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Während die von Lek aufgehetzten Utaren unerkannt auf der Erde landen können und sich dort an einer uralten Wächter-Station zu schaffen machen, geraten Ren Dhark und seine Getreuen in der Galaxis Voktar neuerlich in Schwierigkeiten, als die Stimmung auf der Welt der Hem’brach plötzlich kippt und sich alle gegen die Terraner wenden. Zu diesem Zeitpunkt ahnt noch niemand, dass die Ursachen für die heutige Situation in der Zwerggalaxis weit in der Vergangenheit liegen; sie fußen auf dem Experimentierfeld Voktar... Jan Gardemann, Achim Mehnert und Nina Morawietz schrieben diesen dramatischen SF-Roman nach dem Exposé von Ben B. Black.
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Seitenzahl: 353
Ren Dhark
Weg ins Weltall
Band 73
Experimentierfeld Voktar
von
Achim Mehnert
(Kapitel 1 bis 4, 13 und 14)
Jan Gardemann
(Kapitel 5 bis 12)
Nina Morawietz
(Kapitel 15 bis 22)
und
Ben B. Black
(Exposé)
Inhalt
Titelseite
Vorwort
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
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Impressum
Vorwort
Im Oktober fand neuerlich der Buchmesse-Convent in Dreieich-Sprendlingen bei Frankfurt statt, diesmal bereits zum zweiunddreißigsten Mal! Der Convent, der meist kurz »BuCon« genannt wird, ist sozusagen der »kleine Bruder« der Frankfurter Buchmesse, denn er findet immer am Samstag der Buchmesse-Woche statt. Dennoch sind die beiden Veranstaltungen völlig unabhängig voneinander, und im Gegensatz zur Buchmesse konzentriert sich der BuCon auf die phantastische Literatur, also primär auf Fantasy, Science-Fiction und Horror. Mir persönlich ist die Atmosphäre auf dem Con viel sympathischer als auf der größeren Nachbarveranstaltung, denn hier geht es fast schon familiär zu, Autoren und Verleger sind für die Besucher greif- und nahbar. Man trifft sich, unterhält sich, tauscht sich aus oder diskutiert das eine oder andere Mal leidenschaftlich über Bücher, Genres, Verlage, aber auch hin und wieder sogar über gesellschaftliche Entwicklungen oder anderes, was »da draußen« – also außerhalb des Bücherkosmos – so los ist.
Natürlich war auch unser aller Lieblingsserie wieder mit einem Programmpunkt vertreten. Diesmal durften wir bereits um 11:00 Uhr als eine der ersten Veranstaltungen loslegen, und kurz machten wir uns Gedanken, ob der geneigte Con-Besucher wohl um diese Zeit schon wach ist. Aber unsere Sorgen erwiesen sich als unbegründet, denn es kamen nicht weniger an REN DHARK interessierte Besucher als sonst, ich meine sogar, dass es ein paar mehr waren als im Vorjahr, aber durchgezählt haben wir nicht.
Wie bei den REN DHARK-Programmpunkten üblich haben wir wieder ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert, aus einem noch unveröffentlichten Manuskript gelesen und uns den Fragen des Publikums gestellt. Am Schluss gab es dann für die Zuhörer noch ein besonderes Bonbon: Wer wollte, konnte sich fotografieren lassen, und wir werden im Laufe der nächsten Bücher diese Fotos nach und nach in REN DHARK-Titelbilder einfließen lassen. Sicher erinnern Sie sich daran, dass es bereits früher schon einmal eine solche Aktion gab, allerdings sind die damals bei einem Fan-Treffen gemachten Fotos leider nicht mehr verfügbar, sodass wir neu aufsetzen müssen. Und wer weiß, vielleicht führen wir das auf den nächsten Cons im Jahr 2018 fort; der Besuch eines REN DHARK-Programmpunkts lohnt also immer. Wir freuen uns jedenfalls über jeden Zuhörer.
Nicht unerwähnt lassen darf ich, dass Andreas Zwengel auf eigenen Wunsch aus dem REN DHARK-Team ausscheidet, weil er sich wieder vermehrt seinen eigenen Projekten widmen möchte. Ich bedanke mich an dieser Stelle für rund zweieinhalb Jahre guter sowie inspirierender Zusammenarbeit und wünsche Andreas weiterhin viel Erfolg mit seinen Romanen. Und ich bin mir sicher, dass wir uns noch öfter auf dem einen oder anderen Con über den Weg laufen werden, was dann jedes Mal zu einem freudigen Hallo führen wird.
Nun wird es aber Zeit, Sie, liebe Leser, in die Lektüre des vorliegenden Buches zu entlassen, denn auf Sie warten die Ereignisse um das Experimentierfeld Voktar …
Stuttgart, im November 2017
Ben B. Black
Prolog
Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.
Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, dass er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung Babylons und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.
Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Aufgabe stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.
Als man diese Herausforderung endlich gemeistert hat, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte.
Mithilfe der Nomwarun – nur etwa 50 Zentimeter große Nachfahren der Worgun – gelingt es schließlich, der Gefahr zu begegnen. Allerdings spielen die Nomwarun nicht mit offenen Karten und zerstören das Miniuniversum, anstatt es wie versprochen in ein anderes Kontinuum zu versetzen, weil das anscheinend nicht möglich gewesen ist. Ren Dhark macht dieses Resultat sehr zu schaffen, doch es gelingt ihm nicht, die Nomwarun entsprechend zur Rede zu stellen.
Knapp zwei Jahre später, im Sommer des Jahres 2072, scheint endlich Ruhe in der Milchstraße eingekehrt zu sein und die Normalität zu herrschen, die sich jedermann wünscht. Da erhält Ren Dhark einen Notruf von der Erde: Arc Doorn, Chris Shanton und Amy Stewart haben eine uralte Einrichtung der Wächter unterhalb des Titicacasees erforscht und wurden von einem bislang ungeklärten Phänomen in die Galaxis Voktar verschlagen. Ren Dhark eilt seinen Freunden zu Hilfe, und auf der Suche nach einem Weg zurück in die Milchstraße fliegen die Terraner einen weiteren vielversprechenden Planeten an, wo es für die Raumfahrer überraschend sehr gefährlich wird …
1.
Bram’kur rief etwas. Beschimpfungen? Hetztiraden? Ren Dhark vermochte es in der aufgeheizten Atmosphäre nicht zu verstehen. Auf jeden Fall gelang es dem Hem’brach, die Menge gegen die Menschen aufzustacheln – oder genauer, gegen die Narreter, denn für solche hielt der entfesselte Mob die Neuen auf Morrotu.
