Pflegeforschung - Markus Wübbeler - E-Book

Pflegeforschung E-Book

Markus Wübbeler

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Beschreibung

Was ist Pflegeforschung und wie wird sie angewendet? Um Herausforderungen in der Pflegepraxis erfolgreich zu begegnen, bedarf es wissenschaftlicher Methoden, mit denen Therapiemaßnahmen und -konzepte kritisch überprüft werden können. Das Lehrbuch liefert einen Überblick über die wichtigsten Verfahren und Herangehensweisen der Pflegeforschung und diskutiert diese anhand einer Vielzahl von praxis- und alltagsnahen Beispielen. In diesem Zusammenhang werden quantitative und qualitative Methoden vorgestellt: von der Formulierung einer Fragestellung und dem Aufbau des Forschungsprozesses bis hin zur Interpretation von Daten und der Forschungsförderung in der Pflegewissenschaft. utb+: Zusätzlich zum Buch erhalten Leser:innen Videos und Testaufgaben als digitales Bonusmaterial zur Vertiefung und leicht zugänglichen Auseinandersetzung des Teilthemas sowie zur Prüfungsvorbereitung.

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Seitenzahl: 309

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Pflege studieren

Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Büscher

Markus WübbelerJohannes Michael Bergmann

Pflegeforschung

Mit 25 Abbildungen und 21 Tabellen

Mit Onlinematerial

Ernst Reinhardt Verlag München

Prof. Dr. Markus Wübbeler lehrt Klinische Pflegeforschung an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. Seine Forschungsschwerpunkte sind die evidenzbasierte Praxis, klinische Studien und die digitale Pflegeentwicklung.

Dr. Johannes Michael Bergmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Witten. Er befasst sich u. a. mit der organisationsbezogenen Versorgungsforschung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

UTB-Band-Nr.: 6231

ISBN 978-3-8252-6231-0 (Print)

ISBN 978-3-8385-6231-5 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-8463-6231-0 (EPUB)

© 2024 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i. S.v. § 44b UrhG einschließlich Einspeisung/Nutzung in KI-Systemen ausdrücklich vor.

Printed in EU

Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung, Stuttgart

Cover unter Verwendung einer Grafik von © Holil/stock.adobe.com

Satz: Jörg Kalies –Die Top Partner, Unterumbach

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Vorwort

1Pflegeforschung überblicken

1.1Entwicklung und Aufgaben der Pflegeforschung

1.2Arten der Pflegeforschung und verwandte Wissenschaftsbereiche

1.3Evidence-based Nursing

2Pflegeforschung verstehen

2.1Wissenschaftstheoretische Grundüberlegungen

2.1.1Erkenntnisgewinn

2.1.2Wissenschaftstheoretische Grundlagen der Pflegeforschung

2.2Quantitative Pflegeforschung

2.2.1Quantitative Erhebungsmethoden

2.2.2Quantitative Forschungsdesigns und Studientypen

2.2.3Quantitative Auswertungsmethoden

2.2.4Merkmale quantitativen Forschens

2.2.5Forschungsbeispiele

2.3Qualitative Pflegeforschung

2.3.1Grundannahmen: Subjektivität, Zirkularität, Rekonstruktion

2.3.2Gütekriterien in der qualitativen Forschung

2.3.3Studiendesigns: Explorative Studien, Deskriptive Studien, Evaluationsstudien

3Pflegeforschung vertiefen

3.1Statistik in der Pflegeforschung

3.1.1Stichproben für statistische Aussagen

3.1.2Statistische Auswertung

3.2Pflegeforschung vertiefen: Qualitative Forschung

3.2.1Erhebungsverfahren

3.2.2Qualitative Auswertung

3.2.3Mixed-Methods Forschungsansätze

3.3Evidenzbasierte Praxis: Die Rolle von (klinischen) Studien in der Gesundheitsversorgung

IV.Pflegeforschung anwenden

4.1Forschungsstrukturen

4.2Projektmanagement in der Forschung

4.3Wissen finden, zusammenfassen und verstehen

4.4Verwendung von Forschungsergebnissen

Literatur

Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuches

Folgende Icons werden im Buch verwendet:

Zusammenfassung

Definition

Übungsaufgabe

Beispiel

Merksatz

Literatur- und Websiteempfehlungen

In den einzelnen Kapiteln gibt es Übungsaufgaben und Reflexions­fragen. Passwortgeschützte Beispiellösungen finden Sie auf der Homepage des Ernst Reinhardt Verlages und der UTB GmbH bei der Darstellung dieses Titels: www.reinhardt-verlag.de, www.utb.de. Das Passwort zum Öffnen der Dateien finden Sie im Buch vor dem Literaturverzeichnis

Vorwort

Ein wesentliches Ziel der hochschulischen Pflegeausbildung besteht in der stärkeren wissenschaftlichen Fundierung des Pflegehandelns. Die Suche und Bewertung von Evidenz aus Studien zu pflegerelevanten Phänomenen und Interventionen sowie die Anwendung und der Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Pflegepraxis gehören zu den zentralen Aufgabenbereichen akademisch qualifizierter Pflegefachpersonen. Das Pflegeberufegesetz legt als dazu erforderliche Kompetenzen u. a. fest,

•vertieftes Wissen über Grundlagen der Pflegewissenschaft und des gesellschaftlich-institutionellen Rahmens des pflegerischen Handelns anwenden und dadurch die gesundheitliche und pflegerische Versorgung mitgestalten zu können;

•Forschungsgebiete der Pflege erschließen und forschungsgestützte Problemlösungen und neue Technologien in das berufliche Handeln übertragen zu können;

•sich kritisch-reflexiv and analytisch sowohl mit theoretischem wie auch praktischem Wissen auseinandersetzen und wissenschaftsbasierte Lösungsansätze zur Verbesserung der Pflege entwickeln und implementieren zu können.

Eine gute Grundlage zum Erwerb dieser Kompetenzen bildet dieser Band aus der Reihe „Pflege studieren“ von Markus Wübbeler und Johannes Michael Bergmann zur Einführung in die Pflegeforschung.

Der Aufbau des Buches nähert sich der Pflegeforschung mit unterschiedlichen Perspektiven und Zielsetzungen. Die Autoren geben zunächst einen Überblick über grundsätzliche Fragen der Pflegeforschung und ihrer Einordnung. Davon ausgehend werden die notwendigen Grundlagen vermittelt, um Pflegeforschung zu verstehen. Dazu gehört eine Hinführung zum wissenschaftlichen Denken und eine Einführung in wichtige Begrifflichkeiten. Forschungsarbeiten und Studien zu verstehen, ist die Voraussetzung dafür, aus den Ergebnissen Schlussfolgerungen für die Praxis abzuleiten oder um selber zu forschen. Ansätze zur Planung und Durchführung eigener Forschungsprojekte werden im Kapitel „Pflegeforschung vertiefen“ vermittelt. Dieses Buch verfolgt nicht den Anspruch, ein umfassendes Lehrbuch unterschiedlicher Forschungsmethoden zu sein. Die Autoren zeigen jedoch konkrete Aspekte zur Nutzung der Statistik in der Pflegeforschung sowie zur qualitativen Pflegeforschung auf, die zur Vertiefung und weiteren Auseinandersetzung anregen und ein Fundament dafür schaffen. Das letzte Kapitel widmet sich der Anwendung von Pflegeforschung. Darin erfolgt eine grundlegende Einführung in die vorhandenen Forschungsstrukturen und in die Suche nach Forschungsergebnissen.

