Perry Rhodan 68: Anti-Universum (Silberband) - Hans Kneifel - E-Book

Perry Rhodan 68: Anti-Universum (Silberband) E-Book

Hans Kneifel

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Beschreibung

Bei einem Experiment an der Grenze des Solsystems geschieht es: Perry Rhodan und seine Gefährten werden in ein paralleles Universum geschleudert, aus dem es für sie keine Rückkehr in das heimische Kontinuum zu geben scheint. Mehr noch, bei der Landung auf der Erde werden sie mit ihren perfekten, vom Charakter her jedoch völlig konträren Spiegelbildern konfrontiert. Perry Rhodan II verkörpert das absolute Böse und versucht alles, um die unerwarteten Besucher zu vernichten. Ein ungleicher Kampf entbrennt. Am Ende bleibt immer wieder die Flucht und der verzweifelte Kampf ums Überleben in einem Drama, das von zwei Überwesen gesteuert wird. Perry Rhodan muß gegen sein negatives Ebenbild antreten, damit der Weg nach Hause frei wird...

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Nr. 68

Anti-Universum

Bei einem Experiment an der Grenze des Solsystems geschieht es: Perry Rhodan und seine Gefährten werden in ein paralleles Universum geschleudert, aus dem es für sie keine Rückkehr in das heimische Kontinuum zu geben scheint. Mehr noch, bei der Landung auf der Erde werden sie mit ihren perfekten, vom Charakter her jedoch völlig konträren Spiegelbildern konfrontiert. Perry Rhodan II verkörpert das absolute Böse und versucht alles, um die unerwarteten Besucher zu vernichten. Ein ungleicher Kampf entbrennt. Am Ende bleibt immer wieder die Flucht und der verzweifelte Kampf ums Überleben in einem Drama, das von zwei Überwesen gesteuert wird. Perry Rhodan muss gegen sein negatives Ebenbild antreten, damit der Weg nach Hause frei wird ...

Vorwort

Der ewige Kampf des Guten gegen das Böse – wer kennt ihn nicht aus der Literatur der vergangenen Jahrhunderte und der Gegenwart? Aber es sind meistens die Abgründe (oder Höhen) menschlicher Seelen, die uns da geschildert werden, nicht Gut und Böse an sich; die Extreme der Zerrissenheit, die in uns allen steckt, denn niemand ist wirklich nur gut und nur böse. Es bedarf immer des Anstoßes, der einen Menschen in diese oder jene Bahn lenkt, und Erziehung, soziales Umfeld und Angst vor Strafe sind, unter anderem, die Faktoren, die uns »gut« sein lassen, von Ausnahmen abgesehen. Aber »rein böse« ist auch bei uns niemand. Es gibt immer einen Faktor, der jemanden vom so genannten rechten Weg abgeführt hat.

Nicht so in diesem 68. Band der PERRY RHODAN-Bibliothek. Hier werden unsere Protagonisten in ein Universum versetzt, in dem »das Böse« allgegenwärtig ist, und zwar in Reinkultur. Wer im heimatlichen Universum edel und gut ist, begegnet dort seinem düsteren, grausamen Ebenbild. Und andersherum: Wer im Normaluniversum ein Schurke ist, ist im Paralleluniversum gut und hilfsbereit. Es ist die totale Polarisierung – wenn man so will, die perfekte Schwarzmalerei.

Und doch gibt es Zwischentöne. Wenn man genau hinsieht, wird man erkennen, wie die verschiedenen Autoren an das Thema herangingen, um das »herauszukitzeln«, was es hergab.

Die Autoren und ihre Originalromane sind diesmal: Die unsichtbare Grenze (600) und Marathon der Raumschiffe (606) von Kurt Mahr; Die falschen Mutanten (601) und Arena Eiswelt (607) von William Voltz; Triumph der Gewalt (604) von Ernst Vlcek und Sprung nach GALAX-Zero (605) von Hans Kneifel.

Zeittafel

1971/84 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest. Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und der Aufbruch in die Galaxis. Das Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit. (HC 1–7)

2040 – Das Solare Imperium entsteht und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten folgen Bedrohungen durch die Posbi-Roboter sowie galaktische Großmächte wie Akonen und Blues. (HC 7–20)

2400/06 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel. (HC 21–32)

2435/37 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 gelingt der Sieg über die Erste Schwingungsmacht. (HC 33–44)

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben. (HC 45)

3430/38 – Das Solare Imperium droht in einem Bruderkrieg vernichtet zu werden. Bei Zeitreisen lernt Perry Rhodan die Cappins kennen. Expedition zur Galaxis Gruelfin, um eine Invasion der Milchstraße zu verhindern. (HC 45–54)

3441/43 – Die MARCO POLO kehrt in die Milchstraße zurück und findet die Intelligenzen der Galaxis verdummt vor. Der Schwarm dringt in die Galaxis ein. Gleichzeitig wird das heimliche Imperium der Cynos aktiv, die am Ende den Schwarm wieder übernehmen und mit ihm die Milchstraße verlassen. (HC 55–63)

3444

Prolog

Ende Juli des Jahres 3444 gelingt es Perry Rhodan und seinen Mitstreitern, nach dem Ende der Paramag-Gefahr den acht körperlosen Altmutanten auf dem Planetoiden Wabe 1000 eine neue Heimat zu geben, in der sie sicher und ungestört leben können. Mit den Mutanten wird ein Abkommen getroffen, dass sie sich künftig für Einsätze zum Wohl der Menschheit zur Verfügung halten wollen.

Perry Rhodan wird am 1. August mit überwältigender Mehrheit als Großadministrator wiedergewählt. Es folgen Jahre des weiteren Aufbaus und der weiteren wirtschaftlichen Erholung nach den Wirren der Schwarm-Krise.

Finsternis liegt über der Tiefe.

Plötzlich: das Licht eines Gedankens.

»Die Zeit ist reif ...!«

»Wofür ist die Zeit reif?«, fragt ein zweiter Gedanke.

»Die dritte Krisenperiode bricht an. Eine Fehlerquelle wurde übersehen. Die Möglichkeit einer Schließung des katalytischen Zyklus erscheint damit gegeben! Ich fordere mein Recht!«

Finsteres Zögern. Dann endlich: die Antwort.

»Ich muss sie gewähren lassen. So erfüllen sie ihre Pflicht, und seien sie dabei tolerant.«

Die Gedankenlichter erlöschen. Finsternis breitet sich von neuem über die Tiefe.

1.

Ende August 3456

Schweigend blickte Perry Rhodan auf den großen Bildschirm. Nachdenklich glitt sein Blick über das Meer der Sterne, die das Schwarz des Alls bedeckten. Ein greller, gleißender Lichtpunkt fixierte seine Aufmerksamkeit für einige Sekunden.

Sol, die Sonne der Menschen, über fünf Milliarden Kilometer entfernt. Die mächtige Sonne, aus diesem Abstand kaum mehr als einer unter vielen Millionen Lichtpunkten.

Der Blick wanderte weiter. Ein rötlich leuchtender Fleck trat aus dem Sternengewimmel hervor, bewegte sich langsam über die Bildfläche, verschwand schließlich nach links hinaus. Eines der zahllosen Trümmerstücke des ehemaligen Planeten Pluto.

Das Auge suchte und fand nicht. Einer der Lichtpunkte dort draußen war der Reflex des alten Arkonidenschiffes HYODPON, knapp einen Mondbahnradius von Perry Rhodans Flaggschiff, der MARCO POLO, entfernt. Die HYODPON war das Kernstück eines Versuches, der in wenigen Minuten auf der Höhe der Pluto-Bahn durchgeführt werden sollte und dessen Ausgang entscheiden würde, ob es der Menschheit gelungen war, eine weitere Hürde auf dem Weg zur Beherrschung der Natur und ihrer Kräfte zu überspringen. An der HYODPON würde sich erweisen, ob es gelungen war, ein weiteres Geheimnis des Kosmos zu entschleiern.

Rhodans Blick wanderte zur Uhr über der Schaltkonsole des Piloten. Heute war der 20. August des Jahres 3456 allgemeiner Zeitrechnung. Vor wenigen Wochen hatte ihm die Menschheit des Solaren Imperiums dadurch ihr Vertrauen bewiesen, dass sie ihn zum ungezählten Male zum Großadministrator wählte. Würde er sich heute dieses Vertrauens würdig erweisen? Würde es ihm gelingen zu zeigen, dass es unter seiner Regierung mit der Technik des Imperiums weiterhin bergauf ging – und damit mit dem Wohlbefinden seiner Bürger, denn zu keiner Zeit in der Vergangenheit des Menschengeschlechtes war der Einfluss der Technologie auf Wohl und Wehe der Gesellschaft stärker gewesen als in diesen Tagen?

Er blickte in die Runde. Der gewaltige Kommandostand der MARCO POLO war leer bis auf die wenigen Männer der Nachtwache. Das mächtige Schiff stand unter der Kontrolle des Autopiloten. Offiziere und Mannschaften hatten sich in der Messe zusammengefunden, um von dort den Verlauf des Experimentes zu verfolgen.

Perry Rhodan horchte auf, als aus dem Interkom die wohlmodulierte und dennoch seelenlose Stimme eines Roboters erklang: »X minus zwölf Minuten!«

Im Messraum herrschte die gespannte, vom Murmeln aufgeregter Wissenschaftler erfüllte Atmosphäre des Testlabors kurz vor dem großen Versuch. An beherrschender Stelle, hinter einer Rechnerkonsole, die auf einem Podest installiert worden war, saßen die Leiter des Experiments: Geoffry Abel Waringer und Mart Hung-Chuin – Männer, denen die Gesellschaft schon zu ihren Lebzeiten bescheinigt hatte, dass sie mit zu den hervorragendsten Genies gehörten, die die Art Homo sapiens jemals hervorgebracht hatte.

