Pension Kleine Möwe Band 3: Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten - Lynda Lys - E-Book
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Pension Kleine Möwe Band 3: Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten E-Book

Lynda Lys

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Beschreibung

Der Sommer auf Sylt neigt sich dem Ende zu und der Herbst steht vor der Tür. Wencke Fries kann endlich kürzertreten und hat mehr Zeit für sich und ihre Kinder. Ihr Mann, der Rechtsanwalt Haro Fries, wird nach Flensburg gebeten, um eine neue Kollegin einzuarbeiten. Je öfter Haro auch über Nacht wegbleibt, desto mehr Zweifel hat Wencke an der Treue ihres Gatten. War da etwa mehr? Nicht nur Wenckes Welt gerät ins Wanken! Da sind auch Aileen, die das Vergessen auf der Insel Sylt sucht und Lotte, die ihre Kinder endlich loslassen sollte.
Es ist schmerzlich! Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen. Dieser Spruch hat bis heute nichts von seiner Bedeutung verloren.

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Lynda Lys/Eliza Simon

 

 

Pension Kleine MöweBand 3 

Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten

 

 

 

 

Sylt-Roman

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Lektorat und Redaktion: Kerstin Peschel

Cover: © by Steve Mayer, 2021

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

Epilog 

Über die Autoren 

Weitere Romane und Kurzgeschichten von Lynda Lys lieferbar: 

 

Das Buch

 

 

 

Der Sommer auf Sylt neigt sich dem Ende zu und der Herbst steht vor der Tür. Wencke Fries kann endlich kürzertreten und hat mehr Zeit für sich und ihre Kinder. Ihr Mann, der Rechtsanwalt Haro Fries, wird nach Flensburg gebeten, um eine neue Kollegin einzuarbeiten. Je öfter Haro auch über Nacht wegbleibt, desto mehr Zweifel hat Wencke an der Treue ihres Gatten. War da etwa mehr? Nicht nur Wenckes Welt gerät ins Wanken! Da sind auch Aileen, die das Vergessen auf der Insel Sylt sucht und Lotte, die ihre Kinder endlich loslassen sollte.

Es ist schmerzlich! Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen. Dieser Spruch hat bis heute nichts von seiner Bedeutung verloren.

 

 

***

 

 

1. Kapitel

 

Die Tage des Sommers zogen wie Wolken vorüber und der Herbst pochte mit seinen kalten, feuchten Fingern an jede Tür.

Um die Pension Kleine Möwe wurde es etwas ruhiger. Wencke Fries vermietete zu dieser Jahreszeit nicht mehr durchgehend alle Gästezimmer, denn das Hauptgeschäft lief zumeist in den Sommermonaten. Dennoch waren die daraus bezogenen Einnahmen der Eheleute Wencke und Haro Fries, die die kleine Pension auf Sylt von Haros Onkel Heiko Brodersen geerbt hatten, ausreichend. Außerdem führte Haro eine gut gehende kleine Anwaltskanzlei in Kampen und sicherte somit den Lebensunterhalt für sich, seine Frau sowie die beiden Kinder.

Wencke deckte gerade den Tisch fürs Abendbrot, als Haro die Tür aufschloss. Mia, ihre sechsjährige Tochter, rannte zur Haustür, um ihren Vater zu begrüßen.

»Papa, Papa, schau mal«, rief sie aufgeregt und wedelte mit einem Blatt Papier. »Ich habe heute in der Schule von meiner Lehrerin ein Fleißbienchen erhalten.« Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet und sie strahlte über das ganze Gesicht.

Lachend beugte Haro sich zu seiner kleinen Tochter hinunter und fing sie in seinen Armen auf. »Du bist nicht nur ein fleißiges Bienchen, sondern ein schlaues noch dazu«, lachte er und drückte Mia fest an sich.

