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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem 6. Jahrtausend nach Christus, genauer dem Jahr 5658. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Terraner, Arkoniden, Gataser, Haluter, Posbis und all die anderen Sternenvölker stehen gemeinsam für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, womöglich umso stärker, seit ES, die ordnende Superintelligenz dieser kosmischen Region, verschollen ist. Als die Liga Freier Galaktiker durch drei Deserteure erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, entsendet sie unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff, die RAS TSCHUBAI. Denn von FENERIK geht wahrscheinlich eine ungeheure Gefahr für die Galaxis aus. Perry Rhodan begibt sich in Cassiopeia, einer Andromeda vorgelagerten Kleingalaxis, auf die Suche nach dem Chaoporter. Doch dessen Agenten sind bereits aktiv. Es kommt zum Wettlauf zwischen JÄGER UND SUCHER ...
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Seitenzahl: 189
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Nr. 3118
Jäger und Sucher
Auf der Spur einer Wehrlosen – ein Wettlauf um ihr Leben beginnt
Robert Corvus
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog: Sternenruf
1. Missionschronik
2. Diskretion
3. Schaum
4. Abstieg
5. Datenströme
6. Zertifikat
7. Missionschronik
8. Frage
9. Sorge
10. Entbehrlich
11. Grube
12. Ordnung
13. Analyse
14. Sichtung
15. Tatort
16. Nutzen
17. Missionschronik
18. Gedankensonde
19. Touristen
20. Geschäft
21. Gewinn
22. Eremitin
23. Zuflucht
24. Missionschronik
25. Sucher
26. Ortung
27. Grek-8
28. Führung
29. Feinde
30. Pflicht
31. Labyrinth
32. Missionschronik
33. Spur
Stellaris 81
Vorwort
»Pjotos letzte Reise« von Ruben Wickenhäuser
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem 6. Jahrtausend nach Christus, genauer dem Jahr 5658. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.
Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen.
Terraner, Arkoniden, Gataser, Haluter, Posbis und all die anderen Sternenvölker stehen gemeinsam für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, womöglich umso stärker, seit ES, die ordnende Superintelligenz dieser kosmischen Region, verschollen ist.
Als die Liga Freier Galaktiker durch drei Deserteure erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, entsendet sie unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff, die RAS TSCHUBAI. Denn von FENERIK geht wahrscheinlich eine ungeheure Gefahr für die Galaxis aus.
Perry Rhodan begibt sich in Cassiopeia, einer Andromeda vorgelagerten Kleingalaxis, auf die Suche nach dem Chaoporter. Doch dessen Agenten sind bereits aktiv. Es kommt zum Wettlauf zwischen JÄGER UND SUCHER ...
Perry Rhodan – Der Missionskommandant sucht eine Traumbekanntschaft.
Axelle Tschubai – Die Missionschronistin dokumentiert einen Traum.
Damar Feyerlant – Der Konnektor träumt biopositronisch.
Gucky – Der Telepath erforscht fremdartige Träume.
Troparod
Prolog
Sternenruf
Unwillkürlich sah Reginald Bull über die Schulter.
Die transparente Wand lud dazu ein, den Blick über Terrania schweifen zu lassen, diesen zu einer Metropole kondensierten Traum. Die Viertel, in denen das Leben in vielfältigsten Formen pulsierte. Häuser, Türme, technische Anlagen in unterschiedlichsten Architekturstilen.
Bull wusste nicht, ob er gehofft oder gefürchtet hatte, jemanden hinter sich zu sehen. War er enttäuscht oder erleichtert, weil niemand zwischen ihm und der Fensterfront stand, obwohl die Stimme so nah geklungen hatte?
»Reginald?«, fragte Jesper Pan.
