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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu. Mit an Bord: mehrere Terraner, darunter Alaska Saedelaere und Gry O'Shannon. Die Flucht von FENERIK gelingt, aber die beiden Menschen werden getrennt. Alaska erlebt, wie die Quintarchin Schomek, die Lohe, versucht einen neuen Quintarchen zu rekrutieren – und damit spektakulär scheitert. Umsonst erscholl der LOCKRUF DER SCHWARZEN LOHE ...
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Seitenzahl: 145
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Nr. 3187
Lockruf der schwarzen Lohe
Der Transuniversale – ein ultimater Quintarch?
Robert Corvus
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Teil I: Entzünden
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Teil II: Verbrennen
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Leserkontaktseite
Risszeichnung Kreuzer der VYRITH-Klasse
Impressum
In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.
Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.
Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu. Mit an Bord: mehrere Terraner, darunter Alaska Saedelaere und Gry O'Shannon.
Die Flucht von FENERIK gelingt, aber die beiden Menschen werden getrennt. Alaska erlebt, wie die Quintarchin Schomek, die Lohe, versucht einen neuen Quintarchen zu rekrutieren – und damit spektakulär scheitert. Umsonst erscholl der LOCKRUF DER SCHWARZEN LOHE ...
Alaska Saedelaere – Der kosmische Mensch erforscht die Möglichkeiten.
Kamtaalen Beshkaneel – FENERIKS Beschauer erforscht die Trauer.
Das Votum – Der Widerschein von Schomek, der Lohe, erforscht Alaskas Varianten.
Pasima – Das Zain-Konstrukt erforscht den Funkverkehr.
Gladmann – Der Kampfroboter erforscht die Lehren von Hedennos VII.
Winkelstein
Im Feuer
Auf diese Weise können wir nicht beginnen.
Weshalb nicht? Gibt es Regeln? In einer Herzkammer des Chaos? Das überrascht.
Wir brauchen Möglichkeiten, Vielfalt. Du bist beherrscht, geordnet. So lässt sich das Potenzial nicht erkunden.
Welches Potenzial?
Deines, und das des anderen, der ebenfalls du bist, und dessen, was ihr gemeinsam sein könntet.
Du weißt also, was wir sein könnten?
Du weißt es genauso.
Ein Quintarch?
Natürlich.
Willst du sagen, alles sei so gekommen, wie Schomek, die Lohe, es geplant hat?
Pläne sind etwas für niedere Kreaturen, die in Beschränkungen denken. Jeder Plan versucht, den Baum der Möglichkeiten zu beschneiden, bis nur noch der gewünschte Trieb verbleibt. Wir dagegen finden ...
... ohne zu suchen. Ich weiß.
Du weißt vieles, aber du wendest es nicht an. Dein Pflichtgefühl fesselt dich, in diesem Universum ebenso wie in jenem anderen, wo du herrschst. Ein persönlichkeitsimmanenter, transuniversaler Makel.
Von dem du mich befreien willst.
Übermäßiges Wollen ist eine Sklavenkategorie. Es drückt den Dissens mit dem aus, was geschieht. Dinge entwickeln sich. Wirf dein Netz aus im Ozean der Möglichkeiten, und du wirst überreich beschenkt, jenseits deiner Vorstellungskraft.
Ich kann mir viel vorstellen.
Das macht dich potenziell interessant. Doch noch immer haben wir den Beginn nicht gefunden. Solange du dich nicht öffnest, verharren wir. Aber wir brauchen Bewegung, um Erfüllung zu erfahren.
Wenn ich mich öffne – tust du es dann auch?
Jede Flamme lodert ohne Grenze, das ist meine Natur. Doch ich verbrenne nur, was mich langweilt.
Womit kann ich dich interessieren?
Sag mir: Was hast du beim ersten Anblick der PAALVAGUR empfunden?
Grauen. Die Angst vor dem Unbekannten ist tief ins Wesen meiner Spezies eingeschrieben.
Und doch bist du aus freien Stücken zu mir gekommen.
Vor ihnen schluckte eine fremde Schwärze das Sternenlicht. Dies war nicht einfach eine dunkle Silhouette wie jede andere, dessen war sich Alaska Saedelaere gewiss. Obwohl die Chroniken seine Fähigkeit zu logischem Denken priesen, gab ihm oftmals sein Gespür entscheidende Hinweise, wenn er sich mit kosmischen Phänomenen konfrontiert sah. Während sie auf das über drei Kilometer lange, 160 Meter durchmessende Objekt zufielen, riss dieses Gefühl in seinem Bauch wie ein Raubtier, das darin gefangen war. Dieses Schiff hätte nicht im Orbit von D-Muner stehen sollen. Stehen dürfen. Stehen können.