Waringer, groß, hager und ein wenig linkisch in seinen Bewegungen, tätigte eine Reihe von Ablesungen. Ohne den Blick von den Messinstrumenten zu wenden, erkundigte er sich bei Hung-Chuin: »Formfeld?«

»Stabil.«

»Pulsfrequenz?«

»Achthundert Gigahertz, wie geplant.«

Mit der Endgültigkeit eines Mannes, der seine Aufgabe erfolgreich abgeschlossen weiß, legte Waringer einen weiß leuchtenden Kippschalter um. Auf der Konsole vor ihm strahlten vierundzwanzig grüne Kontrolllämpchen. Alles war in bester Ordnung. Waringer lehnte sich zurück und verschränkte die Arme auf der Brust.

»Wir sind bereit«, verkündete er. »Wir warten nur noch auf die Uhr.«

Zufrieden überflog er das Heer der Experimentatoren. Hier vollzog sich etwas, dachte er stolz, das früheren Menschheitsgenerationen versagt gewesen war. Die Erzeugung von Energie aus der Verschmelzung von Materie mit Antimaterie war eine Entwicklung, die der Entdeckung des Rades und der Erfindung der Methode, ein Feuer zu entzünden, in nichts nachstand. Und doch hatte der Erfinder des Rades den zündenden Gedanken wahrscheinlich in der Einsamkeit gehabt, und auch dem Mann, der das erste Feuer entzündete, war der Applaus einer riesigen Zuschauermenge versagt geblieben. Heutzutage ging es anders. Erfindungen und Entwicklungen entstanden nicht mehr aus Zufall. Niemand mehr zog sich an einen stillen Ort zurück und züchtete dort die Gedanken, die der terranischen Technologie einen Schritt weiterhalfen. Alles war geplant. Man wusste im voraus, wann der Augenblick des Durchbruchs kommen würde, und die Schar der Neugierigen fand sich rechtzeitig ein, um an dem Schauspiel teilzunehmen.

So war es heute. Mehr als achttausend Augenpaare würden von der Messe aus die Anzeigen, die über das Fortschreiten des Versuchs Aufschluss gaben, verfolgen. Achttausend Händepaare würden begeistert applaudieren, sobald feststand, dass das Experiment erfolgreich war. Hunderte von Händen würden die beteiligten Wissenschaftler schütteln müssen, wenn sie nach erfolgreichem Abschluss des Versuchs ihre Arbeitsplätze verließen. Waringer warf dem kleinen, stämmig gebauten Asiaten, der neben ihm an der Konsole saß, einen aufmunternden Blick zu, und Hung-Chuin bedankte sich mit freundlichem Lächeln.

Aus dem Interkom sagte die Robotstimme: »X minus acht Minuten!«

Das Solare Imperium des Jahres 3456 hatte die Wirren, in die es durch das Auftauchen des Schwarms vierzehn Jahre zuvor gestürzt worden war, überwunden. Dieser Umstand allein sprach für die Tatkraft und die Entschlossenheit des Erdenmenschen; denn in anderen Gegenden der Galaxis waren die Folgen des Schwarms noch immer deutlich zu spüren. Selbst solche Sternenreiche, die von terranischen Auswanderern gegründet worden waren, sich jedoch frühzeitig von der Bevormundung, wie sie es nannten, der Regierung in Terrania City losgesagt hatten, befanden sich immer noch im Zustand der Desorganisation – ebenso wie die neu-arkonidischen Staatsgebilde und das Reich der Akonen. Zwar war überall vorauszusehen, dass man eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft den Zustand der Stabilität wieder erreichen würde. Aber innerhalb des Solaren Imperiums war das Gleichgewicht schon jetzt wiederhergestellt, und die terranische Menschheit befand sich damit den anderen Völkern der Galaxis gegenüber in einer Vorrangstellung, wie sie sie seit den längst vergangenen Tagen der Galaktischen Allianz nicht mehr innegehabt hatte.

Kurzsichtig wäre derjenige gewesen, der die Gunst des Schicksals nicht erkannt und darauf verzichtet hätte, diesen Vorteil zu nutzen und weiter auszubauen. Niemand aber hatte Perry Rhodan je kurzsichtig nennen können. Die erste Sorge des Großadministrators galt dem Wohl der solaren Menschheit, und auf keine Weise ließ sich diesem Wohl besser dienen als dadurch, dass er die Vorrangstellung des Imperiums unter den Völkern der Milchstraße stärkte und dafür sorgte, dass die Einflusssphäre des irdischen Menschen vor den Expansions- und Eroberungsgelüsten anderer Sternnationen sicher war.

Die rasche Entwicklung der Technologie war eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg dieses Bemühens. Die Administration Rhodan förderte nach allen Kräften besonders Forschungen, die der Erschließung neuer Energiequellen dienten. Denn ertragreichere Energiequellen bedeuteten wirksamere Verteidigung, und darauf kam es letzten Endes den Männern und Frauen in Terrania City an. Besondere Aufmerksamkeit erhielt ein Projekt, das schon vor den Schwarmwirren eingeleitet und durch das Eindringen des extragalaktischen Gebildes für einige Jahre lahmgelegt worden war.

Es trug den Namen ANTINUG und befasste sich mit der Möglichkeit, den Zerfall von Materie und Antimaterie so zu kontrollieren, dass auf diese Weise kommerziell nutzbare Energie gewonnen werden konnte. Antinug war eine Kontraktion der Wörter Antimaterie und Nugas, wobei man mit dem aus älterer Zeit herrührenden Begriff Nugas den Aggregatzustand der Materie bezeichnete, in dem nur noch völlig ionisierte, freie Nukleonen existierten.

Das beunruhigte den an systematisches Denken gewohnten Menschen. Er begann auf Wege zu sinnen, wie er auch die zweite Hälfte der verfügbaren Energie sich noch zunutze machen könne. Die Frage, wohin die hinter der Raumkrümmung untergetauchte Materie verschwunden sei, wurde zwar nie beantwortet, dafür fand man jedoch eine Möglichkeit, sie aus ihrem Versteck wieder hervorzulocken. Lange Versuchsreihen waren dazu erforderlich gewesen.

Die von Anfang an logischste Vorgehensweise schien zu sein, dass man das künstliche Schwerefeld, auch Schwarzschild-Feld genannt, hinter dem die Materie soeben verschwunden war, einfach umpolte und die Materie dadurch wieder zum Vorschein brachte. Zunächst führten Versuche in dieser Richtung jedoch zu keinem Erfolg. Die Umpolung des Schwarzschild-Feldes erzeugte nichts. Die Materie, die kurz zuvor hinter der Raumkrümmung verschwunden war, blieb verschollen, als sei sie in dem fremden Universum, in das sie durch die Schließung der Krümmung geraten war, inzwischen abgewandert. Die Idee einer Abwanderung wirkte katalytisch auf die Konzipierung einer Abwanderungsgeschwindigkeit und damit auf die Vorstellung, dass die Umpolung des Schwarzschild-Feldes innerhalb einer gewissen Zeitspanne nach dem Verschwinden der Materie erfolgen müsse, sonst sei eben – wie zuvor – die Materie für immer verloren.

Die Hypothese war erfolgreich. Man begann, die Zeitspanne, die zwischen dem Schluss der Raumkrümmung und der Umpolung des Schwarzschild-Feldes verstrich, experimentell zu variieren. Als man sie bis auf knapp 1,36 Pikosekunden, also etwa den siebenhundertvierzigmilliardsten Teil einer Sekunde, gedrückt hatte, trat der seit langem ersehnte Effekt ein: Die verschwundene Materie kam wieder zum Vorschein. Mehr noch. Sie kam in einer Form zum Vorschein, die außer einer Handvoll Jünger einer als abwegig betrachteten Hypothese niemand für möglich gehalten hatte.

Materie verwandelte sich im Durchgang durch das Schwarzschild-Feld in Antimaterie!

Damit war das Problem auf glanzvollere Weise gelöst, als die Forscher es sich jemals hätten träumen lassen. Materie, hinter der Raumkrümmung verschwindend, verwandelte sich zur Hälfte in Energie. Wurde die Raumkrümmung durch Umpolung des Schwarzschild-Feldes rechtzeitig wieder geöffnet, so kam die verbleibende Materiehälfte in der Form von Antimaterie wieder zum Vorschein. Durch Bombardement mit normaler Materie wurde auch die verbleibende Hälfte sodann in Energie verwandelt.

Das war das Prinzip. Tausende von kleineren Problemen waren noch zu lösen, bevor das Prinzip sich nutzbar machen ließ. Die Aufbewahrung des Brennstoffs war eines davon. Nugas – also freie Protonen – ließ sich zwar bis zur Dichte der Atomkernmaterie verdichten, übte aber infolge der elektrostatischen Abstoßung einen derart gewaltigen Druck nach außen aus, dass ein besonderes Formfeld, ebenfalls ein künstliches Schwerefeld, entwickelt werden musste, um die ungezügelten Protonen beieinander zu halten. Waringer selbst hatte die Entwicklung geleitet. Das Feld trug den Namen, den er selbst ihm gegeben hatte: Koma-Verdichtungsformfeld. In seinem Innern ließ sich Nugas in stabiler Form bis zu einer Dichte von mehr als 1010 Gramm pro Kubikzentimeter aufbewahren. Das Formfeld wurde von einem Generator erzeugt, der in die Wandung des Brennstofftanks eingebaut war.

Da das Schwarzschild-Feld gepulst arbeitete, musste auch die Entlassung von Protonen aus dem Formfeld in gepulster Weise vor sich gehen. Die niedrigste Frequenz, bei der die Pulsierung noch den gewünschten Effekt erzeugte, war durch die vorangegangenen Experimente ermittelt worden: 370 Gigahertz. Bei dieser Frequenz folgte die Öffnung der Raumkrümmung im Abstand von 1,36 Pikosekunden auf die Schließung. Man legte einen Sicherheitsfaktor zu und setzte 800 Gigahertz als Standardfrequenz fest. Die Synchronisierung zwischen Form- und Schwarzschild-Feld, die je nach Konstruktion des Generators ein paar Zentimeter bis ein paar Meter voneinander entfernt waren, bot wegen der hohen Frequenzen zusätzliche Schwierigkeiten.

