Plattform-Ökosysteme - Jäckli Urs - E-Book

Plattform-Ökosysteme E-Book

Jäckli Urs

0,0
40,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Buch «Plattform-Ökosysteme» erläutert die zentralen Funktionsweisen und wichtigsten strategischen Implikationen von Ökosystemen und Plattformen anschaulich. Was braucht es, um ein Plattform-Ökosystem erfolgreich zu etablieren? Welche Parameter sind hierfür relevant und wie ist das Zusammenspiel zwischen Plattform und Ökosystem? Wie generiert ein Plattform-Ökosystem einen Mehrwert für die daran teilnehmenden Unternehmen und Nutzenden? Soll ein erfolgreiches KMU selber ein Plattform-Ökosystem etablieren oder an einer bestehenden Plattform partizipieren? Dieses Buch fokussiert die wichtigsten Kernlogiken von Plattform-Ökosystemen – und beschreibt sie prägnant. In «Plattform-Ökosysteme» berufen sich die Autoren auf spezifische Fachliteratur, welche sie für unternehmerisch tätige Personen sowie Business-Studierende kompakt und klar verständlich aufbereitet haben. Kurz und präzise erläutern sie zentrale Begriffe und Funktionsweisen, so z. B. Ökosysteme, Plattformen, Wertversprechen, Modularität, Koordination und Netzwerkeffekte, und betrachten die sich daraus ergebenden strategischen Bedeutungen. Auch anhand von Beispielen lokaler Unternehmer und Unternehmerinnen, mit denen Interviews zu ihrem Vorgehen und ihren Strategien geführt wurden, konkretisieren die Autoren die strategischen Implikationen weiter. Jedes Kapitel schliesst mit einer Zusammenfassung in Form von Key Takeaways. Dieses Buch richtet sich an unternehmerisch tätige Personen sowie an Business-Studierende.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 225

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dr. Urs JäckliProf. Dr. Claude MeierHWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich

Plattform-Ökosysteme:

Funktionsweise und strategische Bedeutung für Unternehmen

1. Auflage 2023

Dr. Urs Jäckli

Prof. Dr. Claude Meier

HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich

Plattform-Ökosysteme: Funktionsweise und strategische Bedeutung für Unternehmen

ISBN 78-3-286-11860-7 (EPUB)

Das Werk erscheint als E-Book unter der ISBN 978-3-286-11861-4 (PDF) und ISBN 978-3-286-51531-4 (PoD)

© Verlag SKV AG, Zürich

www.verlagskv.ch

Alle Rechte vorbehalten.

Ohne Genehmigung des Verlags ist es nicht gestattet, das Buchoder Teile daraus in irgendeiner Form zu reproduzieren.Umschlagbild: Sanset Mediengestaltung, Freisbach (DE)

Haben Sie Fragen, Anregungen oder Rückmeldungen?

Wir nehmen diese sehr gerne per E-Mail an [email protected] entgegen.

Inhaltsverzeichnis

1Plattform-Ökosysteme: Der Einstieg

1.1Von der natürlichen Umwelt zum Plattform-Ökosystem

1.2Absicht des Buchs

1.3Der Begriff des wirtschaftlichen Ökosystems

1.3.1Business-Ökosysteme

1.3.2Innovationsökosysteme

1.3.3Plattform-Ökosysteme

1.3.4Integration: Plattform-Ökosystem als Oberbegriff

1.4Die konstituierenden Aspekte eines Ökosystems

1.4.1Die «alignment structure» und ihre Bestandteile Modularität und Koordination

1.4.2Formen der Koordination: Bezug zur Transaktionskostentheorie

1.4.3Multilateralität

1.4.4Wertversprechen

1.5Erläuterung weiterer zentraler Begriffe

1.5.1Digitization – Digitalisierung – digitale Transformation

1.5.2Plattformökonomie

1.5.3Plattformunternehmen

1.5.4Freiwilligkeit und Selbstständigkeit vs. Macht und Abhängigkeit

1.5.5Proprietäre Märkte

1.6Vorgeschichte: Wie es zu einer Plattformökonomie kam

1.6.1Reduktion Transaktionskosten

1.6.2Marktsaturierung

1.6.3Unknappheit

1.7Key Take-away

2Plattformen als technologischer Hub von Ökosystemen

2.1Kriterien zur Kategorisierung von Plattformen

2.1.1Struktur

2.1.2Zweck

2.1.3Güterbeschaffenheit

2.2Welche Akteure sich auf einer Plattform tummeln

2.2.1Besitzer: Plattformunternehmen

2.2.2Nutzer und Nutzergruppen

2.2.3Provider

2.3Key Take-away

3Plattform-Geschäftsmodelle versus lineare Geschäftsmodelle

3.1Marktkräfte vs. Kooperation: Gibt es Potenziale für Wertschöpfung?

