Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in ungezählte Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Diese Refugien zu finden und die Fragmente wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. Rhodan hat sich in die Heimatgalaxis der Sorgoren begeben, die Kondor-Galaxis oder auch Spaphu genannt wird. Dort erhofft er sich Hilfe durch KOICHERTS WISSEN ...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 186
Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Nr. 3242
Koicherts Wissen
Der Widerschein eines Hyperphänomens – auf einer Welt im Krieg
Robert Corvus
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Die Späherin
2. Der letzte Wunsch
3. Der Anflug
4. Eine ungewohnte Brutalität
5. Der Raumhafen
6. Die Buße
7. Der planetare Empfang
8. Der Wald des Wissens
9. Kluge Melodien
10. Die Spur
11. Der Stadtherr
12. Eine schöne Aussicht
13. Das Wasserlabyrinth
14. Ein Wissensaustausch
15. Der Notruf
16. Die Extraktion
17. Das Idyll
18. Der Wert des Wassers
19. Das Treffen
20. Todesangst
21. Der Pfeil
22. Der Söldner
23. Das weinende Haus
24. Dimensiologen
25. Die Welle und die Scherbe
26. Die Parakraft
27. Der Observateur
28. Das Museum
29. Die Ablenkung
30. Die Sucher
Stellaris 95
Vorwort
Die Intelligenz der Skaner von Jörn Lausen
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.
Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.
Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in ungezählte Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Diese Refugien zu finden und die Fragmente wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. Rhodan hat sich in die Heimatgalaxis der Sorgoren begeben, die Kondor-Galaxis oder auch Spaphu genannt wird. Dort erhofft er sich Hilfe durch KOICHERTS WISSEN ...
Antanas Lato – Der Hyperphysiker sucht ein Signal.
Perry Rhodan – Der Terraner sucht ein Phantom.
Shema Ghessow – Die Deponentin sucht Ablenkung.
Lytalja – Die Tochter einer Herrscherin sucht Anerkennung.
Hishza – Der Söldner sucht seinen Gewinn.
Poquandar
1.
Die Späherin
Shema Ghessow befand sich an keinem Ort, den sie mit den Koordinaten von Länge, Höhe und Breite sowie einem Zeitpunkt hätte beschreiben können. Jedenfalls nicht vollständig. Etwas würde bei diesen Angaben fehlen, eine Dimension.
Obwohl sich Shema nicht im Standarduniversum aufhielt, gab es dort einen Punkt, an dem sie in ihr von einem Regenbogenvorhang umwabertes Refugium gewechselt war und an dem sie zurückkehren würde. Dieser Punkt lag im Apcheversystem, sechshundert Millionen Kilometer von dem K-Klasse-Stern entfernt, der bei ähnlicher Oberflächentemperatur gerade mal 80 Prozent der Solmasse aufwies. Sein orangefarbenes Leuchten schien durch die weißen Nebelschwaden hindurch, die jenseits des Regenbogenvorhangs trieben.
Wobei das Licht aus dem Standarduniversum herüberglänzte, der Nebel aber nur im Dimensionsgefüge der Senke existierte. Bei ihrer Rückkehr würde Shema die Leere des Weltraums erwarten, eine der lebensfeindlichsten Umgebungen, der sich ein Mensch aussetzen konnte. Nur ihr SERUN würde sie vor tödlichem Unterdruck bewahren und mit Atemluft versorgen.
Die RA wartete in dreihundert Metern Entfernung. Shema sah die schneeweiße Silhouette der Tropfenform wie eine Verdickung im Nebel.
Sie hatte die Kastellan-Kapsel verlassen, um sich aus der Hypersenke heraus umzusehen. Im System der Totenwelt Gée hatte sie aus dieser Perspektive eine hyperdimensionale Spur entdeckt, die Erinnerung eines Toten wohl, auf jeden Fall den Eindruck einer blauen Walze, eines kosmokratischen Schiffs.
Des blauen Phantoms, wie die Bewohner der Kondor-Galaxis es nannten. Der LEUCHTKRAFT, wie die drei einzigen Terraner im Umkreis von 212 Millionen Lichtjahren zugleich hofften und befürchteten.