Auch sie wurden beseitigt, und schließlich stand in einem der staatlichen Forschungslabors in der Nähe von Terrania City der erste Nug-Schwarzschild-Reaktor, der aus einem gepulsten Protonenstrahl ständig Energie erzeugte. Dabei handelte es sich um ein Versuchsmodell, das an Brennstoff nicht mehr als ein Billionstelgramm pro Sekunde verbrauchte und daraus, mit einem Wirkungsgrad von knapp sechzig Prozent, eine ständige Leistung von dreiundfünfzig Kilowatt erzeugte.

Ähnliche Versuchsreaktoren waren an anderer Stelle gebaut worden. Acht Jahre lang hatte man das Verhalten der Nug-Schwarzschild-Reaktoren beobachtet und experimentelle Daten gesammelt. Man hatte größere Reaktoren entwickelt, zum Beispiel einen in der Nähe von Mogadischo, der Brennstoff mit einer Geschwindigkeit von zwei Milligramm pro Sekunde verbrauchte und dafür eine ständige Leistung von mehr als einhundert Millionen Megawatt lieferte. Aber noch nie war bis jetzt der großmaßstäbliche Versuch gewagt worden, der Test eines Kraftwerkes, wie es an Bord eines Raumschiffes gebraucht wurde.

Im Jahre 3454 war mit der Entwicklung eines solchen Kraftwerkes begonnen worden. Es bestand aus acht kreisförmig angeordneten Reaktoren, die aus einem zentral gelegenen Brennstofftank gespeist wurden. Jeder Reaktor war auf eine Leistung von zehn Milliarden Megawatt ausgelegt. Bei einem Wirkungsgrad von sechsundfünfzig Prozent würde er dabei pro Sekunde zwei Zehntelgramm an Brennstoff verbrauchen. Das gesamte Kraftwerk hatte eine Leistung von nominal 80 Milliarden Megawatt, die kurzfristig auf das Zehnfache gesteigert werden konnte.

Knapp zwei Jahre später standen zwei dieser Kraftwerke bereit. Eines davon wurde anstelle einer konventionellen Energieversorgungsanlage in das Flaggschiff der Solaren Flotte, die MARCO POLO, eingebaut. Das zweite wurde an Bord der alten HYODPON installiert, die bei dem bevorstehenden Experiment als Versuchsobjekt zu dienen hatte. In beiden Fällen diente das Kraftwerk ausschließlich zur Energieversorgung des Raumschiffes. Der Schiffsantrieb beruhte im Normalflug weiterhin auf den bewährten Korpuskulartriebwerken, für die die Entdeckung des Schwarzschild-Zerstrahlungsprinzips bislang noch keinen Ersatz geliefert hatte. Der Versuchsplan zielte darauf ab, die Feldschirme der HYODPON, die zunächst aus den elf konventionellen Kraftwerken gespeist wurden, durch intensiven Beschuss derart zu überlasten, dass die Nug-Schwarzschild-Reaktoren einsprangen, um die Aufrechterhaltung der Schirme zu unterstützen. Die HYODPON war unbemannt. Die Regelung der Kraftwerksströme erfolgte durch den Autopiloten, der im entscheidenden Augenblick auch das Schwarzschild-Kraftwerk in Betrieb nehmen würde. Das alte arkonidische Raumschiff befand sich im Schutz eines HÜ-Feldes und eines Paratronschirms. Aufgrund der energetischen Struktur der beiden Schirmfelder war zu erwarten, dass der HÜ-Schirm zuerst zusammenbrechen würde. Die Sicherheitsschaltungen an Bord der HYODPON waren so angelegt, dass die Kraftwerke nach Ausfall des HÜ-Feldes ihre gesamte Leistung zur Aufrechterhaltung des Paratronschirms verwendeten. Erst wenn auch der Paratronschirm in Gefahr geriet, sprang das neuartige Kraftwerk an.

Jede einzelne Phase des Experiments war durch Hunderte von Messungen belegt. Die Aufzeichnung der Messergebnisse, durch Hyperfunk von der HYODPON übertragen, erfolgte vollautomatisch; jedoch standen den Experimentatoren außerdem optisch lesbare Instrumente zur Verfügung, die ihnen gestatteten, den Verlauf des Versuchs mit eigenen Augen zu verfolgen. »Für das Volk«, wie Geoffry Waringer sich ausdrückte, hatte man in der Messe der MARCO POLO hervorragende optische Beobachtungsmöglichkeiten geschaffen. Vergrößerte Telekamerabilder der HYODPON erschienen überall auf den großen Bildflächen der Messe.

Das Kraftwerk an Bord der MARCO POLO blieb vorläufig inaktiv. Erst wenn der Versuch erfolgreich abgeschlossen worden war und die eingehende Auswertung der Messdaten die Sicherheit des Nug-Schwarzschild-Prinzips eindeutig erwiesen hatte, würde die neue Kraftstation des Flaggschiffs ebenfalls aktiviert werden.

»X minus vier Minuten«, sagte der Robot.

Stille herrschte in dem kleinen Konferenzraum, der dicht unterhalb des Kommandostandes lag. Auf einer in die Wand nach Art eines Fensters eingelassenen Bildfläche glänzte das vergrößerte Abbild der HYODPON. Die drei Männer, die sich in den letzten Minuten vor dem Experiment hier zusammengefunden hatten, starrten wortlos auf die dreidimensionale Darstellung.

»So etwa«, sagte Roi Danton plötzlich, »müssen sich die Leute des Projekts Manhattan gefühlt haben, kurz bevor sie die erste Atombombe hochgehen ließen.«

Atlan schüttelte unwillig den Kopf. »Ich wollte, es würde in euren barbarischen Schädeln nicht vor jedem kritischen Test die Assoziation mit einer Bombe auftauchen. Wir experimentieren mit einem Kraftwerk, nicht mit einer Bombe!«

Roi Danton grinste zur Antwort.

»Hoffen wir, dass das Ding sich nicht zum Schluss doch in eine Bombe verwandelt«, sagte Perry Rhodan mit ungewohntem Ernst.

Der Arkonide musterte ihn verwundert. »Du sprichst ominös, mein Freund. Was bedrückt dich?«

Die Frage erhielt keine Antwort. Im Interkom begann der Abzählvorgang der letzten zehn Sekunden. Der Robot sagte: »Feuer ...!«

Und drüben, bei der HYODPON, begannen die Feldschirme zu glühen und zu flammen.

»Feuer ...!«, wiederholte Waringer murmelnd den Befehl des Roboters und legte einen Schalter um.

Die Geschützstände der MARCO POLO waren für diesen Versuch gesondert programmiert worden. Das Programm bestimmte die Feuerfolge, die Konzentration des Feuers an bestimmten Stellen und die Auswahl der Geschützkaliber.

Der Wechsel von einer Geschützart zur anderen jedoch blieb den Experimentatoren vorbehalten. Auf Waringers ersten Schaltdruck hin waren die Desintegratorgeschütze in Tätigkeit getreten.

Der HÜ-Schirm der HYODPON begann zu flammen, als er die gewaltigen Geschützenergien absorbierte. Waringers Blick flog über die Messinstrumente.

An Bord des alten Arkonidenraumers war vorläufig alles in Ordnung. Die elf konventionellen Kraftwerke erhöhten ihren Ausstoß in demselben Maß, in dem die Belastung der Feldschirme wuchs. Nach vierzig Sekunden stand fest, dass sie dem Desintegratorfeuer standhalten würden, bis ihnen der Treibstoff ausging.

»Te-Oh weiterhin inert«, sagte Mart Hung-Chuin.

T-O war die Abkürzung für Testobjekt. Das Testobjekt dieses Versuchs war das Nug-Schwarzschild-Kraftwerk an Bord der HYODPON. Der Autopilot hatte es bislang noch nicht aktiviert, da die konventionellen Kraftstationen ausreichten, der Bedrohung zu begegnen.

Waringer betätigte einen zweiten Schalter. Die Impulsgeschütze schalteten sich ein. Mit dem HÜ-Schirm der HYODPON ging eine seltsame Veränderung vor sich. Er glühte nun in grellem Blau und begann sich zu verformen.

Die Messinstrumente besagten, dass die elf Kraftwerke der HYODPON nahezu auf Maximalleistung liefen. Waringer kannte die Verformungserscheinung der Feldschirme vom HÜ-Typ. Sie trat infolge akuter Überlastung auf und war gewöhnlich ein Hinweis darauf, dass das Schirmfeld bald zusammenbrechen würde.

»Ich versuche es mit einer minimalen Transformladung«, sagte Waringer mehr zu sich selbst als zu seinem Nachbarn.

Er nahm einige zusätzliche Schaltungen vor. In den Tiefen der mächtigen Geschützstände machte sich eine der kleineren Transformkanonen bereit, ein Projektil von nicht mehr als zehn Megatonnen konventioneller Sprengwirkung auf die HYODPON abzufeuern. Waringer gab den Feuerbefehl. Überlichtschnell raste das Geschoss, von seinem eigenen Transportfeld eingehüllt, durch den Raum.

350.000 Kilometer abseits der MARCO POLO entstand eine Mikrosonne. Ein blauweiß strahlender Glutball hüllte das arkonidische Schiff ein. In seiner tödlichen Umarmung erstickte das überlastete HÜ-Feld. Die Messinstrumente bewiesen den Kollaps des Schutzschirms. In einem Schaltvorgang, der nicht mehr als zwei Nanosekunden in Anspruch nahm, zogen die Kraftwerke sämtliche Leistung von den nutzlos gewordenen HÜ-Projektoren ab und schickten sie dorthin, wo sie zur Verstärkung des Paratronfeldes nötiger gebraucht wurde.

»Volles Transformfeuer!«, rief Waringer.

Ein weiterer Schalter klickte.

»Te-Oh weiterhin inert«, meldete Hung-Chuin mit eiserner Ruhe.

Der Feuerball um die HYODPON wurde mächtiger, greller. In Abständen von wenigen Sekunden explodierten fünf Projektile im Paratronfeld des alten Raumschiffs. Waringer verfolgte die Anzeige der Leistungsabgabe der Kraftwerke. Sie waren überfordert. Sie produzierten das Zehnfache, das Zwanzigfache ihrer normalen Leistung. Wie lange würden sie durchhalten? Jetzt, in diesen Sekunden, nahte der entscheidende Augenblick!