3.2Angebots- vs. nachfrageseitige Grössenvorteile

3.3Kapital

3.4Metriken und weitere Aspekte zur Messung des Erfolgs

3.5Sweet Spot: Offener Zugang vs. konsequente Governance

3.6Branchen und ihre Grenzen verschwimmen

3.7Bewertungssysteme zur Reduktion von Informationsasymmetrien

3.8Umsatzmaximierung

3.9Key Take-away

4Voraussetzungen für den Erfolg eines Plattform-Ökosystems

4.1Entscheidende Reduktion der Transaktionskosten

4.1.1BlaBlaCar

4.1.2Apple Pay

4.2Positive Rückkopplungen

4.2.1Netzwerke und Netzwerkeffekte

4.2.2Direkte Netzwerkeffekte

4.2.3Kritische Masse und das Henne-Ei-Problem

4.2.4Marktdichte

4.2.5Indirekte Netzwerkeffekte

4.3Governance

4.3.1Glaubwürdigkeit

4.3.2Bisherige Beiträge

4.3.3Konsistenz

4.3.4Gemeinschaft

4.3.5Kontrolle

4.3.6Korrektiv

4.3.7Absicherung

4.4Architektur

4.4.1Akteure und Interaktionen

4.4.2Offenheit

4.5Technologie

4.6Pricing

4.7Key Take-away

5Mehrseitige Plattformen und Lancierungsstrategien

5.1Zweistufige Lancierungsstrategien

5.1.1Umwandlungsstrategie

5.1.2Trittbrettfahrerstrategie

5.2Zugpferd-Strategien

5.3Simultanstrategien

5.3.1Push-Marketingstrategie

5.3.2Nischenmarkt-Strategie

5.4Key Take-away

6Wettbewerb: Situationen in Plattform-Ökosystemen

6.1Multihoming

6.2Disintermediation

6.3First Mover Advantage

6.4«Winner-take-all»-Phänomen

6.5Differenzierung

6.6Fokussierung

6.7Expansion

6.7.1Marktdurchdringung

6.7.2Marktentwicklung

6.7.3Produktentwicklung

6.7.4Diversifikation

6.8Wettbewerb aus Sicht von plattformabhängigen Unternehmen

6.8.1Konkrete Probleme abhängiger Unternehmen, auf Plattformen bestehen zu können

6.8.2Strategien plattformabhängiger Unternehmen, auf Plattformen bestehen zu können

6.9Plattformen und Regulierung

6.10Key Take-away

7Kennzahlen

7.1Anfangsphase

7.2Wachstumsphase

7.3Reifephase

7.4Key Take-away

8Ausblick in die Zukunft

8.1Web3 und Decentralized Autonomous Organization (DAO)

8.2Perspektiven

8.3Key Take-away

1Plattform-Ökosysteme: Der Einstieg

Das 21. Jahrhundert steht im Zeichen einer bedeutenden Transformation, der vierten Industriellen Revolution (Schwab 2017). Neue Technologien ermöglichen neue Formen der Organisation von ökonomischen Aktivitäten und pflügen so weltweit grosse Teile der bestehenden Wirtschaft und auch der Gesellschaft um (Srnicek 2017). Zentrale Stichworte ökonomischer Organisation sind in diesem Zusammenhang Ökosysteme und Plattformen. Solche existieren zwar schon seit Jahrtausenden (300 AC), mausern sich aber erst jetzt, dank digitaler Technologien wie Software, Internet, Internet of Things (IoT), mobilem Internet oder künstlicher Intelligenz (KI) zu einer dominierenden Organisationsform resp. zur dominierenden Sichtweise, wie die Organisation von wirtschaftlichen Tätigkeiten betrachtet wird (Evans und Schmalensee 2016; Jacobides et al. 2018). Während Plattformen im engeren Sinn den «technischen Kernaspekt» der neuen Organisationsform darstellen, sind die Ökosysteme das umfassendere System darum herum. In diesem befinden sich die sozialen Akteure wie Kunden oder Unternehmen. Sie sind es, welche auf der digitalen Plattform interagieren (Trapp et al. 2020). Heute führen gleich fünf Plattformunternehmen die Forbes-Rangliste der wertvollsten Unternehmen an: Apple, Google, Microsoft, Amazon, Meta1.

1.1Von der natürlichen Umwelt zum Plattform-Ökosystem

Auf der theoretischen Ebene gilt Moore (1993) als einer der ersten, der die Idee von Ökosystemen als wirtschaftliche Organisationsform prominent beschrieb. Dabei betrachtete er zuerst die Funktionsweise natürlicher Ökosysteme (etwa Berge, Savannen, Ozeane) und übertrug diese in den Kontext der Wirtschaft. In einem natürlichen Ökosystem koexistieren verschiedenste Organismen und kooperieren, kollaborieren sowie konkurrieren in ausgeklügelter Weise miteinander (Farhadi 2019). Entsprechend beschreibt ein Ökosystem in der Wirtschaft eine Gruppe von miteinander interagierenden Unternehmen und Akteuren, die gegenseitig von ihren Aktivitäten abhängig sind (Jacobides et al. 2018). Moore (1993) wurde durch die damals für ihn erkennbaren, ganz neuen Interaktionswege zu seiner Vorstellung inspiriert. Denn es waren die noch jungen digitalen Technologien, die diese neuen Interaktionswege und Vernetzungen zwischen sozialen Akteuren ermöglichten und so letztlich die Optionen der strukturellen Organisation wirtschaftlicher Tätigkeiten zu verändern begannen. Die Technologien waren somit entscheidend, um die digitalen Plattformen schaffen zu können, die die Basis von Ökosystemen bilden und deren Interaktionswege festlegen. Da es die Plattform ist, die im Mittelpunkt des Ökosystems steht, sprechen wir in diesem Buch von Plattform-Ökosystemen.