Hofften, weil das bedeuten würde, dass sie wüssten, mit wem sie es zu tun hätten: Vetris-Molaud, dem ambitionierten Tefroder, der die Herrschaft über ein Sternenreich niedergelegt hatte, um nach noch Größerem, Kosmischem zu streben. Falls er überhaupt noch lebte. Befürchteten, weil die LEUCHTKRAFT möglicherweise das in der Kondor-Galaxis deponierte ES-Fragment geborgen hatte und sich mit ihm auf dem Weg in die Milchstraße oder nach Andromeda machen könnte, womit die RA ihre Spur verloren hätte.
Perry Rhodan verbreitete Zuversicht: Was die Emmzu-Transponder gemeldet hatten, sah nicht nach einem Flucht- oder Rückzugs-, sondern nach einem Suchmuster aus.
Nur war die jüngste Positionsmeldung der an der blauen Walze angebrachten Pollen sechs Tage alt. Ungewöhnlich für ein Ortungssystem, das eigentlich alle 173 Minuten sendete.
Es war die letzte Position, die sie hatten: das Apcheversystem, in dem die RA im Asteroidengürtel zwischen zwei Gasriesen trieb, während sich Shema aus ihrer Hypersenke heraus umsah. Sie spähte zu dem Stern hin und davon weg, nach rechts und links, oben und unten – jedenfalls wären das im Standarduniversum die Richtungen gewesen.
Doch außer dem orangefarbenen Licht des Zentralgestirns und dem weißen Tropfen der Kastellan-Kapsel sah sie nichts. Nebel und Regenbogenvorhang schluckten das Leuchten der fernen Sterne. Die beiden Gasriesen, die drei Felsplaneten und die kleineren Himmelskörper des Systems waren zu dunkel und zu weit entfernt, um sie wahrzunehmen. Hyperphysikalische Phänomene, wie sie etwa Woya-Dhum prägten, sah sie ebenfalls nicht.
Kein violettes Leuchten wie von den Sigleiru-Kristallen, die Bewusstseine Verstorbener – und vielleicht auch einer Superintelligenz – speicherten.
Kein noch so winziger kobaltblauer Funke, der auf die LEUCHTKRAFT hingedeutet hätte.
Langsam drehte sich Shema um die räumlichen Achsen – ob Antanas Lato glaubte, dass diese dort, wo sie sich befand, real, semireal oder psychoillusionär waren, spielte für sie keine Rolle. Gründlich sah sie sich um.
Sie spürte die Anstrengung, die Last, auf ihre Schultern drücken. Erst fühlte es sich an, als sei der SERUN zu eng. Dann, als läge dort ein Beutel, der sich mit Flüssigkeit füllte.
Sie kehrte zurück.
Der Nebel verschwand zusammen mit dem Regenbogenvorhang; die Last wich. Sie fühlte sich allerdings erschöpft, als wäre sie mit Damar Feyerlant rund um das Oberdeck der MAGELLAN gejoggt.
»Willkommen zurück«, funkte Perry Rhodan.
»Ich habe nichts gefunden«, meldete sie.
2.
Der letzte Wunsch
Eine Woche zuvor:
In seinem Sterben wollte Lytaljas Vater niemanden außer seiner Tochter bei sich haben.
Er hatte keinen ruhigen Bach als Totenfluss gewählt, sondern einen reißenden Wasserfall, der in ein dunkles Loch stürzte. Nur mit einer Antigravplattform hatten sie den Felsvorsprung erreicht, auf dem sie miteinander schwiegen.
Ihr Vater hielt seinen Hinterleib in den Randbereich des Falls. Er hatte immer Durst, auch wenn sich sein Wasserspeicherorgan bereits vollgesogen hatte.
Noch vor einem halben Jahr hätte Lytalja den alten Mann darauf hingewiesen, dass er nicht mehr als 20 Liter aufnehmen konnte. Sie hatte sich schwer damit getan, seine Gebrechlichkeit zu akzeptieren, die auch seinen Verstand und seinen Willen zersetzte.
An diesem Tag hielt sie ihn stumm fest, um zu verhindern, dass er abrutschte. Die Finger ihrer vier Hände waren mit denen seiner vier Hände verschränkt, und ihre vier Füße stemmte sie in Kuhlen im Fels.
