Raumschiff Promet - Die Abenteuer der Shalyn Shan 01: Tod eines Cyborgs - Achim Mehnert - E-Book

Raumschiff Promet - Die Abenteuer der Shalyn Shan 01: Tod eines Cyborgs E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

Shalyn Shan und ihre Crew erproben die endlich fertiggestellte Promet V. Unterdessen geht bei der CRC eine Nachricht der verschollenen Bankor-Gruppe um Arn Borul, Peet Orell und Shalyns Mann Jörn Callaghan ein. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Die Promet V stößt auf eine gigantische Raumstation. Dort wartet ein Wächter aus der Vergangenheit auf die Rückkehr seines Herrn.

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RAUMSCHIFF PROMET-DIE ABENTEUER DER SHALYN SHAN 11

 

In dieser Reihe bereits erschienen:

Band 1 - DER VIRENPLANET Band 2 - DIE TOCHTER DES PFAUEN Band 3 - WELT DER KRAKEN Band 4 - DER SCHWARM AUS STAHL Band 5 - IN DEN GRAUZONEN Band 6 - DER STÄHLERNE KRIEG Band 7 - DIE SCHWARZE PAGODE Band 8 - PLANET DER SCHWARZEN RAUMER Band 9 - DAS ORAKEL VON CHRON Band 10 - NOTRUF AUS KATAI

Achim Mehnert

Tod eines Cyborgs

RAUMSCHIFF PROMET

Die Abenteuer der Shalyn Shan

Band 1

© 2014 by BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck Redaktion: Jörg Kaegelmann Titelbild: Mark Freier Umschlaggestaltung & Satz: Mark Freier

All rights reserved

Print ISBN: 978-3-89840-404-4 E-Book ISBN: 978-3-95719-461-9

www.BLITZ-Verlag.de

Inhalt

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

Prolog

Anfang August 2108 landet die SUUK II auf Bankor. An Bord befinden sich Peet Orell, Vivien Raid, die Moraner Arn und Junici Borul, Shalyn Shans Ehemann Jörn Callaghan sowie dreiunddreißig weitere Terraner. Alle folgen einem mysteriösen Gedankenbefehl, der sie zu einem Transmittertor führt. Sie folgen dem Ruf der Agaren und schreiten bereitwillig durch den Transmitter. Doch etwas läuft nicht nach Plan. Die Menschen werden auf den Planeten Draster verschlagen, treffen dort auf ein fremdes Volk und werden in Auseinandersetzungen zwischen den Stämmen Lidan und Walida verwickelt.

Clantho-Priester opfern Jörn Callaghan und Szer Ekka dem Orakel von Chron. Man stößt sie in das Relikt hinein. Tatsächlich handelt es sich bei dem Orakel um ein Chronoskop, eines jener geheimnisvollen Artefakte, denen Shalyn Shan schon früher in Katai begegnet ist.

Irk, der Sucher aus Zeit und Raum, ist mit seinem zylinderförmigen Raumschiff Zeiter seit Jahrtausenden auf der Jagd nach den Chronoskopen. Wo immer er sie in der Galaxis findet, zerstört er sie, so auch auf Draster. Dabei begegnen sich Irk und Peet Orell. Irk, der Einsamkeit überdrüssig, entführt Orell, um einen Gesprächspartner zu haben. Der Terraner wird von Draster verschleppt, ohne den Kameraden einen Hinweis auf seinen Verbleib hinterlassen zu können.

Callaghan und Ekka werden von einem weiteren Chronoskop auf eine unbekannte Welt transferiert. Dort ist der Nachthimmel sternenlos. Sie ahnen, dass sie sich nicht mehr in ihrem bekannten Universum befinden und erfahren, dass die hoch entwickelten Bewohner dieses Planeten, Kalar genannt, ihn für die einzige Welt halten. Nur der Philosoph Denfuch propagiert die These, dass es dort draußen ein ganzes Weltall voller Sonnen und Planeten geben müsse. Er ist im Besitz der einzigen hyperfunktauglichen Anlage. Es gelingt ihnen, Funkkontakt zu dem Voldok-Ra O’piin L’uu herzustellen. Schnell wird den beiden Terranern klar, dass sie auf einer von der AVATARA gebannten Welt hinter einem Parakon-Schleier der Alatiden gestrandet sind. Von hier ist keine Flucht möglich. O’piin L’uu verspricht, die Erde über ihren Aufenthaltsort zu informieren. Die Kalaren halten sich die Helferleins, eine Armee von willenlosen Arbeitssklaven, die niedrige Tätigkeiten verrichten.