Dharks Leute flohen durch eine Gasse, der Straße entgegen, auf der zur nächtlichen Stunde nur spärlicher Schweberverkehr herrschte. Amy Stewart hielt sich an der Seite ihres Gefährten. Ihnen folgten Chris Shanton und Arc Doorn, hinter denen Bram Sass und Jes Yello absicherten. Zwischen den Cyborgs hetzte Wolfram Bressert über den Asphalt. Artus und Jimmy bildeten den Abschluss. Hin und wieder warf der Roboterhund einen Blick nach hinten, bellte der Meute zu, von der Dhark den Eindruck hatte, dass sie ständig größer wurde, und fletschte die künstlichen Zähne.
»Dafür, dass sie uns anfangs freundlich willkommen hießen, schlägt das Pendel inzwischen ganz schön heftig auf die andere Seite aus«, brummte Doorn.
Dhark nickte wortlos, während er dem Straßenverlauf folgte. Der rothaarige Worgunmutant untertrieb noch. Die von Bram’kur aufgepeitschte Meute wollte ihnen an den Kragen. Die allgegenwärtige unterschwellige Angst vor den Friedensstiftern und ihren Helfershelfern, den Reckbatz, führte dazu, dass die Völker Voktars wider jede Vernunft handelten. Das galt auf Morrotu ebenso wie auf anderen Welten, wo die Raumfahrer aus der Milchstraße ähnliche Erlebnisse hinter sich hatten.
Dhark orientierte sich. »Wir müssen nach links hinüber!«, rief er seinen Gefährten zu.
Denn dort lag der Raumhafen, wo Parock sie mit dem Xe-Flash erwartete – oder mit der Large, wie das große Beiboot auf Worgun hieß. Dhark zögerte, den Kraval zu Hilfe zu rufen. Für seinen Geschmack hatten sie schon wieder zu viel Aufmerksamkeit erregt.
Ihre ständigen Versuche, möglichst unauffällig an Informationen zu gelangen, verkehrten sich in schöner Regelmäßigkeit ins Gegenteil.
»Durch das Gewirr der Gassen?« Die Vorstellung behagte Bram Sass nicht. Der stämmige Ladiner mit dem schulterlangen, dunklen Haar zeigte sich wenig angetan von der Vorstellung. »Dort können wir Sie nicht abschirmen, Sir.«
Dhark überhörte den Einwand des Cyborgs. Er lief über die Straße und schlug die von ihm selbst angegebene Richtung ein.
Der Lärm der Verfolger blieb ein wenig zurück. Der Vorsprung der Flüchtlinge vergrößerte sich, wenn auch nicht entscheidend.
Auf der Straße hielt ein Schweber an, wodurch zwei nachfolgende Fahrzeuge behindert wurden und gezwungen waren, ebenfalls stehenzubleiben.
Aus dem vorderen Wagen sprangen zwei Hem’brach ins Freie und wollten sich den Narretern entgegenstellen, kleinwüchsige, fellbewachsene Vierbeiner mit dem Aussehen von Hermelinen und dem Gesicht von Nasenaffen.
Der Commander ahnte, dass Bram’kur über die sozialen Netzwerke weiteren Unfrieden stiftete, doch die beiden Einheimischen kamen zu spät, um Dharks Truppe den Weg zu verbauen.
In den anliegenden Gassen hatte man noch nichts von der Verfolgungsjagd mitbekommen. Das änderte sich jedoch schnell, was Dhark in seiner Einschätzung bestätigte, dass Bram’kur die Hetze über öffentliche Kanäle koordinierte.
»Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Ordnungskräfte auf den Aufruhr aufmerksam werden«, unkte Stewart.
»Damit kämen wir wieder einmal vom Regen in die Traufe«, gab Dhark zurück. »Darauf verzichte ich gerne.«
»Dummerweise interessiert das die dahinten«, der weibliche Cyborg deutete mit dem Daumen über die Schulter, »herzlich wenig.«
Dhark antwortete nicht. Da sich vor ihnen ein paar Loon, Florandiner und Hallalor zusammenrotteten, wich er willkürlich in eine Seitengasse aus.
Dank der Cyborgs und der Roboter befanden sich die Besucher auch einer deutlichen Übermacht gegenüber im Vorteil, doch Dhark wollte nach Möglichkeit jeden physischen Zusammenstoß vermeiden. Eine Keilerei mit verletzten Einheimischen würde die Lage noch verschärfen. Kam ihnen dennoch jemand zu nahe, der sie aufhalten wollte, wiesen die Cyborgs die Aggressoren rigoros in die Schranken, was ihnen wüste Flüche und derbe Beschimpfungen einbrachte. Dhark verzichtete darauf, Sass und Yello zu bremsen. Er dachte nicht daran, den Angreifern auch noch die andere Wange hinzuhalten. Wer keine andere Sprache verstand und darauf erpicht war, sich eine blutige Nase zu holen, trug selbst die Schuld daran.
Auch als Neulinge, dachte der Commander grimmig, brauchen wir uns nicht alles gefallen zu lassen.
In der Folgezeit wechselte er wiederholt die Richtung, darauf achtend, dass sie sich nicht wieder vom Raumhafen entfernten. Die Meute der Verfolger erhielt weiteren Zulauf, und es wurde immer deutlicher, dass die Flucht durch das Gassenlabyrinth zwangsläufig in eine Sackgasse führen musste.
Es dauerte nicht lange, bis die Menschen tatsächlich zwischen zwei aus verschiedenen Völkern Voktars bunt zusammengewürfelten Gruppen eingekeilt wurden.
Wie selbstverständlich schoben sich die Cyborgs an Dhark vorbei an die Spitze. Artus blieb als Nachhut dicht hinter seinen menschlichen Gefährten.
»Sollen wir durchbrechen, Sir?«, erkundigte sich Jes Yello. Man sah dem unscheinbaren Australier mit der zierlichen Figur seine körperlichen Fähigkeiten nicht an, doch wie jeder seiner Cyborg-Kollegen war er in der Lage, auch scheinbar überlegene Gegner im Handumdrehen auszuschalten.
Dhark schüttelte den Kopf. »Es sind zu viele, hinzu kommen die hinter uns. Wenn wir uns gewaltsam einen Weg bahnen, haben wir in Kürze ganz Laguna gegen uns. Wir schlagen uns über die Dächer durch.«
Kaum eins der umliegenden Gebäude wies mehr als zwei Stockwerke auf. Fenstervorsprünge und Erker boten geeignete Voraussetzungen für eine Kletterpartie. Als die Menschen sich an den Aufstieg machten, stieß Jimmy ein klägliches »Wuff« aus.
»Schon gut, Kleiner, wir vergessen dich schon nicht.« Artus hob den künstlichen Scotchterrier mit dem pechschwarzen Fell auf und warf ihn aufs Dach. Der Roboter selbst bildete den Abschluss.
Dhark kam auf dem Flachdach auf die Beine und verschaffte sich einen Überblick. Unten vereinten sich die beiden Gruppen zu einer lärmenden Horde. Für einen Moment entdeckte er den wie entfesselt auf die Schar einredenden Bram’kur. Dabei war die Hetze des Hem’brach überflüssig. Längst hatte sich die Raserei des Mobs, dem sich Passanten aus weiteren Gassen anschlossen, verselbstständigt.