Schließlich kehrte er auf sicheren Grund zurück. Sie bezweifelte, dass sein Durst gestillt war. Eher hatte er eingesehen, dass er ihn nie wieder stillen würde. Seine Haut war schrecklich fahl, stellenweise rosa.
»Wie viele Töchter hat deine Mutter?«, fragte er.
»Nur Omello? Oder auch Kajeele?«
»Beide zusammen.«
Lytalja überlegte. »Siebzehn, glaube ich.«
»Siebzehn ...« Zärtlich strich er über ihre Wange. »Für mich bist du das einzige Kind. Ein Stück von meinem Leben, das mich überdauern wird.«
Darauf wusste Lytalja nichts zu antworten.
»Siebzehn ...«, sann ihr Vater. »Du bist die Beste unter ihnen, um Noitkum in die Zukunft zu führen, da bin ich mir sicher. Aber es reicht nicht, die Beste zu sein. Du musst den Herrscherinnen auch eine Chance geben, das zu erkennen. Dich hervortun. Sonst wird die Herrschaft an andere gehen. Du musst auffallen.«
3.
Der Anflug
Nach zwei kurzen Linearetappen glitt die RA mit desaktivierter Tarnvorrichtung in der Nähe des zweiten Planeten zurück ins Standarduniversum und simulierte so, gerade erst einzutreffen.
Es dauerte nur Sekunden, bis ein Funkspruch sie erreichte: »Unbekanntes Kleinstraumschiff, identifiziert euch!«
»Der Sender ist die Raumstation über dem dreißigsten Breitengrad Nord.« RA markierte ein optisch vergrößertes Objekt auf der Innenseite der Kuppel, die als Projektionsfläche für die Sensordaten diente. Es war eine wirre Konstruktion aus Quadern und Verbindungsröhren.
Der mondlose Planet Koichert war mit knapp elftausend Kilometern Äquatorialdurchmesser etwa so groß wie Terra, hatte aber keine Ozeane und kaum Wolkenbildung. Das Fehlen nennenswerter Gebirgsmassive ließ auf eine geringe Tektonik schließen. Aus dem All erschien der Himmelskörper als grau und ockerfarben gemusterte Kugel. Die Spektralanalyse wies jedoch nicht nur ein für Menschen atembares Atmosphärengemisch aus, sondern auch eine unter diesen Umständen überraschend hohe mittlere Feuchtigkeit.
»Es gibt reichlich Wasser«, überlegte Perry Rhodan. »Nur nicht an der Oberfläche.«
»Du lächelst«, stellte Shema Ghessow fest.
Rhodan nickte. Er genoss die Vorfreude darauf, eine Welt zu betreten, auf der nie zuvor ein Terraner gewesen war.
Er saß im Kommandosessel in der Zentrale der RA, deren Boden eine acht Meter durchmessende, schneeweiße Scheibe war. Wegen der Projektion auf der Kuppel wirkte es, als triebe diese im offenen All.
Shema beobachtete, wie ein Oktagonraumer – die achteckige Form kannten sie von den insektoiden Sman – beschleunigte und das Schwerefeld des Planeten verließ. Ein Scheibenschiff der Noiran dagegen folgte einem elliptischen Orbit.
Antanas Lato beschäftigte sich mit einem Dutzend halbtransparenter Holos. Wie die beiden anderen Mitglieder des Teams trug er einen SERUN mit geschlossenem Helm. Bei einem Erstkontakt empfahl sich Vorsicht.
»Unbekanntes Kleinstraumschiff, identifiziert euch!«, wurde die Aufforderung wiederholt.
»Verbindung herstellen!«, befahl Rhodan.
»Wer seid ihr?«, fragte die Stimme.
»Dies ist das tellusische Schiff DROP«, behauptete der Terraner. »Wir hoffen, Koichert besuchen zu dürfen.«
»Dagegen spricht nichts«, beschied die Stimme. »Aber zu eurem Volk finde ich keine Informationen in meiner Datenbank.«
»Wir Tellusier reisen noch nicht lange zu den Sternen«, erklärte Rhodan. »Erst kürzlich hat unser Parlament die Isolation aufgehoben, um friedliche Kontakte zu knüpfen.«
Shema winkte, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, und zeigte schräg aufwärts zur Vergrößerung eines Raumers in der Kuppelprojektion.
