Perry Rhodan 112: Die Energiejäger (Silberband) - Hans Kneifel - E-Book

Perry Rhodan 112: Die Energiejäger (Silberband) E-Book

Hans Kneifel

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Beschreibung

Im Jahr 3587 nach Christus droht der Menschheit eine unvorstellbare Katastrophe: Die Planeten der Milchstraße werden untergehen, weil sich die schweren Weltraumbeben immer weiter steigern. Milliarden von Menschen stehen vor dem Untergang. Grund für alles ist, dass eine Materiequelle manipuliert wurde, Millionen Lichtjahre von der Heimat entfernt. Perry Rhodan und seine Gefährten versuchen, dieses Schicksal abzuwenden. Mit der BASIS operieren sie in der Galaxis, in der sich die Materiequelle befindet. Sie können der Erde jedoch nur helfen, wenn sie die Mächte jenseits der Materiequelle erreichen. In den Kosmischen Burgen der ehemaligen Mächtigen muss Rhodan jene Schlüssel an sich bringen, die den Kontakt mit den Mächten hinter der Materiequelle ermöglichen. Im Frühjahr des Jahres 3587 steuert das mächtige Fernraumschiff BASIS die beiden letzten Ziele an. Die Zeit drängt, denn dort sind bereits die Demonteure aktiv, deren Aufgabe es ist, die riesigen Burgen abzutransportieren ...

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Nr. 112

Die Energiejäger

Im Jahr 3587 nach Christus droht der Menschheit eine unvorstellbare Katastrophe: Die Planeten der Milchstraße werden untergehen, weil sich die schweren Weltraumbeben immer weiter steigern. Milliarden von Menschen stehen vor dem Untergang.

Grund für alles ist, dass eine Materiequelle manipuliert wurde, Millionen Lichtjahre von der Heimat entfernt. Perry Rhodan und seine Gefährten versuchen, dieses Schicksal abzuwenden. Mit der BASIS operieren sie in der Galaxis, in der sich die Materiequelle befindet. Sie können der Erde jedoch nur helfen, wenn sie die Mächte jenseits der Materiequelle erreichen.

1.

Regungslos saß Lord Zwiebus in seinem riesigen Sessel. Er blickte abwechselnd Perry Rhodan und den Wissenschaftler Payne Hamiller an.

»Dass dieses Syndrom keine tödliche Bedrohung ist, beruhigt mich etwas«, sagte Rhodan. »Andererseits sind die Krankenstationen bereits überfüllt ...«

»Die Ärzte können schwerlich ein Viertel der Besatzung in den Tiefschlaf legen«, wandte Hamiller ein. »Ich hoffe, sie müssen nicht einmal den Versuch unternehmen. Die Folgen wären momentan nur schwer absehbar.«

Rhodan nickte zögernd. Das Kybsoon-Syndrom war nie markant aufgetreten. Je länger eine Schiffsbesatzung im Weltraum blieb, ohne auf einem Planeten zu landen, desto signifikanter die rechnerische Anfälligkeit. Aber auch das schien nur ein Aspekt von mehreren möglichen zu sein. Der Effekt war einfach zu selten aufgetreten und ließ sich in seinen Auswirkungen nicht festlegen.

Rhodan warf einen Blick auf die Bildübertragung. Soeben beendete die BASIS den Überlichtflug.

»Wir müssen diese Zeit ganz einfach opfern – es geht nicht anders«, stellte er nachdenklich fest. »Der Kontakt mit den Kosmokraten bleibt dennoch unser dringendes Ziel.«

»Wir laufen Gefahr, dass der Untergang der Milchstraße und aller benachbarten Galaxien nicht mehr aufzuhalten sein wird«, wandte Lord Zwiebus ein.

»Die Manipulation der Materiequelle durch die Kosmokraten ... Darüber spekulieren wir jetzt besser nicht«, erwiderte Rhodan leise. »Das würde uns nur verrückt machen.«

»Ruhe, verdammt! Nicht so laut, Mann!« Chuck Sarzane flüsterte. Aber selbst das bereitete ihm Schmerzen.

Sein Haar war in den letzten Tagen rasend schnell gewachsen, er trug es bereits schulterlang. Dieses extreme Wachstum galt auch für die Fingernägel, mittlerweile waren sie Krallen, die ihn bei der Arbeit mit der Holotastatur behinderten. Und seine Zähne schienen sich wie bei einem Raubtier aus den Kiefern schieben zu wollen.

Daniels kam soeben aus der Ortungszentrale herüber in den Auswertungsraum. Hinter ihm schloss sich das Schott mit infernalischem Lärm. Sarzane presste deshalb beide Handflächen auf die Ohren.

Daniels schüttelte stumm den Kopf. Auch er litt unter dem Kybsoon-Syndrom. Seit ein Viertel der Besatzung davon befallen war, gab es in der BASIS nur noch schleichende und flüsternde Menschen.

Daniels musterte die Ortungsholos. Stumm malte er mit der Hand ein riesiges Fragezeichen in die Luft.

Sarzane schüttelte verbittert den Kopf. Die Schmerzen zermürbten ihn, und die Medikamente halfen nicht dagegen. Er blinzelte, als Sekunden später in den Interkomholos ein Schriftzug erschien. In den Bereichen, in denen die Stammbesatzung der BASIS wohnte und arbeitete, waren die akustischen Systeme abgeschaltet worden. Nur die Männer und Frauen, die zur SOL gehört hatten, zeigten noch keine Symptome der Allergie.

Angespannt las Sarzane.

Seit Beginn der stellaren Raumfahrt ist das Kybsoon-Syndrom bekannt. Es wird auch als Kybsoon-Allergie bezeichnet. Früher trat es auf, sobald Raumschiffe über längere Zeit im Einsatz waren und den Besatzungen keine Zwischenlandungen möglich waren.

Die Krankheit ist außerordentlich schmerzhaft, aber in keinem Fall lebensbedrohlich. Ein teils extremes Zellwachstum sowie die drastische Steigerung der Sinnesempfindlichkeit sind symptomatisch.

Chuck Sarzane nickte verbissen. Das wissen wir bereits!, dachte er mit einem Rest stoischer Ironie. Findet endlich eine Welt, auf der wir landen können! Der Schweiß brach ihm aus allen Poren, gleich darauf fror er erbärmlich.

Die Schrift im Holo veränderte sich.

Wir konzentrieren uns auf die Suche nach einem Planeten. Die Allergie kann an Bord der BASIS nicht behandelt werden. Es gibt, das Kybsoon-Syndrom betreffend, leider noch sehr viele Ungereimtheiten. Das nächste Linearmanöver für die Suche nach einem geeigneten Sonnensystem steht bevor.

»Die BASIS beschleunigt wieder ...«, flüsterte Daniels hoffnungsvoll.

Weder die Aktivatorträger noch einer der Mutanten zeigten bislang Symptome der Allergie. Niemand vermochte zu sagen, warum die Allergie einen erwischte und den anderen in Ruhe ließ. Trotzdem oder gerade deshalb beherrschte die Krankheit das Schiff.

Chuck Sarzane war kräftig und belastbar gewesen, aber die letzten Tage hatten ihm Kraft und Mut geraubt. Seine Augen blickten glasig. Immer öfter überfiel ihn ein unkontrollierbares Zittern. Er war mürbe geworden und sehnte sich nach Ruhe und wenigstens einer kurzen Zeit ohne diese verdammten Schmerzen.

Die Distanzortung zeigte eine nahe Sonne mit Planeten. Noch wurden die eingehenden Daten ausgewertet; wenige Minuten später ergänzten Schriftzeichen die eingeblendeten Datenkolonnen.

Soeben wurde eine geeignete Welt gefunden. Die Bezeichnung Kur-Sonnensystem ist als Raumfahrerscherz aufzufassen, ebenso der Name, den der zweite Planet spontan erhielt: Klinik.

Die BASIS nähert sich einem stabilen Orbit. Alle, die am Kybsoon-Syndrom leiden, begeben sich bitte in die Hangars. Die Ausschleusung wird nach Alarmplan vorgenommen. Die Kranken in den Bordkliniken werden von Robotern betreut und in die Schiffe gebracht. Eine Mitnahme persönlicher Habseligkeiten ist nicht erforderlich.

Bitte richten Sie sich auf eine Rekonvaleszenzdauer von achtundvierzig Stunden ein. Während dieser Zeitspanne werden alle Symptome verschwinden.

Chuck Sarzane holte tief Luft. Das scharfe Geräusch stach bis unter seine Schädeldecke.

»Kur-System und Klinik – sehr witzig!«, wisperte Daniels. Fahrig deutete er zum Schott. Sein verzerrtes Grinsen war Schmerz und Hoffnung zugleich.

Jedes Besatzungsmitglied wusste, wo es sich im Fall einer Evakuierung einzufinden hatte. Sarzane und Daniels stützten sich gegenseitig, als sie ihren Arbeitsbereich verließen. Das aufgleitende Schott setzte sie einem tosenden Geräuschorkan aus.

2.

Atlan musterte die Holoschirme. Neben den Ortungsbildern der BASIS zeigten sie Aufnahmen der ersten gelandeten Beiboote. Die rote Morgensonne brannte vom leicht bewölkten Himmel.

Dünen und verstreut liegende Felsen hatten eben noch lange Schatten geworfen. Ihre Konturen verwischten, als immer mehr landende Schiffe Sand und Staub aufwirbelten und ein heftiger Sturm über die Ebene fegte.

»Ich kenne das Kybsoon-Syndrom seit einer gefühlten Ewigkeit.« Atlans Augen tränten leicht, er war erregt. »Dass es derart massiert zuschlägt, habe ich aber nie zuvor erlebt.«

Reginald Bull, der die Bilder ebenso aufmerksam betrachtete, lachte leise. »Diese Gefahr scheint ja nun abgewendet zu sein. Aber wir werden zweifellos Schlimmerem begegnen ... Noch sind wir weit vom Ziel entfernt.«

Atlan stutzte. Er deutete auf eines der großen Holos.

