Potenzialentfaltung bei Kindern mit besonderem Förderbedarf - Jeremy Krauss - E-Book

Potenzialentfaltung bei Kindern mit besonderem Förderbedarf E-Book

Jeremy Krauss

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Beschreibung

Jeremy Krauss ist einer der letzten Schüler von Moshé Feldenkrais und lehrte und praktizierte die Feldenkrais-Methode. Insbesondere durch seine Arbeit mit Kindern mit besonderem Förderbedarf hat er einen interprofessionellen und erweiterten Ansatz entwickelt. Mit diesem neuen Ansatz (Jeremy Krauss Approach - JKA) können erfahrungsorientiertes Lernen, Entwicklung und persönliches Wachstum bei verschiedenen Entwicklungsverzögerungen fähigkeitsorientiert unterstützt werden. Behandlungserfolge können insbesondere bei Kindern erzielt werden, deren Schwierigkeiten im neurologischen, muskuloskelettalen, psychischen oder sozioemotionalen Bereich liegen. Anhand zahlreicher Fallbeispiele und mit anschaulichen Fotostrecken reflektiert der Autor seine Erfahrungen, die anschlussfähig sind für Themen wie motorisches Lernen, Neuroplastizität, Embodiment sowie die Humanistische oder Entwicklungspsychologie. Didaktisch gründet sich der JKA auf ein genaues Beobachten und nachvollziehendes Verstehen von entwicklungsrelevanten Bewegungsabläufen und individuellen Bewegungsmustern sowie möglichen Barrieren. Der Fokus liegt dabei auf den dynamischen Aspekten von Übergangsbewegungen und Positionen und den damit verbundenen individuellen Entwicklungsschritten. Ziel ist es also, nicht nur die Einschränkungen oder Defizite zu fokussieren, sondern für jedes Kind die ihm individuell zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Fähigkeiten zu erkennen und es so individuell zu fördern. Mit Geleitworten von Gerald Hüther, Bonnie Bainbridge Cohen, Ale Duarte und Bulent Elbasan.

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Jeremy Krauss

Potenzialentfaltung bei Kindern mit besonderem Förderbedarf

Eine fähigkeitsorientierte Perspektive auf die frühkindliche Bewegungsentwicklung

Potenzialentfaltung bei Kindern mit besonderem Förderbedarf

Jeremy Krauss

Programmbereich Psychosomatik/Medizin

Jeremy Krauss

Trinisstrasse 5

83700 Rottach-Egern, Germany

Mobil +49 (0)151/55876016

[email protected]

https://www.jeremy-krauss.com

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

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Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Psychiatrie/Psychotherapie

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Susanne Ristea, Christina Nurawar Sani

Redaktionelle Bearbeitung: Christina Nurawar Sani

Herstellung: René Tschirren

Umschlagbild: Getty Images/fotostrom

Umschlaggestaltung: Claude Borer, Riehen

Satz: Claudia Wild, Konstanz

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96299-3)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76299-9)

ISBN 978-3-456-86299-6

https://doi.org/10.1024/86299-000

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Widmung

Allen, die neue Perspektiven und praktische Wege suchen, um anderen zu helfen

|7|Danksagung

Von vielen Seiten ist mir beim Schreiben und Entwickeln dieses Buches Großzügigkeit und Zuvorkommenheit entgegengebracht worden. Ohne diese Menschen wäre das Buch nie möglich gewesen. Zuallererst gilt meine von Herzen kommende Dankbarkeit allen Kindern mit besonderem Förderbedarf und ihren Familien, die mich ohne Ende inspirieren, und von denen ich so viel über die Wunder des Entwicklungsprozesses gelernt habe. Danke an alle Eltern, die mir freundlicherweise erlaubt haben, ihre Kinder zu fotografieren, um andere in dieser wichtigen Arbeit weiterzubilden.

Ein besonderer Dank gilt meiner lieben Frau Stephanie für ihre Geduld, Ermutigung und Unterstützung, während ich an diesem Buch geschrieben habe, sowie für das Lesen der ersten Entwürfe und ihr ehrliches und klares Feedback. Ohne sie würde es dieses Buch nicht geben.