Sowohl die Hufeisenform mit den verdickten Enden als auch die sattgoldene Hülle glich den Schiffen, deren bloßes Auftauchen den Konflikt auf SAGHIK beendet hatte: Das war ein Raumer der Khassu Than, die als unbestrittene Ordnungsmacht aufzutreten schienen. In diesem Fall warteten sie wohl ab; RAS Sensordaten zeigten, dass das 400 Meter lange Schiff antriebslos, aber energetisch aktiv 50.000 Kilometer über dem Nordpol des Planeten hing.
»Wir empfehlen euch die Landung auf dem Raumhafen von Pvaum«, funkte die Orbitalstation. »Dort ist Sicherheit vor intraplanetaren Konflikten garantiert.«
Illustration: Swen Papenbrock
»Ich empfange Koordinaten auf der Nordhalbkugel«, meldete RA.
Lato blickte zu Rhodan herüber, der daraufhin die Funkverbindung stumm schaltete.
»Pvaum wäre ideal.« Der Wissenschaftler zog ein Holo groß.
Es zeigte eine Ansammlung von Oasen mit einem See in der Mitte. Von diesem gingen vier elfeinhalb Kilometer lange Kanäle ab, die andere, in konzentrischen Kreisen angeordnete Wasserstraßen schnitten. Dadurch entstanden Parzellen, wo inmitten des Grüns Bebauung zu erkennen war. Zudem sammelte sich an vielen Stellen Dunst oder Nebel. Insgesamt ein unerwarteter Anblick auf dieser staubtrockenen Welt.
»Aus den aufgefangenen Nachrichten wissen wir von einem Archiv, das sich in dieser Stadt befindet«, erklärte Lato. »Das wäre ein guter Ausgangspunkt für unsere Suche nach der LEUCHTKRAFT.«
Rhodan nickte und reaktivierte die Verbindung. »Wir danken für die Einladung und folgen ihr gern.«
4.
Eine ungewohnte Brutalität
Eine Woche zuvor:
Lytalja hielt die Stirn gesenkt und das Helmvisier geschlossen. Niemand wusste, dass sie sich in den Trupp geschmuggelt hatte, der das Wasser aus einem von Trinshauls Reservoiren erbeuten sollte. Die Uniform hatte sie gestohlen, zwischen dem oberen und dem unteren Schulterpaar war sie zu eng. Einen Strahler hatte sie nicht. Nur die Hälfte der Kameraden war bewaffnet.
Die junge Checcoire gehörte zu denen, die die Prallfeld- und Gravoprojektoren ausrichteten. Die Geräte würden den Wasserstrom in Noitkums Herrschaftsgebiet leiten. Lytalja überprüfte jede Einstellung zweimal. Sie wollte keinen Fehler machen. Sie stellte sich vor, dass ihr Vater auf irgendeine Weise bei ihr war, dass er alle sechs Augen auf sie richtete. Er sollte stolz auf sein einziges Kind sein, sehen, wie es sich hervortat.
Das Kernelement ihres Raubzugs war der Desintegrator. Das zehn Meter hohe Gerät stammte von einer fernen Welt, wo es für die Suche nach Bodenschätzen viele Jahrzehnte Stollen vorangetrieben hatte, bis kein Edelmetall mehr zu finden gewesen war.
Sie fuhren es langsam vorwärts, damit die Raupenketten nicht zu laut rasselten. Schließlich blieb das Gerät an der Stelle stehen, die die Kundschafter markiert hatten. Direkt darüber, oberhalb von 20 Metern Fels, lag der Grund des Reservoirs, in dem fünf Millionen Liter Wasser auf listige Bürger aus Noitkum warteten.
Die erfahrensten Soldaten nutzten ihre Flugmodule, um die letzten Prallfeldprojektoren über dem Industriedesintegrator zu platzieren. Sie müssten die volle Wucht des herabstürzenden Wassers abfangen und es in die Bahn leiten, in der die übrigen Geräte, die niedere Chargen wie Lytalja platziert hatten, es durch Windungen, Auf- und Abstiege sicher nach Noitkum bringen würden.
