechten Hand hielt er einen dünnen Ast, an dem mehrere Fische aufgespießt waren. Er hob den Ast hoch und zeigte Esra die Fische: »Sapit ist der leckerste Fisch des Euphrat. Geschenk der Fischer in Antep …«

 Esra schaute die Fische mit ihren in der Sonne rot glitzernden Schuppen desinteressiert an. Timothy entging ihr unruhiger Gesichtsausdruck nicht. Während er den Zweig mit den Fischen sinken ließ, fragte er besorgt: »Was ist los, ist was passiert?«

 Der Klang seiner Stimme war so freundlich, so herzlich, dass Esra ihren Entschluss vergaß.

 »Haci Settar ist getötet worden.«

 Timothys große, schwarze, samtene Augen weiteten sich vor Staunen.

 »Getötet?«

 »Ja. Wir müssen uns gleich versammeln und darüber sprechen. Kannst du bitte Bernd wecken? Ich wecke die anderen.«

 Timothy stellte keine weiteren Fragen und folgte ihr.

 Sie hatten den großen Klassenraum, in dem Teoman und die anderen Kollegen wohnten, als Versammlungsort gewählt. Vier Schulbänke standen in der Mitte des Raums und dienten als Computertische. Einige Bänke hatten sie an der Fensterseite zusammengerückt und daraus drei Betten mit ein paar Metern Abstand zueinander gemacht.

 Nachdem sie alle zusammengetrommelt hatten, mussten sie nur noch auf Bernd warten, der eine Viertelstunde später auftauchte. Er sei mit dem Fahrrad am Euphrat gewesen, entschuldigte er sich.

 »Warum sind wir uns dann nicht begegnet?«, fragte Timothy.

 »Das ist normal«, erwiderte Bernd. »Der Euphrat ist ein langer Fluss.«

 Timothy führte das Thema nicht weiter aus. Als auch von den anderen in der Gruppe keine Fragen kamen, erklärte Esra, bemüht, die Fassung zu bewahren, Haci Settar sei ermordet worden. Niemand wollte es glauben, alle stellten unzählige Fragen. Als sie endlich überzeugt waren, dass es stimmte, überkam sie große Traurigkeit. Es gab keinen unter ihnen, der Haci Settar nicht gemocht hatte. Der alte Mann hatte es geschafft, alle Herzen zu erobern. In der Stille, die im Klassenzimmer entstand, ergriff Teoman als Erster das Wort: »Vielleicht hatte Haci Settar einen Herzinfarkt und ist von selbst heruntergestürzt.«

 »Es könnte auch eine alte Blutfehde sein«, meinte Kemal.

 »Der Haci hatte doch keinen einzigen Feind«, widersprach Murat. »Wer könnte ihn töten wollen?«

 »Murat hat recht«, unterstützte ihn Elif. »In der ganzen Region habe ich niemanden getroffen, der ihn nicht mochte.«

 Esra wollte gerade sagen, dieser Mord sei verübt worden, um die Ausgrabung zu verhindern, da kam Halaf herein. Der junge Koch hatte durch die offene Tür das Gespräch mit angehört. Er vergaß, dass er gekommen war, um zu fragen, ob er das Frühstück vorbereiten solle. »Zerbrecht euch nicht unnötig den Kopf«, sagte er stattdessen, »ich weiß, wer ihn getötet hat.«

 Alle Augenpaare richteten sich auf Halaf. Was sagte er da? Er wich einen Schritt zurück, als er so viele Blicke auf sich gerichtet sah. Er musste an Esras Reaktion denken, als er Fayat verprügelt hatte.

 »Verzeihen Sie, Esra Hanim«, entschuldigte er sich. »Ich habe Ihr Gespräch gehört, und da ist es mir so herausgerutscht.«

 »Woher weißt du, dass Haci Settar getötet wurde?«, fragte Esra streng.

 »Während Hauptmann Eşref drinnen mit Ihnen gesprochen hat, hat es mir der Soldat am Jeep erzählt.«

 »Weiß der Soldat, wer Haci Settar getötet hat?«

 »Nein, der Soldat weiß es nicht, aber ich.«

 »Woher weißt du es?«, fragte Esra erstaunt.

 »Der Mörder hat es gesagt«, antwortete Halaf. In seinem Gesicht lag die Unschuld eines Kindes, das die Bedeutung seiner Worte nicht erfassen konnte.

