Pest und Corona - Heiner Fangerau - E-Book

Pest und Corona E-Book

Heiner Fangerau

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Beschreibung

Die Corona-Krise hat unsere Art zu leben ins Wanken gebracht. Dies geschieht keineswegs zum ersten Mal – und wird sich sicher wiederholen. Die Ärzte und Medizinhistoriker Heiner Fangerau und Alfons Labisch erörtern Pandemien samt Covid-19 in ihren historischen, aktuellen und künftigen Dimensionen und diskutieren die Fragen: Hat die Welt so etwas wie die aktuelle Pandemie schon einmal erlebt? Wie veränderten Seuchen das öffentliche und private Leben? Was sind die natürlichen, die sozialen, historischen und kulturellen Hintergründe von Pandemien? Worauf müssen wir uns künftig persönlich und worauf müssen sich Gesellschaft und Gesundheitswesen einrichten, wenn wir unsere Lebensart bewahren wollen?

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Kathrinschroeder

Man kann sich nicht von der Lektüre losreißen

Pest und Corona - Pandemien in Geschichte, Gegenwart und Zukunft Sachbuch, digital gelesen dank Netgalley im Mai 2020 Erscheinungsdatum 30.04.2020 Dieses Buch enthält den Faktenstand vom 16.04.2020 zum Thema Corona - ist also binnen 14 Tagen nach der letzten Aktualisierung erschienen. Da es mitten in Corona veröffentlicht wird, enthält es naturgemäß nur unvollständige Informationen über Corona/Covid-19, ist aber definitiv kein Schnellschuß. Es behandelt verschiedene Aspekte rund um die unterschiedlichsten Pandemien seit geschichtlicher Zeit, setzt sie in Relation hinsichtlich Verbreitung und Sterblichkeit und schafft dabei weitestgehend auf Wertungen zu verzichten. Ein umfassendes Buch zum Thema, nach meiner Einschätzung gut recherchiert und mit zahlreichen Quellen belegt. Keine Wertung hinsichtlich der Schwere, Sterblichkeit, Effektivität der aktuellen Maßnahmen, sondern ein wohltuend neutraler Betrachter ohne reißerische Aspekte. Zahlreiche hier genannte Pandemien waren mir un...
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Inhalt

Einleitung Die „größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg“?

1. Covid-19 Die aktuelle Situation

2. „Skandalisierte Krankheiten“ und „echte Killer“ Historische und aktuelle Beispiele

Was ist eine „skandalisierte Krankheit“?

Cholera und der gemeine Durchfall

Skandalisierte Krankheit: Wissenschaftslogiken versus Inszenierungslogiken

„Skandalisierte Krankheiten“ – und Covid-19

3. Mehr als Fieber und Tote Seuchen, die Geschichte machten

Der „Schwarze Tod“ und der Streit um den Erreger

Die „Attische Seuche“ und die Frage nach der Epidemie

Pocken und Syphilis oder der Austausch zwischen den Kontinenten

Influenza 1918 oder das vergessene Menetekel

Seuchen und Kriege in der Moderne

4. Wenn der Tsunami kommt Seuchen und die Gesundheitssicherung

Das Mittelalter und die Entwicklung der „sanitas terre“

Lepra und Syphilis in der frühen Neuzeit

Die Pocken, das Gesundheitswesen und der Impfzwang

Die Cholera und die moderne hygienische Infrastruktur

Medizinische Entdeckungen: Cholera und Tuberkulose

Pettenkofer versus Koch

Die Cholera und das internationale Gesundheitswesen

Warum das Trinkwasser in Deutschland so gut ist

„Typhoid Mary“

Die Kindersterblichkeit und die Assanierung des Gesundheitsverhaltens

5. Agens – Vektor – Wirt Krankheiten im individuellen und öffentlichen Leben

Der Kampf gegen den ständigen Begleiter

Seuchenabwehr und Kultur

Biologische Bedingungen, Epidemien und Pandemien auszulöschen

Seuchen und Zivilisation – die Natur im menschlichen Zusammenleben

Die Sinngebung von Epidemien

Biomacht und Biopolitik

Spiel und Spaß als Selbstüberwachungsmaschine

6. Im Spannungsfeld Der Mensch, die Gesundheit und die Gesellschaft

Gesundheit zwischen Individuum und Gesellschaft

Handeln in Unsicherheit

Gesundheit im politischen Raum

Potenziale der öffentlichen Gesundheitsleistungen

7. Die neuen Seuchen Biologie und Gesellschaft – Ausbreitung und Abwehr

„New emerging infectious diseases“ – vom Tier übertragen

Pandemiepläne

Infektionsschutzgesetz

SARS-CoV-2 und Covid-19

Case-Control-Studies im Realversuch

Covid-19 in Deutschland

Nationale Reaktionen

8. Was ist zu tun?

Die Verwandlung der Welt

Kontrolle der biologischen Grundlagen neuer Seuchen am Ort ihrer Entstehung

Internationale Kontrolle von Krankheitserregern und Epidemien

Nationale Vorgaben und Grundsatzentscheidungen in Vorbereitung auf eine Epidemie

Maßgeblich sind unsere Werte und unsere Entscheidungen

Was zu tun ist – kurzgefasst

Die Autoren

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2020

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Umschlagmotiv: © sutichak / AdobeStock

