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Es gibt Phasen, in denen unser Leben in ruhigen Bahnen läuft, die Koordinaten stimmen, die Herausforderungen überschaubar sind. Kleinere Schwankungen lassen sich in der Regel gut ausbalancieren. Aber nicht bei Julian, der als Workaholic durchs Leben geht und dadurch die Liebe seines Lebens verliert. Ihm bläst ein harter Wind ins Gesicht. Als ein beginnender Burnout sein Leben bedroht, zieht er die Reißleine.
Es sind die Stürme unseres Lebens, die versuchen, uns vom Kurs abzubringen. Doch was kann uns Halt und Sicherheit geben? Diese Frage stellt Melanie sich, eine einundvierzigjährige Lehrerin, die kurz davor steht, einen unverzeihlichen Fehler zu begehen und Inga, die, getrieben von Trennungsschmerz, versucht, sich auf Sylt eine Auszeit zu nehmen, in der Hoffnung, dort wieder zu sich zu finden …
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Lynda Lys/Eliza Simon
Pension Kleine MöweBand 4
Kleiner Funke Hoffnung
Sylt-Roman
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Steve Mayer, 2021
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11.Kapitel
Epilog
Über die Autoren
Weitere Romane und Kurzgeschichten von Lynda Lys lieferbar:
Es gibt Phasen, in denen unser Leben in ruhigen Bahnen läuft, die Koordinaten stimmen, die Herausforderungen überschaubar sind. Kleinere Schwankungen lassen sich in der Regel gut ausbalancieren. Aber nicht bei Julian, der als Workaholic durchs Leben geht und dadurch die Liebe seines Lebens verliert. Ihm bläst ein harter Wind ins Gesicht. Als ein beginnender Burnout sein Leben bedroht, zieht er die Reißleine.
Es sind die Stürme unseres Lebens, die versuchen, uns vom Kurs abzubringen. Doch was kann uns Halt und Sicherheit geben? Diese Frage stellt Melanie sich, eine einundvierzigjährige Lehrerin, die kurz davor steht, einen unverzeihlichen Fehler zu begehen und Inga, die, getrieben von Trennungsschmerz, versucht, sich auf Sylt eine Auszeit zu nehmen, in der Hoffnung, dort wieder zu sich zu finden …
***
Der Winter hatte sich auf Sylt am Ende des letzten Jahres in seiner natürlichen Schönheit gezeigt und die kleine Familie Fries genoss im Dezember die Ruhe, die Einsamkeit sowie die gemeinsamen Strandspaziergänge an klirrend kalter Luft. Es fiel Unmengen an Schnee und die Dünen, die Reetdachhäuser und das Wattenmeer – alles war wie von einer weißen Schicht aus Puderzucker überzogen. Da Haro und Wencke beschlossen hatten, die Pension im Dezember zu schließen, nutzten sie die Freizeit, um neue Energie für das kommende Jahr zu tanken.
Sie besuchten zur Weihnachtszeit mit ihren Kindern Janis und Mia die Großeltern, und da sie sich bereits in Flensburg aufhielten, ergriffen sie auch gleich die Gunst der Stunde und statteten ihren besten Freunden Jürgen und Stefanie ebenfalls ein Besuch ab.
Im Januar und Februar konnte Wencke nicht alle Gästezimmer vermieten, denn es stiegen nur vereinzelte Gäste in der Pension Kleine Möwe ab. Im Monat März besserte sich das Wetter und sie hatten neben den vielen Stürmen und Schmuddelwettertagen hin und wieder Glück und die Sonne kam heraus. Nicht nur die wärmeren Temperaturen und helleren Tage verrieten, dass sich auf Sylt der Winter allmählich verabschiedete, sondern auch der langsame Anstieg der täglichen Besucherzahlen.
Der Frühling zeigte auf eine vielfältige Weise sein Gesicht: Blühende Krokusse und Narzissen auf den Wiesen und Hornfeilchen an Steinwällen gehörten zu den ersten Vorboten des Frühlings, die das langsame aber sichere Erwachen der Natur aus dem langen Winterschlaf in schönster Farbenpracht ankündigten.
Jetzt, wo die Gräser grüner wurden, liefen die kleinen Lämmer hinaus auf die Wiesen und Deiche der Nordseeinsel. Am Himmel zogen riesige Schwärme an Zugvögeln vorbei, die sich lauthals zum Brüten und Rasten im Rantumbecken niederließen.