Der vorliegende Band ist nach den Bänden zur Ethik und Qualität in der Pflege sowie zur Pflege im Lebensverlauf der vierte Band aus der Reihe „Pflege studieren“. Die Reihe ist darauf angelegt, gezielt die Förderung der im Pflegeberufegesetz ausgewiesenen und durch das Studium zu erlangenden Kompetenzen zu unterstützen. Sie bietet die Möglichkeit zu einer theoretisch-wissenschaftlichen Vertiefung und schlägt die Brücke zu daraus resultierenden Fragen der Pflegepraxis. Die Bände sollen gute Begleiter durch das Pflegestudium darstellen. Sie eignen sich aber auch für diejenigen, die sich im Rahmen von Aus-, Fort- und Weiterbildung mit Fragen der Weiterentwicklung der Pflege befassen. Weitere Bände widmen sich folgenden Themen:

•Case Management, Beratung und Kommunikation in der Pflege

•Professionelles Handeln in der Pflege

•Recht in der Pflege

•Bezugswissenschaften in der Pflege

•Pflege im Gesundheitssystem

•Handlungsfelder in der Pflege

Osnabrück, Dezember 2023

Prof. Dr. Andreas Büscher

1Pflegeforschung überblicken

Forschungsaktivitäten und -prozesse sind stark abhängig von Strukturen und damit verbundenen Anwendungsgebieten. Forschung findet in Institutionen, Themengebieten und Anwendungsfeldern statt. Das Kapitel bietet einen groben Überblick zur Verortung der Pflegeforschung im Gesundheitswesen, stellt die verwandten Disziplinen der Pflegeforschung vor und skizziert die Forschungsphasen und ihre Verbindung zur Pflegepraxis. Sie erfahren, was Pflegeforschung charakterisiert, ausgewählte Überschneidungen mit anderen Fächern und was EBN, EBM und EBP bedeutet.

Forschungspraxis: Berufsbilder und Rollen

Forschung beschreibt als Begriff das Streben nach einem systematischen Erkenntnisgewinn. Systematisch bedeutet in diesem Sinne, dass der Erkenntnisgewinn mit einem transparenten Forschungsprozess und mithilfe einer anerkannten Methodik erzielt wird. Der Forschungsprozess startet mit dem Erkenntnissinteresse (Fragestellung), beschreibt das vorhandene Wissen zum Erkenntnisinteresse (Literaturrecherche), definiert eine methodisches Vorgehen zur Beantwortung der Frage (Studiendesign: z. B. Experiment, Beobachtungsstudie), erhebt Daten die zur Beantwortung der Frage notwendig sind (Datenerhebung), wertet diese Daten transparent aus (Datenauswertung), diskutiert den Forschungsprozess und die Ergebnisse kritisch (Diskussion) und veröffentlicht den Forschungsprozess und die Ergebnisse in Fachorganen (u. a. Zeitschriften, Bücher, Präsentationen) (Döring/Bortz 2016).

Bei der Umsetzung von Forschung geht es zudem primär um die Erkenntnis selbst, daher müssen Forschende ergebnisoffen arbeiten – Forschungsaktivitäten, in denen die Ergebnisse von vornherein feststehen, dürfen nicht als Forschung bezeichnet werden. Die genutzten Methoden im Forschungsprozess müssen auf den allgemeinen wissenschaftstheoretischen und wissenschaftspraktischen Prinzipien beruhen. Um diese Methoden zu kennen und anwenden zu können, ist eine Ausbildung (in der Regel ein Studium) notwendig, welches stufenweise aufgebaut ist (Bachelor, Master, Promotion) und Schritt für Schritt an eigene Forschungsaktivitäten heranführt. Die Heranführung findet durch die Begleitung einer wissenschaftlich erfahrenen Person statt. Diese Person ist z. B. ein*e Dozent*in, ein*e Betreuer*in einer Bachelor-, Master-, oder Doktorarbeit (auch Doktormutter/Doktorvater genannt) oder Personen in einer Forschungsgruppe, die sich im Forschungsprozess gegenseitig unterstützen. Auf diesem Qualifizierungsweg spezialisieren sich Forschende zudem auf bestimmte Themen und/oder damit verbundene Methoden. Diese Spezialisierung und der allgemeine Wissenszuwachs moderner Gesellschaften hat zudem zur Ausprägung von unterschiedlichen Forschungsfeldern geführt. Einen groben Überblick zu den Forschungsgebieten, bietet die folgende Auflistung (Statistisches Bundesamt 2023):

•Geisteswissenschaften: u. a. Religionswissenschaft, Philosophie, Sprachwissenschaften, Kulturwissenschaften

•Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften: u. a. Soziologie, Rechtswissenschaft, Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftswissenschaften, Erziehungswissenschaft, Psychologie

•Mathematik und Naturwissenschaften: u. a. Physik, Chemie, Biologie, Pharmazie, Mathematik

•Medizin/Gesundheitswissenschaften: Humanmedizin, Zahnmedizin, Pflegewissenschaft, Gesundheitswissenschaft

•Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften, Veterinärmedizin

•Ingenieurwissenschaften: u. a. Maschinenbau, Elektrotechnik, Bauingenieurswesen, Informatik

•Kunst, Kunstwissenschaft: Kunstgeschichte, Bildende Kunst

Die ältesten Universtäten in Deutschland (z. B. Heidelberg seit 1386) unterhielten zu Beginn ihrer Gründung zunächst nur wenige Forschungsgebiete, zu denen meist Theologie, Jurisprudenz (Jura), Philosophie und Medizin gehörten. Zu der damaligen Zeit war ein Studium nur wenigen Menschen vorbehalten. Die wachsende Wissensbasis und beruflichen Ausdifferenzierungen (Verwissenschaftlichung) führten zur Etablierung weiterer Forschungsgebiete, die ihrerseits weiter an Ausdifferenzierungen arbeiten.

Trotz der unterschiedlichen Schwerpunkte in den einzelnen Forschungsgebieten, sind die übergeordneten Eigenschaften von Forschung jedoch für alle Fachgebiete gleich:

Forschung muss transparent, theoriegeleitet, datenfundiert und ethischen Prinzipien folgend stattfinden.

