Patrologie, Band 2 - Otto Bardenhewer - E-Book

Patrologie, Band 2 E-Book

Otto Bardenhewer

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Beschreibung

Nach einer längeren Einleitung, welche sich in drei Abschnitten über Begriff und Aufgabe, über die Geschichte und über die Literatur der Patriſtik verbreitet, von der lezteren indes an diesem Ort nur Sammelwerke berührend , die entweder das gesamte Gebiet der Patrologie oder doch einen größeren Abschnitt derselben umspannen, gliedert der Verfasser den reichen Inhalt dieses umfassenden Werkes in drei Zeiträume, von denen der erste bis zum beginnenden vierten, der zweite bis zum halben fünften Jahrhundert, der dritte endlich bis zum Ende der patristischen Zeit überhaupt herabreicht, ein Ende, das Bardenhewer für die griechischen Väter hergebrachtermaßen mit Johannes von Damaskus , für die Lateiner aber nicht wie gewöhnlich mit Gregor d . Gr ., sondern mit dem wenig jüngeren Zeitgenossen Isidor von Sevilla eintreten läßt. Innerhalb der gedachten drei Perioden werden stets zuerst die griechischen, dann die lateinischen Väter abgehandelt, zwischen beide Gruppen in der zweiten Periode die syrischen Väter um Ephrem, in der dritten und letzten die Armenier eingeschoben. Bardenhewers Werk und seine unglaubliche Vielfalt und akribisch recherchierten Literaturhinweise zählen bis heute zu den umfassendsten und detailreichsten patristischen Enzylopädien.

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Patrologie

 

Band 2

 

OTTO BARDENHEWER

 

 

 

 

 

 

 

Patrologie Band 2, Otto Bardenhewer

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849680884

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

§57. Johannes Chrysostomus.1

§ 58. Synesius von Kyrene.31

§ 59. Cyrillus von Alexandrien.34

§ 60. Theodoret von Cyrus.45

§ 61. Andere Schriftsteller der  ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts.51

Zweiter Teil. Syrische Schriftsteller.59

§ 62. Vorbemerkung.59

§ 63. Aphraates.61

§ 64. Ephräm der Syrer.64

§ 65. Spätere Schriftsteller.71

Dritter Teil. Lateinische Schriftsteller.75

§ 66. Allgemeine Übersicht.75

§ 67. Firmicus Maternus.80

§ 68. Hilarius von Poitiers.82

§ 69. Andere Bekämpfer des Arianismus.93

§ 70. Dichter und Geschichtsschreiber.100

§ 71. Schismen und Häresien; Verteidiger und Bekämpfer derselben.108

§ 72. Ambrosius.114

§ 73. Prudentius und Paulinus.130

§ 74. Sulpicius Severus und Tyrannius Rufinus.139

§ 75. Hieronymus.145

§ 76. Augustinus.166

§ 77. Freunde und Schüler des hl. Augustinus.206

§ 78. Gallische Schriftsteller.214

§ 79. Papst Leo der Große und  andere italische Schriftsteller.221

Dritter Zeitraum. Von der Mitte des fünften Jahrhunderts bis zum Ende der patristischen Zeit.228

Erster Teil. Griechische Schriftsteller.228

§ 80. Allgemeine Übersicht.228

§ 81. Schriftsteller der zweiten  Hälfte des 5. Jahrhunderts.231

§ 82. Prokopius von Gaza und Aeneas von Gaza.235

§ 83. Leontius von Byzanz und Kaiser Justinian.238

§ 84. Historiker und Geographen.246

§ 85. Heiligenbiographen.252

§ 86. Dichter.257

§ 87. Exegeten, Kanonisten und Asketiker.265

§ 88. Dogmatiker und Polemiker.270

§ 89. Johannes von Damaskus.278

Zweiter Teil. Armenische Schriftsteller.286

§ 90. Skizze der altkirchlichen Literatur der Armenier.286

Dritter Teil. Lateinische Schriftsteller.294

§ 91. Allgemeine Übersicht.294

§ 92. Faustus von Reji.298

§ 93. Andere gallische Schriftsteller.306

§ 94. Irische, spanische und  afrikanische Schriftsteller.315

§ 95. Italische Schriftsteller.324

§ 96. Boethius und Cassiodor.332

§ 97. Schriftsteller im Dreikapitelstreit.343

§ 98. Gregor von Tours und Venantius Fortunatus.348

§ 99. Papst Gregor der Große.357

§ 100. Martin von Bracara und Isidor von Sevilla.366

 

§57. Johannes Chrysostomus.

 

1. Leben des hl. Chrysostomus bis zu seiner Priesterweihe. Johannes mit dem Beinamen Chrysostomus (Goldmund) wurde wahrscheinlich 344, vielleicht erst 347, zu Antiochien geboren. Seine Wiege umgab Glanz und Reichtum (vgl. seine Schrift De sacerdotio II, 8: Migne, P. gr. XLVIII, 639); doch ward der Vater Secundus ihm schon sehr frühe durch den Tod entrissen (f. ibid. I, 5: XLVIII, 624; vgl. auch Ad viduam iun. c. 2: XLVIII, 601), und seine Erziehung fiel der frommen Mutter Anthusa zu. Weitere Ausbildung suchte und fand Chrysostomus bei dem Philosophen Andragathius sowie namentlich bei dem Rhetor Libanius, dem berühmten Verteidiger des untergehenden Heidentums. Als unzertrennlichen Freund hatte er einen gewissen Basilius zur Seite: „Wir befleißigten uns", schreibt er selbst (De sacerd. I, 1: XLVIII, 623), „derselben Wissenschaften und hatten auch dieselben Lehrer. Auch unsere Hingebung und Begeisterung für die Studien, welche wir betrieben, war eine und dieselbe, unser Trachten war das gleiche und durch dieselben Gründe bedingt. Denn nicht allein zur Zeit, da wir die Schule besuchten, sondern auch als wir die Schule verlassen hatten und uns schlüssig machen mussten, welchen Lebensweg wir nun einschlagen sollten, auch da zeigte sich die Übereinstimmung unserer Gesinnung." Eigene Neigung und des Freundes Vorgang bestimmten Chrysostomus, dem Theater und dem Forum Lebewohl zu sagen und in stiller Zurückgezogenheit sich dem Gebet und dem Studium der Heiligen Schrift zu widmen. Der Patriarch Meletius von Antiochien führte ihn tiefer in die christliche Lehre ein und erteilte ihm um 369 die nach damaliger Gewohnheit in ein reiferes Alter verschobene Taufe. Auch Diodor, der spätere Bischof von Tarsus, und Karterius sind seine Lehrer gewesen. Er hatte den Entschluss gefasst, das väterliche Haus zu verlassen und mit Basilius sich in die Einsamkeit zu flüchten, gab jedoch auf Bitten der Mutter, sie nicht zum zweiten Mal zur Witwe zu machen, diese Absicht auf, führte aber in möglichster Abgeschlossenheit ein streng asketisches Leben (vgl. De sacerd. I, 4—6). Es muss um 373 gewesen sein, als die beiden Freunde ihres tugendhaften Lebenswandels willen zu Bischöfen begehrt wurden. Basilius konnte erst, nachdem er, wie er wenigstens glaubte, von Chrysostomus die Zusicherung gemeinschaftlichen Handelns erhalten hatte, zur Annahme der Weihe bewogen werden man identifiziert ihn deshalb meistens mit dem Bischofe Basilius von Raphaneia, welcher 381 dem Konzile zu Konstantinopel anwohnte und unter den syrischen Bischöfen an letzter Stelle unterschrieb (f. Mansi, SS. Conc. Coll. III, 568); Chrysostomus hingegen, von Misstrauen gegen sich selbst erfüllt, meinte sich durch die Flucht der Weihe entziehen zu sollen. Zur Rechtfertigung dieses Schrittes gegenüber dem schmerzlich getäuschten Freunde schrieb er die herrlichen sechs Bücher vom Priestertum (s. Abs. 8). Das Ziel seiner Wünsche blieb ein allem hindernden Verkehre mit der Welt entrücktes Einsiedlerleben. Nachdem die Mutter, wie es scheint, gestorben, brachte er im Gebirge bei Antiochien vier Jahre in der Gesellschaft und unter der Leitung eines greisen Mönches und sodann zwei weitere Jahre allein in einer Höhle zu, asketischen Übungen obliegend und immer tiefer in das Buch der Bücher sich versenkend (s. Palladius, Dial. de vita S. Ioan. Chrys. c. 5: XLVII, 18). Sein zarter und schwächlicher Körper war indessen einer solchen Lebensweise nicht gewachsen; Krankheit zwang ihn schließlich zur Rückkehr nach Antiochien.

2. Chrysostomus Prediger zu Antiochien. Im Jahre 381 ward Chrysostomus von Meletius zum Diakon und zu Beginn des Jahres 386 von Flavian, dem Nachfolger des Meletius, zum Priester geweiht. Flavian schenkte ihm ein besonderes Vertrauen, ließ ihn kaum von seiner Seite und bestellte ihn schon sehr bald zum Prediger an der Hauptkirche der Stadt. In dieser Eigenschaft wirkte Chrysostomus länger als ein Jahrzehnt mit ebenso glühendem Eifer wie durchschlagendem Erfolg. Die berühmtesten seiner Homilien stammen aus den Jahren 387-397. Antiochien lauschte seinem Worte mit Begeisterung und Bewunderung; auch in die Ferne drang sein Ruhm.

3. Chrysostomus Patriarch von Konstantinopel. Chrysostomus und Eutropius. Am 27. September 397 starb der Patriarch Nektarius von Konstantinopel, und auf den Vorschlag des Kaisers Arkadius ward Chrysostomus von Klerus und Volk zu seinem Nachfolger erwählt. Mit List und Gewalt wurde der Erwählte von Antiochien nach Konstantinopel verbracht. Theophilus, der Patriarch von Alexandrien, erhob vergeblich gegen die bereits vollzogene Wahl Einspruch; er musste selbst am 26. Februar 398 dem antiochenischen Presbyter die Hände auflegen. Der letztere erblickte auch fürderhin seine Aufgabe vor allem darin, durch sein lebendiges Wort die Herde zu weiden. Zugleich eröffnete er unverweilt einen heiligen Kampf gegen die vielfachen Missstände, welche unter dem Klerus der Hauptstadt bzw. des Patriarchats Eingang gefunden hatten. Bei Hofe fanden seine Bemühungen anfangs bereitwillige Unterstützung; aber schon sehr bald sollte hier eine feindliche Stimmung gegen ihn die Oberhand gewinnen. Der schwache und beschränkte Kaiser, welcher stets das Bedürfnis empfand, von anderen geleitet zu werden, stand damals unter der vollendeten Herrschaft des Eunuchen Eutropius, und dieser missbrauchte seinen Einfluss zu rücksichtsloser Befriedigung einer ganz unersättlichen Habgier. Chrysostomus war der einzige, welcher den Mut besaß, dem allvermögenden Günstling entgegenzutreten; seine Mahnworte erfreuten sich keiner günstigen Aufnahme, seine Strafandrohungen wurden in kürzester Frist zur Wirklichkeit. Die Angaben über die Ursache des Sturzes Eutrops lauten verschieden. Zu Anfang des Jahres 399 sah sich der Gewaltige, um nur dem Tode zu entgehen, genötigt, das Asylrecht der Kirche in Anspruch zu nehmen, dasselbe Recht, welches er kurz zuvor durch den Kaiser hatte aufheben lassen, weil es sich ihm bei der Verfolgung seiner eigenen Opfer hinderlich erwiesen. Es wäre wohl auch sofort um ihn geschehen gewesen, wenn nicht Chrysostomus, wie früher gegen ihn, so jetzt zu seinen Gunsten die durch Jahrhunderte geheiligte Institution in Schutz genommen hätte.