»Autopilot testet!«, meldete Hung-Chuin.

Der Autopilot der HYODPON hatte die Gefährlichkeit der Lage erkannt. In Bruchteilen von Mikrosekunden berechnete er, wie lange die konventionellen Kraftwerke die Überbeanspruchung noch aushalten würden. Die Antwort schien nicht zufriedenstellend auszufallen.

Hung-Chuin schrie begeistert: »Te-Oh wird aktiviert!«

Im Messlabor der MARCO POLO hielten die Wissenschaftler den Atem an. Zum ersten Mal lief ein neuartiges Kraftwerk auf Hochtouren. Waringer beobachtete, wie das gepulste Formfeld in Aktion trat. In kleinen Portionen, fast eine Billion Male pro Sekunde, entließ es Brennstoffmaterie ins Innere des Schwarzschild-Feldes.

»Pulsfrequenz stabil an beiden Enden!«, meldete Hung-Chuin.

»Leistung?«

»Bei fünfzig Prozent, vierzig Milliarden Mega!«

Die künstliche Sonne schrumpfte in sich zusammen, als die Explosionsenergien im Innern des wiedererstarkten Paratronfeldes absorbiert wurden. Rötlich leuchtend kam der Paratronschirm hinter den Glutmassen zum Vorschein. Unbehelligt von den mörderischen Energien der Transformgeschosse, schwebte die HYODPON majestätisch in der Schwärze des Alls.

Im Messlabor der MARCO POLO brach die Hölle los. Zehn endlose Minuten lang hatten die Wissenschaftler ihre Spannung mühsam zurückgehalten, in sich aufgestaut. Jetzt, im Augenblick des Triumphs, brach sich die Begeisterung Bahn. Männer und Frauen sprangen von ihren Arbeitsplätzen auf, schüttelten einander die Hände, fielen einander in die Arme. Selbst der sonst so beherrschte Waringer war aufgestanden. Armeschwenkend bedankte er sich für die Begeisterungsrufe, die ihm aus der großen Halle des Labors entgegengellten.

Fast fünf Minuten dauerte der Begeisterungstaumel. Fünf Minuten lang arbeitete das Kraftwerk der HYODPON, nur auf halber Leistung laufend und dennoch den Ausstoß aller elf konventionellen Triebwerke zusammengenommen um fast das Fünffache übertreffend.

Waringer nahm seinen Platz hinter der Konsole wieder ein.

»Autopilot erwägt Abschalten des Te-Oh«, sagte Hung-Chuin.

Das musste vermieden werden. Da der Transformbeschuss vorübergehend eingestellt worden war, gelangte der Autopilot zu der Ansicht, dass die Gefahr vorüber sei. Waringer hatte vor, ihn eines Besseren zu belehren. Noch war der Versuch nicht abgeschlossen. Noch galt es zu beweisen, dass das neue Kraftwerk auch im Zustand der Überbelastung gefahren werden konnte.

Die letzte Phase begann. Durch Knopfdruck feuerte Waringer drei Transformgeschütze ab, von denen jedes ein Projektil mit einer Sprengwirkung von 1000 Gigatonnen TNT auf den Weg brachte. Die Geschosse explodierten innerhalb einer Sekunde im Einflussbereich des Paratronfeldes der HYODPON. Von neuem entstand dort drüben der grelle, lodernde Ball einer Sonne, mächtiger und größer als jemals zuvor, ein wilder, stürmischer Ozean aus entfesselter Energie, der das All zu überschwemmen schien.

»Te-Oh fährt zweihundert Prozent nominal«, rief Hung-Chuin erregt. »Ausstoß steigt weiter. Dreihundert ... vierhundert Prozent ...«

Waringer wandte den Blick nicht vom Bildschirm. Das neue Kraftwerk antwortete auf die Herausforderung. Immer höhere Leistung ausstoßend, machte es sich daran, die fürchterlichen Energien der drei Explosionen zu absorbieren. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Waringer, den weißblauen Glutball, der die HYODPON umgab, in sich zusammenschrumpfen zu sehen.

Dann geschah das Unglaubliche.

»Pulsfrequenz steigt ...!«, schrie Hung-Chuin warnend.

Im nächsten Augenblick sank die Kunstsonne in sich zusammen. Sie verschwand einfach, als sei das All eine Tafel, von der die Hand eines Unsichtbaren sie weggewischt hatte. Der Vorgang war so überraschend, so unglaublich, dass Waringer noch mit offenem Mund auf den Bildschirm starrte, als der Glutball der Transformexplosionen schon längst verschwunden war.

Dann machte er die nächste Entdeckung. Das Paratronfeld war ebenfalls verschwunden. Unverhüllt erschien auf dem Bild die mattschimmernde Metallwandung der HYODPON. Das Schiff schien unbeschädigt. Wenn der Paratronschirm wirklich zusammengebrochen war, dann musste er zusammengebrochen sein, nachdem er die Wirkung der drei Explosionen bereits in sich absorbiert hatte. Sonst wäre von dem alten Arkonidenschiff nichts mehr zu sehen gewesen.

Waringer wischte sich über die Stirn. Was ihm im Leben noch selten widerfahren war, hier trat es ein: Er war ratlos. Hilfesuchend wandte er sich an Hung-Chuin, nur um an dem Gesichtsausdruck des Asiaten abzulesen, dass der ebenso weit vom Begreifen und Verstehen entfernt war wie er selbst.

Er blickte auf, und mit schwerer Stimme sprach er die Worte, die das Urteil über das gesamte Experiment fällten: »Die HYODPON sendet keine Messungen mehr!«

Da richtete Waringer sich auf. Die Entscheidung war gefallen. Sie schmeckte bitter, aber das musste in Kauf genommen werden. Er zog das Mikrophon zu sich heran und sagte: »Der Versuch ist misslungen!«

Man zog in Erwägung, ein Kommando von Technikern an Bord der HYODPON zu schicken und dort nach dem Rechten zu sehen. Perry Rhodan jedoch erhob Widerspruch.

»Wir wissen nicht, was dort drüben vorgefallen ist«, erklärte er. »Sosehr wir uns auch bemühen – wir bekommen keine Funkverbindung mit dem Autopiloten. Solange ich nicht genau weiß, wie der Fehlschlag zustande kam und welche Komponenten des Systems dafür verantwortlich waren, bringe ich keinen Mann in Gefahr, indem ich ihn an Bord der HYODPON schicke.«

»Zudem«, fügte Atlan hinzu, »lässt sich aus der Auswertung der Messergebnisse mehr lernen als aus einer Durchsuchung der HYODPON, selbst wenn sie ungefährlich wäre. Und schließlich geht uns das Schiff nicht verloren. Es befindet sich auf einer stabilen Umlaufbahn um die Sonne. Wenn wir es für nötig halten, können wir jederzeit hierher zurückkehren.«

Die MARCO POLO startete unverzüglich. Der Rückflug zur Erde vollzog sich durch das Einstein-Kontinuum bei zumeist relativistischen Geschwindigkeiten. Als Flugdauer waren zwei Stunden angesetzt. Diese Zeit benutzte Rhodan, um sich mit seinen Chefwissenschaftlern zu besprechen.

»Es gibt Anzeichen«, erläuterte Waringer, »dass das Pulssystem zusammenbrach. Mart hier«, er deutete auf den Asiaten neben ihm, »beobachtete ein rasches Ansteigen der Pulsfrequenz.«

»An beiden Enden«, fügte Hung-Chuin hinzu. »Die Formfeldfrequenz wuchs ebenso wie die Pulsfrequenz des Schwarzschild-Feldes.«

»Das bedeutet, dass pro Zeiteinheit mehr Brennstoff umgesetzt wurde, nicht wahr?«, erkundigte sich Rhodan.

»Ganz genau.«

»Wurde ein entsprechender Leistungsanstieg gemessen?«

»Sicherlich«, nickte Hung-Chuin. »Die Leistung stieg ebenso an wie die Pulsfrequenz.«

»Gesetzt den Fall«, meldete sich der Arkonide zu Wort, »die Pulsfrequenz sei so rapide angestiegen, dass schließlich die gesamte Brennstoffmasse quasi auf einmal freigesetzt worden wäre. Kann das geschehen sein?«

Waringer lächelte ein wenig respektlos. »Wenn das geschehen wäre, lieber Freund, säßen wir jetzt nicht mehr hier beisammen«, wies er die Vorstellung zurück. »Der Brennstofftank enthielt insgesamt achttausend Tonnen Nugas. Achttausend Tonnen, explosionsartig freigelegt und zerstrahlt, das ergibt eine Explosionsenergie von rund zweihundert Billionen Megawattstunden.«

»Ich verstehe«, nickte Atlan. »Es hätte nicht nur die HYODPON, sondern wahrscheinlich auch uns in Fetzen zerrissen.«

»Etwa so«, bestätigte Waringer.

»Die Auswertung der Messergebnisse hat übrigens schon begonnen«, erklärte Hung-Chuin. »Ich nehme an, dass drei bis vier Stunden vergehen werden, bevor wir wissen, was auf der HYODPON im einzelnen geschah.«

»Besteht Hoffnung, dass wir jemals ermitteln, warum der Autopilot plötzlich zu senden aufhörte?«, erkundigte sich Rhodan.

»Nicht in schlüssiger Form«, antwortete Waringer nach kurzem Zögern. »Sobald uns die Fehlerursache im Falle des Kraftwerks bekannt ist, können wir eine Reihe von Simulationen fahren und den wahrscheinlichsten Grund für das Versagen des Autopiloten oder der Sendeanlage ermitteln. Aber mit Sicherheit werden wir nie wissen ...«

»Es sei denn«, unterbrach ihn Hung-Chuin, »wir kehren an Bord der HYODPON zurück und sehen uns dort um.«

»Ja, das ist richtig«, gab Waringer zu.

Der Interkom summte, Perry Rhodan nahm den Anruf entgegen. Einer von Waringers Wissenschaftlern war am Apparat. Er wirkte verstört.