Das Berufsbild der Forschung selbst ist vielfältig und interdisziplinär und kann grob in zwei Entwicklungsschritte getrennt werden: Am Anfang steht die Verwendung von Forschungsergebnissen (Bachelorabschluss) und mit wachsender Kompetenz (Master und Doktoratsebene) die aktive Durchführung von Forschung zur Gewinnung neuer Erkenntnisse.

Bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen spielt die englische Sprache eine zunehmend größere Rolle. Um Forschungsergebnisse verstehbar für möglichst große Teile der Weltbevölkerung zu halten, ist die primäre Wissenschaftssprache Englisch. Dahinter steht die Idee einer internationalen agierenden Wissenschaft, also Forschungsergebnisse nicht in hunderten Sprachen zu veröffentlichen und dadurch national begrenzt zu halten, sondern die Ergebnisse mit dem kleinsten gemeinsamen sprachlichen Nenner (Englisch) für alle Menschen zugänglich zu machen. Es gibt auch Gründe, Forschungsergebnisse nur in der jeweiligen Landessprache zu veröffentlichen (Zugänglichkeit), die anerkanntesten Veröffentlichungen werden jedoch in englischer Sprache formuliert.

Ein weiterer wichtiger Aspekt gilt der Qualität von Forschung. Es gibt kein einheitliches Gütesiegel („Sehr gut“, „Gut“, „Mangelhaft“) für die Bewertung von Forschung bzw. daraus resultierender Publikationen. Es ist auch nicht ausreichend anzunehmen, dass Autorinnen und Autoren, die z. B. einen Doktorgrad führen, per se gute Studien durchführen und veröffentlichen. Selbst die Nutzung von Bezeichnungen wie Studie, Forschung oder Wissenschaft bedeutet nicht, dass nach den Prinzipien der guten Forschung gearbeitet wurde. Die Beschäftigung mit Forschung setzt daher eine kritische Grundhaltung voraus, diese Grundhaltung ist nicht gleichzusetzen mit einer Fundamentalkritik („Kann man eh alles nicht glauben“), sondern mit dem Wissen um die Fehler, die im Forschungsprozess möglich sind und die Anwendung bei dem Studium der relevanten Forschungsliteratur. Ziel ist es, die Gültigkeit der Ergebnisse einschätzen zu können.

Zur Hilfestellung bei dieser Aufgabe gibt es Standards, die helfen, gute von weniger guter Forschung zu unterscheiden (z. B. The EQUATOR-Network „Enhancing the QUAlity and Transparency Of health Research“) (Pandis/Fedorowicz 2011). Um Forschungsergebnisse richtig interpretieren zu können, ist daher eine akademische Basisqualifikation (min. Bachelorabschluss) notwendig. Ohne diese Qualifikation werden Forschungsergebnisse falsch interpretiert und Fehler in der Studie nicht erkannt. Die Kritik (Stärken/Schwächen einer Studie, Verbesserungspotential, Limitationen, weiterer Forschungsbedarf) ist daher ein integraler Bestandteil bei der Beschäftigung mit Forschung. Personen, die Kritik an einer Studie oder Forschungsarbeit nicht zulassen, vielleicht sogar vermitteln, eine Fragestellung abschließend beantwortet zu haben, handeln nicht im Sinne der guten Forschungspraxis (Keuth 2013). Viele Menschen interpretieren dies falsch, indem vorschnell angenommen wird, dass Forschung keine Antworten liefert, weil in Publikationen nicht von „so ist es richtig“ und „so ist es falsch“ gesprochen wird. Forschungsergebnisse unterliegen einer Begrenzung; nicht für alle, nicht in jeder Situation, nicht unter allen Umständen sind die Ergebnisse zutreffend. Trotzdem bieten Forschungsergebnisse, die der guten Forschungspraxis entsprechen, den besten Ausgangspunkt für menschliche Entscheidungen. Das bei vielen Menschen die Erwartung vorherrscht, Entscheidungen zu vereinfachen, ist eher ein Problem des menschlichen Denkens, als das der Wissenschaft.

Auszug aus dem Kompetenzrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse (Kultusministerkonferenz 2017):

Bachelorabschluss: Absolventinnen und Absolventen

•leiten Forschungsfragen ab und definieren sie;

•erklären und begründen Operationalisierung von Forschung;

•wenden Forschungsmethoden an;

•legen Forschungsergebnisse dar und erläutern sie.

Masterabschluss: Absolventinnen und Absolventen

•entwerfen Forschungsfragen;

•wählen konkrete Wege der Operationalisierung von Forschung und begründen diese;

•wählen Forschungsmethoden aus und begründen diese;

•erläutern Forschungsergebnisse und interpretieren diese kritisch.

Promovierte:

•identifizieren selbstständig wissenschaftliche Fragestellungen;

•entwickeln und synthetisieren neue, komplexe Ideen im Rahmen einer kritischen Analyse;

•entwickeln Forschungsmethoden weiter;

•leisten öffentlich Beiträge zum gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und/oder kulturellen Fortschritt einer Wissensgesellschaft im akademischen Berufsfeld.

1.1 Entwicklung und Aufgaben der Pflegeforschung

Die Pflegeforschung wird, vielleicht mehr als andere Fachgebiete der Wissenschaft, als neuartig wahrgenommen. Dies liegt sicherlich auch daran, dass der Pflegeberuf in der Regel mit einer fachschulischen Ausbildung verbunden wird – Studiengänge und damit verbundene Wissenschaftsstrukturen sind in den Köpfen noch nicht so präsent. Ein weiterer Aspekt liegt auch in der durch die Bevölkerung wahrgenommenen Gesundheitsversorgung, in der Gesundheitsforschung zu Therapien und die Verantwortung für den Therapieprozess meist Ärztinnen und Ärzten zugeordnet wird. Bei diesem Bild wird vernachlässigt, wie groß und komplex die Verantwortung von Pflegefachkräften ist, die bereits heute von dieser Berufsgruppe im Gesundheitswesen übernommen wird. Der Pflegeberuf bildet darüber hinaus die mit Abstand größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen – was in diesem Bereich passiert, hat also direkte Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung. Daher ist es folgerichtig, dass das Handeln im Pflegebereich wissenschaftlich fundiert stattfinden muss.

Gegenstandsbereich der Pflegeforschung ist die Weiterentwicklung der Pflege auf der Basis wissenschaftlich gewonnener Erkenntnisse.