 Kemal war der Ansicht, dass der Koch spann.

 »Soll das etwa heißen«, fragte er mit einem spöttischen Lächeln, »der Mörder hat den Mord verübt, dann ist er zu dir gekommen und hat alles erzählt?«

 Halaf guckte ihn entnervt an. Mit dieser Bohnenstange aus Istanbul würde er wohl nie warm werden.

 »Wo gibts denn so was?«, entgegnete er. »Natürlich hat er es vorher erzählt.«

 Murat, der Jüngste und Ungeduldigste in der Gruppe, fragte aufgeregt: »Wer ist denn nun der Mörder?«

 »Sehmuz. Der Sohn des Onkels von Rojin.«

 Esra wurde nervös, weil Halaf so bruchstückhaft erzählte: »Und wer ist Rojin?«

 »Rojin ist die letzte Frau von Haci Settar.«

 Esra sah eine lächelnde, vollschlanke junge Frau mit roten Ornamenten auf den Händen und tätowierten Schläfen vor sich. Sie waren sich begegnet, als Haci Settar sie eingeladen hatte. Rojin könnte fast die Enkelin des alten Mannes sein. Hätte Haci Settar nicht gesagt: »Und das ist meine dritte Frau«, wären sie nie darauf gekommen, dass dieses junge Mädchen seine Frau war. Seltsamerweise wirkte das Mädchen ganz und gar nicht unglücklich. Während die beiden anderen Frauen auf dem Boden die Tafel deckten, hatte Rojin mit großer Hingabe unglaublich leckere Çigköfte, rohe Hackfleischklößchen, für sie geknetet.

 »Sehmuz ist in Rojin verliebt. Aber sein Onkel hat das Mädchen nicht ihm, sondern Haci Settar gegeben.«

 Esras Ärger legte sich, ihre Stimme klang ruhiger: »Woher weißt du das alles?«

 »Unterwegs zwischen Antep und hier bin ich ein paar Mal mit deren Minibus mitgefahren. Sehmuz hat es erzählt.«

 »Fährt Sehmuz Minibus?«

 »Er ist Gehilfe in dem Minibus von Memili. Sie erzählens mir zwar nicht, aber sie machen auch andere dreckige Geschäfte. Er hat ständig Fragen über die Ausgrabung gestellt. ›Hat man Gold gefunden? Gibt es einen Schatz?‹, solches Zeug eben. Letztes Jahr war er im Knast, weil er Gras in seinem Garten gezüchtet hat.«

 »Gras?«, fragte Esra.

 »Haschisch«, erklärte Timothy, »der indische Hanf, den kennen Sie doch.«

 Bernd lachte leise über Timothys Worte. Auch Murat grinste verstohlen. Esra sah ihn tadelnd an, der angehende Archäologe schaute weg. Eigentlich war sie nicht Murat böse, sondern Bernd, weil er gelacht hatte.

 »Ja, Haschisch«, fuhr Halaf fort. »Egal nach welchem Dreck Sie suchen, Sie finden ihn bei diesem Kerl. Wenn Sie mich fragen, hat bestimmt dieser Saukerl von Sehmuz Haci Settar getötet.«

 »Was hat dir Sehmuz genau gesagt?«, mischte sich dieses Mal Elif ein. Halaf wurde rot, als er den Blick ihrer moosgrünen Augen auf sich spürte. Ohne sich zu trauen, das Mädchen anzusehen, antwortete er: »Er sagte immer wieder: Bei der ersten Gelegenheit jage ich diesen alten Popen in die Hölle.«

 »Interessant«, meinte Esra. Sie war erleichtert. Wenn diese Annahme stimmte, war die Ausgrabung nicht in Gefahr. Vielleicht war es Memili, der Sehmuz angestachelt hatte. So könnte Sehmuz die geliebte Frau bekommen, und gleichzeitig würde sich das Gerücht vom Fluch über die Ausgrabung verbreiten. »Wirklich interessant«, murmelte sie erneut. In ihren hellbraunen Augen glänzte kaum merklich ein Hoffnungsschimmer.

 »Das müssen wir dem Hauptmann erzählen«, sagte sie zu ihren Kollegen.

 »Du hast recht«, pflichtete Teoman ihr bei. »Sie sollen Sehmuz gleich festnehmen.«