Perry Rhodan Neo 306: Facetten der Gewalt - Roman Schleifer - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 306: Facetten der Gewalt E-Book und Hörbuch

Roman Schleifer

5,0

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Beschreibung

Seit mehr als einem Dreivierteljahrhundert reist die Menschheit zu den Sternen. In dieser Zeit hat sie zahlreiche Konflikte sowie kosmische Katastrophen bewältigt. Im Jahr 2112 mehren sich Hinweise auf eine neue Bedrohung für das kleine Sternenreich der Terraner. Die Gefahr scheint ihren Ursprung in zwei Nachbargalaxien der Milchstraße zu haben – den Magellanschen Wolken. Mit dem mächtigen Expeditionsschiff SOL bricht Perry Rhodan dorthin auf. Nachdem die SOL verloren geht, setzt er die Mission mit dem Beiboot PERLENTAUCHER fort. Als der mysteriöse Fremde Peregrin einen von Rhodans ältesten Freunden entführt, beginnt eine dramatische Verfolgungsjagd. Die Menschen erreichen ein Sonnensystem, dessen Bewohner sich auf ein seltsames Ritual vorbereiten – die Raumfahrer erleben FACETTEN DER GEWALT ...

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Zeit:6 Std. 17 min

Sprecher:Axel Gottschick
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Band 306

Facetten der Gewalt

Roman Schleifer

Cover

Vorspann

1. PERLENTAUCHER

2. Einige Tage zuvor

3.

4.

5. Stunden später

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12. Akkosyrrsystem

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23. PERLENTAUCHER

24. Kuyir

25. PERLENTAUCHER

26.

27.

28.

29. Peregrin

30. Perry Rhodan

31.

32.

33.

34.

35. Onni Tykylainnen

36. Stunden später

Impressum

Seit mehr als einem Dreivierteljahrhundert reist die Menschheit zu den Sternen. In dieser Zeit hat sie zahlreiche Konflikte sowie kosmische Katastrophen bewältigt. Im Jahr 2112 mehren sich Hinweise auf eine neue Bedrohung für das kleine Sternenreich der Terraner.

Die Gefahr scheint ihren Ursprung in zwei Nachbargalaxien der Milchstraße zu haben – den Magellanschen Wolken. Mit dem mächtigen Expeditionsschiff SOL bricht Perry Rhodan dorthin auf. Nachdem die SOL verloren geht, setzt er die Mission mit dem Beiboot PERLENTAUCHER fort.

Als der mysteriöse Fremde Peregrin einen von Rhodans ältesten Freunden entführt, beginnt eine dramatische Verfolgungsjagd. Die Menschen erreichen ein Sonnensystem, dessen Bewohner sich auf ein seltsames Ritual vorbereiten – die Raumfahrer erleben FACETTEN DER GEWALT ...

1.

PERLENTAUCHER

Ich habe einen Unsterblichen auf dem Gewissen!

Der Gedanke ließ Onni Tykylainnen nicht mehr los. Seit er bei der Rückkehr zur PERLENTAUCHER von dem Drama erfahren hatte, erledigte er seine Arbeit als Techniker an Bord des Leichten Kreuzers nur noch wie ferngesteuert.

Obwohl niemand es laut aussprach und er offiziell von jeder Verantwortung freigesprochen worden war, spürte er, dass alle ihm die Schuld gaben. Außerdem hatte er die Blicke seiner Kollegen während der kurzfristig organisierten Trauerfeier gesehen.

Sein kleiner Roboterhund Valpas bellte leise und schmiegte sich tröstend an Tykylainnen, der keinen Schlaf finden konnte und mit angezogenen Beinen im Dunkeln auf seinem Bett hockte. Er presste den Rücken an die Kabinenwand und grübelte, wie es hätte anders laufen können.

Die morgendliche Weckmusik ertönte, und die Kabinenautomatik aktivierte sanft die Tagesbeleuchtung. Doch Tykylainnen schaltete beides mit einem scharfen Sprachbefehl wieder aus. Kurz zeichnete das abrupt erlöschende Licht Fratzen und bizarre Monster vor seine Augen, dann hüllte ihn die fast völlige Finsternis samt der Selbstvorwürfe abermals ein. Sofort sah er, wie der Unsterbliche ...

Valpas, dessen Positronik Tykylainnens Körpersprache richtig interpretierte, stupste ihn mit der stählernen Nase an und gab einen weinerlichen Laut von sich. Weil er keine Reaktion erhielt, bellte der Hund.

Um ihn zu beruhigen, tätschelte Tykylainnen ihm den Kopf. »Bist ein guter Junge.«

Schlagartig riss es ihn mental in die Vergangenheit. Auch sein Vater hatte ihm einst den Kopf getätschelt und ihn einen guten Jungen genannt.

Wie damals wurden Tykylainnens Hände kalt, der Geruch von verbrannter Milch stieg ihm in die Nase. Seine Schwester Venla schrie sich die Lunge aus dem Leib, während seine Mutter sich gegen die Tür stemmte und der echte Valpas winselte. Der Schneesturm, der an Fenster, Dach und Tür rüttelte, hielt sie im Innern der Blockhütte gefangen.