Der Resident wandte sich wieder seinem Stellvertreter zu. In der Luft zwischen den beiden Männern leuchteten zwei Dutzend Holos. Ökonomische Daten verschiedener Agrarwelten, die demografische Entwicklung auf Planeten in der Randzone, Leistungskennzahlen von Raumschiffswerften, die Transporter herstellten, und dergleichen mehr. Dahinter sah Bull die Sorge in Pans Gesicht.
»Lass uns weitermachen«, schlug der Resident vor. »Es ist nichts.«
»Der Sternenruf?«
Bull nickte unwillig.
»Was hast du gehört?«
1.
Missionschronik
Ich habe einen Unsterblichen weinen sehen. Das hat mich mehr verstört als die Gefahr, als die Gewalt und sogar als die Toten, die es während dieser Tage auf Ghuurdad gab. Vielleicht, weil alles so schnell ging und mir die Zeit fehlte, um das Geschehen zu reflektieren. Bis zu diesem Moment, in dem die Ewigkeit den Atem anzuhalten schien, weil einer, der selbst Anteil an der Ewigkeit hatte, der das Potenzial eines ewigen Lebens vor sich sah, weinte.
Es begann ganz anders. Wir dachten, der gefährlichste Teil des Einsatzes wäre vorüber. In der anstehenden Phase ging es um Schnelligkeit dabei, eine Tefroderin namens Tryma Vessko zu finden, bevor das dem Swekkter gelang. Dieser Gestaltwandler hatte vergeblich versucht, ihr während eines Traumgangs Informationen über etwas oder jemanden zu entreißen, das oder den er mit dem Begriff der Krumme Gryllner bezeichnete.
Perry und Lyu-Lemolat waren sicher, dass der Swekkter Angst vor dem Krummen Gryllner empfand und dass diese Angst nicht bloß seine persönliche, sondern auch die FENERIKS war. Grund genug, um sich mit dem Krummen Gryllner zu treffen, von ihm über den Chaoporter zu lernen, und sich womöglich mit ihm zu verbünden.
Unser eigener Kenntnisstand war bislang bescheiden. Vor der Abreise der RAS TSCHUBAI hatten uns die drei Überläufer wegen ihrer Mentalblockaden nur spärliche Informationen geben können. Dass wir überhaupt nach Cassiopeia aufgebrochen waren, hatte auch mit dem Ruf zu tun, den Reginald Bull – der Träger eines chaotarchisch geprägten Zellaktivators – aus dieser Kleingalaxis vernommen hatte.
Gerade brach unsere vierte Woche zwischen diesen Sternen an, von denen wir zuvor nicht mehr gewusst hatten, als astronomische Fernmessungen verrieten. Auf Bhanlamur hatten wir eine Präliminare Bastion gefunden und zerstört. Dabei hatten wir einen Swekkter enttarnt und gegen Roboter mit Parafähigkeiten gekämpft. Derweil hatten unsere Gegner bewiesen, wie schnell sie auf uns reagieren konnten, und eine Wesenheit namens Zyu gegen die BJO BREISKOLL ausgeschickt. Sie konnte von Bord vertrieben und zum Planeten Fajem verfolgt werden.
Dort waren wir auf die Gharsen getroffen, die den Planeten für ihre herrliche Diktatur beansprucht hatten – ein Vorgeschmack darauf, wie das Chaos regieren wollte, wenn es ihm gelang, seine Macht zu etablieren. Wir waren dem Ornamentraumer KUPFER UND GRANIT gefolgt, hatten das Trojanische Imperium erreicht und waren dort auf Nachkommen von Terranern und Überreste eines geheimen Militärprojekts aus dem Kampf gegen die Meister der Insel gestoßen.
Wir hatten den Trojanern gegen den Ornamentraumer beigestanden und ihn vernichtet.