»Setzt die Atemgeräte auf!«, befahl die kommandierende Offizierin.
Der Befehl kam Lytalja gelegen. Mit der Maske vor dem Gesicht sank die Wahrscheinlichkeit, dass man sie erkannte.
Nur zwei ihrer Schwestern hatten sich an ähnlichen Einsätzen beteiligt, und dabei waren sie älter gewesen. Lytalja würde sich wahrlich hervortun.
»So nah am Feind können wir die Energieemission nicht mehr abschirmen«, erklärte die Offizierin. »Also setzen wir auf Schnelligkeit.«
Die Abstrahlmündungen des Industriedesintegrators richteten sich senkrecht nach oben. Surrend badeten sie die Felsdecke in zitternd grünes Licht.
Ein rundes Loch von acht Metern Durchmesser entstand. Daraus fiel weißer Molekularnebel herab. Den Großteil saugte die Maschine ab, Leckage waberte über den Boden, über die Projektoren und die Soldaten hinweg. Die Temperatur sank. Lytalja überprüfte den Sitz der Maske und die Luftversorgung.
Eine halbe Minute verging, eine ganze.
Die Fortschrittsanzeige fror ein.
»Wir kommen nicht weiter!«, rief ein Soldat. »Unsere Desintegratorstrahlen treffen auf ein Schirmfeld!«
»Aber ... wie kann das sein?«, fragte die Offizierin entgeistert.
Die Antwort würde sie nie vernehmen. Mehrere grüne Energiestrahlen erfassten sie, lösten ihre Uniform auf, den Schirmprojektor, der sie vielleicht hätte retten können, beide linke Beine, ein Stück ihres Unterleibs. Ihr Kopf fiel in den Nacken.
Die Soldaten schrien durcheinander.
Angreifer stürmten die Kaverne. Sie feuerten mit Desintegratorstrahlen.
Lytalja brauchte drei Versuche, um ihren Individualschirm zu aktivieren. Ihre Kameraden ließen den Industriedesintegrator einfach stehen. Sie flohen kopflos.
Unbewaffnet, wie sie war, schloss sich Lytalja ihnen an. Der unartikulierte Schrei, den sie dabei ausstieß, half ihr, mit ihrer Anspannung umzugehen.
Der Tunnel, den sie für den Rückzug nutzen wollten, war versperrt. Sie blickten in die Strahler feindlicher Soldaten, in deren Mitte ein fremdes Wesen stand. Es hatte vier Beine wie ein Checcoire, aber nur zwei Arme. Ein Helm umhüllte den Kopf. Lytalja hatte gehört, dass es eine vorspringende Schnauze mit spitzen Reißzähnen hatte.
»Feuer!«, forderte es. »Keine Zurückhaltung!« Seine Stimme war ein Keuchen. »Nutzt den Vorteil!«
Die Checcoiren schossen ihre Desintegratoren ab.
Überall in Lytaljas Trupp leuchteten die Schirme auf. Einige erloschen unter der Überlastung. Das Ergebnis war ein Massaker.
»Zurück!«, rief Lytalja. »Wir müssen einen anderen Weg finden!«
Sie kehrten um. Ihr Schirm wurde dennoch immer heller, was bedeutete, dass die Belastung stieg.
Und dann kam der Thermostrahl. Links von Lytalja bohrte er sich durch einen Kameraden, durch einen weiteren und einen dritten. Erst beim vierten hatte er genug Energie verloren, dass der Schirm ihn abfing.
Das Geschrei wurde lauter.
Noch einmal zischte der Thermostrahl, das Ergebnis war ebenso verheerend.
Sie erreichten die Kaverne mit dem Industriedesintegrator. Dort erwartete sie der erste Angriffstrupp. Er beschoss sie ebenfalls, aber der Thermostrahl, der von ihrem Verfolger kam, fuhr mitten zwischen die feindlichen Soldaten, und sie bekamen es mit der Angst zu tun.
»Rettet euch!«, rief Lytalja. »So schnell wie möglich!«
Sie verteilten sich auf mehrere Tunnel, die grob in Richtung Noitkum führten.