Die Pflegeforschung ist ein wissenschaftliches Teilgebiet, das sich mit den Sektoren (Settings), Aufgaben und Maßnahmen der Pflege beschäftigt. Dieses Verständnis der Pflegeforschung umfasst ausdrücklich die professionelle Pflege sowie auch die informelle Pflege, die von Familienangehörigen bzw. nicht-beruflich Pflegenden erbracht wird. Wissenschaftlich fundiert dem Pflegeberuf nachzugehen bedeutet nicht, dass vor jeder Pflegehandlung wissenschaftliche Fachliteratur gewälzt werden muss, sondern, dass die fachwissenschaftlichen Bezugspunkte (u. a. zur Definition von Zielen und Maßnahmen) in der Ausbildung und der Ausübung des Pflegeberufes gegeben sein müssen. Diese fachwissenschaftlichen Bezugspunkte zeigen sich z. B. in der Nutzung von wissenschaftlich fundierten Informationen (u. a. Lehrbücher, Expertenstandards) in der Ausübung der Pflegepraxis. Darüber hinaus ist es wichtig, die Betrachtung der unterschiedlichen Pflegebereiche (stationär, ambulant) und Institutionen (u. a. Krankenhäuser, Pflegeheime, Pflege-WGs, häusliche Pflege) mit wissenschaftlich gewonnenen Informationen/Daten hinterlegen zu können. Diese Informationen können dann z. B. für Reformen im Gesundheitswesen genutzt werden.

Pflegewissenschaft ist eine empirisch orientierte Sozial- und Humanwissenschaft. Sie umfasst sowohl Grundlagenforschung zur (Weiter-) Entwicklung eines begrifflich-theoretischen und methodischen Fundamentes der Pflegewissenschaft im interdisziplinären Diskurs als auch angewandte Forschung hinsichtlich einer Weiterentwicklung der Pflegepraxis im weitesten Sinne, insbesondere der Lösung von (komplexen) Pflegeproblemen durch geeignete, empirisch bestätigte, pflegerische Interventionen (Brandenburg/Dorschner 2008).

Die Pflegeforschung hat in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten wichtige Erfolge feiern können. Hierzu gehören eine wachsende Anzahl an nationalen und internationalen Veröffentlichungen, die zahlreichen pflegewissenschaftlichen Professuren und daran angeschlossene Arbeitsgruppen/Institute, fachspezifische Förderprogramme (u. a. durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung) und auch die wachsende Anzahl akademischer Qualifizierungszweige der Pflege. Wesentliche notwendige Schritte, um auf diesem Erfolgsweg zu bleiben, sind: ein Ausbau der finanziellen Forschungsförderung, die Verbesserung der klinisch-pflegewissenschaftlichen Karrierewege, ein Ausbau der Promotionsmöglichkeiten und die Verbesserung der Beteiligung an der Selbstverwaltung (Stichwort: Gemeinsamer Bundesausschuss) des Gesundheitswesens. Eine Beteiligung an der Selbstverwaltung würde die Berücksichtigung von Erkenntnissen aus der Pflegeforschung zudem fördern und systematischer im Leistungsrecht verankern.

Etwa 74 Millionen Menschen sind in Deutschland gesetzlich krankenversichert. Sie haben Anspruch auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung – so formuliert es das Gesetz. Mit Aufgaben, den Leistungsanspruch auf Basis von möglichst guten wissenschaftlichen Erkenntnissen näher auszugestalten, beauftragte der Gesetzgeber den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).

Im Bereich der Pflegeversicherung wurden zwar einzelne Rechtsnormen zur verpflichtenden Berücksichtigung von wissenschaftlichen Erkenntnissen geschaffen, wie die mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) entfallene Rechtsnorm für die systematische Verankerung von Expertenstandards (§ 113a SGB XI). Insbesondere die Beteiligung an der Selbstverwaltung erfordert jedoch umfassende politische Reformen und eine funktionierende Selbstverwaltungsstruktur in der Berufsgruppe der Pflege. Die vermehrte Gründung von Pflegekammern stellt einen Schritt in diese Richtung dar.

1.2 Arten der Pflegeforschung und verwandte Wissenschaftsbereiche

Mit der Bezeichnung Pflegeforschung sind unterschiedliche Begriffe zur Beschreibung von Forschungsbereichen verbunden, die eine Nähe zur Pflegeforschung ausweisen, bzw. auch als Spezifikation oder Ergänzung zu verstehen sind. Für ein besseres Verständnis ist es hilfreich, ein paar wesentliche Phasen bzw. Studientypen zu unterscheiden. Eine sehr grobe Orientierung bietet die folgende Unterteilung, wobei es unterschiedliche Vorschläge zur Einteilung gibt (Röhrig et al. 2009).

•Grundlagenforschung: Forschungsaktivitäten vor der Anwendung bzw. Erprobung am Menschen, wobei es darum geht, die Grundlagen von Gesundheitsproblemen zu verstehen. Forschung findet hier häufig in Laboren statt (Zellebene, Tierversuche, Simulationen). In der Pflegeforschung wird der Begriff im Sinne einer Vorarbeit, z. B. auf dem Weg zu einer klinischen Studie, verstanden. Dazu können z. B. die Hypothesenbildung bzw. auch die Entwicklung von technischen Hilfsmitteln gehören. Der Begriff „Präklinisch“ taucht in der Pflegeforschung selten auf, dennoch ist es wichtig zu wissen, dass ein großer Anteil an gesundheitsrelevanter Forschung auch dieser Forschungsphase zuzuordnen ist. Der Grundlagenforschung können auch technische Entwicklungen (z. B. Untersuchungsapparate) oder auch Assessmentverfahren (z. B. ein Kognitionstest) zugeordnet werden.

•Klinische Forschung (meist experimentell): Forschungsaktivitäten, die sich mit der Anwendung von Maßnahmen bzw. Zusammenhängen in der klinischen Versorgung (z. B. Krankenhaus, Pflegeheim, ambulante Versorgung) beschäftigen: Also überall dort, wo Daten über eine Pflegesituation in direktem Patientenkontakt erhoben werden. Im ursprünglichen Sinne ist mit klinisch meist die stationäre Versorgungssituation gemeint. Eine experimentelle Studie liegt dann vor, wenn Daten über einen Gegenstand (Therapieform, Fragestellung) gesammelt werden und die Studie einen experimentellen Charakter hat. Wenn die Studie also die Wirksamkeitsprüfung einer Maßnahme (z. B. Prophylaxe) als Teil der Untersuchung vorsieht, meist nach einem standardisierten Durchführungsprotokoll. Experimentelle Studien werden in der Pflegeforschung meist als klinische Studien angelegt. Es gibt aber auch experimentelle Studien, die unter Laborbedingungen durchgeführt werden.

•Beobachtungsstudien: Beziehen sich auf die Frage, ob nur Daten gesammelt werden oder die Studie auch eine Veränderung (Manipulation) der Erhebungssituation vorsieht. Wenn die Studie nur Daten über einen Gegenstand (z. B. Pflegesituation) sammelt und auswertet, ohne eine Manipulation (z. B. Pflegemaßnahme) vorzunehmen, dann handelt es sich um eine Beobachtungsstudie. Beobachtungsstudien können auch Daten aus Befragungen beinhalten, der Begriff Beobachtung kann also leicht missverstanden werden. In Beobachtungsstudien werden häufig Kohorten (Gruppen von Personen mit bestimmten Eigenschaften, wie z. B. einem Pflegebedarf) gebildet, die entweder zu einem Zeitpunkt (Querschnitt) oder zu mehreren Zeitpunkten (Längsschnitt) befragt, untersucht und beobachtet werden.