»Ich beobachtete vor wenigen Sekunden eine ungewöhnlich energiereiche Explosion, Sir«, berichtete er. »Ohne Zweifel nuklearen Charakters. Die elektromagnetische Strahlung hat uns noch nicht eingeholt, aber die Hypertastung lässt keinen Zweifel über den Vorgang zu.«

»In welcher Gegend?«, fragte Rhodan sichtlich interessiert.

»Am Standort der HYODPON, Sir!«

Auch jetzt noch weigerte sich Perry Rhodan, den Rückflug zur Erde zu unterbrechen. Waringer und Hung-Chuin hatten die automatisch aufgezeichnete Messung analysiert und waren mit dem jungen Wissenschaftler, der die ursprüngliche Beobachtung angestellt hatte, der Ansicht, dass die HYODPON in der Tat explodiert sei. Hypothesen über das Wie und Warum der Explosion waren sie vorläufig noch nicht bereit aufzustellen.

Es blieb nicht bei dieser einen Beobachtung. Hypertastung in der engeren und weiteren Umgebung des Punktes, an dem sich bis vor kurzem noch das alte Arkonidenschiff befunden hatte, ergab, dass in etwa fünf Millionen Kilometern Abstand vom bisherigen Standort der HYODPON eine Masse von beachtenswerter Größe existierte. Eine Schätzrechnung ergab, dass sie mindestens zehn hoch zehn Kilogramm, jedoch nicht mehr als das Fünffache dieser Menge betrug. Damit fiel sie in dieselbe Größenordnung wie die Masse der MARCO POLO selbst, und die Vermutung tauchte auf, dass es sich bei dem unbekannten Objekt ebenfalls um ein Raumschiff handeln könne.

Perry Rhodan hielt sich solchen Spekulationen fern. Angesichts der allgemeinen Verwirrung erschien es ihm wichtig, Schiff und Besatzung auf dem schnellsten Wege auf den sicheren Boden der Erde zurückzubringen. Falls es dort draußen jenseits der Pluto-Bahn ein unbekanntes Raumschiff gab, dann war es Sache der Wachflotte, sich darum zu kümmern. Die MARCO POLO war in diesem Augenblick noch ein Experimentalschiff, ausgerüstet mit elf konventionellen und einem neuartigen, vorläufig jedoch unbrauchbaren Kraftwerk. Sie durfte sich nicht in Gefahr begeben.

Allerdings hielt er es nicht für überflüssig, die Beobachtung nach Terrania zu melden. Über die Kommunikationszentrale wurde eine Sichtsprechverbindung mit dem Hauptquartier Imperium-Alpha hergestellt. Perry Rhodan verlangte nach Staatsmarschall Bull. Sekunden später erschien Reginald Bulls rundes Gesicht auf dem Bildschirm. Er schien verwirrt.

»So früh schon?«, erkundigte er sich. »Ist was vorgefallen?«

Infolge der relativistischen Verzerrung sprach er schneller und mit höherer Stimme, als man von ihm gewohnt war. Im Gegensatz dazu musste ihm Rhodans Sprechweise langsam und seine Stimme ungewöhnlich tief vorkommen.

»Das Experiment ist fehlgeschlagen«, beantwortete Rhodan die erstaunte Frage. »Ansonsten bewege ich mich genau nach Fahrplan.«

Bully sah zur Seite, wahrscheinlich auf eine Uhr. Rhodan kam seiner nächsten Bemerkung zuvor, indem er bemerkte: »Die Umstände des Fehlschlags sind etwas eigenartig. Wir werden uns darüber unterhalten, sobald ich gelandet bin. Inzwischen gibt es jedoch etwas Wichtigeres. Auf der Höhe der Pluto-Bahn, in unmittelbarer Nähe des Punktes, an dem die HYODPON stationiert war, haben wir ein fremdes Objekt von bedeutender Masse geortet. Was weißt du davon?«

Reginald Bull wusste offensichtlich überhaupt nichts.

»Mir ist nichts davon auf den Tisch gekommen«, bekannte er. »Vielleicht hat einer der niederen ...« Er ließ den Satz unvollendet.

»Solange ihr auf der Hut seid, ist alles in Ordnung«, bemerkte Rhodan – überflüssigerweise, wie er meinte, denn er hatte eigentlich gar nichts sagen wollen und war nur durch Bullys merkwürdige Art, den Satz in der Luft hängen zu lassen, dazu veranlasst worden.

Reginald Bull musterte ihn mit durchdringendem Blick. »Der Versuch ist also schiefgegangen?«, kehrte er zum ursprünglichen Thema zurück.

Rhodan nickte.

»Irgendeine Idee, woran es liegt?«

»Vorläufig noch nicht. Es sieht so aus, als wäre uns die Pulsfrequenz davongelaufen. Aber Genaues kann man noch nicht sagen. Die Auswertung ist in vollem Gang. In ein paar Stunden werden wir mehr wissen.«

»Was stört dich?«, erkundigte sich Rhodan.

Reginald Bull wischte mit der Hand durch die Luft. Es war eine ärgerliche Geste. »Oh, nichts Besonderes. Nur, dass wir unsere Pläne nun noch weiter hinauszögern müssen.«

Perry Rhodan dachte über diese Feststellung nach. Dann versprach er: »Wir reden darüber, sobald ich gelandet bin.«

Die Verbindung wurde unterbrochen. Inzwischen strebte die MARCO POLO mit ständig wachsender Geschwindigkeit dem Halbierungspunkt ihrer Reise zu. Als sie ihn erreichte und mit dem Bremsprozess begann, waren seit dem Start von der Pluto-Bahn fünfundsechzig Minuten vergangen. Die zweite Hälfte des Fluges verstrich ereignislos. Waringer hatte all seine Wissenschaftler zur Auswertung der Versuchsergebnisse herbeigezogen. Dadurch blieben nur zwei Fachleute übrig, die sich um die Beobachtung des merkwürdigen Massepunktes in der Nähe des ehemaligen Standorts der HYODPON kümmern konnten. Je mehr das riesige Flaggschiff sich der Sonne näherte, desto unzuverlässiger wurde aufgrund der ständig zunehmenden Störquellen die Methode der Hypertastung. Neue Versuche, die Masse des unbekannten Objektes zu ermitteln, führten zu weit voneinander verschiedenen Resultaten. Nur soviel glaubte man mit Sicherheit sagen zu können: Das fremde Objekt hatte sich bis jetzt noch nicht von seinem ursprünglichen Standort bewegt.

In einer Höhe von annähernd vierzigtausend Kilometern über der Erdoberfläche begab sich die MARCO POLO in eine annähernd synchrone Parkbahn mit Bodenpunkt Terrania. Erlaubnis zur Landung wurde nach wenigen Minuten Wartezeit erteilt. Jedoch ließ die Qualität des Funkempfangs zu wünschen übrig. Einer der Funkoffiziere kümmerte sich um die Angelegenheit und ermittelte, dass der Bordempfänger um einige Gigahertz an der vom Sender verwendeten Frequenz vorbeigesteuert worden war. Da die Sendefrequenz bei vierhundert Gigahertz lag und die Bandbreite selbst schon drei Gigahertz betrug, war die Sendung der Bodenstation trotzdem, wenn auch mit verminderter Qualität, empfangen worden. An Bord der MARCO POLO begann man daraufhin in Erwägung zu ziehen, dass das verunglückte Experiment mit der HYODPON doch nicht ganz so spurlos an dem Flaggschiff der Solaren Flotte vorbeigegangen war.

Nach Erteilung der Landeerlaubnis senkte sich das riesige Schiff ohne Verzug auf die Landefläche des größten Raumhafens im Solaren Imperium hinab. Aus beträchtlicher Höhe war erkennbar, dass Reginald Bull es nicht versäumt hatte, für den Empfang des Großadministrators umfangreiche Vorbereitungen zu treffen. Ein großer Teil des Landefeldes war geräumt worden. Der Landepunkt der MARCO POLO lag im Zentrum eines von allem anderen Verkehr völlig entblößten Kreises von wenigstens achtzig Quadratkilometern Fläche. Am Rande dieses Kreises hatten Truppenformationen Aufstellung genommen.

Atlan fühlte sich beim Anblick der Vorbereitungen zu der Bemerkung veranlasst: »Ich möchte wissen, was er getan hätte, wenn unser Versuch geglückt wäre!«

Das Flaggschiff landete sanft. Sobald das Dröhnen der Triebwerke erloschen war, setzte sich drüben, wo die Truppen Aufstellung genommen hatten, ein ganzer Geleitzug von großflächigen Gleitern in Bewegung. Während das Schiff die Feldbrücke ausfuhr, die die Besatzung aus der Höhe des Äquatorrings sicher zu Boden bringen sollte, nahmen die Gleiter unterhalb des riesigen Kugelleibes Aufstellung. Perry Rhodan, der als erster von der Brücke stieg, sah sich einer Formation von Offizieren in Galauniform gegenüber. Sobald sein Fuß den Boden berührte, erscholl von irgendwoher Militärmusik.

Unter den Offizieren befand sich Reginald Bull, auch er in Paradeuniform. Er trat auf den Großadministrator zu, grüßte exakt nach Reglement und meldete: »Empfangskomitee für den Großadministrator vollzählig zur Stelle, Sir!«

Rhodans Lächeln wirkte ein wenig verwirrt. Er wartete, bis der Freund den Salut beendet hatte, dann reichte er ihm die Hand.

»Ein bisschen zu glorios für jemand der nichts weiter als den Fehlschlag eines Versuches zu melden hat, findest du nicht auch?«

Bully machte eine wegwerfende Geste. So, wie er vor Rhodan stand, mit vor Eifer gerötetem Gesicht, die Mütze keck auf die Seite gesetzt, wirkte er gar nicht wie der Mann, den Rhodan achtzig Minuten zuvor auf dem Schirm des Sichtsprech gesehen hatte: verbittert und sorgenvoll.