5.
Der Raumhafen
Perry Rhodan gönnte sich einige tiefe Atemzüge von Koicherts Luft.
Um Shema Ghessows Kopf flimmerte das Prallfeld, das zur Klimakontrolle ihres SERUNS gehörte. Die kurzhaarige Frau blickte ihn an und hob die linke Braue.
»Ich genieße es, einen neuen Planeten mit meinen Sinnen zu erfassen«, erklärte er.
Bei der Schwerkraft gab es nur eine kaum nennenswerte Differenz zu jener auf Terra, die auch in der RA eingestellt war. Dennoch fühlte sich Rhodan auf dem 20 Kilometer nördlich der Stadt Pvaum gelegenen Raumhafen leichter.
Ringsum zitterte erhitzte Luft über dem mit einem weißgrauen Material beschichteten Gelände. Die Sensoren in den Stiefelsohlen von Rhodans SERUN ermittelten eine Zusammensetzung, wie man sie ähnlich bei den meisten Einrichtungen mit dieser Funktion fand. Auch über Galaxien hinweg gab es dieselben physikalischen Anforderungen an Beläge, die einen Boden fest genug für das Gewicht von Raumschiffen machten, deren Dimensionen denen von Erhebungen in Mittelgebirgen entsprachen.
Im Norden erstreckte sich das Landefeld bis zum Horizont. Manche Schiffe unterstützten ihre Prallfelder oder Antigravgeneratoren mit Stelzen, andere lagen in länglichen oder runden Mulden. Die RA brauchte keine Haltevorrichtung. Die milchweiße Kastellan-Kapsel schwebte mit der Spitze ihrer Tropfenform nach unten ein paar Meter über dem Boden.
Sie war ein Zwerg, verglichen mit dem Schiff, dessen Schatten sie beinahe erreichte. Für den terranischen Blick wirkte es wie ein nicht fertig gebauter Kugelraumer, konzipiert auf einen Durchmesser von 800 Metern, aber ein Stück oberhalb des Äquators abgeflacht.
Roboter, Lastentransporter, Shuttlegleiter und Versorgungsfahrzeuge schwirrten zwischen den Schiffen und Lagerhallen hin und her, Leitungen verbanden die Raumer mit ringförmigen Energiespeichern, an denen sie sich wohl aufluden. Antanas Lato würde es genau wissen. Er hielt einen Arm auf ein Kabel gerichtet und sammelte anscheinend Sensordaten. Die halbtransparent-blaue Kastellans-Insigne an seiner linken Schläfe wirkte wie ein Schmuckstück, ein millimeterdünn geschnittener, vier Zentimeter durchmessender Saphir.
Rhodan wandte sich dem Empfangsgebäude zu, einem weit gezogenen, 200 Meter hohen Bau, dessen Front Apchevers orangefarbenes Licht spiegelte. »Gehen wir!«
»Das meinst du wörtlich, oder?«, versicherte sich Shema. »Das sind ...«, sie las wohl ihren Entfernungsmesser ab, »... zweieinhalb Kilometer.«
Rhodan schmunzelte. »Ein bisschen Bewegung wird unseren Muskeln guttun.«
Selbstverständlich unterstützten die SERUNS die drei Menschen. RA hatte dem Funkverkehr entnommen, dass gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den mehreren Hundert Herrschaftsgebieten auf Koichert alltäglich waren, deswegen trugen sie das Gewicht der vollen Ausstattung mit Gefechtsweste und Tornister. Eine oberflächliche Tarnung verschleierte den Kampfwert für den beiläufigen Blick. Sie würden argumentieren, sich mit einer Ödweltausrüstung auf das trockenheiße Klima eingestellt zu haben, wofür die SERUNS tatsächlich ebenfalls wertvoll waren. Sie regelten nicht nur die Temperatur, sondern recycelten auch die Körperflüssigkeiten ihrer Träger und versorgten diese mit Nahrung, wenn nötig.
6.