»Sieh dir das an, Bully! Es gibt offensichtlich Leben auf dem Planeten.«

Eine riesige radähnliche Erscheinung, grob geschätzt an die hundert Meter durchmessend, war unter einer dünnen Sandschicht verborgen gewesen. Sie fiel nur auf, weil sie sich bewegte. Langsam erst, dann schneller werdend drehte sie sich. Sand und Staub wurden von mehreren Auswüchsen weggeschleudert, die wie Speichen eines Rades aussahen. Außen mündeten diese »Gliedmaßen« in einen Ring, der aus Knochen, Knorpel oder Horn zu bestehen schien.

Eine aufgeregte Stimme erklang: »An alle in der BASIS. Wir haben soeben dieses radförmige Etwas entdeckt. Es ist um die neunzig Meter groß und rotiert immer schneller. Allerdings scheint es nicht anzugreifen.«

Die Schwerkraft des Planeten betrug null Komma sechs zwei Gravos. Die Temperatur über dem Wüstengebiet lag bei sechsunddreißig Grad Celsius.

»Wir haben wieder mal eine exotische Lebensform entdeckt«, bemerkte Bull. »Sieht aus wie eine Tellerfräse.«

»Wirkt nicht ungefährlich, dieses Riesenrad«, erwiderte Atlan.

Das Lebewesen schwebte nun wenige Meter über dem Boden. Es wirbelte Unmengen von Sand auf und entfernte sich in mäßigem Tempo. Im Zentrum der riesigen Nabe war eine kugelförmige, blau schillernde Verdickung zu erkennen, offenbar der Sitz von Organen und Nervenzentren.

Das Rad glitt über eine von moosartig anmutenden Gewächsen bestandene Fläche hinweg. Deutlich war zu erkennen, dass der grünlich schwarze Bewuchs unter dem Gebilde lichter wurde. Das seltsame Wesen schien sich noch schneller zu drehen – Sekunden später verschwand es aus dem Erfassungsbereich der Kamera.

»Du wirkst nicht gerade überrascht«, wandte Bully sich an den Arkoniden.

»Nicht sonderlich«, erwiderte Atlan. »Nur die Größe verblüfft mich ein wenig.«

»Du fragst dich, ob wir es mit Tieren oder gar mit Intelligenzwesen zu tun haben ...?«

»Ich denke an unsere Kranken. Der Zeitpunkt für eine solche Begegnung ist nicht gerade ideal.«

Die nördliche Hemisphäre des Planeten bestand keineswegs nur aus Steppengebieten und Sandwüste. Süßwasserseen und in deren Bereich dichte Vegetation bestimmten ebenso das Bild. Drei ausgedehnte Meere trennten die Kontinente.

»Falls es sich um intelligente Wesen handelt, werden wir das sicherlich schnell erfahren«, kommentierte Bull.

»Dass dieses erste Exemplar geflüchtet ist oder sich ganz einfach von uns abgewandt hat, lässt auf beträchtliche Intelligenz schließen«, sagte Atlan sarkastisch.

»Das meinst du nicht ernst?« Bull blickte den Arkoniden ungläubig an.

»Doch. Klinik steht sehr nahe an seiner Sonne. Der Planet ist hoher Strahlung ausgesetzt und fällt schon deshalb aus der Norm.«

Das letzte Beiboot landete soeben im Grenzbereich zwischen Savanne und Sandwüste und nur wenige Dutzend Kilometer von der Meeresküste entfernt.

In einem der Wohnbezirke an Bord des terranischen Fernraumschiffs herrschte eine andere Art von Ruhe, als sie in den letzten Tagen zwangsweise eingehalten worden war. In Demeters geräumiger Kabine lehnte Roi Danton an der Innenseite des Schottes.

»Achtundvierzig Stunden lang bleibt die BASIS im Orbit«, sagte er. »Wir haben endlich Zeit für uns.«

Demeter ging unruhig auf und ab. Die Bildwand zeigte den marsähnlichen Planeten fast völlig im Licht der roten Sonne Kur. Immer wieder glitt der Blick der Wyngerin ab und taxierte die Wiedergabe. Die Frau, die Jahrtausende im Tiefschlaf verbracht hatte, war nervös.

»Ja, wir haben Zeit«, antwortete sie unruhig. »Aber das ist die falsche Stunde, Roi. Nicht jetzt!«

Perry Rhodans Sohn blickte sie hingerissen an. Demeter faszinierte ihn heute ebenso wie bei ihrer ersten Begegnung. Sie war ausgesprochen schön. Das silberne Haar kontrastierte angenehm mit ihrer bronzefarbenen Haut. Selbst wenn sie zornig war, schienen ihre vollen Lippen zu lächeln. Das Grün ihrer Augen hatte es ihm angetan.

»Was ist eigentlich los?«, fragte er heftig.

Demeter löste sich widerstrebend von der Bildwand. Ruckartig wandte sie sich ihm zu.

»Es ist dieser Planet ...«

»Eine Welt wie Tausende andere.« Dantons Stimme klang plötzlich grob. »Wir haben sie zufällig aufgespürt. Wichtig ist doch nur, dass Klinik unsere Kranken genesen lässt. Zwei Tage, danach wird alles wieder sein wie zuvor.«

Demeter schüttelte den Kopf. »Du verstehst es nicht, Roi.« Ihr Blick wurde matt und nachdenklich. »Der Planet zieht mich an. Er beeinflusst mich. Ich glaube, es hat mit meiner Vergangenheit zu tun.«

Dass Demeter unter einer ausgeprägten Teilamnesie litt, wussten mittlerweile viele an Bord, natürlich auch Dantons beide Rivalen um die Gunst der Wyngerin. Aber er war ihr Favorit, davon war er überzeugt. Trotzdem wusste er in dem Moment nicht, ob er ihr glauben durfte.

»Dieser unbedeutende kleine Planet beeinflusst dich? Wie soll ich das verstehen?«

»Ich weiß es selbst noch nicht. Allerdings spüre ich, dass eine Erinnerung aufbricht. Seit ich dieses ... dieses Bild sehe.«

Ihr Blick pendelte zwischen dem Planeten und Danton. Sie atmete schwer und massierte ihre Stirn und die Schläfen mit beiden Händen. Danton ging zu ihr und umfasste ihre Oberarme; er spürte, dass sie sich verkrampfte. In dem Moment hatte er den Eindruck, einer anderen Frau gegenüberzustehen. Demeter wirkte verwandelt, fast wie eine seelenlose Doppelgängerin.

»Soll das heißen, dass du diesen bis vor wenigen Stunden namenlosen Planeten kennst?«, erkundigte er sich halblaut.

»Wahrscheinlich ... Nein, ich glaube nicht. Es ist eher wie ein Signal, das von Klinik ausgeht ...«

»Ein Funksignal?«

»Etwas, das meine Erinnerung aufwühlt.«

Demeter wirkte jetzt gereizt und äußerst angespannt. Roi Danton spürte das Zucken ihrer Armmuskeln. Abrupt entwand sie sich seinem Griff und fuhr herum. Mit weit aufgerissenen Augen funkelte sie ihn an.

»Warum lässt du mich nicht in Ruhe?«, schrie sie.

»Ich will dir helfen!«, sagte Danton eindringlich.

»Niemand kann mir helfen. Auch du nicht.« Demeters Stimme wurde schriller und lauter.

Die Wyngerin nahm ihre unruhige Wanderung wieder auf. Danton unterdrückte den Impuls, sie aufzuhalten, sie einfach in die Arme zu nehmen und sie zu küssen.

Die Frau blieb vor einem Wandschrank stehen und riss die Tür auf. Als sie sich Sekunden später wieder umdrehte, hatte sie sich vollends verändert. Ihr Gesicht war verzerrt, ihr Blick durchbohrte Danton geradezu.

In ihrer Hand lag ein kleiner Strahler. Die Projektormündung zielte auf Dantons Brust.

»Niemand kann mir helfen ...«, ächzte sie und schoss.

Roi Danton hatte sich den Bruchteil einer Sekunde zuvor zur Seite geworfen. Der scharf gebündelte Glutstrahl verfehlte ihn um Haaresbreite und fraß sich durch eine Sessellehne. Qualm wölkte auf, es stank nach verbranntem Plastikmaterial.

»Willst du mich umbringen? Ich bin kein Gespenst aus deiner Erinnerung ...« Danton kam schnell wieder auf die Beine. Ein zweiter Schuss verfehlte ihn um eine deutlich größere Distanz als zuvor und brannte eine Glutspur in die Wand.

Ein zweiter Sessel stand ihm im Weg. Danton musste um das wuchtige Möbelstück herumlaufen, um Demeter zu erreichen. Bis zum Schott konnte er es nicht schaffen.

Die Wyngerin folgte seiner Bewegung mit der Waffe, doch sie wirkte auf ihn wie in Trance. Ihre Reaktionen waren langsamer geworden, sonst hätte er von vornherein keine Chance gehabt.

»Nicht schießen!«, brüllte er und sprang auf Demeter zu.

Er spürte die sengende Hitze des dritten Schusses, der ihn trotz allem nur knapp verfehlte, dann traf seine Faust die kleine Waffe und schmetterte sie der Wyngerin aus der Hand.

Demeter stöhnte gequält, als er sie mit festem Griff an sich zog.

»Du bist ... kein ... Sydraner ...«

Ein Zittern durchlief ihren Körper, dann versteifte sie sich jäh. Demeter hatte das Bewusstsein verloren.

Roi Danton ließ die Frau aufs Bett gleiten. Wer oder was immer ein Sydraner sein sollte, er war sicher, dass Demeter auf einen Schatten ihrer Erinnerung geschossen hatte. Ihn hatte sie gewiss nicht gemeint.

Das Summen der Luftumwälzung, sonst so gut wie unhörbar, fraß sich in seine Gedanken vor. Der Zimmerservo reagierte auf den beißenden Gestank nach den Thermoschüssen mit schnellerer Umwälzung und einem aromatischen Zusatz. Der nur zwei Handspannen messende scheibenförmige Löschrobot hatte soeben die letzten Flammen erstickt.

Jeden Moment mussten die angeforderten Mediziner kommen. Demeter atmete nur schwach, sie stand offenbar unter Schock.

Tief in ihr, glaubte Roi Danton, existierte eine Vielzahl von Welten, Abenteuern und Schrecken. Ihre Erinnerung umfasste eine gewaltige Zeitspanne. Hin und wieder wurde eine dieser Welten an die Oberfläche gespült und gewann vorübergehend neue Bedeutung. Er hatte es soeben miterlebt.

