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Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in ungezählte Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Diese Refugien zu finden und die Fragmente wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. Die zweite Station seiner Reise ist Spaphu, die Kondor-Galaxis und Heimat der Sorgoren. Dort erfahren sie von der Sichtung eines Kosmokratenraumschiffs. Um es aufzuspüren, nutzen sie die spaphorische CYBERFLORA ...
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Seitenzahl: 186
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Nr. 3234
Cyberflora
Der Pulsschlag des Kondors – Offenbarung für ein Genie
Robert Corvus
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Die Horchende Welt
2. Die Sucher
3. Der Pflanzenhüter
4. Jagdnacht
5. Freundschaft
6. Gewalt
7. Aufblühen
Stellaris 94
Vorwort
»Der Mann, der Räume glücklich machte« von Michael Marrak
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.
Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.
Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in ungezählte Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Diese Refugien zu finden und die Fragmente wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. Die zweite Station seiner Reise ist Spaphu, die Kondor-Galaxis und Heimat der Sorgoren. Dort erfahren sie von der Sichtung eines Kosmokratenraumschiffs. Um es aufzuspüren, nutzen sie die spaphorische CYBERFLORA ...
Antanas Lato – Der Wissenschaftler erweitert seine Perspektive.
Tromvak – Der Pflanzenhüter bleibt treu.
Wedron – Der Befehlshaber kämpft entschlossen.
Shema Ghessow – Die Deponentin zweifelt.
Perry Rhodan
1.
Die Horchende Welt
Der dritte Planet des Systems, Lurru, war eine erdähnliche Welt. Größe, Schwerkraft, Atmosphärenzusammensetzung, Land-Wasser-Verteilung und andere Grundparameter kamen Terra nahe. Es gab Siedlungszentren auf jedem Kontinent, Seefahrt, Funkverkehr, ökonomisch und ökologisch optimierte Energie- und Rohstoffkreisläufe.
Ein buntes Gemisch aus Tausenden Spezies, die von anderen Planeten zugewandert sein mussten, bildete die Bevölkerung. Aus den bisherigen Begegnungen hatte die Besatzung der RA Erfahrungen mit einigen gesammelt. Die insektoiden Sman, die kantigen Noiran, die auch auf Lurru bevorzugt blaumetallene Rüstungen trugen, und die Cunuur, die Menschen am ehesten als Kreuzungen von Spinnen und Krokodilen erschienen, waren in den aufgefangenen Sendungen zu sehen. In einer Kleinstadt dominierten Pertsuma, deren hölzerne Hüte eine geringere Variabilität aufwiesen, als das Einsatzteam sie an Bord des Noiranfrachters vorgefunden hatte. Omomi betrieben einen unterseeischen Raumhafen.
Doch Lurru war nicht die eigentliche Attraktion des Sterns Udina Zumy. Bedeutender als der Planet war sein künstlicher Trabant, die Station SAGHIK, die ihn in einem weiten Orbit umkreiste. Eine durch beeindruckende Ingenieurskunst geschaffene Welt mit einem Durchmesser von 1055 Kilometern, also von vergleichbarer Größe wie der Saturnmond Tethys und nur wenig kleiner als die Sporenschiffe der Sieben Mächtigen.
»Findet ihr es auch verstörend«, fragte Antanas Lato, »dass die Daseinsberechtigung dieses hochtechnischen Konstrukts darin besteht, optimale Bedingungen für florales Leben zu schaffen?«
Die drei Besatzungsmitglieder saßen in der Zentrale der RA auf Sesseln, die aus dem weißen Boden gewachsen waren. Ansonsten gab es derzeit keine Einrichtungsgegenstände, lediglich ein Anzeigeholo, und die Kuppel war transparent geschaltet. Deswegen wirkte es, als würden sie auf einer acht Meter durchmessenden Schneefläche durch das Sternenmeer treiben.
