Perry Rhodan-Extra: BARDIOCS Nul - Achim Mehnert - E-Book

Perry Rhodan-Extra: BARDIOCS Nul E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

Auf der Erde schreibt man das Jahr 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Seit zwei Jahren hält die Terminale Kolonne TRAITOR die Milchstraße in ihrem Würgegriff. Die Truppen der Chaosmächte haben dabei nur ein Ziel: die gesamte Galaxis als "Ressource" für den Kampf gegen die Mächte der Ordnung zu benutzen. Das Solsystem zählt dabei zu den wenigen Orten, an denen sich TRAITOR die Zähne auszubeißen droht: ein undurchdringlicher Schutzschirm hält die Diskusraumer der furchtbaren Kolonne fern. Allerdings weiß niemand, wie lange dieser Schutz halten wird, welche Kräfte TRAITOR noch aufzubieten vermag. Schon oft hat die Menschheit in fernen Galaxien gegen die Chaotarchen und ihre Diener gekämpft. In diesen Tagen jedoch benötigt sie selbst Hilfe - und diese kommt nun aus den Tiefen des Alls. Es handelt sich um BARDIOCS NULL ...

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EXTRA

BARDIOCS Null

Die Superintelligenz THERMIOC schickt eine Botin – Terra erhält Hilfe aus tiefster Vergangenheit

von Achim Mehnert

Cover

Vorspann

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

Epilog

Impressum

Auf der Erde schreibt man das Jahr 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Seit zwei Jahren hält die Terminale Kolonne TRAITOR die Milchstraße in ihrem Würgegriff. Die Truppen der Chaosmächte haben dabei nur ein Ziel: die gesamte Galaxis als »Ressource« für den Kampf gegen die Mächte der Ordnung zu benutzen.

Das Solsystem zählt dabei zu den wenigen Orten, an denen sich TRAITOR die Zähne auszubeißen droht: Ein undurchdringlicher Schutzschirm hält die Diskusraumer der furchtbaren Kolonne fern. Allerdings weiß niemand, wie lange dieser Schutz halten wird, welche Kräfte TRAITOR noch aufzubieten vermag.

Schon oft hat die Menschheit in fernen Galaxien gegen die Chaotarchen und ihre Diener gekämpft. In diesen Tagen jedoch benötigt sie selbst Hilfe – und diese kommt nun aus den Tiefen des Alls. Es handelt sich um BARDIOCS NULL ...

Prolog

Er orientierte sich auf eine Weise, die kein körperliches Wesen beherrschte. Seine Existenz war nicht auf Materie angewiesen, jedenfalls nicht auf eine eigene. Ihm reichte ein Wirtskörper, um zu ganzer Blüte zu gedeihen und seine unsichtbaren Fähigkeiten auszuspielen.

Oder besser: dessen Geist, der wie ein Anker wirkte.

Seine Orientierung erfolgte über die verzweifelten Gedanken der Kreatur, derer er sich bemächtigte, über jede ihrer Emotionen, die sich nicht unterdrücken ließ. Kein Wesen vermochte ihn aufzuhalten, wie er oft genug erfahren hatte. Keines hatte ihm und seinem Wirken jemals widerstanden. Er wusste um die eigene Stärke. Je mehr Macht er dadurch gewann, desto unüberwindlicher schätzte er sich ein. Und nicht nur er, sondern auch diejenigen, in dessen Auftrag er tätig wurde.

»Sie ist präpariert. Du kannst überwechseln. Ganz vorsichtig, damit du keinen irreparablen Schaden anrichtest.«

Er war immer vorsichtig und hatte noch nie Schaden angerichtet. Auf ihn war absoluter Verlass. Die Ermahnung ärgerte und erzürnte ihn, weil sie unangebracht war. Er hütete sich, aufzubegehren und sein Missfallen zum Ausdruck zu bringen. Er tat so, als hätte er die Worte nicht vernommen. Was waren schon Worte? Unbedacht ausgesprochene Surrogate aus oder Verfälschungen von dem, was wahrhaftig war: Gedanken.

Ausschlaggebend war allein, dass die Zeit gekommen war. Die Vorbereitungen waren präzise vorgenommen und abgeschlossen worden. Nur noch der entscheidende Schritt war zu tun, von keinem anderen als ihm allein.

Und er tat den Schritt.

Mit einem mentalen Glücksschrei machte er sich an die Arbeit.