Es war Ende April und Wencke Fries genoss an diesem Freitagmorgen die schon fast geisterhafte Stille, die in ihrer Pension Kleine Möwe vorherrschte. Sie begab sich in den Garten und betrachtete mit Freuden, wie die Blumen aus der Erde spießten. Sie schloss ihre Augen und hielt ihr Gesicht gen Himmel, überall zwitscherten Vögel und die Sonnenstrahlen wurden wärmer. Es lag wieder Leben in der Luft. Ihr Mann Haro, der als erfolgreicher Anwalt eine kleine Kanzlei in Kampen führte, hatte die beiden Kinder Janis und Mia am Morgen in seinem Auto mitgenommen.
Er fuhr den fünfjährigen Sohn zur Vorschule und seine mittlerweile siebenjährige Tochter zur Schule, die dort die erste Klasse besuchte. Normalerweise gingen die Kinder zu Fuß, manchmal brachte Wencke sie mit dem Rad, doch Haro musste an diesem Tag später ins Büro und gab den beiden Quälgeistern lachend nach, er möge sie doch zur Schule fahren.
Die anwesenden Gäste aus dem Leuchtturm- und dem Möwenzimmer waren ebenfalls früh aufgebrochen, um sich mit einem Ausflugsschiff vom Lister Hafen zu den Seehundbänken des Wattenmeers bringen zu lassen. Die kleine Familie aus dem Strandkorbzimmer hatte in Herrgottsfrühe ausgecheckt und war um diese Zeit sicher schon auf der Autobahn Richtung Heimat.
Wencke streckte sich, ging ins Haus zurück und sah sich um. Die Küche war sauber, der Frühstücksraum ihrer Gäste waren ebenfalls aufgeräumt und weitere hausfraulichen Tätigkeiten standen vorerst nicht an. Das Zimmer wollte sie etwas später für neue Gäste herrichten. Sie schaute zur Uhr – halb zehn –, der perfekte Zeitpunkt, um in die Stadt zu gehen. Sie hatte sich schon länger vorgenommen, sich etwas Nettes zum Anziehen zu kaufen, denn sie wollte auf keinem Fall in den alten Trott des letzten Jahres zurückfallen; sich nicht erneut in eine kleine graue Maus verwandeln und im Schlabberlook herumlaufen.
Im Herbst des letzten Jahres hatte ihre Ehe eine wahre Zerreißprobe bestehen müssen. Sie hatte angenommen, dass ihr Mann Haro ein Verhältnis mit seiner sehr attraktiven Kollegin Patricia hatte und suchte die Schuld bei sich selbst. Ihr Leben drehte sich damals nur um die Pension mit ihren Gästen und den Kindern. Da blieb ihr wenig Zeit, daran zu denken, dass sie nicht nur Geschäftsfrau und Mutter war, sondern auch eine Ehefrau. Sie zog sich, eifersüchtig wie sie war, immer mehr von Haro zurück, war unglücklich und tat auch nichts, um das Dilemma, in dem sie stecke, aufzuklären. Bis zu dem Abend, als sie und Haro an einer Geschäftsfeier seiner Flensburger Partnerkanzlei teilnahm. Wencke fasste sich an jenem Abend ein Herz und sprach unter Tränen über ihre Ängste und ihre ›bösen Geister‹ die sie rief und wie wahnsinnig unglücklich sie sei. Doch Haro konnte ihr glaubhaft versichern, dass sie mit ihrer Eifersucht völlig falsch lag, dass er sie – und nur sie – liebte und niemals daran dachte, eine Liebelei mit seiner Kollegin anzufangen.
Wencke schüttelte ihre braune Lockenmähne und schob die hässlichen Gedanken der Vergangenheit zur Seite. Sie zog sich eine leichte Jacke über, schnappte sich ihre Handtasche und verließ das Haus. Das frühlingshafte Wetter lud Wencke dazu ein, zu Fuß in die Stadt zu gehen. Der erste Anlaufpunkt sollte das alt eingesessene H.B. Jensen Modehaus sein.
Sie flanierte durch die Friedrichstraße und wurde als Erstes von dem Sylter Wahrzeichen der Dicken Wilhelmine begrüßt. Ein Schmunzeln huschte ihr über die Lippen, als sie die ersten Touristen dort stehen sah, die sich in allen Positionen und von allen Seiten rund um den Brunnen mit der dicken bronzenen Lady fotografieren ließen.