E-Book-Konvertierung: Arnold & Domnick, Leipzig

ISBN Print 978-3-451-38879-8

ISBN E-Book 978-3-451-82167-7

„Der freie Verkehr ist ein so großes Gut, daß wir es nicht entbehren könnten, selbst um den Preis nicht, daß wir von Cholera und noch vielen anderen Krankheiten verschont blieben. Eine Sperre des Verkehrs bis zu dem Grade, daß die Cholera durch denselben nicht mehr verbreitet werden könnte, wäre ein viel größeres Unglück als die Cholera selbst …“

Max von Pettenkofer, 1873

Einleitung Die „größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg“?

Wir durchleben derzeit die „Corona-Krise“ – bei Google hatte dieser Terminus am 20. April 2020 mehr als 88 Millionen Einträge. Auch die „Corona-Katastrophe“ war mit etwa 14,5 Millionen Einträgen bei Google hoch im Kurs (20. April 2020). Weniger dramatisch, aber immer noch im Superlativ sprach Sebastian Kurz (geb. 1986), der Bundeskanzler Österreichs, am 15. März 2020 von der „größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg“. In ihrer öffentlichen Fernsehansprache am 18. März 2020 verwandte Angela Merkel (geb. 1954), die Bundeskanzlerin Deutschlands, ganz ähnliche Worte. Armin Laschet (geb. 1961), Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, spricht von der „größten Bewährungsprobe der Landesgeschichte“. Bereits am 16. März 2020 hatte Markus Söder (geb. 1967), der Ministerpräsident von Bayern, den Katastrophenfall für ganz Bayern ausgerufen, nachdem der Bürgermeister des kleinsten Bundeslandes drei Tage vorher stolz verkündet hatte, dass Bremen „als eines der ersten Bundesländer die Empfehlung des Bundesgesundheitsministers umgesetzt und Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abgesagt habe“. Am 1. April versuchte Armin Laschet in einem parlamentarischen Hauruckverfahren wegen der „dramatischen Lage“ ein Pandemiegesetz durch den Landtag zu bringen, das von der Opposition in Teilen als verfassungswidrig eingeschätzt wurde. Am Ende wurde das umstrittene „Epidemiegesetz“ am 14. April 2020 mit Zustimmung aller Fraktionen des Landtags – außer erwartungsgemäß der AfD – verabschiedet.

Beispiele für die Katastrophenrhetorik und die Dynamik von Maßnahmen, die tief in die gesellschaftliche Ordnung eingreifen, lassen sich national wie auch international beliebig viele finden. Die Präsidenten Frankreichs und der USA fechten gar Endzeitschlachten aus und bringen die klassische Kriegsmetaphorik aus der Immunitätslehre und Bakteriologie, die schon um 1900 Konjunktur hatte, zu neuer Blüte. Ist das, was wir derzeit erleben, tatsächlich die größte Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg? Wie lange reicht unser Gedächtnis zurück?

In der aktuellen Pandemie wird diese Frage vielfach an die Geschichte gestellt. Die Medienwelt ist reich an historischen Vergleichen. Kritisch zu hinterfragen ist dabei in jedem Fall, wie weit historische Vergleiche taugen – ist die Geschichte doch kein Secondhandshop oder eine Mottenkiste, aus der man je nach Tageskurs und Tagesform eine Analogie hervorziehen kann. Dennoch taugt der Blick zurück, um das aktuelle Katastrophenszenario einordnen und reflektieren zu können. Den einfachsten, wenn auch zynisch anmutenden Parameter, die aktuelle Pandemie mit vergangenen Seuchenkatastrophen seit dem Zweiten Weltkrieg zu vergleichen, bietet die Mortalitätsstatistik. Abgesehen von den zahlreichen politischen, wirtschaftlichen und sonstigen Unglücken, Katastrophen und Krisen der Nachkriegszeit, hier in Stichworten einige wenige Beispiele aus der Krankheits- und Sterblichkeitsstatistik der Bundesrepublik Deutschland bzw. Deutschlands seit 1945:

