Perry Rhodan 3005: Wiege der Menschheit - Andreas Brandhorst - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3005: Wiege der Menschheit E-Book und Hörbuch

Andreas Brandhorst

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Beschreibung

Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen. Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher der RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten. Perry Rhodan befindet sich nun mit seinem Raumschiff, der RAS TSCHUBAI, und dessen Besatzung in der sogenannten Cairanischen Epoche. Vieles ist anders geworden seit ihrem Aufbruch. Neue Völker sind auf der Bildfläche erschienen, vertraute Bündnisse gibt es nicht mehr, und die Erde selbst gilt lediglich als Mythos. Dabei ist sie doch die WIEGE DER MENSCHHEIT ...

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Seitenzahl: 159

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Zeit:3 Std. 41 min

Sprecher:Tom Jacobs
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Nr. 3005

Wiege der Menschheit

Der Terraner auf Tellus – und im Bann einer unglaublichen Entdeckung

Andreas Brandhorst

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1. Perry Rhodan

2. Perry Rhodan

3. Amma Vargas

4. Perry Rhodan

5. Perry Rhodan

6. Perry Rhodan

7. Perry Rhodan

8. Felix Ghiss

9. Perry Rhodan

10. Perry Rhodan

11. Perry Rhodan

12. Perry Rhodan

13. Perry Rhodan

Leserkontaktseite

Fanszene

Impressum

Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher der RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten.

Perry Rhodan befindet sich nun mit seinem Raumschiff, der RAS TSCHUBAI, und dessen Besatzung in der sogenannten Cairanischen Epoche. Vieles ist anders geworden seit ihrem Aufbruch. Neue Völker sind auf der Bildfläche erschienen, vertraute Bündnisse gibt es nicht mehr, und die Erde selbst gilt lediglich als Mythos. Dabei ist sie doch die WIEGE DER MENSCHHEIT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Tenga – Der Siganese beweist ein gutes Auge.

Perry Rhodan – Der Terraner wird mit einem unangenehmen Bildnis konfrontiert.

Amma Vargas – Die Raumschiffskommandantin begegnet einer Legende.

Shanlud

Prolog

Die Zeit tropfte und rann, manchmal strömte sie auch, mit Wogen und Wellen. Hier lag sie wie erstarrt in einem Panzer aus Eis, der eine ganze Welt umschloss. Was vorher lebendig gewesen und gewachsen war, was gefressen und sich fortgepflanzt hatte, wie es das kosmische Gesetz des Werdens und Vergehens von allen Organismen verlangte – oder von fast allen –, lag nicht tot, aber in tiefem Schlaf. Es wartete, ohne etwas von der verstreichenden Zeit zu ahnen. Jahrhunderte vergingen, wurden zu mehr als drei Jahrtausenden.

Dann bahnten sich Veränderungen an.

Der einsame Wanderer, weiß in der kalten Dunkelheit des Alls, erreichte den sonnenfernsten Punkt seiner Umlaufbahn und fiel zurück, Licht und Wärme seiner Sonne entgegen. Er wurde schneller und schneller, und als die lange Nacht für ihn zu Ende ging, verdampfte die oberste Eisschicht wieder zu einer Atmosphäre, ein wichtiger erster Schritt der Wiedererwärmung.

Der größte Teil des immer noch tief im Eis gefangenen Lebens merkte nichts davon. Es schlief weiter in Kälte und Finsternis und erwachte auch nicht, als Besucher kamen, fremde Geschöpfe mit zylindrischen Raumschiffen rot wie Kupfer, angelockt von etwas, das eine kleine Forschungsgruppe von ihnen entdeckt hatte. Es setzte seinen tiefen, ahnungslosen Schlaf selbst dann fort, als die Neuankömmlinge Schnee und Eis schmolzen und etwas freilegten.

Die Aktivitäten der Besucher blieben nicht vollkommen unbemerkt.

Tief im Eis, das unter dem Einfluss von Thermostrahlen und Sonnenwärme schmolz, regte sich ein Wir, noch vage und diffus wie ein Nebel, noch ohne Gestalt. Es erinnerte sich an Zerstörung und Tod. Es erinnerte sich daran, eingegriffen zu haben, um noch mehr Tod und Zerstörung zu verhindern. Träge vom Schlaf fragte es sich, ob es erneut eingreifen musste.

