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Viele Menschen erleben traumatische Ereignisse, die oftmals zur Entwicklung psychischer Störungen, wie der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), führen. Da eine PTBS häufig nicht richtig erkannt und somit nicht adäquat behandelt wird, soll mit diesem Lehrbuch für die Durchführung umfassender Diagnostik sensibilisiert und die entsprechende Methodik nahegebracht werden. Wissenschaftlich und empirisch fundiert liefert es eine systematische Einführung in Geschichte, Ätiologie, Therapieverfahren, Risiko- und Schutzfaktoren der PTBS. Zusätzlich werden spezielle Themenfelder der Psychotraumatologie, wie Essstörungen oder Migration, gesondert behandelt.
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Seitenzahl: 376
Veröffentlichungsjahr: 2016
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1. Auflage 2016
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-026068-9
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-026069-6
epub: ISBN 978-3-17-026070-2
mobi: ISBN 978-3-17-026071-9
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Vorwort
1 Einleitung
2 Historie der Psychotraumatologie
2.1 Historische Entwicklung der Psychotraumatologie
2.2 Historische Entwicklung der Traumafolgestörungen in den Klassifikationssystemen psychischer Störungen
3 Die Begriffe Belastung, Stress und kritische Lebensereignisse
4 Der Traumabegriff nach den internationalen Klassifikationssystemen psychischer Störungen
4.1 Der Traumabegriff im ICD-10
4.2 Der Traumabegriff im DSM-IV
4.3 Der Traumabegriff im DSM-5
5 Epidemiologie traumatischer Ereignisse
6 Traumaeinteilung in Klassen
6.1 Häufigkeiten der verschiedenen Traumaklassen
7 Entwicklungswege nach einem Trauma
8 Risikofaktoren für Traumafolgestörungen
9 Traumafolgestörungen
9.1 Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
9.1.1 Beschreibung des Störungsbildes
9.1.2 Kriterien für eine PTBS nach DSM-IV und ICD-10
9.1.3 Kriterien für eine PTBS nach DSM-5
9.1.4 Traumafolgestörungen im ICD-11
9.1.5 Epidemiologie
9.1.6 Prognose und Verlauf der PTBS
9.1.7 Komorbidität der PTBS
9.2 Die komplexe PTBS/DESNOS
9.3 Die Akute Belastungsstörung
9.4 Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung
10 Diagnostik von Traumafolgestörungen
10.1 Strukturierte und standardisierte Interviews
10.2 Selbstbeurteilungsverfahren/Fragebögen
10.2.1 Diagnostik dissoziativer Symptome und Störungen
10.2.2 Differentialdiagnostik und Komorbidität
10.2.3 Diagnostik gesundheitsbezogener Lebensqualität (HRQOL)
10.2.4 Diagnostik körperlicher Beschwerden
10.2.5 Diagnostik von Krankheitsverhalten und Krankheitsverarbeitung
10.2.6 Diagnostik von sozialer Unterstützung
11. Ätiologie der Traumafolgestörungen
11.1 Zwei-Faktorentheorie des Lernens von Mowrer
11.2 Kognitives Modell der PTBS von Ehlers und Clark
11.2.1 Gedächtnis für das traumatische Ereignis
11.2.2 Bewertung des Ereignisses und seiner Konsequenzen
11.2.3 Dysfunktionale Verhaltens- und Verarbeitungsstile
11.2.4 Kognitive Verarbeitung während des Traumas
11.2.5 Durch das Modell erklärte Eigenschaften der PTBS
11.2.6 Empirische Überprüfung
11.3 Behavioral/kognitive Konzeptualisierung der PTBS nach Foa und Kollegen
11.3.1 Die Furchtstruktur
11.3.2 Kognitive Faktoren
11.3.3 Modifikation der Angstreaktion
11.3.4 Modifikation der Bedeutungselemente
11.3.5 Empirische Überprüfung
11.4 Duale Repräsentationstheorie von Brewin und Kollegen
11.4.1 Emotionale Verarbeitung des Traumas
11.4.2 Unterschiedliche Resultate emotionaler Verarbeitung
11.4.3 Vorhersagen über den Verlauf der Traumaverarbeitung
11.4.4 Revision der dualen Repräsentationstheorie
11.4.5 Empirische Überprüfung
11.5 Psychodynamisch-kognitive Konzeptualisierung nach Horowitz