»Was findest du daran ungewöhnlich?« Shema Ghessow sah ihn über den Rand ihrer Tasse an. Dass der aufsteigende Dampf ihre Brauen befeuchtete, schien sie nicht zu stören. »Bei jedem Raumschiff, das mit einer Besatzung fliegt, ist das Lebenserhaltungssystem eine essenzielle Komponente.«
Lato störte sich an unscharfen Aussagen. Kein Schiff hatte nur ein Lebenserhaltungssystem. Es war das Zusammenspiel aus Temperaturregelung, Atmosphärenaufbereitung, Andruckabsorber und anderen Elementen, das ein Raumfahrzeug wie die RA bewohnbar für biologische Lebensformen machte.
Da eine Korrektur der begrifflichen Unschärfe vom Hauptthema ihres Gesprächs abgelenkt hätte, verzichtete Lato darauf. Schließlich war Shema keine Schülerin, die er auf eine Prüfung vorbereiten musste.
»Ein Raumschiff hat eine Mission«, argumentierte er. »Wenn zu deren Erfüllung eine Besatzung hilfreich ist, muss diese einsatzbereit gehalten werden. Der zu erwartende Ertrag rechtfertigt daher Aufwand für die vielen, aufeinander abgestimmten Lebenserhaltungssysteme. Er ist ein Faktor in der Funktion, die zum Erfolg führt. Im Fall dieser Horchenden Welt sind aber die zahlreichen Biotope das Ergebnis, das optimiert werden soll. Sie sind Zweck, nicht Mittel.«
Er zeigte auf das in die Mitte der Zentrale projizierte Holo, das die runde Konstruktion darstellte.
SAGHIK war eine Kugel, deren Hülle in zwei durchsichtige Hemisphären geteilt war. Wobei durchsichtig ein variabler Begriff war: Abertausende Segmente filterten, färbten und fokussierten das auftreffende Licht des Zentralgestirns, das dadurch in vielfachen Modulationen auf die drei Kilometer unter der Hülle liegende, massive Oberfläche traf. In Verbindung mit energetischen und physischen Trennelementen schuf dieses Design unterschiedlichste Habitate, die lediglich den dichten Pflanzenbewuchs gemein hatten.
»Flora«, startete Lato einen weiteren Versuch, seine Irritation zu vermitteln. »Im Grunde nichts als primitive Biologie. Zu keinem intellektuellen Austausch fähig. Eine kooperative Fortentwicklung des Verständnisses kosmophysikalischer Gegebenheiten ist von ihr eigentlich nicht zu erwarten. Ausnahmen bestätigen die Regel.«
Shema sah ihn seltsam an, während sie einen Schluck K'amana nahm. Dachte sie gerade an Morann-Wanderpflanzen, eines der seltenen pflanzlichen intelligenten Völker der heimischen Milchstraße, und suchte ein Gegenargument zu seiner Äußerung?
Resigniert betrachtete Lato das Holo. Tröstlich fand er nur den Äquatorialwulst der Station. In diesem zehn Kilometer breiten Stahlring waren die Halbsphären verankert. Der Hyperphysiker stellte sich vor, dass eine solche Struktur ein ähnlich steril-geordnetes Umfeld wie die RA bot. Eine urbane Ruhezone inmitten der Wildnis aus chaotisch wucherndem Leben, das die Station bedeckte. Er berechnete die Kugeloberfläche: annähernd dreieinhalb Millionen Quadratkilometer ungeordneter, intellektuell inaktiver Wucherungen, für die man auch noch immensen Erhaltungsaufwand betrieb! Temperatur, Wasser, unterschiedliche Gasgemische, vermutlich angepasste Schwerkrafterzeuger, abgestimmte Nährstoffzufuhr, Abtransport zerfallenden Biomaterials ... ihm wurde schwindelig.