„Kinderlähmung“/Polio in den Jahren 1946 bis 1960, ca. 50 000 Erkrankte, allein in der Epidemie 1952 ca. 9500 Gelähmte und 745 Verstorbene;„Asiatische Grippe“ – A/H2N2 in den Jahren 1957/58, ca. 29 000 Verstorbene;„Hongkong-Grippe“ – A/H3N2 in den Jahren 1968/70, ca. 30 000 Verstorbene;HIV/AIDS in den 1980er-Jahren, ca. 27 000 Verstorbene;Virusgrippe 1995/96, ca. 30 000 Verstorbene;Virusgrippe 2004/05, ca. 20 000 Verstorbene;Schweinegrippe – meistens A/H1N1 in den Jahren 2009/10, ca. 250 bis 350 Verstorbene (wahrscheinlich liegt die Zahl um das Zehnfache höher);Grippewelle 2014/15 – laborbestätigte Todesfälle: 274; das RKI schätzt die Zahl der Todesfälle – sog. Exzess-Schätzung – auf 21 300;Grippewelle 2016/17 – laborbestätigte Todesfälle: 722; RKI schätzt die Zahl der Todesfälle – sog. Exzess-Schätzung – auf 22 900;Grippewelle 2017/18 – laborbestätigte Todesfälle: 1674; das RKI schätzt die Zahl der Todesfälle – sog. Exzess-Schätzung – auf 25 100;Virusgrippe 2019/20, bisher (KW 15/2020) ca. 184 452 Infizierte, davon 16 Prozent (ca. 29 500) hospitalisiert und 434 Verstorbene (wahrscheinlich liegt die Zahl höher).1

Und Covid-19? Zwar sind die Infektionsraten hoch, auch ist die Letalität, die Tödlichkeit in Deutschland – erwartungsgemäß – angestiegen. Jeder einzelne Tote ist ein schmerzlicher Verlust. Aber epidemiologisch müssen wir auch festhalten, dass die anderen üblichen Übel, die alltäglichen Krankheiten, das alltägliche Sterben an Hirn- und Herzinfarkten, an Krebs, an Lungen- oder Stoffwechselkrankheiten eben auch weiter existieren – all das allerdings regt niemanden auf, der nicht betroffen ist. Es wird gegebenenfalls nicht einmal zur Kenntnis genommen. Die Seuche dominiert die Tagesgespräche und die Medien.

Warum reagieren wir, warum reagiert die weltweite Öffentlichkeit bei der Corona-Pandemie dieses Mal anders und radikaler als früher? Regional begrenzte Kontaktsperren gab es auch bei früheren Pandemien. Das Infektionsschutzgesetz und das frühere Bundesseuchengesetz sahen schon vorher Eingriffe in die Grundrechte vor. Die Optionen, die dieses Ausnahmegesetz bietet, wurden aber nie so schnell, umfassend und einschneidend gezogen wie in der jetzigen Pandemie. Die generelle Frage muss also lauten: Warum trifft uns diese Pandemie in einer Weise, die zumindest in unserer aktuellen Wahrnehmung unser Land, Europa, ja die ganze Weltgemeinschaft in den Grundfesten zu erschüttern droht?

Dazu sei hier eine Grundthese aufgestellt, die die Argumentation in und zwischen den nachfolgenden Zeilen bestimmen soll: Handel, Wandel, Kontakte, Kommunikation sind das Lebenselixier von Gemeinschaft und Gesellschaft und – wie wir jetzt feststellen – auch von globalen Gesellschaften. Eben dieser in den letzten Jahrzehnten ausgeweitete, eingeübte, gelernte und für die Zukunft der weltweit vernetzten Informationsgesellschaft als in jeder Hinsicht selbstverständlich unterstellte soziale Austausch und damit die Gesundheit des öffentlichen Lebens sind durch eine ansteckende Krankheit gefährdet, ja kurz davor zum Erliegen zu kommen. Wie problematisch fehlender Austausch und auch fehlende Kommunikation sind, wird deutlich, wenn viele Waren und Dienstleistungen, die in unserem Alltag völlig selbstverständlich waren – wie etwa Atemschutzmasken – auf einmal nicht mehr aus China oder anderen Teilen der Welt zu uns gelangen.

Daraus resultiert sogleich die nächste, in die Zukunft gerichtete Frage: Wie wird es künftig, nachdem die Corona-Pandemie abgeklungen ist, möglich sein, größtmögliche Freizügigkeit, Handel und kulturellen Austausch bei einem zukünftigen, vergleichbaren Ereignis aufrechtzuerhalten?

Eine maßgebliche Rolle im aktuellen Geschehen, seiner Beurteilung und in den künftigen Maßnahmen spielt der Austausch von Nachrichten – und was sich in persönlicher Kommunikation, Funk, Fernsehen und sozialen Medien als Nachrichten ausgibt. Wir sind zeitgleich auch mit den entlegensten Gegenden der Welt verbunden und können das örtliche Geschehen im besten Fall im direkten Kontakt mit den Menschen in diesen Gegenden von Angesicht zu Angesicht erörtern. Zwischen den veröffentlichten und den privaten Nachrichten konnte sich die Welt seit den ersten Januarwochen des Jahres 2020 ein Bild davon machen, was in China geschieht. Die Welt hätte sich entsprechend wappnen können. Waren die vergangenen Seuchen vergessen? Waren die Erfahrungen, ja die ausgearbeiteten Evaluationen voriger und die Planspiele künftiger Epidemien vergessen? Woher diese scheinbar überschießenden Reaktionen?