•Qualitative Studien: Funktionieren ähnlich wie Beobachtungsstudien, da qualitative Studien jedoch mit anderen Konzepten in der Forschungspraxis arbeiten, werden sie meistens gesondert als Studienart aufgeführt.

Diese Einteilung hilft bei der Navigation durch die unterschiedlichen Begrifflichkeiten in der Forschung und den damit verbundenen Forschungsdesigns. Geht es beispielsweise um die Frage, ob eine Pflegemaßnahme wirksam ist, ist es notwendig, auf eine klinisch-experimentelle Studie zurückzugreifen. Geht es eher um die Beschreibung bzw. Charakterisierung einer Pflegesituation (z. B. Belastungsfaktoren bei pflegenden Angehörigen) ist eine Beobachtungsstudie notwendig. Wenn es um die Konzeption oder technische Entwicklung von Geräten oder Pflegemaßnahmen geht, ist es in der Regel notwendig, sich mit Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung zu beschäftigen. Auf Studien aus diesem Bereich können Interessierte z. B. dann treffen, wenn es um Materialeigenschaften und damit verbundene Protokolle geht (Infusionen, Zugänge, Blutentnahmen, Wundauflagen). Diese technischen Lösungen können nach dem Durchlaufen der Grundlagenforschung schließlich im Rahmen von klinischen Studien am Menschen getestet werden.

Abb. 1: Forschungsphasen in der Gesundheits- und Pflegeforschung

Neben dieser sehr groben Einteilung lassen sich noch Begriffe zur Beschreibung von Forschungsbereichen ausmachen, die eine enge Verbindung zur Pflegeforschung haben. Eine wichtige Verbindung besteht hier mit der Versorgungsforschung, die sich in den vergangenen Jahren zunehmend auch an medizinischen Fakultäten etabliert hat. Die Versorgungsforschung verfolgt grundsätzlich das Ziel, die reale Versorgungsituation im Gesundheitswesen zu untersuchen und ggf. zu beeinflussen (auch interventionelle Versorgungsforschung genannt).

Versorgungsforschung untersucht, wie sich die Gestaltung der Gesundheitsversorgung, d. h. deren Organisation, Steuerung und Finanzierung, auf den Zugang zur Versorgung, deren Qualität und Sicherheit sowie Kosten und letztlich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der BürgerInnen auswirkt (Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V. 2023).

Ein wichtiges Untersuchungsfeld sind Fragestellungen zur bedarfsgerechten Versorgung. Konkreter ausgedrückt handelt es sich hierbei meist um Versorgungssituationen im Gesundheitswesen, in denen es zu Unter-, Über- oder Fehlversorgung von Patientinnen und Patienten kommt, insbesondere bei vulnerablen Patientengruppen (u. a. Ältere und Mehrfacherkrankte). Die Gefahr einer Unterversorgung besteht beispielweise dann, wenn Patientinnen und Patienten ihre Behandlungsbedarfe nicht mehr richtig artikulieren können (z. B. Menschen mit Demenz). Eine Überversorgung kann dann eintreten, wenn neben dem Gesundheitsproblem auch andere Zielsetzungen eine Rolle spielen – z. B. finanzielle Anreize. Die Versorgungsforschung beschäftigt sich mit solchen Versorgungssituationen und erhebt diese für größere Patientengruppen. Hierfür werden eigene Daten erhoben, aber auch auf Daten von Krankenkassen und Leistungserbringern zurückgegriffen.

Beispielfrage 1: Erhalten Menschen mit Demenz eine bedarfsgerechte Schmerztherapie?

Hintergrund der Frage: Menschen mit Demenz können Schmerzen weniger präzise und verlässlich beschreiben, was zu einer Unterversorgung mit Schmerzmedikamenten bzw. schmerzstillenden Maßnahmen führen kann.

Beispielfrage 2: Erhalten Patientinnen und Patienten in Deutschland aufgrund finanzieller Anreize zu häufig ein endoprothetisches Hüftgelenk?

Hintergrund der Frage: Im internationalen Vergleich werden in Deutschland besonders viele künstliche Hüftgelenke implantiert. Ein Grund, der dabei möglicherweise eine Rolle spielt, kann die bessere Vergütung chirurgischer Maßnahmen im Vergleich zu konservativen Therapieansätzen sein. In einem solchen Fall könnte es sich um einen Bereich mit einer potenziellen Überversorgung handeln.

Publikationsbeispiele aus der Versorgungsforschung: Afonso-Argilés, F. J., Meyer, G., Stephan, A., Comas, M., Wübker, A., Leino-Kilpi, H., Lethin, C., Saks, K., Soto-Martin, M., Sutcliffe, C., Verbeek, H., Zabalegui, A., Renom-Guiteras, A., RightTimePlaceCare Consortium (2020): Emergency department and hospital admissions among people with dementia living at home or in nursing homes: results of the European RightTimePlaceCare project on their frequency, associated factors and costs. BMC geriatrics 20 (1), 453. https://doi.org/10.1186/s12877-020-01835-x (21.01.2024)

Kommentar: Die Studie analysiert Krankenhauseinweisungen von Menschen mit Demenz. Hierzu wird zwischen demenziell Erkrankten a) in der eigenen Häuslichkeit und b) in stationären Pflegeeinrichtungen unterschieden. Aus den Erkenntnissen lassen sich Rückschlüsse auf Steuerungsbedarfe treffen. Die Studie konnte u. a. unterschiedliche Faktoren identifizieren, die zu der Krankenhauseinweisung führten. In der eigenen Häuslichkeit waren dies vor allem Gründe wie, ein unerwünschter Gewichtsverlust oder ein Sturzereignis des Menschen mit Demenz. In den stationären Pflegeeinrichtungen wurde als häufiger Grund ein Problem mit der medikamentösen Versorgung der Bewohner*innen (Stichwort: Polypharmazie) genannt.

Da es bei Fragestellungen der Versorgungsforschung insbesondere darum geht, die Versorgungssituation der spezifischen Patienten- bzw. Klientenschaft zu analysieren, besteht auch eine enge Verbindung zum Gegenstandsbereich der Gesundheitsökonomie. Bei der Gesundheitsökonomie geht es primär um Fragestellungen, die etwas mit dem Ressourceneinsatz im Gesundheitswesen zu tun haben.

Die Gesundheitsökonomie untersucht alle wirtschaftlichen Aspekte von Gesundheit, Krankheit und Gesundheitsversorgung (Egger/Razum 2014).