Die Bilder wechselten. Mit aufgerissenen Augen stand sein Vater vor ihm. »Du kleiner Pisser!«, dröhnte es durch Tykylainnens Kopf. Mit diesem Satz war die Angst gekommen und seitdem nie mehr völlig gewichen.

»Valpas«, brachte Tykylainnen mühevoll hervor. »Bring mir den Werkzeuggürtel.«

Der Roboterhund sprang vom Bett, lief an der Hygienezelle vorbei, schnappte sich mit dem Maul den Werkzeuggürtel und kehrte zurück. Der skelettartige Schwanz wedelte eifrig, weil er seinem Herrchen eine Freude gemacht hatte.

Tykylainnen rollte das linke Hosenbein bis zum Knie nach oben und kratzte sich an der Unebenheit auf der Haut. Dann nahm er den Werkzeuggürtel aus dem Maul des Hunds. Seine Finger zitterten, als er den Lötkolben herauszog.

Die Spitze des Werkzeugs leuchtete rot, nachdem Tykylainnen es aktiviert hatte. Mit einer schnellen Bewegung drückte er den Lötkolben an den Unterschenkel. Es roch verbrannt.

Doch Onni Tykylainnen lächelte.

2.

Einige Tage zuvor

»Schutzschirm aktivieren!«

Perry Rhodans Anweisung hallte durch die Zentrale der PERLENTAUCHER, während die anderen Besatzungsmitglieder noch den Schock über die plötzliche Explosion des zweiten Perlianschiffs verarbeiteten. Der Erste Offizier Pegal Heischatt reagierte sofort, und der Leichte Kreuzer wurde von einem Hochenergiefeld umgeben.

»Positronik, hast du in den vergangenen Stunden Ras Tschubai an Bord gesichtet?«, fragte Rhodan.

Der Zentralrechner verneinte, und Rhodan hatte eine Sorge weniger. Ihren bisherigen Erkenntnissen zufolge waren die beiden Perliankampfraumer nicht durch externen Beschuss, sondern durch bordinterne Sprengsätze zerstört worden. Diesen Schluss hatte auch der kurze Funkspruch nahegelegt, den Tschubai von Bord des zweiten Perlianschiffs gesendet hatte. Falls es Peregrins Plan gewesen war, den Teleporter zu zwingen, auch auf der PERLENTAUCHER eine Bombe zu installieren, hatte Rhodan dieses Vorhaben mit dem Schutzschirm nun vereitelt.

»Das hätten wir schon früher machen sollen«, sagte Thora selbstkritisch. Auch Rhodans Frau hatte nach der Explosion des ersten Perlianraumers nicht sofort daran gedacht.

Neben ihr saß John Marshall. Der Telepath biss sich auf die Lippen. Vermutlich hörte er wieder die mentalen Schreie der verletzten oder sterbenden Perlians.

»Vitalzeichen beim zweiten zerstörten Raumer?«, fragte Rhodan.

»Positiv!«, antwortete die Ortungschefin Tzinna Bearing mit leicht undeutlicher Stimme, weil sie wie häufig einen Kaugummi kaute.

Im großen Außenbeobachtungshologramm sah Rhodan, wie sich die Trümmer des zweiten 500-Meter Kugelraumers ausbreiteten. Zum Glück flohen erneut etliche Beiboote und Rettungskapseln aus der Gefahrenzone.

»Sie funken gezielt um Hilfe!«, meldete die Kommunikationschefin Neglin Rastura.

Rhodan nickte. Das gezielt bedeutete, dass die Perlians den nächstgelegenen Planeten der Ce'drell kontaktierten – »Ce'drell« war die Eigenbezeichnung der von den Menschen meist »Perlians« genannten amphibischen Außerirdischen. Wahrscheinlich war Hilfe und vor allem Verstärkung schon unterwegs.

»Geben Sie mir eine Hyperfunkverbindung zu Peregrin!«

»Keine Antwort!«

Rhodan warf einen Blick in ein anderes Hauptholo der Zentrale, in dem unter anderem die aktuellsten Ortungsergebnisse eingeblendet waren. Die Positronik zeigte ihm die Richtung, die das von Peregrin gekaperte 200-Meter-Perlianraumschiff einschlug, die WELLENTÄNZER. Sofern der Fremde mit den seltsamen Siliziumkarbidflecken am Körper die aktuelle Beschleunigung beibehielt, würde er in wenigen Minuten Transitionsgeschwindigkeit erreicht haben, und die Gefahr, dass er die PERLENTAUCHER ebenfalls angriff, wäre endgültig gebannt.

Darauf wollte Rhodan aber nicht blind vertrauen. »Volle Kampfbereitschaft!«, befahl er deshalb vorsorglich anstelle von Nilofar Abbasi.

Nach der Explosion des ersten Perlianraumers hatte Abbasi, der eigentliche Kommandant der PERLENTAUCHER, die Entscheidungsgewalt an Rhodan übertragen. »Es ist besser, wir profitieren von Ihrer Erfahrung«, hatte der Iraner gesagt.

Rhodan kratzte sich am Kinn. »Was führst du wirklich im Schilde?«, fragte er leise.