Wie ich erst später erfuhr, hatte Lyu-Lemolat damals ihre Tarnung offenbart und sich gegenüber dem engsten Führungszirkel als Agentin der Stabilität Karahol zu erkennen gegeben. Wir anderen wussten nicht, woher auf einmal die Raumkoordinaten kamen, die die Quelle der Nano-Irritation bezeichneten. Dieses Ereignis hatte vor zehn Jahren stattgefunden und – so glaubten jedenfalls viele Wissenschaftler der Trojaner – zu kleinen, aber messbaren Verwerfungen der Raum-Zeit geführt.
Eine Störung der kosmischen Grundkonstanten deutete möglicherweise auf die Anwesenheit chaotarchischer Einflüsse hin, die mit der Havarie des Chaoporters einhergegangen sein mochten. Grund genug, diese Koordinaten anzusteuern. So kamen wir nach Ghuurdad.
Denkt daran: Das alles hatte sich innerhalb von gerade einmal zwei Wochen zugetragen. Wir waren noch immer Neulinge in Cassiopeia.
Nach der Expedition auf Bhanlamur hatte ich erkannt, dass ich zumindest ab und zu an Außenmissionen teilnehmen musste, um meiner Aufgabe als Chronistin gerecht zu werden. Ich wollte den anderen jedoch so wenig zur Last fallen wie möglich. Daher hatte ich die Zeit auf der BJO BREISKOLL genutzt, um mich in Theorie und Praxis mit dem Einsatz eines Kombistrahlers vertraut zu machen. Janer Birn meinte, ich hätte ein Talent dafür. Das machte mich zwar längst nicht zu einer Soldatin, aber ich war zuversichtlich, mich einigermaßen meiner Haut wehren zu können.
So bat ich darum, Gucky auf den Planeten begleiten zu dürfen. Perry Rhodan erhob keine Einwände, da es sich nicht um einen Kampfeinsatz handelte, und den Mausbiber hatte ich zuvor mit einem Stück Karottenkuchen in wohlwollende Stimmung versetzt.
Wir traten aus dem Transmitter in der Space-Jet des Einsatzkommandos und wurden überschwänglich begrüßt. Vielleicht auch, weil wir den Rest meines Kuchens und einen frischen von Gucky mitbrachten und darauf bestanden, dass sich alle an der Geschmacksprobe beteiligen mussten. Es gab freudiges Lachen, Umarmungen und ein großes Hallo.
Sie hatten die Space-Jet auf den Raumhafen verlegt hat, weil sie nun relativ offen agieren konnten und es keiner Geheimniskrämerei bedurfte.
Die Zentrale der Space-Jet war ein bisschen eng, schließlich waren wir zu neunt, aber das störte uns nicht. Selbst die Sticheleien, die Anesti Mandanda und Karin Kafka austauschten, fielen für ihre Verhältnisse sanft aus.
Hroch-Tar Kroko ließ seinen Stützschwanz pendeln, während er mal an dem Kuchenstück in seiner rechten, dann an dem in seiner linken Hand züngelte. Ich bin keine Expertin für topsidische Körpersprache, aber auf mich wirkte der Major entspannt, vielleicht sogar vergnügt.
Ich freute mich besonders, den immer fröhlichen Damar Feyerlant und Shema Ghessow zu sehen. Während eines Rätselabends in Kolehandrono Chenalegas Kantine am letzten Eck der BJO BREISKOLL hatten wir festgestellt, dass wir drei gleich alt waren: 22 Jahre. Seitdem bezeichneten wir uns scherzhaft als Missionsküken. Ich merkte sofort, dass Shema nicht ganz so guter Stimmung war wie die anderen. Das lag daran, dass sie sich Vorwürfe machte, weil der Swekkter entkommen war. Eine Sache, die ich nicht beurteilen konnte, die aber die anderen nicht allzu sehr zu besorgen schien.
Gucky nahm Perry Rhodan auf die Seite, um ihn über das Raumschiff zu informieren, das kurz vor unserem Aufbruch von der BJO BREISKOLL am Rand des Planetensystems aufgetaucht war. Perry bat um Aufmerksamkeit und forderte mich auf, den mitgebrachten Datenkristall in den Holoprojektor zu legen.