1.

Perry Rhodan

»Was machst du hier? Glaubst du, von hier aus die Erde zu sehen?«

Perry Rhodan saß in einem kleinen Aussichtsraum der BJO BREISKOLL, die ihren Linearflug zum Wegasystem für ein Orientierungsmanöver unterbrochen hatte. Antriebslos fiel sie durch den interstellaren Raum, mehrere Lichtjahre vom nächsten Stern entfernt. Vor ihm breitete sich die Milchstraße aus, und er betrachtete sie ohne die visuelle Hilfe holografischer Linsen.

»Ich habe dich nicht gehört, Farye«, sagte er. »Du bist leise wie eine Katze.«

»Bin ich nicht.« Sie trat näher. »Vielleicht hättest du nicht einmal einen hereinstapfenden Haluter gehört. So tief bist du in Gedanken versunken gewesen.«

Sie setzte sich neben ihn, eine kleine, schlanke Frau, die ein wenig älter wirkte als er selbst und doch viel, viel jünger war – mehr als dreieinhalb Jahrtausende trennten sie von ihm. Farye Sepheroa, seine Enkelin.

Rhodan deutete auf das Sternenmeer vor ihnen. »Fünfhundert Jahre«, sagte er langsam. »Was sind fünfhundert Jahre für Sterne und Planeten? Weniger als ein Tropfen im Ozean der Zeit.«

Farye hob die Brauen. »Und für jemanden, der einen Zellaktivator trägt?«

Rhodan verbarg seine Überraschung. Es geschah nicht sehr oft, dass ihn Farye auf seine Unsterblichkeit ansprach.

»Auch für mich sind fünf Jahrhunderte viel Zeit«, antwortete er. »Doch sie genügen nicht, um die Erde zu einem Mythos zu machen. Fünfhundert Jahre sind nichts für eine Galaxis und wenig für die Geschichte ihrer Völker. Jemand wollte, dass Terra vergessen wird.«

»Wer? Die Cairaner?«

»Vielleicht«, sagte Rhodan.

»Hast du darüber nachgedacht?«, fragte Farye.

Rhodan hob kurz die rechte Hand und legte sie dann wieder auf die Armlehne des Sessels. »Manchmal muss man innehalten und versuchen, etwas Abstand zu gewinnen. Wer sich von den Ereignissen treiben lässt, verliert den Überblick, und das können wir uns nicht leisten. Die Vergangenheit der terranischen Zivilisation steht auf dem Spiel, und damit auch ihre Zukunft.«

Farye verstand. »Du meinst den Posizid und die Datensintflut, nicht wahr?«

Er nickte kurz, den Blick noch immer auf die Milchstraße gerichtet. »Etwas hat die Datenbestände von Positroniken gelöscht, und zwar überall in der Galaxis, soweit wir wissen. Anschließend kam es zu einem Phänomen, das ›Datensintflut‹ genannt wird: Speicherbanken wurden mit abstrakten und absurden Daten gefüllt, die sich teilweise widersprechen. Dort draußen ...« Rhodan deutete auf die Milchstraße. »... fällt es schwer, Richtig von Falsch zu unterscheiden, historische Fakten von Lügen zu trennen.«

»Dort draußen«, wiederholte Farye leise. »Und hier drinnen?«

Rhodan nickte erneut. »Das ist der Punkt. Die BJO BREISKOLL und unser Mutterschiff, die RAS TSCHUBAI, sind von Posizid und Datensintflut nicht betroffen. Unsere Zentralrechner, OXFORD an Bord dieses Schiffes und ANANSI in der RAS TSCHUBAI, verfügen über korrekte Daten. Das bedeutet: Wir sind die Hüter unserer Geschichte, die Bewahrer der Wahrheit. Unsere Datenbestände geben den echten, tatsächlichen Hintergrund der Menschheit wieder. Sie definieren die terranische Identität und legen Zeugnis davon ab, was Terra und die Menschheit für die Galaxis geleistet haben.«

Kurze Stille folgte diesen Worten.