Wir stehen derzeit immer noch mitten im Seuchengeschehen. In diesem Wirbel von Informationen und Meinungen ist es schwierig, einen Punkt zu gewinnen, von dem aus sich das aktuelle Ereignis beurteilen lässt. Forschung und Wissenschaft sind solche Orte. Denn zumindest sind wissenschaftliche Aussagen belegt und können daher überprüft werden. Aber: Die Antworten der Forscher sind notwendig hochspezialisiert – seien es die von Virologen, Epidemiologen, Klinikern oder anderen Experten. Außerdem sind Aussagen der Forschung notwendigerweise immer vorläufig – das ist das Charakteristikum der Wissenschaften. Nur wenig bleibt im Laufe der Zeit als gesichertes Wissen übrig. Vielleicht kann in einer solchen Situation und an dieser Stelle trotz aller Vorsicht vor vorschnellen Vergleichen und Analogieschlüssen ein Blick in die Geschichte dazu dienen, die Situation in langfristiger Perspektive zu ergründen und auf diese Weise etwas Klarheit zu gewinnen.

Diejenigen, die jetzt Entscheidungen treffen müssen, handeln in eine offene Zukunft hinein. Das gilt – darauf wird zurückzukommen sein – grundsätzlich für alle Ärztinnen und Ärzte, und es gilt auch für Akteurinnen und Akteure der öffentlichen Gesundheitssicherung. Das Handeln ins Unsichere, das „Handeln als ob“ bietet im aktuellen Geschehen verschiedene Aussichten und Optionen. Die Geschichte gewährt uns Handlungsoptionen, die in Ereignissen oder Strukturen geronnen und deren Folgen historische Tatsachen geworden sind.

Hier wollen wir mit Blick auf die Corona-Pandemie von 2020 ansetzen. Seuchen aus der Vergangenheit in ihren jeweiligen biologischen, anthropologischen und sozialen Zusammenhängen sowie ihre Aus- und Nachwirkungen auf das Leben der Menschen bilden also den Gegenstand der folgenden Gedanken. Gerichtet wird der Blick auf die historischen Ereignisse durch folgende Fragen: Welche Entwicklungslinien lassen sich – gegebenenfalls sogar in ihrem Fortwirken – erkennen, welche – möglicherweise auch im Verborgenen wirkenden – Entwicklungsmomente sind auszumachen, welche Schlussfolgerungen können wir ziehen?

In diesem Sinne verhandelt dieses Buch eine zwar historisch-empirische, aber handlungsbezogene und damit „pragmatische Medizingeschichte“. Es geht zwar primär um „Geschichte an und für sich“. Erkenntnisse aus vielen historischen Arbeiten fassen wir hier in kleinen Skizzen zusammen. Es geht aber im zweiten Schritt auch um die Konsequenzen, die sich aus einer professionellen Geschichtsschreibung ergeben können. Das Ergebnis sollen Vorüberlegungen zum künftigen Umgang mit „new emerging diseases“ sein, wie wir der internationalen Terminologie folgend die in den letzten Jahren und in Zukunft immer wieder auf unsere Gesellschaften neu zukommenden Infektionserkrankungen zusammenfassend nennen werden. Denn eines können wir bereits aus den wenigen oben ausgeführten Daten entnehmen: Wir müssen uns darauf einstellen, dass derartige Epi- und Pandemien in kurzen Abständen ständig wiederkehren werden. Und wir können uns darauf vorbereiten.

Die Argumentation in diesem Buch ist folgendermaßen geordnet: Zunächst werden das neue Virus und die neue Pandemie vorgestellt (= 1.) und in die Reihe der „skandalisierten Krankheiten“ und der „echten Killer“ eingeordnet (= 2.). Anschließend werden in kurzen historischen Überblicken Seuchen vorgestellt, die ihre Spuren in der allgemeinen Geschichte (= 3.) und in der heute gegebenen Organisation öffentlicher Gesundheitsleistungen vornehmlich in Deutschland hinterlassen haben (= 4.). Diesen historischen Beispielen werden grundlegende Modelle aus der Biologie und der Organisation menschlichen Zusammenlebens (= 5.) sowie eine systematisierte Analyse der Handlungsmöglichkeiten öffentlicher Gesundheitssicherung gegenübergestellt (= 6.). Auf dieser ebenso historischen wie systematischen Basis ist es möglich, die alten und neuen Seuchen in ihren biologischen und gesellschaftlichen Grundlagen besser zu verstehen (= 7.). Den Abschluss bilden Antworten auf die oben formulierten grundlegenden Probleme und Fragen (= 8). Wie können wir trotz aller gesundheitlichen Gefahren den Austausch, den weltweiten Verkehr von Waren, Gütern, Dienstleistungen und Menschen in einer globalen Welt aufrechterhalten? Zwar bauen die Kapitel aufeinander auf, sie sind aber in sich abgeschlossen les- und verstehbar. Dadurch können sich in einzelnen Aspekten kleine Dopplungen ergeben.