Wegen der Enge mussten wir uns ein wenig sortieren, damit jeder das Bild sehen konnte: Der Raumer setzte sich aus drei Würfeln zusammen, deren Kantenlänge der eingeblendete Maßstab mit 900, 990 und 1800 Metern angab. Sie waren nicht ordentlich aneinandergesetzt, vielmehr schienen die kleineren aus dem mittleren herauszuwachsen. Das schwarze Hüllenmaterial widerstand der ersten Analyse unserer Taster. Die Schlieren, die darüber wanderten, ähnelten dem optischen Eindruck nach Öl, aber dann hätten die größten Flecken die Ausmaße eines Sees gehabt und sich im Vakuum des Weltraums anders verhalten müssen.
Pinar Koray hatte die aufgefangenen Funksprüche zusammengestellt. Eine Kommandantin namens Munsorod identifizierte das Schiff als JOZZVAR und gab an, von außerhalb Cassiopeias zu stammen. Wobei sie nicht Cassiopeia sagte, sondern die Kleingalaxis Valotio nannte, wie der bei den Tefrodern gebräuchliche Name lautete. Tefrodisch wirkte die JOZZVAR jedoch ganz und gar nicht.
Ihre Größe erregte bei der Raumüberwachung von Ghuurdad Unruhe, die sich erst legte, nachdem die Kommandantin versichert hatte, dass nur ein kleines Beiboot landen solle. Lediglich eine Gruppe von drei Individuen wolle sich in der Hauptstadt Akkudpar umsehen, um herauszufinden, ob Potenzial für wissenschaftlichen oder merkantilen Austausch bestünde.
Ich erinnere mich genau an den fragenden Blick, mit dem Perry Rhodan Lyu-Lemolat bedachte.
Die Tefroderin beteuerte ihr Unwissen: Dieser Schiffstyp sei ihr gänzlich unbekannt.
Damit war das Thema für Perry erledigt. Er wollte so schnell wie möglich den Krummen Gryllner finden; schließlich suchte auch der entkommene Swekkter ihn. Es galt, den Truppen des Chaos zuvorzukommen. Unsere einzige Spur war die Tefroderin Tryma Vessko, die während des Traumgangs offenbart hatte, dass sie den Krummen Gryllner kannte. Sie mussten wir also zuerst treffen, und um das zu arrangieren, würde Perry mit Lyu-Lemolat und Gucky zum Traumkonduktor zurückkehren.
Von dem fremden Schiff wollte Perry sich nicht ablenken lassen.
Ein Fehler, der aus unserer Unkenntnis des Feindes resultierte und seinerseits mehrere Todesfälle nach sich zog.
Geweint hat Perry Rhodan später aus einem anderen Grund. Der Anblick hat mich erschüttert, aber für diese Tränen respektiere ich ihn stärker als für alles, was ich mit ihm erlebt oder über ihn gehört habe.
Illustration: Swen Papenbrock
2.
Diskretion
»Wir kennen uns noch nicht.« Der Ghutawe knickte leicht in den Kniegelenken ein, von denen jedes seiner Beine zwei hatte, und neigte seinen kurzen Oberkörper. Dadurch kam der kleine, beinahe vollständig vom einzigen Auge eingenommene Kugelkopf, der auf einem stangenartigen Hals saß, dem Mausbiber ein gutes Stück näher. »Ich bin Konduktor Wallwen.«
»Ich bin Gucky.« Sanft klopfte der platte Schwanz auf den Teppich. »Meine Freunde haben mir erzählt, dass du ihr Führer in der Traumwelt gewesen bist.«
Wallwen richtete sich auf, wobei er ein lang gezogenes Pfeifen ausstieß. »Was geschehen ist, tut mir außerordentlich leid. Ich hätte die Gefahr für meine Traumgänger früher erkennen müssen.«
Der Konduktor empfing sie nicht in der Traumarena, sondern in seinem Haus in der Nähe. Bedienstete hatten ihnen geöffnet und sie in einen großzügig ausgestatteten Raum mit einem zentralen Springbrunnen geführt. Mehrere Wasserstrahlen bildeten ein Geflecht aus aufwärts führenden Kaskaden, die in vier Metern Höhe zu Spiralen wurden, um schlussendlich in der Mitte wieder ins Becken zurückzufallen. Da Perry Rhodan keine Leitungen oder Schalen sah, vermutete er den Einsatz von Antigravfeldern. Diese Technologie war auf Ghuurad zwar nicht unbekannt, aber selten. Das machte eine solche Spielerei zu einem Zeichen des Wohlstands.