Seine Sinne tasteten sich dem Ziel entgegen, forschend und zaghaft zunächst, dann drängender, rücksichtsloser. Der ohnehin lahme Widerstand gegen seine Invasion wurde schwächer, brach vollends zusammen. Er hatte nichts anderes erwartet, wünschte sich zuweilen gar einen heftigeren Kampf, der ihn auf die Probe stellte und seine Reserven forderte.

Doch darum ging es nicht, sondern einzig um den Erfolg, der sich alsbald einstellte. Er drang in den Verstand der Kreatur ein, flutete ihren Geist, atmete ihre Furcht und setzte seinen Willen anstelle des ihren, der bereits gebrochen worden war. Es gelang, so wie stets.

Ich bin da, frohlockte Adamicter.

1.

Reginald Bull

Das plötzliche Zischen klang, als hätte jemand scharf die Luft eingesogen. Dabei hielt sich niemand in der Nähe auf. Reginald Bull war allein. Er unterdrückte den Impuls, sich umzusehen, und begutachtete den Boden.

Keine zehn Meter vor ihm gähnte ein Loch im steinigen Untergrund, der von Furchen und Spalten durchzogen war. Dampf stieg auf, wo eben noch keiner zu sehen gewesen war. Er wallte, waberte und bildete eine trübe Wolke. Der Druck kam aus dem Inneren dieser Welt, an ihrer Oberfläche selbst regte sich kein Lüftchen.

Bull verlangsamte seine Schritte und hielt inne, keinen Moment zu früh. Eine Fontäne entsprang aus dem Boden, riss den Dampf mit sich und jagte irisierend himmelwärts.

Einem toten Himmel entgegen, dachte der Verteidigungsminister der Liga Freier Terraner. An diesem Ort existierte kein Leben im herkömmlichen Sinn. Die eintönige Umgebung, grau in grau und nur unterbrochen von den Zerrbildern knorriger Gebilde, die sich mit viel Phantasie als Bäume erkennen ließen, machte es beinahe unmöglich, Entfernungen abzuschätzen.

Die Fontäne leuchtete rot mit Schlieren von Gelb, das sich züngelnd in ihrem Kern entlud. Sie verwandelte sich in eine Kaskade aus Licht und Formen, die sich nicht definieren ließen. Funken sprühend verteilte sie sich über die Ödnis, sank in Farbvorhängen zurück, perlte über das Gestein, versank in Ritzen und Spalten und vergegenwärtigte Bull die Unwirklichkeit der Landschaft. Gerade sie war es, die ihn entspannte. Sie war so weit weg vom TERRANOVA-Schirm und den Einheiten TRAITORS, dass die Bedrohung durch die Terminale Kolonne so unwirklich wurde, wie es die Sphäre war, durch die er schritt.

Der leicht untersetzt wirkende Mann mit dem roten Bürstenhaarschnitt wich seitlich aus und beschrieb einen großen Bogen um die Eruption. So schnell sie eingesetzt hatte, so schnell endete sie. Die letzten Farbtupfer vergingen, während er den Untergrund prüfte, um nicht durch einen unbedachten Schritt in Gefahr zu geraten. Nichts deutete Sekunden später auf das stattgefundene Schauspiel hin.

In der Ferne, vor einem Horizont, an dem Himmel und Erde zu einer diffusen Einheit verschmolzen, zeichneten sich die Gratlinien eines Gebirges ab, das scheinbar endlos in beide Richtungen strebte. Einzelne mächtige Kegel spien Rauch und Feuerfontänen ähnlich jener, der Bull soeben um Haaresbreite entronnen war. Davor glomm ein Vorhang sich in die Tiefe stürzender Feuerfälle.

Abermals versuchte Bull abzuschätzen, wie weit es bis dorthin war, wie lange er unterwegs wäre, um die ersten Ausläufer der Berge zu erreichen. Es war unmöglich. Die vor ihm liegende Ebene wurde von keinen geografischen Besonderheiten unterbrochen, die als Anhaltspunkte dienen konnten. Bauwerke oder andere Anzeichen von Zivilisation gab es schon gar nicht.

Wieso hat es dich ausgerechnet hierher verschlagen?, fragte er sich. Wieso an einen Ort, wie er Menschen fremder nicht sein konnte und zu dem sie sich freiwillig nicht begeben hätten? Er tat es freiwillig, vergegenwärtigte er sich lächelnd, wobei er zügiger ausschritt, als bliebe ihm nicht viel Zeit und als gelte es, jede einzelne Sekunde zu nutzen, bevor ihn die Realität einholte.