Seit Moore (1993) wurde viel Wissen zu Plattform-Ökosystemen erarbeitet. Dies führt dazu, dass wir bestehende Modelle und Frameworks des strategischen Managements im Lichte dieser neuen Erkenntnisse betrachten müssen. Denn die Logik von Plattform-Ökosystemen und ihren Geschäftsmodellen ist eine ganz andere Betrachtungsweise des Wirtschaftens. Sie basiert auf teilweise anderen Annahmen als die der klassischen Wirtschaftslehre (Evans und Schmalensee 2016).

Traditionelle lineare Modelle der wirtschaftlichen Organisation – auch Pipeline-Business genannt – folgen der Logik der Wertschöpfungskette von Porter (1980): Ein Unternehmen kauft Rohmaterialien oder Waren, verarbeitet, vermarktet und verkauft diese grundsätzlich als fertige Produkte an Kundinnen und Kunden. Ziel ist es dabei, möglichst effizient zu produzieren und einen möglichst hohen Preis für das Produkt am Markt zu erhalten (siehe Kapitel 3). Dabei kann so viel abgesetzt werden, wie der Markt zum angebotenen Preis nachfragt. Im linearen Organisationsmodell unterhält ein Unternehmen zu jedem Lieferanten und jedem anderen Partner eine direkte Beziehung. Jede Beziehung ist unabhängig von den anderen (sogenannte dyadische Beziehungen). Diesem klassischen Bild von Wertschöpfen und Wirtschaften setzt die Logik von Plattform-Ökosystemen eine alternative Sichtweise entgegen, die besser zum heutigen schnelllebigen und komplexen Umfeld passt. Diese Sichtweise ist aber nicht nur Alternative, sondern auch Weiterentwicklung, denn es bestehen verschiede Anknüpfungs- und Berührungspunkte zum klassischen Bild.

1.2Absicht des Buchs

In diesem Buch möchten wir die zentralen Logiken von Plattform-Ökosystemen und ihren Geschäftsmodellen beschreiben, um einen kompakten Überblick über deren wichtigsten Wesensmerkmale bereitzustellen. Denn mittlerweile gibt es zwar einiges an Literatur zu Ökosystemen und Plattformen, gleichzeitig aber bestehen nach wie vor viele begriffliche Unschärfen und Überschneidungen, verschiedenste Vermutungen und Betrachtungsweisen sowie mehr oder weniger nachvollziehbare Erläuterungen von Logiken. Da das Thema nach wie vor neu ist, ist das aber auch nicht weiter überraschend.

Ausserdem ist es aus Unternehmenssicht alles andere als einfach, eine Plattform und das nötige Ökosystem dazu zu etablieren, auch wenn viele der heute wertvollsten Unternehmen auf Plattformen basieren. Tatsache ist, dass die meisten Initiativen, ein Plattform-Ökosystem erfolgreich zu machen, scheitern. Dies, weil in Plattform-Ökosystemen viele verschiedene Parameter zusammenspielen müssen, um erfolgreich zu sein. Es gibt bei plattformbasierten Ökosystemen kein Mittelmass. Entweder sie starten durch oder sie verschwinden wieder.

Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob ein bisher erfolgreiches KMU überhaupt selbst ein Plattform-Ökosystem etablieren muss. Meist gibt es auch andere Optionen, wie z. B. an bestehenden Plattform-Ökosystemen zu partizipieren und dabei eine spezifische, wettbewerbsvorteilversprechende Rolle einzunehmen. Die strategische Frage, wo der Platz eines bestimmten, einzelnen Unternehmens in einer von der Ökosystem-Logik geprägten Wirtschaft ist, um eine ökonomische Rente zu erzielen, ist essentiell.

Die wohl grundsätzlichste Frage, die sich für ein Plattform-Ökosystem stellt, ist, wie es überhaupt Wert schafft. Und zwar von und für die einzelnen daran teilnehmenden Unternehmen sowie auf der übergeordneten Ebene des Ökosystems an sich. Darauf wird im Folgenden ebenfalls eingegangen.

Das vorliegende Buch filtert im Folgenden die wichtigsten Kernlogiken heraus, zu denen in der Literatur zumindest im Grundsatz ein Konsens herrscht. Zudem hat es den Anspruch, mehr Klarheit betreffend zentraler Begriffe im Bereich Plattformökonomien zu schaffen. Damit soll dieses Buch einen kleinen Beitrag zu mehr Überblick und Ordnung in diesem Bereich, insbesondere für Praktikerinnen und Praktiker aus dem Business, leisten.