Die Buße
Eine Woche zuvor:
»Das war sehr dumm von dir!« Ihre Geburtsmutter, Regentin Omello, sah mit allen sechs Augen streng auf Lytalja herab. »Wenn deine Beteiligung bekannt geworden wäre, hättest du deinen Namen mit diesem Desaster verbunden. Hast du verstanden, wie viel Wasser uns der Gegenangriff gekostet hat?«
»Ich mache es wieder gut.«
»Das wirst du«, bestätigte die Herrscherin. »Du willst dich hervortun? Etwas Besonderes leisten? In Ordnung! Geh nach Pvaum und bitte den Stadtherrn darum, dass er uns beisteht.«
Lytalja stutzte. »Aber ... die Khassu Than mischen sich nie in die Angelegenheiten von uns Checcoiren ein!«
7.
Der planetare Empfang
»Ich empfehle euch eine Söldnerlizenz.« Die Imponierzähne des Pertsuma, der sich als Rammu vorgestellt hatte, ragten besonders weit aus seinen Mundwinkeln, etwa 15 Zentimeter.
Perry Rhodan wusste, dass der geschnitzte Hut in der Kultur seines Gegenübers Auskunft über dessen Sozialstatus gab. Er war mehr als eine Kappe, aber breiter als eine Hand war die Krempe nicht, und die Schnitzereien waren nur einfarbig gelb ausgemalt.
»Wir sind Touristen und gelegentlich Händler«, stellte Rhodan klar. »In bewaffnete Auseinandersetzungen wollen wir uns nicht hineinziehen lassen.«
»Ah. Dann habe ich eure Absichten wohl wegen eurer Bewaffnung fehlinterpretiert.«
Mit kurzen Blicken überzeugte sich Rhodan, dass sowohl bei Antanas Lato als auch bei Shema Ghessow die Kombistrahler in den Oberschenkelholstern verborgen waren, genau wie bei ihm selbst. Geschlossen waren sie nicht mehr als Auswölbungen, an denen Schlauchattrappen den Eindruck verstärkten, es mit Ausrüstung für Wüstendurchquerungen zu tun zu haben.
»Ich meine ...« Der Pertsuma musterte ihn mit seinen nahezu vollständig weißen Augen, die Imponierzähne wippten auseinander und wieder aufeinander zu. »Deflektorfelder. Schirme mit Linearraumableitung. Thermostrahler in den Schultersegmenten, was zwingend eine Steuerung über eine Gefechtspositronik erfordert. Die Handwaffen ... In Ordnung, die erfassen meine Sensoren nur ungenau. Selbstverständlich werde ich da nicht weiter in eure Privatsphäre dringen. Mit den Energiespeichern, die ihr dabeihabt ...« Er hob eine Hand und strich an seinem Hut entlang. »Zehn Stunden Dauereinsatz unter Gefechtsbedingungen, schätze ich. Aber das geht mich eigentlich nichts an.«
»Richtig«, stimmte Rhodan zu. »Das geht dich nichts an.«
Er fragte sich, ob man sie bereits bei Betreten des Empfangsgebäudes durchleuchtet hatte. Technisch war das fraglos möglich, es kam darauf an, welche Sitten und Gesetze auf Koichert galten. Ebenso gut konnte die Theke, hinter der Rammu stand, mit Sensoren bestückt sein.
Rhodan war besorgt, dass dem SERUN entgangen war, dass man ihn gescannt hatte. Da die Waffen- und Schirmsysteme im Bereitschaftsmodus liefen, schied eine Passivortung nahezu aus. Die Bewohner des Planeten, oder zumindest die Betreiber des Raumhafens, waren den Terranern also offenbar technologisch wenigstens ebenbürtig.
»Ich wollte euch lediglich auf eine lukrative Möglichkeit hinweisen«, erklärte Rammu. »Auch ohne Ambitionen im Söldnergeschäft ist eine robuste Sicherheitsausstattung aber eine gute Idee, wenn ihr Pvaum verlasst. Allerdings wird jede Strahlermündung mit einer Plombe versehen.«
»Vielleicht könnten wir uns ökonomisch einigen«, schlug Shema vor.
»Ich bin unbestechlich!«, sagte Rammu so entschieden, dass Rhodan überzeugt war, dass er bei seiner Arbeit überwacht wurde.
»Ich sorge mich um unsere Sicherheit«, verteidigte sich Shema. »Was, wenn wir in einen Hinterhalt geraten?«