»Wer tut so etwas?«, murmelte er. »Und vor allem: weshalb?«
»Der Zweck der Horchenden Welten besteht darin«, erinnerte Perry Rhodan, »die Transponderdaten der Emmzu auszuwerten. Damit erfüllen sie eine essenzielle Funktion innerhalb des Verkehrsnetzes der Galaxis Spaphu.«
»Aber dafür kann doch unmöglich eine solche Menge Unkraut notwendig sein!«, protestierte Lato. »Ein ganzer Kunstmond, bedeckt mit nichts als Pflanzen!«
Die Gefährten schienen seine Empörung nicht zu teilen. Rhodan schmunzelte sogar, während er sich in seinem Sitz zurücklehnte und die Hände hinter dem Kopf verschränkte. »Glücklicherweise ist intelligentes Leben nicht gezwungen, sich auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Es kann sich auch am Schönen erfreuen.«
Lato starrte auf das Holo und versuchte, zu erkennen, was an dieser biologischen Halde schön sein könnte. Je nach Biotop wäre bereits die Bewegung durch den morastigen Untergrund, den die dortigen Pflanzen bevorzugen mochten, eine Qual. Von hoher Luftfeuchtigkeit, stacheligen Gewächsen und penetrantem Gestank bestäubungswilliger Flora ganz abgesehen.
Sein Blick kehrte zum Ringwulst zurück, dem einzigen Element der Konstruktion, das Erholung versprach. Dort dockten ständig Schiffe an oder hoben ab. Ein Pendelverkehr wob ein Verkehrsnetz zwischen SAGHIK, einer Vielzahl kleinerer Orbitalstationen, dem Planeten und Raumern, die das System besuchten.
»RA, kannst du aus dem Funkverkehr ermitteln, welchen Zwecken die Station dient?«, fragte Shema Ghessow.
»Die Auswertung der Positionsdaten von den Emmzu-Transpondern ist das definitorische Merkmal einer Vai, die auch die Kolloquialbezeichnung Horchende Welt für diese Einrichtungen motiviert. SAGHIK dient zudem der botanischen Forschung, der Produktion von Nahrung und Arzneimitteln, als Arche für vom Aussterben bedrohte Pflanzen, der Zucht neuer Arten sowie deren Anpassung auf zu besiedelnde Habitate. Sekundär sind Funktionen als Handelsknotenpunkt, diplomatische Begegnungsstätte, militärischer Stützpunkt und Ziel touristischer Ausflüge.«
»Es gibt intelligente Lebensformen, die sich freiwillig in diesem Dschungel aussetzen lassen?« Latos Stimme kippte. »Zur ... Erholung?«
Shema lachte, und Rhodan grinste.
»Da muss es doch von Keimen wimmeln!«, entsetzte sich Lato. »Und nach einem solchen Ausflug hat man sein Verständnis des Universums kein bisschen erweitert.«
»Das Universum besteht aus wesentlich mehr als hyperphysikalischen Gleichungen«, gab Rhodan zu bedenken. »Auch unser Gehirn ist darauf ausgelegt, sinnliche Eindrücke zu verarbeiten.«
»Ja, aber ... wir sollten doch die Möglichkeiten nutzen, die unser Potenzial über das von Tieren erheben!«
Er sah von Shema zu Rhodan und wieder zurück.
»Was machst du eigentlich, um dich zu entspannen?«, fragte Shema.
»Am liebsten berechne ich Auffaltungsanomalien in Hyperraumgleichungen«, antwortete er. »Etwa bei Septadimknäueln, die über Sextadimfäden mit dem Quintadimraum verbunden sind, wie Doktor Ulahb sie beschrieben hat. Ich weiß«, abwehrend hob er eine Hand, »ihre Existenz ist spekulativ. Aber wenn es sie gibt, sind die Verwirbelungen, die sie erzeugen, äußerst faszinierend. Für einige der sich aufdrängenden Gleichungssysteme hat noch niemand eine Lösung gefunden, die mit den Rachow-Axiomen vereinbar wäre!«
Shema kratzte ihren Hinterkopf. »Tja, das macht mir auch zu schaffen.«
»Das lässt einem keine Ruhe! Wenn man den intellektuell feigen Weg der Variablenreduktion vermeidet, gerät man ...«
RA erzeugte ein Holo, in dem zehn Sekunden heruntergezählt wurden.