11.5.1 Empirische Überprüfung
11.6 Modell der basalen Annahmen von Janoff-Bulman
11.6.1 Beschreibung der einzelnen Grundannahmen
11.6.2 Charakteristika der Grundannahmen
11.6.3 Empirische Überprüfung
11.7 Multifaktorielles Rahmenmodell nach Maercker
11.7.1 Risiko- bzw. Schutzfaktoren
11.7.2 Ereignisfaktoren
11.7.3 Aufrechterhaltungsfaktoren
11.7.4 Ressourcen oder gesundheitsfördernde Faktoren
11.7.5 Posttraumatische Prozesse und Resultate
11.8 Integratives Ätiologiemodell nach Tagay
11.8.1 Entstehungsbedingungen der PTBS
11.8.2 Aufrechterhaltende Bedingungen der PTBS
11.9 Neurobiologie der PTBS
11.9.1 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse
11.9.2 Sympathisches Nervensystem
11.9.3 Hippocampus
11.9.4 Tierstudien
11.9.5 Amygdala
11.9.6 Kausales Modell der PTBS
11.9.7 Genetik
11.9.8 Epigenetik
12 Therapeutische Interventionen bei Traumafolgestörungen
12.1 Ziele der Behandlung
12.2 Kontraindikationen
12.3 Therapeutisches Setting
12.4 Stabilisierung und Ressourcenaktivierung
12.5 Traumafokussierte kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren (TF-KVT)
12.5.1 Expositionsverfahren
12.5.2 Kognitive Therapie nach Ehlers und Clark
12.5.3 Forschungsergebnisse zur Effektivität von traumafokussierten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Verfahren
12.6 Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)
12.6.1 Forschungsergebnisse zur Effektivität von EMDR
12.7 Narrative Verfahren
12.7.1 Forschungsergebnisse zur Effektivität von Narrativen Verfahren
12.8 Psychodynamische Therapieverfahren
12.8.1 Psychodynamisch imaginative Traumatherapie (PITT)
12.8.2 Mehrdimensionale psychodynamische Traumatherapie (MPTT)
12.8.3 Forschungsergebnisse zur Effektivität von Psychodynamischen Verfahren
12.9 Ego-State-Therapie
12.10 Entspannungsverfahren und Körpertherapien
12.11 Pharmakotherapie
12.11.1 Forschungsergebnisse zur Effektivität von Pharmakotherapie bei PTBS
12.12 Integration und Neuorientierung nach einer Traumabehandlung
12.12.1 Posttraumatische Reifung
13 Psychosoziale Ressourcen
13.1 Resilienz
13.2 Das Salutogenese-Konzept: Sense of Coherence
13.3 Protektive Faktoren
13.4 Soziale Unterstützung
13.5 Mentalisierung und soziale Kompetenz
13.6 Bindungsverhalten und Bindungsstile
13.7 Selbstwert und Selbstwirksamkeitserwartungen
14 Prävention
14.1 Primäre Prävention
14.2 Akuthilfe
14.3 Sekundäre Prävention
14.3.1 Psychological Debriefing
14.3.2 Psychopharmakologische Interventionen
14.3.3 Traumafokussierte kognitiv-verhaltenstherapeutische Frühinterventionen
14.4 Tertiäre Prävention
14.5 Großschadensfälle
15 Traumafolgestörungen bei speziellen Personengruppen
15.1 Traumafolgestörungen bei Kindern und Jugendlichen
15.1.1 Epidemiologie
15.1.2 Verlauf
15.1.3 Komorbidität
15.1.4 Risikofaktoren
15.1.5 Entwicklungstrauma-Störung
15.1.6 Diagnostik
15.1.7 Therapie der PTBS
15.2 Traumafolgestörungen bei älteren Menschen
15.2.1 Epidemiologie
15.2.2 Verlauf der Traumatisierung
15.2.3 Diagnostik
15.2.4 Psychotherapie
15.3 PTBS bei Menschen in helfenden Berufen
15.3.1 Polizisten
15.3.2 Feuerwehrleute
15.3.3 Rettungswagenpersonal
15.3.4 Mitarbeiter im Gesundheitswesen
15.3.5 Rettungskräfte
15.4 PTBS bei Menschen mit Migrationshintergrund
15.4.1 Epidemiologie zu Migration und Gesundheit
15.4.2 Migration und Trauma
15.4.3 Trauma- und PTBS-Prävalenz
15.4.4 Flüchtlinge
15.4.5 Sequentielle Traumatisierung
15.4.6 Psychotherapeutische Ansätze
15.5 Trauma und PTBS bei Essstörungen
15.5.1 Epidemiologie
16 Literatur
17 Stichwortverzeichnis