4. Chrysostomus und Eudoria. Nach dem Sturze Eutrops nahm die Kaiserin Eudoxia mehr und mehr die Zügel der Regierung in die Hand, und zwischen dem Hofe und dem Patriarchen kam es zu größerem Kampf und Streit. Der Ausbruch der Feindschaft ist sehr wahrscheinlich auf die beståndigen Intrigen einiger höher gestellten Geistlichen zurückzuführen, welche kaum ein Mittel unversucht ließen, die Augusta gegen Chrysostomus einzunehmen und aufzuhetzen. Zu Anfang des Jahres 401 musste Chrysostomus dem Erzbischofe Johannes von Cäsarea und dem Bischofe Porphyrius von Gaza erklären, er könne ihre Wünsche nicht vor dem Kaiser vertreten, und alle Beziehungen zwischen ihm und dem Hofe seien abgebrochen, weil er die Kaiserin durch ernste Vorstellungen wegen unrechtmäßiger Aneignung fremden Besitztums in Zorn versetzt habe (s. Markus Diaconus, Vita S. Porphyrii episc. Gaz. c. 37). Im folgenden Jahre trat wegen der origenistischen Mönche der nitrischen Wüste, welche Theophilus nicht bloß aus ihrer Heimat vertrieb, sondern auch in der Ferne mit seinem Hasse verfolgte, während Chrysostomus sie zu Konstantinopel allerdings mit Vorsicht, aber doch voll Liebe aufnahm, ein sehr gereiztes Verhältnis zwischen den beiden Patriarchen ein. Für eine kurze Zeit gewann es den Anschein, als ob die Sache jener Mönche einen nicht für Chrysostomus, sondern für Theophilus gefährlichen, ja ganz verzweifelten Verlauf nehmen würde. Theophilus ward durch kaiserliches Reskript in die Hauptstadt berufen, um einer Synode unter dem Vorsitz des Chrysostomus über sein Vorgehen gegen die nitrischen Mönche Rechenschaft abzulegen. Diesem Befehl wurde indes kein Nachdruck gegeben, und nur zu bald schlug die Lage der Dinge in das Gegenteil um. Es ist früher bereits (§ 54, 1) angedeutet worden, wie Theophilus die Teilnahme, welche Chrysostomus den origenistischen Mönchen entgegenbrachte, zu benutzen wusste, um den übergroßen Eifer des hl. Epiphanius gegen ihn entbrennen zu lassen. Epiphanius hatte Konstantinopel wohl kaum verlassen, als Chrysostomus eine (leider nicht auf uns gekommene) Predigt gegen den Luxus und die Putzsucht der Frauen hielt, welche von gewisser Seite als speziell gegen die Person der Kaiserin gerichtet gedeutet wurde: letztere fühlte sich so tief verlegt, dass sie keinen Anstand nahm, selbst an Theophilus zu schreiben, er möge seine Ankunft in der Hauptstadt beschleunigen, um daselbst eine Synode zur Absetzung des Chrysostomus zu veranstalten. Gegen Anfang August 403 traf Theophilus in Chalcedon ein. Etwa fünfundzwanzig Suffragane, welche unbedingt der Weisung ihres Metropoliten folgten, hatten ihn begleitet; mehrere Suffragane von Konstantinopel, welche ihrem Metropoliten aus irgendeinem Grunde feindlich gesinnt waren, beeilten sich, ihm Hilfe zu bringen. So konnten sechsunddreißig Bischöfe auf einem Landgute bei Chalcedon, Eiche genannt, zu einer Synode (Eichensynode) zusammentreten, welche die Angelegenheit der ägyptischen Mönche in einer allem Rechte Hohn sprechenden Weise beiseiteschob und sodann eine lange Reihe von Anklagen gegen Chrysostomus aufstellte, Anklagen, welche es nicht verdienen, angeführt zu werden (s. Photius, Bibl. cod. 59: Migne, P. gr. CIII, 105 ad 113). Der Angeklagte, welcher zu derselben Zeit vierzig Bischöfe zu einer Synode um sich vereinigt hatte, ging so weit, sich bereit zu erklären, der Vorladung vor die Eichensynode Folge zu geben, wenn nur vier Bischöfe, welche er nicht als seine Richter gelten lassen könne, weil sie sich offen als seine Feinde bekannt, vor allen Theophilus, aus der Versammlung ausschieden. Das Konziliabulum jedoch erklärte ihn deshalb, weil er nicht erschien, für abgesetzt und gab eine Anklage auf Majestätsbeleidigung, welche zu untersuchen ihm nicht zustehe, dem Befinden des Kaisers anheim. Nach Palladius (Dial. de vita S. Ioan. Chrys. c. 8: XLVII, 30) lautete diese Anklage des näheren dahin, Chrysostomus habe die Kaiserin eine Jezabel genannt (vgl. Offb. 2, 20). Wiewohl ein Beweis sich nicht erbringen ließ, bestätigte der Kaiser das Absetzungsdekret der Eichensynode und sprach zugleich die Strafe der Verbannung über Chrysostomus aus. Das Volk, welches mit unbegrenzter Liebe und Verehrung an seinem Oberhirten hing, befand sich in fieberhafter Aufregung. Chrysostomus suchte dasselbe durch eine prachtvolle Rede über die Unüberwindlichkeit der Kirche und die Untrennbarkeit von Haupt und Gliedern (LII, 427*—430) zu beruhigen, und am dritten Tage nach seiner Verurteilung stellte er sich aus freien Stücken der weltlichen Gewalt zur Verfügung und ward ins Exil geführt. Die Aufregung des Volkes nahm einen immer bedrohlicheren Umfang an, und als überdies in der folgenden Nacht Konstantinopel von einem heftigen Erdbeben heimgesucht wurde, geriet Eudoxia in Angst und Schrecken, verlangte vom Kaiser die sofortige Zurückberufung des Verbannten und richtete selbst ein flehentliches Schreiben an denselben, worin sie ihre Unschuld an seinem Blute beteuert und Gott zum Zeugen ihrer Tränen anruft (f. Chrys., Hom. post reditum n. 4: LII, 445). Die alsbald ausgesandten Boten trafen Chrysostomus bei Prenetum in Bithynien. Als er endlich auf dem Bosporus heranfuhr, tönte ihm unbeschreiblicher Jubel entgegen. Er zögerte indessen, den Boden der Hauptstadt zu betreten und seine bischöfliche Amtstätigkeit wieder aufzunehmen; er verlangte, dass zuvor eine größere Synode über das Geschehene erkenne und die Anklagen der Eichensynode gegen ihn untersuche; vielleicht hat er es zwar nicht für seine Pflicht, wohl aber für das Klügere gehalten, den Kanones (4 und 12) der antiochenischen Synode vom Jahre 341 Rechnung zu tragen, laut welchen ein von einer Synode abgesetzter Bischof, der seinen Stuhl wieder besteigt, ohne durch eine größere Synode restituiert zu sein, für immer abgesetzt bleiben soll (s. Mansi, SS. Conc. Coll. II, 1309. 1313; vgl. Hefele, Konziliengesch. (2. Aufl.) I, 514. 517). Die Ungeduld des Volkes trug über des Bischofs Vorsicht den Sieg davon; durch liebevolle Gewalt ward Chrysostomus genötigt, sofort wieder in seine Kathedrale zurückzukehren, und diese Rückkehr gestaltete sich zu einem glänzenden Triumphzuge; auch die Kaiserin beeilte sich, ihm beteuern zu lassen, ihr Gebet sei erfüllt, ihr Verlangen befriedigt (Chrys., Hom. post red. n. 4: LII, 446), und am folgenden Tage spendete Chrysostomus auf der Kanzel der Kaiserin die höchsten Lobsprüche (ibid. n. 3-4).