Danton vermochte sich nicht vorzustellen, auf wen Demeter in ihrer gequälten Fantasie wirklich geschossen hatte. Offenbar hatte sie sich panisch erschreckt, dass sie gerade dieser Erinnerung begegnete.

Der Servo ließ das Türschott aufgleiten. Zwei Ärzte kamen, schauten sich flüchtig um und kümmerten sich sofort um die Frau.

»Sie steht unter einer Art Erinnerungsschock«, sagte Danton. »Über die Ursache kann ich bestenfalls spekulieren.«

»Kein lebensbedrohlicher Zustand«, stellte einer der Mediziner fest, während er der Bewusstlosen eine Injektion gab. »Wir bringen sie erst einmal in die Klinik, alles Weitere wird sich finden.«

Ein halber planetarer Tag – etwas mehr als fünf Standardstunden – war verstrichen. Die Schatten des frühen Nachmittags arbeiteten das Relief der Landschaft deutlicher heraus.

Einige Beiboote der BASIS waren nahe an dem Fluss niedergegangen, der sich zwischen Wüste und Savannenlandschaft träge der nur wenige Kilometer entfernten Meeresküste entgegenwälzte. Ein ausgedehntes Delta war entstanden. Die ausgeschleusten Sonden übermittelten Bilder moosartiger Pilzkulturen, die weite Flächen wie dichter Rasen überwucherten. Hier und da ragten Büsche und Baumgruppen auf.

Immer wieder erfassten die Robotkameras Schwärme der radförmigen Lebewesen. Während die an der Kybsoon-Allergie Erkrankten fast ausnahmslos schliefen, vertrieben sich die Besatzungen der Beiboote die Zeit mit Beobachtungen.

»Die Vermutungen erweisen sich mittlerweile als zutreffend«, stellte ein Planetologe der BAS-KR-14 fest. »Klinik erhält von der Sonne Kur deutlich mehr Strahlung als zum Beispiel Terra. Vor allem ist das Spektrum von Kur deutlich erweitert.«

»Ich sehe keine Auswirkungen für uns oder die BASIS«, erwiderte der Pilot des Kreuzers.

»Doch, diese Auswirkungen sind da. Denkst du an die Tellerfräsen, Will?«

»Ununterbrochen.« Der Pilot lachte amüsiert. »Ich kann mich von ihrem Anblick gar nicht losreißen.«

Der Planetologe reagierte säuerlich. »Hast du schon darüber nachgedacht, wie diese Wesen es schaffen, sogar ohne Drehung über dem Sand und den Pilzen zu schweben?«, fragte er lauernd.

»Klar habe ich das.« Will Belfour lachte nicht mehr, doch sein Blick ließ seine Belustigung deutlich erkennen. »Leider finde ich keine Erklärung.«

»Was eindeutig beweist, dass ihr Piloten keineswegs gründlich ausgebildet seid«, stellte der Planetologe fest.

Immer mehr Besatzungsmitglieder wurden auf den Disput aufmerksam.

Mittlerweile war bekannt, dass die kleinsten und vermutlich auch jüngsten Exemplare dieser originellen Lebewesen etwa zehn Meter durchmaßen. Das zuerst beobachtete Riesenexemplar war die Ausnahme in der Größenskala geblieben. Bislang jedenfalls. Immer öfter wurden Schwärme dieser Kreaturen beobachtet. Mit zunehmender Größe der einzelnen Individuen wurde ihre Anzahl jedoch geringer.

»Worauf wartest du? Heraus mit der Sprache! Sag uns, was du weißt!«, rief jemand aus dem Hintergrund der Kreuzer-Zentrale.

Der Planetologe wartete, bis sich fast alle ihm zugewandt hatten.

»Die Wale in den irdischen Ozeanen ernähren sich von Plankton«, sagte er dann. »Unsere fliegenden organischen Radwesen hier ernähren sich von einer Art Pilzgewächs, das offensichtlich sehr schnell nachwächst.«

»Mach's nicht so spannend!«, rief jemand.

»Seht doch!« Ein anderer deutete auf die Holos.

Sanft rollten die Meereswellen an den Strand. Aus dem Sand erhob sich ein Schwarm von rund fünfzig kleinen Individuen. Sie stiegen einige Meter in die Höhe. Erst langsam, dann in schnellerer Drehung glitten sie in die Richtung der gelandeten Beiboote. Ihr Ziel schien allerdings ein Bereich zu sein, der dicht mit den dunklen Pilzen bewachsen war. Die Tellerfräsen durchmaßen kaum mehr als zehn Meter. Sie bewegten sich wie ein Schwarm junger Fische.

»Auf welche Weise schweben sie?«

»Mithilfe spezieller Organe und einer bestimmten Energiezufuhr«, behauptete der Planetologe. »Ich konnte in den letzten Stunden einige Messungen vornehmen und gehe davon aus, dass diese Geschöpfe ähnlich wie ein biologischer Akkumulator arbeiten. Sie saugen die Energie des stark hyperstrahlenden Planetenkerns auf und geben sie während ihrer Fortbewegung sukzessive wieder ab. Offenbar weisen gerade die wüstenartigen Gebiete und die Savannen viel von dieser Energie auf.«

Der Schwarm in der holografischen Wiedergabe bewegte sich mit geradezu robotischer Perfektion. Die Vorwärtsbewegung, die häufigen Schwenks, die schneller werdende Rotation – alles verlief synchron. Das halbe Hundert dieser eigenartigen Lebewesen kam bis nahe an den Kreuzer heran und löschte dabei die niedrige Vegetation aus.

Schließlich drehte der Schwarm ab und verschwand in einer Sandwolke.

»Fünf-D-Strahlung, von Lebewesen zur Fortbewegung genutzt – das ist nicht gerade häufig«, bemerkte der Pilot.

Die neuen Analysen und Vermutungen wurden an die BASIS weitergegeben. Davon, dass Demeter versucht hatte, Roi Danton zu erschießen, erfuhr niemand an Bord des Kreuzers.

Hytawath Borl schob sein kupferfarbenes Haar in den Nacken, rückte das lederne Stirnband zurecht und öffnete das Türschott.

»Dreißig Minuten, nicht mehr!«, hatte ihn der Arzt angewiesen. »Demeter ist erschöpft und braucht vor allem Ruhe.«

Borl atmete flach. Er bemühte sich, jedes Geräusch zu vermeiden. Keine drei Meter vor ihm lag Demeter. Sie schien zu schlafen.

Wieder spürte der Jäger von Vorcher Pool dieses Aufwallen geradezu übersteigerter Zuneigung. Seine klaren Gedanken und Überlegungen waren wie weggewischt. Er fühlte sich hilflos.

Vorsichtig näherte er sich dem Krankenbett. Dass Demeter in dem Moment die Augen öffnete, den Kopf drehte und ihn ansah, irritierte ihn. »Ich will mich nur überzeugen, dass alles in Ordnung ist«, sagte er leise.

Demeters Augen wirkten trüb. Sie versuchte, ihn zu fixieren, aber immer wieder glitt ihr Blick weiter, als verliere er sich in weiter Ferne. Mühsam stemmte die Wyngerin sich auf den Ellbogen hoch.

»Wer bist du?«, fragte sie zögernd. Ihr Gesicht war unnatürlich blass. Schweiß perlte auf ihrer Stirn.

»Ich bin Hytawath – erkennst du mich nicht, Demeter? Hytawath Borl.«

»Der Planet ...«, hauchte sie. »Er ruft mich! Aber das darf niemand wissen. Niemand. Verstehst du?«

So kannte er die Wyngerin nicht. Borl reagierte bestürzt, seine Sorge wuchs. Er fragte sich, was Danton mit der Frau angestellt haben mochte, dass sie sich so verhielt.

»Keine Sorge, Demeter, ich rede mit keinem darüber«, versprach er.

Sie setzte sich im Bett auf und griff nach der Wasserkaraffe, die auf der Konsole stand. »Ich weiß nicht, was vorgeht«, sagte sie zu sich selbst. »Erinnerungen werden wach ... Sie sind Wirklichkeit ...«

Zitternd verkrampften sich ihre Finger um die Karaffe. Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie Borl an, der sich zu ihr beugte. »Du bist wirklich?«, stieß sie gepresst hervor.

»Ich glaube, du brauchst Hilfe«, flüsterte Borl entsetzt. Demeter erkannte ihn nicht mehr, sie versuchte, ihm auszuweichen.

»Du bist tot!«, keuchte sie und riss die Wasserkaraffe hoch.

Borls Jägerinstinkt versagte angesichts dieser absonderlichen Situation. »Ich lebe ...«, erwiderte er verblüfft.

Alles ging plötzlich sehr schnell. Demeter ruckte herum und riss die Karaffe hoch. Sie schlug zu. Hytawath Borl schaffte es gerade noch, den Hieb abzublocken.

Das schwere Gefäß schmetterte gegen seinen Unterarm und wurde Demeter dabei aus der Hand geprellt. Das Wasser ergoss sich in hohem Bogen über das Bett. Klirrend zerbarst das Glas auf dem Boden. Borl griff da schon mit beiden Händen nach der Frau. Er hatte keine Mühe, ihre ziellos ausgeführten Fausthiebe abzuwehren, und er drückte Demeter auf das Lager zurück.

»Ich brauche einen Arzt!«, rief er in den Raum. »Schnell ...!«

Demeter biss und kratzte. Ihre Fingernägel rissen sein Handgelenk auf. Natürlich war Borl weitaus kräftiger als die Wyngerin, aber er wollte sie weder bewusstlos schlagen noch sie verletzen. Allerdings hätte er mehr Hände als nur zwei gebraucht, um Demeter zur Räson zu bringen. Die Frau wurde geradezu zur Furie. Ihre Faust traf ihn knapp unter dem linken Auge.

In dem Moment stürmten mehrere Ärzte herein.

»Stellt sie ruhig!«, rief Borl. »Bevor sie sich selbst verletzt!«

Er versuchte, Demeter festzuhalten. Aber erst gemeinsam mit zwei Ärzten schaffte er es, die Tobende zu bändigen. Die Medizinerin, die mit den beiden Männern gekommen war, gab der Wyngerin eine Hochdruckinjektion.