Dieses Buch hat German Neundorfer im Namen des Verlages Herder im März 2020 angeregt. Das E-Book soll bereits Ende April 2020 erscheinen. Uns als Autoren ist klar, dass hier – besonders mit Blick auf das aktuelle Seuchengeschehen – viel Vorläufiges ausgesagt wird. Und vieles kann in der gebotenen Kürze nur angedeutet werden, vieles wird sogar fehlen. Auch Irrtümer werden zu finden sein: Wir sind keine Virologen. Aber schauen wir zurück, was die Wortführer in Forschung, Wissenschaft und Politik seit Januar dieses Jahres gesagt haben.Die „Corona-Lernkurve“ war und ist steil – und sie wird es mit Blick auf die Biologie des Virus, auf Prävention, auf Impfstoffe, auf Therapeutika und auf Maßnahmen der öffentlichen Gesundheitssicherung noch lange bleiben. Eine Printversion des Buchs soll bereits im Juni 2020 folgen. Wir danken German Neundorfer, dass er uns zu diesem Kraftakt bewegt und unsere Arbeit nach Kräften unterstützt hat. Wir danken Maria Griemmert und Ulrich Koppitz: beide haben die Endversionen des Manuskripts gegengelesen. Torsten Wurm und Jörg Timm sei für ihre korrigierenden Hinweise gedankt. Sämtliche verbleibenden Fehler gehen selbstverständlich zu unseren Lasten.

1. Covid-19 Die aktuelle Situation

Am Montag, dem 16. März 2020, waren morgens in Deutschland 5813 Menschen nachweislich mit SARS-CoV-2 infiziert, 13 Menschen waren verstorben.2 Zugleich traten an diesem 16. März 2020 vergleichsweise massive seuchenhygienische Maßnahmen in Kraft: Bundesweit wurden Schulen und Kitas geschlossen, öffentliche Veranstaltungen abgesagt, die Nordseeinseln abgeriegelt und die Telekom begann, Bewegungsdaten an das Robert Koch-Institut (RKI) zu senden. Viele weitere Maßnahmen für das Verhalten im Alltag wurden empfohlen. Dies alles erfolgte mit dem Hinweis auf die bedrohliche Lage in Italien. Dort waren zum selben Zeitpunkt 24 747 Menschen positiv getestet und davon 1809 Menschen verstorben. Das entspricht einer Sterblichkeit von 7,3 Prozent. In Deutschland lag die Sterblichkeit an Covid-19 zum damaligen Zeitpunkt leicht über 0,2 Prozent.

Einen Monat später, am 16. April 2020 (Redaktionsschluss dieses Buches), waren nach der oben angeführten Website aus Baltimore, die sich inzwischen als die Referenzseite herausgestellt hat (das RKI aktualisiert seine Daten einmal täglich nach Meldung der Gesundheitsämter, die Seite der Johns-Hopkins-Universität wird weitgehend automatisiert aktualisiert), 134 753 Infektionen in Deutschland nachgewiesen, 3804 Personen waren an Covid-19 verstorben und 77 000 galten als geheilt. Damit lag die Letalität in Deutschland inzwischen bei 2,8 Prozent, war also erwartungsgemäß ein wenig angestiegen und wird wohl noch weiter ansteigen. Denn je nach Betrachtungsweise ist die Berechnung der Letalität mit erheblicher Unsicherheit behaftet: Wird die Letalität auf alle nachgewiesenen Infektionen bezogen, wird sie unterschätzt, da man nicht weiß, ob von den Infizierten noch weitere sterben. Bezieht man sie nur auf die Geheilten, wird sie überschätzt, da man nicht weiß, wie viele der aktuellen Patienten sich noch erholen werden. In Italien lag die Letalität inzwischen bei über 13 Prozent. Dafür sank dort seit wenigen Tagen die Infektionsrate – ein Lichtblick für dieses gepeinigte Land.

Der Erreger der neuen Seuche und das epi- und pandemische Geschehen selbst können hier nur äußerst verkürzt dargestellt werden. Wir sprechen von „Seuche“ und nutzen damit den Begriff, der seit dem Ende des 18. Jahrhunderts für Epidemie genutzt wurde, obwohl er im Frühhochdeutschen noch ein „Siechtum“, also ein langsames, chronisches Kranksein mit fatalem Verlauf bezeichnet hatte.3 Auch werden wir den Begriff Covid-19 (Corona-virus-disease-19) als systematisch beschreibenden Namen für die Krankheit benutzen, die durch das derzeit grassierende Coronavirus SARS-CoV-2 hervorgerufen wird.4 SARS-CoV-2 steht hier für „Severe Acute Respiratory Syndrome CoronaVirus 2“ und stellt selbst schon eine minimale Beschreibung der Symptome dar, die das Virus im Menschen verursacht. Noch ist nicht alles über Covid-19 bekannt, was man wissen muss, um mit der Krankheit mit der gleichen Gelassenheit umgehen zu können wie mit einer Grippe, aber der Wissensstand erweitert sich in weltweiter Kommunikation nahezu stündlich. Der aktuelle, permanent revidierte Stand kann leicht im Internet abgefragt werden. Dies gilt für die – gelegentlich allzu unentschiedenen – Seiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), für die informativen Seiten des Robert Koch-Instituts (RKI) oder vergleichbarer Institutionen in anderen Staaten, etwa den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA. Auch das Chinese Center for Disease Control and Prevention (ChinaCDC) sei hier erwähnt – hier können die öffentlich publizierten Nachrichten auch in englischer Version verfolgt werden. In den seriösen Medien – ob in Internet-Enzyklopädien, Zeitungen oder Zeitschriften – sind die Informationen vorzüglich aufbereitet – insbesondere dann, wenn moderne Techniken der Bildgebung, Videos, Grafiken, elektronische Querverweise und andere interaktive Möglichkeiten genutzt werden können. Dies alles kann ein Fließtext in einem Buch nicht ersetzen. Deshalb kann es hier lediglich darum gehen, den aktuellen Stand der Kenntnis des Erregers, seiner Umwelt und seines Verhaltens mit Blick auf die Problem- und Fragestellungen des Buches zusammenzufassen.