Es dauerte keine Minute, da kam Janis, der vierjährige Sohn der Familie Fries, ebenfalls um die Ecke geschossen. Auch er schwenkte ein Blatt Papier in der Hand und rief von Weitem: »Ich habe auch was Schönes aus dem Kindergarten mitgebracht. Hier …« Stolz hielt er seinem Vater ein gemaltes Bild entgegen. Haro nahm es an sich und betrachtete die Zeichnung. Ein Haus mit einem Garten, im Hintergrund blaue Wellen und eine dicke gelbe Sonne.

»Das ist ein schönes Haus, das du da gemalt hast«, lobte er Janis. Der kleine Knirps schob seine Unterlippe ein wenig nach vorn und verschränkte seine Arme vor der Brust.

»Das ist kein Haus«, erwiderte er beleidigt. »Das ist doch unsere Pension«, sagte er vorwurfsvoll. Haro schlug sich vor die Stirn.

»Ach so, ja klar, natürlich. Das sieht man eindeutig, entschuldige bitte, Janis. Das hast du wirklich prima gemalt.« Er nahm den Steppke auf den Arm und küsste ihn auf die Wange. Er stellte ihn zurück auf den Boden und zog sich das Jackett und die Schuhe aus. Die Kinder rannten in die Küche und setzten sich an den Tisch. Wencke nahm die Pfanne vom Herd, legte jedem ein Schnitzel auf den Teller und tat die Kartoffeln sowie das Gemüse dazu. Haro begrüßte seine Frau mit einem Kuss und setzte sich zu den Kindern.

»Gott sei Dank ist Wochenende«, stöhnte er und krempelte seine Hemdsärmel nach oben.

»So viel zu tun in der Kanzlei?«, erkundigte Wencke sich und nahm ebenfalls am Esstisch Platz.

»Ach nein, in meiner eigenen Kanzlei in Kampen hält es sich in Grenzen. Aber in unserer Flensburger Hauptzentrale, dort brummt es richtig. Ich hatte in den letzten Tagen längere Telefonate mit denen geführt. Meine Partner haben einen großen Fisch an Land gezogen, eine große Flensburger Dienstleistungsfirma. Die haben ihre hauseigenen Anwälte vor die Tür gesetzt und bei uns angefragt, ob wir die Mandantschaft übernehmen würden. Du weißt, wir sind eine sehr renommierte Anwaltskanzlei mit einer Vielfalt von Anwälten in den verschiedensten Rechtsgebieten. Wir wären schon die Richtigen dafür, aber …« Haro schwieg.

»Aber was?«, hinterfragte Wencke.

»Sie benötigen meine Hilfe.«

»Ach ja? Wie sollst du denn von Sylt aus helfen?«

»Nicht von Sylt aus.« Haro schwieg und schaute leicht betreten auf seinen Teller.

»Nun lass dir doch nicht alles einzeln aus der Nase ziehen, Haro«, antwortete Wencke und eine klitzekleine Falte zeichnete sich auf ihrer Stirn ab. Sie mochte es nicht, wenn ihr Ehemann immer um den heißen Brei sprach, bevor er mit der Wahrheit herausrückte. »Was heißt es im Klartext?«, bohrte Wencke weiter.

»Ich, ich …«, stotterte Haro und schaute sie treuherzig an. »Ich werde die kommenden Wochen ab und an pendeln müssen. Ich werde meine Partner in Flensburg unterstützen. Aber nur so lange, bis die neue Kollegin, die sie am Anfang dieses Monats eingestellt haben, eingearbeitet ist. Sie kommt aus München, Frau Patricia Auerbach. Ich habe sie bereits kennengelernt.«

Erschöpft von dem langen Monolog holte er tief Luft und grinste seine Frau mit einem schiefen Lächeln an.