Die meisten Menschen werden im Laufe ihres Lebens mit belastenden Ereignissen konfrontiert, die weitreichende Auswirkungen auf ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen haben können. Eine Folge einer solchen Traumatisierung kann z. B. die Entwicklung einer psychischen Störung, wie der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), sein. Unbehandelt kann eine Traumafolgestörung das Leben einer Person massiv beeinträchtigen und zu anhaltenden Problemen im Alltag, Beruf und in zwischenmenschlichen Beziehungen führen.
Vor dem Hintergrund der aktuellen weltpolitischen Lage mit der massiven Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens, den Kriegen in Syrien, im Irak und in der Ukraine, mit Hundertausenden Toten und vielen Millionen Flüchtlingen, sowie mit der Vertreibung von Menschen aus ihren Heimatgebieten gewinnt dieses Thema an besonderer Bedeutung. Die sozialen Medien und die Tagespresse berichten täglich über die Gräueltaten terroristischer Vereinigungen, die jegliche Vorstellungskraft von Gewalt und Verbrechen an Menschen im 21. Jahrhundert sprengen. Menschen werden Opfer oder Zeugen von Terroranschlägen, sind den Leiden und dem Elend von Kriegen ausgesetzt und sehen sich schließlich zur Flucht in ein fremdes Land gezwungen. Kommen sie dort an, sind sie mit weiteren schweren Belastungen konfrontiert, wie der Ablehnung und Diskriminierung durch Einheimische, Verständigungsproblemen aufgrund von Sprachbarrieren und einer ungewissen Zukunft. Die sequentielle Traumatisierung im Sinne von Hans Keilson setzt sich bei den Flüchtlingen über viele Jahre fort. Diese Menschen weisen also zumeist multiple Traumatisierungen auf und bedürfen entsprechender Unterstützungssysteme, Beratung und Therapien. Daher widmet sich ein Kapitel dieses Lehrbuches gezielt dem Thema Flüchtlinge und Migranten.
Im Gesamten soll dieses Buch eine wissenschaftlich und empirisch fundierte systematische Einführung in die Geschichte, Diagnostik, Ätiologie, Therapie, Prävention sowie Risiko- und Schutzfaktoren von Traumafolgestörungen, im Besonderen der PTBS, liefern. Dazu werden nach einem Abriss über die Historie der Psychotraumatologie zunächst das Störungsbild der PTBS, wie auch das der komplexen PTBS, der Akuten Belastungsstörung und der Andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung detailliert beschrieben und in ihren klinischen Kontexten dargestellt. Da diese Störungen häufig nicht richtig erkannt und somit nicht adäquat behandelt werden, ist die Durchführung einer umfassenden und validen Diagnostik von enormer Wichtigkeit, denn nur so kann eine passende Therapie geplant und erfolgreich ausgeführt werden. Daher sollen in diesem Rahmen die entsprechende Methodik vermittelt und verschiedene Diagnoseinstrumente nahegebracht werden. Anschließend werden unterschiedliche Entstehungsmodelle für Traumafolgestörungen betrachtet. Hierbei finden sowohl psychodynamisch orientierte als auch kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze sowie Befunde aus der Neurobiologie Beachtung. Darauf folgt die Vorstellung aktueller Behandlungskonzepte für Traumafolgestörungen, die hinsichtlich ihrer Effektivität diskutiert werden. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansätzen, aber auch psychoanalytisch orientierte und therapiebegleitende Interventionen werden betrachtet. Mit den Möglichkeiten, einer PTBS vorzubeugen oder die Chronifizierung einer schon vorhandenen Traumafolgestörung zu verhindern, befasst sich das Kapitel Prävention. Schließlich soll mittels einer intensiven Auseinandersetzung mit den Risiko- und Schutzfaktoren der PTBS der Frage nachgegangen werden, warum einige Menschen nach Traumatisierungen psychische Störungen entwickeln und andere nicht. Denn das Erleben traumatischer Ereignisse führt nicht bei jedem Menschen unweigerlich zu einer psychischen Störung, im Gegenteil können Menschen gestärkt aus einer Lebenskrise hervorgehen.