Schon nach Sekunden wurde Demeter ruhiger. Borl ließ ihre Arme los und richtete sich auf. Mit den Fingerspitzen tastete er über sein linkes Auge.

»Was haben Sie bloß angerichtet?«, schnarrte einer der Ärzte. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass jede Aufregung Gift für sie ist!«

Borl zog die Schultern hoch. Er deutete auf die Scherben und die Wasserlache am Boden.

»Ich kam gar nicht dazu, sie aufzuregen. Sie ging auf mich los wie schon zuvor auf Danton.«

»Einfach so? Ohne irgendein Anzeichen ...?«

Der Jäger von Vorcher Pool hob die Schultern. »Es muss mit diesem Sonnensystem zu tun haben. Demeter sagte, dass der Planet sie rief. Ich weiß, das klingt verrückt ...«

Zuerst hatte sie Roi umzubringen versucht, nun ihn. Borl war sicher, dass sie auch gegen Hamiller vorgegangen wäre. Nur die Ärzte blieben offensichtlich von ihrer jähen Aggression verschont.

»Der Planet«, wiederholte die Medizinerin nachdenklich. »Vielleicht ein Signal, das von dem Planeten kommt – egal, ob natürlich oder technischen Ursprungs ...«

»Das ist es wohl, was sie meinte«, bestätigte Borl. Nachdenklich betrachtete er die Wyngerin, die nun tief und regungslos schlief. »Ich werde mit Roi Danton und Hamiller darüber reden.«

»Das wird sicher das Beste sein.« Die Medizinerin nickte knapp. »Demeter scheint momentan eine psychologische Behandlung nötiger zu haben als medizinische Betreuung.«

Perry Rhodan saß hinter seinem Arbeitstisch. Schweigend blickte er die vier Männer an, die vor wenigen Augenblicken zu ihm gekommen waren: sein Sohn Michael, den alle Welt als Roi Danton kannte; der Jäger von der Dschungelwelt Vorcher Pool, Hytawath Borl, und der junge Wissenschaftler Payne Hamiller, der Kommandant der BASIS, als das Fernraumschiff aus dem Solsystem aufgebrochen war. Mit den dreien war der Kosmopsychologe Jychen Tronc gekommen – Rhodan brauchte nicht darüber nachzudenken, ihm war klar, dass Danton den Psychologen zurate gezogen hatte.

Und nun?

»Ich hatte bislang genügend Gründe, mich nicht in Demeters Schicksal einzumischen.« Rhodan schaute seinem Sohn in die Augen. »Inzwischen sehe ich ein, dass die Wyngerin wichtig ist.«

»Für jeden dieser Männer von großer Wichtigkeit«, ergänzte der Psychologe.

Um Rhodans Mundwinkel zuckte es verhalten. »Die BASIS ist voller Männer, die sich wie Hähne aufplustern, sobald Demeter in ihre Nähe kommt. Ich dachte, ihr drei Helden hättet euch inzwischen mit dem Thema arrangiert.«

Die Stimmung in Rhodans Büro war nicht gerade gelöst und heiter. Dem Aktivatorträger war anzumerken, dass ihm die Unterbrechung des Fluges Unbehagen bereitete.

»Das dachte ich auch«, erwiderte Danton. »Leider verhält es sich nicht so.«

Ein schizophrenes Element beherrschte die Beziehung der drei zu Demeter. Solange sie von der Wyngerin getrennt waren, dachten und handelten sie vernünftig, doch in ihrer Nähe ging die Vernunft rasch verloren, dann wollte jeder die beiden anderen als Konkurrenten ausstechen.

»Ich schlage ein Experiment vor«, sagte Tronc.

»Wenn es nicht länger dauert als unser Aufenthalt wegen des Kybsoon-Syndroms.« Rhodan blickte den Psychologen forschend an.

»Vermutlich nicht. Ich ziehe eine spezielle Art von Quarantäne in Erwägung. Vernünftigerweise auf Klinik.«

Danton schüttelte den Kopf. »Was soll das bezwecken, Jychen? Wir wissen doch, was geschehen wird.«

»Richtig.« Der Psychologe breitete in einer vielsagenden Geste die Arme aus. »Demeter hat versucht, dich zu töten und nach dir Borl. Sie wird auch Hamiller nicht verschonen – jedenfalls nicht hier auf der BASIS. Wir reden, wohlgemerkt, von einem jeweils schockartig aufgetretenen Trancezustand, ausgelöst durch irgendetwas, das von dem Planeten auszugehen scheint. Also sollte diese Quarantäne auch auf Klinik stattfinden. Alle vier Beteiligten gemeinsam auf engem Raum. Was immer Demeter beeinflusst, so werden wir es am schnellstens herausfinden.«

»Ich bin einverstanden!« Rhodan nickte knapp.

»Ich glaube, dass jeder von uns einverstanden ist«, murmelte Hamiller. Er blickte starr auf seine Stiefelspitzen. »Es ist wünschenswert, dass die Situation ein für alle Mal geklärt wird.«

Rhodan sah den Männern nach, bis sich das Schott hinter ihnen schloss. Er lächelte plötzlich und aktivierte eine Holoschaltung.

Keine Minute später erschien Guckys Gesicht in der Wiedergabe.

»Ich habe hier ein kleines technisches und menschliches Problem«, sagte Rhodan zögernd.

Der Mausbiber kicherte. »Roi, Payne und Hytawath gegen Demeter?«

»So ist es. Ich bitte dich, sie alle aus der Ferne diskret zu beobachten und ...« Der Aktivatorträger schilderte mit knappen Worten, was vorgefallen war. Er bat Gucky, mit Fellmer Lloyd und gegebenenfalls auch mit anderen Mutanten den Quarantäneversuch zu überwachen.

Der Ilt entblößte seinen Zahn. »Dir ist nicht wohl dabei, aber das würdest du niemals zugeben?«

»Für Demeter und Roi steht wohl einiges auf dem Spiel«, antwortete Rhodan melancholisch. »Sie sind die Hauptbetroffenen, was immer sich da anbahnt. Und bitte: keine spielerischen Eingriffe, Gucky. Sie würden das Experiment ruinieren. Nur falls sich eine Tragödie anbahnt, darfst du eingreifen.«

»Verstanden, Perry. Wir machen das schon richtig«, erklärte der Mausbiber ruhig. »Für Roi, meinen Freund, und für die beiden anderen.«

3.

Eine Pionierkugel wurde auf dem Planeten abgesetzt.

Zur Ausrüstung der BASIS gehörten mehrere Dutzend dieser autarken Stationen, deren Konzeption für den Einsatz auf lebensfeindlichen Welten ausgerichtet war. Forscherteams konnten, je nach technischer Ausrüstung, einen Monat lang oder länger in einer Pionierkugel überleben – unabhängig davon, ob dieses System auf einer sonnenfernen Eiswelt oder inmitten von Glutorkanen eingesetzt wurde.

Das Kugelinnere bestand aus einer Vielzahl kleiner Räume, die sich um ein Kommunikationszentrum gliederten. Die spärliche Inneneinrichtung glänzte in fröhlichen, optimistischen Farben.

Der zentrale Raum, in dem sonst Funkanlagen und Messgeräte standen, war in der eingesetzten Pionierkugel fast leer, wies nur einige Mehrzweckboxen auf, die als Tische verwendbar waren, und mehrere Sessel aus einem Baukastensystem.

Demeter lag in dem gelben Raum, breite Gurte hielten sie auf dem Lager fest. In die anderen Kleinzellen hatten sich Danton, Borl und Hamiller zurückgezogen. Sämtliche Versorgungssysteme arbeiteten lautlos.

Danton und Hamiller hatten das Landegebiet ausgesucht. Es lag weit von den Beibooten der BASIS entfernt. Kein äußerer Einfluss sollte das Experiment stören. Der Blick nach draußen versprach schon jetzt grenzenlose Langeweile. Dabei hatte die Lasten-Space-Jet die Pionierkugel eben erst abgesetzt.

Große Areale von den Tellerfräsen abgeweideter Moospilze waren während des Landeanflugs zu erkennen gewesen. Rings um die Station erstreckte sich ein Meer von Sanddünen. Ferne, im Hitzeflirren verschwimmende Bergketten zeichneten eine fahle Abgrenzung gegen den diffusen Himmel. Einige Kilometer von der Kugel entfernt durchbrach ein See die Monotonie der Landschaft.

Die Space-Jet wurde schnell zum winzigen Stern und verschwand.

Hytawath Borl kontrollierte die Versorgungssysteme, dann betrat er den Zentralraum. Unmittelbar nach ihm kamen Danton und Hamiller. Ihr Schweigen hatte etwas Bedrückendes.

»Holen wir jetzt unsere gemeinsame Freundin?«, drängte Borl.

»Unterlassen Sie diese unqualifizierten Bemerkungen!«, schnappte Danton zurück. »Demeter schläft und ist vorerst noch nicht ansprechbar. Also sollten wir miteinander reden. Aber ernsthaft.«

Borl holte sich einen Becher Kaffee und ließ sich in einen Sessel sinken. Er rührte langsam mit einem Plastikstäbchen in dem heißen Getränk und betrachtete seine beiden Kontrahenten, als wären sie besonders interessante Spezies.

»Wir haben uns gestritten, haben miteinander gesprochen, uns gegenseitig angegiftet, uns über uns selbst geärgert – und jeder hat die anderen oft genug zum Teufel gewünscht. Worüber sollten wir uns jetzt also noch unterhalten?«

Hamiller setzte sich auf eine der Treppenstufen. »Ist es nichts Besonderes, dass Demeter versucht hat, zwei von uns zu töten?«, fragte er.

»Auch wahr.« Danton schürzte die Lippen. »Wir sollten unser bisheriges Verhalten hinterfragen. Was steckt eigentlich dahinter? Außerdem scheint dieser angebliche Ruf des Planeten wichtig zu sein, immerhin sprach Demeter mehrmals davon.«

Borl nippte an seinem Kaffee, ließ dabei Danton und Hamiller aber nicht für eine Sekunde aus den Augen. Als er den Becher wieder abstellen wollte, hob sich der würfelförmige Tisch und kippte. Die Pionierkugel bewegte sich wie bei einem überaus starken Beben. Borl rutschte aus dem Sessel und suchte vergeblich nach einem Halt.