Wencke sah es gelassen und zuckte mit den Schultern. »Das ist doch völlig in Ordnung, wenn du deinen Partnern hilfst. Ich finde es nicht schlimm, wenn du pendelst. In der Pension ist zurzeit ohnehin nicht ganz so viel zu tun.«

»Hm, mit pendeln meinte ich aber nicht, dass ich morgens hin und abends zurückfahre.«

»Aha«, antwortete Wencke und schaute ihn fragend an. »Wie meinst du es dann?«

»Patricia und ich … ähm, ich meinte Frau Auerbach und ich haben uns darauf geeinigt, dass es sinnvoller wäre, tageweise dortzubleiben.« Jetzt war es raus und Haro fuhr hastig fort. »Wir dachten, es wäre besser, wenn ich donnerstags nach Flensburg rüberfahre, eine Nacht im Hotel übernachte und Freitagabend wieder zurückkomme. Und wenn es erforderlich wäre, dann würde ich bis Samstag bleiben.«

»So, so, das dachtet ihr«, murmelte Wencke. »Das klingt aber eher schon wie fest abgemacht.«

»Eigentlich schon«, nickte Haro und schob sich schnell eine Gabel voll Gemüse in den Mund. »Wir können ja noch mal in Ruhe darüber reden, wenn die Kinder im Bett sind«, nuschelte er und Wencke nickte wortlos.

 

 

2. Kapitel

 

»Dieser Mistkerl«, schniefte Aileen in ihr Handy und zog sich die helle Kuscheldecke über ihre Füße. Sie lag auf der Couch und hatte ihre Freundin Gina Fernandez in der Leitung. »Er hat gerade alle seine Kisten abgeholt.«

»Du hast Jeff einfach vor die Tür gesetzt?«, fragte Gina ungläubig.

»Na klar, wo denkst du hin!«, schnaubte Aileen. »Gleich gestern noch.«

»Und wenn es nun doch nur ein Ausrutscher war?«, meinte Gina vorsichtig.

»Sag mal, spinnst du? Ein Ausrutscher! Ha, dass ich nicht lache … ein Ausrutscher. Ihn mit einer Teamkollegin seines Tischtennisvereins im eigenen Bett vorzufinden, ist doch kein Ausrutscher. Das war geplant. Er hatte nur nicht damit gerechnet, dass ich gestern früher als erwartet von der Dienstreise zurückkomme. Pech für ihn, Glück für mich. Sonst hätte ich es womöglich nie erfahren, dass er mich betrügt.« Aileens Worte überschlugen sich fast vor Wut und ihre Stimme fing an zu kieksen. Ihre Tonlage wurde immer um einige Oktaven höher und schriller, wenn sie sich in Rage redete.

Gina war eine geduldige Zuhörerin. Es war Samstagmittag und Gina, die eigentlich bei diesem nasskalten Wetter in die Sauna wollte, saß an ihrem Küchentisch, neben sich die gepackte Saunatasche, und hörte sich seit fast einer Stunde Aileens Gejammere an.

»Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als ich gestern Mittag nach Hause gekommen bin. Kreidebleich war er geworden. Und wie er rumgestottert hatte … ›Äh, äh, was machst du denn hier?‹«, äffte Aileen ihren Ex-Freund nach. »Na, und als Sabrina aus dem Schlafzimmer kam, war mir alles klar.« Aileens Stimme klang traurig.

»Ach komm, der Kerl ist es nicht wert, dass du ihm nachtrauerst. Du hast weiß Gott was Besseres verdient«, tröstete Gina sie. »Sag mal, hast du nicht noch ein paar Tage Urlaub?«, wollte Gina wissen und Aileen horchte auf.

»Ja, ich glaube noch vier oder fünf Tage, warum?«

»Was hältst du davon ein paar Tage wegzufahren? Einfach mal den Kopf frei bekommen und in Ruhe darüber nachdenken, wie es jetzt weitergehen soll. Ich habe auch noch eine Woche Resturlaub. Lass uns beide irgendwo hinfahren und mal so richtig ausspannen. Was meinst du?«, fragte Gina.

»Ach, ich weiß nicht. Wo wollen wir denn hin, bei diesem miesen Wetter? Und in den Süden fliegen lohnt nicht«, antwortete Aileen schlapp.