»Wie konnte Ras mit den Bomben an Bord der Perlianschiffe gelangen?«, rätselte Gucky, der in einem Spezialsitz neben Rhodan auf der Kommandoempore saß. »Die WELLENTÄNZER war von den beiden anderen Kugelraumern doch immer viel zu weit entfernt für eine Teleportation – zumal in einem aktiven Kampfgeschehen.«

»Vermutlich hatte dabei irgendwie Peregrin seine Finger im Spiel, aber das können wir im Moment nicht klären.«

»Die WELLENTÄNZER gibt Gegenschub!«, rief die Ortungschefin.

Ich wusste es!, dachte Rhodan. Peregrin war niemand, der einfach so floh.

Die WELLENTÄNZER wurde langsamer. Gleichzeitig sprangen dort Energieerzeuger an, die typisch für Waffenvorbereitungen waren. Behielt die PERLENTAUCHER ihre Geschwindigkeit bei, würden die Terraner Peregrins Raumfahrzeug in einigen Minuten eingeholt haben.

»Halbieren Sie unsere Eigengeschwindigkeit, und aktivieren Sie einen Funkkanal!«, wies Rhodan die Zentralebesatzung an.

»Erledigt!«, meldeten Heischatt und Rastura für ihre Aufgabenbereiche Vollzug.

»Mister Peregrin, lassen Sie uns reden«, sagte Rhodan in das unsichtbare Mikrofonfeld.

»Ich hoffe, du machst das nur wegen Ras!« Guckys Stimme war eine Spur höher als sonst.

»Auch. Aber außerdem bleibt Peregrin bedeutsam für unsere Mission«, sagte Rhodan. »Wir müssen an ihm dranbleiben, um das Geheimnis des Chronopuls-Walls und der Großen Magellanschen Wolke zu lüften.«

»Im Bett mit dem Teufel.«

»Wir werden angegriffen!«, unterbrach die Stimme der Zentralpositronik das Gespräch.

»Bei den Zwölf Heroen!«, rief Thora Rhodan da Zoltral. »Dreht er nun völlig durch?«

Rhodan vergaß alles um sich und hatte nur noch Augen für das Taktikhologramm, das sich vor ihm aufgebaut hatte. Es zeigte ihm alle für ein Gefecht nötigen Informationen: unter anderem die Schutzschirmbelastung, den Energieversorgungsstatus der Geschütze, Standort, Bewegungsvektor und Daten des Gegners sowie taktische Vorschläge.

Automatisch wechselte Rhodans Kontursessel in den Gefechtsmodus, wodurch er eine halb liegende Position einnahm. Am Rücken spürte er, wie sich das Auflagematerial änderte, um eine optimale Druckverteilung zu gewährleisten und bei eventuell durchschlagenden Beharrungskräften Wirbelsäule und Schädelbereich vor Verletzungen zu bewahren.

Der 200-Meter-Perlianraumer war der nur 100 Meter durchmessenden PERLENTAUCHER kampftechnisch klar überlegen.

Gleich der erste Treffer ließ Rhodan schlucken. Die Schutzschirmbelastung lag bei siebenundsechzig Prozent, obwohl der Angreifer noch relativ weit entfernt war. Wann kam die angeforderte Verstärkung der Ce'drell?

»Mister Peregrin!«, rief Rhodan in das nach wie vor aktive Mikrofonfeld des Externfunks. »Was soll das?«

Wieder ignorierte der Humanoide die Kontaktaufnahme und gab stattdessen mehrere weitere Schüsse ab.

»Verdammt, Peregrin. Es reicht!«

»Schutzschirmbelastung einundachtzig Prozent!«, warnte die Positronik.

»Ausweichmanöver nach eigenem Ermessen«, befahl Rhodan dem Piloten Heischatt.

Der Leichte Kreuzer sprang ein Stück vorwärts, sackte dann ab und verzögerte durch Gegenschub. Die Distanz zwischen den Raumschiffen vergrößerte sich, die Schutzschirmbelastung fiel auf zweiundsechzig Prozent.

»Soll ich das Feuer erwidern?« Thoras Finger lagen bereits auf der Waffenkontrolle, die sie wegen ihrer größeren Kampferfahrung von Helmir Kriechstein übernommen hatte.

»Nur Sperrfeuer!«, entschied Rhodan.

Thora aktivierte die schweren Thermogeschütze in den zwei Waffengräben der PERLENTAUCHER.

Der Schutzschirm der WELLENTÄNZER flammte auf, hielt jedoch stand. Unbeeindruckt griff Peregrin erneut an und schickte eine Kombination aus Desintegrator- und Impulsstrahlen gegen die PERLENTAUCHER. Wirklich problematisch würde es für die Menschen indes erst werden, sobald er Intervallkanonen einsetzte.

»Peregrin!«, versuchte es Rhodan erneut.

Die Schutzschirmbelastung kletterte abermals nach oben. Erste Warnmeldungen beeinträchtigter Bordsysteme wurden im Taktikhologramm angezeigt, während der Gegner das terranische Raumschiff immer wütender und aggressiver attackierte.