»Jemand versucht, all das auszulöschen«, fügte Rhodan hinzu. »Wer und warum?«

»Wenn du diese Frage an mich richtest: Ich weiß es nicht und kann nur spekulieren. Vielleicht stecken die Cairaner dahinter. Aber wir sollten uns hüten, voreilige Schlüsse zu ziehen.«

»Da bin ich ganz deiner Meinung.« Rhodan räusperte sich. »Es gibt da noch etwas ...«

»Du fragst dich, wem oder was wir trauen können.«

Perry Rhodan richtete einen erstaunten Blick auf seine Enkelin.

Sie lächelte kurz. »Nicht nur du hast nachgedacht. Es geht um Zemina Paath und darum, was vor unserem Erwachen aus der Suspension an Bord der RAS TSCHUBAI geschehen ist. Zemina scheint unser Vertrauen – insbesondere deines – zu verdienen. Ich fühle nichts Falsches bei ihr. Nenn es ... weibliche Intuition.«

»Der Schein kann trügen.« Rhodan sprach behutsam und lauschte dem Klang der eigenen Worte. »Sie war bereits an Bord der RAS TSCHUBAI, als ich erwachte. Es war ihr gelungen, alle Sicherheitsbarrieren zu durchdringen. Ihr stehen Möglichkeiten zur Verfügung, die sich unserer Kenntnis entziehen. Wir wissen nicht, wie lange sie sich schon an Bord befand und was sie getan hat. Unsere Erinnerungen und die Datenbestände von OXFORD und ANANSI könnten falsch sein. Manipuliert. Verändert.«

»In einem unendlichen Universum gibt es unendlich viele Möglichkeiten«, sagte Farye. »Die meisten von ihnen sind allerdings sehr unwahrscheinlich.« Ein neues Lächeln erschien auf ihren Lippen, aber nur kurz. »Lieber Herr Ex-Großadministrator und was du alles in deinem langen Leben gewesen bist: Man kann sich auch zu viele Dinge in den Kopf setzen, was mein unsterblicher Großvater eigentlich mindestens ebenso gut wissen sollte wie ich. Nachdenken kann zu Grübeln werden, und wenn das Grübeln zu lange dauert, legt man sich damit Fesseln an. Du hast es eben selbst gesagt: Es kommt darauf an, den Überblick zu wahren.«

Sie beugte sich im Sessel vor. »Um deine Frage zu beantworten, warum ich hierhergekommen bin ...« Sie zögerte.

Rhodan seufzte. »Warum bist du hier, Farye?«

»Weil wir einen Hyperfunkspruch aufgefangen haben. Den wir ohne unseren Kontakt mit Cyprian Okri und Kondayk-A1 nicht aufgefangen hätten. Von ihnen haben wir den Zugangscode zum Hyperfunkverkehr einer offenbar recht kleinen terranischen Explorerflotte mit Basis im Ephelegonsystem.«

Sofort dachte Rhodan an Reginald Bull, von dem es hieß, dass er als Resident im Ephelegonsystem weilte. In vier Wochen musste die BJO BREISKOLL wieder im Agnisystem sein, weil die NDE-Agenten Cyprian Okri und Kondayk-A1 dann mit der Nachricht zurückkehrten, ob Reginald Bull bereit war, jenen Mann zu empfangen, der von sich behauptete, der legendäre Perry Rhodan zu sein. Von seinem alten Freund erhoffte sich Rhodan Auskunft darüber, was während der vergangenen fünfhundert Jahre wirklich geschehen und wie die Situation in der Milchstraße beschaffen war.

»Wir sind zum Wegasystem unterwegs, um von dort aus gewissermaßen einen Blick auf die Erde zu werfen.« Faryes Stimme bekam einen Klang, der Rhodan nicht gefiel. »Aber vielleicht sind wir in die falsche Richtung geflogen. In dem Funkspruch wird die Heimat der Terraner erwähnt, die Wiege der Menschheit, und offenbar befindet sie sich an einem ganz anderen Ort.« Sie nannte die Einzelheiten des aufgefangenen Hyperfunkspruchs.

Rhodan stand auf. Das Grübeln hatte ein Ende.