»Der Gaid trägt selbst die Verantwortung für seinen Überfall«, stellte Rhodan klar. »Das ist nicht deine Schuld.«
Wieder pfiff Wallwen. »Ich war so fasziniert von unserem Traumgang, dass ich zu unaufmerksam geworden bin. Einem Anfänger mag man das nachsehen, aber mir ...«
»Wir hoffen, dein Ruf leidet nicht allzu sehr.« Das Mitgefühl in Lyu-Lemolats Stimme erschien Rhodan ein wenig zu perfekt dosiert. Er nahm an, dass die Stabilität ihre Agenten in vielen Arten der Informationsgewinnung ausbildete, wozu bestimmt auch eine suggestive Gesprächsführung gehörte. Echte Emotionen dagegen waren für eine Spionin gefährlich.
»Ich fürchte, man wird noch lange über diesen Vorfall sprechen.« Wallwen vollführte eine weite Geste mit beiden Armen und faltete die Hände anschließend vor der Brust. Die zahllosen Kordeln, die vom Saum seines Gewands hingen, gerieten dadurch in Pendelbewegungen. »Man wird Vorbehalte gegen mich entwickeln. Ein Schicksal, das wir teilen. Deswegen ist es auch nicht gut, wenn man mitbekommt, dass wir uns treffen.«
»Wieso das?« Lyu-Lemolats Stimme klang scharf. Ob der Ghutawe so viel Umgang mit Tefrodern hatte, dass er dieses Signal deuten konnte?
»Ich nehme an, man bringt die Zerstörungen mit uns in Verbindung«, sagte Rhodan.
»Leider«, bestätigte Wallwen. »Ich bin selbstverständlich davon überzeugt, dass ihr und eure Freunde nur getan habt, was zu eurer Verteidigung unabdingbar war, aber die Bombenexplosion hat einige irritiert.«
»Verständlich, weil wir anwesend waren, aber falsch, weil wir sie nicht gezündet hatten, sondern der blanke Gaid«, sagte Rhodan. »Wir wollen allerdings nicht lange bleiben. Es geht uns um Tryma Vessko, die Tefroderin, der wir gegen den Gaid beigestanden haben. Wir sorgen uns um sie. Weißt du, ob man sie medizinisch behandelt?«
»Leider nein. Ich habe sie seit dem Vorfall nicht mehr gesehen. Sie hat sich auch nicht von mir verabschiedet.«
»Ich denke, nach dem Schrecken hatten wir es alle eilig«, sagte Lyu-Lemolat.
»Gewiss.«
»Wir sind wirklich sehr beunruhigt wegen dieser Sache.« Rhodan sah in das rote Facettenauge seines Gegenübers. »Während des Traumgangs war ich eng mit ihr verbunden. Ich habe ihre Furcht gespürt. Deswegen ist mir wichtig, sicher zu sein, dass es ihr gut geht.«
»Weißt du, wie wir sie kontaktieren können?«, fragte Lyu-Lemolat.