Wie sehr die unterschwellige Befürchtung zutraf, zeigte sich, ehe er sich selbst eine Antwort geben konnte. Ein durchdringender Alarmton schreckte ihn auf. Bull winkelte den Arm an und warf einen Blick auf das Multifunktionsarmband an seinem Handgelenk. Der Anruf kam direkt aus der Solaren Residenz.

»Homer«, murmelte er. »Darauf hätte ich gewettet.«

Wieder blieb Bull stehen. Gleich neben ihm tat sich eine Öffnung im Boden auf. Er vernahm ein Donnern aus der Tiefe, gewahrte die Lichtexplosion, die eine weitere Fontäne gebar, und wurde in einen feurigen Schweif gehüllt.

»Simulation beenden«, wies Bull den positronischen Hybridrechner an, der die Simulation steuerte.

Das Bild wurde eingefroren und erstarrte. Die Myriaden zu einer holografischen Darstellung arrangierten Lichtphotonen verloren ihren Zusammenhalt, kollabierten und lösten sich in Nichts auf. Bull ließ die verschwundenen Eindrücke in sich nachwirken und dachte darüber nach, ob zu seiner Entspannung ein amouröses Abenteuer mit einer exotisch-schönen Unbekannten nicht eine Alternative zu dem Erlebten gewesen wäre. Zumindest diese Frage war leicht zu beantworten. Nicht einmal mit einer holografischen Schönheit hätte er seine Ehefrau Fran Imith betrogen.

Er löste sich aus seiner Starre. Wenn der Finanzminister ihn alarmierte, gab es dafür einen guten Grund. Gnade dir Gott, wenn nicht, Homer. Denn Zeit ist Geld, wie du seit ein paar tausend Jahren beteuerst.

Reginald Bull marschierte aus der Privateinrichtung, die ihm allein zugänglich war, und geradewegs zum daran angeschlossenen Parkplatz. Wenige Minuten später steuerte er seinen Gleiter durch den dichten Verkehr von Terrania.

*

Die Solare Residenz schwebte einen Kilometer über dem Residenzpark inmitten von Terrania City. Das 1010 Meter hohe Bauwerk in Form einer Orchidee war nicht nur der Regierungssitz der irdischen Menschheit, sondern bildete zudem das markante Wahrzeichen der Hauptstadt. In Zeiten wie diesen hatte es für viele Menschen eine weitere Funktion. Es wirkte wie ein ruhender Pol vor dem Hintergrund des drohenden Untergangs, wie ein steter Anker, der den von der Terminalen Kolonne geschürten Stürmen trotzte.

Ein Symbol für den Widerstand der Menschheit gegen einen übermächtigen Gegner, dachte Bull, während er seinen Gleiter auf eine Landeplattform steuerte und sanft aufsetzen ließ. Der Ausblick auf den Residenzpark, auf dessen Areal einst das HQ Hanse gestanden hatte, war atemberaubend. Deutlich hoben sich die nur aus irdischen Bäumen und Pflanzen bestehenden Grünanlagen vom zentralen Residenzsee ab.

Bull sprang ins Freie und eilte in Homer G. Adams' Büro, wo ihn das Finanzgenie ungeduldig erwartete.

»Immerhin stellt der Residenz-Minister für Liga-Verteidigung seine Eskapaden ein, wenn außergewöhnliche Ereignisse eintreten«, sagte Adams. Der Vorwurf in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Er saß hinter seinem Schreibtisch und sah wie beiläufig von einem Arbeitspad auf. Zwischen Displays schwebten Holomonitore, über die die aktuellen wirtschaftlichen Transaktionen der Erde flimmerten. Adams deutete auf einen freien Stuhl und machte eine einladende Handbewegung.

»Immerhin?« echote Bull verdrossen. Er kannte den klein gewachsenen Mann mit der gebückten Haltung zu gut, um zu übersehen, wie ungehalten Adams war. »Das klingt, als hätte ich in der Vergangenheit Anlass gegeben, daran zu zweifeln. Außerdem kann von Eskapaden keine Rede sein.«

»Deine Zerstreuung in holografischen Welten kann ich nicht anders bezeichnen.«

»Du kannst durchaus, du willst nur nicht«, konterte Bull.