Wusste das brodelnde Völkergemisch überhaupt, um was es ging? Vermutlich nicht. All diese Wesen kühlten ihr Mütchen an einer scheinbar unterlegenen Minderheit.
Unwillkürlich dachte Dhark an die Karrssk, die Schuhabstreifer von Voktar. Kaum dass sich denen da unten ein Ventil bot, den permanent auf ihnen lastenden Druck möglicher Repressalien durch die Reckbatz ein wenig zu mindern, verfielen sie in archaische Verhaltensmuster: gemeinsam gegen die Schwächeren, um sich selbst ein kleines bisschen besser zu fühlen.
Entweder gegen die Karrssk, dachte Dhark bitter, oder gegen uns.
Unter diesem Aspekt betrachtet gerieten sämtliche Bestrebungen der Friedensstifter, sämtliche Direktiven der unbekannten Strippenzieher in Voktar zur Farce.
*
Die Terraner setzten ihre Flucht über die Dächer fort. Dabei achteten sie darauf, von der Straße aus nicht gesehen zu werden. Dharks Hoffnung, auf diese Weise einen größeren Vorsprung herauszuschlagen, erfüllte sich jedoch nicht.
»Sie bleiben an uns dran«, raunte Stewart ihrem Freund zu.
»Sie sprechen sich ab«, sprach Dhark aus, was er schon zuvor vermutet hatte. Er glaubte, in der Ferne in den Nachthimmel stechende Lichtlanzen und sich über Kilometer erstreckende Lichtbänder zu sehen, in regelmäßigen Abständen errichtete Scheinwerfer, die Start- und Landefelder säumten. »Vermutlich können sie sich auch denken, dass wir auf dem Weg zum Raumhafen sind.«
Die Hatz durch die nächtliche Hauptstadt gestaltete sich zunehmend kräftezehrender. Gelegentlich ging es nicht weiter, sodass sie gezwungen waren, über Gassen hinweg von einem Dach aufs andere zu springen. Zweimal mussten die Cyborgs ihre nicht mit überlegenen Kräften ausgestatteten Kameraden sogar hinüberwerfen, weil diese es nicht aus eigener Kraft geschafft hätten, die Distanz zu überwinden.
»Zwergenwerfen«, murmelte der betroffene Shanton mit grimmiger Miene und einem Anflug von Sarkasmus.
Während der Kraftaufwand der fortgesetzten Flucht den Cyborgs nichts ausmachte, fürchtete Dhark, bald an seine Grenzen zu gelangen. Noch mehr galt das für Bressert, Doorn und Shanton, wobei speziell das Gesicht des letzteren von der Anstrengung gerötet war. Der Atem des Ingenieurs ging pfeifend. Flüche mischten sich in sein Schnaufen. Er fiel jetzt immer häufiger hinter die anderen zurück.
»Soll ich Sie ein Stück tragen?«, bot Bram Sass an.
»Ihnen geht es wohl zu gut? Kommt nicht in Frage.« Shantons Worte gingen in ein Husten über. Um sie zu untermauern, tippte er sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn.
Minuten später erübrigte sich das Angebot des Ladiners ohnehin. Vor den Gefährten lag eine weitere breite Gasse, die nicht jeder von ihnen mit einem Sprung überwinden konnte. Vom gegenüberliegenden Dach wehten ihnen Stimmen entgegen.
»Sie sind hinaufgeklettert«, stellte Bressert fest. Der Anthropologe wischte sich mit dem Ärmel seiner Kombi den Schweiß von den Stirn. »Sie haben uns den Weg abgeschnitten. Dort drüben kommen wir nicht weiter.«
Yello vergewisserte sich, dass die Dächer hinter ihnen immer noch frei waren. »Also zurück?«
»Auf keinen Fall«, grunzte Doorn. »Da hinten erwischen sie uns früher oder später zwangsläufig.«
»Arc hat recht«, stimmte Dhark zu.
Artus trat bis an die Kante vor. »Dann gibt es nur eine Möglichkeit, wie wir durchkommen. Ich springe mit den Cyborgs hinüber, und wir räumen das Dach.«
Drüben hatte sich eine Gruppe aus mehreren Dutzend Wesen versammelt, die nun vorrückten. Sie brüllten siegessicher, da weitere Unterstützer aus der Gasse zu ihnen hinaufkletterten. Den Rädelsführer Bram’kur entdeckte Dhark nicht.
Der Commander scheute davor zurück, Artus und die Cyborgs loszulassen. Es würde zu Verletzten kommen, zu zahlreichen Verletzten sogar, zu Schwerverletzten und möglicherweise sogar zu Toten.
»Abgelehnt, Artus«, entschied Dhark.
»Wie du meinst.« Der Roboter zupfte sein grünes Stirnband mit dem goldenen »A« zurecht. »Aber zurück auf die Straße können wir auch nicht mehr. In den umliegenden Gassen haben sich inzwischen ein paar Hundert Individuen versammelt, und die kochen vor Wut. Sie wissen, wo wir sitzen und dass wir weder vor noch zurück können. Es wird also nicht lange dauern, bis sie Mittel finden, zu uns vorzudringen. Spätestens dann können wir dem Kampf, den du unbedingt vermeiden willst, nicht länger aus dem Weg gehen.«
»Mich wundert, dass die Polizei nicht eingreift«, warf Bram Sass ein. »Egal auf welcher Welt Voktars, wir wissen, dass den Ordnungskräften nichts an einem Aufruhr gelegen ist. Es kann doch nicht sein, dass sie noch nicht mitbekommen haben, was hier geschieht.«
»Nein«, sagte Artus. »Aber offenbar sehen sie keinen Grund einzuschreiten. Vielleicht fürchten sie, dass die Situation eskaliert.«
»Eskaliert?« Shanton rang nach Atem. »Wie wollen wir das hier denn nennen?«
Dhark konnte die Missstimmung seiner Leute nachvollziehen. Er tat, was er eigentlich hatte vermeiden wollen. Er winkelte den Arm an, aktivierte sein Vipho und funkte Parock an.
*
Der vier Meter große Kraval saß in dem speziell für ihn angefertigten Pilotensessel des Xe-Flash. Mangels anderer Beschäftigung beobachtete er das geschäftige Treiben auf dem Raumhafen von Morrotu. Sogar in der Nacht landeten und starteten Raumschiffe von Völkern, die mit den Hem’brach Handel trieben. Manche der Raumer kannte er von früheren Begegnungen in Voktar, andere waren ihm völlig fremd. Seit dem Aufbruch von Ren Dharks Truppe hatte sich niemand um die Large gekümmert, wofür Parock dankbar war.
Als der Funk anschlug, ruckte der vierbeinige Hüne vom Planeten Brock in die Höhe, was seinem Sessel ein gequältes Ächzen entrang. Parock kontrollierte den eingehenden Anruf. Erst als er sich sicher war, dass ihn Dhark rief und nicht die Raumhafenkontrolle, nahm er das Gespräch entgegen.