Rhodan blendete oberhalb der Darstellung von SAGHIK eine Kontrollkurve von den Rohdaten zu den Sensormessungen im relevanten Hyperenergieband ein.
Die Ausschläge kamen exakt zur vorausberechneten Zeit. Hunderttausende von ihnen. RA übersetzte die einlaufenden Signale für menschliche Ohren in ein helles Knistern. Eine Signalwelle, die durch ganz Spaphu schwappte, alle 173 Minuten. Sie baute sich auf, erreichte ein Plateau, sank wieder ab. Insgesamt währte das Phänomen nur 45 Sekunden.
»Der Pulsschlag des Kondors«, flüsterte Shema.
Schweigend beobachteten sie die Gerade, aus der sich keine Ausschläge mehr erhoben.
»Erstaunlich, dass Pflanzen so etwas fertigbringen, nicht wahr?«, meinte Rhodan.
»Kybernetisch aufgewertete Pflanzen«, erinnerte Lato.
Achselzuckend stand Rhodan auf. »Jedenfalls bieten sie die Chance, die LEUCHTKRAFT aufzuspüren. Wir fliegen tiefer ins System ein. Versuchen wir, eine Emmzu zu finden, an der wir die Position der blauen Walze auslesen können!«
*
Antriebslos folgte die RA einem Orbit, den ihr Lurrus Gravitation vorgab. Sie umkreiste den Planeten in 200.000 Kilometern Entfernung, während ihre Sensoren die Horchende Welt SAGHIK vermaßen und den Funkverkehr abhörten. Soweit erkennbar, blieb die Kastellan-Kapsel ihrerseits unentdeckt; im Gegensatz zur Energieversorgung basierte ihre Tarnfunktion nach wie vor vollständig auf Superintelligenztechnologie, die auch Antanas Latos Verständnis überstieg. Er genoss es, ihre Rätsel zu studieren.
Illustration: Swen Papenbrock
»Wir hätten uns denken können, dass der Innenraum der Kugel effizient genutzt wird«, murmelte Perry Rhodan.
Das Zentralholo zeigte einen Aufriss der Orbitalstation. Aus wie vielen ineinanderliegenden Kugelschalen sie bestand, konnte RA nur schätzen. Bei einer angenommenen durchschnittlichen Deckenhöhe von 50 Metern wären es angesichts des Radius von gut 500 Kilometern mehr als 10.000 gewesen. Allerdings mochte der Kern aus einem Maschinenpark bestehen. Zwar kam die Station mit Manövriertriebwerken aus, aber sie benötigte Energie, Wasseraufbereitung und ähnliche Dinge, und auch die beachtliche Offensiv- und Defensivbewaffnung mussten versorgt werden. Also war wohl nicht das gesamte Volumen mit Pflanzen angefüllt.
Aber höchstwahrscheinlich der größte Teil davon. Aus den Hyperfunkübertragungen schloss RA auf weitere Habitate, beleuchtet von künstlichen Gestirnen, konfiguriert auf teils extreme Umweltbedingungen wie permanente Beben, zwanzigfachen Standarddruck oder Schwefelseen. Lato wollte sich gar nicht vorstellen, was in SAGHIKS Eingeweiden wucherte.
Lieber beschäftigte er sich mit den beiden handtellergroßen Sensoren, die er mit RAS Hilfe konstruierte. Er freute sich auf den nächsten Puls der Transponder. Theoretisch sollten die Geräte darauf reagieren, aber der Praxistest stand aus. Eines war bereits fertig, beim zweiten variierte er die Konfiguration der für Hyperstrahlung sensiblen Drähte. Dafür benötigte er den Materialisator nicht mehr. Er benutzte eine Arbeitsstation, die RA am Rand der Zentrale ausgefahren hatte, eine Säule mit einer Öffnung in Kopfhöhe, wo Fesselfelder das Werkstück hielten, während von allen Seiten Traktor-, Hitze- und Fesselstrahlen einwirkten. Die Steuerung nahm Lato über ein Holo mit einem Dutzend Schaltflächen vor.