Adams nickte. Er ließ von seiner Arbeit ab und widmete seine Aufmerksamkeit dem Besucher. In seinen blassgrauen Augen funkelte es angriffslustig. »Du hast recht. Solange Perry ... unterwegs ist, führst du das Solsystem. Das ist keine Teilzeitaufgabe. Sie fordert dich täglich rund um die Uhr. Daneben bleibt keine Zeit für Privatvergnügungen.«

Adams' Erinnerung an Rhodans Abwesenheit erschien Bull unpassend, wenn nicht gar ein wenig anmaßend. Niemand brauchte Perrys Stellvertreter seine Pflichten vor Augen zu führen, auch nicht die alten Freunde und Weggefährten. Seine Gedanken schweiften zum Solaren Residenten ab, der vor fünfzehn Tagen im Zuge der Operation Tempus mit der JULES VERNE in die Vergangenheit gereist war. Über welchen Zeitraum genau – und zu welchem Zweck –, wussten nicht einmal Bull und Adams, sondern nur die Teilnehmer der Expedition selbst. Durch zeitliche Abgründe voneinander getrennt zu sein war eine ungleich größere Hypothek als durch räumliche Lichtjahrmillionen. Man war quasi aus der Welt, auch wenn dies nicht der erste Ausflug der Menschheit und speziell Rhodans in die Vergangenheit war.

Fünfzehn Tage, in denen sich nichts verändert hatte. Deshalb ließen Adams' Vorwürfe den Verteidigungsminister kalt. Inzwischen schrieb man den 30. April 1346 NGZ, und es war nicht abzusehen, wie lange der gegenwärtige Zustand noch Bestand haben würde. Die bislang im Schutz des TERRANOVA-Schirms verstrichenen knappen zwei Jahre mochten lediglich der Anfang gewesen sein ...

»Die Belagerung des Solsystems durch die Terminale Kolonne dauert nun schon so lange an, dass sich an der Lage nichts ändert, wenn ich mal ein paar Stunden nicht zur Verfügung stehe. Ein bisschen Mensch wird man wohl bleiben dürfen. Ich mache da keine Ausnahme, wenn ich nicht ausbrennen will.«

»Du weißt so gut wie ich, dass diese Gefahr nicht besteht.«

»Redest du davon?« Bull klopfte sich mit dem Zeigefinger gegen die linke Schulter, wo der Zellaktivator unter seinem Schlüsselbein implantiert war. »Der Chip kompensiert nicht alle Mühen über einen längeren Zeitraum. Ich spreche nicht von körperlichen Anstrengungen. Zwischendurch bedarf auch unsereins mal einer ruhigen Stunde, um seine geistige Frische zu erhalten. Ich bin ein Gemütsmensch, der effektiver und besser funktioniert, wenn es dem Gemüt gut geht.«

»Ein Genussmensch, würde die Sache treffender umschreiben. Würde ich dich nicht besser kennen, käme ich auf die Idee von Pflichtvergessenheit.« Adams' Skepsis war beinahe mit Händen zu greifen. »Ich finde es wenig erholsam, wenn du dich in ein holografisches Abenteuer stürzt.« Er hob abwehrend die Hände. »Keine Erklärungen dazu. Ich will gar nicht wissen, was du dir programmiert hast.«

»Keine Sorge, ich habe nicht vor, es dir zu verraten.«

»Geschenkt, Bully.« Adams strich sich fahrig durch das schüttere blonde Haar. »Wir haben einen gerafften und verschlüsselten Hyperfunkspruch von einem Patrouillenkreuzer erhalten. Bei BS-Ameris hat sich vor wenigen Stunden ein Zwischenfall ereignet. Die Besatzung hat ein Manöver der Terminalen Kolonne beobachtet. BS-Ameris ist ...«

»Ein blauer Stern, 42 Lichtjahre vom Solsystem entfernt«, unterbrach Bull ihn. »Ich kenne ihn. Wozu war ich tausend Jahre lang Chef der Explorerflotte?«

»Du vergisst wohl nichts?«

Bull wölbte eine Augenbraue. Die Frage war erstaunlich für einen Mann wie Homer G. Adams, der über ein fotografisches Gedächtnis verfügte und die Gabe besaß, komplizierteste mathematische Vorgänge so selbstverständlich zu begreifen wie andere das kleine Einmaleins. »Ich vergesse zumindest kein Sonnensystem, das in relativer Nachbarschaft zur Erde liegt.«

»Tut es das? Nach meinem Dafürhalten hat die Erde keine unmittelbare Nachbarschaft mehr.« Adams hob den Daumen und deutete nach oben. »Solange wir nur unter diesem Schirm sicher sind, sind wir allein.«

»Sagtest du nicht eben, deine Zeit sei kostbar? Ich bin nicht hier, um mit dir zu philosophieren. Und wegen eines schlichten Manövers hast du mich schon gar nicht alarmiert.«

2.