Wencke betrat das Kaufhaus und steuerte gezielt auf die Abteilung Damenwäsche zu. Sie schlenderte an den Regalen und Rundständern vorbei, als ihr Blick auf eine Modepuppe fiel, die eine unverschämt sexy Unterwäschegarnitur trug. Der schwarze Slip bestand aus einem Hauch von Nichts. Ein zarter, fast durchsichtiger Stoff, mit aufgesetzter transparenter Spitze gefertigt, vorne war er mit einer hübschen kleinen Schleife verziert. Der passende BH hatte ebenfalls ein Spitzenbesatz, der transparente Stoff und die zusätzlichen Bändchen über und unter den Cups machen dieses Modell zu etwas ganz Besonderem. Wencke war hin und weg von den Wäschestücken und beschloss für sich, dass dieses Set ein absolutes Must-have war! Verstohlen blickte sie sich um und fing an, an dem neben der Puppe aufgestellten Ständer nach ihrer Größe zu suchen. Plötzlich hörte sie ein leichtes Räuspern hinter sich.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte eine junge, frauliche Stimme und Wencke drehte sich erschrocken um. Sie fing an zu stottern und zog sofort ihre Hände von der Ware zurück. Doch die Verkäuferin ließ sich in keiner Weise beirren und führte ihr Verkaufsgespräch professionell und fachkundig weiter. Sie betrachtete Wencke kurz, nahm ein Set der Größe 38 zur Hand und schaukelte mit dem Bügel vor Wenckes Nase hin und her, so, als ob sie einen Pulli oder eine Hose anpries. »Das ist unsere neuste Kollektion und …« Sie senkte diskret ihre Stimme. »… wir haben sogar die passenden Strapsgürtel dazu«, wisperte sie und zwinkerte Wencke mit einem Auge an.
Wencke spürte, wie sie rot wurde. Die nette Verkäuferin übersah taktvoll die Röte in Wenckes Gesicht und plapperte munter weiter. Sie schob Wencke sanft in die Richtung der Umkleidekabinen, auf dem Weg dorthin nahm sie noch einige Modelle von den Ständern und schaute Wencke unschuldig an.
»Na, mal in alle hineinschlüpfen?«, fragte sie keck und riss den Vorhang einer leeren Kabine zur Seite. Wencke ging mit langsamen Schritten hinein und die Verkäuferin schloss den Vorhang. Danach reichte sie ihr seitlich des Stoffvorhanges fünf Bügel mit den schönsten Wäschestücken durch. »Wenn Sie Hilfe benötigen, rufen Sie, ich bin in der Nähe.«
Wencke hörte, wie sich die Schritte von der Umkleidekabine entfernten. Sie hängte ihre Handtasche an den Haken und entledigte sich bis auf ihren Slip ihrer Sachen und betrachtete sich in dem großen Spiegel. Sie hatte auch nach zwei Geburten einen straffen Bauch und ihr Busen konnte sich ebenfalls sehen lassen, nicht zu klein und nicht zu groß.
Als Erstes probierte sie das schwarze Set an und war völlig begeistert. Von einer Sekunde zur nächsten fühlte sie sich selbstbewusst, sexy und attraktiv. Sie probierte noch die anderen Wäscheteile an und entschied sich letztendlich für das schwarze und ein tief dunkelgrünes Set, was hervorragend zu ihren dunkelbraunen Haaren passte. Wencke kleidete sich an und verließ die Umkleide. In der rechten Hand trug sie die Ware die sie nicht nahm, in der linken die, die sie kaufen wollte.
Die Verkäuferin lächelte, als sie Wencke die Bügel abnahm und zur Kasse begleitete. Auf dem Weg dorthin legte sie Wencke kommentarlos den passenden Strapsgürtel des schwarzen Sets obendrauf und hauchte: »Die passenden Strümpfe finden Sie eine Etage tiefer.« Wencke, voller Selbstbewusstsein, nickte nur wortlos und legte die Ware auf den Kassentisch. Sie drehte sich zu der jungen Verkäuferin.
»Vielen Dank für die kompetente Beratung«, sagte sie, zahlte, ohne mit der Wimper zu zucken den horrenden Preis und begab sich eine Etage tiefer in die Strumpfabteilung.
Ein paar Minuten später bummelte Wencke glückselig in der parallel zur Friedrichstraße verlaufenden Strandstraße und stöberte noch in einigen der zahlreichen Geschäfte und Boutiquen.