Dankbar bin ich meinen Kindern Maayan, Assaf, Shani und Livia, von denen mich jedes vom ersten Tag seines Lebens an inspiriert hat. Ich hatte die Gelegenheit, sie alle aus allernächster Nähe zu beobachten, wie sie jeweils auf ihre ureigene Weise herangewachsen sind und sich entwickelt haben. Jedes von ihnen trug zu den Ideen und dem Rohmaterial bei, auf dem meine Arbeit und dieses Buch basieren.

Sabine Pfeffer danke ich dafür, eine so gute Freundin, Kollegin und Zuhörerin gewesen zu sein, die mir stets zur Beantwortung meiner Fragen zur Verfügung stand, sowie ihrem Mann Jean-Etienne Cohen-Seat für seine Ermutigung und Beratung in so vielen Aspekten während aller Phasen meines Schreibens und Veröffentlichens.

Meinem Bruder Dr. Baruch Krauss danke ich für seine sehr konstruktive, klare Kritik und seinen Rat in den unterschiedlichen Entstehungsphasen des Buches.

Danke an Livia Calice für das Lesen der unterschiedlichen Teile der Manuskriptentwürfe und ihr überaus wichtiges Feedback, an Silvia Autenrieth für ihre hervorragende Übersetzung ins Deutsche, an Dr. Sally Aldenhoven für die erforderlichen Klarstellungen und Überarbeitungen bezüglich der englischen Fassung, mit der sie eine Übersetzung ins Deutsche ermöglichte.

Gabriela Erlacher danke ich für ihre wundervolle Arbeit an den Grafiken für die Fotoserien, Renate Weisler für ihre ganz frühen Rückmeldungen und dafür, mich an meine deutsche Übersetzerin verwiesen zu haben.

Allen beim Hogrefe-Verlag danke ich für ihren Glauben an das Buch. Vor allem Susanne Ristea, die das Projekt übernahm und mir die Richtungen aufwies, die es einzuschlagen galt, um das Manuskript fertigzustellen, und Christina Nurawar Sani für ihr Interesse an meiner Arbeit und für die wunderbare Zusammenarbeit beim Lektorieren.

|8|Danke an Dr. Allan Wiengrad, der leider nicht mehr unter uns weilt. Allan glaubte von früh an an meine Arbeit und betonte die Wichtigkeit, meine Ideen und mein Verständnis zu Papier zu bringen, um sie so mit anderen teilen und breit anwenden zu können.

Zu guter Letzt danke ich meinem verstorbenen Vater, der mich in vielerlei Hinsicht etwas über die unterschiedlichen Aspekte des Lebens und seine Geheimnisse gelehrt hat, z. B. wie man ein Ohr für das haben kann, was so oft nicht gehört wird; wie man ein Auge für das entwickelt, was die meisten nicht beachten; wie man die kleinsten Kleinigkeiten im Leben wertschätzen und mit täglich neuem Staunen die vielen Wunder betrachten kann, die uns überall umgeben, aber oft nicht wahrgenommen werden.