Den Abschluss des Buches bildet die gesonderte Behandlung spezieller Themenfelder der Psychotraumatologie, wie der bereits oben erwähnte Zusammenhang zwischen Trauma und Migration oder die Beziehung zwischen Essstörungen und Trauma, die aufgrund einer hohen Prävalenz von körperlichen und emotionalen Missbrauchserlebnissen in dieser Gruppe von Interesse ist. Des Weiteren werden Traumatisierungen bei älteren Menschen, bei denen eine PTBS häufig unerkannt bleibt, bei Kindern und Jugendlichen, die Besonderheiten bezüglich der Symptomatik zeigen können, und bei Menschen mit helfenden Berufen betrachtet, die aufgrund ihrer dauernden Konfrontation mit Katastrophen und belastenden Schicksalen eine besondere Risikogruppe darstellen.
Dieses Lehrbuch richtet sich an Studierende der Psychologie und der Medizin, wie auch an bereits klinisch oder wissenschaftlich tätige Ärzte/-innen und Psychologen/-innen sowie alle anderen Fachkräfte in der Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen, die ihr Wissen auf dem Feld der Psychotraumatologie erweitern bzw. vertiefen möchten. Sie sollen dazu sensibilisiert und befähigt werden, mögliche Anzeichen für eine Traumatisierung zu erkennen und richtig einzuordnen, um entsprechende Behandlungsmaßnahmen einleiten zu können.
Allen, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben, sei herzlich gedankt. Besonders möchten wir uns bei Herrn Matthias Lühr für die engagierte Mithilfe bedanken sowie beim Kohlhammer Verlag für die wertvolle Unterstützung. Hier gilt unser herzlicher Dank insbesondere dem Lektorat von Frau Celestina Filbrandt und Herrn Dr. Ruprecht Poensgen!
Dieses Buch widmen wir den vielen Tausend Ezidinnen und Eziden, die Opfer des Völkermords am 03.08.2014 im Nordirak (Shingal) durch den sogenannten Islamischen Staat wurden.
Essen, im Herbst 2015
Sefik Tagay, Ellen Schlottbohm, Marion Lindner
Psychische Traumata hinterlassen unbehandelt oft lebenslang Spuren in Form von zahlreichen Beschwerden mit unterschiedlich einschneidenden Beeinträchtigungen in der Gesundheit, der Lebensqualität und in sozialen Beziehungen. Häufig wird eine Traumafolgestörung mit den damit einhergehenden Beschwerden nicht erkannt. Menschen verfügen in der Regel über genügend Selbstheilungskräfte, um auch schwere traumatische Situationen und Erlebnisse adäquat zu bewältigen. Jedoch unterscheiden sich Menschen stark darin, wie sie traumatische Erlebnisse wahrnehmen, bewerten und verarbeiten. Manche Personen erleben objektiv betrachtet schlimmste Ereignisse, ohne dass danach psychische Beeinträchtigungen auftreten. Hier stellt sich die interessante Frage, warum diese Menschen nicht erkranken. Andere fühlen sich dagegen durch scheinbar »kleine Ereignisse« traumatisiert oder verletzt und entwickeln danach posttraumatische Symptome. Der Zusammenhang zwischen realem Ereignis, der Traumasituation, psychischer Disposition der Person und weiteren Einflussvariablen wie Risiko- und Schutzfaktoren entscheidet letztlich, ob eine Traumatisierung erfolgt, wie schwer sie ausfällt und wie stark die Folgen sind.