Ein neuer heftiger Stoß erschütterte die Stahlitkugel. Alarm heulte auf.

Danton wurde gegen die nächste Wand geschleudert und im nächsten Moment zurückgeworfen. Er stürzte über einen der Sessel, der sich krachend in mehrere Einzelteile auflöste.

Die Kugel rollte offenbar durch den Wüstensand und wurde dabei mehrmals in die Höhe geschleudert.

Hamiller klammerte sich an den breiten Griffen neben einem der Bullaugen fest. Die Kugel rollte immer noch durch den Sand, wenn auch bereits langsamer. Aus weit aufgerissenen Augen blickte der Wissenschaftler nach draußen.

»Tellerfräsen!«, keuchte er.

Auch Borl sah es. Ein großer Schwarm dieser seltsamen Lebewesen war unter dem Sand verborgen gewesen. Keines von ihnen schien kleiner zu sein als dreißig Meter. Die Pionierkugel durchmaß lediglich neun Meter, und offensichtlich hatte schon das erste dieser Lebewesen die Kugel hochgehoben und von ihren drei Tellerbeinen gerissen. Die Rotation hatte die Überlebenskapsel förmlich davonrollen lassen.

Ein harter Stoß ließ die Kugel ihre Richtung ändern. Erneut wurden die Männer herumgeschleudert. Hamiller konnte sich nicht mehr halten. Er rutschte an der Wand entlang und prallte mit Borl zusammen, der sich noch krampfhaft festklammerte. Aber schon der nächste harte Ruck schleuderte sie beide herum.

Ein gellender Schrei erklang aus dem Raum, in dem Demeter festgeschnallt lag.

Der gesamte Schwarm der Tellerfräsen änderte jäh die Richtung. Wieder rammte eines der Tiere die Kugel.

Hytawath Borl fing seinen Sturz noch einigermaßen sicher ab und hakte seine Unterarme um zwei Metallbügel, die er zufällig berührt hatte. Die nächste Rollbewegung zerrte an seinem Körper, aber die geringere Schwerkraft des Planeten ließ das Zerren und Reißen noch erträglich erscheinen. Borl spähte durch eines der Bullaugen, das vor ihm hin und her tanzte.

Obwohl die rote Sonne ihn blendete, sah er, dass die Tellerfräsen die Sandfläche verließen und sich einem Areal mit dunkler Färbung näherten.

Als die Kugel kurz darauf zur Ruhe kam, stand der Boden senkrecht. Vorsichtig ließ Borl sich von seiner Position nach unten gleiten und kämpfte sich bis zu dem kleinen Schaltpult vor, das quer über ihm in der Luft hing. Er zog sich an dem eingebauten Sitz hoch und betätigte die Hydraulik eines der Stützbeine.

Langsam wurde die Pionierkugel in eine andere Position gedrückt, der Boden neigte sich wieder ein wenig. Borl ignorierte Dantons und Hamillers Verwünschungen. Er aktivierte die zweite Stütze.

Die Station kippte leicht nach vorn und ruhte schließlich auf ihrer Rundung und zweien der drei Stützen.

»Kümmert euch um Demeter!«, rief Borl, während er auch die dritte Stütze aktivierte. Der Boden richtete sich wieder aus. »Der Pilot hat uns offenbar auf eine unter dem Sand verborgene Tellerfräse gesetzt.«

»Zum Glück waren es kleinere Exemplare«, gab Hamiller zurück. Hinter Danton erreichte er soeben die Tür zu Demeters Kammer.

»Ich hoffe, Demeter hat nichts abbekommen.« Danton riss den schmalen Durchgang auf.

Demeter war wach, und die Gurte hatten sie auf der Liege festgehalten. Ihr Gesicht war vom Schrecken gezeichnet, aber sie blickte den beiden Männern mit klaren Augen entgegen.

Roi Danton löste die Gurte.

»Bist du in Ordnung?«, fragte er besorgt.

Demeter nickte zögernd. »Wo sind wir?«, wollte sie wissen, und das klang einigermaßen verstört.

»Auf Klinik. Irgendwo im Sand. Die Tellerfräsen haben uns durchgeschüttelt«, antwortete Danton.

»Auf Klinik ...« Demeters Blick schien in weite Ferne abzuschweifen. »Ich wusste es. Die Schocks ... und diese Signale ...«

Hamiller drängte sich an Danton vorbei. Er streckte Demeter seine Hände entgegen und half ihr, sich aufzurichten. Die Wyngerin schwankte leicht.

»Was ist mit den Signalen?«, fragte Hamiller.

Hytawath Borl hatte inzwischen aufgeschlossen, er lehnte sich an den Schottrahmen und beobachtete schweigend. Er zuckte nur kurz zusammen, als Demeter ihn ansah.

Sie kaute auf ihrer Unterlippe. »Ich bin also mit euch dreien in dieser ...«

»Pionierkugel«, half Borl aus.

»Warum?«

»Weil du versucht hast, Danton und mich zu töten«, sagte der Jäger. »Und weil der Planet dich offenbar mit irgendwelchen Signalen beeinflusst. Erinnerst du dich?«

»Und weil wir uns endlich über unsere Beziehungen zu dir klar werden müssen«, fügte Roi Danton hinzu.

Demeter blinzelte und wischte sich über die Augen. »Die Signale waren auf der BASIS schon stark«, erklärte sie nachdenklich. »Hier spüre ich sie noch intensiver, und meine Erinnerung bricht immer weiter auf. Ich weiß jetzt, warum ich euch angegriffen habe.«

Borl ließ den Klang von Demeters Stimme auf sich wirken. Im Moment fehlte ihr jede Aggressivität.

Ein Zittern durchlief Demeters Körper. Sie zwängte sich an den Männern vorbei und blieb erst im Durchgang stehen. Sie wirkte wie in Trance, ohne Unruhe und von einer eigenartigen Sicherheit erfüllt, als ob eine gewaltige Barriere niedergebrochen wäre. Als sie neben Borl die flachen Stufen in den zentralen Raum hinunterging, erschien sie ihm vollends wie eine Schlafwandlerin.

Der Jäger von Vorcher Pool verfolgte angespannt, wie Demeter sich in einen der Sessel setzte. »Deine Erinnerungen und die Mordversuche hängen also miteinander zusammen?«, fragte er beklommen.

»Ich fürchte, dass es sich so verhält.« Die Stimme der Frau wurde allmählich fester und sicherer.

»Erzählst du uns, was damals war?« Hamiller blinzelte erregt. »Hängt unsere Zuneigung ... unsere merkwürdige Affinität zu dir auch damit zusammen?«

»Das wäre durchaus möglich.« Demeters Hände lagen auf den Armlehnen. Sie wirkte jetzt starr und hoch konzentriert.

4.

Caudmer deutete auf die Anzeigen des Kontrollpults, wandte sein schmales Gesicht in meine Richtung und sagte in beruhigendem Tonfall: »Die Umweltverhältnisse sind zufriedenstellend, Demeter. Wir können uns auf dem Planeten ohne besonderen Schutz bewegen.«

»Ausgezeichnet.« Ich fühlte die Anspannung, die uns immer vor den ersten Schritten auf einer fremden Welt befiel. »Wahrscheinlich finden wir das Auge auch hier nicht. Aber vielleicht gibt es Hinweise.«

»Die Wahrscheinlichkeit ist stets groß«, warf Bushtron ein. »Es gibt Tausende Sagen und Legenden, die das Auge thematisieren.«

»So ist es«, bekräftigte Karst-Vlad.

Wir hatten auf dieser Reise schon neun Landungen hinter uns. Es gab vage Spuren des Auges, aber entweder führten sie weiter und verzweigten sich, oder sie verloren sich in der Unendlichkeit des Weltraums und der Geschichte.

Ich kontrollierte meine Waffe und die restliche Ausrüstung. Unser kleines Raumschiff war auf einem Tafelberg niedergegangen. Der Berg erhob sich in der Nähe einer Siedlung. Als ich die Rampe hinunterging, spürte ich kühlen, salzigen Wind im Gesicht. Er brachte die Gerüche von Wald und Meer und den Rauch von Feuern mit sich.

»Ein herrlicher Planet«, bemerkte ich zu Hillfahr, dem Geschichtswissenschaftler, der neben mir ging.

»Die Schönheit der fremden Welten kann uns leicht von unserer Aufgabe ablenken«, erwiderte der Historiker leise. »Trotzdem: Du hast recht.«

Mein Kommando arbeitete hervorragend zusammen. Wir waren fünf Männer und eine Frau und hatten längst bewiesen, dass unsere Fähigkeiten ebenso ausgeprägt waren wie der Wille, uns durch nichts ablenken zu lassen. Wir arbeiteten nicht nur, um die Anweisungen des Alles-Rads zu befolgen, sondern aus Begeisterung. Natürlich waren auch wir, wie fast alle Teams dieser groß angelegten Suchaktion, vorwiegend naturwissenschaftlich-technisch geprägt.

Ich deutete auf die weitläufige Siedlung, deren schneeweiße Bauten aus Stein und Holz inmitten großer Grünflächen fast verschwanden.

»Die Anordnung der Gebäude zeigt eindeutig, dass wir eine bäuerlich-meditative Kultur vor uns haben«, stellte Hillfahr fest.

»Zumindest eine wenig neugierige.« Ich lächelte. »Andere Planetarier wären längst massenhaft bei unserem Landeplatz erschienen.«

»Das bestätigt meine Definition«, bemerkte Hillfahr.

Von Laudnahr und Karst-Vlad ausgeschleust, setzte der große Gleiter neben dem Schiff auf. Wir wandten uns um und gingen darauf zu.

»Es war vereinbart, dass Bushtron im Schiff zurückbleibt«, erinnerte ich über Funk. »Alles klar, Bushtron?«

»Natürlich. Ich habe wie immer mit den Analysen und der Dokumentation ausreichend zu tun.«

Wir stiegen in den Gleiter. Laudnahr übernahm die Kontrollen. Von den neun bisher angeflogenen Planeten waren sieben bewohnt gewesen. Auf einer Welt hatten wir die Reste einer ausgestorbenen Zivilisation entdeckt. Nur die neunte Welt war immer unbelebt gewesen.