Neben der Betrachtung der Aufwendungen für definierte Gesundheitsleistungen zur Therapie und Versorgung von Patientinnen und Patienten (u. a. Personalkosten, Kosten für Geräte, Infrastruktur und Verbrauchsmaterialien) versucht die Gesundheitsökonomie auch den Nutzen dieser Aufwendungen mit Kennwerten abzubilden. Ein Nutzen lässt sich z. B. mit der Reduktion von Symptomen (Schmerz, Funktionsstörungen) durch eine Therapie bestimmen, wodurch Patientinnen und Patienten wieder in das Arbeitsleben zurückkehren können und an gesundheitsbezogener Lebensqualität gewinnen. Die Definition und Messbarkeit eines solchen Nutzens sind schwierig, da Gesundheit und damit verbundene Zielsetzungen von Menschen sehr unterschiedlich sein können. Insgesamt wird mit den Methoden der Gesundheitsökonomie versucht, die unterschiedlichen Leistungen im Gesundheitswesen hinsichtlich ihres Ressourceneinsatzes (Kosten-Nutzenverhältnis) miteinander vergleichbar zu machen und darauf aufbauende Versorgungsempfehlungen auszusprechen. Dabei steht nicht der/die einzelne Patient*in im Betrachtungsfokus, sondern das gesamte Gesundheitswesen und die großen Ausgabeposten.

Aus den bisherigen Darstellungen, wird bereits etwas deutlich, dass die Bewertung von Interventionen im Bereich der Gesundheit auch auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen stattfindet. Dazu lässt sich grob zwischen den idealen Bedingungen eines wissenschaftlichen Experiments und der Versorgung unter Alltagsbedingungen unterscheiden. Um diese unterschiedlichen Ebenen etwas besser zu verstehen, wird an dieser Stelle das Beispiel der Hüftprotektoren genutzt. Zur Erinnerung: Protektoren sind Polsterungen aus Kunststoff, die gefährdete Körperstellen schützen sollen – ähnlich wie die Schutzbekleidung bei Risikosportarten. Es erscheint plausibel, Menschen, die z. B. unter Knochenabbauerkrankungen (u. a. Osteoporose) leiden, mit Protektoren zu schützen, um bei einem Sturzereignis die mechanische Belastung auf den Knochen zu reduzieren. Eine hierzu passende Studie, ausgestattet mit Studienpersonal, welche nun Daten in einem Pflegeheim sammelt und sicherstellt, dass ein Teil der Bewohner*innen Hüftprotektoren trägt, könnte nun die Frakturrate zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern vergleichen, die Protektoren tragen und solchen, die keine tragen. Angenommen, die Ergebnisse zeigen, dass das Frakturrisiko bei Bewohnerinnen und Bewohnern mit Hüftprotektoren um 50% gesenkt würde – ist dann eine Übertragung auf die alltägliche Pflegepraxis nicht automatisch gegeben? Der hier dargestellte Erfolg (Reduktion der Frakturrate) im Rahmen einer klinischen Studie muss unter Alltagsbedingungen nicht unbedingt wiederholbar sein. Zwar bleibt der eigentliche Effekt (Reduktion des Frakturrisikos mittels Hüftprotektoren) erhalten, es kann jedoch sein, dass Probleme bei der Alltagsanwendung zu einer mangelhaften Umsetzung der Maßnahme (kein Tragen der Hüftprotektoren) führen. Gründe dafür können z. B. die vom Personal wahrgenommene mangelhafte Praktikabilität der Protektoren bei Bewohnerinnen und Bewohnern mit Inkontinenz sein (An- und Ausziehen, Hygiene, optisches Missfallen), weshalb nach kurzer Dauer die Protektoren nicht mehr getragen werden. Während bei der (klinischen) Studie das Studienpersonal also sichergestellt hat, dass die Studienteilnehmer*innen die Protektoren angelegt haben, kann diese Disziplin im Alltag unter Umständen wegfallen. Um die Bewertungsebenen und damit verbundene Studienergebnisse besser differenzieren zu können, wurden daher die Begriffe Efficacy, Effectiveness und Efficiency eingeführt. Der Vollständigkeit halber muss zudem angemerkt werden, dass diese unterschiedlichen Ebenen (Idealbedingungen vs. Alltagsbedingungen) bei jeder Maßnahme im Gesundheitswesen eine Rolle spielen – selbst bei vermeintlich einfachen Maßnahmen, wie der Einnahme von Medikamenten. Betrachtungsebenen der Gesundheitsversorgung auf Maßnahmenebene (Interventionen)(Donner-Banzhoff/Bösner 2013):

•Evaluationsebene – Efficacy (engl.): Interventionen und Evaluation des Effektes (Therapieerfolges) unter idealen Bedingungen: Klinische Studie mit festgelegten Behandlungsprotokollen, Patientenpopulation und Assessments.

•Evaluationsebene – Effectiveness (engl.): Interventionen und Evaluation des Effektes (Therapieerfolges) unter Alltagsbedingungen (Routineversorgung im Gesundheitswesen).

•Evaluationsebene – Efficiency (engl.): Interventionen und Evaluation des Effektes (Therapieerfolges) unter Betrachtung der Kosten-Nutzenrelation (Ressourcenverbrauch und erreichtes Ergebnis).

Neben den dargestellten Bereichen hat die Pflegeforschung eine Nähe zur Epidemiologie und den Gegenstandsbereichen von Public Health (Übersetzungsversuch: öffentliche Gesundheitspflege). Als Epidemiologie wird der Wissenschaftsbereich bezeichnet, der sich mit Kennzahlen zur Krankheitslast in Bevölkerungen oder Bevölkerungsuntergruppen auseinandersetzt.

Epidemiologie beschäftigt sich mit Risikofaktoren, Häufigkeit, Verteilung, Ursachen und Folgen von Erkrankungen in der Bevölkerung. Sie adressiert sowohl lokale als auch globale Gesundheitsprobleme (DGepi 2019).

Dabei geht es, vereinfacht dargestellt, um die Häufigkeit (Prävalenz) und die Neuerkrankungsraten (Inzidenz) von gesundheitsrelevanten Zuständen und Erkrankungen in der Bevölkerung. Die Methoden der Epidemiologie sind daher im Zuge der Corona-Pandemie bekannter geworden, da das Wissen über die Verbreitung der Erkrankung zur Maßnahmensteuerung genutzt werden sollte. Studien aus dem Bereich der Epidemiologie werden gebraucht, wenn es darum geht, wichtige Handlungsbereiche in der Gesundheitsversorgung zu identifizieren und Wissen über den Gesundheitszustand der Bevölkerung zu gewinnen. Dazu zählen verbreitete Erkrankungsbereiche wie Diabetes, die Herzgesundheit, wie auch unterschiedliche Krebsarten. Ist in einer bestimmten Region eine Häufung von Krebsarten zu beobachten, kann ein gehäuftes Auftreten von Risikofaktoren (z. B. höheres Alter, gesundheitsschädigendes Verhalten) eine Erklärung bieten. Manche dieser Risikofaktoren sind gut beeinflussbar, weshalb geeignete Maßnahmen eingeleitet werden können (z. B. Aufklärungskampagne). Erkrankungen mit einer hohen Sterblichkeit stehen in der Epidemiologie bzw. dem damit verbundenen Gesundheitsdiskurs besonders im Fokus, weshalb Krebserkrankungen auch zentral gemeldet werden müssen. Das Gesundheitsmonitoring (Überwachung des Gesundheitsniveaus in der Bevölkerung) ist eine wichtige Aufgabe der Epidemiologie und wird auch in der Pflegeforschung genutzt, um Steuerungsbedarfe zu identifizieren. Im Bereich von Public Health geht es schließlich um die Vermeidung von Erkrankungen (Primärprävention) bzw. eine möglichst frühe Erkennung und Maßnahmeneinleitung (Sekundärprävention). Sind Erkrankungen bereits aufgetreten, fokussiert sich Public Health auf Ansatzpunkte, die eine weitere Verschlechterung verhindern (Tertiärprävention). Public Health beschäftigt sich daher mit Präventionsmaßnahmen, im klinischen Bereich auch als Prophylaxe bezeichnet.