Plötzlich saß ein unsichtbarer Elefant auf Rhodans Brust und presste ihm die Luft aus den Lungen. Dann sprangen die Andruckabsorber wieder voll an und nahmen das zusätzliche Gewicht von Rhodan.

Er keuchte. »Einsatz aller Waffen. Keine Rücksicht mehr!« Rhodans Geduld war zu Ende.

Die Finger seiner Frau tanzten durch die Feuerleitholos und lösten sämtliche Geschütze der PERLENTAUCHER aus.

Peregrins Schutzschirm flackerte heftig, hielt aber weiterhin.

Ganz im Gegensatz zum Abwehrfeld des Leichten Kreuzers. Es wurde bedrohlich überlastet – Sektorwerte von einhundertsiebzehn Prozent erschienen in der Statusanzeige. Die grellroten Fehlermeldungen im Taktikhologramm häuften sich. Die Positronik signalisierte erste Ausfälle von kritischen Bordsystemen. Die Arbeitsgeräusche der Energieumformer wurden lauter und drangen bis in die Zentrale. Übergangslos bockte der Kugelraumer, erste Vibrationen erschütterten die Praecellostahlstruktur.

3.

Peregrins Angriff knipste Onni Tykylainnens Fachverstand an. Vorbei waren langweilige Reparaturen am Antigravschacht oder die ermüdende Aufsicht über die Arbeitsroboter beim periodischen Austausch der Hyperkristalle.

Nicht, dass er sich nach dieser Art von Herausforderung gesehnt hatte. Aber wenn sie schon mal da war, konnte man sie auch annehmen.

Tykylainnen aktivierte den Flugmodus seines Anzugs und raste Richtung Beiboothangar. Unter ihm hetzte Valpas mit hechelnder Zunge zu Fuß durch die Korridore des Mitteldecks. Weil wegen des Gefechts alle anderen Angehörigen der Technischen Abteilung auf ihren Stationen waren, brauchte Tykylainnen keine Angst zu haben, dass er irrtümlich einen Kollegen niedermähte.

Ein Blick auf das Holo mit den aktuellen Statusdaten des Leichten Kreuzers, das er vor sich projiziert hatte, verhieß nichts Gutes. Der Angreifer trieb die Maschinen der PERLENTAUCHER an ihre Grenzen und darüber hinaus. Am schwersten hatte es die Energiegeneratoren des Hauptschutzschirms erwischt. Sie liefen bereits mit Überlast. Deshalb war der Geräuschpegel an Bord so hoch, dass Tykylainnen den Helm seines Raumanzugs geschlossen hatte.

Das terranische Gegenfeuer erzielte bei Peregrins Perlianschiff leider weitaus weniger Wirkung. Um eine vollständige Niederlage zu verhindern, würde die PERLENTAUCHER sich bald mit einer Nottransition in Sicherheit bringen müssen.

Doch dazu benötigte das Schiff vollständig geladene Strukturfeldenergiespeicher. Und da in einem Gefecht die Schutzschirmversorgung Priorität hatte, leerten sich die Reserven der Hauptspeicherbank mit erschreckender Geschwindigkeit. Der Rest reichte nicht aus, um das Transitionstriebwerk zu versorgen. Leider kamen die Fusionsreaktoren mit dem Aufladen der Energiespeicher nicht schnell genug nach – ein Problem, das die Bordgeschütze und Normaltriebwerke nicht hatten. Sie verfügten über eigene Energieversorgungssysteme.

Valpas jaulte auf, als er hinter Tykylainnen in den Antigravschacht sprang und haltlos in die Tiefe stürzte, weil die gerichtete Gravofunktion der Verbindungsröhre, die normalerweise einen sicheren Vertikaltransport ermöglichte, aus Energiemangel vorübergehend stillgelegt war. Der Techniker aktivierte ein Fesselfeld und hüllte Valpas damit ein, gemeinsam schwebten sie mithilfe des Flugaggregats von Tykylainnens Anzug aufwärts ihrem Ziel entgegen. Nachdem er auf der Ebene des Beiboothangars den Schacht verlassen hatte, stellte er Valpas nicht mehr auf den Boden, sondern beließ den Roboterhund im Fesselfeld. Valpas schien der Flug zu gefallen, denn er bellte fröhlich.

»Technik!«, meldete sich Rhodan im Helmfunk. Der eigentliche Leiter der Technischen Abteilung, Chefingenieur Linus von Streiff, musste wegen eines akuten Schubs der Amyotrophen Lateralsklerose, an der er litt, das Bett hüten. Deshalb trug derzeit Tykylainnen die Verantwortung für die Maschinenanlagen. »Wir brauchen dringlichst Energie für eine Nottransition!«, forderte der Expeditionsleiter.

»Ich arbeite bereits daran, Sir.« Tykylainnen beendete die Verbindung. Er musste sich konzentrieren und brauchte keine Ablenkung. Was er brauchte, war Unterstützung. Er wechselte auf einen anderen Interkomkanal. »Mailaca, komm in den Beiboothangar zwei!«

»Schon unterwegs!« Natürlich kannte die arkonidische Kollegin die Problematik ihrer Lage ebenso gut. Und weil es ihrem Naturell widersprach, einfach dazusitzen und Däumchen zu drehen, war sie bereits selbst aktiv geworden.