1.3Der Begriff des wirtschaftlichen Ökosystems

In Kapitel 1.1 wurde bereits beschrieben, dass Moore (1993) die Idee von Ökosystemen als wirtschaftliche Organisationsform von den natürlichen Ökosystemen ableitete. Entsprechend der Tatsache, dass Organismen resp. Akteure, in natürlichen wie in wirtschaftlichen Ökosystemen miteinander kooperieren, kollaborieren und konkurrieren (Farhadi 2019), beschreiben Jacobides et al. (2018, S. 2256) Ökosysteme ganz allgemein noch wenig spezifisch als «a group of interacting firms that depend on each other’s activities» (siehe auch Kapitel 1.4). Abstrakt formuliert beruht ein Ökosystem also auf gegenseitigen Abhängigkeiten von Aktivitäten von Akteuren. Das Attribut wirtschaftliche Ökosysteme weist zudem darauf hin, dass die Aktivitäten der Akteure in letzter Konsequenz darauf abzielen, einen ökonomischen Gewinn realisieren zu können. Dies wird erreicht, indem ein Wertversprechen geschaffen wird, das bestimmten Akteuren – allen voran Kundinnen und Kunden – einen Nutzen stiftet, für den sie bereit sind, zu bezahlen.

Jacobides et al. (2018) unterscheiden auf der Basis zahlreicher gesichteter Literatur drei Arten von wirtschaftlichen Ökosystemen. Diese werden wir nun etwas genauer anschauen.

1.3.1Business-Ökosysteme

Bei Business-Ökosystemen steht ein einzelnes Unternehmen im Zentrum der Betrachtung («fokales» oder «Hub»-Unternehmen). Das eigentliche Ökosystem ist dabei die Umwelt des Unternehmens, verstanden als Kunden und Partner wie etwa Zulieferer, aber auch weitere Organisationen und Individuen, mit denen das Unternehmen interagiert. An diese kann das Unternehmen, so die Idee, etwas näher heranrücken, indem es Beziehungen gezielter managt, um Wissen, Innovationen und Entwicklungen, die in seinem Umfeld vorhanden sind, gezielt anzuzapfen2 und besser für sich nutzen zu können. Obwohl die Vorstellung des Ökosystems, wie in Kapitel 1.1 beschrieben, auch aufgrund gezielter Prozesse für ein näheres Zusammenrücken des Umfelds hier durchaus durchschimmert, ist die klassische Wertschöpfungskette von Lieferanten-Unternehmen-Kunden/Markt immer noch recht stark im Vordergrund. Jacobides et al. (2018) beziehen sich bei der Beschreibung dieser Art von Ökosystemen u. a. auf Teece (2007); Iansiti und Levien (2004); Dhanaraj und Parkhe (2006).

Als Beispiel dient Nespresso. Nestlé war und ist zwar das ideentreibende und zentrale Unternehmen bei Nespresso. Die Geschäftsidee war, ein Wertversprechen zu etablieren, gemäss dem Kundinnen und Kunden in grösstmöglicher Einfachheit und ohne Kleckern eine Tasse qualitativ hochstehenden Kaffees zubereiten können. Dazu arbeitete das in der Nahrungsmittelindustrie beheimatete Unternehmen mit Unternehmen aus anderen Branchen zusammen, die ihr Know-how im Bereich (Kaffee-)Maschinenbau, haben und mit solchen, die in der Lage waren, eine Kaffeekapsel zu entwickeln. Gemeinsam erschufen sie ein Ökosystem, in dem dank gemahlenem, in Kapseln abgefülltem Kaffee und dazu kompatiblen Kaffeemaschinen das Ziel einer qualitativ hochstehenden, einfach zubereitbaren Tasse Kaffee erreicht wurde. Aufgrund der ideengebenden und koordinierenden Rolle im Ökosystem ist Nestlé darin das Hub-Unternehmen.

In Abbildung 1 ist ein Business-Ökosystem in Anlehnung an Teece (2007), Dhanaraj und Parkhe (2006) sowie Iansiti und Levien (2004) dargestellt. Dabei steht das Hub-Unternehmen im Hexagon im Zentrum. Um das Hub-Unternehmen herum sind verschiedene Anspruchsgruppen wie Kunden und Partner als kleine Kreise aufgeführt. Sie sind jeweils einem bestimmten Umweltbereich wie z. B. Innovationen von Lieferanten und Komplementären3 zugeordnet. Der hellgrau hinterlegte Pfeil zeigt den Bezug zur klassischen Wertschöpfungskette.

1.3.2Innovationsökosysteme

Im Falle von Innovationsökosystemen steht eine primär technologische innovative Lösung als Wertversprechen im Zentrum. Einzelne Unternehmen kombinieren ihre individuellen Angebote in kollaborativen Arrangements zu kohärenten, konsumentenorientierten Lösungen (Adner 2006 in Jacobides et al. 2018; Wang 2021). Im Kern möchten die Autorenschaften dieser Art von Ökosystemen verstehen, wie Unternehmen interagieren, um vornehmlich technologische Innovationen zu kreieren, die ein Wertversprechen hervorbringen. So geht etwa Wang (2021) der Frage nach, wie unter der Bedingung unabhängiger, nur lose zusammenarbeitender Unternehmen (und evtl. weiterer Akteure) eine Innovation als kohärentes Ganzes entsteht (der Fokus ist also auf die Innovation gerichtet und weniger etwa auf ein Unternehmen, das allenfalls den Lead hat). Da es v. a. um technologische Innovationen geht, wird oft auf die Rolle der Technologie fokussiert (Adner und Kapoor 2010; Wang 2021; Kapoor und Lee 2013). Jacobides et al. (2018) beziehen sich bei der Beschreibung dieser Art von Ökosystemen u. a. auf Adner (2012); Adner und Kapoor (2010); Kapoor und Lee (2013); Adner (2017).