»Zur Zentrale. Alle sollen Bescheid wissen.«

*

In der Zentrale der BJO BREISKOLL waren alle Stationen besetzt. Männer und Frauen saßen an den Konsolen, manche von ihnen jung, andere in mittleren Jahren oder älter, sie alle mit einem eigenen, sterblichen Leben, mit eigenen Wünschen, Träumen und Hoffnungen. Der Zeitsprung der RAS TSCHUBAI um fünfhundert Jahre in die Zukunft hatte ihnen die Wurzeln genommen, ihre vertraute Heimat, ihre Familien und Freunde. Das geteilte Schicksal brachte sie einander aber näher und machte sie zu einer verschworenen Gemeinschaft.

Der ruhige Muntu Ninasoma saß im Kommandosessel und wollte aufstehen, als sich Perry Rhodan und Farye näherten, aber Rhodan bedeutete ihm mit einer knappen Geste, sitzen zu bleiben.

»Wir haben eine Nachricht empfangen, die ihr alle hören sollt«, sagte er laut. »Wenn ich bitten darf ...«

Farye nickte der jungen Frau an der Hyperfunkstation zu, deren Hände durch die holografischen Kontrollen strichen.

»Genau gesagt sind es zwei Nachrichten«, verkündete sie. »Dies ist die erste.«

Eine fremdartige Stimme ertönte.

»Ehre und Ruhm für Shoniun, Magnatin unserer Archäo-Kampagne, die klein und unbedeutend begann, aber schon jetzt groß und wichtig geworden ist! Und sie wird noch größer und wichtiger, weil wir eine epochale Entdeckung gemacht haben. Nach langer, langer Suche ist es den Shenpadri gelungen, die Heimatwelt der Terraner zu finden. Die Wiege der Menschheit – wir haben sie entdeckt, in Schnee und Eis, von der Zeit vergessen. In einem Sonnensystem, das ihr ›Rheiasystem‹ nennt. Dies verkündet euch Ruinenhüter Shanlud, in respektvollen Diensten von Archäo-Magnatin Shoniun, Ruhm und Ehre für sie!«

Mehrere Sekunden lang war nur das Flüstern der Bordsysteme zu hören.

»Was ist eine Archäo-Magnatin?«, fragte Winston Duke, Hyperphysiker, Ingenieur und Ortungspezialist.

»Davon höre ich ebenfalls zum ersten Mal«, fügte der Xenotechnik-Analyst Osmund Solemani hinzu. Auf seinem Knie saß eine humanoide Gestalt, nur gut zwanzig Zentimeter groß: der Siganese Sholotow Affatenga, von seinen Freunden »Tenga« genannt. »Es klingt nach einer hochrangigen Repräsentantin der Shenpadri.«

Auf der anderen Seite der Zentrale bemerkte Rhodan die geheimnisvolle Zemina Paath, halb hinter einem Datenholo verborgen: groß und grazil, ihre schimmernde Kleidung so eng anliegend wie eine zweite Haut, von blauen Bahnen und Linien durchzogen.

Man hätte sie für eine menschliche Frau halten können, doch Rhodan wusste, dass sie ein ganz und gar fremdartiges Geschöpf war, von unbekannter Herkunft und mit Absichten, die Spekulationen überlassen blieben. Die Vernunft verlangte, sie als Risiko einzustufen – immerhin war es ihr gelungen, in die gut geschützte RAS TSCHUBAI einzudringen, ohne einen Sicherheitsalarm auszulösen.

Doch als Rhodan dem Blick ihrer hellen Augen begegnete, spürte er erneut, dass er ihr vertrauen konnte. Im Lauf der Jahrtausende hatte er gelernt, auf die Stimme seines Instinkts zu hören.

Er sah seine Enkelin an. »Farye?«

»Die Shenpadri wurden in einigen der Funksprüche erwähnt, die wir aufgefangen haben«, sagte sie. Das Interkom trug ihre Stimme in alle Abteilungen der BJO BREISKOLL. »Es scheinen Archäologen und Historiker zu sein. Offenbar glauben sie, die Erde gefunden zu haben, und zwar an einem Ort, wo wir sie nicht vermuten würden. Ruinenhüter Shanlud richtete seine Mitteilung an die Liga Freier Galaktiker im Ephelegonsystem. Und damit auch an Resident Reginald Bull.«

»Was ist mit der anderen Nachricht?«, fragte der Siganese Affatenga. Er benutzte einen Stimmverstärker.

Farye wechselte einen kurzen Blick mit Perry Rhodan, der bereits Bescheid wusste.