Sie erreichten den Beiboothangar gleichzeitig.

»Ich nehme die Dragonfly, du den Sixpack im Nachbarhangar«, entschied er.

Ein heftiger Schlag erschütterte den Leichten Kreuzer und riss Tykylainnen von den Beinen. Sein Roboterhund jaulte auf und versteckte sich hinter ihm.

»Valpas, Expertenmodus!«

»Umstellung erfolgt«, meldete die Positronik des Hunds.

»Wir müssen Speicherbänke vernetzen«, erklärte er dem Roboter.

»Verstehe!« Valpas nickte. »Du brauchst Supraleiterkabel.« Valpas wartete nicht auf die Bestätigung, sondern flitzte los.

Tykylainnen ging zur Zentralkugel der Dragonfly in der nächstgelegenen Hangarsektion und öffnete die Wartungsluke neben dem Standfuß, um die Energieversorgung des Raumjägers freizulegen. Mit flinken Fingern entfernte er die Hüllenverkleidung des Fusionsreaktors und der Speicherbank. Am zugehörigen Kombigerät, das Steuermodul, Verteilersystem, Transformator und Kühlerblock in einem war, klemmte er die internen Leitungen zu den Hauptverbrauchern des Raumjägers ab. Die Bordpositronik ließ er angeschlossen, denn damit würde er die Speicherbank neu konfigurieren.

Exakt in dem Moment kehrte Valpas mit zwei Mehrfachrollen Supraleiterkabel zurück. Tykylainnen schnappte sich das erste Kabel und stöpselte es ein.

»Jetzt hilf Mailaca!«, befahl er, während er sich im Geiste für die einheitlichen Flottenstandards der Stecker bedankte.

Valpas verschwand.

Tykylainnen startete den Fusionsreaktor und Hauptrechner des Raumjägers, modifizierte die Vorwärmphase, das Kühlungsmanagement und die Speicherzellenüberwachung. Mit beiden Supraleiterrollen in der Hand eilte er aus dem Hangar und spulte währenddessen die erste Kabelrolle ab. Im Ringkorridor stellte er sie auf den Boden und lief mit der zweiten zu einer weiteren Dragonfly im übernächsten Hangarabteil.

Mitten auf dem Weg erschütterte erneut ein harter Gefechtstreffer den Kreuzer. Vermutlich war der Schutzschirm für Sekundenbruchteile sogar komplett zusammengebrochen.

Beharrungskräfte kamen durch, kurz wurde Tykylainnen von seinem doppelten Körpergewicht in die Knie gezwungen. Dann sprang das Antigravaggregat seines Anzugs an und kompensierte die Schwerkraftspitze.

Durch das offene Schott des Nachbarhangars sah er, wie Mailaca mit ihren eigenen Supraleiterkabeln aus der Schleuse des Allzweckfahrzeugs trat, eines Sixpacks, in dem sie tätig gewesen war. »Der Sixpack ist online!«, informierte ihn die Arkonidin. Ihre Aufgabe war erledigt. Sie würde im Gang auf ihn warten, damit sie die Leitungen gemeinsam bis zum Zielort verlegen konnten.

Valpas tauchte hinter Mailaca auf und rannte zu seinem Besitzer. Tykylainnen bog in den nächsten Hangar ab, kniete sich dort vor eine zweite Dragonfly und wiederholte das Prozedere von zuvor.

Anschließend hastete er zu Mailaca zurück in den Ringkorridor, nahm die dort deponierte Kabelrolle auf, dann ging es mit abspulenden Supraleiterrollen zum Zentralschacht. Sie ließen sich drei Decks tiefer fallen und erreichten den Primärenergieverteiler des Transitionstriebwerks. Dort schlossen sie ihre drei Leitungen parallel zum Versorgungsstrang aus dem Hauptenergiespeicher an.

»Ob das hält?«, fragte die Arkonidin. Sie meinte damit, ob die Supraleiterkabel die zu erwartenden Leistungsspitzen würden verarbeiten können.

»Es muss. Ist ja nur für einen Sekundenbruchteil. Aber danach ...«

Tykylainnen legte den Wartungszugang der Triebwerk-Steuerpositronik frei und schleuste ein von ihm selbst geschriebenes Zusatzprogramm in das Rechnersystem, das die Leistungsanforderung des Triebwerks an die neu hinzugekommenen Speicher der Beiboote verwalten würde. Mailaca konfigurierte währenddessen den Zusammenschluss am Bedienfeld des Energieverteilers.

Dann kam der erlösende Moment, als die Statusanzeigen nach dem Aktivieren der neuen Energievernetzungsroutinen in schönstem Grün leuchteten. Die Reaktoren von Schiff und Beibooten luden die neu zusammengeschlossene Speicherbank nun gemeinsam. Das würde in ein paar Minuten den dringend benötigten zusätzlichen Energievorrat für die Fluchttransition bereitstellen.