Bei Innovationsökosystemen steht also stärker der technologische Aspekt im Vordergrund als ein reiner Waren- oder Dienstleistungsaustausch (Cusumano et al. 2019; Trapp et al. 2020). Dieser technologische Aspekt kommt dabei letztlich aber meist doch auch als Plattform daher, insbesondere wenn am Ende (zahlende) Endnutzerinnen und -nutzer angesprochen werden (siehe Kapitel 1.3.3). Ein Beispiel ist Google Play Store: App-Entwicklerinnen und -entwickler erstellen als Komplementäre4 Apps, die dann im Store verkauft werden. Dabei müssen sie die technologischen Bedingungen von Google beachten. Ein weiteres Beispiel sind Plug-Ins oder andere komplementäre5 Features, die Entwicklerinnen und Entwickler für einen Browser erstellen. Ein attraktives Feature kann von einem browserbetreibenden Unternehmen wie Google oder Mozilla durch «Coring» aber kopiert und in die eigene Kernfunktion übernommen werden, was die ursprünglichen App-Entwickler überflüssig macht (Wang 2021).

Abbildung 2 zeigt ein Innovationsökosystem nach Wang (2021). Wir stellen dieses im Folgenden als ein illustratives Beispiel vor.

Wang (2021, S. 410; leicht vereinfacht)

Abbildung 2 Innovationsökosystem

Der Pfeil «Integration» (siehe Ziffer 1 Abbildung 2) bezieht sich auf die Frage, wie eine gesamthafte Innovation aus den Interaktionen zwischen den einzelnen Akteuren im Ökosystem und ihren Einzel-Innovationen entsteht. Für eine Integration müssen zuerst Codes, Expertise und digitale Komponenten der einzelnen Akteure geteilt und kombiniert werden, um später Angebote kreieren zu können. Beim Kombinieren von Komponenten entsteht meist eine Standardisierung, die sich über Best Practices etabliert. So benutzen z. B. Entwicklerinnen und Entwickler von Erweiterungen von Mozillas Firefox vorgegebene Interface Standards oder Best Practices für App Designs. Durch Teilen, Kombinieren und Standardisieren findet gemäss Wang (2021) eine Integration einzelner Innovationen zu einer gesamthaften statt.

Dem zweiten Pfeil «Wertschaffung» (siehe Ziffern 2 in Abbildung 2) liegt die Frage zugrunde, wie die Performance (= Leistung) eines Innovationsökosystems und jene der einzelnen Akteure im Ökosystem voneinander abhängig sind (Wang, 2021). Ein einzelner Akteur möchte erst einmal, dass seine Leistung, seine Innovation an sich funktioniert, sie einen Wert für ihn selbst hat. Bei der Schaffung dieses Werts für sich selbst wird oft unbeabsichtigt gleichzeitig auch ein potenzieller Wert für andere Akteure geschaffen. Damit dieser Wert für andere (d. h. auf der Ebene des Ökosystems) aber tatsächlich zustande kommt, müssen nun die beiden Arbeitsschritte Co-Creation und Wertverteilung («appropriating») vorgenommen werden.

Bei der Co-Creation geht es um ein komplemetäres Weiterentwickeln der ursprünglichen Innovation. Konkret kann dies gut anhand des Beispiels der ERP6-Software eines Generalimporteurs verdeutlicht werden. Seine Partner übernehmen diese Software von ihm, müssen sie dabei aber noch auf ihre Bedürfnisse hin individuell anpassen. Durch die Anpassungen wird die Software einerseits weiterentwickelt. Andererseits werden durch das Teilen auch Infos über und im ERP-Ökosystem, zu dem die Partner nun gehören, zugänglich gemacht. So können etwa Foren, Blogs, White Papers, Anleitungen zu Lösungen von Partnern, Tutorials, Code Samples etc. bereitgestellt werden.

Nachdem gemeinsam in einem Ökosystem Werte geschaffen wurden, müssen diese danach verteilt («appropriation») werden. Je nach Ökosystem geschieht dies unterschiedlich. Als verdeutlichendes Beispiel eignet sich hier weniger der Generalimporteur und seine Partner als etwa Apple und die Entwickler von Apps für den Apple Store, die gemeinsam ein Wertversprechen für Kunden schufen. Den Anteil der Einnahmen, den Apple und seine App-Entwickler je erhalten, nennt man explizite Wertverteilung. Daneben gibt es die implizite Verteilung (oder Aneignung) von Werten. Damit sind das Kopieren oder Imitieren von Designs und Features von anderen Entwicklerinnen und Entwicklern gemeint. So inkludierten z. B. Mozilla und Google populäre Erweiterungs-Features ihrer Browser Firefox und Chrome, die eigentlich von unabhängigen Dritten entwickelt wurden, in die Kernfunktionen ihrer Browser (bei einer solchen Überführung in die Kernfunktionen spricht man auch von «coring») (Bender in Wang 2021, S. 410).

Insgesamt wird durch die Co-Creation und die Wertverteilung die Performance auf der Ökosystemebene ermöglicht und bestimmt7. In diesem Zusammenhang erwähnt Wang (2021), dass die Leistung des Ökosystems ein «konfigurierendes Konstrukt» sei, das in Form eines Musters aus den Einzelleistungen und Interaktionen der Akteure entsteht. Der Pfeil zu Ziffer 3 in Abbildung 2 steht für diese integrierenden Interaktionen.