»Leider nein«, antwortete Wallwen. »Traumgänger unternehmen ihre Reisen oft aus sehr persönlichen Motiven. Wir sichern ihnen absolute Anonymität zu.«
»Das respektieren wir selbstverständlich«, beteuerte Rhodan. »Wenn du ihre Daten nicht herausgeben willst, kannst du vielleicht den Kontakt herstellen? Du könntest sie anrufen, und wir kommen hinzu, sobald die Verbindung steht.«
»Ich kann euch die Daten nicht geben, weil ich sie selbst nicht habe«, wehrte Wallwen ab. »Deswegen kann ich auch keinen Kontakt vermitteln.«
»Das ist schade«, meinte Lyu-Lemolat. »Wir würden gerne mit Tryma besprechen, wie wir uns an der Reparatur der Schäden beteiligen könnten.«
»Sicher wäre sie bereit, mit uns gemeinsam zu bezeugen, dass dich keine Schuld an der Misere trifft«, ergänzte Rhodan.
Gucky fixierte während des gesamten Gesprächs den Ghutawen, allerdings nicht den Kugelkopf mit dem Auge, sondern die Hirnkuppel unter dem Halsansatz. Die Schnurrhaare des Mausbibers zitterten, ein Anzeichen für seine Konzentration.
»Das könnte helfen, zumal sie ...« Der Traumkonduktor zögerte. »Ich meine, euch bringt man leider trotz allem mit der Bombe in Verbindung, aber Tryma nicht.«
»Wir haben also zu Unrecht einen schlechten Ruf«, erkannte Rhodan.
»Ich fürchte, dass es sich so verhält.«
»Würdest du uns dennoch Bescheid geben, falls sich Tryma bei dir melden sollte?« Lyu-Lemolat modulierte ihre Stimme geschickt. Bei dieser Frage senkte sie sie ab.
Rhodan war sicher, dass sie damit jeden, der für die weiblichen Reize eines Menschen empfänglich war, nervös machen konnte. Mit leichtem Amüsement registrierte er, dass er selbst auf die Attraktivität der Agentin reagierte, wenn auch weit schwächer als viele andere Besatzungsmitglieder der BJO BREISKOLL. Vermutlich war es für Lyu-Lemolat so selbstverständlich, dieses Mittel einzusetzen, dass sie es auch gegenüber einem so fremdartigen und mit Sicherheit unempfänglichen Wesen wie dem Ghutawen tat.
»Sicher, ich melde mich bei euch, falls ich etwas von Tryma höre.«
Rhodan tippte auf das Multifunktionsgerät in der Unterarmmanschette seines SERUNS. »Ich übermittle dir, wie du uns erreichst.«
»Es wäre ganz sicher zu deinem Vorteil«, sagte Gucky eindringlich. »Wir würden uns erkenntlich zeigen. Wir sind wirklich sehr besorgt.«
Wallwen pfiff auf andere Art als zuvor.
»Wir wollen deine Zeit nicht länger als nötig beanspruchen«, sagte Rhodan.
»Das ist freundlich von euch.«
In der Tür drehte sich Rhodan noch einmal um. »Wenn du Tryma finden wolltest – wie würdest du das anstellen?«
3.
Schaum
»Wallwen weiß wirklich nicht, wie man Tryma Vessko finden könnte«, schloss Gucky seinen Bericht für die Gruppe, die sich wieder in der Zentrale der Space-Jet drängte. »Der gesamte Traumgang ist für ihn mit Scham behaftet. Er will sich nicht mehr damit beschäftigen. Leider verspürt er auch keine Lust, weiter mit Perry oder Lyu-Lemolat Kontakt zu halten.«
»Und daran ändert selbst die Aussicht nichts«, fragte die Tefroderin, »dass wir ihm dabei helfen könnten, die Auswirkungen des Zwischenfalls zu beseitigen?«
Wieder einmal fiel Axelle Tschubai auf, wie vielseitig diese Frau war. Sie legte großen Wert auf ihr Äußeres. Damar Feyerlant war nicht ihr einziger Verehrer. Rhodan dagegen schätzte sie aus ganz anderen Gründen, nämlich als Beraterin, und in dieser Besprechung wirkte sie wie jemand, der es gewohnt war, Einsatzstrategien zu diskutieren. Axelle zweifelte schon eine Weile daran, dass Lyu-Lemolat zur Besatzung eines Handelsraumschiffs gehört hatte, das zufällig in die Fänge der Gharsen geraten war.