5. Fortsetzung und Schluss der Chrysostomus-Tragödie. - Der Friede sollte nicht von langer Dauer sein. Nach etwa zwei Monaten, noch im Herbst 403, ward zu Konstantinopel in unmittelbarer Nähe der Kathedrale ein Standbild der Kaiserin errichtet, und die Einweihung desselben ward nach dem herkömmlichen Zeremoniell mehrere Tage hindurch mit Spielen, Tänzen und sonstigen lärmenden Lustbarkeiten gefeiert. Dass in diesem Falle die Ausgelassenheit der Feier besonders weit ging, ließ sich umso weniger rechtfertigen, als der Gottesdienst in der Kathedrale dadurch in der empfindlichsten Weise gestört wurde. Chrysostomus forderte den Stadtpräfekten auf, dem Treiben vor der Kirche Einhalt zu tun. Dieser aber trug der Kaiserin vor, der Patriarch habe sich darüber beschwert, dass der Statue der Augusta von Seiten des Volkes Ehrenbezeigungen erwiesen würden, und Eudoxia fühlte sich wiederum an ihrer schwächsten Seite getroffen, und wie es scheint, fasste sie sofort den Plan, sich des unerschrockenen Sittenpredigers zu entledigen und zu diesem Ende sich von neuem an Theophilus zu wenden. Sokrates (Hist. eccl. VI, 18: LXVII, 717), und nach ihm auch Sozomenus (Hist. eccl. VIII, 20: LXVII, 1568), berichtet, als Chrysostomus erfahren, dass Eudoxia wieder zum Äußersten schreiten wolle, habe er sich auch zum Äußersten hinreißen lassen, indem er am Feste der Enthauptung Johannes' des Täufers seine Predigt mit den Worten begonnen: „Wiederum raft Herodias, wiederum tobt sie, wiederum tanzt sie [?], wiederum verlangt sie das Haupt des Johannes [der Redner selbst heißt Johannes!] auf einer Schüssel zu erhalten.“ Der Richtigkeit dieser Angabe stehen jedoch sehr gewichtige Bedenken entgegen. Vermutlich ist dieselbe lediglich der Hom. in decollat. S. Ioan. Bapt. (LIX, 485-490) entnommen, welche allerdings mit den bezeichneten Worten anhebt, aber anerkanntermaßen nicht ein Werk des hl. Chrysostomus, vielmehr sehr wahrscheinlich von gegnerischer Seite unter seinem Namen gefälscht und als seine Predigt der Kaiserin unterbreitet worden ist. Das Vorhaben der letzteren gedieh zur Reife. Theophilus konnte sich nicht entschließen, noch einmal persönlich nach Konstantinopel zu kommen; durch Abgesandte erteilte er die Weisung, einfach die bereits beregten antiochenischen Kanones gegen Chrysostomus geltend zu machen. War schon die Legitimität und Verbindlichkeit dieser Kanones nicht allgemein zugestanden, so musste die Anwendung derselben auf Chrysostomus notwendig von allen denjenigen als unzulässig bestritten werden, welche dem Urteil der Eichensynode keine Rechtskraft zuerkennen konnten. Allein im Orient pflegte damals schon vor dem Willen des Kaisers oder der Kaiserin sich alles Recht zu beugen, und die Chrysostomus-Tragödie, wie der hl. Isidor von Pelusium sich einmal ausdrückt (Ep. I, 152: LXXVIII, 284-285), liefert recht beschämende Belege für die Tatsache, dass es Bischöfe waren, welche dem byzantinischen Absolutismus und Cäsaropapismus mehr und mehr die Wege ebneten. Einer Aufforderung des Kaisers, seine kirchlichen Funktionen einzustellen, erklärte Chrysostomus nicht gehorchen zu dürfen; er ward deshalb in seiner Wohnung interniert, und als er am Karsamstage des Jahres 404 sich gleichwohl in seine Kathedrale begab, um die Taufe der Katechumenen, welche er im voraufgegangenen Jahre mit seinem Worte genährt hatte, selbst vorzunehmen, drang bei einbrechender Nacht bewaffnete Macht in die Kirche ein, trieb die hier Versammelten mit roher Gewalt auseinander - das Taufwasser wurde mit Blut gefärbt, auch das Allerheiligste ward nicht geschont, und als die Geflüchteten sich anderswo zusammenfanden, um die begonnene heilige Handlung zu Ende zu führen, wurde das Werk der Gewalt erneuert und noch größere Grausamkeit verübt. Wenige Tage nach dem Pfingstfeste 404 ließ der Kaiser, von den Häuptern der Gegenpartei fort und fort gedrängt, Chrysostomus den gemessenen Befehl zugehen, die Hauptstadt zu verlassen. Um einem Aufstande des Volkes vorzubeugen, überlieferte er sich am 20. Juni heimlich den Händen derjenigen, welche ihn in die Verbannung geleiteten. Zu Nicäa, wo die Reise einige Tage unterbrochen wurde, erfuhr er, dass Kukusus in Kleinarmenien, „die ödeste Örtlichkeit der ganzen bewohnten Erde“ (Chrysost. Ep. 234; cf. 194. 235: LII, 739; cf. 720. 740), ihm zum Aufenthaltsort angewiesen worden. Je weiter man sich von der Meeresküste entfernte, um so unwirtlicher ward die Gegend, umso größer die Beschwerlichkeiten, um so zahlreicher die Entbehrungen; sein ohnehin „so schwacher und spinnenartiger" Körper (Chrysost., Ep. 4 ad Olymp. n. 4: LII, 594-595) wurde durch Fieber und Magenleiden allmählich aufgerieben; von Seiten der Bischöfe mehrerer Städte, über welche sein Weg führte, erfuhr er eine Behandlung, die ihn später schreiben ließ: "Ich fürchte niemanden so sehr als die Bischöfe, wenige ausgenommen" (Ep. 14 ad Olymp. n. 4: LII, 617). Nach einer Reise von 70 Tagen langte er zu Kukusus an, und hier fand er liebreiche Aufnahme und sorgsame Pflege. Inzwischen war zu Konstantinopel gegen die Freunde und Anhänger des Verbannten, Johanniten genannt, eine Verfolgung eröffnet worden, welche in ihrer Heftigkeit an die Tage Neros und Domitians erinnerte, und welche bald auch über die nächstgelegenen Provinzen, ja über das ganze Reich ausgedehnt wurde. Den Johanniten ward eine Feuersbrunst zur Last gelegt, durch welche unmittelbar nach der Wegführung des Patriarchen die Kathedrale (Sophienkirche) nebst dem zugehörigen Gebäudekomplex sowie auch der anstoßende prachtvolle Senatspalast vernichtet worden waren. Die gerichtliche Untersuchung führte zu keinem Resultat, und die Entstehung des Brandes ist überhaupt niemals aufgeklärt worden. Sofort nach des Chrysostomus Vertreibung wurde von gegnerischer Seite Arsacius, ein Bruder des verstorbenen Patriarchen Nektarius, und nach dessen bereits am 11. November 405 erfolgten Tode Atticus auf den Patriarchenstuhl erhoben. Die weitaus größere Mehrzahl der Johanniten aber konnte durch Gewaltmaßregeln aller Art nicht vermocht werden, Arsacius oder Atticus als Oberhirten anzuerkennen und auf gesonderte gottesdienstliche Zusammenfünfte zu verzichten. Außerordentliche Naturerscheinungen, in welchen sich der Finger Gottes zu offenbaren schien, dienten der Auffassung der Johanniten zur Bekräftigung. Eudoria war schon wenige Monate nach dem Triumph über ihren Feind in der Blüte der Jahre gestorben. Papst Innozenz I., welchen beide Parteien anriefen, trat alsbald auf die Seite des hl. Chrysostomus, ohne jedoch das Band der Gemeinschaft mit Theophilus zu lösen. Aber die von Innozenz als gerechte Richterin in Aussicht genommene ökumenische Synode kam nie zustande, die auf Bitten des Papstes erfolgte Intervention des abendländischen Kaisers Honorius ward von seinem Bruder Arkadius bzw. von dessen Ratgebern in der verlegendsten Weise zurückgewiesen; das ganze Abendland hob die Kirchengemeinschaft mit Atticus und seinen Freunden auf. Aus dem Streit zwischen Eudoxia und Chrysostomus war ein Schisma zwischen Orient und Okzident geworden. Über Chrysostomus ging unterdessen eine Zeit der Trübsal hin; die Kälte des Winters sowohl wie die Hitze des Sommers zu Kukusus brachte ihm neue Krankheiten; die Einfälle der isaurischen Räuberhorden zwangen wiederholt die gesamte Einwohnerschaft von Kukusus zu unstetem Umherirren in Schluchten und Wäldern. Aber Leiden konnten Chrysostomus nicht brechen; er blieb auch mit seiner Gemeinde zu Konstantinopel sowohl wie noch mehr mit seinen Freunden in dem weit näher gelegenen Antiochien durch häufigen Besuch und ausgedehnten Briefwechsel in regster Verbindung; ja er widmete auch den Missionsstationen, welche er unter den Goten sowie in Kilikien und Phönizien gegründet hatte, unermüdete Fürsorge. Seine Feinde indessen ruhten nicht. Laut seinem Biographen (Pallad., Dial. c. 11: XLVII, 37) konnten sie es nicht ertragen, zu sehen, wie die antiochenische Kirche nach Armenien pilgerte und von dorther wiederum der antiochenischen Kirche des Johannes liebliche Philosophie ertönte". Auf ihr Betreiben wies der Kaiser dem Verbannten Pityus, eine Stadt am östlichen Ufer des Schwarzen Meeres, in wildester Gegend mitten unter Barbaren gelegen, als neuen Aufenthaltsort an. Etwa Ende Juni 407 musste Chrysostomus den Weg nach Pityus antreten; am 14. September erlag er zu Comana in Pontus den Mühseligkeiten des Marsches; seine letzten Worte waren der ihm geläufige Wahlspruch „Ehre sei Gott für alles“ und ein letztes Amen (Pallad., Dial. c. 11: XLVII, 38). Nur unter der Bedingung, dass der Name des Verstorbenen in die Diptychen eingetragen würde, gewährte der Papst Atticus und seinen Freunden Wiederaufnahme in die Kirchengemeinschaft. Der letzte Rest der Johanniten soll erst versöhnt worden sein, als zu Beginn des Jahres 438 die irdischen Überbleibsel des Heiligen nach Konstantinopel gebracht und in der Apostelkirche daselbst beigesetzt wurden. Kaiser Theodosius II., Eudorias Sohn, ging dem Sarge entgegen, neigte sich über denselben und legte Fürbitte für seine Eltern ein, indem er für sie, die aus Unwissenheit gesündigt, um Verzeihung flehte“ (Theodor., Hist. eccl. V, 36: LXXXII, 1268).