»Ach was«, antwortete er forsch. »Du bist zurück, das ist die Hauptsache. Alles andere kriegen wir noch.«

Er schob Rhodan in Richtung des zuvorderst stehenden Gleiters. Um Atlan und Roi Danton, die unmittelbar hinter Perry Rhodan von der Brücke gestiegen waren, kümmerte er sich nicht. Er veranlasste Rhodan, im Fond des großen Wagens Platz zu nehmen, und setzte sich neben ihn. Nachdem der Autopilot das Fahrzeug in nördlicher Richtung in Gang gesetzt hatte, eröffnete Bully dem Freund: »Es trifft sich gut, dass du so früh zurückkehrtest.«

Rhodan war überrascht. »Es trifft sich gut? Dass ich so früh zurückkehre, ist nur dem Umstand zuzuschreiben, dass der Versuch missglückte. Das nennst du gut?«

Bully wiegte den runden Schädel. Er hatte im Innern des Wagens die Mütze abgesetzt. Die sandroten Haarborsten strebten kampfeslustig nach oben.

»Das ist ein Gesichtspunkt, den man in Erwägung ziehen muss«, gab er zu. »Aber was geschehen ist, ist geschehen. Waringer und Hung-Chuin werden sich um den Fehlschlag des Versuchs kümmern. Dich dagegen braucht man woanders notwendiger. Zum Beispiel hier. Um mit Marschall Suing-Tho zu verhandeln.«

Er blickte Rhodan an und machte ein Gesicht wie einer, der soeben eine Geburtstagsüberraschung vom Stapel gelassen hatte. Perry Rhodan erinnerte sich an den Namen eines obskuren Marschalls aus einem unabhängigen Sternenreich der Passa-Region, der sich Suing-Tho nannte und dadurch von sich reden machte, dass er behauptete, die Springer und Aras seien von neuem dabei, die Eingeborenen auf Passa auszubeuten. Aber es war ihm nicht klar, was dieser Mann in Terrania zu suchen hatte. Und wie es ihm gelungen war, eine Audienz mit dem Großadministrator zu erlangen.

»Suing-Tho?«, fragte er misstrauisch.

»Ja, ich weiß, er wird allgemein für einen großsprecherischen Narren gehalten«, bekannte Bully. »Aber seitdem ich ihn mir angehört habe, bin ich nicht so ganz sicher, ob er vielleicht nicht doch was auf dem Kasten hat. Auf jeden Fall schadet es nichts, wenn du mit ihm sprichst. Er hat ein paar recht ... na, sagen wir: fortschrittliche Ideen, die wir womöglich ausnützen wollen.«

Weniger aus Überzeugung, als weil er das Thema fallenlassen wollte, gab Perry Rhodan sich geschlagen. »Also gut, ich spreche mit dem Mann.«

»Vorzüglich«, grinste Bully. »Er wartet schon auf dich.«

Inzwischen hatte der Gleiter den nördlichen Rand des Raumlandefeldes hinter sich gelassen und bewegte sich mit beachtlicher Geschwindigkeit auf den Komplex des Hauptquartiers Imperium-Alpha zu. Perry Rhodan blickte nach hinten. In einigem Abstand folgten die übrigen Fahrzeuge des Konvois. Innerhalb weniger Minuten war die Hauptauffahrrampe des Hauptquartiers erreicht. Rhodan und Bull stiegen aus. Am Eingang unterzogen sie sich den üblichen Kontrollen. Die Wachroboter waren unbestechlich. Jeder, der hier unbefugt einzudringen versuchte, war verloren. Der Staatsmarschall begleitete Rhodan bis zu der Etage, auf der seine Arbeitsräume lagen. Dann verabschiedete er sich von ihm. Rhodan hatte sich zuvor vergewissert, dass auch Atlan und Roi Danton, die im zweiten Gleiter gefahren waren, inzwischen das Gebäude betreten hatten und vermutlich auf dem Weg zu ihren Räumlichkeiten waren.

Imperium-Alpha hatte sich im Laufe der Jahre gewandelt. Aus der anfänglich zumeist unterirdischen Anlage war ein weitverzweigter, auch aus oberirdischen Bauten bestehender Komplex geworden. In stärkerem Maße noch als je zuvor nahm Imperium-Alpha heute für sich in Anspruch, das Nervenzentrum des Solaren Imperiums zu sein. Die höchsten Beamten des Imperiums hatten hier ihre ständigen Arbeitsplätze. Ein riesiges Kommunikationszentrum verband den Komplex mit sämtlichen Welten des menschlichen Sternenreiches, mit Flottenstützpunkten und Relais-Stationen, die in teils weit-, teils engmaschigem Netz über die Milchstraße verteilt waren. Imperium-Alpha war der Ort, an dem alle Fäden zusammenliefen.

Die Sicherheitsvorkehrungen waren umfassend und entsprachen jederzeit dem neuesten Stand der Technologie. In Fragen der Sicherheit ihres Kommandozentrums verstanden die Terraner keinen Spaß. Der Versuch unbefugten Eindringens wurde unnachsichtig geahndet.

Durch einen schmalen Gang, der an beiden Enden durch einen IV-Taster abgesichert war, so dass nur eine Person mit dem bio-positronischen Emissionsmuster Perry Rhodans ihn ungefährdet betreten konnte, gelangte der Großadministrator in seinen Arbeitsraum. Das geräumige Zimmer lag im Zentrum des Gebäudes. Das breite Fenster, das einen freien Ausblick über die Silhouette der Riesenstadt Terrania City bot, war in Wirklichkeit ein Fernsehschirm, der von anderswo installierten Kameras gespeist wurde. Der Raum war einfach eingerichtet. Zweckmäßigkeit erschien als das vorherrschende Motiv. Es gab eine Konferenzecke für Beratungen im engsten Kreise, einen Bildsprechanschluss, von dem aus auf dem Weg über die Kommunikationszentrale Gespräche in alle Himmelsrichtungen geführt werden konnten, und schließlich Rhodans Arbeitstisch.

Rhodan zögerte, sich am gewohnten Platz niederzulassen. In Gedanken versunken starrte er auf das sonnenüberglänzte Bild der Stadt. Seiner Stadt, die er vor anderthalb Jahrtausenden zu bauen begonnen hatte. Sie war ihm ans Herz gewachsen. Hier war er zu Hause.

Und doch spürte er ein merkwürdiges Unbehagen, als gehöre er nicht wirklich hierher. Als hätte sich die Welt plötzlich verändert, als sei sie ihm davongelaufen, während er draußen in der Nähe der Pluto-Bahn war und ein vielversprechendes Experiment fehlschlagen sah.

Er schob die unfreundlichen Gedanken mit Gewalt beiseite und setzte sich hinter den Arbeitstisch. Ein Knopfdruck verband ihn mit dem Wachrobot, der anstelle der organischen Ordonnanz die Aufsicht über Rhodans offizielles Vorzimmer führte.

»Ist Marschall Suing-Tho anwesend?«, erkundigte sich der Großadministrator.

»Affirmativ«, antwortete der Robot. »Er sitzt hier und wartet.«

Rhodan warf einen Blick auf die Uhr. Es fehlten nur ein paar Minuten an fünfzehn Uhr. »Bitte den Herrn herein!«, befahl Rhodan.

Augenblicke später öffnete sich die Tür. Ein merkwürdig aufgeputztes Männchen betrat den Raum. Es war nicht viel über anderthalb Meter groß. Aus einem schmalen, faltigen Gesicht blitzten bewegliche schwarze Augen. Der spärliche Haaransatz verschwand unter einer himmelblauen phrygischen Mütze, deren Zipfel ihm nach vorne in die Stirn hing. Die Montur, die er trug, stellte offenbar eine Uniform dar, denn auf den Schultern der roten Jacke prangten riesige goldene Epauletten. Die enganliegenden Hosen, die die Dürrheit des Männchens noch unterstrichen, waren ebenso wie die Mütze von himmelblauer Farbe und steckten in einem Paar blitzblank polierter schwarzer Stiefel, die bis zu den Knien reichten.

Die eigenartige Gestalt machte eine leichte Verbeugung und schnarrte mit hoher Stimme: »Marschall Khasim Suing-Tho, Exzellenz!«

Rhodan wehrte ab. »Wir haben die Titel abgeschafft, lieber Marschall«, lächelte er. »Sie brauchen mich nicht Exzellenz zu nennen!«

»Nein, ich!«, protestierte das Männchen. »Ich bin Exzellenz!«

»Ah so!«, antwortete Rhodan überrascht und verbiss sich mit Mühe ein Lachen. »Bitte, Exzellenz, nehmen Sie hier Platz und berichten Sie mir von Ihrem Plan zur Befriedung von Passa.«

Suing-Tho ließ sich in einen der Sessel der Konferenzecke fallen. Rhodans engste Vertraute waren allesamt von terranischer Normalgröße. In der Tiefe des auf ihre Gestalten zugeschnittenen Sessels drohte Seine Exzellenz zu versinken.

»Mein Plan ist einzigartig«, krähte Suing-Tho, der anscheinend Bescheidenheit nicht zu den erstrebenswerten Charaktereigenschaften zählte. »In Shaandoong spricht man von meiner Genialität.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung, während Rhodan sich erinnerte, dass Shaandoong die Hauptstadt des gleichnamigen Planetenreiches war, dem Suing-Tho diente. »Aber das tut ja nichts zur Sache. Hauptsache, ich kann die Regierung des Imperiums dazu überreden, dass sie mit uns gemeinsame Sache macht.«

»Dazu müsste ich Ihren Plan erst hören«, wich Rhodan aus.

»Das schon«, ereiferte sich das Männchen. »Aber zunächst einmal die Schilderung der Sachlage.«

Rhodan wies ihn darauf hin, dass die Regierung des Solaren Imperiums über die politische Sachlage in der Passa-Gegend jederzeit bestens informiert sei; aber wenn Suing-Tho sich einmal vorgenommen hatte zu reden, dann brachte ihn so schnell niemand wieder davon ab. Er schilderte, dass sich auf Passa, wo nach wie vor nur eine kleine terranische Handelsniederlassung existierte und im übrigen die lurchähnlichen Eingeborenen, Evergreens genannt, schalteten und walteten, ein von Springern und Aras bemannter Geheimstützpunkt gebildet habe.