»Hallo, Ren, wie kann ich euch helfen?«, fragte er, ohne überflüssige Floskeln zu bemühen. Sein terranischer Freund hätte sich nicht gemeldet, wenn, wie die Menschen sich ausdrückten, keine Not am Mann war.
»Wir sitzen auf einem Hausdach fest«, kam Dhark ebenso prompt zur Sache. »Einige Hundert Voktarer haben uns eingekreist. Du musst uns hier rausholen.«
»In Ordnung.«
»Artus schickt dir ein Peilsignal.«
»Verstanden.« Parock aktivierte bereits den Antrieb und griff auf die Steuerung zu. »Ich fliege sofort los.«
Dhark bestätigte und beendete die Verbindung.
Parock brachte den Xe-Flash in die Luft.
Sekunden später zeigte sich, dass das kleine Schiff der Narreter unter ständiger Beobachtung stand. Von der Raumhafenkontrolle ging ein Funkspruch ein, den der Kraval tunlichst ignorierte. Der von Artus emittierte Impuls traf deutlich ein und wies ihm den Weg. Allerdings rechnete Parock damit, dass die Hem’brach ihn ebenfalls aufschnappten. Es kam also darauf an, wer das Ziel als Erster erreichte. Da der Hüne nicht wusste, unter welchen Umständen seine Kameraden in die missliche Lage geraten waren, wollte er unbedingt vor den Sicherheitsorganen bei ihnen sein.
Der Xe-Flash stieg auf, zischte an der Peripherie der Landefelder entlang und schoss stadteinwärts. Inzwischen beherrschte Parock die Large dank seines fliegerischen Geschicks beinahe so virtuos wie Ren Dhark die POINT OF.
Während der Kraval dem Peilsignal folgte, wurde er wiederholt von der Raumhafenkontrolle angefunkt. Er ignorierte deren Bemühungen. Dass er mit dem kleinen Schiff keine feindselige Aktion vorhatte, lag auf der Hand. Die Hem’brach würden also davon absehen, ihn gewaltsam aufzuhalten.
Oder? Wer weiß, was vorgefallen ist …
Parock verdrängte die Überlegung und konzentrierte sich auf den Flug. Es vergingen keine drei Minuten, bis er den Ausgangsort des Signals erreichte.
Der Außenscheinwerfer des Xe-Flash entriss das Außenteam der Dunkelheit. Ein rund hundertköpfiger pöbelnder Mob bevölkerte ein benachbartes Dach. Dass die wütende Menge bisher nicht zu Ren und den anderen vorgedrungen war, lag nur daran, dass es ihr nicht gelang, die breite Gasse zu überwinden. In der Dunkelheit gingen sie nicht das Risiko ein, sich bei einem Sprung die Knochen zu brechen.
In der Straße selbst sah die Lage kaum friedlicher aus. Der Häuserblock wurde ringsum von einer mehrhundertköpfigen Menge belagert.
Mit ruhigen Tentakeln drückte Parock den Xe-Flash tiefer. Das Beiboot senkte sich dem Dach entgegen und verharrte in einem halben Meter Höhe in der Schwebe. Parock hieb auf ein Sensorfeld, und die Schleuse hinter der plumpen Rumpfnase öffnete sich. Geräuschlos fuhr die Rampe aus, sodass seine Freunde einsteigen konnten. Der Hüne schaute zum Nachbardach hinüber. Er erwartete, dass sich der Zorn der Versammelten noch steigern oder nun gegen ihn richten würde, doch das Gegenteil geschah. Auf einmal stumm und regungslos beobachteten die Wesen das Geschehen. Es kam Parock so vor, als hätte das Auftauchen der Large sie zur Vernunft gebracht.
»Wir sind an Bord«, vernahm der Kraval eine Stimme. Es war die von Ren Dhark. »Schleuse ist geschlossen. Bring uns weg von hier, Parock!«
Der Kraval ließ sich nicht zweimal bitten. Der Xe-Flash stieg vertikal in die Höhe, doch weit kam er nicht. Aus mehreren Richtungen rasten von Hem’brach gesteuerte Gleiter der Sicherheitskräfte heran. Wie ein Schwarm Hornissen umschwirrten sie das Dach. Sie ließen keinen Zweifel daran, dass sie einen eigenmächtigen Abflug der Narreter mit allen Mitteln verhindern würden. Dhark warf sich auf den Platz neben Parock und nahm den eingehenden Funkruf eines Hem’brach entgegen.
*
»Hier spricht Einsatzleiter Kim’plasch. Ich fordere euch auf, euch umgehend zu melden, Narreter.«
»Wir hören dich«, antwortete Dhark. Eine rasche Justierung der Optik sorgte dafür, dass Parock außerhalb des Aufnahmebereichs der Kamera saß. Weitere Gleiter trafen ein, von denen sich einige in den umliegenden Gassen verteilten, wo sie landeten. »Hier spricht Nerd.«
»Ihr werdet augenblicklich zum Raumhafen zurückfliegen und dort landen, Nerd«, verlangte Kim’plasch. »Andernfalls sehe ich mich gezwungen, das Feuer auf euch eröffnen zu lassen.«
»Soll ich der Aufforderung Folge leisten, Ren?«, flüsterte Parock.
Dhark schüttelte den Kopf. »Noch nicht.« Eilig berichtete er dem Einsatzleiter, wie es zu der Auseinandersetzung gekommen war. »Selbstverständlich lag uns nichts an einer Konfrontation. Wir ahnten nicht, was wir mit einer Parteinahme für die Karrssk anrichten würden. Ich entschuldige mich dafür, dass unser Besuch zu einer solchen Eskalation geführt hat. Ich weise jedoch darauf hin, dass es zu keinen Verletzten gekommen ist.«
Zumindest hoffte Dhark, dass dies zutraf. Er lauerte auf die Reaktion des Hem’brach. Einige Sekunden vergingen, und es schien ihm so, als würde sich Kim’plasch mit jemandem unterhalten.
Endlich meldete sich der Einsatzleiter wieder. »Es sind tatsächlich keine Verletzten zu beklagen. Außerdem haben sich meine Leute in den Gassen umgehört. Anscheinend handelt es sich bei den Versammelten überwiegend um Betrunkene, zumindest bei den Anstiftern. Deine Schilderung der Geschehnisse scheint der Wahrheit zu entsprechen. Die meisten Mitläufer haben einfach nur über die Stränge geschlagen. Sie behaupten, gar nicht zu wissen, um was es geht.«
»Offenbar handelte es sich um ein bedauerliches Missverständnis.« In den Gassen begann sich die Menge bereits zu zerstreuen. Auch der Mob auf dem gegenüberliegenden Dach zog sich zurück. Niemand legte Wert darauf, sich mit den Sicherheitskräften anzulegen. »Vielleicht gingen wir zu forsch vor, was jedoch nicht in unserer Absicht lag. Halte uns bitte zugute, dass wir Neulinge sind, und das in mancherlei Hinsicht. Wir müssen eingestehen, dass wir unsere Unerfahrenheit im Umgang mit anderen Völkern unterschätzt haben.«
»Das habt ihr in der Tat. Allerdings kann ich euch deswegen keinen Vorwurf machen. Eure anfänglichen Absichten waren die besten, wie ich von For’mak, eurem Kontaktmann des Handelsrates, erfahren habe. Eure Unwissenheit soll euch nicht zum Nachteil gereichen.«
Dhark atmete auf. Kim’plasch klang zum Glück ganz vernünftig.