»Der Konduktor wird nur auf uns zukommen, falls er gedrängt wird, sich besonders stark an den Reparaturen zu beteiligen«, sagte Gucky. »Mehr geben seine Gedanken leider nicht her.«
»Vielleicht ist das gar nicht so schlimm«, meinte Axelle. »Karin hat etwas gefunden.«
Alle Blicke richteten sich auf die Xenotechnik-Analystin.
»Während ihr weg wart, habe ich ein bisschen herumgespielt.« Auch Karins Schmuck war verspielt. Sie trug einen durchsichtigen Reif um den Hals, in dem sich winzige Zahnräder so über- und durcheinanderbewegten, dass man bei flüchtiger Betrachtung den Eindruck einer Flüssigkeit gewann. »Wie auf den meisten Planeten mit diesem Technologieniveau und einer halbwegs offenen Gesellschaft gibt es auch auf Ghuurdad ein Kommunikations- und Präsentationsnetzwerk, in dem man Informationen anbieten, Diskussionen führen und seine Persönlichkeit ausdrücken kann.«
Sie betätigte einen Sensor, woraufhin sich im zentralen Holo eine Darstellung aus vielen bunten Sphären aufbaute.
»Auf Ghuurdad nennt man dieses Netzwerk den Schaum. Jeder kann Inhalte einbringen und seine Interessensblasen mit denen anderer Nutzer verbinden. Sie wachsen oder schrumpfen je nachdem, wie viel Beachtung sie erfahren, wie viele sich beteiligen und so weiter. Blasen können sich teilen oder verschmelzen.«
»Da besteht eine erhebliche soziale Dynamik«, ergänzte Anesti Mandanda. »So etwas wie eine Aufmerksamkeitsökonomie. Wenn man die interpersonalen Wechselwirkungen ...«
»Warum verfasst du nicht einen Essay darüber?«, fauchte Karin. »Nach unserer Rückkehr in die Milchstraße wird sich vielleicht in irgendeiner Dunkelwolke ein Zausel finden, der sich dafür interessiert.«
Beschwichtigend hob Mandanda die Hände. »Schon gut. Mach einfach weiter!«
»Selbstverständlich mache ich weiter, denn ich habe schließlich etwas gefunden.«
Die Holodarstellung fuhr auf eine violette Blase zu und tauchte darin ein. Eine Vielzahl von Kugeln schwebte im Projektionsbereich. Jede von ihnen enthielt bewegte Bilder. Manche Kugeln leuchteten, andere waren stumpf. Die Größen variierten, und Axelle hatte den Eindruck, dass sich in der Ferne noch viel mehr Kugel befanden, bis weit im Hintergrund die violette Außenhaut der Blase nebelhaft schimmerte.
»Sobald man das System verstanden hat, navigiert es sich leicht.« Karin bediente einige Kontrollen, die vor ihr projiziert waren. Die Kugeln zogen vorbei, die Richtung änderte sich ein paar Mal, dann wuchs eines der Gebilde an, bis die darin enthaltene Darstellung den Holokubus ausfüllte.
Eine grauhaarige Tefroderin goss farbige Öle in eine Schale. Die Flüssigkeiten vermischten sich selbst dann nicht, als die Frau mit einem weißen Stab darin herumrührte. Sie schuf Muster, die Axelle an Farne erinnerten.