Der Zeiter fliegt einen Raumbereich an, wo Irk und die Recheneinheit Trin ein weiteres Chronoskop vermuten. Orell kennt diese Region des Weltraums. Es handelt sich um den Katai-Sektor, in dem die Völkergemeinschaft AVATARA beheimatet ist.

1.

Ein Ausschnitt des Weltraums veränderte sich, die Sterne dahinter verschwanden. Der düstere Spiegel, der Sekunden zuvor noch nicht da gewesen war, wurde dunkler als die Schwärze des ihn umgebenden Alls. Es sah aus, als sei ein Stück aus dem Universum gestanzt worden.

„Abbremsen! Ausreichenden Abstand einhalten.“ Der Befehl kam mir wie von allein über die Lippen. Was bedeutet: ausreichender Abstand? Die Gelassenheit der letzten Stunden war dahin.

„Bin schon dabei“, meldete Anake Takagawa prompt.

Ein roter Leuchtbalken zeigte die negative Beschleunigung an, als mein Navigator Schub von den deGorm-Turbos nahm. Sich verringernde Werte huschten durch ein Holo-Display. Die Promet V, eben noch mit drei Vierteln der Triebwerksleistung unterwegs, bremste mit enormen Werten ab.

„Das Ding flattert. Sieht übel aus“, brummte Cy in seiner wortkargen Art.

Ich kniff die Augen zusammen. Das Gebilde erinnerte mich an etwas. „Eingehende Daten?“

„Ich empfange keine brauchbaren Werte“, antwortete Patrick O‘Healy. Instrumente und Sensoren seines Ortungspults hatten beim Auftauchen des Unbekannten automatisch mit den Messungen begonnen. „Energetische Impulse Fehlanzeige. Keinerlei Strahlung. Das Objekt besitzt weder Masse noch Raumvolumen. Es ist zweidimensional.“

„Es wirkt gefräßig“, schnarrte Sir Klakkarakk.

„Gefräßig?“ Die Ausdrucksweise des Quogoren entlockte mir ein Lächeln.

„Wie eine Art Durchgang. Ein Transmitterfeld möglicherweise.“

„Im interstellaren Leerraum?“ Die Vorstellung kam mir reichlich abwegig vor. „Wie sollte es an diesen Ort gelangt sein? Jeder Transmitter bedarf einer Steuereinrichtung, aber in diesem Raumsektor gibt es weder eine Station noch andere Schiffe.“

„Stimmt“, sagte Vanessa Modesta. „Und der nächste Planet, unbewohnt noch dazu, ist Lichtjahre entfernt.“

Ich nickte. Diese Tatsache hatten wir zuvor mit dem Dekametro festgestellt. „Vielleicht können die Instrumente trotzdem eine Energiequelle orten.“

„Ich habe es schon versucht“, sagte der Major. „Sinnlos. Da ist nichts.“

„Durchmesser, Pat?“

„Leicht variierend. Auf jeden Fall unter zweihundert Meter.“

„Genauer wäre …“, warf Takagawa ein. „Über einhundertzwanzig Meter.“

Mir war klar, was er damit sagen wollte. Das Ding im Weltraum war groß genug, um unser Schiff durchschlüpfen zu lassen. Mich überfiel die groteske Vorstellung, es könne plötzlich über uns herfallen und uns gewissermaßen verschlingen. Klakk hatte mich angesteckt.

Die Promet flog mit minimaler Geschwindigkeit. Wir näherten uns der Erscheinung in spitzem Winkel. Ohne die Vergrößerung in einem Holo hätten wir sie optisch nicht einmal wahrgenommen. Ich zerbrach mir den Kopf darüber, weshalb sie mir auf unterschwellige Weise vertraut vorkam.