Eine Alternative wäre gewesen, die Impulsgeschütze anzuzapfen, um die Energie in deren Plasma-Kadenzspeichern zu nutzen. Das hätte aber bei nur zwei verfügbaren Technikern weitaus mehr Zeit verschlungen und den Leichten Kreuzer noch wehrloser gemacht. Die drei Beiboote mussten genügen.

»Technik an Rhodan!«

»Können wir springen?«

»Sobald meine Hilfsspeicherbank aufgeladen ist, Sir.« Onni Tykylainnen blickte auf die Ladestandsanzeige seines Zusatzprogramms, dann auf die Uhr in der Statusleiste seines Helmholos. »Also in knapp vier Minuten.«

*

»Neuigkeiten von der Technik!«, informierte Perry Rhodan die Zentralebesatzung über Funk. Längst trug jeder einen Raumanzug und hatte wegen des infernalischen Lärms den Helm geschlossen. »Wir brauchen noch vier Minuten!«

Diese Zeit konnten ihnen nur der Erste Offizier Pegal Heischatt am Steuerpult und Thora am Waffenpult verschaffen. Der Rest der Schiffsführung war zur Untätigkeit verdammt.

Ein weiterer Schlag erschütterte den Leichten Kreuzer. Eine Sirene heulte auf, während die Raumbeleuchtung flackerte und ein Paneel von der Decke fiel. Haarscharf neben Thora Rhodan da Zoltral krachte es zu Boden. Diverse Hologramme fielen aus und bauten sich wieder auf.

Rhodan starrte ins Taktikholo. Peregrin feuerte mit einer Verbissenheit, die den Terraner verwunderte. Heischatt musste sein ganzes Talent als Pilot aufbieten, um weitere Wirkungstreffer abzumildern oder zu verhindern.

Doch die Daten im Technikhologramm erzählten eine niederschmetternde Geschichte. Die PERLENTAUCHER hatte keine vier Minuten mehr. Ihre einzige Chance waren die hoffentlich rechtzeitig eintreffenden Perlianraumer.

»Peregrin, lassen Sie uns reden!«, versuchte Rhodan sein Glück noch einmal.

Keine Antwort – stattdessen hämmerte eine neue massive Energieflut in den Schutzschirm des Leichten Kreuzers und ließ das Abwehrfeld für einen Sekundenbruchteil zusammenbrechen. Das normalerweise letzte Ass – Gucky – stach diesmal nicht. Der Schutzschirm um Peregrins WELLENTÄNZER verhinderte, dass der Ilt ins Raumschiff des Gegners teleportieren und Peregrin telekinetisch festsetzen konnte.

Perry Rhodan stellte seinen Kontursessel senkrecht. Wenn es schon vorbei war, würde er sicher nicht einsam abtreten. Entgegen aller Vorschriften löste er die Gurte, stieg von der Kommandoempore und ging zu seiner Frau.

4.

Die PERLENTAUCHER rematerialisierte, und Perry Rhodan beendete seinen vor der Transition begonnenen Schritt.

Thora lächelte. »Ich hatte denselben Gedanken, aber du warst schneller.«

Spontan öffnete er den Helm, beugte sich zu seiner Frau und küsste sie. So viel Zeit musste sein. Immerhin waren sie gerade dem Tod entkommen.

»Das war ein Sprung über eineinhalb Lichtjahre!«, meldete die Ortungschefin. »Wir sind im interstellaren Leerraum gelandet.«

»Wo ist Peregrin?«, wollte Rhodan wissen.

»Wohl noch an seinem bisherigen Standort«, antwortete Tzinna Bearing.

Rhodan atmete auf. Wäre Peregrin ihnen gefolgt, hätte das zweifellos das Ende der PERLENTAUCHER und sämtlicher Personen an Bord bedeutet.

»Alles in Ordnung?«, fragte er in die Runde. »Jemand verletzt?«

»Ja, im Herzen«, meldete sich Gucky. »Ich hatte erwartet, dass du in deiner letzten Sekunde mit mir Händchen hältst.«

Einige Mitglieder der Zentralebesatzung lachten, und der Ilt zeigte seinen Nagezahn. Er wusste sein Talent zu nutzen, düstere Stimmungen aufzubrechen. Obwohl die terranische Öffentlichkeit eher die unterhaltsame Seite des Mausbibers kannte, wusste es Rhodan besser. Der Ilt war weitaus feinfühliger und ernsthafter als sein Ruf.

»Und ich bin davon ausgegangen, dass du ohnehin zu uns teleportierst, damit wir ein letztes Mal zu dritt kuscheln können«, erwiderte Rhodan mit einem Augenzwinkern.

»Merke ich mir für den nächsten Todesritt.«

»Rhodan an Technik!« Er legte die Hand auf Thoras Schulter, während sich das Kommunikationshologramm eines groß gewachsenen, breitschultrigen Terraners mit schwarzen, im Nacken zusammengebundenen Haaren vor ihm aufbaute. Onni Tykylainnen, Stellvertretender Leitender Ingenieur, erkannte er. »Das haben Sie gut gemacht, Mister Tykylainnen. Danke.«

»Nur bitte das nächste Mal ...«, mischte sich Gucky ein, »mit weniger Nägelkauen!«

Tykylainnen ging nicht darauf ein. »Allerdings müssen wir nun zwei Dragonflys und einen Sixpack reparieren. Deren Pufferspeicher sind wegen Überlastung komplett durchgebrannt.«

»Das dauert ein paar Tage, oder?«, vermutete Rhodan.