Nach der geläufigen Geschichte der Covid-19-Pandemie wurde die Krankheit erstmals Ende Dezember 2019 in China in Wuhan, Provinz Hubei, einer der bedeutenden Wirtschafts- und Universitätsstädte dieses Landes, als SARS-ähnliche Krankheit wahrgenommen. Die für die Seuchenbekämpfung zuständige Gesundheitsadministration Chinas (National Health Commission China) meldete Pneumoniefälle unbekannter Genese am 30./31. Dezember 2019 an das Regionalbüro der WHO in China. Am 7. Januar identifizierten die chinesischen Behörden einen neuen Typ von Coronaviren, dessen genetische Sequenz am 12. Januar international publik gemacht wurde. Die WHO rief am 30. Januar 2020 eine internationale Notlage aus (Public Health Emergency of International Concern (PHEIC)). Was bedeutet das? Nachdem 2003 das SARS Coronavirus 1 sich rasch ausgebreitet hatte, hatte die WHO begonnen, ihre seit 1969 bestehenden Internationalen Gesundheitsvorschriften zu überarbeiten, die 2005 in die derzeit geltende Version mündeten. Hierbei handelt es sich um völkerrechtlich bindende Vorschriften, die helfen sollen, die Verbreitung von Seuchen frühzeitig einzudämmen. Ruft die WHO nach Artikel 12 dieser Vorschriften die Notlage aus, so bedeutet das u. a., dass in den Unterzeichnerstaaten eigene Gesetze zum Seuchenschutz in Kraft gesetzt werden sollen, die zum Beispiel die Reisefreiheit eingrenzen oder das Vorlegen von Gesundheitsdokumenten fordern. In Deutschland ruft die Notlage das Robert Koch-Institut auf den Plan, das Gesundheitsdaten zur infrage stehenden Pandemie sammeln und an die WHO übermitteln soll.5 Am 28. Februar stufte die WHO die internationale Gefährdungslage als sehr hoch ein, um am 11. März 2020 schließlich eine Pandemie festzustellen. In diesem Prozess wurden der Krankheitserreger SARS-CoV-2 und die Pandemie Covid-19 benannt, sodass es eine international einheitliche Nomenklatur gibt.

Viren sind reine Erbinformationen, die in eine kleine Kapsel – ein so genanntes Capsid – gehüllt sind. Viren sind daher auf die Zellen von Wirten angewiesen: Für sich selbst sind Viren nicht vermehrungsfähig. Die nach wie vor diskutierte Frage, ob Viren überhaupt Lebewesen sind, ist nicht abschließend entschieden, obwohl eine Mehrheit der Virologen dazu neigt, sie nicht als solche zu betrachten.

Das SARS-Coronavirus Typ 2 gehört zu einer größeren Familie von Coronaviren. Als Erbinformation für die Virusvermehrung trägt es eine einzelsträngige RNA (Ribonucleic Acid), von der der gesamte Bauplan zur Produktion von neuen Viruspartikeln abgelesen werden kann. Dazu schleust das Virus die Erbinformation in eine Wirtszelle ein, die dann beginnt, große Mengen neuer Viren zu produzieren. Kennzeichnend für Coronaviren ist, dass die Erbinformation relativ stabil ist und es überdies Reparaturenzyme gibt, die beschädigte RNA korrigiert. Influenzaviren fehlt diese Reparaturmöglichkeit. Sie ändern im Vergleich häufig ihren genetischen Code, wenn sie sich vermehren. Dies ist ein Grund, warum Influenza-Schutzimpfungen ständig erneuert werden müssen. Mit einem veränderten Gencode können sich auch die Ansteckungsmöglichkeit und die Schwere nachfolgender Erkrankungen ändern – und zwar sowohl nach der harmlosen als auch nach der hochgefährlichen Seite. Die fallspezifische Todesrate – die Letalität oder „case-fatality-rate“ – lag bei der SARS-Epidemie von 2003 bei zehn Prozent, bei der MERS-Epidemie (Middle East Respiratory Syndrome coronavirus) von 2009 zwischen 30 und 40 Prozent.