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Danksagung

Geleitworte

Vorwort

1 Sehen lernen, wie sich ein Kind bewegt

1.1 Meine Anfänge: Mein Weg zum Jeremy Krauss Approach (JKA)

1.2 Feldenkrais-Methode des Selbstlernens

1.3 Beobachten, beschreiben, durchführen, anwenden

1.4 Konzentrierte Lenkung der Aufmerksamkeit

2 Fähigkeitsorientierung

2.1 Fähigkeiten statt Einschränkungen

2.2 Entstehung, Entwicklung und Stabilisierung von Fähigkeiten

2.3 Bewegungen von Babys und Erwachsenen

3 Primäre Elemente von Bewegungen

3.1 Klare kinästhetische Wahrnehmung (kinaesthetic clarity)

3.2 Planung, Kontrolle, Tonus und Balance

3.3 Warum sich ungeschickt vorzukommen eine wichtige Erfahrung ist

4 Entwicklungsperspektiven

4.1 Handlungsintelligenz – die Welt begreifen

4.2 Progressive Formation entwicklungsrelevanter Fähigkeiten (progressive developmental abilities formation)

4.3 Entwicklung von Bewegungsmustern – zufällig – systematisch – organisiert

4.3.1 Zufälliges Erkunden

4.3.2 Systematische Aktionsnetzwerke

4.3.3 Organisierte Selbstlernprozesse

4.4 Die Dynamik von Positionen und Übergängen

4.4.1 Positionen

4.4.2 Übergänge

4.4.3 Innere Dynamiken übergangs- und positionsbezogener Bewegungen

4.5 Reversibilität und Entwicklungssequenz

5 Einzigartige Kinder, einzigartige Lösungen

5.1 Strategien für den Umgang mit Kindern

5.2 Ein sicheres Umfeld für Spielen und Lernen schaffen

5.3 Woran lässt sich Veränderung messen?

5.4 Mit allem rechnen – Vorbereitung, Achtsamkeit und Präsenz

5.5 Erlebnismomente

6 Neuronale Plastizität, Modifikabilität und Aktivitätsmuster

6.1 Das Kind als die Person sehen, die es ist

6.2 Grundlagen einer entwicklungsrelevanten therapeutischen Lernsituation

6.3 Entwicklungsrelevante Bewegungsinteraktionen

6.4 Neuronale Plastizität durch Lernen und Aktivität fördern

7 Bewegungsfreiheit

7.1 Chaos, Spiel und Bewegungsorganisation

7.2 Erforschen und Entdecken als primäre Elemente therapeutischen Lernens

7.3 Die Freude an der neu gefundenen Bewegungsfreiheit

7.3.1 Nonverbale Kommunikation und Selbstregulation

7.3.2 Emotionale Fähigkeiten durch Interaktion und Bewegung entwickeln

7.3.3 Mit unangenehmen Vorerfahrungen umgehen

8 Individualität

8.1 Zeitvorgaben flexibel anpassen

8.2 Der Wert des Aufrechtseins

8.3 Sich an die Schwerkraft anpassen (anti-gravitation adaptation deficiency behavior)

8.4 Eigene Besonderheiten kennen(lernen)

8.5 Die Familienkonstellation einbeziehen

9 Meine Zeit mit Dr. Moshé Feldenkrais

10 Praktische Techniken

10.1 JKA–Sensory Active Movement (SAM): Sensorische aktive Bewegungssequenzen

10.2 JKA–Abilities Through Movement (ATM): Erwerb von Fähigkeiten durch Bewegung

10.3 JKA–Developmental Hands-on (DHO): Entwicklungsfördernde manuelle Arbeit

10.4 JKA–Functional Hands-on (FHO): Funktionelle manuelle Arbeit

Zum Autor

Literatur

Weiterführende Literatur

Abbildungsverzeichnis

Sachwortverzeichnis

|13|Geleitworte

Geleitwort von Gerald Hüther

Lieber Jeremy,

immer häufiger fällt mir auf, dass es ganz besonders begabte Eltern, Pädagogen und Therapeuten gibt, die Kinder auf eine sehr bemerkenswerte Weise begleiten.

Ihnen gelingt es, den ihnen anvertrauten Kindern dabei zu helfen, die in ihnen angelegten Potentiale, also ihre individuellen Möglichkeiten, auf beeindruckende, für Außenstehende oft sogar erstaunliche Weise zur Entfaltung zu bringen.

Überdurchschnittlich häufig begleiten diese Personen nicht sogenannte „normale“ Kinder auf ihrem Weg ins Leben, sondern solche, die etwas mit auf die Welt gebracht haben, das sie zu ganz besonderen Kindern macht. Meist handelt es sich dabei um mehr oder weniger stark ausgeprägte Einschränkungen in Form funktioneller Besonderheiten, die nicht durch noch so intensives Üben oder Trainieren „normalisiert“ werden können.

Diese begabten Begleiter und Begleiterinnen scheinen das zu wissen. Sie versuchen deshalb, sich in das jeweilige Kind hineinzuversetzen und herauszufinden, welche Art von Unterstützung es braucht.

Sie machen das Kind also nicht – wie das normalerweise allzu leicht immer wieder geschieht - zum Objekt ihrer Erwartungen und Vorstellungen, auch nicht ihrer Belehrungen, Maßnahmen und Behandlungen. Und erst recht und niemals zum Objekt ihrer Bewertungen.

Sie lassen das Kind selbst ausprobieren, wie etwas gehen könnte, und unterstützen es sehr einfühlsam und kompetent, falls ihm das zunächst noch nicht so recht gelingt.

Mit anderen Worten: Sie bieten dem Kind die Möglichkeit, sich selbst als Konstrukteur seines eigenen Lernprozesses zu erleben, also Subjekt und Gestalter seiner eigenen Absichten und Ziele zu sein.