»Wo finden wir die Emmzu?«, stellte Rhodan die entscheidende Frage.
»Ich habe Ortungen, die mit denen im Noiranraumer vergleichbar sind«, sagte Lato. »Die liegen alle auf der äußeren Kugelschale, unmittelbar unter den transparenten Semisphären.«
»Aber ...?«, forderte Shema Ghessow ihn auf, weiterzusprechen.
»Aber ich fürchte, diese Emmzu dienen der Positionsbestimmung der Vai selbst sowie dem initialen Auffangen der Transpondersignale. Nicht der Auswertung. Wenn einzelne Emmzu dazu in der Lage wären, bräuchte man die Horchenden Welten nicht.«
»Also gibt es im Innern andersgeartete Emmzu«, folgerte Rhodan.
»RAS Sensordaten deuten darauf hin. Leider sind sie zu diffus, um die präzisen Standorte von außen genauer als auf dreihundert Kilometer zu lokalisieren. Es handelt sich um Verschiebungen im Hyperspektrum, die keine exakten Rückschlüsse auf ihre Entsprechungen im Standarduniversum zulassen.«
Shema sah Rhodan an. »Da wir eine Station von der Größe eines Mondes nicht auf gut Glück durchsuchen können, bedeutet das wohl, dass wir jemanden befragen werden, der mehr weiß als wir?«
»Darauf allein braucht ihr euch nicht zu verlassen.« Lato nahm den fertigen Sensor zur Hand. »Wenn ihr nahe genug seid und nicht allzu viele Störquellen die Messungen beeinträchtigen, solltet ihr hiermit die Richtung zu einer Emmzu – oder einer ähnlich hyperaktiven Struktur – bestimmen können.«
»Was meinst du mit einer ähnlich hyperaktiven Strukturen?«, wollte Rhodan wissen.
»Alles, was auf Hyperkristalle zugreift«, begann Lato seine Aufzählung. »Auch gelagerte Hyperkristalle, sofern sie im relevanten Spektrum schwingen. Aktive Hyperfunkgeräte. Schirme, Antigravgeneratoren, viele Arten von Strahlern, jedenfalls wenn sie abgefeuert werden. Überlichtschnelle Sensoren ... was ist?«
Shema Ghessow sah ihn ungläubig an. »Wie sollen wir denn alle diese Faktoren ausfiltern?«
»Dafür gibt es die Regler an den Seiten.« Er zeigte auf die siebzehn Rädchen im Rahmen. »Sie sind noch nicht beschriftet, das kann ich nachholen. Im Prinzip ist es aber einfach: Mit den ersten fünf schließt ihr bestimmte Hyperfrequenzen aus und wieder ein, die nächsten fünf grenzen Messungen auf der Hef- beziehungsweise Kalup-Skala ein. Die restlichen sieben definieren den Sensorbereich, die Signalstärke, schalten aktive Ortungskomponenten dazu oder adressieren die speziellen Probleme, die sich durch wandernde Antigravfelder ergeben. Seid ihr damit vertraut?«
Schweigend starrten sie ihn an.
Lato räusperte sich. »Also, daraus ergibt sich ein Hypertensor siebzehnter Ordnung, der aus dem Eingangsrauschen der Signale durch eine kontravariante Umformung ...«
»Du kommst mit«, bestimmte Rhodan.