»Dennoch kann ich nicht über das Geschehene hinwegsehen«, fuhr der Hem’brach fort. »Wir können derlei Zwischenfälle auf Morrotu nicht dulden. Sie widersprechen unserer Friedfertigkeit und Produktivität.«
»Und das sollte den Friedensstiftern besser nicht zu Ohren kommen.« Dhark konnte Kim’plaschs Befürchtungen nachvollziehen. »Wir möchten nicht, dass ihr unseretwegen Ärger mit den Reckbatz bekommt. Schließlich tragt ihr keine Schuld an dem Vorfall. Was hältst du davon, dass wir Morrotu umgehend verlassen, damit es nicht zu weiteren Zwischenfällen kommt?«
Der Hem’brach schwieg. Er schien über den Vorschlag nachzudenken. Schließlich sagte er: »Ich ziehe eine solche Lösung in Erwägung.«
Dhark wusste genau, was hinter Kim’plaschs Stirn vorging. Das Aufeinandertreffen zwischen Einheimischen und Neulingen war weder friedlich noch produktiv verlaufen. Es kam den Friedensstiftern besser nicht zu Ohren, von einer möglichen Ausweitung der Differenzen ganz zu schweigen.
»Wir können mit unserem Schiff von hier aus auf direktem Weg ins All aufbrechen«, schlug er vor.
»Einverstanden«, erfolgte die Antwort des Hem’brach ohne weiteres Nachdenken. »Ich bedauere, dass euer erster Versuch, Handelskontakte zu knüpfen, gescheitert ist, sowohl in eurem als auch in unserem Interesse. Dieser Misserfolg bedeutet aber nicht, dass wir Handelsbeziehungen mit euch Narretern auch in Zukunft ablehnen. Ich gebe euch einen freundschaftlichen Rat mit auf den Weg: Besucht Morrotu in ein paar Monaten oder Jahren wieder, nachdem ihr erfolgreich Handelsbeziehungen zu anderen Völkern geknüpft habt. Niemand kann euch dann mehr vorwerfen, als Unruhestifter zu kommen.«
»Eine gute Idee«, heuchelte Dhark. Beide Seiten verbargen ihre Erleichterung darüber, glimpflich aus der Sache herauszukommen. Nach ein paar weiteren belanglosen Worten verabschiedete sich der Commander und beendete die Verbindung. »Die sind froh, uns los zu sein. Du hast es gehört, Parock, bring uns weg von hier.«
Der Kraval steuerte den Xe-Flash von der Planetenoberfläche fort. Niemand hielt die Narreter auf, doch Dhark war sich sicher, dass sie bis zum Verlassen der Atmosphäre und darüber hinaus aufmerksam beobachtet wurden.
Als Parock beschleunigte, wurde Morrotu schnell kleiner und verschwand wenig später aus der optischen Erfassung. Dhark wies den Piloten an, dicht am Versteck der POINT OF vorbeizufliegen. In der Nähe des ausgehöhlten Asteroiden, in dem sich der Ringraumer verbarg, strahlte er einen schwachen, komprimierten Funkspruch mit Koordinaten für das Rendezvous der POINT OF mit dem Beiboot ab.
*
Unterwegs begegneten die Raumfahrer weder Schiffen der Reckbatz noch grünen Ter-Raumern der Friedensstifter. Auf dem Weg zum Treffpunkt mit der POINT OF schliefen sie abwechselnd, wenn auch mehr schlecht als recht. Einen halben Tag später schleuste der Xe-Flash in den Ringraumer ein. Zunächst informierte Ren Dhark die Besatzung über die Ereignisse auf Morrotu, dann versammelte er die Führungsriege zur Besprechung in der Zentrale. Im Raum stand die unterschwellige Frage, die Dharks Stellvertreter Hen Falluta schließlich aussprach: »Was unternehmen wir nun, Commander?«
»Die Frage müsste lauten: Was können wir unternehmen?«, warf Tino Grappa ein.
Die Finger des Mailänders vollführten einen Trommelwirbel auf der Bedienkonsole seiner Ortungsanlage. Grappas Körpersprache drückte ebenso wenig Zuversicht aus wie die des Zweiten Offiziers Leon Bebir und des Funkers Glenn Morris. Arc Doorn zog wieder einmal ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, stellte Dhark fest.
Nicht ungewöhnlich.
Doch dies war nicht der richtige Moment, um die Köpfe hängen zu lassen. Dhark schnaubte. Wie oft hatte er sich das seit ihrem Eintreffen in Voktar gesagt? Wie oft hatte er sich damit Mut gemacht und sich auf diese Weise neu motiviert, wenn sie sich in einer Sackgasse zu befinden schienen? Ihm gelang es immer wieder, den nächsten Schritt ins Auge zu fassen, sich das nächste Ziel zu setzen, doch der Frust, der seine Leute zu lähmen drohte, entging ihm nicht.
»Machen wir uns nichts vor«, brachte Doorn die überwiegend schlechte Stimmungslage auf den Punkt. »Unser Abstecher ins Schlingpun-System war ein einziger Schlag ins Wasser.«
»Nein, das war er nicht«, widersprach Dhark entschieden.
Sämtliche Augenpaare richteten sich auf den Commander, einige verständnislos, andere hoffnungsvoll. Seine Leute orientierten sich an ihrem Kommandanten. Wenn es keinen anderen Hoffnungsschimmer zu geben schien, richteten sie sich an ihm auf. Das setzte aber voraus, dass er Zuversicht zeigte und Entschlossenheit an den Tag legte. Er selbst durfte keine Zweifel erkennen lassen. Wenn er sich welche erlaubte, durfte das kein anderer mitbekommen.
»Sie vergessen die bevorstehende Konferenz auf Ærini, Arc«, fuhr er zuversichtlich fort. »Sämtliche raumfahrenden Völker Voktars sind dazu eingeladen. Dass die Konferenz stattfindet, können wir uns ans Revers heften, denn ohne das Aufsehen, das unsere zehn Ringraumer erregt haben, wäre es nicht dazu gekommen. Es ist daher nur recht und billig, wenn wir ebenfalls daran teilnehmen.«
»Die Reckbatz werden unser Auftauchen sicher nicht tatenlos hinnehmen«, warnte Grappa.