Die biologische Herkunft von SARS-CoV-2 ist nach wie vor nicht endgültig geklärt. Covid-19 ist eine Zoonose, also eine Seuche, die von Tieren ausgeht. Nach dem jetzigen Stand ist das eigentliche Reservoir des Virus eine bestimmte Art von Fledermäusen. Das ursprüngliche Fledermaus-Virus ist aber für den Menschen nicht pathogen. Das Virus benötigt einen zweiten Wirt, einen so genannten Zwischenwirt, um die „Spezies-Barriere“ Tier-Mensch zu durchbrechen und damit für den Menschen pathogen zu werden. Diese Zwischenwirte dienen als eine Art biologischer Konverter (Umwandler). Möglicherweise sind bei SARS-CoV-2 kleine Gürteltiere die Zwischenwirte. Dies ist jedoch nicht endgültig geklärt. Gürteltiere gelten in China als Delikatesse, und ihre Haut wird als medizinisches Heilmittel eingesetzt. Die biologische Konverter-Situation wird durch soziale Vorgaben, wie etwa die gemeinsame Aufzucht von Geflügel und Schweinen – so bei den Grippeviren –, oder durch große Lebendtiermärkte, wie etwa dem übergroßen „Huanan Großhandelsmarkt für Fische und Meeresfrüchte“ (Huanan Seafood Market) in Wuhan, erzeugt. Die chinesische National Health Commission hatte am 11. und 12. Januar 2020 detaillierte Informationen an die WHO geliefert, dass der Ausbruch der Seuche mit dem Huanan Seafood Market verbunden sei. Es wird diskutiert, dass auf solchen Märkten die Konversion beschleunigt wird oder begünstigt ablaufen kann. Eine solche Situation ist von Menschen gemacht, also prinzipiell beherrschbar: Hier liegt künftig ein wichtiger Ansatz für die Prävention viraler Epi- und Pandemien. Erst wenn das Virus von Mensch zu Mensch überspringt, sind die Bedingungen für eine Epidemie, gegebenenfalls auch für eine Pandemie gegeben. Diesen Übergang muss man verhindern.

SARS-CoV-2 vermehrt sich nach Kontakt zunächst im Nasen- und Rachenraum, später auch in den tieferen Lungen und im Magen-Darm-Trakt. Das Virus wird durch Flüssigkeitspartikel beim Atmen, Husten und Niesen im Umkreis der infizierten Person verbreitet. Daraus folgen die vorbeugenden Maßnahmen, die im Wesentlichen aus guter persönlicher Hygiene, insbesondere Handhygiene, Husten- und Niesen-Etikette, körperlicher Distanz und Vermeidung von Kontakten bestehen. Diese Maßnahmen sind seit über 100 Jahren bekannt und sollen hier nicht im Einzelnen erläutert werden.

Covid-19 verläuft überaus vielfältig, was die schnelle klinische Diagnose erschwert – die Bandbreite reicht von völlig symptomfreien über milde bis hin zu schweren Verläufen, dann beatmungspflichtigen Lungenentzündungen und dem letztlichen Lungenversagen. Von den – bekannten – Infizierten werden nach kumulierten Zahlen aus China (Basis: über 55 000 laborbestätigte Fälle) 70 bis 85 Prozent krank. Davon verlaufen 80 Prozent mild bis moderat, d. h. ohne Anzeichen einer Pneumonie oder nur mit leichter Lungenentzündung. 14 Prozent der Erkrankungen sind schwer, aber nicht lebensbedrohlich. Sechs Prozent der Erkrankungen verlaufen kritisch bis lebensbedrohlich mit Lungenversagen, septischem Schock oder multiplem Organversagen.

Der Prozentsatz der an Covid-19 Verstorbenen liegt je nach Berechnungsart zwischen 3,5 und 7,5 Prozent der bestätigten Fälle. Andere Berechnungen kommen auf wesentlich niedrigere Zahlen. Die Letalität – an sich bereits epidemiologisch nach verschiedenen Parametern erfasst – ist (noch) nicht zu berechnen, da die Zahl der tatsächlich Infizierten nicht bekannt ist. Wenn die Dunkelziffer der tatsächlich Infizierten wesentlich höher liegt als die Zahl der positiv getesteten Personen, würde die Letalität entsprechend sinken.