Die empirische Datenlage und die klinische Beobachtung fallen eindeutig aus: Traumatisierung führt oft zu einem tiefen Riss in der Lebensgeschichte der Betroffenen. Besonders nach Extremtraumatisierungen ist vieles nicht mehr so, wie es vorher war; Interessen, Einstellungen, Alltagsgewohnheiten, soziale Beziehungen, Werthaltungen und Überzeugungen sind durcheinandergeraten bzw. gestört. Das traumatische Ereignis stellt oftmals erst den Anfang einer psychischen Verletzung dar. Die Traumatisierung ist meist dauerhaft, ob nach einer schweren Naturkatastrophe, nach einem schweren Verkehrsunfall, nach Flucht, Kriegserlebnissen, Folter oder einer lebensbedrohlichen Erkrankung.
Psychotraumatische Ereignisse und ihre Folgen gehören seit jeher zu den Grunderfahrungen der Menschen. Die Menschheitsgeschichte war von Anfang an auch eine Geschichte individuellen Unglücks und kollektiver Katastrophen. Kriege, interpersonelle Gewalt, Naturkatastrophen und Epidemien mit schweren seelischen Erschütterungen und schmerzlichen Verlusten sind schon in den ältesten Schriften dokumentiert (Mythos von Gilgamesch, Altes Testament, Ilias von Homer). Schon immer hat es aber auch Versuche gegeben, die negativen Folgen psychischer Traumatisierung zu bearbeiten, abzumildern oder auszugleichen. Die Auseinandersetzung mit seelischer Verletzung fand bzw. findet bis heute auf verschiedenen Ebenen statt, wie beispielsweise in gesellschaftlich anerkannten Trauerritualen, mythologischen und religiösen Erzählungen, der Entwicklung der Heilkunde in der Kulturgeschichte vieler Völker, bildnerischen und literarischen Darstellungen sowie in philosophischen Reflexionen (Peterson et al., 1991).
Die wissenschaftliche Konzeptualisierung von Traumafolgestörungen nahm in der Chirurgie ihren Anfang. Von der Neurologie wurde dann die Frage nach den Traumafolgen weiter aufgegriffen, in der auch der Begriff der » traumatischen Neurose« geprägt wurde. Schließlich nahm der Begriff des Psychotraumas dann langsam einen Eingang in die psychosomatisch-psychologischen Fächer. Schon seit Anbeginn bestimmten zwei zentrale Fragen den wissenschaftlichen Diskurs: Sind die Menschen, die nach Gewaltereignissen seelisch mehr oder weniger zerstört sind, wirklich krank oder bilden sie sich ihr Leiden nur ein, vielleicht auch motiviert durch ein Interesse an Rente oder anderen Formen finanzieller Zuwendung? Und zweitens: Wenn sie krank sind, handelt es sich um eine körperlich-neurologische Erkrankung oder um eine psychologische Störung?
Berichte über die Auswirkungen traumatischer Erlebnisse sind in der Literatur vielfach dokumentiert. Ein anschauliches Beispiel findet sich im Tagebuch vom englischen Schriftsteller Samuel Pepys (1633–1703), der Zeuge des Londoner Großbrandes des Jahres 1666 geworden war; dabei wurden 75 % der Fläche der City of London zerstört. Sechs Monate später schrieb er: »Wie merkwürdig, dass ich bis zum heutigen Tag keine Nacht schlafen kann, ohne von großer Angst vor dem Feuer erfasst zu werden; und in dieser Nacht lag ich bis fast zwei Uhr morgens wach, weil mich die Gedanken nicht losließen.« (Daly, 1983, S. 66). Aus der Beschreibung werden die zentralen posttraumatischen Symptome erkennbar, wie z. B. die immer wiederkehrenden Gedanken an das Ereignis, die ständige Angst, wieder Opfer des Feuers zu werden, und eine erhöhte Wachsamkeit und Unruhe, die sich u. a. in einer Schlafstörung manifestiert.
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