»Lass uns nach Sylt fahren. Das ist nicht so weit weg und jetzt um diese Jahreszeit sicher auch nicht mehr so von Touristen überlaufen. Wenn du willst, schaue ich mal, ob wir eine kleine nette Pension finden. Bist du dabei?«

Aileen seufzte. »O. k., ich bin dabei. Ich kläre nächste Woche Montag in der Firma, wann ich freinehmen kann und gebe dir über WhatsApp Bescheid.«

 

*

 

Die Sache mit Jeffs Auszug hatte sich schnell erledigt. Da er erst vor einem halben Jahr nur mit seinen persönlichen Klamotten zu Aileen in die Wohnung gezogen war, hatte er nicht den geringsten Anspruch auf irgendwelche Möbelstücke oder sonstige Gegenstände. Aileen hatte noch am selben Tag, als sie ihn in flagranti mit Sabrina erwischt hatte, aus dem in ihrer Nähe liegenden Supermarkt ein paar stabile Kartons organisiert, sogenannte Bananenkartons, warf all seine Kleidung und persönlichen Sachen in die Kisten, verklebte sie mit breitem Klebeband und stapelte sie im Flur. Sie schrieb Jeff eine WhatsApp:

»Dein persönliches Hab und Gut steht hier in der Diele und ist bis spätestens morgen Abend abzuholen. Solltest du nicht erscheinen, landen alle Kisten auf dem Hof neben den Mülltonnen. PS: Vergiss nicht den Wohnungsschlüssel mitzubringen! Aileen«

Sie drückte auf Senden und atmete erleichtert auf.

 

*

 

Nachdem Jeff nun am Vormittag alle Kisten abgeholt hatte, ging es ihr bedeutend besser. Zwar hatte er versucht, Aileen in ein Gespräch zu verwickeln, doch sie hatte ihn eiskalt abblitzen lassen, ihm wortlos den Wohnungsschlüssel abgenommen, alle Kisten in den Treppenflur geschoben und die Wohnungstür vor seiner Nase zugeknallt. Sie war fertig mit ihm!

 

*

 

Wie sagte ihre Mutter immer: Hinfallen, Aufstehen, Krone richten, Weitergehen! Und genau das tat sie jetzt. Sie strampelte die Decke weg, erhob sich von der Couch und ging ins Bad. Dort wusch sie die Spuren ihrer vergossenen Tränen weg, legte ein dezentes Make-up auf und begab sich anschließend ins Schlafzimmer. Sie zog ihre Jogginghose und den Schlabberpulli aus und schlüpfte in ihre schwarze Jeans. Sie nahm ihren hellgrauen Lieblingspullover aus dem Schrank und zog ihn über. »Ich kaufe mir jetzt was Schönes«, murmelte sie ihrem Spiegelbild entgegen und legte ein schiefes Grinsen auf. »Shoppen hilft immer!«

Im Flur streifte sie die schwarzen Stiefeletten über und nahm die dunkelgraue Windjacke vom Haken. Sie schlang sich den edlen Seidenschal – ein Geschenk von Jeff – um, kämmte sich durch ihre langen schwarzen Haare und schnappte sich die Autoschlüssel. Sie verschloss die Wohnungstür und lief das Treppenhaus hinunter. Draußen wurde es bereits schummerig, obwohl es erst nachmittags war. Aileen stand auf der Straße und überlegte kurz, wo sie ihren Wagen geparkt hatte, anschließend marschierte sie los. Der Wind ließ einige herabgefallene Blätter auf dem Gehweg tanzen und über sich hörte sie das Gekrächze von einem Schwarm Zugvögel, der auf dem Weg nach Süden war.

 

*

 

Am Montagmorgen war Aileens erster Gang zu ihrem Chef. Sie beantragte dort ihren Resturlaub und ihr Vorgesetzter genehmigte ihn sofort für die kommende Woche, denn er war froh, dass seine Angestellte die Urlaubstage nicht mit ins nächste Jahr rüber nahm. In ihrer Mittagspause rief Aileen Gina an.