Tykylainnen nickte und schaltete grußlos ab. Der Mann hatte offenbar wenig Manieren, aber er war kompetent. Da tolerierte Rhodan einiges. Allein für die Entschärfung von Peregrins Bomben auf Ednil hatte er eine Solderhöhung verdient.

Rhodan blieb neben seiner Frau stehen. Peregrin hatte seinen Kurs von vor dem Angriff wahrscheinlich mittlerweile wieder aufgenommen, um jenes Ziel anzusteuern, mit dem er Rhodan seit Erreichen der Großen Magellanschen Wolke in den Ohren gelegen hatte: das Zentrum der Kleingalaxis. Vermutlich dachte er, dass die Besatzung der PERLENTAUCHER nach dem Gefecht aufgab und so schnell wie möglich einen Weg zurück in die Milchstraße suchte.

Da kennst du uns aber schlecht!

Während in der Zentrale wieder die Routine um sich griff, war ein Schwarm Arbeitsroboter dabei, den Optimalzustand wiederherzustellen. Aber erst nachdem sie mindestens drei Viertel der Schäden behoben hatten, würde Rhodan ernsthaft über eine Verfolgung von Peregrin nachdenken können.

»Peregrins Schiff hat die Transitionsgeschwindigkeit erreicht«, meldete Bearing.

Die Ortungschefin hatte alle betriebsbereiten, fünfdimensional arbeitenden Fernortungssysteme der PERLENTAUCHER aktiviert und auf den Raumsektor ausgerichtet, aus dem der Leichte Kreuzer gerade geflohen war. Das terranische 100-Meter-Kugelschiff war als Langstreckenaufklärer mit den modernsten Aktiv- und Passivortungsinstrumentarien ausgestattet, die der Menschheit zur Verfügung standen. Hinzu kamen hochwertige technische Verbesserungen, die von den Posbis stammten. Deshalb vermochten die Spezialisten der PERLENTAUCHER Informationen aus Distanzen und mit einer Präzision zu gewinnen, die gewöhnlichen Raumschiffen der Terranischen Flotte verwehrt blieben.

Außerdem hatten die Experten an Bord von den Perlians auf Ednil umfangreiche Datenkonvolute über das Raumschiff erhalten, das Peregrin den Ce'drell abgepresst hatte. Bei den unmittelbaren Begegnungen mit der WELLENTÄNZER hatten Bearing und ihr Team weitere Messwerte ermittelt. Sie kannten somit detailliert unter anderem die charakteristischen Energiesignaturen der Unterlichttriebwerke sowie der Transitionsaggregate der WELLENTÄNZER und konnten die Spezifika der Raum-Zeit-Erschütterungen, die bei einem Hyperraumsprung dieses Ce'drell-Schiffs entstanden, eindeutig identifizieren. Sofern sowohl der Ent- als auch der Rematerialisierungsort in der – für terranische Verhältnisse ungewöhnlich viele Lichtjahre großen – Fernmessreichweite der PERLENTAUCHER-Systeme lagen, konnte Bearing folglich sogar die Transitionen der WELLENTÄNZER mit hoher Genauigkeit verfolgen.

Gebannt blickte der Terraner, der mittlerweile wieder in den Kommandantensessel zurückgekehrt war, auf das Haupthologramm. Einerseits wollte er Peregrin ziehen lassen, andererseits hatte der Fremde Ras Tschubai entführt, den sie befreien wollten. Also gab es im Grunde keine Alterative. Sie mussten ihm auf der Spur bleiben.

»Die WELLENTÄNZER ist transitiert!«, verkündete Bearing wie aufs Stichwort. »Unsere Fünf-D-Sensoren registrieren eine starke Raum-Zeit-Strukturerschütterung am bisherigen Standort des Perlianschiffs.«

Es dauerte ein bisschen, bis sie die neu einlaufenden Messdaten ausgewertet hatte. »Er ist nah am Zentrum der Großen Magellanschen Wolke rematerialisiert«, berichtete sie schließlich.

»Nur nah?« Rhodan war erstaunt. »Hätte er nicht auch direkt ins Zentrum springen können?«

Bearing bejahte.

»Wir bleiben an ihm dran, aber mit genügend Distanz«, entschied Rhodan.

Rhodan betrachtete die möglichen Zielgebiete einer eventuellen Folgetransition der WELLENTÄNZER, die Bearing positronisch aufbereitet in einem Teilbereich des Haupthologramms einblendete. Die maximale Sprungreichweite eines 200-Meter-Kampfschiffs der Perlians definierte eine Kugel um Peregrins neue Position, deren hinteres Ende mit dem Tarantelnebel identisch war. Dieser auch 30 Doradus genannte Raumsektor war eines der größten bekannten Sternentstehungsgebiete der Lokalen Gruppe. Da sich dort sehr helle Sonnen ballten, konnte man es von der Erde aus bereits mit einem kleinen Fernrohr sehen.