War es also in Wirklichkeit gar nicht real?
Um eine abhörsichere Kommunikation zu ermöglichen, verbanden – gemäß der gepriesenen Gefechtsfeldroutinen von Hedennos VII – Kabel die vier Infiltratoren: die drei Maschinen und den Menschen. Alaska Saedelaere benötigte als Einziger in der Gruppe einen SERUN, der ihn vor dem atmosphärenlosen All schützte.
Winkelstein, der Posbi, hatte seinen Kugelkörper lediglich mit Boostern ausgestattet, um die Anziehungskraft von D-Muner zu überwinden. Gladmann, der entwaffnete Kampfroboter, und Pasima, das rätselhafte Zain-Konstrukt, das sich ausschließlich über Funk verständigte, hatten selbst das nicht nötig gehabt. Sie konnten sich im Vakuum ebenso leicht bewegen wie auf dem Planeten, dessen Wölbung aus der Höhe von etwa eintausend Kilometern unübersehbar war.
»Ich erkenne keinen Hinweis darauf, dass es ein Wrack ist«, ließ Saedelaere den SERUN in ihr aus vier Knotenpunkten und sechs Verbindungssträngen bestehendes Netzwerk senden.
»Das ist nur die wahrscheinlichste Erklärung für meine Beobachtungen«, verteidigte Pasima ihre Analyse. »Ich habe keine Gewissheit.«
Das Zain-Konstrukt analysierte seit einiger Zeit sämtliche Funkimpulse, die es von dem fremden Schiff auffing. Auf eine Entschlüsselung war nicht zu hoffen. In der Station Wasserball hatte Pasima eine Repräsentation projiziert, deren Muster für Saedelaere nichts anderes war als ein vielfach gegeneinander verschobenes Chaos. Pasima erkannte jedoch Musterlöcher und Frakturen. Permanente Wiederholungen solcher Fragmente legten die Schlussfolgerung nahe, dass an Bord zentrale Funktionen nicht mehr genutzt werden konnten, darunter wohl auch die interne und externe Kommunikation. Fielen derart fundamentale Komponenten aus, ohne in kurzer Zeit repariert zu werden, wies das darauf hin, dass das gesamte Schiff am Ende war.
»Ortet ihr eintreffende Raumfahrzeuge?«, fragte Saedelaere. »Oder irgendetwas, das sich nicht zuordnen lässt?«
Sein SERUN blieb in dieser Hinsicht stumm, aber die Sensoren des Posbis und des Zain-Konstrukts basierten auf anderen Technologieplattformen als der terranischen und mochten daher Dinge erfassen, die ihm entgingen. Beispielsweise eine Öffnung der Kluft, durch die Einheiten aus dem Chaoporter dem Schiff zu Hilfe eilten – falls die aufgefangenen Funkimpulse zu einem Notruf gehörten, der in Teilen erfolgreich gewesen war. Oder auch das Eintreffen erster Raumer der Liga Freier Galaktiker, obwohl Winkelstein die angekündigte Flotte frühestens in acht Stunden erwartete.
Eine Zeitspanne, die Saedelaere zu lang war. Oft entschieden Minuten, manchmal Sekunden, über die wichtigen Dinge im Kosmos. Falls das Schiff, das Schomek, der Lohe, gehört hatte, wehrlos im Orbit hinge, würde das nicht ewig so bleiben. In acht Stunden könnte es sich selbst repariert und verteidigungsbereit gemacht haben, oder seine Verbündeten mochten es sichern.
Das war der Grund, aus dem sich die drei Maschinen und der Mensch energetisch nahezu tot auf das Schiff zutreiben ließen. Es entern, es erforschen, möglicherweise: es erobern oder zerstören, das mochte nur in einem schmalen Zeitfenster möglich sein.
Im Feuer
Ich bin enttäuscht, dass euch feindselige Gedanken zu mir geführt haben.
FENERIK hat sich in Cassiopeia ebenfalls feindselig verhalten.
Du missverstehst uns. Wir brechen auf, was verkrustet ist. Wir befreien und fördern Entwicklungen.
Durch milliardenfachen Tod?
Auch, aber nicht nur. Wir respektieren den Tod ebenso wie das Leben. Beides ist wertvoll.
Wir erachten das Leben als kostbar und den Tod als unseren Widersacher.