»Hallo Gina, nächste Woche habe ich Urlaub, also wenn du noch willst, lass uns nach Sylt fahren. Kümmerst du dich um die Unterkunft?«

»Na klar mach ich das. Ich habe sogar am Sonntag schon mal im Internet geschaut. Ich habe eine kleine Pension in Westerland gefunden. Total süß, sag ich dir, Pension Kleine Möwe. Ich schicke heute Abend gleich eine Mail raus, wenn es dir recht ist.«

»Ach Gina, du bist die Beste! Wie lange wollen wir denn bleiben?«, fragte Aileen und schaute auf den Wandkalender, der im Pausenraum an der Wand hing.

»Lass uns doch gleich am Freitag nach Arbeit losfahren. Von Hamburg nach Westerland ist es nicht weit. Ich buche von Freitag zu Freitag, dann haben wir noch das Wochenende frei, bevor wir wieder arbeiten müssen.«

»Super, so machen wir es. Melde dich heute Abend, wenn du die Pension gebucht hast«, bat Aileen und beendete das Telefonat.

 

*

 

Am Freitag nach Dienstschluss brachen die beiden Freundinnen nach Sylt auf. Aileen hatte sich angeboten, mit ihrem Wagen zu fahren, was Gina gerne annahm. Mit ihrer alten Klapperkiste wollte sie die Fahrt nicht wagen. Gegen frühen Abend rumpelte das kleine grüne Auto vom Autozug und die beiden Mädels saßen mit langen Gesichtern im Wageninneren. Es goss in Strömen, der Wind pfiff um das Auto herum und der Himmel war mit dicken Wolken verhangen.

»So habe ich mir den Urlaub aber nicht vorgestellt«, maulte Gina und blickte missmutig aus dem Seitenfenster. Aileen boxte sie leicht in die Seite.

»Ach komm du Miesepeter. Es wird nicht die ganze Woche durchregnen.« Sie drehte das Radio etwas lauter und fing an, ein Lied von Helene Fischer mitzusingen. Nun musste Gina doch lachen.

»Du hast recht. Und wenn das Wetter so bleibt, dann leg’ ich meinen zarten Hintern den ganzen Tag ins Bett, das glaub’ mir mal.« Sie kicherten was das Zeug hielt und keine zehn Minuten später parkten sie vor der Pension Kleine Möwe.

Sie stiegen aus, zogen die Kapuzen ihrer Jacken über die Köpfe und öffneten das Gartentor. Sie rannten durch den Garten und blieben vor der großen Eingangstür stehen. Aileen wollte gerade klingeln, als diese aufschwang. Eine junge Frau stand im Türrahmen, vor ihr zwei kleine Kinder in gelben Friesenjacken und Gummistiefeln an den Füßen.

Wencke Fries lächelte freundlich. »Sie müssen Frau Fernandez sein«, vermutete sie und blickte Aileen an.

»Nein, ich bin Aileen Berger, das ist Gina Fernandez«, erwiderte Aileen und schob Gina ein klein wenig in den Vordergrund.

»Mutti, können wir jetzt in den Garten?«, drängelte Janis und zog seiner Mutter am Pullover.

»Ja, los ab, aber bitte nicht so doll in die Pfützen springen, sonst seid ihr im Nu pitschnass, verstanden!« Die beiden Kinder nickten und stoben mit Geheul los.

»Entschuldigen Sie«, sagte Wencke zu den beiden jungen Damen. »Aber die Kinder wollten unbedingt bei diesem Regen raus. Einen Moment bitte, ich ziehe mir nur schnell eine Jacke über, dann können wir gemeinsam ins Büro hinübergehen. Dort können wir die Anmeldeformalitäten erledigen und anschließend zeige ich Ihnen Ihr Zimmer.« Wencke schlüpfte in ihre Regenjacke und nahm einen Schlüssel aus der Flurkommode. Gemeinsam ging sie mit Aileen und Gina zum Nebengelass, wo sich ihr neues Büro befand. Vor knapp zwei Monaten war dieser Raum noch ein provisorisches Gästezimmer für ihre Schwiegereltern gewesen, doch mittlerweile befand sich das Büro von ihr und Haro darin.