»Was suchst du? Wieso willst du unbedingt ins Zentrum?«, murmelte Rhodan, wobei er mit Zeige- und Mittelfinger auf die Armlehne klopfte.

Die Frauen und Männer an den Positronikpulten ringsum gingen konzentriert ihren Pflichten nach. Seit dem Verschwinden der SOL flüchteten sie sich in die Arbeit und betäubten damit den mutmaßlichen Verlust ihrer Kameraden und Freunde. Dass sie weitab der Heimat gestrandet waren, trug auch nicht gerade zur Stimmungsaufhellung bei.

Rhodan ging es nicht anders. Obwohl das Hantelraumschiff bereits vor mehreren Tagen vermutlich zerstört worden war, war Rhodan noch immer schockiert und wollte nicht an eine Vernichtung der SOL glauben. Er verdrängte die schmerzvollen Gedanken. Dies war nicht die Zeit, in Trauer zu versinken.

»Soeben sind acht Perlianschiffe an unserem alten Standort materialisiert«, erklang laut Bearings Stimme.

Eigentlich hätten die Terraner die Ce'drell um Unterstützung ersuchen müssen. Aber etwas in Rhodan sträubte sich. Es genügte, wenn sie selbst sich in Gefahr begaben.

»Wir hätten Peregrin besser überwachen müssen.« Thora Rhodan da Zoltral hatte sich kurz zu ihm gedreht und schwenkte wieder zurück zu ihrer Konsole.

Ihre Erkenntnis kam wie so vieles in Bezug auf Peregrin zu spät. Am 16. Mai 2112, also vor grob einem Monat, war der mysteriöse Mann aus einem unvermutet im Zentrum von Terrania entstandenen, gigantischen Monolithen getreten. Nach einem beispiellosen Amoklauf war er bei Thoras Anblick friedlich geworden und mit den Worten »Es tut mir leid« zusammengesackt.

Rhodans erste Vermutung, dass es zwischen Peregrin und Arkon eine Verbindung gab, war von Gucky verneint worden. Zwar hatte der Ilt in Peregrins Gedanken eine weißhaarige Frau mit ausgebreiteten Armen geespert, doch ihr fehlten die roten Augen. Mit jener Person hatte Peregrin Thora wohl schlicht und einfach verwechselt.

»Ich mochte ihn von Anfang an nicht.« Gucky holte eine Karotte aus seiner Kombination, drehte sie zwischen den Fingern und nagte dann daran.

Rhodan sparte sich den Hinweis, dass Essen in der Zentrale verboten war. Der Mausbiber hatte überall Narrenfreiheit und würde selbst bei einer offiziellen Verwarnung nur mit den Schultern zucken. Dank seiner drei Paragaben Telepathie, Telekinese und Teleportation war er praktisch unersetzlich. Und damit kokettierte er hin und wieder.

»Interessant fand ich ja deine ablehnende Reaktion auf Peregrins ständige Forderung, dass wir ihn ins Zentrum der Großen Magellanschen Wolke bringen sollen.« Es knackte überlaut, als Gucky mit seinem einzigen Nagezahn ein Stück der Karotte abbrach. »Wuschte nischt, dass du scho schtreng schein kanscht.«

Der Mann mit den epidermalen Siliziumkarbideinschlüssen hatte immer wieder behauptet, dass die Erfüllung dieses Ansinnens von großer Bedeutung sei, aber nie eine überzeugende Begründung liefern können. Auf Ednil war Peregrin schließlich nicht mal davor zurückgeschreckt, Kinder als Geisel zu nehmen und mit deren Ermordung zu drohen, um seinen Willen durchzusetzen. Trotz seiner guten Menschenkenntnis wurde Rhodan aus dem Fremden nicht schlau.

»Du kennst den Spruch mit dem vollen Mund und dem Sprechen?«, fragte Rhodan mitten in Guckys Schmatzen.

»Wie könnte ich essen, wo doch Speis und Trank in der Zentrale verboten sind?«

Rhodan seufzte. »Ja, wie könntest du?«

Er schaltete ein privates Konferenzgespräch mit Thora, Gucky und Nilofar Abbasi. »Hat jemand eine Idee? Was könnte Peregrin im Zentrum der Großen Magellanschen Wolke suchen?«

»Das ist die Hunderttausend-Dollar-Frage, die er ja selbst nicht beantworten konnte – oder wollte.« Der Ilt vertilgte den letzten Rest seiner Karotte. »Aber die spannendere aktuelle Frage ist doch, wieso er uns angegriffen hat. Warum ist er nicht einfach abgehauen, nachdem er die beiden Perlianraumer vernichtet hat?«

»Vielleicht wollte er keine Zeugen hinterlassen«, spekulierte Abbasi.

»Oder wir nerven ihn«, vermutete Gucky.

»Ja, wir waren ihm wohl von Anfang an zu zögerlich und zu langsam«, pflichtete Thora ihm bei. »Er hat sich nicht grundlos ein hochtechnisches, für die lokalen Bedingungen optimiertes Perlianschiff verschafft.«