6. Exegetische Homilien. Chrysostomus hat eine größere Schriftenmasse hinterlassen als irgendein anderer Schriftsteller der griechischen Kirche. Die meisten der unzweifelhaft echten Werke sind Erklärungen der Heiligen Schrift in Form von Homilien. Die Reihe der Erklärungen zum Alten Testamente eröffnen 67 Homilien über die Genesis (LIII-LIV; vgl. LXIV, 499-502), wahrscheinlich 388 zu Antiochien gehalten. Dieselben erörtern das biblische Buch abschnittweise von Anfang bis zu Ende und stellen, wiewohl in Homiliengepräge, einen vollständigen Kommentar dar. Dazu kommen noch Homiliae 9 in Genesin (LIV, 581-630), welche sich, mit Ausnahme der letzten, über die drei ersten Kapitel der Genesis verbreiten. Über einzelne Kapitel der Bücher der Könige handeln Homiliae 5 de Anna (LIV, 631–676), aus der Osterzeit des Jahres 387, und Homiliae 3 de Davide et Saule (LIV, 675-708), aus dem Sommer 387; ein fortlaufender Kommentar zu den Büchern der Könige liegt nicht vor. Die Psalmen hat Chrysostomus, wie es scheint, sämtlich in Homilien durchgesprochen; bisher ist jedoch nur die Erklärung einiger 60 Psalmen (4-12. 43-49. 108-117. 119-150) ans Licht gezogen worden (LV). Ob Chrysostomus noch andere poetische Bücher des Alten Testamentes bearbeitet hat, wird einstweilen dahingestellt bleiben müssen; bedeutende Fragmente unter seinem Namen liegen sowohl zum Buche Job (LXIV, 503-656) als auch zu den Salomonischen Sprüchen (LXIV, 659-740) vor; die Echtheit dieser Stücke bedarf indessen noch der Untersuchung und Beglaubigung. Den prophetischen Büchern gelten zunächst die beiden Homilien De prophetiarum obscuritate (LVI, 163-192), etwa 386 zu Antiochien verfasst. Der Kommentar über den Anfang des Buches Jesaia (1, 1 bis 8, 10: LVI, 11–94) ist wahrscheinlich auch aus Homilien (vom Jahre 397?) hervorgegangen: der Sammler hat dieselben ihrer rednerischen Anlage gänzlich entkleidet und zu einer fortlaufenden Texteserklärung umgearbeitet. Außer diesem Kommentar sind noch 6 Homilien über Is. 6 (LVI, 97–142) vom Jahre 386 erhalten. Zu Jeremias sind sehr zahlreiche Scholien unter des Chrysostomus Namen (LXIV, 739-1038) veröffentlicht worden. Auch der sogen. Kommentar zu Daniel (LVI, 193–246) ist nichts anderes als eine Sammlung von Scholien aus Katenen. An der Spitze der Erklärungen zum Neuen Testamente stehen 90 Homilien zu Matthäus (LVII—LVIII). Dieselben sind um 390 zu Antiochien geschrieben und gesprochen und lassen gleichfalls den Schriftausleger ebenso wohl zu seinem Rechte kommen wie den Prediger. Suidas (Lex. s. v. Ioan. Antioch. Rec. Bernhardy I, 2, 1023) redet von Kommentaren des hl. Chrysostomus „zu Matthäus und Markus und Lukas": vermutlich ein Irrtum, weil von Kommentaren des Heiligen zu Markus und Lukas sonst nichts verlautet. Nur zu Luc. 16, 19-31 sind Homiliae 7 de Lazaro überliefert (XLVIII, 963-1054; vgl. noch eine weitere Homilie über diese Parabel LXIV, 433-444). Dagegen besitzen wir die von Suidas gleichfalls gerühmte Erklärung des Johannesevangeliums jedenfalls in den 88 Homilien zu Johannes (LIX; die Perikope über die Ehebrecherin 7, 53 bis 8, 11 wird übergangen), etwa 389 zu Antiochien gehalten und bedeutend kürzer als die Homilien zu Matthäus. Über den Text der Apostelgeschichte handelte Chrysostomus 400 oder 401 in 55 Homilien (LX), welche vermutlich deshalb geringere Formvollendung zeigen, weil sie so, wie sie von Schnellschreibern beim Vortrage aufgezeichnet wurden, auf uns gekommen sind. Die vier Homilien über den Anfang der Apostelgeschichte (LI, 65-112) sowie die vier Homilien über die Veränderung der Namen des hl. Paulus und anderer Männer der biblischen Geschichte (LI, 113-156) stammen aus der Osterzeit des Jahres 388. Die paulinischen Briefe hat Chrysostomus samt und sonders in Homilien bearbeitet: den Römerbrief 391 in 32 Homilien (LX; vgl. noch das supplementum LXIV, 1037), die beiden Korintherbriefe um 392 in 44 bzw. 30 Homilien (LXI; dazu noch 3 Homilien über die Ehe zur Erklärung der Stelle 1 Kor. 7, 1 ff., LI, 207-242, und 3 Homilien über das Wort 2 Kor. 4, 13, LI, 271-302), den Galaterbrief in einem Kommentare (LXI), welcher indessen ebenso wie der Kommentar über den Anfang des Buches Isaias auf Homilien zurückgehen dürfte; ferner Eph. in 24, Phil. in 15, Kol. in 12, 1 Thess. in 11, 2 Thess. in 5, 1 Tim. in 18, 2 Tim. in 10, Tit. in 6, Philem. in 3 (LXII) und Hebr. in 34 Homilien (LXIII); diese letztgenannten 34 Homilien sind erst nach dem Tode des Redners auf Grund der Aufzeichnungen der Schnellschreiber der Öffentlichkeit übergeben worden. Zu den katholischen Briefen wurden einige Scholien unter dem Namen des hl. Chrysostomus (LXIV, 1039–1062) herausgegeben. Endlich wäre noch eine große Anzahl einzelner Homilien zu nennen, welche zerstreute Verse der Heiligen Schrift zum Gegenstande haben oder doch zum Ausgangspunkte nehmen. Unter den Erläuterungsschriften zum Alten Testamente haben sich von jeher die Homilien über die Psalmen einer besonderen Beliebtheit erfreut. Unter denjenigen zum Neuen Testamente wird ebenso übereinstimmend den Homilien über den Römerbrief die Palme zuerkannt. Schon Isidor von Pelusium (Ep. 5, 32: LXXVIII, 1348) urteilte: „Namentlich in der Erklärung des Briefes an die Römer ist des gelehrten Johannes Weisheit in Schätzen aufgehäuft. Ich meine nämlich (und niemand darf glauben, ich redete jemanden zu Gefallen), wenn der göttliche Paulus in attischer Sprache sich selbst hätte erklären wollen, so würde er nicht anders erklärt haben, als jener berühmte Meister es getan. So sehr zeichnet sich seine Erklärung aus sowohl durch den Inhalt wie durch die schöne Form und den treffenden Ausdruck." Seitdem ist dieses Urteil häufig wiederholt worden.

7. Sonstige Predigten. - Den exegetischen Homilien reihen sich zunächst die sonstigen Predigten an. Ihre Zahl ist sehr groß und ihr Inhalt überaus mannigfaltig. Doch sind manche derselben immerhin zweifelhafter oder bestrittener Herkunft. Die Homiliae 8 adversus Iudaeos (XLVIII, 843-942), aus den Jahren 387-389, übrigens nicht sowohl gegen die Juden als vielmehr gegen die Christen, welche mit den Juden Feste feierten oder Fasten hielten, insbesondere auch gegen die Protopaschiten (Hom. 3) gerichtet, sodann die Homiliae 12 contra Anomoeos de incomprehensibili (XLVIII, 701-812), teils zu Antiochien teils zu Konstantinopel gehalten und der Aufschrift entsprechend über die Unbegreiflichkeit Gottes und die Wesenseinheit des Sohnes mit dem Vater handelnd, und außerdem noch eine Homilia de resurrectione mortuorum (L, 417ter-432) pflegen als dogmatisch-polemische Homilien zusammengefasst zu werden. Viel zahlreicher sind die moralisch-asketischen Vorträge. Zusammengehörende Gruppen bilden unter ihnen die Catecheses 2 ad illuminandos (XLIX, 223-240), Ansprachen an die Täuflinge aus dem Beginn der Fastenzeit des Jahres 387; die Homiliae 3 de diabolo tentatore (XLIX, 241-276), Unterweisungen betreffend die Versuchungen zur Sünde, von welchen jedoch die bei (de Montfaucon und) Migne als die zweite bezeichnete vielmehr an die dritte Stelle zu sehen sein wird; die Homiliae 9 de poenitentia (XLIX, 277-350), von welchen freilich wenigstens die drei letzten hinsichtlich ihrer Echtheit einigen Bedenken unterliegen. Weitaus die meisten dieser Reden aber stellen jede für sich ein Ganzes dar, indem sie eine abschließende Erörterung irgendeines einzelnen Gegenstandes bieten. Vielgerühmt sind u. a. die Rede In kalendas (XLVIII, 953-962), eine Bekämpfung des abergläubischen Unfugs, mit welchem der Anfang des neuen Jahres begangen wurde; die Rede De eleemosyna (LI, 261-272), eine einlässliche Exegese der Worte 1 Kor. 16, 1-4; die Rede Contra circenses ludos et theatra (LVI, 263-270). Festreden sind erhalten auf Weihnachten (XLIX, 351-362 und LVI, 385-396: zwei Reden, die erste vom 25. Dezember 388, die zweite hinsichtlich ihrer Echtheit zweifelhaft), auf Epiphanie oder die Laufe des Herrn (XLIX, 363-372), über den Verrat des Judas zur Feier des Gründonnerstags (XLIX, 373-392 und L, 715–720: drei Reden, die zweite jedoch nur eine Überarbeitung der ersten, sei es von des Verfassers, sei es von späterer Hand, die dritte zweifelhaft), über das Coemeterium und das Kreuz sowie über das Kreuz und den Räuber zur Feier des Karfreitags (XLIX, 393-418: drei Reden, die beiden letzten jedoch vielleicht nur verschiedene Nachschriften einer und derselben Predigt), auf Ostern (L, 433-442 und LII, 765-772: zwei Reden, die zweite zweifelhaft), auf Christi Himmelfahrt (L, 441–452 und LII, 773-792: zwei Reden, die zweite zweifelhaft), auf Pfingsten (L, 453—470 und LXIV, 417-424: drei Reden). Unter den Lobreden auf Heilige haben insbesondere die zu Antiochien gehaltenen Homiliae 7 de laudibus S. Pauli Ap. (L, 473-514) die rückhaltloseste Anerkennung und Bewunderung gefunden. Der alte lateinische Übersetzer Anianus glaubte, der große Völkerapostel sei hier nicht bloß dargestellt, sondern gewissermaßen aus dem Grabe auferweckt, um neuerdings ein Beispiel vollkommenen Wandels zu geben (L, 471-472), und in der Folge bis hinab auf unsere Tage ward sehr oft bemerkt, das Lob des hl. Paulus sei wohl niemals würdiger gefeiert worden als von Chrysostomus. Außerdem liegen Lobreden vor auf einige Heilige des Alten Testaments (Job, Eleazar, die makkabäischen Brüder nebst ihrer Mutter), auf die Märtyrer im Allgemeinen, auf verschiedene einzelne Heilige der späteren Zeit, sowie endlich auf Bischof Diodor von Tarsus und Kaiser Theodosius d. Gr. Ein besonderes Interesse beanspruchen die gleichfalls zu Antiochien gehaltenen Reden auf die Heiligen Bischöfe von Antiochien: Ignatius, Babylas, Philogonius, Euftathius und Meletius (die Rede auf Philogonius Hom. 6 contra Anomoeos XLVIII, 747-756; die vier anderen Reden L). Unter den Gelegenheitsreden sind ohne Frage an erster Stelle die Homiliae 21 de statuis ad populum Antiochenum (XLIX, 15-222) zu nennen. Theodosius d. Gr. zu Anfang des Jahres 387 den morgenländischen Provinzen außerordentliche Steuern auferlegte, griff unter der Bevölkerung von Antiochien eine solche Unzufriedenheit und Erbitterung um sich, dass rohe Hände die Standbilder des Kaisers sowie diejenigen seines Vaters, seiner Söhne und seiner verstorbenen Gemahlin Flaccilla zertrümmerten und viele andere Gewalttätigkeiten verübten. Der empörte Kaiser wollte an der ganzen Stadt schwere Rache nehmen. Eine Gesandtschaft mit Bischof Flavian an der Spitze eilte nach Konstantinopel, und die Rede, welche Flavian an Theodosius richtete und welche ohne Zweifel ein Werk des hl. Chrysostomus ist (s. dessen Hom. 21 de statuis n. 3), gilt als „eines der merkwürdigsten Denkmäler der Beredsamkeit“ 1. Theodosius konnte sich bei Anhörung derselben der Tränen nicht erwehren. Inzwischen hielt Chrysostomus während der Fastenzeit die genannten Homilien von den Bildsäulen. Er sucht die bestürzten, ja verzweifelnden Antiochener zu beruhigen und zu ermutigen, benutzt dann aber die Gelegenheit, vor einer wohldisponierten und empfänglichen Zuhörerschaft die herrschenden Laster der Stadt, insbesondere auch die Gewohnheit leichtfertigen Schwörens, mit allem Nachdruck zu geißeln, und kann schließlich die Mitteilung machen, dass die Gesandtschaft ihren Zweck erreicht habe und der Kaiser milde Schonung walten lassen wolle. Diese Homilien mussten dem jungen Prediger für die ganze Folgezeit Ohr und Herz der Antiochener geöffnet halten. In die erste Zeit seiner konstantinopolitanischen Wirksamkeit fallen zwei Predigten, welche einen ähnlichen Eindruck gemacht haben werden: die beiden Homilien über Eutropius (LII, 391-414). Die erste veranschaulicht die Hinfälligkeit des Erdenglückes an dem Beispiele Eutrops, welcher selbst in der Kirche zugegen ist und den Altar umklammert hält; die zweite, demselben Gegenstande gewidmet, ist wenige Tage später gehalten, als Eutrop die Kirche verlassen hatte und nun ergriffen worden war. Hervorgehoben seien noch die Rede nach der Ordination des Redners zum Priester, die erste unter allen seinen Predigten (XLVIII, 693-700), die früher bereits erwähnte Rede vor seiner (ersten) Wegführung ins Exil (LII, 427—430), die auch schon genannte Rede am Tage nach seiner Rückkehr aus dem Exil (LII, 443-448).