»Die Einsatzleitung der Explorerflotte im Ephelegonsystem hat sich mit einem Schiff namens NEY ELIAS in Verbindung gesetzt. Es befindet sich im entsprechenden Raumsektor des Orionarms, soll zum Rheiasystem fliegen und dort nach dem Rechten sehen.«

Rhodan stand noch immer neben Muntu Ninasoma, der zurückgelehnt im Kommandosessel saß, die Beine von sich gestreckt und die Augen halb geschlossen. Der Eindruck von lethargischer Gleichgültigkeit täuschte – Ninasoma hatte aufmerksam zugehört.

»Mir scheint, es gilt eine Entscheidung zu treffen«, sagte er.

»Vielleicht ist das Wegasystem der falsche Ort, wenn wir einen Blick auf die Erde werfen wollen«, meinte Farye. »Die Entfernung ist nicht zu groß, und Zeit haben wir genug. Uns bleiben knapp vier Wochen, bis wir wieder im Agnisystem sein müssen.«

2.

Perry Rhodan

Perry Rhodan saß in einem Konferenzraum der BJO BREISKOLL, die wieder mit vielfacher Überlichtgeschwindigkeit durch den Linearraum raste und bereits den Orionarm der Milchstraße erreicht hatte – es war nicht mehr weit bis zum Rheiasystem. Vor ihm wölbte sich ein großes Holo mit Datenkolonnen und Bildern aus einer fernen Vergangenheit.

»Meine Erinnerungen haben mich also nicht getrogen«, murmelte er und betrachtete die Bilder. Sie zeigten ihm einen Planeten, auf dem sich das Leben schlafen legte, mit Meeren und Kontinenten, die unter Eis verschwanden.

»Im Jahr 2436 der alten Zeitrechnung, während des Dolan-Kriegs, wollte das Solare Imperium im Rheiasystem einen großen Stützpunkt einrichten«, ertönte OXFORDS Stimme. »Es gibt dort nur einen Planeten mit einer sehr exzentrischen Umlaufbahn, die darauf hindeutet, dass er ein von Rheia eingefangener Irrläufer ist.«

»Tellus«, sagte Rhodan leise.

»So lautet die Bezeichnung in den alten Sternkarten. Für einen Sonnenumlauf benötigt Tellus 3312 Jahre. Nur vierhundert Jahre lang herrschen auf dem Planeten Bedingungen, die eine aktive Biosphäre ermöglichen. Etwa vierzig Jahre lang, während der sonnennahen Passage des Planeten, wird es so heiß, dass sich das planetare Leben zu den Polen und in die Tiefen der Meere zurückzieht.«

»Und wenn Tellus mit der Reise zum sonnenfernsten Punkt beginnt, begraben Schnee und Eis alles unter sich«, sagte Rhodan.

»Dann wird es auf dem Planeten so kalt, dass selbst die Atmosphäre gefriert«, teilte ihm OXFORD mit. »Die indigenen Lebensformen verbringen diese Zeit in der Hibernation.«

»Der große Stützpunkt, den wir damals wegen der strategischen Lage des Rheiasystems auf Tellus einrichten wollten, wurde nie gebaut, oder?«

»Nein«, bestätigte die Positronik der BJO BREISKOLL. »Vielleicht sind die Ressourcen knapp geworden. Das Solare Imperium begnügte sich mit einer kleinen Basis, deren Besatzung aus zwölf Personen bestand und nie mehr sein sollte als ein Beobachtungsposten. Man baute sie Anfang 2436, als die Vereisung des Planeten begann.« OXFORD nannte die Koordinaten. »Das Kommando bekam eine Terranerin namens Betty Anne Longfield. Der letzte Funkspruch von Tellus wurde Mitte 2437 empfangen, kurz bevor im Solsystem neuntausend Dolans erschienen, um Terra zu vernichten. Danach gab es keine Kontakte mehr.«

»Ist die Basis damals aufgegeben worden?«, fragte Rhodan.

»Unbekannt«, antwortete OXFORD. »Meine Datenbanken enthalten keine diesbezüglichen Informationen.«

Es waren schwere Zeiten gewesen, erinnerte sich Rhodan. Der Krieg gegen die Zweitkonditionierten, die Schwingungswächter, hatte das Solare Imperium an den Rand des Untergangs geführt. Nur OLD MAN und der gerade noch rechtzeitig eintreffenden Haluterflotte war es zu verdanken gewesen, dass die Erde den massiven Angriff der Zweitkonditionierten überstanden hatte.