„Drehe ein paar Runden, Anake“, forderte ich meinen Navigator auf. „Manchmal hilft ein anderer Blickwinkel.“

Der Japaner griff auf die Kontrollen zu, und wenig später begann das Objekt aus der Erfassung zu driften. Die Aufnahmesysteme fokussierten es gleich wieder in den Mittelpunkt der Darstellung. Eine optische Änderung erfuhr es dabei nicht. Als wir auf der anderen Seite des Spiegels waren, bestätigte sich, dass kein Blick hindurch möglich war. Die dahinter liegenden Sterne waren unserer Sicht entzogen.

„Ich bekomme jetzt schwache Energieimpulse herein“, verkündete der Major.

„Gehen sie von dem Objekt aus, Pat?“

„Zweifellos“, enttäuschte er meine vage Hoffnung, doch auf ein steuerndes Element gestoßen zu sein, das uns bisher entgangen war. „Intensität steigt an.“

„Kannst du die Art der Emissionen bestimmen? Waffen? Antrieb? Was auch immer?“

„Negativ. Impulse steigen jetzt weiter an. Das Ding lädt sich irgendwie auf.“

Ich rutschte in meinem Kommandantensitz nervös zur Seite. „Anake, Distanz vergrößern!“

„Ja, Shalyn. Was …?“ Anakes Finger flogen über die Eingabeelemente. „Ich bekomme keinen Zugriff mehr auf die Steuersysteme.“

„Seht euch das an!“, keifte Lukas Hagens Stimme durch die Zentrale.

Der Weltraum entflammte. Die düstere Erscheinung geriet in Wallung wie eine Wasseroberfläche, die durch einen Stein in Aufruhr versetzt worden war. Ein unheilvolles Glimmen setzte an den Rändern ein. Ungläubig starrte ich das Phänomen an, das an Intensität und Farbe zunahm. Das gesamte Objekt war von einem rötlichen Glühen umgeben.

Ein Rotwulst! Plötzlich konnte ich die Erscheinung im Weltraum einordnen. Ich hatte sie in der Tat in der Vergangenheit gesehen, nur nicht so groß.

„Ein Chronoskop!“, stieß ich aus. „Anake, bring uns hier weg.“

„Nichts zu machen. Die Distanz verringert sich sogar. Wir werden angezogen.“

Wortlos griff Cy ein und versuchte sein Glück. Er schüttelte den Kopf. Sein kahler Schädel glänzte im Licht der Beleuchtung.

„KSS hoch!“, rief ich.

„Ist oben.“

Die Anzeigen bestätigten den Aufbau des Kombischutzschirms. Der Energieschirm suuranischer Herkunft war in der Lage, Gravostöße bis 1000 G kurzfristig zu blockieren. Meine Hoffnung, dass er gegen die Kraft wirkte, die uns anzog, erfüllte sich nicht. Ich las von den Instrumenten ab, dass unsere Geschwindigkeit zunahm, obwohl Takagawa weiter versuchte, dem entgegenzuwirken. Unwillkürlich lauschte ich auf eine Stimme in meinem Kopf. Ich hatte es erlebt, dass ein Chronoskop zu mir gesprochen hatte, damals in Katai, auf Shari, der Welt der Shar Shariik. Doch jetzt schwieg das geheimnisvolle Artefakt.

„Wir kommen diesem verdammten Ding immer näher“, klagte Hagen. „Unternimm endlich etwas, Anake.“

„Du hast leicht reden. Da bewegt sich nichts. Uns bleiben nur noch ein paar Sekunden.“

„Vorschläge, KIP“, verlangte ich von unserem Bordgehirn.

„Da uns die Kraft, die uns anzieht, unbekannt ist, und wir mit dem Antrieb nichts dagegen ausrichten können, sehe ich keine brauchbaren Alternativen“, bedauerte die Künstliche Intelligenz. „Einzige Option ist der Ausstieg mit den N-Booten.“

„Unsinn!“, mischte sich Cy ein. „Wenn wir es mit der Promet nicht schaffen, gelingt es uns mit den Beibooten erst recht nicht, uns aus dem Einflussbereich des Chronoskops zu befreien.“

„Dem stimme ich zu“, tönte KIP. „Doch das Ausschleusen war die einzige Option, die ich anzubieten hatte. Da sie keine Erfolgsaussichten verspricht, empfehle ich, das Einzige zu tun, was in dieser Situation bleibt.“

„Und das wäre?“, wollte Pat wissen.