8. Apologetische und moralisch-asketische Schriften. — Ich komme zu den Schriften im engeren Sinne, welche freilich zum Teil auch aus Kanzelvorträgen hervorgegangen sein mögen. Zwei derselben sind apologetischer Tendenz und Haltung: die Schrift auf den hl. Babylas und gegen Julian und die Heiden (L, 533–572), etwa aus dem Jahre 382, und der, wie es scheint, etwas jüngere, vielleicht ins Jahr 387 fallende Beweis der Gottheit Christi gegen Juden und Heiden (XLVIII, 813-838). Zweck und Ziel der Erörterung bildet hier wie dort der Beweis der Gottheit Christi. Während jedoch in der letztgenannten Schrift hauptsächlich die ohne Ausnahme in Erfüllung gegangenen Weissagungen als Beweismaterial dienen, die Weissagungen der Propheten und die Weissagungen Christi selbst (namentlich über das unaufhaltsame Wachstum der Kirche und über die Zerstörung des Tempels zu Jerusalem), wird in der ersteren Schrift auf die Wunder hingewiesen, welche von Christus selbst wie auch in Kraft seines Beistandes von vielen Christen gewirkt worden. Um aber einen mehr als vollständigen Sieg davonzutragen" (c. 4), ruft der Verfasser nach diesen Hinweisen auf die Vergangenheit auch die Gegenwart zum Zeugnis auf, die Wunder nämlich, welche bei der vor kurzem erfolgten Übertragung der Gebeine des heiligen Bischofs und Märtyrers Babylas († 250) sich ereigneten: Kaiser Julian hatte Befehl gegeben, diese Gebeine aus dem in der Nähe Antiochiens gelegenen Haine Daphne zu entfernen, damit dort der frühere Dienst des Apollo und der Diana wieder aufblühen könne. Die übrigen Schriften bewegen sich sämtlich auf moralisch-asketischem Gebiete. Die meisten derselben reichen in die Zeit zurück, zu welcher Chrysostomus noch ein Einsiedlerleben führte. Als die ältesten sind wohl die beiden in Form von Briefen verlaufenden Mahnschriften an den gefallenen Theodor zu bezeichnen (XLVII, 277-316), Schriften, welche den durch die Reize der Hermione betörten und der Askese überdrüssig gewordenen Freund und Genossen, den späteren Bischof von Mopsuestia, zur Umkehr vermochten. Ebenderselbe begeisterte und eindringliche Ton, welcher diesen Mahnschriften eignet, durchweht auch die beiden Bücher von der Buße (XLVII, 393-422), etwa 375 oder 376 geschrieben, an zwei Freunde (das erste an Demetrius, das zweite an Stelechius) gerichtet und dem Nachweis der Notwendigkeit wahrer Buße sowie der Erläuterung des Wesens derselben gewidmet. Die drei Bücher gegen die Bekämpfer des Mönchslebens (XLVII, 319–386), wahrscheinlich aus dem Jahre 376, sind durch das rohe und grausame Vorgehen des arianischen Kaisers Valens gegen die Mönche veranlasst. Das erste Buch sucht aus der Erhabenheit und Heiligkeit des Mönchsstandes die Sünde und Schuld der Feinde der Mönche darzutun, das zweite will insbesondere einen ungläubigen, heidnischen Vater überzeugen, dass er es nur freudig begrüßen dürfe, wenn sein zum Christentum übergetretener Sohn sich dem asketischen und klösterlichen Leben weihe, und das weit umfangreichere dritte Buch wendet sich in gleicher Absicht an einen gläubigen Vater. Im zweiten Buche wird gelegentlich (c. 6) ein Mönch in Parallele gebracht mit einem König; weitere Ausführung findet dieser Gedanke in einem kleinen Schriftchen „Vergleich der Macht, des Reichtums und des Ansehens eines Königs mit einem der durchaus wahren und christlichen Philosophie gemäß lebenden Mönche" (XLVII, 387-392; das Streben nach Vollkommenheit). Vermutlich noch als Einsiedler, vielleicht aber erst als Diakon, schrieb Chrysostomus die drei Bücher an Stagirius (XLVII, 423—494), eine Trostschrift, welche dem von schweren Seelenleiden heimgesuchten und in einen Zustand wilder Verzweiflung geratenen Freunde die gütigen Absichten der Vorsehung bei Verhängung oder Zulassung derartiger Prüfungen vor Augen führen will. Ein großer Teil des zweiten sowohl wie des dritten Buches beschäftigt sich mit der heiligen Geschichte, von Adam bis auf Paulus, zum Beweis, dass gerade die Lieblinge Gottes stets durch besonders große Trübsale hindurchgegangen. Die sechs Bücher vom Priestertum (XLVII, 623-692) wollen zunächst die Handlungsweise des Verfassers bei Gelegenheit seiner Wahl zum Bischof um 373 begründen und rechtfertigen. Er selbst ergriff, wie schon erzählt, die Flucht, während er durch Verheimlichung dieses Vorhabens seinen Herzensfreund Basilius zur Annahme der Weihe veranlasste. Diese List und Verstellung, führt der erste Teil seiner Apologie (I, 1 bis II, 6) aus, sei nicht nur nicht verdammlich, sondern sehr verdienstlich gewesen, weil durch sie der Herde Christi ein so trefflicher Hirte gewonnen worden. Er selbst aber, zeigt nun der zweite Teil (II, 7 bis VI, 13), habe sich der Weihe entziehen müssen, weil er weder den Anforderungen des Priestertums genügen könne noch den Gefahren desselben gewachsen sei. Das Ganze verläuft in Form eines Zwiegespräches zwischen den beiden Freunden; der in allen Schriften etwas gehobene und feierliche Ausdruck nimmt hier eine eigene Innigkeit, Zartheit und Wärme an; namentlich wegen der unvergleichlichen Schilderung der Würde und Hoheit des Priestertums zählten diese Bücher stets zu den am meisten geschätzten und gefeierten Schriften des Heiligen. Die Abfassung würde man aus inneren Gründen bald nach 373 ansehen, wenn sie nicht von Sokrates (Hist. eccl. VI, 3: LXVII, 669) in die Zeit nach der Weihe des Verfassers zum Diakon (381) verlegt würde. Die kleine Schrift an eine junge Witwe (XLVIII, 599–610), wohl aus den Jahren 380-381, sucht die Adressatin über den Verlust ihres Gatten zu trösten, während die vermutlich gleichzeitige Abhandlung vom Witwenstande (XLVIII, 609-620), meist als zweites Buch der vorhin genannten Schrift angehängt, den Witwen im Allgemeinen empfiehlt, „so zu bleiben“ (1 Kor. 7, 40). Das nahe verwandte Buch vom jungfräulichen Stande (XLVIII, 533-596), wahrscheinlich nach 381 geschrieben, verficht in warmen Worten und mehrfach auch in glühenden Farben den Saß des Apostels, die Ehe sei gut, die Jungfräulichkeit besser (1 Kor. 7, 38). Der weitaus größere Teil des Buches (c. 24-84) ist auch der Form nach nichts anderes als eine sehr einlässliche Erklärung des Kapitels 1 Kor. 7. In den später herausgegebenen Homilien über 1 Kor. kann Chrysostomus daher bezüglich des Kap. 7 oder bezüglich des jungfräulichen Standes auf unser Buch verweisen: „Da ich dort mit aller mir möglichen Genauigkeit die Sache ausführlich dargelegt, so hielt ich es für überflüssig, dieselbe auch hier wieder zu erörtern (Hom. 19 in 1 Cor. n. 6: LXI, 160). Gleich nach seiner Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl von Konstantinopel erließ Chrysostomus zwei inhaltlich sich enge berührende Pastoralschreiben: an die Kleriker, welche gottgeweihte Jungfrauen in ihrem Haus hatten (XLVII, 495-514), und über die Unfitte, dass solche gottgeweihte Jungfrauen Männer zu sich (in ihre Wohnung) nahmen (XLVII, 513-532). Ein heiliger Eifer macht sich hier auch in herben und scharfen Worten Luft. Es erscheint begreiflich, wenn ob solcher Schreiben in gewissen Kreisen eine nachhaltige Verstimmung Play griff. Endlich liegen aus den Tagen des zweiten Exiles noch zwei Schriften vor, von welchen die eine zeigen will, dass kein anderer dem Menschen Schaden zufügen kann als er selbft (LII, 459-480), während die andere sich an diejenigen wendet, welchen die traurige und düstere Zeitlage zum Anstoß gereichte (LII, 479-528). D der Mensch das eine, was allein ihm schaden kann, zulasse oder nicht, steht immer und überall in seiner eigenen Hand; die Leiden und Widerwärtigkeiten, welche heute wie in früheren Zeiten insbesondere die Gerechten treffen, dürfen nicht zu Zweifeln an der Weltregierung Gottes Anlass geben, mag auch Dunkel Gottes Wege decken. Mit solchen Ausführungen spricht der Heilige den Seinen in der Heimat Mut zu, während er selbst das Brot der Verbannung isst, oft am Rande des Grabes stehend, oft des Nötigsten entbehrend (vgl. etwa Ep. 4 ad Olymp. c. 4).

9. Briefe. Die Briefe des hl. Chrysostomus, soweit sie noch erhalten sind (LII), etwa 238 an der Zahl, aber meist sehr klein an Umfang, sind fast ohne Ausnahme während der Zeit seines zweiten Exils geschrieben. Manche derselben wollen lediglich über das Ergehen und Befinden des Verfassers nach den verschiedensten Seiten hin Nachricht geben. Andere legen rührendes Zeugnis ab von seiner nimmer ruhenden Hirtensorge, welche nicht bloß die eigene Herde umfasst, sondern auch in ferne Barbarenländer reicht. Aber wohl die meisten lassen sich als Trostschreiben bezeichnen, und ihre Adressaten sind teils Kleriker oder auch Laien, welche in die Johannitenverfolgung verwickelt waren, teils sonstige Anhänger und Freunde, welche die hoffnungslose Lage der Dinge zu Konstantinopel oder das immer trüber sich gestaltende Los des Verbannten niederbeugte. Besondere Erwähnung gebührt den 17 Briefen an die Witwe und Diakonissin Olympias. Dieselben heben sich schon durch ihre Zahl und noch mehr durch ihren großen Umfang von den übrigen Briefen ab, reden auch eine ausnehmend herzliche und vertraute Sprache und verbreiten sich in unerschöpflicher Fülle über das Thema von der Heilsamkeit der Leiden. In vielen dieser Briefe spiegelt sich eine Seelengröße, welche äußerem Missgeschick nicht mehr zugänglich zu sein, eine Gottinnigkeit, welche dieser Erde längst entrückt zu sein scheint.