Voll bepackt mit Tüten kam sie zu dem Entschluss: Wer shoppt, der muss auch mal eine Pause einlegen. Bevor sie den Heimweg antrat, kehrte sie in das liebevoll gestaltete Café Madleen ein, gönnte sich zum Cappuccino ein Stück der köstlichen Friesentorte und genoss einen spannenden Ausblick auf das kunterbunte Treiben in der Fußgängerzone.
Wencke schaute zur Uhr und stellte erschrocken fest, dass ihre Kinder gleich nach Hause kamen. Sie zahlte, raffte ihre Tüten zusammen und machte sich auf den Weg. Sie schloss gerade die Haustür auf, als sie die lauten Stimmen von Janis und Mia hörte, wie sie sich darum stritten, wer wohl mehr Freunde hatte. Wencke stellte die Tüten im Flur ab und trat zurück in den Garten.
»Weiber sind doof«, sagte Janis und schubste seine Schwester durch das geöffnete Gartentor. Mia blieb abrupt stehen, drehte sich um und wollte zurückschubsen, als Wencke dazwischen ging.
»Hier wird nicht geschubst«, rief sie und schaute ihre beiden Kinder strafend an.
»Aber Janis hat angefangen«, erwiderte Mia mit weinerlicher Stimme und schaute ihren kleinen Bruder wütend an.
»Und von dir werter Herr Sohn möchte ich nicht hören, dass Weiber doof sind«, wandte sie sich an Janis. »Ich möchte, dass ihr euch vertragt und euch weder unschöne Worte an den Kopf schmeißt, noch dass ihr euch schubst, verstanden?«
Beide Kinder senkten die Köpfe und nickten. »Dann ab ins Haus, heute gibt es Pizza«, rief Wencke in einem versöhnlichen Ton und seufzte.
Janis stürmte in den Flur, warf seinen kleinen Rucksack in die Ecke, streifte seine Turnschuhe ab und verschwand in seinem Zimmer. Wencke nahm ihre neu erworbenen Schätze und trug sie in ihr Schlafzimmer, während Mia ihre Schulmappe in der Küche abstellte.
Wencke hörte Janis in seinem Zimmer rumoren, hörte, wie er seine große Legokiste ausschüttete und vernahm sein dünnes Stimmchen, wie er mit sich selber sprach. Ruckartig wurde die Kinderzimmertür aufgerissen.
»Mia«, brüllte er und rannte in Richtung Küche, wo seine Schwester am Küchentisch saß und Hausaufgaben machte.
»Janis, nun schrei’ doch nicht so«, entrüstete sich Mia und schob die Unterlippe ein klein wenig nach vorne. »Jetzt hab ich mich vermalt«, kreischte sie und schaute ihren kleinen Bruder strafend an. Mia nahm es ziemlich ernst mit den Hausaufgaben und gab sich immer die größte Mühe, alles so perfekt wie nur möglich in der Schule abzuliefern.
Wencke hängte die Unterwäsche in den Schrank, betrat wenig später die Küche und fuhr ihrer Tochter durch die Haare. Sie beugte sich über das Arbeitsblatt und begutachtete Mias Arbeit. »Ach Spätzchen, es ist doch nichts passiert«, stellte Wencke fest und streichelte ihren Rücken.
»Doch hier, schau mal«, murrte sie und zeigte auf einen winzigen roten Strich, der über das rote Dreieck hinausragte. »Die Lehrerin hat gesagt, wir sollen alle Dreiecke rot ausmalen, alle Kreise gelb und alle Vierecke blau. Und wenn es geht ohne überzumalen.« Jetzt bekam ihre Stimme wieder einen weinerlichen Ton. Noch bevor die erste Träne rollte, nahm Wencke den Radiergummi aus Mias Federmäppchen und radierte ganz vorsichtig den kleinen roten Strich weg. Er war so gut wie nicht mehr zu sehen, doch Mia störte sich dennoch daran und schimpfte über ihren kleinen Bruder.
Wencke rollte innerlich mit den Augen und schicke Janis zum Händewaschen ins Bad. Anschließend bat sie Mia, ohne weiter auf ihr weinerliches Gesicht einzugehen, die Hausaufgaben wegzuräumen, weil sie das Mittagessen aufdecken wollte.