Deswegen seid ihr so verbittert. Ihr scheitert an dem Versuch, so hoch zu springen, dass ihr eurem Schatten entkommt.
Und du, Lohe? Hast du deinen Schatten verbrannt?
Sprich nicht mit mir, als wäre ich Schomek selbst. Sie ist zu ihrem eigenen Schatten geworden und schlug Schatten aus allen, auf die sie strahlte.
Also bist du nur ein Nachglühen.
Zunächst führte Alaska Saedelaere die verstärkte Aktivität seines Cappin-Fragments auf die Sorge zurück, dass die Schiffsgeschütze sie unter Feuer nehmen könnten. Ihn selbst mochte der Anzug der Verheißung schützen, den er unter dem SERUN trug. Das goldfarbene Kleidungsstück hatte die Fähigkeit bewiesen, die Zeit um ihn herum anzuhalten, was ihm vier subjektive Sekunden gab, um sich zu bewegen, während die Welt stillstand. Das würde ihm reichen, um mit der Geschwindigkeit des SERUNS aus dem Wirkungsbereich eines Thermostrahls zu fliegen – oder was für Waffen dieses Schiff auch immer aufbot.
Doch das würde nur Saedelaere selbst retten, nicht Pasima, Winkelstein oder Gladmann. Keinesfalls könnte er alle drei mitnehmen. Sie wären auf Individualschirme angewiesen, die einem ernsthaften Beschuss allenfalls ein paar Millisekunden standhalten könnten.
Er fand keine Möglichkeit, seine Begleiter zu schützen. Sie vermochten das Zeitfenster, in dem die Gefahr bestand, nicht durch einen schnelleren Anflug zu verkürzen. Dazu hätten sie Antriebe zünden müssen, die wiederum die feindliche Ortung hätten aufmerksam machen können.
Die Sorge war also berechtigt, aber das Cappin-Fragment regte sich stärker, als diese Empfindung rechtfertigte. Es prickelte wie tausend Nadelstiche in seinen Wangen, es zog an seiner Oberlippe, es drückte gegen seine Nase. Er nahm violetten Lichtschein wahr.
Das Leuchten wurde heller. Für einen Moment blendete es ihn.
Sein Verdämmern offenbarte ein Bild, das nichts mit dem zu tun hatte, was er zuvor gesehen hatte.
Saedelaere sah sich durch eine Halle schreiten, und er wusste, dass sein Ziel eine Arrestzelle war. Umgeben von schweren TARA-Kampfmaschinen, schwebte sie in der Luft, umhüllt vom warnenden Blau eines Paratronschirms.
Terraner salutierten vor Saedelaere. Sie wirkten konzentriert, wollten offenbar keinesfalls einen Fehler machen. Die Knöpfe an ihren Uniformen waren korrekt geschlossen, jede Falte saß an exakt der richtigen Stelle, Stiefel glänzten, Strahler waren penibel ausgerichtet. Furcht stand ihnen in den Gesichtern. Sie wagten die Köpfe nicht zu drehen, während er an ihnen vorbeischritt, nur die Augen folgten ihm.
Er schwebte aufwärts, durch eine Strukturlücke im Paratron, die sich unter ihm wieder schloss. Fünf volle Sekunden vergingen. Er wusste, dass Sensoren in diesem Moment sicherstellten, dass nichts mit ihm hereingekommen war, was nicht zur Gefangenen vordringen dürfte. Erst dann öffnete sich das mechanische Tor in der Zelle und ließ Saedelaere ein.
Eine Frau, mit Haar so rot wie Magma, blickte ihm entgegen. Ihre Miene wirkte unsicher, aber die Furcht schien ihr nicht so zur Natur geworden zu sein wie den Soldaten.
Saedelaeres Orientierung, seine Kenntnis der Umstände, verdämmerte. Hatte er zuvor darum gewusst, wo er sich befand und welche Sicherheitsvorrichtungen an diesem Ort aktiv waren, so musste er sich allmählich mühen, die Vision aufrechtzuerhalten. So, wie man nur eine gewisse Zeit die Luft anhalten konnte, bevor es anstrengend wurde.
Er glaubte, die etwas breitschultrige Frau bereits einmal gesehen zu haben. War das gewesen, als er gegen die engelsartige Erscheinung gekämpft hatte?
Das Gesicht mit der spitzen Nase kam ihm seltsam vertraut vor.
Wie eine jüngere Version von Gry O'Shannon.
Im Feuer
Diese Visionen dessen, was die Alternative deiner selbst tut, kommen also ungebeten zu dir? Du führst sie nicht bewusst herbei?