10. Unechte Schriften. Es erübrigt noch, auf die mit Unrecht dem hl. Chrysostomus beigelegten Schriften wenigstens einen flüchtigen Blick zu werfen. Keinem anderen griechischen Kirchenschriftsteller ist so vieles fälschlich unterschoben worden. In erster Linie sind es begreiflicherweise Homilien oder Predigten, welchen der gefeierte Name des Goldmundes Eingang und Verbreitung verschaffen sollte. Eine kleine, wiewohl zugleich auch wieder große Auswahl unechter Homilien gibt (de Montfaucon und) Migne in Form von Beilagen oder Nachträgen zu fast allen Bänden der Gesamtausgabe. Das außerordentliche Ansehen des heiligen Lehrers führte auch, und zwar, wie es scheint, schon ziemlich frühe, dazu, dass Äußerungen oder Ausführungen desselben über einen und denselben Gegenstand aus verschiedenen seiner Homilien zusammengestellt und zu neuen Predigten über den betreffenden Gegenstand verarbeitet wurden. Solcher florilegia, nur der Sache, nicht der Form nach Eigentum des hl. Chrysostomus, enthält die genannte Ausgabe 48 (LXIII, 567-902). Übrigens sind sehr wahrscheinlich bereits bei Lebzeiten des Heiligen von feindlicher Seite nicht bloß echte Homilien in gefälschter Gestalt, sondern auch erdichtete Homilien mit dem Namen Johannes in Umlauf gesetzt worden. Vorhin wurde bezüglich der Hom. in decollat. S. Ioan. Bapt. einer solchen Annahme das Wort geredet (Abs. 5). Die sogen. Liturgie des hl. Chrysostomus (LXIII, 901-922) kann irgendwelchen Anspruch auf ihren Namen nur unter der Voraussetzung erheben, dass die auf Chrysostomus zurückgehende Fassung in späterer Zeit viele und bedeutende Änderungen erfahren hat. Die gelegentlichen Angaben des heiligen Lehrers über die zu seiner Zeit gebräuchliche Liturgie treffen bei den überlieferten Formularen nicht zu, und stimmen diese Formulare auch untereinander sehr wenig überein. Die äthiopische Liturgie des hl. Chrysostomus, welche 1866 von A. Dillmann herausgegeben wurde, hat mit jener griechischen Liturgie des hl. Chrysostomus nicht mehr gemein als mit jeder anderen Liturgie. Im höchsten Grad fragwürdig erscheint auch die Echtheit der Synopsis veteris et novi testamenti (LVI, 313–386). Dieselbe stellt eine Art Einleitung in die Heilige Schrift dar, insofern sie nämlich den Inhalt der einzelnen biblischen Bücher andeutungsweise wiedergibt und zugleich die offenbarungsgeschichtliche Bedeutung derselben ins Licht stellen will. Doch ist bisher nur der das Alte Testament betreffende Teil der Schrift, und auch dieser nicht ganz vollständig, bekannt geworden. Das den Chrysostomus-Ausgaben einverleibte Opus imperfectum in Matthaeum (LVI, 611–946), ein lückenhafter, aber sehr beachtenswerter, lateinischer Kommentar zum ersten Evangelium, ist anerkanntermaßen das Werk eines lateinischen Arianers um das Ende des 6. Jahrhunderts.

11. Das Urteil der Nachwelt über Chrysostomus. –– Es ist oben (Abs. 5 zum Schluss) bereits angedeutet worden, wie die Nachwelt sich beeilte, die Sünden der Mitwelt gegen unsern Heiligen zu sühnen. Schon Schriftsteller, welche noch zu seinen Zeitgenossen zählen, suchen nach Worten, ihn gebührend zu feiern. Der hl. Nilus schreibt an Kaiser Arkadius: „Das größte Licht des Erdkreises hast du in die Verbannung geschickt" (Epist. III, 279: LXXIX, 521); ja er fragt den Kaiser: Wie kannst du verlangen, Konstantinopel befreit zu sehen von den fortwährenden Erdbeben und den Feuererscheinungen am Himmel, da tausendfacher Frevel dort begangen wird..., indem die Säule der Kirche, das Licht der Wahrheit, die Trompete Christi verbannt worden ist” (ibid. II, 265: col. 336). Den Exkonsul Severus kann Nilus versichern, dass derjenige, den der Kaiser verbannt, in Wahrheit der ganzen Welt Leuchter sei (ibid. III, 199: col. 476; vgl. auch II, 294: col. 345), und den Kämmerer Valerian weist er gelegentlich darauf hin, dass in das Lob des großen Bischofs von Konstantinopel die Stimmen aller Einsichtigen sich teilen (ibid. II, 183: col. 296). Auch bei Theodoret von Cyrus heißt Chrysostomus der große Lehrer des Erdkreises (Hist. eccl. V, 34: LXXXII, 1264), der große Leuchter des Erdkreises (Dial. I: LXXXIII, 77). Theodoret hinterließ überdies mehrere, mindestens fünf, Reden auf Chrysostomus, Reden, welche nach Ausweis der von Photius (Bibl. cod. 273: CIV, 229-236) aufbewahrten Bruchstücke in den volltönendsten Lobeserhebungen sich erschöpften. In der fünften Rede heißt es: Reich uns, Vater, deine Leier, dein Plektrum leih zu deinem Preis. Denn wenn auch die Hände erschlafft sind nach dem Gesetz der Natur, so tönt doch die Leier durch den ganzen Erdkreis dank der Gnade. Jene unsterbliche Zunge gib uns, denn nur deine Zunge ist deiner Taten würdig.“ -Sokrates hingegen beobachtet eine gewisse Zurückhaltung. In den Ausdruck wärmster Anerkennung lässt er doch auch leisen Tadel einfließen: „Er war", sagt man, wegen seines (allzu großen) Tugendeifers etwas schroff, und wie jemand sagte, welcher von Jugend auf sehr vertraut mit ihm war, neigte er weit mehr zum Zorne als zur Mäßigung . . . in der Rede erlaubte er sich einem jeden gegenüber eine ganz schrankenlose Freiheit" (Hist. eccl. VI, 3: LXVII, 669). Und im weiteren Verlauf seiner Berichterstattung glaubt Sokrates wiederholt ein Maß von Eifer bei Chrysostomus konstatieren zu können, welches den Forderungen der Klugheit keine Rechnung getragen und deshalb mehr geschadet als genügt habe (s. schon Hist. eccl. VI, 4. 5). Ob in diesen Fällen Sokrates das Richtige gesehen, lässt sich bei dem Widerspruch der Quellen schwerlich mehr entscheiden; ob die vorhin gerügten Schwächen etwas mehr gewesen als Flecken, wie sie wohl jeder Tugend hier auf Erden eigen bleiben, wird stets eine offene Frage sein. Ein Nachfolger des Arkadius auf dem kaiserlichen Thron, Leo der Weise (886-911), führt in seiner Schilderung des Lebens und Wirkens des hl. Chrysostomus (Leonis Philosophi Oratio 18: CVII, 228–292) die Absetzung und Verbannung des Heiligen schlechtweg auf die Leidenschaft Eudorias zurück. Suidas (Lex. Rec. Bernhardy I, 2, 1024) darf jedenfalls als Dolmetsch einer allgemeinen Überlieferung gelten, wenn er den Heiligen als unerreichten Redner darstellt: Sein Wort rauschte hernieder gewaltiger als die Wasserfälle des Nil. Niemand hat seit Weltbeginn eine solche Redefülle besessen, an welcher er allein so reich war, und er allein hat mit Fug und Recht vor allen anderen den goldenen und den göttlichen Namen (die Namen Goldmund und göttlicher Redner) davongetragen." Die weitere Charakteristik entnimmt Suidas der Chronik des Cedrenus, welcher die angeführten Worte des Sokrates zwar zu den seinigen macht, aber in entschieden abschwächendem und einschränkendem Sinne erläutert (Hist. comp. ad a. 13 Arcadii: CXXI, 628-629).