Verdutzt sah Lato auf. »Wer? Ich?«
»Du bist der Einzige, der diese Dinger bedienen kann.«
»Aber ... ich ...« Schweiß trat ihm bei dem Gedanken an die Wildnis, die ihn auf der Station erwarten würde, auf die Stirn. Ach was, die Wildnisse, Mehrzahl! »Ich könnte von der RA aus zusätzliche Peilungen vornehmen«, schlug er vor. »Wenn ihr bei einer Sensoreinstellung unsicher seid, gebe ich euch über Funk Orientierung.«
»Und wenn man uns abhört?«, fragte Shema.
»Ultrageraffte und verschlüsselte Nachrichten«, konterte Lato.
»Schon auf dem Noiranraumer konnten wir keine Verbindung herstellen«, erinnerte Rhodan.
Da war dummerweise etwas dran ... Schließlich drangen auch RAS Sensoren nur in einen Bruchteil der Innenbereiche vor.
Rhodan sah ihm in die Augen. »Wir brauchen dich an unserer Seite, Antanas. RA kann auf sich selbst aufpassen.«
Er sah auf den Handsensor. Es war eigentlich simpel, wenn man ein bisschen Intuition für Hyperphysik mitbrachte ...
»Ein Fehler könnte uns in die falsche Richtung laufen lassen«, sagte Shema sanft. »Auf dem Noiranraumer sind wir nur knapp entkommen ... Es wurde eng.«
Lato schluckte und nickte. »Ich komme mit.«
»Sehr gut.« Rhodan legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Wir werden gemeinsam eine Emmzu finden, von der wir erfahren, wo die LEUCHTKRAFT steckt.«
Lato beherrschte sich, um nicht zu sagen, dass sie bisher lediglich wussten, dass sich eine blaue Walze im Planetensystem der Begräbniswelt aufgehalten hatte. Dass es sich dabei um die LEUCHTKRAFT gehandelt hatte, war eine Spekulation, die darauf beruhte, dass Vetris Molaud ein Motiv hatte, nach den ES-Fragmenten zu suchen.
Shema drehte den Ring, den sie am kleinen Finger trug. »Bleibt die Frage, wie wir hineinkommen.«
»Was spricht gegen eine Passage durch die Hypersenke?«, fragte Lato.
Die Deponentin zuckte mit den Achseln. »Von mir aus gerne. Ich bin ausgeruht.«
»Also fliegen wir mit der RA bis auf ein paar Meter an die Station heran und wechseln zu dritt über«, sagte Rhodan.
»Legen wir wieder eine Maske an?«
»Diesmal nicht«, entschied Rhodan. »Es gibt dermaßen viele humanoide Touristen auf dieser Station, dass wir nicht auffallen werden. Das ist anders als bei den Noiran. Wenn wir angesprochen werden, geben wir uns als Tellusier aus. Das wurde schon auf Gée akzeptiert.«
Nach wie vor befremdete Lato der Gedanke, dass die zugewucherte Schein-Wildnis eine derartige Anziehungskraft ausübte, dass sich dort Besuchermassen einfanden. Aber für ihr Vorhaben war dieser Umstand tatsächlich hilfreich.
»Also brauchen wir drei Emmzu-Spürer ...« Er wandte sich wieder seiner Arbeitsstation zu.
»Ich fange einen allgemeinen Alarm auf«, meldete RA und spielte die Botschaft sofort ab.
Die Bildübertragung zeigte einen Sman. An der linken Antenne des insektoiden Schädels hing ein vielfach gekerbter Reif. Die Schrift unter seinem Gesicht übersetzte der Translator der RA mit militärischer Systemkommandant Wedron.
»Achtung! Achtung! Ein Schiff der Anezianer ist eingedrungen.«
Ein Walzenraumer mit gerundetem Bug wurde eingeblendet. Er hatte keine geschlossene Hülle, der Rumpf bestand aus einer Gitterkonstruktion, in die unterschiedlich gestaltete Module eingehängt waren. Ein blauer Energieschirm hüllte das Schiff ein.