Dhark zwinkerte seinem Ortungschef grimmig zu. »Ich beabsichtige nicht, den anderen Konferenzteilnehmern unsere Gegenwart auf die Nase zu binden, Tino.«
Doorn ließ sich von Dharks Enthusiasmus anstecken. Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Ærini! Natürlich, Sie haben recht, Ren. Dass ich nicht selbst daran gedacht habe! Ich will doch mal sehen, ob ich diese Welt in den Karten der Corell finde.«
Der Rotschopf rief das Kartenmaterial aus den Speichern des Checkmasters auf. Gemeinsam mit Shanton machte er sich daran, die in Teilen nicht mehr aktuellen Unterlagen zu durchforsten.
Die Raumfahrer hatten bei verschiedenen Gelegenheiten die Erfahrung gemacht, dass die Angaben der Kartografen veraltet waren. Dennoch stand ihnen keine bessere Informationsquelle zur Verfügung.
Dhark wappnete sich mit Geduld, doch er brauchte nicht lange auf ein Ergebnis zu warten. Als Doorn fündig wurde, reckte er einen Daumen nach oben. »Das Sonnensystem nennt sich Nædara-System, benannt nach Nædara, einem großen Stern der Spektralklasse A. Ærini ist der fünfte von dreiundzwanzig Planeten. Er und Nummer sechs liegen in der Lebenszone«, rasselte der Worgunmutant die zur Verfügung stehenden Daten herunter. Er stieß einen Pfiff aus. »Bei Ærini handelt es sich um eine übergroße Sauerstoffwelt mit dem dreifachen Durchmesser der Erde.«
»Wie heißt das dort ansässige Volk?«, erkundigte sich Dhark.
»Es gibt keinen diesbezüglichen Eintrag«, stellte Shanton fest. »Dafür findet sich unter dem Eigennamen des Planeten eine Anmerkung in der Sprache der Corell. Er wird auch als ›Hort des Friedens‹ geführt.«
»Klingt nicht schlecht«, fand Grappa.
Doorn winkte ab. »Namen sind Schall und Rauch, besonders in Voktar. Einen besseren Beweis als die Eigenbezeichnung der Friedensstifter kann es dafür ja wohl nicht geben. Wenn ich hier mit einem solchen Euphemismus konfrontiert werde, dann werde ich besonders hellhörig. Wir sollten tunlichst die Augen offenhalten.«
»Zumal wir damit rechnen müssen, dass die Reckbatz oder sogar die Friedensstifter einen Blick auf die Konferenz werfen werden«, stimmte Stewart dem Rotschopf zu.
Dhark nickte, sich der Gefahr bewusst. Er gab seinem Stellvertreter einen Wink. »Sie übernehmen die Steuerung, Mister Falluta.«
2.
Die POINT OF schlicht durch NGK 3109, wie Voktar in den Sternenkarten der Menschen hieß. Dhark ging kein Risiko ein. Zwar flog sein Schiff mit Sternensog, jedoch nur im gemäßigten Geschwindigkeitsbereich, was Doorn zu der Bemerkung verleitete, das Flugverhalten des Ringraumers gleiche dem einer flügellahmen Ente.
Zudem ließen Dhark oder Falluta das Schiff immer wieder unter Lichtgeschwindigkeit fallen, um in Ruhe den vor ihnen liegenden Raumbereich durchmessen zu können.
So erreichten die Terraner das Nædara-System, ohne dass es unterwegs zu unliebsamen Zwischenfällen kam, erst nach knapp einer Woche.
In großem Abstand zum äußeren Umläufer, einer lebensfeindlichen kleinen Eiswelt, brachte Falluta, der zu diesem Zeitpunkt die Steuerung bediente, die POINT OF zum relativen Stillstand. Mit aktivierter Tarnung trieb sie im Leerraum.
Sowohl Tino Grappa als auch die Bordastronomen verfielen in hektische Aktivität.
Die Messungen bestätigten, dass es sich bei dem Zentralgestirn um einen Weißen Riesen mit Blauanteilen handelte. Jens Lionel meldete aus der Astro, dass Ærini trotz seiner Größe gerade einmal die ungefähre Masse der Erde aufwies. Astrophysiker Spence Claus Bentheim vermutete, dass die Welt überwiegend aus leichten Elementen bestand.
»Oder der Planet ist im Inneren hohl«, spekulierte Grappa. »Aber um das ortungstechnisch festzustellen, müssten wir näher ran.«
Gleiches galt auch für eine genauere Untersuchung der Planetenzusammensetzung. In dem Fall kam ein erheblicher Zeitaufwand hinzu. Die Zeit hätte Dhark sich gern genommen. Am liebsten würde er sich wie schon im Schlingpun-System wieder mehrere Tage Zeit nehmen, um alles ausgiebig zu beobachten, bevor sie aktiv wurden, doch diese Zeit stand ihnen nicht zur Verfügung, schließlich wollten sie an der Konferenz teilnehmen. In das Sonnensystem einzufliegen lehnte Dhark zudem kategorisch ab.
»Orten Sie S-Kreuzer der Reckbatz, Mister Grappa?«, erkundigte er sich.
»Negativ, Commander. Auch keine Ter-Raumer. Keine Spur von den Friedensstiftern oder ihren Handlangern.«
»Gut. Mister Morris?«
Der Funker hatte längst damit begonnen, den planetaren Funkverkehr abzuhören. »Auf Ærini tummeln sich zahlreiche Völker«, trug er seine Erkenntnisse vor. »Anscheinend herrscht ein völlig friedliches Miteinander. Wissen, Kunst und Kultur nehmen auf Ærini offenbar einen hohen Stellenwert ein. Ich glaube, ich weiß, warum in den Karten der Corell kein Heimatvolk genannt wird. Es gibt keines. Diese Welt steht unter Verwaltung verschiedener Völker, von denen keines Besitzansprüche erhebt. Bei Ærini scheint es sich um eine Gemeinschaftswelt zu handeln, über die alle bestimmen, die dort ansässig sind.«
»Ein Hort des Friedens«, zitierte Shanton die Anmerkung der Kartografen. »Es scheint etwas dran zu sein.«
»Schön wäre es.« Doch Dhark blieb skeptisch. »Wir beziehen hier Position. Ich beabsichtige, wieder den Xe-Flash auf die Reise zu schicken.«
»Mit demselben Außenteam wie auf Morrotu?«, wollte Shanton wissen.