»Die Planetarier haben Ähnlichkeit mit uns«, sagte ich. »Vielleicht wird die Verständigung mit ihnen leichtfallen.«

Der Gleiter verließ das Plateau und schwebte der Siedlung entgegen. Wir sahen sorgfältig bestellte Äcker und Felder. Gazellenähnliche Tiere weideten. Die Häuser ließen einen bäuerlich reichen Baustil erkennen.

Als wir an einer Kreuzung zweier sorgfältig gepflasterter Wege mehrere Eingeborene sahen, hielt Laudnahr den Gleiter etwa zwanzig Meter vor ihnen an. Sie waren schlank und hochgewachsen und schauten uns interessiert entgegen.

Wir stiegen aus, gingen langsam auf sie zu.

Ich ergriff das Wort. Unsere Übersetzungsgeräte enthielten zwar ein Programm der ersten Verständigungsschritte, aber mein Versuch, mit den Eingeborenen zu reden, rief bei ihnen zunächst Heiterkeit hervor. Doch dann wurden die Übersetzungen schnell für beide Seiten verständlich. Wir erfuhren, dass der Planet Kartrapp hieß und die Eingeborenen sich Sydraner nannten. Sie bezeichneten sich als Angehörige des Sydra, des Heiligtums, in dem sie meditierten. Irgendwann erreichte angeblich jeder von ihnen, wenn er sich bemühte, den Weitblick.

Ich fühlte eine wachsende Anspannung, weil ich eine Form der Beeinflussung zu erkennen glaubte. Wie nur wenige andere Welten besaß Kartrapp eine eigene fünfdimensionale Strahlungskonstante. Die Hyperstrahlung kam weder von der Sonne noch aus dem Raum, sondern aus dem heißen Planeteninneren.

»Was zeichnet das Sydra aus?«, fragte Hillfahr.

»Es ist der Tempel, in dem wir das Zeichen des Weitblicks aufbewahren. Es ist uralt. Ein Symbol für das Innere Auge.«

Hillfahr und ich warfen uns einen tiefen Blick zu. Zeichen des Weitblicks, Symbol des Inneren Auges ... Das war mehr als eine nur vage Spur.

»Woher kommt ihr mit dem Himmelsschiff?«, wollte einer der Planetarier wissen.

Wir berichteten, ohne jedoch zu viel preiszugeben. Mittlerweile kamen aus den umliegenden Gehöften andere Sydraner. Sie schienen von der Landung unseres Raumschiffs nicht im Geringsten überrascht zu sein. Wir erfuhren, dass vor dreißig Planetenjahren schon ein Raumschiff gelandet war.

»Haben wir tatsächlich eine deutliche Spur des Auges gefunden?«, murmelte Caudmer so, dass seine Frage nicht übersetzt wurde.

»Ihr scheint interessiert zu sein, das Sydra kennenzulernen?«, fragte einer der Eingeborenen.

»Ganz sicher«, erwiderte ich. »Und noch mehr daran, einige der Klugen mit dem erworbenen Weitblick zu sprechen.«

»Ich bringe euch zum Sydra«, bot eine Frau an. »Allerdings weiß ich nicht, ob ihr das Heiligtum betreten könnt.«

Das prickelnde Gefühl in mir verstärkte sich mit der Zeit. Ich spürte meine Reaktion auf die planetare Strahlung deutlich, aber sie belästigte mich nicht. Deshalb nahm ich mir nur vor, später mit den anderen darüber zu reden.

Die Frau stieg mit uns in den Gleiter.

»Seit wann bestimmt das Sydra schon euer tägliches Leben?«, wandte ich mich an die Sydranerin.

»Es ist unsagbar lange her.«

Auch die Suche nach dem Auge dauerte schon eine nicht mehr feststellbar lange Zeit an. Das konnte also durchaus ein weiteres Indiz sein.

Die Frau zeigte uns die Richtung, und in uns wuchs die Überzeugung, nicht nur eine außerordentlich friedliche Bevölkerung, sondern wirklich eine deutliche Spur des Auges, wenn nicht das Auge selbst gefunden zu haben.

»Keine frühzeitige Freude, meine Freunde«, warnte Hillfahr schließlich. »Behalte deine gesunde Skepsis, Demeter!«

»Du kannst mir meinen Optimismus nicht verbieten«, gab ich zurück. »Keine Sorge. Ich werde nicht leichtsinnig, nur weil ich endlich einen deutlichen Hoffnungsschimmer zu sehen glaube.«

»Warum seid ihr so neugierig, Fremde?«, fragte die Sydranerin.

Überall waren Felder, auf denen Sydraner arbeiteten. Wir passierten ein kleines Dorf, in dem mit einfachen Werkzeugen handwerkliche Erzeugnisse hergestellt wurden, dann wieder führte der Weg durch einen Wald uralter, mächtiger Bäume, die üppige Früchte trugen.

Die Landschaft erstrahlte in Ruhe und Frieden und ließ die Abgeklärtheit einer sorgsam im Einklang mit der Natur stehenden Agrarkultur erkennen. Ich glaubte allerdings zu spüren, wie diese Beruhigung gegen die Aufregung und den Einfluss der Hyperstrahlung ankämpfte. Widerstrebende Empfindungen breiteten sich in mir aus.

»Wir sind wissensdurstig, weil wir nach einem verlorenen Heiligtum unseres Volkes suchen«, beantwortete ich die Frage unserer Begleiterin. »Es ist für sehr viele besiedelte Welten von großer Wichtigkeit.«

»Ich verstehe. In dem Fall solltet ihr mit Trantan oder Vomaler sprechen. Sie sind die Besten, denn sie erreichten den größten Weitblick.«

»Wir finden sie im Sydra?«

»Um diese Zeit meditieren sie dort, gemeinsam mit Angehörigen niedrigerer Grade«, antwortete Junaca, die Eingeborene.

»Ihr scheint vor uns, den fremden Raumfahrern, nichts zu verbergen?«, erkundigte sich Karst-Vlad.

»Was sollten wir verbergen wollen? Es gibt nichts, was Räuber interessieren könnte, außer vielleicht einer Ladung Nahrungsmittel oder edle Hölzer.«

»Ihr richtet euer Leben also nach einer besonderen Philosophie und Ethik aus?«

»Halte uns nicht für übertrieben meditativ.« Junaca reagierte mit einer abwehrenden Bewegung. »Das Sydra hat nicht die Bedeutung eines religiösen Zentrums.«

»Sondern?«

»Wir wollen durch die Meditation erreichen, dass wir Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden können. Das Symbol des Inneren Auges dient, das wird euch auch Toorl sagen, nur als Konzentrationshilfe, als Brennpunkt.«

»Woraus besteht dieser Brennpunkt?«, fragte ich. Jenseits eines bewaldeten Hügels wurde das Heiligtum sichtbar.

»Ein Stein oder ein Stück Metall ... Mir ist nicht bekannt, dass jemand jemals das Auge selbst berührt hätte.«

Der Gleiter hatte die Strecke eher langsam zurückgelegt. Nun näherten wir uns einer Art großem Wohnhaus oder Kloster. Inmitten einer ausgedehnten Rasenfläche erhob sich der Tempel. Er wirkte keineswegs wie ein Symbol uneingeschränkter Macht.

Das Sydra lehnte sich förmlich an einen gelben Felsen an. Der Rasen wurde von schmalen Wegen und einigen Baumgruppen durchbrochen. Das Zentrum der Meditation war aus verziertem Schnitzwerk, hellem Stein, roten Ziegeln und dunklen Holzbalken erbaut. Schon die äußeren Bezirke, die breiten Treppen und überdachten Terrassen, luden zum Eintreten ein.

Junaca bat uns, den Gleiter vor der Säulenreihe abzustellen.

Wir stiegen aus. Wenn ich alles richtig verstanden hatte, erreichten die Bewohner dieses Planeten in ihrem Meditationszentrum verschieden hohe Zustandsformen ihrer Intelligenz und ihrer ethischen Überzeugungen. Jene, die am begabtesten waren und am längsten meditierten, erhielten entweder eine Auszeichnung, die sich Weitblick nannte, oder sie erlangten tatsächlich kühnere Ideen und größeres Wissen.

Erst als wir schon nahe an dem Gebäude waren, bemerkte ich das Erstaunliche. Die Balken und Pfeiler einer Eckverbindung vereinten sich nahtlos und entpuppten sich als Teile eines Baumstamms, dessen Wurzeln Treppenstufen bildeten. Auch ein Teil des Daches lebte und bestand aus den parallel gezogenen Ästen des Baumes. Lebende und abgestorbene Teile der riesigen Pflanze ergänzten einander und bildeten tragende Elemente des Heiligtums.

Aus dem Innern erklang ein dunkles, ruhiges Summen.

»Wir haben jahrhundertelang die Natur manipuliert, bis sie diese Form hervorgebracht hat«, erklärte Junaca wie beiläufig.

Felsen und Ziegel waren nur Füllmaterial und höchst zurückhaltend eingesetzt worden. Wir betraten eine sanft schwingende Terrasse und erkannten erst in dem Moment, dass sie aus einer dicken Bodenschicht, Gras und leuchtenden Blüten bestand.

In wachsender Verwirrung folgten wir Junaca. Schlingpflanzen umrankten die natürlich gewachsenen Pfeiler, mit ihren Blättern und vielfarbigen Blüten verschönten sie Bögen und Durchgänge.

»Der gesamte Tempel scheint eher gewachsen als erbaut worden zu sein«, stellte Laudnahr fest.

Das Summen wurde intensiver – eine Melodie von zwingender Eintönigkeit.

»Die Steine bilden Verstrebungen«, erläuterte unsere Begleiterin. »Und die Ziegel schirmen dort ab, wo nichts wachsen kann. Aber alle Wände bestehen aus natürlichen Substanzen, die sich immer wieder erneuern. Zu jeder Jahreszeit hat das Sydra ein anderes Aussehen.«

Meine Empfindungen ließen mich die pflanzlichen Strukturen keineswegs als liebliche Architektur sehen. Ich glaubte zu fühlen, dass sich dieser Komplex schnell in eine Falle verwandeln konnte – eine gigantische Pflanze, die sich ruckartig zusammenkrampfte und uns mit Lianen und Ästen erdrosselte. Aber trotz dieses Eindrucks folgte ich Junaca weiter. Sie glitt barfüßig über den Rasen und näherte sich einem blütenumkränzten großen Tor.