Wie in vergangenen Jahrhunderten war es den galaktischen Händlern und Medizinern in erster Linie um ein Monopol in Evergreen-Häuten zu tun. Die Eingeborenen häuteten sich nämlich in regelmäßigen Abständen – etwa so wie irdische Schlangen –, und die abgefallene Haut ließ sich zu anderweitig nicht erhaltbaren, hochwirksamen biochemischen Substanzen umarbeiten. Passa gehörte zwar zum Solaren Imperium, jedoch lag es unmittelbar an der Grenze, und aus Rücksicht auf die Eingeborenen hatte man von Seiten Terrania Citys aus darauf verzichtet, auf Passa einen Flottenstützpunkt einzurichten. Daher walteten, wie Suing-Tho berichtete, die Springer und Aras nach eigenem Belieben. Es sei angeblich schon zu Verstößen gegen die terranische Handelsniederlassung gekommen.

Wie schon mehrmals in der Vergangenheit müsse man auch heute wieder annehmen, dass die Springer und Aras die Terraner ganz von Passa vertreiben wollten. Sollte ihnen dies gelingen, so betrachtete sich das unabhängige Shaandoong als gefährdet. Allein sei es nicht in der Lage, gegen die Eindringlinge wirksam vorzugehen. Deshalb ersuchte es das Solare Imperium um Unterstützung und wartete, wie Suing-Tho sich ausdrückte, als Gegenleistung gleich mit einem genialen Vorgehensplan auf.

Perry Rhodan hörte aufmerksam zu. Das Unbehagen, das er vor Suing-Thos Eintritt empfunden hatte, beschlich ihn von neuem. Es war wahr, dass Springer und Aras nach wie vor mit Passa liebäugelten. Ab und zu wurde ein besonders vorwitziger Händler geschnappt, der sich illegal auf den Planeten der Evergreens eingeschlichen hatte. Aber von Angriffen auf die terranische Handelsniederlassung oder von einem Geheimstützpunkt der Springer und Aras war in Terrania City nichts bekannt. War Suing-Tho hierhergekommen, um dem Großadministrator einen Bären aufzubinden?

»Ich bin mit der Sachlage also nun vertraut«, sagte Rhodan nach kurzem Überlegen. »Bitte, legen Sie mir Ihren Plan dar, Exzellenz.«

Suing-Tho nickte gnädig. »Der Plan«, erläuterte er mit Fistelstimme, »ist einfach und eben deswegen, genial. Die Errichtung eines Springer- und Ara-Stützpunktes auf Passa muss unbedingt verhindert werden. Außerdem ist den Eindringlingen eine Lektion zu erteilen. Ergo: Man evakuiere alle Terraner von Passa. Das muss vorsichtig und ohne Aufsehen geschehen, damit der Feind keinen Wind davon bekommt. Nach erfolgreicher Evakuierung wird Passa mit konzentriertem Transformbeschuss belegt und in eine Gaswolke verwandelt. Das nimmt nur wenige Minuten in Anspruch, und die Gefahr wird dadurch für alle Zeiten gebannt.«

Sprachlos starrte Perry Rhodan sein Gegenüber an. »Mit allen ... verdampft«, brachte er mühsam hervor, »mit allen Eingeborenen?«

Suing-Tho breitete die Arme zu einer Geste, die Gleichgültigkeit ausdrückte.

»Was soll man da machen? Wir können nicht die Evergreens auch noch evakuieren, sonst kriegt der Feind das spitz und geht uns durch die Lappen.«

Perry Rhodan hatte sich gefasst.

»Lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen«, bat er mit ruhiger Stimme. »Die Terraner werden von Passa evakuiert. Dann fahren wir zehn oder zwanzig schwere Einheiten vor Passa auf und verdampfen den ganzen Planeten – mit mehreren Millionen Eingeborenen und ein paar tausend Springern und Aras. Ist das Ihr Plan?«

Suing-Tho nickte gewichtig.

Perry Rhodan stand auf. »Sie sind übergeschnappt!«, stellte er fest.

Der Marschall fuhr wie von der Tarantel gestochen in die Höhe. »Ich bin ... was?!«, zeterte er.

»Übergeschnappt«, antwortete Rhodan. »Verrückt, geistesgestört, plemplem!«

Eine Sekunde lang sah es so aus, als wolle Suing-Tho explodieren. Er schnappte nach Luft, er fuchtelte mit den Armen, und sein mausgraues Gesicht verwandelte sich in eine rotglühende Grimasse der Wut.

»Das werden Sie bereuen!«, stieß er schließlich hervor. »Das wird das Solare Imperium teuer zu stehen kommen. Ich bin beleidigt worden. Man wird sich dafür zu rächen wissen.«

Er stapfte auf die Tür zu. Da Rhodan keinen anderweitigen Befehl gegeben hatte, öffnete sie sich selbsttätig. Suing-Tho marschierte hinaus. Sein wütendes Gezeter war noch lange zu hören.

Rhodan sah ihm kopfschüttelnd nach. Dann kehrte er zu seinem Arbeitstisch zurück und ergriff das Mikrophon des akustischen Servos. »Staatsmarschall Reginald Bull!«, verlangte er.

»Bitte Rufkode!«, antwortete die Maschine.

Rhodan starrte das Mikrophon verdutzt an.

»Was für einen Rufkode? Hier spricht Rhodan! Ich wünsche, mit dem Staatsmarschall verbunden zu werden.«

Die Maschine ließ sich nicht beeindrucken. »Bitte Rufkode!«, wiederholte sie.

Zornig schmetterte Rhodan das Mikrophon auf die Gabel zurück. Er war im Begriff, die Verbindung zu Bully, da sie ihm auf dem Funkwege verweigert wurde, zu Fuß herzustellen. Bevor er jedoch die Tür erreichte, kam ihm ein Gedanke. Er nahm das Mikrophon von neuem auf und verlangte Atlan zu sprechen. Die Reaktion war dieselbe. Es wurde ein Rufkode verlangt.

Es konnte sich nicht um eine Fehlfunktion des Gerätes handeln. Nirgendwo in der Milchstraße wurde elektronisches, positronisches und mechanisches Gerät so vorzüglich instand gehalten wie in Imperium-Alpha. Die Wahrscheinlichkeit der Fehlfunktion eines kritischen Gerätes war annähernd gleich Null. Es gab also wirklich einen Rufkode, der dem Kommunikator genannt werden musste, bevor dieser die gewünschte Verbindung herstellte. Wenn dem so war, warum wusste dann ausgerechnet der höchste Beamte des Imperiums nichts davon? War es möglich, dass der Gebrauch des Rufkodes erst im Verlauf der vergangenen Stunden eingeführt worden war? War es möglich, dass er, Perry Rhodan, an Gedächtnisschwund litt?

Die Antworten waren leicht zu beschaffen. Von neuem wandte sich Perry Rhodan dem Ausgang zu. In diesem Augenblick meldete der Wachrobot: »Lordadmiral Atlan ersucht um eine Unterredung, Sir!«

Rhodan atmete erleichtert auf. Hier kam Hilfe! »Lass den Mann rein!«, befahl er dem Roboter.

2.

»Merkwürdig, dass du auf denselben Gedanken gekommen sein solltest«, antwortete Rhodan, als die Tür hinter Atlan ins Schloss glitt. »Wie kommst du darauf?«

»Was ist ein Rufkode?«, fragte der Arkonide statt dessen. »Und was soll der idiotische Schlachtplan auf meinem Tisch, wonach der Friede zwischen den Goszuls und den Springern im Tatlira-System dadurch wiederhergestellt werden soll, indem die USO die Hälfte beider feindlichen Parteien umbringt und die andere Hälfte in Konzentrationslager sperrt?«

»Hm«, machte Rhodan und erinnerte sich Seiner Exzellenz, des Marschalls Suing-Tho von Shaandoong, der die Eingeborenen auf Passa vergasen wollte.

»Ein Hm nützt mir nicht viel«, beschwerte sich Atlan. »Ich brauche eine Erklärung, bevor ich den Verstand verliere.«

Der Roboter meldete sich abermals. »Staatsmarschall Bull bittet um eine Unterredung, Sir!«

Perry Rhodan hob den Zeigefinger. »Hier kommt der Mann, der uns helfen kann«, versprach er und befahl dem Robot, den Staatsmarschall einzulassen.

Bull wirkte irritiert und verärgert, als er über die Schwelle mehr stürmte als schritt.

»Bei allem Respekt für deine staatsmännische Genialität«, polterte er los, »befremdet es mich doch ein wenig, wie du mit dem Marschall umgesprungen bist. Der Mann ist völlig aus dem Häuschen und drohte mit Vergeltungsmaßnahmen. Dabei wollte er nur ...«

»Kanntest du seinen Plan?«

»Nicht in Einzelheiten«, bekannte Bully. »Nur in großen Zügen.«

»Der Plan hat keine Einzelheiten«, korrigierte ihn Rhodan grimmig. »Und nur einen einzigen großen Zug: Ausrottung aller Evergreens!«

Reginald Bull hielt den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, als horche er den Worten nach. Sein Blick war an Rhodan vorbei ins Leere gerichtet. Acht, zehn Sekunden verharrte er in dieser Haltung. Dann gab er sich einen Ruck und blickte Rhodan voll an.

»Na und ...?«

Damit war der Beweis geliefert. Eine fürchterliche Änderung hatte sich vollzogen. Aus den humanen, friedliebenden Politikern und Militärs des Solaren Imperiums waren blutgierige Bestien geworden. Oder doch zumindest skrupellose Mörder, die mit einem Federstrich die Auslöschung ganzer Völker beschlossen. Was war hier geschehen? Wie hatte eine solche Änderung in so kurzer Zeit eintreten können? Welch teuflischer Einfluss hatte sich über das Bewusstsein dieser Männer gebreitet?

Das waren Fragen, die sich später beantworten ließen. Die Änderung als solche bedeutete Gefahr, und der Gefahr musste begegnet werden. Mit der blitzartigen Reaktionsfähigkeit, die ihm den Titel eines Sofortumschalters eingetragen hatte, erkannte Rhodan, dass das Thema abgebogen werden musste.