»Wir gehen von feindlichen Absichten aus«, setzte Wedron seine Ansprache fort. »Niemand nähert sich den Anezianern! Alle Zivilisten halten Abstand. Falls möglich, ziehen sie sich nach Lurru oder SAGHIK zurück. Dort werden wir unseren Schutzkordon aufbauen.«
»Das verschafft uns eine zusätzliche Tarnung«, erkannte Rhodan. »Wenn so viele Raumschiffe die Station anfliegen, wird das die Sensoren beschäftigen, und die Umfeldanalyse wird sich auf die Angreifer konzentrieren.«
RA beschleunigte.
*
Raumfähren, Jachten, Frachter und weitere zivile Schiffe suchten Zuflucht in den Hangars von SAGHIK, während gleichzeitig Militäreinheiten, meist oktagonal geformt, abhoben und sich an Sammelpunkten formierten. In den Einflugkorridoren stauten sich die Schiffe. Manche Kapitäne verloren die Geduld und steuerten alternative Schleusen oder Andockmulden an. Das führte dazu, dass der Ringwulst umschwärmt wurde wie ein Honigstock von Bienen. Die Funkfrequenzen waren mit Anweisungen, Bitten, Drohungen, Äußerungen von Verzweiflung, Bestechungsangeboten und Suchanfragen gefüllt.
Die Besatzung der RA verfolgte die Annäherung über ein Holo im Wohnbereich, während sie die SERUNS anlegte.
»Wir könnten durch die Transparentkuppeln über einer der Hemisphären eindringen«, schlug Antanas Lato vor.
»Lieber nicht«, meinte Perry Rhodan. »Wir würden drei Kilometer über der Oberfläche herauskommen und müssten sofort die Antigravmodule nutzen. Je nachdem welche Energiesignaturen in den Habitaten üblich sind, könnten wir dadurch Aufsehen erregen.«
Also steuerten sie ebenfalls den Ringwulst an, allerdings abseits der Hangars. Für die Passage innerhalb Shemas Hypersenke war das im Standarduniversum massive Metall kein festeres Hindernis als Nebel.
»Die Angreifer senden eine Botschaft«, meldete RA und blendete ein Bild der Walze ein. Eine Maßstabsanzeige verriet die Länge von etwa zwei Kilometern bei einem Durchmesser von 400 Metern, wobei Störfelder das Innere der Gitterkonstruktion verbargen.
Ein zweites Holo zeigte eine Übertragung von wechselnden Bildern: Orbitalaufnahmen von zerstrahlten Städten, im All treibende Wracks, neonfarbene Einbrüche von Hyperenergie ins Standarduniversum.
»Erzittert, Frevler, denn solcherlei Vernichtung erwartet euch! Allzu dreist habt ihr euch darin gefallen, das Gesetz des Alls zu verhöhnen. Doch die Leere lässt ihrer nicht spotten! Das Schicksal setzt jedes Ding und jedes Wesen an seinen Platz. Lernet: Nichts und niemand soll seinen Planeten verlassen, wie ihr es getan habt! Keiner hat das Recht, von einem Planeten zu nehmen und auf einen anderen zu legen! Die Leere ist die Grenze für alles und jeden, und wer sie missachtet, beschwört Unheil herauf! Die WÄCHTER DES TREUHAUSES XII wird den Pfuhl der Blasphemie, den ihr Vai SAGHIK nennt, aus dem Universum tilgen, auf dass ihr kein Leben mehr dorthin verschleppt. Seht eurer harten, aber gerechten Strafe entgegen!«
Feuer füllte das Holo aus.
RA blendete eine Übertragung von Militärkommandant Wedron ein. »Ihr seid in eine Pax-Zone eingedrungen!« Die Fühler des Insektoiden zitterten. »Zieht euch sofort wieder zurück, oder euer Verhalten wird ernste Konsequenzen haben! Dies ist unsere einzige Warnung!«
»Ich orte Fluchtbewegungen«, meldete RA. »Schiffe, die andocken oder einschleusen wollten, drehen ab. Weitere fliegen aus den Hangars.«
»Auf dem Planeten scheint es nach dieser Ankündigung sicherer zu sein.« In aller Ruhe führte Rhodan den Systemcheck seines SERUNS durch.