Dhark kratzte sich am Kopf. »Gute Frage, Chris. Ich würde gern wieder selbst an der Mission teilnehmen.«
»Davon rate ich ab«, meldete sich Artus zu Wort. »Wie wir wiederholt festgestellt haben, reagieren alle Völker in Voktar merkwürdig auf Humanoide. Außerdem wissen wir nicht, wie viel von den durch die Narreter ausgelösten Krawallen auf Morrotu bis hierher durchgedrungen ist. Natürlich liegt den Hem’brach nicht daran, dass die Unruhen in ihrer Heimat publik werden, weil sie keinen Wert auf Besuch der schießwütigen Reckbatz legen, aber auf der Handelswelt landen und starten ständig Raumschiffe. Es bedarf keiner offiziellen Verlautbarungen, um die Gerüchte von einer Welt zur nächsten zu tragen. Raumfahrer sind nun einmal Klatschtanten, die gern die neuesten Geschichten weitererzählen.«
»Ist das so?« Doorn warf dem Roboter einen giftigen Blick zu.
Artus nestelte an seinem Stirnband. »Anwesende natürlich ausgenommen. Im Übrigen bleibe ich bei meiner Empfehlung, keine Humanoiden zu schicken.«
Dhark nickte. Artus’ Argumentation leuchtete ihm ein. Es war fahrlässig, das Glück herauszufordern, wenn andere Optionen zur Verfügung standen. Eine dieser Optionen meldete sich prompt zu Wort.
»Dann bin ich die richtige Wahl für den Einsatz«, behauptete Parock. »Weder bin ich humanoid noch auf Morrotu in Erscheinung getreten. Ich brauche nicht mal einen Piloten.«
»Du willst selbst fliegen, mit dem Xe-Flash?«
»Sicher. Die normalen Flash scheiden ebenso aus wie die POINT OF.« Entschlossen erhob sich der Kraval aus seinem großen Spezialsessel und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Seine wuchtige Gestalt verdeckte die Bildkugel. »Ich gehe nicht davon aus, dass das Aussehen der Large Aufmerksamkeit erregen wird. Diesen Schiffstyp kennen sie in Voktar nicht, und er ist nicht so spektakulär, dass man ein besonderes Augenmerk darauf richtet.«
»Dich wird man aber nicht so leicht übersehen«, gab Stewart zu bedenken. »Du weißt selbst am besten, dass du nicht gerade unauffällig bist.«
»Auf Ærini werde ich einen regelrechten Schmelztiegel vorfinden. Es ist daher unwahrscheinlich, dass man ausgerechnet auf mich achtet«, wischte Parock Amys Bedenken beiseite. »Ich halte mich zurück, Ren, um möglichst wenig aufzufallen.«
»Meinetwegen«, willigte Dhark ein. »Aber du fliegst nicht allein. Doris, ich möchte, dass du Parock begleitest.«
»Ich habe nichts dagegen.«
Dhark fasste die rötliche Wächterin ins Auge. »Spricht etwas dagegen, dass du als eine Art Dienstroboter auftrittst, Doris?«
»Nein«, antwortete Shantons Gefährtin einsilbig.
»Und dass du deine Körperform der von Parock grob nachempfindest?«
»Auch nicht«, versicherte Doris.
Damit stand die Entscheidung fest. Parock und Doris bereiteten sich auf den Einsatz vor.
Eine halbe Stunde später verließ der Xe-Flash die POINT OF und raste auf das Nædara-System zu.
*
Parock betrachtete Doris – wie auch die anderen Wächter – durchaus als lebendes Wesen. Zwar besaß sie keinen biologischen Körper, aber eben doch eine organische Komponente, die ihr Wesen bestimmte.
Das, was einst eine terranische Frau gewesen war, steckte nun in dem polymetallischen Roboterleib, der neben dem Pilotensitz stand.
Immer wieder musste Parock hinschauen. Nach der physischen Umgestaltung ihres Körpers ähnelte die Wächterin einem Kraval, allerdings war sie kaum mehr als zwei Meter groß, und ihr Körper besaß weiterhin die rötliche Farbe, die er gewohnt war.
Die halbe Strecke zwischen dem Rand des Nædara-Systems und dem fünften Planeten lag hinter ihnen, als der Xe-Flash von Ærini aus angefunkt wurde.
»Es geht los«, sagte Doris, scheinbar emotionslos. »Du kannst dich also jetzt auf deinen Auftrag konzentrieren, statt mich weiterhin anzustarren.«
»Ich habe dich nicht angestarrt. Ich habe …« Parock fühlte sich peinlich berührt. Seine Blicke waren Doris also nicht entgangen. »Bitte entschuldige. Ich wollte dir nicht zu nahe treten, aber obwohl ich deine Fähigkeit kenne, jedwede Körperform anzunehmen, verwirrt es mich, dich in der Gestalt eines Kraval zu sehen.«
»Schon gut. Du solltest den Anruf entgegennehmen, bevor jemand auf die Idee kommt, wir hätten etwas zu verbergen.«
Parock bewegte einen seiner tentakelartigen Arme und aktivierte die Funkanlage.
Die Videoübertragung zeigte einen Sarrack, der seinen Namen nannte.
»Wer bist du?«, wollte er wissen. »Welchem Volk gehörst du an?«
Parock nannte seinen Namen. »Ich bin ein Kraval vom Planeten Brock. Wir haben von der Konferenz gehört, und mein Volk wählte mich als Abgesandten aus.«
»Ihr Kraval seid in der Handelsgemeinschaft bisher noch nicht in Erscheinung getreten«, wunderte sich der Sarrack. Die beiden gelben Panzerschalen bewegten sich nicht, nur der haarlose, schartige Schädel ruckte auf dem kurzen Hals hin und her. »Der Name deines Volkes ist mir nicht geläufig.«
Genau darauf setzte Parock, weswegen es ihm auch keine Sorge bereitete, den Namen seines Volkes und seiner Herkunftswelt zu nennen. Dass Brock in einer anderen Galaxis lag, verschwieg er wohlweislich. Da die Kraval erst vor wenigen Jahren auf der galaktischen Bühne der Milchstraße aufgetaucht waren, dürften sie in Voktar niemandem bekannt sein. Das galt auch für die Friedensstifter und ihre Helfer. »Ist Bekanntschaft bei anderen Völkern eine Voraussetzung, um an der Konferenz teilnehmen zu können?«
»Nein«, antwortete der Sarrack nach kurzem Zögern. »Du kommst spät. Die Konferenz hat bereits vor zwei Tagen begonnen. Das ist jedoch nicht schlimm, denn bisher halten sich die Abgesandten der verschiedenen Völker weitgehend mit Vorgeplänkel auf. Sie machen sich miteinander bekannt. Du hast also noch nicht viel verpasst.«
»Wie lange wird die Konferenz noch andauern?«
»Mindestens noch zehn weitere Tage.«
Parock nahm die Auskunft mit Zufriedenheit zur Kenntnis. »Wo findet sie statt?«
»Im großen Versammlungsforum«, der Sarrack nannte einen Parock unverständlichen Eigennamen, »im Zentrum der Stadt. Nach Verlassen des Raumhafens kannst du die Halle nicht übersehen. Du kommst allein?«
»Lediglich mein Dienstroboter Doris begleitet mich. Stellt das ein Problem dar?«
»Nein. Dein Roboter ist so willkommen, wie du es bist, Kraval. Ihr könnt euch frei in der Stadt bewegen. Ich lasse dir einen Leitstrahl schicken, der dein Schiff zu einer freien Landestelle führt.«
Parock bedankte sich, und die Verbindung endete. Er folgte dem eingehenden Leitstrahl, der ihm den Weg zum fünften Planeten und dort zum Raumhafen wies. Die Ortung ermittelte keine anderen anfliegenden Schiffe. Der Xe-Flash stellte den einzigen Nachzügler dar. Das Hafengelände übertraf sein Pendant auf Morrotu um ein Mehrfaches.