BS-Ameris

Es schien, als sei der Strom in den Normalraum fallender Raumschiffe versiegt.

Captain Ilvo Perrent kauerte angespannt in seinem Gliedersessel, die Lippen zu zwei schmalen Strichen zusammengepresst, aus denen das Blut gewichen war. Kein Muskel regte sich in seinem Gesicht. Lediglich sein Blick folgte den Bewegungen der Schiffe, die in der Panoramagalerie zu sehen waren. Die Ortungseinrichtungen der OROPUS arbeiteten auf Hochtouren. Die Systemkontrollen lieferten eine Flut von Daten, die aufbereitet und als Zahlenkolonnen und taktische Anzeigen auf eingeblendeten Detaildisplays des Panoramaschirms dargestellt wurden.

Traitanks. Mehrere hundert flache, scharfkantig wirkende Diskusraumer der Terminalen Kolonne schienen in nur wenigen Lichtminuten Entfernung zu exerzieren. Jedenfalls gab es keinen Gegner oder sonstigen erkennbaren Anlass für ihre Flugmanöver.

Perrent war versucht, das Abschalten der nicht lebensnotwendigen Anlagen zu befehlen. Er unterdrückte den archaischen Impuls, der sich nicht logisch begründen ließ. Im Ortungsschatten des planetenlosen Sterns BS-Ameris war die OROPUS sicher vor Entdeckung, solange der Patrouillenkreuzer nicht den Fehler beging, sich aus der Deckung zu wagen.

»Strukturerschütterungen, die weitere Gegner ankündigen?«

»Negativ, Captain«, meldete der Ortungschef Byl Quersh.

»Aktive Fremdortung?« Perrent traute dem Gegner nicht. Keine Woche zuvor hatten Traitanks ein terranisches Patrouillenschiff im Raumsektor um BS-Ameris aufgebracht. Der Captain wollte sich nicht vorstellen, was mit den Menschen an Bord geschehen war.

»Nur mit geringer Intensität und nicht gerichtet.«

Besonders groß war die Aufmerksamkeit der Besatzungen an Bord der schwarzen Disken nicht. Also handelte es sich um ein Standardmanöver, vielleicht um eine Orientierungsphase. Perrent hielt es zumindest nicht für pure Verschleierungstaktik, die die wahren Absichten der Kampfschiffe verbarg; dazu war deren Vorgehen zu unbekümmert. Katz-und-Maus-Spiele gehörten nicht zum taktischen Repertoire der Mor'Daer, die das militärische Personal an Bord der Traitanks stellten.

Perrent schaute zum Bordchronografen. Eine Viertelstunde war vergangen seit dem Rücksturz der ersten Einheiten in den Normalraum. Gleich darauf hatten sie sich in Rotten von zehn bis zwölf Schiffen formiert.

»Hat jemand eine Idee, was die da draußen veranstalten?«

»Allzu spannend sieht es nicht aus«, befand jemand.

»Das wird gleich spannender, als uns lieb sein kann. Drei Gruppen ändern den Kurs!« Quersh stieß pfeifend die Luft aus. »Sie fliegen auf die Sonne zu.«

Und damit genau auf uns! ging es dem Captain durch den Kopf.

»Ruhe bewahren! Es ist nicht gesagt, dass sie herkommen.«

Und wenn doch? Selbst gegen einen einzigen der schwarzen Disken hatte der Kreuzer keine Chance. Wenn sie die OROPUS entdeckten, konnte die Besatzung froh sein, wenn sie nicht in Gefangenschaft geriet. Es gab wahre Horrorgeschichten unter den Angehörigen der LFT-Flotte. Perrent legte keinen Wert darauf herauszufinden, ob auch nur ein Bruchteil davon der Wahrheit entsprach. Eine Flucht vor den hochgezüchteten Antriebssystemen der Traitanks war aussichtslos. Mit etwas Glück fiel die OROPUS einem Potenzialwerfer zum Opfer und endete mitsamt ihrer Besatzung als ultrakomprimiertes Klümpchen Materie, das schließlich explosionsartig zerfiel.

»Erneute Kursänderung«, wisperte der Ortungschef. »Der Klabautermann des Sternenozeans ist mit den Gerechten.«

Perrent grinste. Mit einem Blick zum Panoramaschirm überzeugte er sich davon, dass die unmittelbare Gefahr abgewendet war, zumindest vorübergehend. Die leuchtenden Ortungsholos lieferten die Bestätigung. Die Traitanks flogen eine enge Kehre und entfernten sich wieder.