Das macht den wahrhaftigen Unterschied und ermöglicht das, was Jeremy Krauss in diesem Buch als „Magic Moments“ beschreibt. Die kaum in Worten auszudrückende Erfahrung des Kindes, etwas zu schaffen und zu bewirken, das es selbst will, und das ihm bisher niemand, ja nicht einmal es selbst sich zugetraut hatte.

Sternstunden im Leben eines Kindes sind das, und sie öffnen zwangsläufig das ansonsten verschlossen bleibende Tor für die nächsten (ebenfalls vom Kind selbst, aber nun noch mutiger und beharrlicher in Gang gebrachten) Entwicklungsschritte.

|14|Moshé Feldenkrais hatte das schon vor einem halben Jahrhundert erkannt. Auch sehr einfühlsame Eltern, Pädagogen und Therapeuten kennen dieses Phänomen. Es ist ein großes Glück und ein Beleg für das wachsenden Verständnis der Arbeitsweise und der Strukturierung des menschlichen Gehirns, dass nun auch die Neurobiologie die theoretischen Grundlagen für das Zustandekommen solcher „Entwicklungssprünge“ zu beschreiben und verständlich zu machen in der Lage ist.

Aber was nützt all die graue Theorie. Auf die praktische Umsetzung kommt es an. Und wie es tatsächlich gehen kann und mit welcher Grundhaltung, das zeigt Jeremy Krauss auf beeindruckende Weise in diesem Buch.

Mit einem herzlichen Gruß und den besten Wünschen

Gerald Hüther, Dr. rer. nat. Dr. med. habil.

Neurobiologe, Vorstand der Akademie für Potentialentfaltung

Geleitwort von Bonnie Bainbridge Cohen

In seinem Buch lässt Jeremy Krauss auf eine interessante, klare Weise teilhaben an seiner mitfühlenden und umfassenden Herangehensweise an die Arbeit mit Kindern mit besonderem Förderbedarf. Er beleuchtet diesen Prozess unter Einbeziehung von Bewegung, Berührung, Stimme, Achtsamkeit und Beziehung.

Jeremy beginnt mit Respekt, Akzeptanz und Vertrauen in jedes Kind und seine Fähigkeit, freier zu dem Menschen zu werden, der es wirklich ist und seine angeborenen physischen, emotionalen und verhaltensmäßigen Potenziale aufzudecken.

Basierend auf über mehr als 40 Jahren des Lernens von jedem einzelnen Kind und seinen besonderen Herausforderungen und Gaben hat Jeremy Krauss eine einmalige und transformative Form von Praxis entwickelt, um Kinder anzuleiten und den Erwachsenen, denen sie besonders am Herzen liegen, etwas zum Umgang mit ihnen zu vermitteln.

Wer ein Kind mit besonderem Förderbedarf betreut oder in seinem Leben mit Kindern dieser Art zu tun hat, dem kann „Potenzialentfaltung bei Kindern mit besonderem Förderbedarf“ die Freude bescheren, hierüber einen Weg tiefer Heilung zu entdecken – und zwar nicht nur für die Kinder, sondern auch für die eigene Beziehung zu ihnen. Dieses Buch kann reiche Inspiration bieten.

Bonnie Bainbridge Cohen

Autorin von „Basic Neurocellular Patterns: Exploring Developmental Movement“

|15|Geleitwort von Ale Duarte

In seinem Buch „Potenzialentfaltung bei Kindern mit besonderem Förderbedarf“ lässt Jeremy Krauss daran teilhaben, wie Kinder auch unter widrigen Vorbedingen aufblühen und gedeihen können. Er lädt dazu ein, bei jedem einzelnen Kind darauf zu achten, was ungeachtet seiner Herausforderungen an Neuem zum Vorschein kommt. Indem er Kindern von dem Ort her begegnet, sie in ihrer Ganzheit und mit ihrem Potenzial zu würdigen, werden seine geschulten Hände zum besten Freund des Kindes, der es dabei anleitet, eigene Fähigkeiten zu erfahren und auszubauen. Ein Kind durch eine Bewegungssequenz hindurch zu begleiten, die ihm immer wieder erlaubt, zu erkennen: „Ja, ich kann das“, ist viel mehr als das halbvolle Glas vor sich zu sehen. Seine Methode lehrt uns, jedes Kind als in sich komplett und durchaus funktionierend zu betrachten. Er spricht eine Qualität menschlicher Verbindung an, die ein jedes Kind verdient, auf die es geradezu wartet, und die es von uns braucht. Sie erlaubt Kindern, mit ihrer natürlichen Lebenskraft in Kontakt zu kommen, die uns alle durchströmt, und die in unseren frühen Lebensjahren oft stärker ist. Jeremy Krauss schubst uns auf kluge Weise sanft weg von falschen Wahrnehmungen unsererseits, voller Vorannahmen und Projektionen, um uns offen zu machen für die großen und kleinen Wunder, die sich da vor unseren Augen entfalten. Durch seine Praxis weiß und zeigt er auch immer wieder, dass fortwährende Entdeckungen und Weiterentwicklungen tatsächlich möglich sind.