„Die Ruhe bewahren und abwarten, was geschieht.“

Ich richtete mich im Kommandantensessel auf. KIPs Worte klangen für mich wie ein Todesurteil.

Kurz zuvor.

Sämtliche Anzeigen lieferten Normalwerte, als Anake Takagawa die Transition einleitete. Die Promet sprang bei drei Viertel der Lichtgeschwindigkeit.

Die Promet V, konkretisierte ich gedanklich. Bis auf ein paar Verbesserungen in der Technik war sie weitgehend baugleich mit der Promet IV. Der tropfenförmige Charakter war beim Bau gewahrt worden, ebenso die Abmessungen des Vorgängerschiffs. Den 120 Metern Gesamtlänge stand ein Maximaldurchmesser von 40 Metern gegenüber. Die blau schimmernde Schiffshülle bestand aus jener quantenstabilisierten Marsonstahl-Legierung, deren extreme Widerstandsfähigkeit sich schon früher bewährt hatte. Die Promet war mit den drei obligatorischen Antriebssystemen ausgerüstet, dem Borul-Triebwerk für Transitionen über maximal dreihundert Lichtjahre Distanz, den sechs schwenkbaren, schubstarken deGorm-Turbo-Triebwerken für den Unterlichtflug und dem Antigrav-Impuls-Antrieb für Einsätze in der Atmosphäre eines Planeten. Der Antigrav war vor dem Jungfernflug ausführlich erprobt worden, die deGorms nicht minder. Nun waren wir unterwegs, um die abschließenden Tests mit dem Sprungantrieb durchzuführen. Mehrere Gedanken schossen mir gleichzeitig durch den Kopf. Die Transition über ein Dutzend Lichtjahre ging noch schneller vonstatten. Als ich aufsah, lag der Sprung bereits hinter uns.

„Zielpunkt erreicht“, meldete mein aus Mega-Tokio stammender Astronavigator. Der hagere Abenteurer mit dem wüst vernarbten Gesicht trug die langen pechschwarzen Haare wie gewohnt zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. „Keinerlei Abweichungen. Die Promet schnurrt wie ein zufriedenes Kätzchen.“

„Besser könnte es nicht laufen“, frohlockte Lukas Hagen. „Unser neues Gefährt stellt die Promet IV in den Schatten.“

„Es gibt kaum technische Unterschiede“, widersprach Cy. „Deine Euphorie gleicht der eines kleinen Kindes, dem man ein neues Spielzeug in die Hand gegeben hat.“

Der Astrospezialist Professor Hagen, von uns Prof genannt, war das äußerliche Gegenteil von Takagawa. Nur 1,60 Meter groß, dick, mit Doppelkinn und schütterem, aschblondem Haar. Immer noch zu oft stopfte er Süßigkeiten oder andere Dickmacher in sich hinein.

„Dir fehlt jeglicher Humor, um meinen Spaß nachvollziehen zu können“, entgegnete Hagen.

„Das sagt der Mann, der sich im Kreis seiner emotionslosen Roboter am wohlsten fühlt“, konterte der Cyborg.

„Wer von uns hat denn den Gleichmut mit Löffeln gefressen?“ Hagen sah sich Beifall heischend in der Zentrale um.

Vanessa Modesta, unsere Bordärztin und Exobiologin, und der Quogore Sir Klakkarakk verfolgten den Disput, ohne sich einzumischen. Patrick O‘Healy starrte so fokussiert auf die Anzeigen seiner Ortungseinrichtungen, als bekäme er von dem Gespräch nichts mit. Ich grinste still in mich hinein, als Lukas zu einem weiteren Protest ansetzte, den Cy mit einer gelangweilten Kopfbewegung quittierte. Beide – wir alle, um genau zu sein – genossen den Testflug mit der Promet. Die Probleme auf der Erde, so gewaltig sie auch waren, rückten von Tag zu Tag mehr in den Hintergrund. Was interessierte mich in diesem Augenblick Zizzi Moses, die Tochter des Pfauen? Die Menschen in den Grauzonen bedauerte ich jedoch nach wie vor, doch ich war froh, diesen Chaosplaneten für den Moment einmal vergessen zu dürfen. Nur Monja fehlte mir natürlich, doch da musste ich durch. Ohne es zu wollen hatte ich einem tiefen Seufzer die Freiheit geben. Unsere augenblickliche Aufgabe war es, die uneingeschränkte Funktionstüchtigkeit der neuen Promet zu gewährleisten. Und fertig!