»Sie beschleunigen.« Plötzlich sprach Zuversicht aus Quershs Stimme. »Bei diesem Faktor erreichen sie in wenigen Sekunden die notwendige Geschwindigkeit zum Überlichtflug. Gleich ist es so weit. Ihre Supratron-Generatoren bauen Hyperraum-Blasen auf. Sie ... Jetzt!«

Mehrere Ortungsechos erloschen in den Displays, die dazugehörigen Kampfschiffe verschwanden von den Holoschirmen. Zunächst waren es nur zwei Gruppen, dann folgten weitere. Es ging Schlag auf Schlag, bis Perrent auf eine leere taktische Darstellung sah.

»Sie sind weg, alle. Der Sektor um BS-Ameris ist frei von Schiffen. Nein, doch nicht. Ich bekomme einen schwachen Impuls herein, ziemlich verwaschen.« Quersh stockte. »Das verstehe ich nicht. Ich hätte ihn um ein Haar übersehen.«

»Und jetzt?«

»... ist er fast so offensichtlich da, wie es zuvor die Traitanks waren. Tut mir leid, Ilvo.«

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, wehrte Perrent ab. Die Einheiten der Terminalen Kolonne hatten ihrer aller Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Wenn ein Besatzungsmitglied der OROPUS einen Vorwurf verdiente, dann war es ihr Captain. »Was empfängst du?«

»Einen im Raum treibenden Körper, nicht weit entfernt von der Sonne. Zwanzig Prozent Lichtgeschwindigkeit.«

»Ein Überbleibsel der Manöverflotte?« Perrent war zeitlebens ein misstrauischer Mensch gewesen, was sich in den vergangenen Jahren verstärkt hatte. In einer Zeit, in der TRAITOR fast die gesamte Milchstraße besetzt hatte, musste man jederzeit mit einer Falle rechnen. Diese Einstellung hatte er zu seinem persönlichen Credo erhoben. »Energetische Aktivitäten?«

»Nicht die geringsten. Das Objekt benutzt keinen Antrieb.« Quersh hantierte an den Bedienungselementen seiner Ortungseinrichtungen. »Das gibt es doch nicht«, entfuhr es ihm. »Ich habe den Kurs hochgerechnet. Haltet euch fest. Sein Bewegungsvektor ist unter anderem auf das Solsystem ausgerichtet.«

Ein paar überraschte Kommentare folgten seiner Berechnung.

»Du meinst, das Objekt will der Erde einen Besuch abstatten?«

»Mit zwanzig Prozent Lichtgeschwindigkeit wird es dort aber nicht ankommen«, prophezeite Funker Kolman Dyle.

»Das wird es ohnehin nicht«, fuhr Quersh fort. »Der Kurs führt nämlich genau durch BS-Ameris hindurch. Sehen wir uns an, womit wir es zu tun haben.«

Auf dem Panoramaschirm bildete sich ein Ausschnitt. Eine Vergrößerung wurde sichtbar. Unwillkürlich beugte Perrent sich in seinem Gliedersessel nach vorn, als sich der im Raum treibende Körper darin abzeichnete.

»Ein Raumschiffswrack.« Der Captain erinnerte sich nicht, einen solchen Typ jemals zuvor gesehen zu haben. Er war an die achtzig Meter lang und hatte annähernd zylindrische Form. Zwei um die Längsachse montierte Scheiben in der vorderen Schiffshälfte segmentierten das Wrack in drei unterschiedlich lange Abschnitte. Der Mittelteil wies zahlreiche Löcher mit ausgezackten Rändern auf. Der hinten liegende Antriebsteil sah noch wesentlich schlimmer aus. Er war mehrfach perforiert und schleppte Trümmerstücke hinter sich her, die an nicht mehr als einem seidenen Faden hingen. Die Hülle war aufgerissen und großflächig zerstört.

»Unbekannte Bauart«, kommentierte Quersh den Anblick. »Dieses Schiff kann keinem der uns bekannten Milchstraßenvölker zugeordnet werden. Es ist auch keine typische Einheit der Terminalen Kolonne.«

»Keine Restemissionen aus der Antriebssektion?«

»Negativ. Dieser Schrotthaufen ist tot. Offenbar ist er schon lange mit gleichbleibender Geschwindigkeit unterwegs. Aber nicht mehr lange. Die Sonne wird ihm in Kürze vollends den Garaus machen.«