Illustration: Swen Papenbrock
Ich finde, ohne zu suchen.
Es wäre schön, wenn du das ohne Ironie sagen würdest. Vielleicht werdet ihr das bald.
Offenbar unterhält dich unser Gespräch. Aber es wird enden, wenn du mir nicht ebenfalls etwas erzählst.
Ah, du forderst. Das sollte ein Quintarch tun. Welches Wissen begehrst du?
Wieso tanzt ein Audh draußen auf der Schiffshülle?
Weil es ihm beliebt.
Bedenke: Ich werde dir in derselben Tiefe Einblicke gewähren, in der du mir verstehen hilfst. Nicht mehr. Und erzähl mir nicht, dass Audh keine Absichten verfolgen. In der LEUCHTKRAFT wusste der Audh sehr genau, was er wollte.
Audh besitzen eine einmalige Begabung, wenn es darum geht, Unvereinbares zugleich existieren zu lassen. Sie durchdringen und verstehen, was andere nicht zu ahnen vermögen.
Also ist er ein Analysator.
In deinen Kategorien könnte man es wohl so ausdrücken.
Wie drückst du es aus?
Ein Spieler. Er selbst, wenn er mit uns spräche, würde die Bezeichnung Tänzer wählen.
Welchen Nutzen erfüllt seine Anwesenheit auf der Schiffshülle?
Die PAALVAGUR ist nicht an eine einzelne Realität gebunden. Ihr Flug ist nicht realitätssynchron.
Ich verstehe, dass die Eingeborenen dieses Schiffs zur außerschifflichen Raum-Zeit ein eher unbestimmtes Verhältnis pflegen.
PAALVAGURS Sextatronik, PAAEM, umkleidet die Hülle zuweilen mit Datenmengen, die wir aus Chaoversen geschöpft und an Bord aufbereitet haben. Der Tanz des Audh strukturiert und ordnet die Datenmengen.
Ihr wollt etwas ordnen?
Dass kein Energieschirm ihren Anflug blockierte, nicht einmal ein leichter Prallschirm, der kosmischen Staub abgehalten hätte, sprach für die Hypothese, dass es sich um ein Wrack handelte. Die schwarze Hülle, auf der Alaska Saedelaere und seine Begleiter aufsetzten, wies jedoch keine erkennbaren Beschädigungen auf. Sie war vollkommen glatt – und so fremdartig, dass die Stiefelsohlensensoren des SERUNS bei der Materialanalyse versagten. Saedelaere fragte sich, ob Gry O'Shannons Expertise ihnen weitergeholfen hätte.
»Keine Hüllenbrüche.« Die weit ausladende Geste, mit der Winkelsteins Tentakel über die Umgebung strichen, drückte Bedauern aus.
Ein Aufriss wäre der leichteste Weg gewesen, unbemerkt an Bord zu kommen.
»Unseren Sensoren ist nur bedingt zu trauen«, gab Saedelaere zu bedenken. »Wir sollten eine umfassende Sichtprüfung vornehmen. Vielleicht finden wir auf der planetenabgewandten Seite eine Öffnung.«
»Wenn nicht, müssen wir sprengen«, sagte Gladmann. »Kann da meine Expertise einbringen. Habe auf Hedennos VII so manchen Bunker geknackt.«
Saedelaere sparte sich den Hinweis, dass sie keinen Sprengstoff dabeihatten. In den Algorithmen des Kampfroboters schien die häufige Referenz auf seine Erlebnisse rund um Hedennos VII – einen Planeten, dessen Namen Saedelaere zuvor nie gehört hatte – mit hoher Priorität versehen zu sein. Eine Erwartung, auf seine Vorschläge einzugehen, verband Gladmann damit offenbar nicht.
Sie behielten die Verbindung aus Kommunikationskabeln bei, während sie über die Hülle gingen. Dadurch ähnelten sie Fischern, die mit einem aufgespannten Netz durch flaches Wasser wateten. Eine Analogie, die den Maschinenwesen in Saedelaeres Begleitung wohl entging, und er sah auch keinen Sinn darin, sie ihnen zu erläutern.
Stattdessen konzentrierte er sich auf das Schiff. Die Sensoren des SERUNS erfassten Masse, jedoch keine Materie. Zum Glück kannte er die Abmessungen dieses Raumfahrzeug bereits. Stabförmig, 3280 Meter lang bei einem Durchmesser von 160 Metern, schwarz, Bug und Heck kuppelförmig abgerundet, hatte ihm der Posbi gesagt.