Als somatischer Therapeut weiß ich, dass Kinder die Zeche dafür zahlen, wenn sich machtlos fühlende Eltern auf hoffnungslose Therapeuten stoßen. Es gibt nichts Schöneres als mitzubekommen, wie ein Kind aufblüht. Lassen wir uns alle von Jeremy Krauss dazu inspirieren, Kinder mit besonderem Förderbedarf mit völlig neuen Augen zu sehen, mit ihnen zu lernen und uns an ihrem einzigartigen Wachstum zu erfreuen.

Ale Duarte

Lehrer, Therapeut und Urheber von „Tune in to Children“

Geleitwort von Bulent Elbasan

In den letzten Jahren haben frühe Interventionen im Kindesalter zunehmende Beachtung gefunden. Insbesondere wurden in vielen Untersuchungen detaillierte Studien zur neuronalen Plastizität und Theorien zur motorischen Entwicklung dargelegt, die gegebenenfalls in späteren Lebensphasen auftretende neuromuskuloskelettale Probleme wirksam minimieren können.

|16|Konkreter betrachtet, ist vor allem ein detailliertes Verständnis typischer und atypischer motorischen Entwicklungen heute von größerem Wert. Man konnte zeigen, dass die motorische Entwicklung nicht nur aus grobmotorischen Meilensteinen wie dem eigenständigen Halten des Kopfes, Robben, Krabbeln, Sitzen und Laufen besteht, sondern dass vor allem die Bewegungskomponenten und -erfahrungen des Babies/Kindes in Verbindung mit diesen Entwicklungsmeilensteinen beim Erwerb dieser Fähigkeiten weitaus wirksamer sind. Aus diesem Grund hat man klarer verstanden, dass es für Fachkräfte und Familien elementar wichtig ist, ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich auf diese Bewegungsdetails konzentrieren können, und wo das Kind über Versuch und Irrtum derartigen Erfahrungen ausgesetzt ist.

In den fast 25 Jahren meiner klinischen und akademischen Laufbahn als Physiotherapeut habe ich eine Menge Erfahrung mit dem Umgang mit Säuglingen und Kindern gewonnen und dabei viele Trainings absolviert, um meinen Beruf besser, effektiver und nach den neuesten Erkenntnissen auszuüben, und ich bilde mich in dieser Hinsicht auch heute noch weiter. Hier ein Behandlungsansatz, den ich in neuerer Zeit gelernt habe, und der zu meiner Sicht der Dinge beigetragen hat: der Jeremy Krauss Approach (JKA).

Als Kinderphysiotherapeut denke ich, obwohl mir die typische und atypische motorische Entwicklung in allen Details vertraut ist, dass ich mit dieser Methode verstehe, wie effektiv es ist, Bewegungen detailliert zu beobachten und diese dann am eigenen Leib zu erleben und zu fühlen, wenn es darum geht, die typische motorische Entwicklung zu begreifen und dann auf Babys und Kinder zu übertragen. Nachdem ich den Jeremy Krauss Approach (JKA) kennenlernen konnte, denke ich, dass neurologische Probleme nicht der einzige Grund dafür sind, warum das Baby und/oder Kind mit besonderem Förderbedarf nicht in der Lage ist, eine bestimmte Bewegung zu vollziehen – es kann de facto auf eingeschränkte Möglichkeiten zurückgehen, Bewegungen entsprechend ihres gegebenen Potenzials zu erfahren.