»Ein riesiges Areal«, staunte der Kraval. »Offenbar finden auf Ærini des Öfteren Zusammenkünfte statt, die große räumliche Kapazitäten erfordern.«
Auf den weiten Landefeldern reihte sich ein unüberschaubares Sammelsurium geparkter Raumer. Hier und da entdeckte Parock vertraute Schiffstypen, doch die meisten waren ihm unbekannt. Er landete auf dem zugewiesenen Stellplatz, der groß genug war, um auch die POINT OF aufzunehmen. Nach dem Aussteigen verriegelte Parock den Xe-Flash und sicherte ihn gegen Unbefugte. Vor den Gefährten erstreckte sich ein regelrechter Wald aus Raumschiffen.
*
Parocks Annahme nicht aufzufallen erwies sich gleich nach dem Verlassen der Large als Irrtum. Zwar erwartete ihn kein Begrüßungskomitee, aber ein kleiner Schweber näherte sich, von der Verwaltung geschickt, um den Kraval und seinen Dienstroboter zum Versammlungsforum zu bringen. Die das Gefährt steuernde Automatik öffnete eine Seitenluke und forderte den Nachzügler mit knarrender Stimme zum Einsteigen auf.
»Steig ein und nimm Platz, werter Handelsreisender, bevor die Konferenz zu Ende ist.«
»Zu Ende?«, fragte Parock verwundert. »Ich dachte, sie dauert noch zehn Tage an.«
»Das stimmt, aber man weiß ja nie, wie lange man für die Strecke braucht«, knarzte der Schweber.
»Soll das ein Scherz sein?«
»Selbstverständlich, werter Handelsreisender. Ich bin darauf programmiert, meine Fahrgäste zu unterhalten und ihnen Spaß zu bereiten. Entspanne dich also und mach dir wegen der Fahrtzeit keine Sorgen. Ich garantiere, dass wir das Versammlungsforum vor dem Ende der Konferenz erreichen. Es ist mir eine Freude, dich an dein Ziel bringen zu dürfen.«
»Danke«, brummte Parock. »Ein größeres Fortbewegungsmittel stand wohl nicht zur Verfügung?« Und eines mit weniger Unterhaltung und Bespaßung.
»Ich bin doch der Größte«, scherzte die Automatenstimme munter weiter.
»Deinen Humor möchte ich haben.« Es gelang dem riesigen Kraval kaum, sich durch den Zugang zu zwängen, und er beanspruchte gleich zwei Sitzplätze auf einmal. Sie ächzten unter seinem Gewicht.
»Das glaube ich, aber ich kann ihn dir leider nicht ausleihen.«
Parock verzichtete darauf, auf die Scherze des Schwebers einzugehen. Er stieß mit dem Kopf gegen die Decke und hatte den Eindruck, dabei eine Delle zu hinterlassen.
Doris stieg hinter ihm ein. Sie zog es vor, zwischen den Sitzreihen stehenzubleiben, wobei sie den nachgebildeten Kravalschädel einziehen musste, um nicht ebenfalls anzuecken.
»Es geht doch«, meldete sich wieder der Schweber.
Nein, es gebt eben nicht. Parock behielt die Antwort für sich. Er wollte nicht missmutig wirken.
Der Schweber ruckte an und schaukelte die Insassen kräftig durch. Offenbar hatte die Maschine ihre besten Jahre schon lange hinter sich. Die Fahrgastzelle knirschte und knackte, als würde sie jeden Moment auseinanderfallen. Zudem legte die Automatik einen halsbrecherischen Fahrstil an den Tag.
»Alles in Ordnung?«, fragte der Schweber. »Geht es dir gut, werter Handelsreisender? Ich muss doch hoffentlich nicht befürchten, dass dir schlecht wird und du deinen Mageninhalt von dir gibst?«
»Ein Kravalmagen verträgt noch ganz andere Belastungen als deinen Fahrstil.«
»Findest du, dass an meinem Fahrstil etwas auszusetzen ist?«
»Nein, gar nichts«, beeilte sich Parock zu versichern. Er kam sich vor wie in einen Albtraum versetzt.
»Dir wird wirklich nicht übel?«, bohrte die Automatik. »Ich hatte einmal einen Fahrgast, dem wurde so schlecht, dass er mir sämtliche Polster ruinierte. Und das war nur ein kleiner Hem’brach. Nicht auszudenken, dass dir dasselbe Missgeschick wie ihm passiert.«
»Das wird es nicht.« Parock hatte den Eindruck, dass Doris grinste, dabei war das mit ihrem glatten Gesichtsfeld überhaupt nicht möglich.
»Ich weiß, dass ich manchmal ein wenig schlingere, doch das kann ich leider nicht ändern«, plapperte der Schweber unverdrossen weiter. »Einer meiner Stabilisatoren ist defekt, aber für meinen Jahrgang gibt es keine Ersatzteile mehr.«
»Aha.«
»Man hätte euch ein anderes Fahrzeug geschickt, wenn eins zur Verfügung stehen würde. Wegen der Konferenz sind aber alle Wagen ausgebucht.«
Parock seufzte. »Kein Problem, wir kommen schon ans Ziel.«
»Manchmal früher, manchmal später, aber meistens lebend und in einem Stück.«
Parock fragte sich, was schlimmer war, die Geschwätzigkeit des Beförderungsmittels oder dessen Bemühungen, spaßig zu klingen. Trotz seines Körpergewichts wurde der Kraval hin und her geworfen, als der Schweber beschleunigte und in eine Verkehrslücke stieß. Bereits nach wenigen Minuten bedauerte er, überhaupt eingestiegen zu sein. Es wäre besser gewesen, sie hätten den Weg zum Versammlungsforum zu Fuß zurückgelegt.
Es herrschte reger Verkehr, aber der Schweber gab sich alle Mühe, so zu tun, als gehörte die Straße ihm allein. Er schnitt andere Fahrzeuge und führte wiederholt riskante Überholmanöver durch. Wenn er so weitermachte, konnte es nicht lange dauern, bis er buchstäblich aus dem Verkehr gezogen wurde. Dazu kam es jedoch nicht, denn wenig später bremste er abrupt ab, weil sich vor ihm die Fahrzeuge stauten und es kein Durchkommen gab.