Zu den Aufgaben von Public-Health-Institutionen gehört es, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und zu überwachen (Surveillance), etwa im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten, der Lebensmittelsicherheit, der Sicherheit am Arbeitsplatz oder der Luftverschmutzung. Darüber hinaus sind sie u. a. für die Erarbeitung und Durchführung von Impfprogrammen, Screening-Programmen und Aufklärungskampagnen zuständig. (Egger/Razum 2014)

Präventionsmaßnahmen spielen auch in der Pflege eine große Rolle, da die Berufsgruppe durch den engen Kontakt zum Pflegeklienten sehr gut mit Präventionsmaßnahmen arbeiten kann. Beispiele für pflegenahe Präventionsmaßnahmen sind die Sturzprävention und auch die Prävention nosokomialer Infektionen im Krankenhaus mittels entsprechender Hygienemaßnahmen.

Die Darstellung der wissenschaftlichen Nachbarschaftsbereiche zur Pflegeforschung ist an dieser Stelle nicht vollständig. Die Verbindungen zu anderen Wissenschaftsgebieten zeigen jedoch, dass die Pflegeforschung in den Kanon der Gesundheitswissenschaften eingebunden ist.

Testen Sie Ihr Wissen:

1.Wenn Sie eine Pflegemaßnahme hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bewerten möchten, benötigen Sie dann eine Beobachtungs- oder eine experimentelle Studie?

2.Innerhalb welcher Forschungsrichtung werden häufig die Begriffe „Prävalenz“ und „Inzidenz“ verwendet?

3.Werden innerhalb der Versorgungsforschung eher Fragen zur „Efficacy“ oder „Effectiveness“ betrachtet?

4.Wenn die Verschlechterung einer chronischen Erkrankung vermieden werden soll – handelt es sich dann um Primär-, Sekundär-, oder Tertiärprävention?

1.3Evidence-based Nursing

Der Begriff „evidenzbasierte Pflege“ wird hauptsächlich dann verwendet, wenn es darum geht, das Ziel zu betonen, dem Pflegehandeln eine wissenschaftliche Wissensbasis zugrunde zu legen. Wenn von evidenzbasierter Pflege gesprochen wird, wird häufig der englische Begriff Evidence-based Nursing (Kurzform: EBN) verwendet.

Evidence-based Nursing ist die Nutzung der derzeit besten wissenschaftlich belegten Erfahrungen Dritter im individuellen Arbeitsbündnis zwischen einzigartigen Pflegebedürftigen oder einzigartigem Pflegesystem und professionell Pflegenden. (Behrens/Langer 2022)

Hinter EBN verbirgt sich einerseits eine Methode, die aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse mit dem Pflegehandeln verbinden will, aber auch die Forderung, die Wissensbasis des eigenen Pflegehandelns (kritisch) zu hinterfragen. Dieser letzte Aspekt basiert auf der Beobachtung, dass Handlungen in der Pflegepraxis oft aus einer reinen Routine heraus begründet werden („das machen wir schon immer so“), aber möglicherweise eine entsprechende fundierte Wissensbasis fehlt. Allgemein wird dem praxisorientierten Lernen in der Pflegeausbildung eine große Bedeutung zugeordnet. Beispiele hierfür sind der große Praxisstundenanteil in der Ausbildung und auch fehlende Anreize in der Pflegepraxis, sich mit wissenschaftlichen Weiterentwicklungen zu beschäftigen. Die EBN-Methodik versucht, die Dominanz der Pflegepraxis als primäre Wissensquelle (auch Erfahrungswissen genannt) aufzubrechen. EBN möchte das Wissen aus der Pflegepraxis, der Pflegewissenschaft (bzw. Gesundheitswissenschaft) und den regulatorischen Rahmenbedingungen (Richtlinien, Zuständigkeiten im Gesundheitswesen) in ein angemessenes Verhältnis setzen. Die Kombination der unterschiedlichen Wissensquellen soll dann zu einer gut begründeten Entscheidung führen.

Neben EBN gibt es noch die verwandten Bezeichnungen Evidence-based Medicine (EBM) und auch Evidence-based Practice (EBP), deren Ideen sich jedoch nur unwesentlich unterscheiden.

Evidence-based Nursing bedeutet evidenzbasierte Pflege, wobei unter Evidenz eine Art des Nachweises gemeint ist. In der praktischen Umsetzung bedeutet EBN eine bewusste Einbeziehung von verschiedenen Wissensquellen, um die pflegerische Entscheidungsfindung einzuleiten. Hierzu gehören die interne Evidenz (Wünsche/Vorstellungen der Patientinnen und Patienten, Untersuchungsergebnisse, Gesundheitsprobleme), die externe Evidenz (wissenschaftlich basierte Empfehlungen zur Versorgung mittels Studienergebnissen, Expertenstandards, Leitlinien, Übersichtsarbeiten) sowie die jeweiligen Rahmenbedingungen (gesetzliche Regelungen, Zuständigkeiten, finanzielle, materielle und personelle Ressourcen). Diese drei Bestandteile bilden die Evidenzgrundlage.

Evidence-based Medicine bedeutet evidenzbasierte Medizin, womit ebenso die bewusste Einbeziehung von verschiedenen Wissensquellen gemeint ist. Neben den Informationsquellen, die auch unter EBN genannt werden (interne/externe Evidenz, Rahmenbedingungen), sieht das ursprüngliche Modell eine Nutzung der klinischen Expertise bei der Entscheidungsfindung vor. Damit sind die Erfahrungswerte mit einer Behandlungsmethode gemeint, also der Anwendung und den Behandlungsergebnissen. Darüber hinaus wird EBM auch mit Institutionen in Verbindung gebracht, die insbesondere wissenschaftliche Nachweise einfordern und sicherstellen sollen, dass nur wirksame Behandlungsmittel im Gesundheitswesen genutzt werden. Hierzu gehört u. a. der Gemeinsame Bundesausschuss mit den daran angeschlossenen Instituten (IQWiG – Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, IQTIQ – Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen).