12. Chrysostomus als Homilet. –– Suidas nennt seinen Helden "Johannes von Antiochien mit dem Beinamen Chrysostomus“. Aus der späteren Literatur schwindet der Name Johannes mehr und mehr; der schon im 5. Jahrhundert nachweisbare Beiname Chrysostomus tritt an seine Stelle. Heute wird der Goldmund allgemein als der Fürst unter den Rednern der morgenländischen Kirche bezeichnet, und von den Homileten des Abendlandes pflegt nur Augustinus mit ihm in Vergleich gebracht zu werden. In viel höherem Grade als Augustinus hat Chrysostomus selbst auf der Kanzel das Hauptfeld seiner Tätigkeit gesucht und gefunden. Er ist ja auch eine wesentlich anders veranlagte Persönlichkeit. Ihn reizt und fesselt nicht die Theorie, sondern die Praxis, nicht die Wissenschaft, sondern das Leben; wo er sich in dialektische oder spekulative Erörterungen einlässt, sind es äußere Umstände, die ihn treiben; er ist ganz und gar in Anspruch genommen von den Aufgaben und Pflichten des praktischen Seelsorgers. Augustinus ist auch auf dem Gebiet der geistlichen Beredsamkeit als Theoretiker aufgetreten (s. § 76, 9 g. E.). Chrysostomus hat sich, von gelegentlichen und kurzen sonstigen Bemerkungen abgesehen, nur in einigen Abschnitten des Werkes De sacerdotio (besonders Buch 4 und 5) über seine homiletischen Grundsätze, bzw. über die Erhabenheit und Schwierigkeit des Predigeramtes ausgesprochen. So wenig übrigens irgendein prinzipieller Widerspruch oder auch nur Gegensatz zwischen dem Abendländer und dem Morgenländer bestanden haben wird, so verschiedenartig gestaltete sich die beiderseitige Praxis. Schon was den Umfang der Predigt angeht, wie scharf hebt sich Augustins breviloquium von Chrysostomus Predigten ab! Letzterer benötigt oft zweier Stunden, und ersterer begnügt sich oft mit einer Viertelstunde. Die Predigt Augustins stellte aber auch an den Redner wie an den Hörer ganz andere Anforderungen als die Predigt des Chrysostomus. Augustinus pflegt ein scharf umgrenztes Thema, unaufhaltsam vorwärts schreitend und das Ziel nicht aus dem Auge lassend, in streng logischer Gedankenentwicklung durchzuführen, nicht selten so abstrakt, dass manche Hörer nur mit Mühe folgen konnten. Chrysostomus hingegen schweift sehr gern, vom Augenblicke fortgerissen, von seinem Gegenstande ab, um Blumen zu pflücken, die am Raine wachsen; er ermüdet weniger, indem er mehr unterhält; manche seiner Predigten sehen sich aus mehreren völlig selbständigen Stücken zusammen. Auch bei Darlegung einzelner Wahrheiten ist des Chrysostomus Weise viel weniger anstrengend. Augustinus gönnt sich gewissermaßen seine Zeit, bei Beispielen und Bildern zu verweilen, während Chrysostomus überzeugt ist, durch Gleichnisse mehr zu wirken als durch theoretische Auseinandersetzungen, wie er denn auch eine anerkannte Meisterschaft darin besitzt, alles durch Bilder zu veranschaulichen und wiederum alles zu Bildern zu benutzen. Freilich weiß dagegen Augustinus wenigstens die Befähigteren unter seinen Hörern zu entschädigen durch prachtvolle Antithesen, geistreiche Oxymora, Wortspiele aller Art, während diese Redefiguren bei Chrysostomus nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Chrysostomus ist schließlich weit mehr als Augustinus Gelegenheitsredner (im besten Sinne des Wortes); namentlich im Eingange und im Schlusse weiß er auf das trefflichste dem Augenblicke Rechnung zu tragen, an etwas Gegebenes anzuknüpfen, die äußeren Umstände sich zu Nutzen zu machen. — Weitaus die meisten der uns noch vorliegenden Predigten des hl. Chrysostomus sind Homilien. Auch von Augustinus besitzen wir außer sermones noch zahlreiche enarrationes und tractatus über biblische Texte. Als Exegeten nun gehen die beiden Redner gleichfalls sehr verschiedene Wege. Augustinus huldigt in seinen Homilien vorwiegend, um nicht zu sagen ausschließlich, der allegorischen Deutung. Chrysostomus hingegen, welcher seine theologische Bildung zu Antiochien empfangen hatte, vertritt durchweg die historisch-philologische Auslegungsmethode. Er sucht immer zuerst den Literalsinn ans Licht zu stellen, pflegt, von diesem Interesse geleitet, seiner Erklärung eine geschichtliche Einleitung vorauszuschicken und verschmäht es nicht, bei grammatischen Schwierigkeiten stehen zu bleiben. Zu Js. 1, 22 (LVI, 23) bemerkt er, er wolle die bildliche Erklärung nicht verwerfen, müsse aber die wörtliche Auffassung als die richtigere bezeichnen; zu Js. 5, 7 (LVI, 60) fügt er bei, die Heilige Schrift gebe selbst deutlich zu erkennen, wann und wo die tropische Deutung zulässig und geboten sei: „allegorisiert sie, so erläutert sie die Allegorie auch", Und zu Js. 6, 6 f. (LVI, 72) fährt er nach Erwähnung der figürlichen Auslegung fort: „Wir indessen halten an dem historischen Sinn fest." Kurz, Chrysostomus bringt, zwar nicht so einseitig wie Theodor von Mopsuestia, aber entschieden und konsequent, die hermeneutischen Grundsätze der antiochenischen Schule zur Geltung. Jedenfalls zählt er auch zu den ersten Meistern, deren diese Schule sich rühmen darf. Was ihn jedoch besonders charakterisiert und auszeichnet, liegt, hier wie überall, in der ihm eigenen Verbindung und Ausgleichung zwischen Wissenschaft und Leben, Verstand und Gemüt: so wie er hat wohl kein Zweiter den heiligen Text so gründlich und besonnen, ich möchte sagen, so nüchtern und trocken auszulegen und doch zugleich so tief und allseitig, so zart und feinsinnig fruchtbar zu machen gewusst für alle Zweige des religiösen Lebens.

13. Des Chrysostomus Lehre. - Vermöge seiner exegetischen Prinzipien steht Chrysostomus in einem klar erkannten Gegensatze zu Origenes. Der von Theophilus von Alexandrien erhobene Vorwurf des Origenismus (vgl. Abs. 4) entbehrt überhaupt aller und jeder Begründung. Es darf als sicher gelten, wenngleich es sich nicht durch unzweideutige Beweisstellen belegen lässt, dass Chrysostomus hinsichtlich des Ursprunges der Menschenseele sich zum Creatianismus bekannt hat und nicht zu der origenistischen Präexistenzlehre, und so hat ihm denn auch die Annahme einer allgemeinen Apokatastasis im Sinne des Origenes (und des Gregor von Nyssa) durchaus fern gelegen; vgl. nur etwa die Äußerung Hom. 17 in Hebr. n. 5 (LXIII, 133–134): „Die Sünden abzuwaschen, reicht die Hölle nicht hin, wiewohl sie ewig ist, denn deshalb ist sie ja ewig.“ Bezüglich seiner Stellung zu der katholischen Lehre von der Erbsünde erhob sich ein Streit zwischen Augustinus und Julianus von Eclanum. In einer jetzt, wie es scheint, verlorenen Hom. de baptizatis hatte Chrysostomus gelegentlich einer Aufzählung der Gnadenwirkungen der Taufe den Say fallen lassen: „Deshalb taufen wir auch die unmündigen Kinder, wiewohl dieselben keineSünden haben." Julianus (in seinen Libri IV ad Turbantium episc.) glaubte hier die pelagianische Leugnung der Erbsünde konstatieren zu können. Augustinus (Contra Iulianum I, 22: Migne, P. lat. XLIV, 655-656) erklärte mit Recht, es sei von persönlichen Sünden (propria peccata) die Rede, wie dies schon der Plural andeute und der weitere Zusammenhang unverkennbar beweise; eine Erbsünde bekenne Chrysostomus an manchen anderen Stellen auf das unzweideutigste. Fünf solcher anderweitigen Äußerungen konnte Augustinus namhaft machen: Ep. 3 ad Olymp. c. 3: P. gr. LII, 574; De resuscitat. Lazari (?); Hom. 9 in Gen. n. 4: LIII, 78—79; Hom. de baptizatis (?); Hom. 10 in Rom. n. 1. 2. 4: LX, 475-476. 479-480. An allen diesen Stellen, soweit sie sich anders heute nachweisen lassen, namentlich auch in der zuletzt angeführten Auslegung der Worte Röm. 5, 12 ff., wird übrigens Chrysostomus der Auffassung des Hl. Augustinus vom Wesen der Erbsünde doch nicht ihrem ganzen Umfange nach gerecht. Er betont wieder und wieder, dass die Folgen oder Strafen der ersten Sünde außer den Stammeltern auch die sämtlichen Nachkommen derselben treffen, aber er sagt nicht, dass die Sünde selbst auf die Nachkommen übergehe und letzteren von Natur anhafte. Zur richtigen Würdigung seiner Ausführungen ist indessen wohl zu beachten, dass er fort und fort manichäischen Irrtümern gegenüber die Verteidigung der menschlichen Freiheit sich angelegen sein lässt und insbesondere die Annahme einer physisch nötigenden Konkupiszenz als eine die Grundlagen der Sittlichkeit untergrabende Irrlehre mit allem Eifer bekämpft. In Rücksicht auf seine Beziehungen zum Pelagianismus ist außerdem an das von Augustinus bei anderer Gelegenheit (De praedest. sanctorum c. 14 n. 27: Migne, P. lat. XLIV, 980) gebrauchte Wort zu erinnern: Quid opus est ut eorum scrutemur opuscula qui, priusquam ista haeresis oriretur, non habuerunt necessitatem in hac difficili ad solvendum quaestione versari? quod procul dubio facerent, si respondere talibus cogerentur. - Der Umstand, dass Theodor von Mopsuestia der Vater des Nestorianismus wurde, legt die Frage nahe, wie sein Freund zu dieser Lehre sich verhalten. Chrysostomus betont mit allem Nachdruck die Wahrheit und Unversehrtheit der beiden Naturen in Christus: Christus war dem Vater wesensgleich (Hom. 1 in Matth. n. 2: P. gr. LVII, 17; Hom. 4 c. Anomoeos n. 4: XLVIII, 732 u. s. f.), und er hatte zugleich auch menschliches Fleisch (nach Röm. 8, 3), zwar nicht sündhaft wie das unsrige, aber der Natur nach dem unsrigen gleich (Hom. 13 in Röm. n. 5: LX, 515; vgl. des weiteren Hom. 7 in Phil. n. 2-3: LXII, 229-232). Trotz dieser Zweiheit der Naturen ist ein Christus: „Bleibend, was er war, nahm er an, was er nicht war, und Fleisch geworden, blieb er Gott das Wort"... „Das eine wurde er, dies nahm er an, das andere war er. Also keine Vermischung, aber auch keine Trennung! Ein Gott, ein Christus, der Sohn Gottes (vgl. 1 Tim. 2, 5)! Wenn ich aber sage "einer" (ein Christus), so will ich damit eine Vereinigung behaupten, nicht eine Vermischung, indem nicht die Natur in sie andere verwandelt, sondern mit der anderen vereinigt worden ist" (Hom. 7 in Phil. n. 2. 3: LXII, 231. 232). Während Theodor umständlich zu zeigen versucht, dass die Vereinigung der beiden Naturen in Christus nur eine ethische sein könne, nicht eine physische, begnügt sich Chrysostomus mit allgemeiner gehaltenen, mehr populären Ausdrücken und Wendungen. Auch wenn dies nicht der Fall wäre, würde es nicht ins Gewicht fallen, dass auch er, ganz wie Theodor, den Logos in dem Menschen Christus wie in einem Tempel wohnen lässt (In ps. 44, 3: LV, 186; vgl. die zweifelhafte Stelle In Prov. 9, 1: LXIV, 680). Aber freilich tritt überhaupt die Wahrheit von der Einpersönlichkeit des Gottmenschen in den Schriften des Hl. Chrysostomus nicht ganz klar zu Tage; in seiner Darstellung bleiben gewissermaßen Gottheit und Menschheit geschieden und gesondert nebeneinander stehen; ein einheitliches persönliches Prinzip oder Subjekt alles Lebens und Leidens in Christus kommt nicht recht zum Durchbruch. Chrysostomus steht noch unter dem Bann jener antiochenischen Schulmeinung, welche die menschliche Natur in Christus nach Möglichkeit verselbständigen zu müssen glaubt, indem sie bald mehr bald weniger bewusst der Voraussetzung huldigt, zur Vollständigkeit der menschlichen Natur gehöre auch eine eigene (rein menschliche) Persönlichkeit. Eines besonderen Rufes erfreut sich Chrysostomus in der Geschichte der Lehre von der heiligen Eucharistie, wie er denn auch gerne doctor eucharistiae genannt wird. Seine diesbezüglichen Zeugnisse sind ebenso zahlreich wie eingehend und bestimmt. Auf den Altar hinweisend, sagt er: „Christus liegt geschlachtet da“ (Hom. 1 und Hom. 2 de prodit. Iudae n. 6: XLIX, 381 u. 390). „Sein Leib liegt jetzt vor uns" (Hom. 50 in Matth. n. 2: LVIII, 507). „Das, was dort im Kelch ist, ist dasselbe wie das, was aus der Seite (Christi) floss.“ „Was ist das Brot? Christi Leib" (Hom. 24 in I Cor. n. 1. 2: LXI, 200). „Bedenke, o Mensch, welches Opferfleisch du in die Hand nehmen (man empfing die heilige Kommunion in die rechte Hand), welchem Tische du dich nahen willst. Erwäge doch, dass du, Staub und Asche, das Blut und den Leib Christi empfängst" (Hom. in diem nat. D. N. I. Chr. n. 7: XLIX, 361). Um die Wahrheit und Wirklichkeit der Gegenwart des Herrn wo möglich noch bestimmter auszusprechen, liebt es Chrysostomus, das, was von den Akzidentien des Brotes und des Weines gilt, auf die Substanz des Leibes und des Blutes zu übertragen. Wir sollten, sagt er, den Herrn nicht bloß sehen, sondern auch in die Hand nehmen und essen und die Zähne in das Kleid drücken und auf das innigste uns mit ihm vereinigen" (Hom. 46 in Ioan. n. 3: LIX, 260). "Was der Herr am Kreuz nicht duldete," dass nämlich ein Bein an ihm gebrochen würde, „das duldet er jetzt beim Opfer um deinetwillen, und er lässt sich in Stücke brechen, um alle zu sättigen“ (Hom. 24 in I Cor. n. 2: LXI, 200). Übrigens liest Chrysostomus 1 Kor. 11, 24: und ist der Herr nach ihm auch beim letzten Abendmahl gebrochen worden (Hom. 27 in I Cor. n. 3-4: LXI, 228-229). Wenn er auf der anderen Seite sehr häufig bald den Altar bald den Kommunizierenden bzw. dessen Zunge von dem Blut des Herrn gerötet werden lässt (Hom. 24 in I Cor. n. 1: LXI, 200; De sacerd. III, 4: XLVIII, 642; Hom. 82 in Matth. n. 5: LVIII, 743; Catech. 2 ad illumin. c. 2: XLIX, 234 u. s. f.), so ist vielleicht zur vollen Würdigung dieser Ausdrucksweise auf den Gebrauch roten Weines bei der heiligen Messe zu rekurrieren. Es wird also der Leib und das Blut des Herrn geopfert und genossen. Der Opferpriester aber und der Gastgeber ist wiederum der Herr. „Glaubet, dass jetzt eben jenes Mahl stattfindet, bei welchem er (Christus) selbst zu Tische lag. Jenes nämlich ist von diesem Mahl gar nicht verschieden . Denn es wird nicht etwa dieses Mahl von einem Menschen, jenes aber von ihm selbst bereitet, sondern dieses sowohl wie jenes wird von ihm selbst bereitet" (Hom. 50 in Matth. n. 3: LVIII, 507). „Heute noch wie damals ist es der Herr, der alles wirkt und darreicht" (Hom. 27 in I Kor. n. 4: LXI, 229). Der Priester fungiert am Altare nur als Werkzeug in der Hand des Herrn. „Wir nehmen die Stelle von Dienern ein; er aber ist es, der es (das Vorliegende) weiht und verwandelt“ (Hom. 82 in Matth. n. 5: LVIII, 744). "Denn nicht ein Mensch ist es, der bewirkt, dass das Vorliegende der Leib und das Blut Christi wird, sondern der für uns gekreuzigte Christus selbst. Der Priester steht da als Stellvertreter, indem er jene Worte ausspricht; die Macht aber und die Gnade ist die des Herrn. Dies ist mein Leib', sagt er. Dieses Wort verwandelt das Vorliegende" (Hom. 1 und, fast wörtlich übereinstimmend, auch Hom. 2 de prodit. Iudae n. 6: XLIX, 380 u. 389). Seltsamerweise ist Chrysostomus, unter Berufung auf einen Brief ad Caesarium monachum, früher nicht selten als Vertreter der Konsubstantiationslehre ausgegeben worden. Aber jener Brief ist sehr wahrscheinlich unecht, und wenn derselbe sagt, das Brot werde nach der Konsekration dominicum corpus genannt, etiamsi natura panis in ipso permansit (LII, 758; der griechische Wortlaut ist nicht erhalten), so ist unter natura panis laut dem Zusammenhange die äußere Erscheinungsform des Brotes im Gegensatze zur Substanz desselben verstanden.