»Aber wir steuern weiterhin die Horchende Welt an?«, versicherte sich Shema.
»Selbstverständlich«, gab Rhodan zurück. »Es gibt keinen besseren Ort, um die Spur der LEUCHTKRAFT aufzunehmen.«
Im Holo mit dem Walzenschiff blitzte der blaue Schutzschirm auf. Das Gefecht begann.
Weitere Holos zeigten andere beteiligte Einheiten, ausnahmslos achteckige Smanschiffe. Manchmal waren mehrere Oktagone aneinandergekoppelt, die meisten flogen isoliert voneinander.
Die Anezianer schlugen brutal zu. Eine Wolke rosafarbener Leuchterscheinungen umhüllte eines der Smanschiffe. Im Verblassen gab sie den Blick auf deformierte Trümmer frei.
Die anezianischen Strahler stachen nach weiteren Oktagonraumern, anscheinend aus dem Nichts züngelnde Protuberanzen leckten über ihre Schirme.
»Wir werden unsere Zielposition gleich erreichen«, stellte Rhodan fest. »Wie weit seid ihr?«
Lato ließ den Helm seines SERUNS aus dem Kragen falten und ging die Bereitschaftsanzeigen durch. Sie nahmen zwei Erweiterungen mit, die beim vorangegangenen Einsatz an Bord geblieben waren, um die Maskerade nicht zu gefährden. Ein angeflanschter Tornister verbesserte insbesondere die Schirmsysteme, ein als Weste getragenes Gefechtsmodul brachte zusätzliche Waffen ein. »Kann losgehen.«
Shema Ghessow nahm die Eisenkugel, die ihnen als Schlüssel zum und im Transportnetz der Sextadim-Konverse gedient und sie somit nach Spaphu gebracht hatte, von dem schwarzen, nicht einmal kniehohen Tisch. Sie verstaute sie neben der viel kleineren Kugel mit dem Plan des Verkehrsnetzes in einem Staufach oberhalb der Folie, die sich zu ihrem Nachtlager ausfalten ließ. »Bereit.«
Wortlos schwebten sie hinab durch die Maschinensektion der RA bis zu ihrem Heck, dem spitzen Teil ihrer Tropfenform.
»Position erreicht.« Die Sextatronik schaltete den Rumpf an der Stelle transparent, die dem Ringwulst der Raumstation am nächsten war.
Die Deponentin griff die Handgelenke der beiden Männer.
Unvermittelt fiel der Regenbogenvorhang um sie. Sie befanden sich in der Hypersenke. Jenseits davon trübte weißer Nebel die Sicht.
Stärker beunruhigte Lato, dass die Sensoren seines SERUNS keine sinnvollen Daten lieferten. Das erhärtete seine Vermutung, dass die Hypersenke eigentlich nicht im Hyperraum lag, obwohl die Anwendung von Shemas Paragabe einem dimensionsverschiebenden Effekt ähnelte. Den Begriff Hypersenke hatten die Ausbilder im Terranischen Institut für Paranormale Individuen seiner Meinung nach vorschnell geprägt. Ihre hyperphysikalischen Kenntnisse waren sicher nur rudimentär ausgeprägt. Aber Menschen brauchten Benennungen, um ihre Erfahrungswelt zu strukturieren. Er wollte nicht zu streng mit ihnen ins Gericht gehen.
Diese Überlegungen lenkten ihn davon ab, dass sie sich bereits durch das Medium bewegten. An Shemas Hand schritt er durch die Außenwand der RA, hinein in den offenen Weltraum. Es war ein rein optisches Erleben, eine Veränderung des Schwerkraftvektors stellte er nicht fest.