Durch Updaten, (Weiter)suchen und -experimentieren werden schliesslich Anpassungen und Entwicklungen hin zu weiteren Innovationen ermöglicht (siehe Ziffer 4 in Abbildung 2). So entwickelt sich ein Innovationsökosystem über die Zeit stets weiter.

1.3.3Plattform-Ökosysteme

Bei Plattform-Ökosystemen erstellt ein Unternehmen eine technologische resp. digitale Plattform, welche im Mittelpunkt des Ökosystems steht (Jacobides et al. 2018). Dieses Unternehmen wird Plattformunternehmen genannt. Die am Ökosystem teilnehmenden Akteure sind meist Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen sowie (potenzielle) Abnehmer.

Verschiedene Autoren (Dolata 2015; Staab 2019; Trapp et al. 2020) sprechen von einem sozio-technischen System, denn auf der technologisch erstellten Plattform, die als Bewegungsgrundlage dient, bewegen sich die Menschen individuell (z. B. Einzelkundinnen und -kunden) oder als Gruppen (v. a. als anbietende Unternehmen) und tätigen ökonomische Aktivitäten.

Die Plattform als technologischer Kernaspekt umfasst dabei miteinander vernetzte Dienste, Programme und Software, die ein zusammenhängendes System bilden (Staab 2019, S. 173; Dolata 2015, S. 511). Diese technologische Infrastruktur bietet nun die Grundlage eines sozialen Raums, in dem die Nutzer je nach Rolle anbieten, suchen, kommunizieren, interagieren, konsumieren und werben etc.

Die Nutzer, wozu Nachfrager wie Anbieter gleichermassen gehören, entwickeln mit der Zeit Verhaltens- und Nutzungsroutinen, was zu einer Bindung an das Ökosystem und damit an das Plattformunternehmen führt (Dolata 2015). Es findet eine eigentliche soziale Integration statt, die Nutzer gewöhnen sich an die Normen und Regeln im Ökosystem. Damit wird ein Wechsel zu einem konkurrierenden Ökosystem immer aufwendiger. Verschiedene (soziale) Standards werden jedoch auch direkt top-down vom Plattformunternehmen selbst definiert (siehe Kapitel 1.4.2).

Da der Austausch von Produkten und Dienstleistungen häufig im Zentrum steht, sprechen Cusumano et al. (2019) auch von Transaktionsplattformen (siehe auch Kapitel 2.1.2). Damit sich Akteure tatsächlich auf der Plattform einfinden und ein Ökosystem bilden, muss diese eine Dienstleistung bereitstellen, die diesen einen Mehrwert bietet (Trapp et al. 2020). Nicht selten besteht das Wertversprechen darin, Anbieter und potenzielle Käufer transaktionskosteneffizient (siehe Kapitel 1.6.1) zu vermitteln.

Ein Beispiel ist die Plattform Opodo, auf der Interessierte nach günstigen Flügen suchen. Die Fluggesellschaften bieten unabhängig voneinander ihre Flüge auf dieser Seite an (wobei Opodo für sie nur einer von mehreren Absatzkanälen ist). Daneben werden auf Opodo auch Komplemente8 wie das Mieten von Autos oder das Buchen von Hotels angeboten. Das transparente Darstellen eines Vergleichs der verschiedenen Angebote zu einer bestimmten Flugstrecke, z. B. Zürich – Wien, zusammen mit den weiteren Komplementen bietet den Nutzerinnen und Nutzern ein attraktives Wertversprechen, da Sie dank der klaren Vergleichbarkeit vollständig informiert zwischen den Angeboten auswählen können.

Das Vermitteln der Angebote und deren Vergleichbarkeit wurde durch die Plattform und ihre Technologie ermöglicht. Die Angebote, die potenzielle Fluggäste hier nebeneinander einsehen können und vielleicht auswählen, stammen von einzelnen Fluggesellschaften und Hotels etc., also von Unternehmen und somit von sozialen Akteuren. Es sind folglich Menschen, die sich als Akteure auf der technologischen Plattform bewegen und durch ihre Aktivitäten und Interaktionen das Ökosystem auf der Plattform lebendig machen.

Jacobides et al. (2018) beziehen sich bei ihrer Beschreibung von Plattform-Ökosystemen u. a. auf Ceccagnoli et al. (2012); Gawer und Cusumano (2014); Cennamo und Santalo (2013).

Abbildung 3 zeigt ein vereinfachtes Bild davon. In der Mitte zu sehen ist die Anbieter und Abnehmer vermittelnde digitale Plattform. Auf ihr bewegen sich einerseits die im linken Bereich der Abbildung als kleine Kreise dargestellten Anbieter von Kernprodukten oder -dienstleistungen (beim Beispiel Opodo die Flüge). Rechts stehen entsprechend die (potenziellen) Abnehmer. Unten in der Abbildung sind die Anbieter von komplementären Angeboten gezeigt (beim Beispiel Opodo etwa Mietautos oder Unterkünfte). Die gestrichelte Linie stellt symbolisch den Umfang des Ökosystems dar, wozu die digitale Plattform wie auch die verschiedenen Akteure gehören.