*
An diesem Abend, die Kinder lagen bereits im Bett, kam Haro sehr spät aus dem Büro nach Hause. Er sah müde und abgeschlagen aus und war froh, endlich aus seinem Anzug zu kommen.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Wencke besorgt und schaute ihren Mann eindringlich an.
»Ja, Schatz, alles gut. Ich bin wirklich froh, dass jetzt Wochenende ist. Ich hatte heute so viel zu tun, ich bin wirklich geschafft«, antwortete Haro. »Ich geh schnell duschen und bin gleich wieder zurück«, sagte er und verschwand im Bad.
Wencke folgte ihm. »Ich habe noch ein Stück Pizza von heute Mittag im Kühlschrank, möchtest du es essen?«, erkundigte Wencke sich und betrachtete wohlwollend ihren nackten Mann durch die gläserne Duschwand. Sofort schoben sich die Bilder an die Wäschestücke vor ihr inneres Auge und sie grinste.
»Nein, danke, essen mag ich nichts. Ich war am späten Nachmittag noch mit einem Klienten essen, ich bin noch satt. Aber ein Glas Wein würde ich gerne noch trinken«, kam es dumpf aus der Duschkabine.
Wencke machte sich auf den Weg zur Küche, nahm dort zwei Weingläser, eine Flasche Rotwein und den Korkenzieher zur Hand und begab sich ins Wohnzimmer. Sie entzündete zwei Kerzen und legte eine CD von Ed Sheeran in den CD-Player. Anschließend begab sie sich ins Schlafzimmer, zog sich flugs das neue schwarze Wäscheset über und schlüpfte in ihren weichen, flauschigen Bademantel. Ihr Herz klopfte wie doll und verrückt, sie fühlte sich wie ein Teenager, der sein erstes Date hatte. Sie entkorkte die Flasche, goss den Rotwein in die Gläser und machte es sich mit ihrem Weinglas auf der Couch bequem. Sie streckte gerade ihre seidenbestrumpften Beine auf der Couch aus, als Haro in Boxershorts und T-Shirt das Zimmer betrat. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit, denn bis auf die beiden dicken Kerzen war keine weitere Lichtquelle im Wohnzimmer vorhanden. Das Flackern des Kerzenlichts ließ den Rotwein im Glas, welches auf dem Tisch stand, funkeln.
»Du bist ja kein hungriger Tiger, aber ich hoffe, du hast trotzdem noch etwas Appetit«, säuselte Wencke und öffnete die Kordel ihres Bademantels. Als sie anschließend ihr Weinglas erhob, glitzerte der Wein im Kerzenlicht rot mit golden Sprenkeln.
Haro trat näher.
Wencke hatte ihren ganzen Mut zusammengenommen und nippte an ihren Rotwein. »Nimm dein Glas und komm zu mir, es gibt einiges zu entdecken.« Wie unabsichtlich rutsche die rechte Seite des Bademantels auf die Couch. Die schwarze Spitze des BHs bildete einen aufregenden Kontrast zu ihrem hellen Busen. Während Haro sich sprachlos zu ihr setzte, fing Wencke an, sich zu krabbeln. Die zarte Spitze kitzelte sie an der rechten Brust.
»Jetzt habe ich Hunger, lass uns ins Schlafzimmer gehen«, schmunzelte Haro und stand auf. Seine Stimme hatte einen höheren Tonfall, den hatte er immer, wenn er aufgeregt war. Obwohl es für Wencke ungewohnt war, solche Wäsche zu tragen, fühlte sie sich von Minute zu Minute wohler. Sie beglückwünschte sich selbst dazu, die richtige Entscheidung mit dem Kauf dieser Unterwäsche getroffen zu haben.
»Vergiss nicht dein Weinglas«, flüsterte sie und zeigte auf den immer noch im Kerzenlicht funkelnden Wein.
Haro griff zum Glas, blies die Kerzen aus und folgte Wencke …
Es war Samstagabend und Julian, ein attraktiver vierunddreißigjähriger junger Mann, fuhr auf der Autobahn von Leipzig nach Lüneburg. Es nieselte, die Scheibenwischer spielten ihm quietschend eine Melodie und die entgegenkommenden Fahrzeuge boten die passenden Beleuchtungseffekte dazu.
Fünf Monate lebte Julian, ein erfolgreicher Manager seiner Firma, jetzt dienstlich in Leipzig und saß endlich im Auto Richtung Heimat.