Der Jeremy Krauss Approach (JKA) ist für mich eine wichtige und vielversprechende Ressource gewesen, die mir mit Blick auf meine tägliche Praxis hilft, die Verständnislücke im Hinblick auf Details der typischen und atypischen motorischen Entwicklung bei Kindern mit besonderem Förderbedarf zu schließen. Aus dieser Warte glaube ich, dass dieses Buch für Menschen, die sich beruflich mit Kindern mit besonderem Förderbedarf befassen und für ihre Familien eine wichtige Ressource bieten wird. Ich gratuliere Jeremy Krauss aufrichtig zu seinem erfolgreichen Werk und danke ihm für seine Beiträge zu diesem Gebiet.

Bulent Elbasan, PT, PhD, Prof.

Dekan an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Gazi Universität und Dozent an der Abteilung für Physiotherapie und Rehabilitation

|17|Vorwort

„Realist zu sein bedeutet, an Wunder zu glauben.“

(David Ben-Gurion)

Die Arbeit mit Menschen und vor allem mit sich atypisch entwickelnden Kindern, bei denen ein besonderer Förderbedarf besteht, ist gleichermaßen fordernd wie inspirierend. Tagtäglich begegnen mir kleine Helden sondergleichen, die uns das Beste am menschlichen Geist vor Augen führen, Kinder mit Mut und einem unbändigen Verlangen nach mehr Teilhabe am Leben und dem, was es zu bieten hat.

Ich treffe Familien, die zu mir kommen, weil sie ihren Kindern helfen wollen, neue Lern-, Wachstums- und Entwicklungschancen für sich zu entdecken. Viele haben bereits resigniert und sich für ihr Kind mit einer Zukunft abgefunden, die wenig vielversprechend ist. Sie haben zu glauben begonnen, dass es allenfalls sehr lange dauern wird, bis sich irgendwelche Fortschritte oder wirkliche Veränderungen einstellen werden, oder dass es vielleicht auch nie dazu kommen wird. Anderen ist ihre enorme Belastung anzumerken, die bange Erwartung, eine weitere pessimistische Stellungnahme eines Experten zu dem zu hören, was die Zukunft für ihre Kinder bereithält. Einige kommen auch, weil sie verstehen wollen, warum ihr Kind sich nicht genauso bewegen kann wie ihre anderen Kinder. Sie sagen: „Mein Kind kann dies nicht, mein Kind kann jenes nicht.“ Die Aussagen „kann nicht“, „tut [das und das] nicht“, „hat noch nie“ und „wird nie“ höre ich tagein, tagaus in meiner Praxis.

Wenn ich ein Kind anschaue, sehe ich niemals ein Kind, das bestimmte Dinge „nicht kann“, „nicht tut“ oder „nie tun/können wird“. Ich halte immer Ausschau nach einem Kind, das „kann“, einem Kind, das Dinge „tut“, und einem Kind, das „eines Tages das und das tun/können wird“. Und das ist das Kind, das ich dann vor mir sehe. Ich sehe ein Kind vor mir, das ein Potenzial mitbringt, das gesehen und ausgeschöpft werden will. Ein Kind mit verborgenen Fähigkeiten – ein Kind auf der Suche nach einer Möglichkeit, aus sich herauszukommen und zu wachsen.

Mein Ansatz ist eine optimistische Auseinandersetzung und Arbeit mit den Herausforderungen und Schwierigkeiten, die in der menschlichen Entwicklung auftauchen können. Er stützt sich darauf, sich die von Geburt an bestehende Fähigkeit des menschlichen Gehirns zunutze zu machen, neue Verbindungen herzustellen, die das Lernen von Neuem, Wachstum und Fortschritte ermöglichen. Die moderne Wissenschaft offenbart unentwegt neue außergewöhnliche Prozesse, die es uns erlauben, besser in allem Erdenklichen zu werden und mehr von unseren menschlichen Potenzialen und Fähigkeiten zu verwirklichen.

|18|Das Gehirn ist ein staunenswertes biologisches Phänomen, das sowohl Wissenschaftler:innen und Expert:innen als auch Lai:innen erstaunliche und unerwartete Wege eröffnet, wie Veränderungen angestoßen werden können, und wie sich eine bessere Lebenswirklichkeit schaffen lässt. Immer neue Erkenntnisse zu Dingen, die wir nich für möglich gehalten hätten, prasseln mit Schnelligkeit auf uns ein. Ehemals Unvorstellbares wird erreichbar. Veränderung, Wachstum und Weiterentwicklung werden zur neuen Normalität. Zeitliche Erwartungshorizonte zu Entwicklungsabläufen gewinnen eine neue Bedeutung und werden umdefiniert. Hoffnung und Optimismus vertreiben den Pessimismus. Die Befriedigung, die damit verbunden ist, den nächsten sich anbahnenden Schritt zu sehen, tritt an die Stelle der Sorge darüber, ob langfristige Ziele wohl je erreicht werden.