Nach dem Ende der Dolans und dem Krieg gegen die Zeitpolizei hatte der Zerfall des Solaren Imperiums eingesetzt, und schließlich war der fünfhundert Jahre umfassende Plan zum Projekt Laurin in Angriff genommen worden.

Der kleine Tellus-Stützpunkt hatte auf der großen galaktischen Bühne des Geschehens nie eine Rolle gespielt. Die zwölf Männer und Frauen, die dort ihren Dienst für die Menschheit geleistet hatten, lebten längst nicht mehr – mehr als dreitausend Jahre waren vergangen. Wie mochte es ihnen damals ergangen sein? Waren sie zur Erde zurückgekehrt, oder hatten sie den Rest ihres Lebens woanders verbracht, auf einer der vielen von Terra besiedelten Welten?

Eine mit viel Blut und Tränen geschriebene Geschichte, dachte Perry Rhodan und blickte auf seine Hände, die das Blut und die Tränen berührt hatten. Eine Geschichte von Leid und Schmerz, von Opfern und Heldenmut. Wie konnte das alles, die Erde und ihre Vergangenheit, in Vergessenheit geraten und zu einem Mythos geworden sein?

»Wie steht es derzeit um Tellus?«, fragte er. Im Holo vor ihm wechselten die Daten.

»Der Planet kehrt auf seiner exzentrischen Umlaufbahn zur Sonne Rheia zurück«, antwortete OXFORD. »Er erwärmt sich, das Eis schmilzt.«

»›Die Wiege der Menschheit – wir haben sie entdeckt, in Schnee und Eis, von der Zeit vergessen‹«, zitierte Rhodan. »So lauteten die Worte eines Shenpadri namens Shanlud, der sich Ruinenhüter nannte. Was könnte er auf Tellus gefunden haben? Vielleicht die Reste des damaligen Stützpunkts?«

»Das bezweifle ich«, antwortete OXFORD. »Shanlud sprach von einer ›epochalen‹ Entdeckung. Das deutet auf etwas Großes hin, noch dazu mit einer direkten Verbindung zur Erde.«

Ein akustisches Signal erklang, gefolgt von einer Stimme. »Perry?«

»Ich höre dich, Farye.«

»Der Explorer NEY ELIAS hat unseren Funkspruch beantwortet. Das Rendezvousmanöver steht unmittelbar bevor.«

Rhodan stand auf. »Ich komme zur Zentrale.«

*

Die BJO BREISKOLL fiel mit dreißigtausend Kilometern pro Sekunde – zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit – durch die Ansammlung astronomischer Objekte, die das Rheiasystem – analog der Oortschen Wolke –in einem Abstand von etwa anderthalb Lichtjahren als Kugelschale umgab. Die Wolke bestand aus Myriaden von Planetesimalen, Bausteinen von Planeten und Monden aus der Entstehungszeit des Sonnensystems, die meisten von ihnen so klein, dass sie bei einer Kollision in den Schutzschirmen verglüht wären. Was die größeren Brocken betraf: Die Abstände zwischen ihnen waren so groß, dass eine ganze Flotte von Raumschiffen durch die Wolke schlüpfen konnte, ohne ihnen zu nahe zu kommen.

Muntu Ninasoma saß wieder – oder vielleicht noch immer – im Kommandosessel, als Perry Rhodan die Zentrale erreichte. Ein großes Panoramaholo zeigte die zehntausend Kilometer entfernte NEY ELIAS.

Farye hatte neben Ninasoma Platz genommen, die beiden verstanden einander gut, denn sie einte die Leidenschaft ihres Berufes und – mehr noch – das Schiff selbst, das lange »ihre« und nun »seine« BJO BREISKOLL war.

»Die offizielle Kennung im Register der Explorerflotte lautet EX-1844 NEY ELIAS«, sagte sie und deutete auf die eingeblendeten Daten. »Ein Schiff der GALILEI-Klasse, die neu zu sein scheint – OXFORD weiß nichts davon.«

Rhodan schüttelte den Kopf. »Ich auch nicht.«