In Anlehnung an Trapp et al. (2020)

Abbildung 3 Plattform-Ökosystem

1.3.4Integration: Plattform-Ökosystem als Oberbegriff

Jacobides et al. (2018) bemerken in ihrem Buch, dass sich in der Realität die drei Arten von Ökosystemen meist überschneiden. Dies hat auch damit zu tun, dass in den drei Betrachtungsweisen meist zwar ein spezifischer Aspekt in den Vordergrund gestellt wird, die anderen Aspekte aber eigentlich auch vorhanden sind. So ist z. B. naheliegend, die digitale Börse Tutti für Produkte aus zweiter Hand primär als Plattform-Ökosystem zu betrachten. Gleichzeitig spielen aber Innovationen bei der (Weiter-)Entwicklung der technologischen Plattform eine zentrale Rolle, ebenso, ob externe Entwicklerinnen und Entwickler zugelassen sind oder nicht. Solche Fragen werden ja stärker in einer Innovationsökosystem-Sicht thematisiert. Schliesslich steht hinter der Plattform Tutti die Mediengruppe TX Group, zu der diese Plattform gehört. Auch wenn das Kaufen und Verkaufen von Produkten aus zweiter Hand durch Dritte im Vordergrund steht, ist Tutti resp. je nach Fokus die TX Group, auch das Hub-Unternehmen, womit wir bei der Betrachtungsweise Business-Ökosysteme wären.

In diesem Buch steht zwar nicht ausschliesslich, aber doch die Betrachtungsweise der Plattform-Ökosysteme im Vordergrund. Denn die Verbindung der Akteure eines Ökosystems durch eine technologische Plattform spielt in unseren Ausführungen häufig eine zentrale Rolle. Wir gehen davon aus, dass es im Normalfall ein Hub-Unternehmen gibt, dem eine Plattform entweder gehört oder das zumindest entscheidende Steuerungsfähigkeiten auf Ökosystem-Ebene hat.

Letztlich bedeutet dies, dass wir in diesem Buch den Begriff Plattform-Ökosystem in einem erweiterten Sinn verwenden, indem wir darin auch die Aspekte der Innovationsökosysteme und der Business-Ökosysteme integrieren. Dadurch wird der Begriff Plattform-Ökosystem also zu einem Oberbegriff. Dies ist auch darum zweckmässig, da so erstens der Unterschied zwischen Ökosystem und Plattform sichtbar wird und zweitens der herausragenden Rolle von Plattformen Rechnung getragen wird.

1.4Die konstituierenden Aspekte eines Ökosystems

In Kapitel 1.3 haben wir den Begriff des wirtschaftlichen Ökosystems auf eher allgemeiner Ebene betrachtet und entsprechend abstrakt definiert. Die Definition erwähnte lediglich die Interaktionen und gegenseitigen Abhängigkeiten der am Ökosystem beteiligten Akteure. In diesem Kapitel möchten wir etwas tiefer gehen und auf diejenigen Aspekte eingehen, die für das Ökosystem als Organisationsform wirtschaftlicher Aktivitäten konstituierend sind.

Hierzu beginnen wir mit folgender Definition von Adner (2017, S. 42) «[…] the ecosystem is defined by the alignment structure of the multilateral set of partners that need to interact in order for a focal value proposition to materialize.» Die Definition enthält alle konstituierenden Aspekte, nämlich «alignment structure», Multilateralität sowie das Materialisieren eines Wertversprechens («focal value proposition»). Wir werden diese Aspekte in den nächsten Unterkapiteln nun etwas genauer beleuchten.

1.4.1Die «alignment structure» und ihre Bestandteile Modularität und Koordination

Die «alignment structure» meint die von den Akteuren ausgehandelten Bedingungen des Zusammenarbeitens im Ökosystem, mit denen also alle einverstanden sind. Die Bedingungen beziehen sich auf die Abläufe im Ökosystem sowie die Rollen und Positionen, die die Akteure darin einnehmen (Adner 2017, S. 42).

In diesem Zusammenhang erwähnen Jacobides et al. (2018) zwei entscheidende Eigenschaften, die einer konkret ausgestalteten «alignment structure» eines Ökosystems vorausgehen und die ein Ökosystem als Organisationsform für wirtschaftliche Aktivitäten überhaupt erst zweck- und vorteilhaft machen. Es handelt sich dabei erstens um die Modularität und zweitens um die Notwendigkeit zur Koordination von Tätigkeiten (Jacobides et al. 2018). Die Eigenschaft der Koordination hat einen direkten Bezug zur Transaktionskostentheorie (siehe Kapitel 1.4.2). Nach der begrifflichen Betrachtung der beiden Eigenschaften werden wir diesen Bezug anschauen.