»Das allein mag noch plausibel klingen«, antwortete er auf Bullys Gegenfrage. »Aber nachdem die Flotte alle Arbeit geleistet hat, will Shaandoong Passa besetzen!«

»Aha!«, grinste Bully. »Das ist schon was anderes. Davon sagte Suing-Tho nichts, als er mit mir sprach. Daher also weht der Wind.« Er lachte gehässig. »Denen werden wir die Suppe schön versalzen! Ich nehme mir den Marschall sofort noch einmal vor.«

Er stand im Begriff, den Raum zu verlassen. Da beging Atlan den entscheidenden Fehler. Er rief ihn zurück. »Bully!«

»Ja?«

»Was ist ein Rufkode?«

Da war es heraus! Perry Rhodan sah das Gesicht seines alten Freundes Reginald Bull starr werden, sah Überraschung, Bestürzung, Befremdung darin aufleuchten.

Aber Bully war nicht der Mann, der sich leicht aus dem Gleichgewicht bringen ließ. Er wandte sich an Rhodan: »Bitte, erkläre ihm, was ein Rufkode ist. Ich habe es eilig, den Marschall zu erwischen, bevor er davonstürmt.«

Im nächsten Augenblick war er verschwunden. Atlan begegnete Rhodans vorwurfsvollem Blick mit dem Schuldbewusstsein des Mannes, der seinen Fehler längst erkannt hat.

»Ich weiß«, brummte er. »Es hätte mir nicht herausrutschen sollen. Aber was hilft es? Früher oder später wäre es doch aufgefallen, dass wir nicht wissen, was ein Rufkode ist.«

»Früher oder später«, antwortete Rhodan ernst, »entscheidet in dieser Lage womöglich über Leben und Tod.«

»Du hältst die Lage für ernst?«

»Mehr als das. Ich halte sie für tödlich. Ich weiß nicht, in was für eine Welt wir geraten sind. Ich weiß nicht, was ich von all diesen bestialischen Kampfplänen zur Vernichtung von Gegnern und zur Befriedung fremder Planeten halten soll.«

Er schritt langsam und nachdenklich auf den großen Bildschirm zu, der dem großen Arbeitsraum das Fenster ersetzte. Während er ging, ballte er unbewusst die Hände zu Fäusten.

»Wir müssen mit Waringer sprechen«, entschied der Arkonide. »Es ist möglich, dass diese unglaubliche Veränderung in irgendeinem Zusammenhang mit unserem missglückten Versuch steht.«

»Ich dachte daran«, gab Rhodan zu. »Irgend etwas hat sich verschoben ...«

Er wurde unterbrochen. Diesmal meldete sich nicht der Wachrobot, sondern der Interkom. Auf der Bildfläche erschien verlegen lächelnd einer der Ärzte, die in Imperium-Alpha ständig auf Posten waren. Es war einer der jüngeren Mediziner. Perry Rhodan erinnerte sich, ihn gesehen zu haben; aber seinen Namen wusste er nicht. Auf jeden Fall war es befremdend, dass das Interkomsystem den Anruf eines subalternen Beamten unmittelbar auf den Empfänger des Großadministrators gelegt hatte, ohne sich zu erkundigen, ob der Empfang genehm sei.

»Ich rufe auf Anweisung des Staatsmarschalls«, beeilte der junge Arzt sich, die Lage zu erläutern. »Ich bitte, Sir, mir einen Termin zu nennen, zu dem Sie sich dem vorgeschriebenen Test unterziehen möchten.« Er verneigte sich in Atlans Richtung. »Ich bitte Sie, Lordadmiral, um dieselbe Angabe.«

Nur den Bruchteil einer Sekunde lang war Perry Rhodan verwirrt.

»Welchem Test?«, erkundigte er sich mit einer Ruhe, die gefährlich wirkte.

»Dem Test, Sir, den Staatsmarschall Bull vorgeschlagen hat und zu dem die Solarmarschälle Tifflor und Deighton ihre Befürwortung erteilt haben. Wie Sie wissen, sind in einem solchen Fall der Antrag eines Beamten im Marschallsrang und die Befürwortung durch zwei Beamte mindestens im Generalsrang erforderlich. Antrag und Befürwortungen liegen vor und sind beglaubigt. Ich bitte gehorsamst ...«

Mit einer energischen Handbewegung gebot Perry Rhodan ihm Schweigen. Eine hässliche Ahnung stieg in ihm auf. Es gab in der Tat einen Exekutivbefehl, wonach leitende Mitglieder der Administration das Recht hatten, beim Auftauchen gewisser Verdachtsmomente ein anderes Mitglied bestimmten Arten von Test zu unterziehen. Die Vorschrift war, wie der Arzt erläutert hatte, dass der Antrag von einem Marschall gestellt und von zwei weiteren Beamten mindestens im Range eines Generals mit einer gewissen Dienstaltersbeschränkung befürwortet werden musste. Dieser Antrag war von Bully ausgegangen. Julian Tifflor und Galbraith Deighton hatten ihn unterschrieben.

»Um was für einen Test handelt es sich?«, wiederholte Rhodan seine Frage.

Der Arzt druckste verlegen. Offenbar war ihm die Sache äußerst unangenehm. Wahrscheinlich verfluchte er innerlich den Staatsmarschall, der ihm diese Suppe eingebrockt hatte.

»Es handelt sich um einen psychiatrischen Test, Sir«, hauchte er zaghaft.

»Was ...?!«

»Sie und der Lordadmiral sollen auf Ihren Geisteszustand untersucht werden, Sir!«

Der Arkonide konnte einen Ausruf der Entrüstung nicht unterdrücken. Perry Rhodan jedoch sah dem jungen Arzt starr ins Gesicht und lächelte.

»Ich rufe Sie zurück, junger Mann!« Damit unterbrach er die Verbindung. Atlan bot ein Bild personifizierten Unglaubens. Verständnislosigkeit, Entrüstung, Zorn mischten sich in seinem Blick.

»Was hat das zu bedeuten?«, stieß er hervor. »Ist hier jedermann übergeschnappt?«

»Bully«, antwortete Rhodan knapp. »Die Art, wie ich Suing-Tho abfertigte, und deine Frage nach dem Rufkode. Beide Anlässe machten ihn misstrauisch. Inzwischen hat er wahrscheinlich mit Suing-Tho gesprochen und erfahren, dass meine Anschuldigung weder Hand noch Fuß hat. Da blieb ihm eigentlich nichts anderes mehr übrig, als den Antrag zu stellen, wie?«

»Und ... was geschieht jetzt?«, fragte der Arkonide ratlos.

»Wenn wir uns nicht vorsehen, werden wir durch die Klapsmühle gedreht. Meine Pläne gehen jedoch in eine andere Richtung.« Er ergriff den Freund am Arm. »Komm mit, wir haben es eilig!«

Im Laufe der nächsten Minuten entwickelten die beiden Männer eine nahezu hektische Aktivität. Ihr Vorhaben wurde erschwert durch den Umstand, dass sie sich in Unkenntnis des Rufkodes der Kommunikationsanlagen nicht bedienen konnten und darauf angewiesen waren, ihre Gesprächspartner zu Fuß aufzusuchen. Roi Danton, der sich in seinem Arbeitszimmer befand, war ebenfalls mittlerweile misstrauisch geworden. Er hatte versucht, einen Anruf zu tätigen, und war nach dem Rufkode gefragt worden. Geoffry Waringer jedoch hatte sich sofort in seine Arbeit gestürzt, ohne sich um seine Umwelt zu kümmern, und war, als Rhodan, Atlan und Danton ihn gemeinsam aufsuchten, noch völlig ahnungslos.

»Ich habe einen Großteil der Unterlagen bereits durchgerechnet«, begrüßte er die Eintretenden. »Dabei ist mir nicht ganz wohl. Denn je länger ich rechne, desto stärker wird der Verdacht, dass unser Freund Atlan mit seiner katastrophalen Vermutung letzten Endes doch recht gehabt hat.«

»Deswegen sind wir nicht hier«, wies Perry Rhodan die Vorstellung seines Schwiegersohns zurück. Plötzlich jedoch, als die Worte ihm ins Bewusstsein sanken, erwachte seine Neugierde. »Welche katastrophale Vermutung?«

»Als er meinte, die gesamte Nugas-Menge sei auf einmal verpufft.«

Atlan lächelte befriedigt. »Soweit ich mich erinnere, wurde ich damals in recht schulmeisterlicher Art über die Unsinnigkeit meiner Hypothese aufgeklärt.«

»Das stimmt«, gab Waringer zu. »Und deswegen bin ich ein wenig ratlos. Ich meine nämlich noch immer, dass so etwas unmöglich geschehen konnte. Aber doch scheint es geschehen zu sein.«

Rhodan ging vor Waringers Schreibtisch ein paar Schritte auf und ab. »Ob sich darin eine Erklärung bietet?«, fragte er halblaut.

»Eine Erklärung wofür?«, wollte Waringer wissen.

Perry Rhodan berichtete ihm von den Beobachtungen, die er, Atlan und Danton seit ihrer Ankunft in Imperium-Alpha gemacht hatten. Er sprach darüber, dass der Arkonide und er zu einer psychiatrischen Untersuchung zitiert worden seien. Waringer war entsetzt.

»Wir sind es uns selbst schuldig, uns auf dem schnellsten Wege darüber zu informieren, was hier gespielt wird«, endete Rhodan. »Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Atlan und ich aufgrund des Tests für unzurechnungsfähig erklärt werden. Wir müssen das verhindern. Der Test darf auf keinen Fall zur Durchführung kommen.«

Gegen sechzehn Uhr dreißig ersuchten die vier Herren um eine Unterredung mit Staatsmarschall Bull. Sie wurden sofort vorgelassen. Bully stand in der Mitte seines Arbeitszimmers, die Arme auf dem Rücken verschränkt, und blickte den Eintretenden finster entgegen.

»Ich habe nach Ihnen gesucht«, erklärte er anstelle eines Grußes.

Die förmliche Anrede musste überraschen, da es in der höchsten Führungsspitze des Imperiums aufgrund jahrtausendealter Freundschaften, in einigen Fällen auch Verwandtschaften, längst üblich geworden war, das freundschaftliche Du zu gebrauchen.