Evidence-based Practice bezieht sich analog zu den Begriffen EBN und EBM, auf die evidenzbasierte Praxis und damit auf alle bisher nicht genannten Berufsgruppen im Gesundheitswesen (u. a. Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie). Die dahinterliegende Methode orientiert sich an den bereits genannten Konzepten.

Um das Modell von EBN besser zu verstehen, ist es am einfachsten, die pflegerische Entscheidungsfindung in den Mittelpunkt zu stellen. Entscheidungen müssen im pflegerischen Alltag ständig getroffen werden, dazu gehören u. a. die Auswahl von Prophylaxen, von Assessmentinstrumenten und zunehmend auch von technischen Geräten. Unabhängig davon, um welche Entscheidung es genau geht, soll damit immer ein Pflegeziel erreicht werden. Ob eine Maßnahme für die Zielerreichung angemessen ist, muss mittels wissenschaftlicher Studien herausgefunden werden. Diese Studien bewerten nicht nur das Ergebnis einer Maßnahme, sondern auch, ob die Maßnahme in einem angemessenen Nutzen-Risikoverhältnis steht. Da die Pflege in Deutschland jedoch keine eigenständigen Verordnungen für Medikamente oder chirurgischen Eingriffe vornehmen darf, sind die Risiken (im Zuständigkeitsbereich der Pflege) bei den meisten Pflegmaßnahmen noch überschaubar. Risiken entstehen in der Pflege eher durch ein Unterlassen, das meist mittel- und langfristig gefährdende Ereignisse nach sich ziehen kann. Beispiele für solche Gefährdungen durch Unterlassung sind vielfältig: keine Einleitung von Maßnahmen bei einer Schluckstörung, eine nicht ausreichende Dekubitusprophylaxe oder Mobilisation von Pflegeklientinnen und -klienten, die zu einem wachsenden Sturzrisiko führt. Die EBN-Methode kann aufgrund des zeitlichen Aufwands in der Praxis meist nicht für alle Entscheidungen genutzt werden und wird in der Pflegepraxis daher bei den großen Pflegethemen angewendet: u. a. Schmerz, Mobilitätseinschränkungen, Demenzen, Ernährung, Ausscheidung, Vitalfunktionen.

Wenn die Studienlage zur Beurteilung einer Maßnahme aufgearbeitet werden soll, ist das relativ aufwendig. Aus diesem Grund gibt es Publikationsformate, die die Studienlage bereits recherchiert und eingeschätzt haben. Solche Publikationsarten werden auch als gefilterte Informationen bzw. Evidenzsynthesen bezeichnet: Expertenstandards, Leitlinien, Reviews. Neben dem Sammelbegriff der Evidenzsynthese, können Expertenstandards und Leitlinien auch als Qualitätsinstrumente verstanden werden (Büscher/Krebs 2022). Wenn von ungefilterten Informationen gesprochen wird, sind damit Originalpublikationen von Studien gemeint. Der Begriff ungefiltert wird verwendet, weil deutlich gemacht werden soll, dass bei der Verwendung von Originalpublikationen noch keine Qualitätsbeurteilung vorgenommen wurde – was allerdings notwendig ist, um die Verlässlichkeit der Studienergebnisse bewerten zu können. Mittels einer gut sortierten Bibliothek bzw. digitalen Ressourcen (Webseiten) lassen sich gefilterte Informationen relativ schnell finden. Sie bieten den Vorteil, dass auch Anwender*innen ohne ausgeprägte Kenntnisse von wissenschaftlicher Methodik diese Wissensquellen nutzen können, wenn sie von vertrauenswürdigen Quellen stammen (z. B. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege – DNQP, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften – AWMF, Cochrane Collaboration). Ein Nachteil ist allerdings, dass meistens nicht zu allen Themen Evidenzsynthesen zur Verfügung stehen, dass die Dokumente zudem sehr umfangreich sind und Studienergebnisse erst mit einer Verzögerung von mehreren Jahren in diesen Formaten verarbeitet werden.

Wichtige Webressourcen für Evidenzsynthesen:

Expertenstandards – Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege: www.dnqp.de (01.01.2024)

Meta-Reviews – Cochrane Nursing: https://nursing.cochrane.org/ (02.01.2024)

Leitlinien – National Institute for Health and Care Excellence (NICE): www.nice.org.uk (02.01.2024)

Leitlinien – Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): www.awmf.org (02.01.2024)

Die Menge an Veröffentlichungen (Reviews, Leitlinien, Expertenstandards), die bereits gefilterte Studieninformationen enthalten, ist sehr umfangreich und für die meisten Fragestellungen ausreichend. Wer sehr spezialisierte Themen oder die neuesten Studienergebnisse in Pflegehandlungen einbeziehen möchte, muss sich wissenschaftlich vorbereiten und Kompetenzen im Bereich der Literaturrecherche, wissenschaftlicher Methodik sowie der kritischen Studienbeurteilung erwerben. Mit diesen Kompetenzen ausgerüstet lassen sich Veröffentlichungen von Originalstudien in die EBN-Methodik einbeziehen. Um aktuelle (Interventions-)Studien zu recherchieren und deren Qualität kritisch zu bewerten, müssen internationale Datenbanken (u. a. PubMed, CINAHL) genutzt werden. Meist ist es dann notwendig, sich durch eine Vielzahl an Studienmethoden zu arbeiten und Originalstudien mittels eines Risk of Bias (RoB) Tools zu bewerten. Unter Bias wird ein Fehler bzw. ein Verzerrungseffekt verstanden, der die Aussagekraft der Studienergebnisse reduziert bzw. dazu führt, dass die Studienergebnisse nicht verwendet werden können. Bei Veröffentlichungen gibt es kein einheitliches Gütesiegel, das einem Leser direkt verraten würde: „Das ist eine methodisch einwandfrei durchgeführte Studie, diese Studie aber nicht.“ Aus diesem Grund muss der*die Leser*in beurteilen, ob ein Bias in der jeweiligen Studie vorhanden ist. Allgemein lässt sich sagen, dass keine Studie perfekt ist – jede Studie hat ein Bias und das ist bis zu einem gewissen Ausmaß akzeptabel. Überschreiten die Mängel aber eine Schwelle, so sollte die Studie zur Beurteilung einer Maßnahme ausgeschlossen werden. Für eine solche Beurteilung gibt es Beurteilungsbögen, die eine Art Checkliste darstellen. Solche Listen werden u. a. von der Cochrane Collaboration veröffentlicht und können mit Suchmaschinen gefunden werden („Risk of Bias“ AND „Cochrane“). Um mit Originalstudien arbeiten zu können ist es zudem notwendig, die englische Sprache (als Wissenschaftssprache) zu verstehen. Mittlerweile gibt es aber auch sehr gute Übersetzer, die helfen, Sprachdefizite auszugleichen. Zu nennen sind u. a. DeepL, Linguee, oder der Google-Übersetzer.