»Wohin führst du uns?«, fragte Hillfahr, nachdem wir drei Terrassen und flache Treppen hinter uns gelassen hatten. Ich drehte mich um und sah hinunter auf die freie Rasenfläche mit ihren Bäumen. Die Sonne strahlte hell, doch aus dem Sydra kam zugleich mit dem dumpfen Gesang ein modriger Hauch.

»Ich bringe euch ins Zentrum, zu Toorl, dem Wächter des Sydra«, antwortete die Einheimische. »Toorl wird entscheiden, wie weit ihr in die inneren Räume eindringen dürft. Aber ich bin sicher, er erteilt euch jede Erlaubnis.«

Der Gegensatz zwischen der beruhigenden Helligkeit draußen und dem feuchten Halbdunkel des Tempelinneren war bedrückend. Meine Unruhe wuchs.

Wir erreichten eine kleine, natürliche Halle. Sonnenlicht fiel durch das Blätterdach. In der Mitte der Rasenfläche erhob sich eine Plattform aus fein bearbeiteten Blöcken, im Hintergrund schimmerten die Metalladern des Felsens, an den sich das Sydra anlehnte. Oder sollte ich besser sagen, um den herum es gezüchtet und kultiviert worden war?

Ich duckte mich, als ein Zweig meine Stirn streifte und mich mit Blütenstaub überschüttete. Augenblicklich fürchtete ich eine Dosis Gift, die über mich gestreut wurde. Ich musste mich zusammennehmen, um den anderen zu folgen, die sich fasziniert umsahen.

In der Mitte der Plattform stand ein Mann. Er war nicht alt und nicht jung. Seine Kleidung war einfach, und er trug auch keine Schuhe. Er schien einen Kopf größer zu sein als die Sydraner, denen wir bisher begegnet waren. Junaca ging auf ihn zu.

»Das sind die fünf Fremden, Toorl«, sagte sie. »Sie suchen etwas, das sie Auge nennen, und glauben, dass das Auge unseres Tempels ihnen einen Hinweis darauf geben kann.«

»Das mag sein«, erwiderte Toorl. »Kommt bitte näher. Fragt mich. Ich sage euch, was ich weiß.«

Meine Unruhe nahm weiter zu. Hinter meinen Schläfen war plötzlich ein stechender Schmerz. Ich schwieg dazu, aber ich sah mich um. Schließlich war ich diejenige, die alle Verantwortung trug.

Toorl winkte uns, ihm zu folgen.

Junaca, Caudmer, Laudnahr und Hillfahr waren dicht bei ihm. Karst-Vlad und ich folgten ihnen mit einigen Schritten Abstand. Der Aufruhr, der immer stärker in mir tobte, gewann allmählich Macht über mich. Meine Gedanken verwirrten sich, wurden aber sehr schnell wieder klar; offensichtlich wirkten die mentalen Impulse der Meditierenden ebenso auf mich ein wie die Hyperstrahlung des Planeten. Erleichtert atmete ich auf, als wir die Höhle verließen. Sie wirkte auf mich mittlerweile wie ein riesiger Rachen, der jeden Moment zuklappen konnte.

Ich stolperte. Karst-Vlad hielt mich am Arm fest und bedachte mich mit einem besorgten Blick. »Ist dir nicht gut, Demeter?«, fragte er leise.

»Ich fürchte allmählich, dass Junaca und Toorl uns in eine Falle locken wollen.«

»Du irrst«, entgegnete er leichthin. »Alles hier ist ungefährlich und einfach zu durchschauen.«

Ich zuckte nur die Achseln und tastete nach meiner Waffe. Toorl und die anderen sprachen angeregt miteinander. Trotzdem spürte ich die drohende Gefahr. Wir gingen eine schräge weiße Sandfläche aufwärts. Zahllose Fußabdrücke zeichneten sich ab. Die Gesänge wurden eindringlicher. Toorl blieb stehen und hob die Hand zum Zeichen für uns alle, ebenfalls anzuhalten.

Wir befanden uns offensichtlich vor dem innersten Bezirk. Hunderte von Baumstämmen, Tausende Wurzeln und Millionen breiter, ineinander verhakter Blätter bildeten mit einem Teil des Felsmassivs die Große Halle. Der Boden bestand aus einem Raster von Sand und Rasen wie das Muster eines Spielbretts.

In dem dunkelgrünen, von schräg einfallendem Sonnenlicht erhellten Bezirk saßen mehr als dreihundert Planetarier auf dem Boden. Sie summten vor sich hin, die einfache und hypnotisierende Melodie. Eine Welle von Schmerzen überfiel mich. Durch einen Schleier von Tränen sah ich zwei Männer auf Toorl zugehen. Wie er trugen sie ein weißes Hemd mit breitem Gürtel und einem Symbol auf der Brust, das an ein großes, starr blickendes Auge erinnerte.

»Können wir den Fremden helfen, Toorl?«, hörte ich einen von ihnen sagen.

»Ich denke, das können wir. Wir sollten ihnen sagen, Vomaler, dass unser Auge nichts anderes ist als ein Stück bemaltes Vulkangestein. Eben ein Brennpunkt, der die Meditation erleichtert.«

»Einverstanden. Aber wir müssen sie bitten, noch zu warten und die Meditierenden nicht zu stören.«

Noch achtete keiner der Versammelten auf uns. Ich sah sie wie durch einen dicken Filter. Ihre mentalen Schwingungen legten sich wie ein dichter werdender Nebel über meinen Verstand. Zusammen mit meiner Erregung und dem Bewusstsein, dass wir in der Falle umkommen würden, dachte und sah ich allmählich Dinge, die es gar nicht geben konnte.

»Geh zu ihnen, Vomaler, und sage es ihnen. Die Frau scheint uns zu misstrauen«, hörte ich den Weisen Trantan sagen. Meine Finger schlossen sich um den Griff meiner Waffe.

In der Mitte des Rasters aus Gras und Sand erhob sich ein Sockel aus übereinandergeschichteten Steinscheiben. Ihr Durchmesser verringerte sich mit zunehmender Höhe, und auf der obersten Scheibe ruhte ein seltsames Gebilde. Es sah aus wie eine Hantel aus zwei verschieden großen Kugelelementen. Aber weder die Kugeln noch ihr Verbindungssteg waren glatt oder gleichmäßig geformt. Dieses seltsame Auge bestand aus einer schwammartigen Substanz und ähnelte weitaus mehr dem herauspräparierten Sehorgan eines Fabelwesens als der stilisierten Form, nach der wir suchten.

Auf der größeren Kugel befand sich, in schimmernden Farben abgesetzt, die Darstellung einer Pupille. Seltsam daran war, dass offensichtlich jeder der Meditierenden die Pupille von seinem Platz aus sehen konnte.

Ich schritt zwischen den Angehörigen meines Teams hindurch und schob Toorl mit der Schulter zur Seite. Gleich darauf zwängte ich mich an einigen der sitzenden Eingeborenen vorbei und näherte mich dem Sockel. Ich musste mir einfach Gewissheit verschaffen. Der Gesang schien lauter und dröhnender zu werden.

Vomaler packte mich an der Schulter.

»Langsam, Fremde!«, hörte ich ihn sagen. »Wir kommen dir in allem entgegen, aber störe bitte nicht wichtige Meditationen. In einigen Stunden werden alle den Tempel verlassen haben.«

Ich riss mich los und ging weiter. Das Auge schien größer zu werden. Es starrte mich an. Die Pupille und die Iris schwebten aus der Düsternis auf mich zu, öffneten sich weiter und drohten mich zu verschlingen.

»Bleib hier, Demeter!«, dröhnte Hillfahrs Stimme hinter mir.

Nur mit einem Rest meines Verstandes begriff ich, dass ich etwas vollkommen Wahnsinniges tat. Ich handelte gegen alle Regeln und vor allem emotional. Zwischen den Meditierenden hindurch lief ich auf das Auge zu. Der Gesang wurde abgehackter und lauter, die Planetarier wehrten sich gegen diese Störung. Aber ich sah nur noch das Auge, das uns beeinflussen wollte.

Trantan, Vomaler und Toorl wollten mich am Weitergehen hindern. Ihre Gesichter verschwammen vor meinen Augen. Dennoch glaubte ich, Hass und Mordlust in ihnen zu erkennen.

Endlich erreichte ich den Sockel und sprang auf die unterste Scheibe.

»Komm zurück, Fremde!«, rief Trantan. »Du störst die Meditierenden. Warte doch!«

Ich hob den Kopf und starrte in das Auge.

»Du bist verwirrt, Demeter!«, keuchte der Weitblickende Vomaler. »Lass dir von uns helfen.«

Ich bebte innerlich. Ich zog die Waffe und versuchte, die drei Weitblickenden auf Distanz zu halten.

»Keine Waffe! Wir wollen dir helfen!« Toorl kam drohend auf mich zu. Gierig reckte er mir seine Arme entgegen.

Ich berührte den Abzug der Waffe.

Ein Blitz zuckte durch die Dämmerung. Toorl schrie auf und brach zusammen. Ich sah, dass Vomaler sich zur Seite warf und dann wieder auf mich zueilte. Er wollte mich umbringen; seine Finger wurden zu funkelnden Klauen.

Ich schoss zum zweiten Mal.

Während Vomaler zusammenbrach, von dem Thermostrahl in die Brust getroffen, endete das dröhnende Summen der Meditierenden. Trantan, der von der anderen Seite kam, hatte mich fast erreicht. In seinen Händen glaubte ich Dolche zu sehen, und ich schoss auch auf ihn.

Als Trantan starb, wurde es still.

Das Summen hörte auf. Binnen Sekunden leerte sich die Halle.

In diesem furchtbaren Schweigen kam ich allmählich wieder zu mir. Ich senkte die Waffe und versuchte zu begreifen, was geschehen war.

In meinem Wahn hatte ich drei Männer umgebracht, die nicht die geringste Gefahr für uns bedeutet hatten. Die anderen Frevel, die ich mit meinem Eindringen in die Meditation der Eingeborenen begangen hatte, ahnte ich noch nicht.