Saedelaere misstraute diesem Objekt. Weiterhin erfüllte ihn die Überzeugung, dass es nicht an diesem Ort hätte sein sollen. Dürfen. Können.
Jeden Schritt setzte er mit Vorsicht, als könnte sich der wie aus einem Guss wirkende Boden als durchlässige Projektion erweisen, die seinem Fuß den Halt verwehrte. Saedelaere bedauerte, keine Messgeräte dabeizuhaben, die einen Strangeness-Wert hätten ermitteln können.
Etwas schimmerte unter der Hülle, aber es wirkte nicht so, als wäre die schwarze Panzerung durchsichtig geworden. Eher, als existierte sie nicht wirklich oder nicht vollständig und teilte sich die Realität mit milchigen Aggregaten, Verbindungsröhren, Kabeln und Spulen, die heraufdämmerten und wieder verschwanden, ohne dass die Sensoren sie erfasst hätten.
»Seht ihr diese Objekte ebenfalls?«
»Welche Objekte?«, fragte Gladmann. »Mit so unspezifischen Angaben ist eine Zielerfassung unmöglich!«
Der Gladiator-R4-Kampfroboter, der einem Ritter mit Wespentaille und Storchenbeinen ähnelte, ließ mit angewinkelten Armen seinen Oberkörper rotieren. Er spreizte die gestreckten Finger. Dass die ursprünglich darin montierten Strahler entfernt waren, schien auf seine Gefechtsroutine keinen Einfluss zu haben. Die Handstrahler, mit denen er sich ebenso wie Saedelaere in der Station Wasserball ausgerüstet hatte, ließ er unbeachtet in den Magnethalterungen an den Oberschenkeln.
Saedelaere zeigte auf den Boden. »Diese Aggregate. Könnt ihr sie sehen?«
»Selbstverständlich«, beschied Winkelstein. »An meinen Optiksensoren ist nichts auszusetzen.«
»Erfassen deine anderen Sensoren sie ebenfalls?«
»Nein, aber wir hatten uns ja auch darauf geeinigt, vorerst keine aktive Tastung durchzuführen, weil wir eine Entdeckung vermeiden wollen.«
Saedelaere überlegte, ob diese Beschränkung noch sinnvoll war. Immerhin spazierten sie auf dem Schiff herum, womit sie zwar Energieemissionen der Flugaggregate vermieden, aber Drucksensoren in der Hülle aktivieren mochten.
Im Grunde war es sogar erstaunlich, dass sie überhaupt auf der Hülle gehen konnten, ohne sich bei jedem Schritt so weit abzustoßen, dass sie Gefahr liefen, ins offene All hinauszutreiben. Das sprach dafür, dass das schwarze Material magnetisch war und der SERUN diese Haftmöglichkeit nutzte, was der Anzug jedoch nicht bestätigte. Auch ein Gravitationsfeld zeigte er nicht an. Dennoch liefen sie so sicher wie auf einem kleinen Mond.
»Ich korrigiere meine Einschätzung, dass es sich um ein Wrack handelt«, kündigte Pasima an. »Soeben hat sich ein sechsdimensionaler Schirm aktiviert, der das gesamte Schiff einhüllt.«
Unwillkürlich blickte Saedelaere nach oben, erkannte jedoch keine Veränderung.
»Hierfür ist die optische Wahrnehmung unzureichend«, ergänzte Winkelstein väterlich.
In der Tat ermittelte der SERUN ein starkes Energiefeld über ihren Köpfen.
»Solange dieses Feld Bestand hat, können wir das Schiff nicht wieder verlassen«, analysierte Pasima.
»Wir haben ohnehin nicht die Absicht, zu gehen, bevor wir dieses Objekt erforscht haben.« Saedelaere setzte die Wanderung fort, und die über die Kabel verbundenen Maschinenwesen begleiteten ihn.
Die milchigen Aggregate unterhalb der Hülle erschienen und verdämmerten, blieben eine Weile verschwunden, dann tauchten weitere auf und vergingen wieder. Es war nicht zu sagen, ob es sich um physische Gegenstände, Schatten einer alternativen Realität oder Holoprojektionen handelte.
Ihre Wanderung fühlte sich immer stärker wie ein Treiben zwischen Traum und Wachen an.
Im selben Moment, als Saedelaeres SERUN Alarm schlug, ruckte Gladmann herum und richtete alle zehn Finger auf einen Punkt an der Wölbung der Schiffshülle, den die Bewegungssensoren erfassten. »Feindortung!«, schnarrte der Kampfroboter.