Sie schloss die Tür auf und alle traten ein. Das Büro war schlicht, aber geschmackvoll eingerichtet. Der anthrazitfarbene Laminatfußboden ließ die hellen Büromöbel gut zur Geltung kommen und zwei große Fenster spendeten am Tage genügend Licht, wenn es nicht gerade in Strömen regnete. Wencke schaltete die Deckenbeleuchtung ein. Warmes Licht durchflutete den Raum und sie bat die beiden Damen, in der kleinen Sitzgruppe Platz zu nehmen, um das Anmeldeformular auszufüllen. Sie nahm den Schlüssel des Möwenzimmers vom Schlüsselbrett und wartete geduldig auf Gina und Aileen, die eifrig ihre Daten in dem Formular eintrugen.

Zurzeit erledigte Wencke alles allein, denn Haro war seit Donnerstag früh auf Dienstreise in Flensburg. Als die drei das Büro verließen, hatte der Regen fast aufgehört. Der Himmel war noch immer mit dicken grauen Wolken verhangen und ein frischer Wind wehte.

Gina und Aileen staunten nicht schlecht, als sie kurz darauf das Möwenzimmer betraten. Es strahlte eine Gemütlichkeit aus und sie freuten sich auf die kommenden Tage.

»Schade, dass Sylt sich heute von seiner schlechteren Seite zeigt«, bedauerte Wencke, »aber der Wetterbericht sagt für die kommenden Tage keinen Regen voraus.«

»Na Gott sei Dank! Ich dachte schon, wir müssen die ganze Zeit im Zimmer hocken«, lachte Gina. »Wir werden erst einmal unsere Taschen auspacken und anschließend ein Restaurant aufsuchen. Ich sterbe vor Hunger.«

 

*

 

Etwa eine Stunde später kehrten Gina und Aileen in der Innenstadt von Westerland lachend in eine Gaststätte ein und fanden schnell einen freien Tisch am Fenster, auf den sie sofort zusteuerten. Wenig später ließen sie sich die von einer flinken Kellnerin servierten Kutterscholle mit Bratkartoffeln und Speck schmecken. Beide sahen sich während des Essens nur hin und wieder entzückt und glücklich an, sprachen aber kein Wort. Als die Teller leergeputzt waren, lehnte Gina sich in ihrem Stuhl nach hinten, prustete und rieb sich ihren Bauch. »Ich bin so satt, ich mag kein Blatt. Mäh! Mäh!«

Aileen lachte lauthals. »Mir geht es ebenso. Gut, dass wir das Auto vor der Pension stehen gelassen haben. Wir werden jetzt schön an der Strandpromenade entlangbummeln und anschließend zur Kleinen Möwe zurücklaufen. Danach wird das Völlegefühl sicher nachlassen.«

Sie zahlten und verließen das Restaurant.

»Können wir uns vorher am Bahnhof noch die Reisenden Riesen anschauen?«, bettelte Gina und hakte sich bei Aileen unter. »Ich wollte auf jeden Fall ein Foto von denen machen, ein unbedingtes Muss.«

»Klar, kein Problem. Aber ist das sinnvoll? Es ist doch draußen schon dunkel«, überlegte Aileen laut. Gina versicherte ihr, dass es laut ihrer Recherche, die sie in der vergangenen Woche im Internet betrieben hatte, zu jeder Tageszeit ein Erlebnis war.

Bald darauf auf dem hell erleuchteten Vorplatz angekommen staunten die beiden Mädels nicht schlecht. Die grünen, bis zu vier Meter großen Figuren waren beeindruckend und Gina zückte ihr Handy. Sie fotografierte die Kunstwerke aus allen Blickrichtungen, mal mit, mal ohne Aileen davor und bat zum Schluss einen Passanten, sie mit ihrer Freundin vor einer der Figuren zu fotografieren.

---ENDE DER LESEPROBE---