Fallbeispiel Amy

Genauso sah es bei Amys erstem Besuch bei mir aus. Zu Beginn einer Reihe von Sitzungen mit einem Kind frage ich die Eltern immer, woran ihnen besonders gelegen sei, und was sie sich von den Sitzungen versprächen – welche Erwartungen sie an meine Arbeit mit dem Kind hätten. Auch an diesem Tag war es nicht anders. Nachdem Amys Mutter noch einmal die Geschichte der Kleinen erzählt und über die genetische Mutation gesprochen hatte, von der sie betroffen war, äußerte sie die Hoffnung, dass Amy eines Tages in der Lage sein werde, in Bauchlage eigenständig ihren Kopf zu halten um Hereinkommende anzuschauen, den Blick nach vorne gerichtet und den Scheitel in Richtung Decke, und dass sie diese Position ein paar Sekunden lang halten könne. Die Mutter bekannte ernüchtert, dass sie schon seit Monaten darauf hingearbeitet hätten, dabei habe sich aber nur wenig geändert oder verbessert. Sie hoffe jedoch, dass es eines Tages dazu komme, und dass Amy dann langsam besser darin werde. Ich sah mir Amy gründlich an und sah keinen Grund, warum eine Verbesserung während der Sitzungen nicht möglich sein sollte. Nachdem ich einen guten Kontakt zu Amy hergestellt hatte, indem ich ihr die Möglichkeit gegeben hatte, meine Hände kennenzulernen bis sie sich bei mir gut aufgehoben fühlte, bot ich ihr mit den Händen einige Bewegungsrichtungen an, um zu erspüren, wie sie darauf ansprach. Amy war überaus angenehm im Umgang und rollte sich auf meinen sachten Hinweis hin problemlos auf den Bauch. Einige Augenblicke später – nachdem ich Amys Hände beidseits in eine bestimmte Position gebracht hatte, die sie (in meinen Augen) brauchte, um sich auf ihre ganz eigene Weise entsprechend zu organisieren – hob sich im Nu ihr Kopf, ohne Umschweife und Zögern, bis er regelrecht senkrecht war, wobei Amy sich mit den Armen abstützte und ihr Brustkorb sich weit vom Untergrund hob. Sie machte große Augen und trug ein unnachahmliches strahlendes Lächeln auf dem Gesicht. Es gefiel ihr eindeutig, den Kopf so weit oben zu haben, und sie blickte sich mit offensichtlicher Neugier um. Amys Mutter strahlte mit ihr um die Wette. „Fantastisch! Wie haben Sie das gemacht? Sie freut sich anscheinend so richtig!“ Es war ein ganz besonderer Moment, den wir Drei hier erlebten und miteinander teilten.

|19|Es gibt solche Augenblicke, die außergewöhnlich sind – Momente, die noch wenige Sekunden zuvor unvorstellbar schienen. Das sind Augenblicke, die nicht nur etwas an unserer Realität verändern, sondern auch unsern Wahrnehmungshorizont erweitern. Ich nenne sie „Miracle Moments“ oder „magische Momente“: In ihnen ereignet sich das Wunder des Augenblicks, denn es sind Momente im Leben, die wie ein Wunder sind und bestätigen, dass Träume wahr werden können, die Optimismus stärken und die Hoffnung lebendig halten; es sind überwältigende positive Emotionen, die unsere Lebensgeister wecken und uns wieder in den Strom des Lebens einbinden. In diesen magischen Momenten bricht sich die Lebenskraft Bahn und zeigt sich uns deutlich. Bei Kindern bringen solche magischen Momente ihre Augen zum Leuchten und schenken ihnen Selbstvertrauen und Selbstsicherheit. Das Kind erlebt sich plötzlich ganz anders, und ein Gefühl überkommt es, das besagt: „Ja, ich kann etwas.“ Von diesen „magischen Momenten“ möchte man stehts mehr erleben, und sie geben einem die Kraft, zukünftig nach ihnen zu suchen. Augenblicke dieser Art aneinanderzureihen, schafft ein Kontinuum im Hinblick auf die fortwährende Weiterentwicklung von Lebenskompetenzen und eröffnet nahezu unbegrenzte Möglichkeiten in alle Richtungen.