Meine Knie zitterten. Kraftlos sank ich auf dem Podest in mich zusammen. Der Strahler polterte auf den Stein.

Schweigen, Leere, Verzweiflung – ich wusste nicht, wie viel Zeit verging, bis ich jemanden meinen Namen sagen hörte.

Ich hob mühsam den Kopf. Mir war unbeschreiblich elend, und allmählich verstand ich in voller Tragweite, was ich angerichtet hatte. Ich sah Hillfahrs fahles Gesicht vor mir.

»Ich bin eine ... Mörderin«, flüsterte ich.

»Du warst verwirrt!« Er versuchte, mich am Arm hochzuziehen. Mir graute vor den nächsten Stunden und Tagen. Je klarer ich wieder denken konnte, desto tiefer würden Entsetzen und Schuldgefühl sein.

Ich ließ mir von dem Gefährten auf die Beine helfen.

»Wir können nur vermuten, was in dir vorgegangen ist«, sagte der Historiker. »Sieh zu dem Auge hinauf!«

Ich gehorchte schweigend.

Dieses Stück schwammartiges Vulkanmaterial, mit metallenen Ringen und Platten verziert, war keineswegs das Auge, das wir suchten. Es handelte sich tatsächlich nur um einen Brennpunkt für die Konzentration der Meditierenden.

»Ich habe mich verhalten wie eine verbrecherische Närrin«, gestand ich ein. »Ich habe drei unschuldige Männer umgebracht.«

»Du hast drei Eingeborene erschossen«, bestätigte Hillfahr bitter.

Als ich, auf ihn gestützt, den Schnittpunkt zwischen dem Eingang und der domartigen Zentralhalle erreichte, scharten sich die Angehörigen meines Kommandos um uns. Hillfahr gab Caudmer meine Waffe. Die Sydranerin Junaca sah mich schweigend an, aber ohne einen Ausdruck von Hass.

Langsam gingen wir aus dem Sydra hinaus. Auf dem freien Platz unterhalb der letzten Wurzeltreppe standen wie eine lebende Mauer die Planetarier. Hunderte Augen richteten sich auf uns, die Fremden.

»Demeter ist für Schwingungen aller Art besonders empfänglich«, hörte ich Karst-Vlad sagen. Es stimmte, aber es änderte nichts.

»Sie werden über uns herfallen«, murmelte Caudmer. »Und, beim Alles-Rad, sie hätten damit nicht einmal unrecht.«

»Sie werden nichts dergleichen tun, sondern uns durch ihr Verhalten zutiefst beschämen«, widersprach Laudnahr.

Wir blieben stehen.

Allmählich klärten sich meine Gedanken. Mir meiner Schuld vollauf bewusst, ließ ich den Blick über die schweigende Menge gleiten. Die Eingeborenen warteten. Ich sah in ihren Gesichtern einen stummen Vorwurf, aber weder Hass noch Vergeltungsabsicht. Schließlich löste sich aus der Phalanx eine einzelne Gestalt und kam auf uns zu.

»Keine Aufregung!«, versuchte Hillfahr zu beruhigen.

»Ich rufe Bushtron, damit er mit dem Schiff eingreift«, erklärte Karst-Vlad scharf.

»Das wirst du nicht tun!«, brauste Hillfahr auf. Er war mein Stellvertreter.

Der Eingeborene kam langsam die Treppe herauf. Er blieb vor mir stehen und deutete mit der Hand auf mich. »Deine Verwirrung scheint vergangen zu sein.«

Ich begriff seine Worte erst nach einigen Sekunden.

»So ist es – aber ich verstehe nichts mehr«, erwiderte ich. Ich bemühte mich, nicht auszuweichen. Ich musste mich nicht nur vor mir selbst, sondern vor allen zu meiner entsetzlichen Tat bekennen.

»Du hast drei von uns getötet.«

»Das habe ich getan, und es gibt keine Entschuldigung dafür.«

»Vielleicht gibt es eine Erklärung«, sagte der Einheimische. »Ich bin alt, ich habe vieles erlebt und gesehen.«

Ich versuchte, in die großen und dunklen Augen des Weitblickenden zu sehen, aber ich hielt dem nicht stand.

»Ihr Fremden wisst nichts von uns, von der Meditation, vom wahren Wesen unseres Volkes.« Seine Stimme war ohne jeden Vorwurf. Aber das änderte nichts. Demeter, die Chefin eines Suchkommandos, hatte sich verhalten wie ein verrückt gewordener Anfänger.

»Es gibt keine Entschuldigung für mein Tun«, sagte ich.

»Wir kennen keine Rache, und dass du nicht mit Vorsatz gehandelt hast, weiß ich. Trotzdem solltet ihr unsere Welt so schnell wie möglich verlassen.«

»Damit wird nichts ungeschehen gemacht«, brachte Hillfahr mühsam über die Lippen. »Unsere Anführerin war verwirrt. Sie sah Dinge, die es nicht gab, und sie glaubte, ihr würdet uns angreifen. Gibt es etwas, womit wir die drei Toten sühnen können?«

»Es gibt nichts.«

Doch, es gab etwas. Ich spürte das. Mein weiter wachsendes Schuldbewusstsein verriet es mir. Die Blicke der schweigenden Planetarier, ob bewusst oder unbewusst, schienen in mein Unterbewusstsein einen außerordentlich starken Schuldkomplex einzupflanzen.

»Wir dürfen also zu unserem Schiff zurückkehren und starten?«, fragte Caudmer.

»Geht! So schnell wie möglich!«

Ich fröstelte. Eisige Kälte drang in mich ein. Ich musste zurück ins Schiff und mich im dunkelsten Winkel verkriechen. Nichts sehen und nichts hören. Ich wurde halb verrückt vor Ratlosigkeit.

Die Eingeborenen taten etwas mit meinem Verstand. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, aber wenn dem so war, hatte es denselben Effekt. Jedenfalls war es wirkungsvoll.

»Wir wissen, dass Demeter diesen dreifachen Mord niemals vergessen kann«, sagte der Weitblickende mir gegenüber. »Er wird, solange sie lebt, ihr Denken und Fühlen beherrschen.«

»Das ist fast zu viel an Strafe«, erwiderte Hillfahr erschrocken. »Aber ich denke, es ist gerecht.«

»Das glaube auch ich«, antwortete der Sydraner. »Der Schuldkomplex wird nach und nach verdrängt werden, aber niemals wird er ausgelöscht sein. Wir vergeben euch. Wir vergeben Demeter.«

Laudnahr zog mich zu unserem Gleiter. Die Eingeborenen traten zur Seite und öffneten für uns eine schmale Gasse.

»Wir dürfen gehen?«, fragte ich total verwirrt.

»Niemand wird euch aufhalten.«

»Und die drei Männer ...?«

Der Planetarier breitete die Arme aus. »Solange du lebst, Demeter, solange du zwischen den Sternen fliegst, immer dann, wenn du anderen Wesen begegnen wirst, wird dich die Erinnerung an deine Untat verfolgen. Deine Reue mag sicherlich echt sein, aber sobald deine persönlichen Probleme im Vordergrund stehen, wird die Erinnerung in dir wühlen. Die Männer, die du umgebracht hast, werden dann bei dir sein. Und jetzt – geht! Je schneller ihr unsere Welt verlasst, desto früher vergessen wir, was ihr uns angetan habt.«

Hillfahr packte mich an beiden Schultern und stieß mich förmlich zum Gleiter.

Als unser Raumschiff lange Zeit später auf einem anderen Planeten landete, war ich, was die Geschehnisse bei den Sydranern betraf, so ahnungslos wie ein Neugeborenes. Ich hatte alles verdrängt, was mit dem Planeten Kartrapp zusammenhing.

Bis jetzt.

Ich hebe den Kopf und blicke in eure Augen. Hytawath Borl, der Kampfgefährte und Freund, dessen Name ähnlich klingt wie der des Weitsichtigen. Borl-Toorl. Sicher ist das nur ein Zufall.

Der Jäger von Vorcher Pool schob sein Stirnband aus Schlangenleder in die Höhe. Die Erzählung hatte ihn aufgewühlt.

Ein schneller Blick zu einem der Bullaugen zeigte ihm, dass es inzwischen Nacht geworden war.

»Ich bin hiermit wohl als Anwärter auf Demeters tiefe Zuneigung ausgeschert«, sagte er verhalten.

5.

»Das ist meine Geschichte«, schloss Demeter betroffen. »Die Hyperstrahlung von Klinik hat die Erinnerung wieder zum Vorschein gebracht.«

Hamiller nickte langsam. »Es ist für mich völlig klar, dass du im Lauf vieler Jahrhunderte versuchen musstest, diesen Schuldkomplex zu kompensieren und zu verdrängen.«

Demeter betrachtete die drei Männer, als hätte sie keinen von ihnen schon einmal gesehen. Schließlich sagte sie leise: »Sehr lange ist es meinem Unterbewusstsein gelungen, die Wahrheit für sich zu behalten.«

»Der Versuch, uns umzubringen, hat in dieser Geschichte seinen Ursprung, aber noch lange keine Begründung«, erwiderte Hamiller rau.

Demeter schüttelte langsam den Kopf. Sie war müde und erschöpft. Danton brachte ihr einen Becher Kaffee und einen Konzentratriegel.

»Ich habe unbewusst versucht, eine Art Wiedergutmachung zu betreiben«, vermutete die Wyngerin. »Vielleicht hat euch dieser Ausdruck zu mir hingezogen.«

»Die drei getöteten Männer waren dir sympathisch«, vermutete Hamiller. »Ich versuche, eine verständliche Erklärung zu finden. Du hast in uns unwillkürlich ähnliche Personen gesehen. Roi Danton ist verdammt alt und entsprechend weise, besitzt also nach deiner unbewussten Definition die Weitsicht.«

»Du meinst, dass ich durch mein Verhalten das Übermaß an Zuneigung einfach herausgefordert habe?«, fragte Demeter.

»Bei mir scheint jener parapsychische Effekt daran teilzuhaben, der mich schon auf Vorcher Pool geschützt hat«, führte Borl die Erklärung weiter.

»Und die phonetische Namensähnlichkeit betrifft jeden von uns!«, rief Danton. »Borl-Toorl, Trantan-Danton, Vomaler-Hamiller!«