14. Gesamtausgaben und Einzelausgaben. Dank der großen Beliebtheit und der weiten Verbreitung der Schriften des hl. Chrysostomus liegt zur Feststellung des Textes derselben ein außerordentlich reiches und zugleich vortreffliches Material vor, zum Teil aus griechischen Handschriften, zum Teil aus alten Übersetzungen bestehend. Bisher ist nur ein verschwindender Bruchteil dieses Materials verwertet worden. Gesamtausgaben der Werke des Hl. Chrysostomus veranstalteten namentlich der Jesuit Fronton du Duc (Fronto Ducaeus), der Anglikaner H. Savile und der Mauriner B. de Montfaucon. Die Ausgabe Frontons erschien 1609-1633 zu Paris in 12 Foliobänden (griech. u. lat.) und wurde wiederholt von neuem aufgelegt: Paris 1636, Frankfurt a. M. 1697-1698, Mainz 1702, Frankfurt 1723. Vgl. A. de Backer, Bibliothèque des écrivains de la Compagnie de Jésus, nouv. éd. T. I. col. 1669-1671. Die Edition Saviles trat 1612 zu Eton (unweit Windsor) ans Licht in 8 Folianten (nur griech.). Die Ausgabe de Montfaucons endlich erschien zuerst 1718-1738 zu Paris in 13 Foliobänden (griech. und lat.), ward nachgedruckt zu Venedig 1734-1741 (13 Foliobände) und wiederum zu Venedig 1780 (14 Quartbände), und erlebte noch eine hie und da verbesserte Auflage 1834-1840 zu Paris (13 Großoktavbände). Ein erneuter Abdruck der Ausgabe de Montfaucons, freilich um ein reichhaltiges supplementum vermehrt, auch bei Migne, P. gr. XLVII-LXIV; nur die 90 Homilien zu Matthäus gibt Migne 1. c. LVII-LVIII nicht nach de Montfaucon, sondern nach der inzwischen erschienenen Separatausgabe Fields (f. weiter unten). Neuere Forscher begegnen sich in dem Urteil, dass unter den genannten Herausgebern Savile den besten Text biete, dass de Montfaucon zu seiner Ausgabe, wenigstens soweit die Kritik des Textes in Frage kommt, wohl nur den Namen hergegeben habe, dass jedenfalls noch sehr viel zu tun bleibe. S. P. de Lagarde, Ankündigung einer neuen Ausgabe der griech. Übersetzung des Alten Testamentes. Gött. 1882. 8°. . 50. Beiträge zu einer systematischen Kollationierung der Handschriften lieferte J. Paulson in den Abhandlungen Symbolae ad Chrysostomum Patrem. I-II. Lundae 1889 ad 1890. 4o, und Notice sur un manuskrit de St. Jean Chrysostome utilisé par Erasme et conservé à la bibliothèque royale de Stockholm. Lund. 1890. 8°.

Seit dem Erscheinen der Ausgabe de Montfaucons haben einige Schriften des Hl. Chrysostomus eine neue textkritische Bearbeitung erfahren. Um die sechs Bücher De sacerd. hat J. A. Bengel († 1752) sich verdient gemacht. Seine Ausgabe erschien 1725 zu Stuttgart in 8° (griech. und lat.). Der griechische Text derselben fand durch eine Tauchnische Stereotypausgabe, Leipzig 1825. 1865. 1872. 1887, weitere Verbreitung. Bengels Textrezension bildet aber auch die Grundlage der Separatausgaben der Schrift De sacerd. von E. Leo, Leipzig 1834. 8° (nur griech.), und von C. Seltmann, Münster und Paderborn 1887. 8° (nur griech.). Eine neue Textrezension unternahm der Grieche D. Euelpides; er hat indessen, soviel ich weiß, nur den ersten Teil" seiner Ausgabe, die Einleitung und das erste Buch enthaltend, der Öffentlichkeit übergeben, Athen 1867. 8°. Chr. Fr. Matthäi widmete namentlich der Berichtigung mehrerer Homilien, welche de Montfaucon zuerst herausgegeben hatte, sehr dankenswerte Mühen. Seine diesbezüglichen Schriften sind bei Fabricius-Harles, Bibl. Gr. VIII, 575, verzeichnet. Unter der Aufschrift Novae ex Ioanne Chrys. eclogae LII stellte Matthäi aus den verschiedensten Schriften des Heiligen 52 Abschnitte zusammen, welche der Form wie dem Inhalt nach besondere Beachtung zu verdienen schienen, Moskau und Leipzig 1807. 8°. Einer gründlichen Bearbeitung wurde der Text der 90 Homilien zu Matthäus sowie der Text der sämtlichen Homilien zu den paulinischen Briefen durch Fr. Field unterzogen. Er edierte die ersteren 1839 zu Cambridge in 3 Bdn. 8° (griech.), die letzteren 1849-1855 zu Orford in 5 Bdn. 8° (griech.). In Deutschland sind diese Ausgaben Fields wenig bekannt geworden. Auch einzelne Homilien wurden in mehr oder weniger berichtigter Tertgestalt herausgegeben; so in neuerer Zeit die zweifelhafte oder unechte Hom. de beato Abraham (L, 737-746) von L. de Sinner, Paris 1835. 8°; die Hom. in Flaviani episc. reditum (Hom. 21 de statuis: XLIX, 211–222) von L. de Sinner, Paris 1842. 8°, von E. Ragon, Paris 1887. 1893. 18°; die Oratio Flaviani ad Theodosium (Hom. 21 de statuis n. 3) auch von M. Gidel, Paris 1886. 12; die Hom. in Eutropium (LII, 391-396) von Fr. Dübner und E. Lefranc, Paris 1855. 8o, von E. Sommer, Paris 1889. 1890. 1893. 12o, von J. G. Beane, Paris 1893. 18°; die Hom. 20 in I Cor. (LXI, 159-170) von A. R. Alvin, Linköping 1885. 8°. Eine kleine Auswahl von Schriften des Heiligen, Ioannis Chrys. opera praestantissima, veröffentlichte Fr. W. Lomler 1840 zu Rudolstadt sowohl griechisch und lateinisch in 4o als auch bloß griechisch in 8°. Weit reichhaltiger und zugleich auch auf viel umfassenderen handschriftlichen Studien beruhend ist Fr. Dübners Sammlung: S. Ioannis Chrys. opera selecta graece et lat. Vol. I (unic.). Paris. 1861. 8°. Zu dem ersten Buche De compunctione (XLVII, 393-410) vgl. S. Haidacher, Eine interpolierte Stelle in des hl. Chrysostomus Büchlein ad Demetrium monachum: Zeitschr. f. kath. Theol. Bd. XVIII (1894). S. 405 bis 411. Die sogen. Liturgie des hl. Chrysostomus bildet den Inhalt einer durch P. Batiffol (Les manuskrits grecs de Bérat d'Albanie et le codex purpureus . Paris 1886. 8°. p. 14) bekannt gewordenen Handschrift auf Purpur in Silbertinte aus dem 12. Jahrhundert. Neuere Ausgaben dieser Liturgie von H. A. Daniel, Codex liturgicus ecclesiae orient. (Cod. lit. eccl. univ. T. IV). Lips. 1853. 8°. p. 327-420; von C. A. Swainson, The Greek Liturgies chiefly from original authorities.