Die Eigenschaft der Modularität erlaubt, dass voneinander unabhängige Produzenten einzelne Komplemente9 herstellen, die Teil eines gesamten Wertversprechens sind (Wang 2021). Das bedeutet erstens, dass die Komplemente, die die im Ökosystem zusammenarbeitenden Unternehmen erstellen, aufeinander abgestimmt resp. kompatibel sein müssen (Jacobides et al. 2018). Komplemente als einzelne Leistungsbeiträge erbringen aufeinander abgestimmt im Ökosystem grösseren Wert als ihre Summe, wenn sie inkompatibel nebeneinanderliegen (siehe auch Kapitel 1.3.2). Die einzelnen Leistungsbeiträge sind dann kompatibel oder abgestimmt, wenn sie einander ergänzen, also komplementär sind. Wenn wir an das Pokerspiel denken, dann ist das Zusammenkommen von Herz Ass, Herz König, Herz Dame, Herz Bube und Herz 10 (Royal Flush) mehr wert, als wenn wir z. B. ein Pik 9, Herz 10, Karo Ass, Herz König und Kreuz 8 in der Hand halten. Dies, obwohl wir in beiden Fällen fünf Spielkarten in den Händen halten. Die Kartenkombination des Royal Flush ist aufeinander abgestimmt resp. komplementär.

Zweitens meint Modularität, dass die Komplemente beitragenden Partnerunternehmen in einem Ökosystem idealtypisch unabhängig voneinander sind. Farhadi (2019) betont die zentrale Bedeutung von Selbstständigkeit und Freiwilligkeit von Unternehmen, in einem Ökosystem mitzuwirken (die in der Realität nicht immer so vorhanden ist).

Obwohl die Modularität eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen eines Ökosystems ist, ist sie als Eigenschaft alleine nicht hinreichend. Dazu muss zusätzlich ein bestimmter Grad an Koordination benötigt werden, ohne den die Komplemente nicht zum gewünschten Wertesystem zusammenfügt werden können (Jacobides et al. 2018, S. 2260). Darin liegt letztlich der Grund der Existenz von Ökosystemen: Falls Komplemente nicht koordiniert werden müssen, braucht es auch kein Ökosystem. In der Notwendigkeit der Koordination der Komplemente zeigt sich die gegenseitige strategische Abhängigkeit der Partnerunternehmen: Nur zusammen können sie ihr Ziel des Anbietens eines gemeinsamen Wertversprechens erreichen. Oder wie Farhadi (2019, S. 60) es ausdrückt: «Partner teilen ihr Schicksal».

Ob resp. ab wann ein bestimmter Grad an Koordination von Komplementen benötigt wird, um das Wertesystem bereitzustellen, hängt davon ab, ob die Komplemente generischer oder spezifischer Natur sind (Williamson 1985; Jacobides et al. 2018; Shipilov und Gawer 2020). Dabei gibt es verschiedene Formen, wie die Koordination ausgestaltet werden kann. Im nächsten Unterkapitel wird darauf eingegangen.

1.4.2Formen der Koordination: Bezug zur Transaktionskostentheorie

Es gibt zahlreiche Formen und Systeme, wie Koordination vorgenommen werden kann. In der Transaktionskostentheorie werden grundlegende Gedanken dazu angestellt (Williamson 1985). Sie unterscheidet zwei extreme Formen von Koordination, die das Gegenteil voneinander sind: Auf der einen Seite den Markt, auf der anderen die Hierarchie. Im Kern geht es darum, immer jene Koordinationsform zu wählen, die vor dem Hintergrund bestimmter Bedingungen am wenigsten Transaktionskosten verursachen. Unter Transaktion wird ein zustande gekommener Leistungsaustausch zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager verstanden. Beim Zustandebringen einer Transaktion fallen stets Kosten an, man nennt sie darum Transaktionskosten (sie werden in Kapitel 1.6.1 und detailliert in Kapitel 4.1 beschrieben).

Koordinationsform Markt

Bei dieser Koordinationsform ist es der Markt, auf dem sich Anbieter und Nachfrager treffen. Ob eine Transaktion zustande kommt, hängt auf dem Markt gemäss Theorie einzig vom Preis ab (z. B. Becker 2017; Hirshleifer et al. 2005). Das heisst, auf dem Markt koordiniert alleine der Preis eine Transaktion, es werden keinerlei weitere Koordinationsmechanismen benötigt. Als Beispiel soll eine Tasse Tee dienen (Jacobides et al. 2018): Eine Tasse voll heissen Tees besteht nämlich aus verschiedenen generischen Komplementen, die alle für die Zubereitung benötigt werden. Die Endkonsumentinnen und -konsumenten können die einzelnen Komplemente Teebeutel, Tasse, Wasserkocher und Wasser einzeln und völlig unabhängig voneinander auf dem Markt beziehen10. Entscheidend ist, dass die Komplemente zwar alle für eine heisse Tasse Tee benötigt werden, sie aber nicht in einem ausgeklügelten, detailreichen System aufeinander abgestimmt oder kompatibel gemacht werden müssen. Generisch meint genau diesen Mangel an Notwendigkeit einer ausgeklügelten Abstimmung (Jacobides et al. 2018; Shipilov und Gawer 2020). Oder anders gesagt: Da generische Komplemente von Konsumentinnen und Konsumenten einfach ohne Weiteres modular verbunden werden können, besteht keine Notwendigkeit, sie in einer spezifischen Weise durch Organisationen zu koordinieren.

Die in Kapitel 1.4.1 thematisierte Modularität ist hier aber vorhanden, schliesslich benötigt man für eine Tasse Tee eben mehrere Komponenten, und die müssen kompatibel sein und leicht verbunden werden können (was in diesem Beispiel erreicht wird: Fast jeder Teebeutel passt in fast jede Tasse). Fazit: Da die Notwendigkeit einer Koordination bei generischen Komplementen