„Ich registriere einen weißen Zwergstern in drei Lichtjahren Entfernung“, meldete O‘Healy. „Er besitzt einen Planeten außerhalb der Lebenszone.“

„Ist das alles, was du zu unserem Thema beizutragen hast?“, brummte Hagen.

Der Major hob gleichgültig die Schultern. Der ehemalige Offizier der Space Police machte optisch einen martialischen Eindruck, war aber die Sanftmut in Person, solange man ihn nicht reizte. Mit seiner bulligen, muskulösen Gestalt, dem schneeweiß gefärbten Bürstenhaarschnitt, dem ebenso gefärbten Schnauzbart und der Boxernase wirkte er in seinem Sessel wie ein unerschütterlicher Fels in der Brandung.

„Du hast den Dekametro eingesetzt?“

O‘Healy nickte kurz. Bis heute wussten wir nicht, wie der Dekametro arbeitete. Binnen Sekunden erfasste das rätselhafte Aggregat sämtliche Werte einer bis zu dreihundert Lichtjahre entfernten Sonne und ermittelte auf diese Entfernung sogar die Anzahl der vorhandenen Planeten. Unzutreffende Angaben hatte es meines Wissens noch nie gegeben. Hoch qualifizierte Spezialisten bissen sich an dem Messgerät erfolglos die Zähne aus. Der Dekametro behielt sein technisches Geheimnis für sich. Egal, er funktionierte.

„Sehen wir uns den Burschen aus der Nähe an“, schlug Takagawa vor.

„Dazu sind wir nicht hier“, warf der Prof ein. „Ein weißer Zwerg mit einem toten Planeten ist wenig reizvoll. Etwas Langweiligeres kann ich mir kaum vorstellen.“

„Lasst euch von mir gesagt sein, dass es mit Planeten wie mit Frauen ist“, rief Anake gut gelaunt. „Gerade die Unscheinbaren halten so manche Überraschung bereit. Oft eröffnet sich ihre wahre Schönheit erst auf den zweiten Blick.“

Vanessa warf unserem Navigator einen müden Blick zu. „Haben dich deine Jahre als Weltenbummler durch die Galaxis diese Weisheit gelehrt?“

„Die und meine umfassenden Kenntnisse von Frauen. Deshalb ...“

Klakk begann mit seinen Beinen unvermittelt zu musizieren, und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Manchmal benahmen sich alle wie in einem Kindergarten. Der Quogore ähnelte einer zwei Meter zwanzig großen Heuschrecke mit rötlichgoldenem Chitinpanzer und faustgroßen schwarzen Facettenaugen. Er verfügte über jeweils zwei Bein- und zwei Armpaare, die in sechsfingerigen Klauenhänden endeten. Klakk besaß enorme Kraft und konnte bis zu fünfzehn Meter weit springen. Seine martialischen Waffen, die sogar in der Promet meistens in Griffweite lagen, waren Morgenstern, Schwert und Axt, allesamt aus stahlhartem, rötlichem Chitin gefertigt. Er hielt sich bereits für einen echten Terraner. Man durfte ihn gerne den edlen Ritter von Quog nennen.

„Wir wissen jetzt, dass sämtliche Systeme einwandfrei arbeiten“, fasste ich zusammen, was wir in den vergangenen zwei Tagen herausgefunden hatten. „Die Promet ist uneingeschränkt einsatzbereit. Wir unternehmen einen letzten kurzen Sprung, hin zum System des Weißen Zwergs. Allerdings sehen wir uns weder den Stern noch den Planeten genauer an. Nach einer kurzen Orientierungsphase machen wir uns auf den Rückweg zur Erde.“

Takagawa nickte. „Ich setze Kurs und beschleunige.“

„Sprung wie gehabt bei Dreiviertel Licht“, ordnete ich an.