»Flüssige Kunst«, erläuterte Karin. »In dieser Blase kann man sie sowohl bewundern als auch Ratschläge dazu erhalten, wie man sich selbst in diesem Feld betätigen kann. Alles vom Mischen simpler Farben bis hin zu Kreationen, bei denen Liquide innerhalb eines Trägermediums aufsteigen und wieder absinken, wenn sich die Umgebungstemperatur ändert, und so dynamische Effekte erzeugen. Und die Künstlerin heißt Tryma Vessko.«
»Interessant«, sagte Rhodan. »Nur leider sieht sie der Frau, die wir suchen, nicht ähnlich.«
Karins Mundwinkel zuckten. »Auch nicht, wenn sie in der Traumarena maskiert gewesen ist?«
»Das wäre eine aufwendige Maske gewesen«, überlegte Lyu-Lemolat. »Sie hätte sich fünfzig Jahre jünger machen müssen. Und fünfzehn Kilo schlanker.«
In der Tat war die Künstlerin ein wenig füllig.
»Sie hätte einen Grund, sich gut zu verbergen«, sprang Mandanda Karin bei. »Momentan steht sie in der öffentlichen Kritik. Mit ihrer flüssigen Kunst hat sie ein Vermögen gemacht, aber die Gemeinschaft nicht angemessen daran partizipieren lassen. Sie wurde verurteilt, Steuern nachzuzahlen, und das Verfahren ist noch nicht am Ende.«
Axelle blinzelte. »Nachzuzahlen?«
»Ein übliches Konzept in vielen Ökonomien bei Fehlallokationen«, erklärte der Kosmopsychologe gespreizt. »Schwierig zu verstehen, wenn man auf der RAS TSCHUBAI aufgewachsen ist, wo so etwas nicht vorkommt. Grob gesagt, setzt die Gemeinschaft ihr Anrecht durch, einen Teil des privaten Gewinns abzubekommen, um damit gemeinschaftliche Aufgaben und öffentliche Angebote zu finanzieren.«
Axelle, die sich mit diesen Themen nie so genau befasst hatte, hakte nach. »So wie die Kunstwerkstätten in der RAS TSCHUBAI?«, fragte Axelle. »Werkzeuge und Materialien für Bildhauer, zum Beispiel?«
»Was genau unter die freie Allgemeinversorgung fällt, ist je nach Gesellschaft verschieden. Das Militär zählt fast immer dazu, ebenso eine gewisse Verkehrsinfrastruktur.«
»Die Straße gehört allen, aber das Fahrzeug, das darauf fährt, nur seinem Besitzer«, half Rhodan.
Axelle runzelte die Stirn. »Also würden auf der RAS TSCHUBAI die Transportschächte allen gehören, aber jeder müsste sich eine eigene Expresskabine beschaffen?«
Mild lächelnd schüttelte Rhodan den Kopf. »Wir können ein andermal darüber sprechen. Wir müssen die richtige Tryma Vessko finden, bevor der Swekkter es tut. Und dazu haben uns Karin und Anesti auf eine vielversprechende Spur gebracht.«
»Haben wir das?«, fragte Karin verblüfft.
4.
Abstieg
Eilig hangelte sich Troparod im Gitterwerk des Landungsboots hinab. Niemals hatten alle seiner neun Schulterfäden gleichzeitig Kontakt. Er schwang sich von einem Griff zu einer Stange, ließ los und flog einige Meter zu einer Querstrebe, an der er die Richtung wechselte gleich einem Raumschiff, das die Schwerkraftsenke eines Planeten für ein Swing-by-Manöver nutzte. Das Heulen der Atmosphäre war bereits durch die Außenhülle zu hören. Es konnte nicht mehr lange bis zur Landung auf Ghuurdad dauern.
Als Letzter erreichte er den Hangar. Masurosh und Gizezze hingen schon in ihren Sänften und gingen die Systemchecks durch.
»Erfreulich, dass du dich entschlossen hast, an unserer Jagd teilzunehmen«, ätzte Masurosh.