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Die Einfachheit, die Langsamkeit und die Einsamkeit üben in einer materiell übersättigten, aber oberflächlichen und unter notorischer Zeitknappheit leidenden Lebensumwelt eine starke Anziehung aus. Der Pilger, der auf dem Rücken das trägt, was er tragen kann und will, wird durch die Reduktion "beschenkt". Er begibt sich dafür in eine Auszeit, in der er nicht produzieren muss: keine Worte, keine Projekte, keine Leistung. Die Grenzen zwischen Wall- und Pilgerfahrt auf der einen Seite und jener zwischen Pilgern und Touristen auf der anderen Seite verschwimmen dabei oft, im Unterschied zum Tourismus im herkömmlichen Sinn dient diese Auszeit jedoch nicht der reinen Erholung oder dem Vergnügen, sondern der Weiterentwicklung des eigenen Ichs. Im Unterschied zu den Bitt-, Dank- und Strafwallfahrten des Mittelalters, bei denen auch der Reliquienkult eine gewichtige Rolle spielte, aber auch zu den Pilgerreisen während der ersten Jahrhunderte nach Christus, die einerseits der persönlichen Überzeugung über die Zuverlässigkeit der biblischen Quellen dienten und andererseits das Ideal der asketischen Heimatlosigkeit verkörperten, basiert der Pilgertourismus als eine spezielle Ausprägung dieses postmodernen "pirituellen Tourismus" somit auf gänzlich anderen Ausgangsbedingungen: Die Pilgerschaft ist nicht Ausdruck des Glaubens, sondern dient der Suche nach diesem. Es ist die uralte Frage nach dem Sinn, nach dem woher und dem wohin, die sich umso mehr aufdrängt, als die Gesellschaft ihren Puls beschleunigt, die viele Menschen unter verändertem Vorzeichen (mit dem Weg als eigentlichem Ziel) alte Wege neu entdecken lässt. Als Geburtshelfer fungiert hierbei wiederum eine weitgehend säkularisierte und pluralistische Gesellschaft, deren konsum- und leistungsorientierte Grundhaltung ein Defizit an allgemein gültigen Werten und Glaubenssätzen mit sich bringt. Der einzelne Mensch ist auf der "Suche nach sich selbst", und wählt dabei aus dem 'Markt an Sinnangeboten' das für sich attraktivste Angebot aus. Tatsächlich erfährt das Phänomen des 'Pilgertourismus' nun schon seit einigen Jahren mit dem Flagschiff und medienwirksamen Zugpferd des spanischen Jakobswegs eine langsam, aber stetig wachsende Bedeutung sowohl in der Tourismuswirtschaft als auch in der Regionalentwicklung. So auch im Falle eines traditionsreichen österreichischen Wallfahrerwegs, der 'Via Sacra' von Wien zum Marienwallfahrtsort Mariazell. Anhand dieses konkreten touristischen Modellprojekts wird dessen Eignung, zur nachhaltigen Entwicklung einer ganzen Region beizutragen, untersucht.
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