„Geht klar.“

In Flugrichtung glitzerte ein winziges Pünktchen vor der Schwärze des Alls. Es war der unkatalogisierte Weiße Zwerg. Meine Gedanken eilten bereits weiter zur Erde. Ich verspürte wenig Lust, ins Solsystem zu fliegen. Dort sah ich mich wieder mit den Intrigen und Ränken der verschiedenen Machtgruppierungen konfrontiert. Die Gaianer in Verbindung mit Thomas Ciavelli, der sich als zweihundertjähriger Nazi-Verbrecher entpuppt hatte. Für mich war das ein Schock, der noch immer sehr tief saß. Ich brauchte Abstand von den Vorgängen, denen ich mich auf Terra natürlich nicht entziehen konnte. Meiner Besatzung ging es nicht anders als mir, verrieten mir meine empathischen Sinne. Leider hatte ich keinen Grund, unseren Aufenthalt im Weltraum zu verlängern. Zwei Tage waren für die Testflüge angesetzt. Das hatte Amos Carter so festgelegt. Nur bei Problemen war es mir freigestellt, unseren Ausflug um eine unbestimmte Zeitspanne zu verlängern.

„Ich registriere eine Anomalie“, riss mich der Major aus meinen Grübeleien.

Ich horchte auf. „Welcher Art, Pat?“

„Seht es euch selbst an.“ O‘Healy schaltete ein Holo. Im Raum zeichnete sich ein düsterer schwarzer Spiegel ab, der im Nichts zu schweben schien.

Da beginnen die Probleme, nach denen du dich soeben gesehnt hast, wisperte eine Stimme in mir.

„Kontakt ... jetzt!“ Anake Takagawas Ruf gellte durch die Kommandozentrale.

Ein Stoß ging durch die Promet und pflanzte sich in meinem Körper fort. Die Schwärze, in die wir gezogen wurden, sog mich auf wie ein mächtiger, gieriger Atemzug. Sie wurde ersetzt durch bunte Farben und grelles Licht. Wurde ich in meinen Sitz gedrückt, oder sank ich darin zusammen? Bevor ich die Überlegung zu Ende brachte, vergingen die auf mich einstürzenden Eindrücke bereits wieder.

„Kommandantin, wie geht es dir?“ Dank seiner außergewöhnlichen Konstitution als Maschinenmensch hatte Cy seine Überraschung als Erster überwunden. Er schaute besorgt in meine Richtung.

„Alles in Ordnung.“ Ein beiläufiger Blick auf das Bordchrono zeigte mir, dass keine messbare Zeitspanne vergangen war. „Wo sind wir?“

Die Darstellungen in den Holos beantworteten meine Frage. Um das Schiff herum erstreckte sich ein wabernder Mahlstrom, den es im gewohnten Raum-Zeit-Kontinuum nicht gab. Wir befanden uns im Parakon, ohne eine Transition eingeleitet zu haben.

Cy und der Major begannen mit dem Durchführen von Messungen. Auch ich studierte die Anzeigen. Wie war es möglich, dass wir im Hyperraum verweilten? Ein Sprung durch das übergeordnete Kontinuum geschah in annähernder Nullzeit. Nach dem Transport über die zuvor festgelegte Strecke fiel ein Schiff automatisch in den Normalraum zurück. Offenbar hatte uns das Chronoskop an diesen Ort gebracht und sorgte mit unbekannten Mechanismen dafür, dass wir hier blieben.

„Wir fliegen mit der Geschwindigkeit, mit der wir uns bewegten, bevor das Chronoskop uns erwischte“, drängte sich Anakes Stimme in meine Überlegungen.

„Fahrt auf null reduzieren“, befahl ich, und musste mich sofort korrigieren. In einem Holo zeichnete sich ein unregelmäßig geformter, kleiner Fleck ab. „Nein, warte. Da ist etwas.“

„Was soll da sein?“ O‘Healy schielte zu der Darstellung. „Im Parakon existiert nichts.“

Ich schaltete eine Vergrößerung. Der scheinbare Fleck sprang mir entgegen und offenbarte die Umrisse einer Raumstation. Doch nicht dieses Objekt war es, das mich in den Bann schlug.

„Das sind Raumschiffe!“ Takagawas Stimme klang krächzend. „Es müssen Tausende sein. Nein, Zehntausende.“

„Energetische Aktivität?“, fragte ich atemlos.