Die WHO schätzt, dass ca. 15 Prozent der Infizierten zusätzlich Sauerstoff benötigen und fünf Prozent der Infizierten beatmet werden müssen. Die invasive Beatmung selbst ist nicht unproblematisch. Aktuelle Untersuchungen zur Beatmung von Covid-19-Kranken zeigen mit Blick auf das Schadenspotenzial der Therapie ernüchternde Werte: Eine nichtinvasive Beatmung ist mittelfristig nicht effektiv, weil sie den Verlauf der Krankheit nicht beeinflussen und die Mortalität nicht reduzieren kann. Bei gesunden Menschen wird die Lunge durch Heben und Senken des Brustkorbs und/oder des Zwerchfells passiv belüftet. Bei einer invasiven Beatmung wird aktiv Luft in die Lunge gepresst. Da bei Covid-19-Erkrankten die Lungenbläschen nicht mehr so funktionieren, wie sie sollten, wird die Lunge bei dieser Druckbeatmung nicht gleichmäßig gedehnt. Außerdem benötigt man sehr viel Sauerstoff. Beides kann der Lunge schweren Schaden zufügen. Lungenbläschen, Lungenblutkreislauf und damit das Herz werden extrem belastet. Etwa 80 Prozent der invasiv Beatmeten überleben die Behandlung nicht. Von den 14 Prozent, die die Beatmung auf der Intensivstation überleben, entwickeln die meisten schwere Lungenschäden, deren Schwere von der Dauer der Beatmung abhängt. Ein Teil der Überlebenden wird – das zeigen Erfahrungen mit vergleichbaren Erkrankungen – den Rest ihres Lebens Sauerstoff benötigen. Von den Patienten, die länger als 14 Tage beatmet wurden, überleben etwa 40 Prozent ein Jahr – und dies mit eingeschränkter Lebensqualität, das zeigen Studien zu vergleichbar Beatmeten.6

Die Inkubationszeit – also die Zeit von der eigentlichen Infektion bis zum Ausbruch von Symptomen – kann bis zu 14 Tagen betragen und liegt im Mittel bei fünf bis sechs Tagen. Das serielle Intervall als Beginn der Erkrankung eines Falles und des Beginns der Erkrankung einer angesteckten Person liegt bei vier bis 7,5 Tagen. Der Gipfel liegt indes bei drei bis fünf Tagen. Aus den 14 Tagen Inkubationszeit errechnet sich auch die Dauer einer notwendigen persönlichen Isolation, will man eine Ansteckung Anderer vermeiden. Die öffentliche Isolationszeit und damit das Darniederliegen des öffentlichen Lebens richtet sich indes nach der Reduplikationsrate des Virus und dem jeweils angestrebten (möglichst niedrigen) Ansteckungskoeffizienten.

Da das SARS-CoV-2 neu ist, also bislang keine Immunität in der Bevölkerung besteht, werden alle Altersgruppen gleich befallen – die Rolle von Kindern ist strittig. Der Hauptanteil der Erkrankten – 45 Prozent – ist in Deutschland 35 bis 59 Jahre alt, 25 Prozent sind zwischen 15 und 34 Jahren alt, 20 Prozent sind zwischen 60 und 79 Jahren alt.

Risikogruppen für schwere Verläufe sind ältere Personen ab 50 bis 60 Jahren. Über 80 Prozent der bisher in Deutschland an Covid-19 verstorbenen Patienten waren 70 Jahre und älter (Altersmedian 82 Jahre). Alter mag an sich kein besonderes Risiko darstellen, aber ältere Menschen haben öfter Vorerkrankungen, die den Verlauf der Infektion negativ beeinflussen. Personen mit Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems, der Lunge, chronischen Lebererkrankungen, Diabetes mellitus, Krebserkrankungen und einem geschwächten Immunsystem sind besonders gefährdet. Es können allerdings auch jüngere Personen ohne bekannte Vorerkrankungen schwer erkranken. Über Langzeitfolgen einer überwundenen Krankheit liegen bislang keine hinreichenden Daten vor.

Im Alltagsleben und beim ersten Besuch beim Hausarzt – also vorbehaltlich des Virennachweises – ist die Infektion durchaus schwierig gegenüber einer Influenza-Infektion oder einer „normalen“ Erkältung abzugrenzen. Die echte Influenza ist durch hohes Fieber, gegebenenfalls über 40 Grad Celsius, starkes Krankheitsgefühl sowie Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen gekennzeichnet. Die „normale“ Grippe, also die saisonale Erkältungskrankheit, geht mit geringem Fieber – unter 38 Grad Celsius – sowie Abgeschlagenheit, Husten, Schnupfen, Gliederschmerzen und Kopfweh einher. Die Symptome einer Covid-19 liegen zwischen den üblichen Symptomen dieser beiden häufigen Saisonkrankheiten: Fieber über 38 Grad Celsius, Muskel- und Rückenschmerzen, trockener Husten und – wie wir neuerdings zu wissen meinen – zeitlich begrenzter Verlust des Geruchssinnes.

Die klinische Diagnose soll der Virusnachweis mittels Probenentnahme aus den Atemwegen des Patienten sichern. Da der Test nicht sehr valide ist (d. h. Infizierte nicht mit hundertprozentiger Sicherheit nachweisen kann), wird die Diagnose in starken Verdachtsfällen zusätzlich mit einer computertomographischen Untersuchung der Lunge abgeklärt, bei der nach einer so genannten atypischen Lungenentzündung gesucht wird.