Bei meiner Arbeit erlebe ich diese Wunder des Augenblicks jeden Tag – sie sind nichts Außergewöhnliches. Doch wann immer sie auftreten, nehme ich sie und die Erfahrungen, die für alle Beteiligten damit verknüpft sind, aufmerksam, staunend und ehrfürchtig wahr. Ich betrachte sie nie als etwas Selbstverständliches. Ich arbeite darauf hin, festgefahrene Vorstellungen von Normalität beiseitezuschieben und einen Raum zu eröffnen, in dem mehr von diesen Momenten zutage treten und von anderen gesehen und erfahren werden können.

„Aha!“

„Wow! Ich kann es nicht fassen, dass sie das gerade gemacht hat!“

„Da bin ich aber baff – das hat er noch nie getan!“

„Jetzt hat sie das doch tatsächlich hinbekommen – wie ist das denn passiert?!“

Die Freudentränen und der gerührte Stolz.

Der herzerwärmende Blick in den Augen von Eltern.

Und das sind nur einige der spontanen freudigen Reaktionen von Menschen, die solche Momente erleben. Sie sind in der Tat sehr kostbar und etwas ganz Besonderes. Ich fühle mich immer geehrt, wenn ich miterleben kann, wie Eltern und Kind sie durchleben. In diesen unendlich wertvollen Momenten nimmt das Gestalt an, was Optimismus und Positivität verheißen, und das ganze Leben bekommt eine tiefere Bedeutung.

In den letzten 40 Jahren habe ich Tausenden von Kindern und Erwachsenen therapeutische Möglichkeiten des Lernens anhand von Bewegung vermittelt, um ihnen |20|zu helfen, bestimmte Einschränkungen und Herausforderungen, vor denen sie Tag für Tag stehen, besser zu meistern oder zu überwinden. Dabei stütze ich mich auf eine bestimmte Form der Auseinandersetzung mit Bewegung, die auf Dr. Moshé Feldenkrais zurückgeht. Im Laufe der letzten 15 Jahre hat sich der Hauptfokus meiner Arbeit und Lehrtätigkeit auf das Gebiet der frühkindlichen Bewegungsentwicklung verlagert, insbesondere auf das Finden neuer und individueller Wege, um Kinder mit besonderem Förderbedarf mit meiner Arbeit zu unterstützen. Bei dieser Ausrichtung greife ich auf Ideen zurück, die mit einem der faszinierendsten und auch komplexesten Gebiete der Wissenschaft in Verbindung stehen: das menschliche Gehirn und sein Potenzial. In den letzten Jahrzehnten konnten wir eine geradezu explosionsartige Zunahme an neuen Erkenntnissen zur Entwicklung und Funktionsweise unseres Gehirns und Nervensystems und deren Beziehung zur frühkindlichen motorischen Entwicklung beobachten. Das wiederum hat neue Perspektiven auf das Lern- und Wachstumspotenzial in allen Lebensphasen eröffnet.

In diesem Buch geht es darum, die Bewegungsentwicklung aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten und diesen in effektiver Weise insbesondere auf die Arbeit mit Kindern mit besonderem Förderbedarf anzuwenden. Geeignet ist dieser Ansatz auch für die Arbeit mit sich typisch entwickelnden Kindern sowie typisch funktionierenden Erwachsenen. Ich habe mich der Aufgabe verschrieben, andere mit diesem neuen Ansatz vertraut zu machen, der Ideen in die Praxis umsetzt, die bei Kindern mit entwicklungsbezogenen Schwierigkeiten sowie bei Erwachsenen mit funktionellen Herausforderungen und Problemen helfen, weitreichende Veränderungen zu erzielen. Diese Perspektive gründet auf einer optimistischen und ermutigenden Sicht auf das menschliche Potenzial und die menschlichen Fähigkeiten. Das Buch zielt darauf ab, diese Ideen weiterzuverbreiten und einem größeren Publikum zugänglich zu machen sowie Kindern mit Einschränkungen und ihren Familien Optimismus und die Hoffnung auf eine lichtere Zukunft zu schenken.

Dieses Buch beschreibt in erster Linie die Theorien hinter meiner praktischen Arbeit und erzählt einige Geschichten von Kindern, denen ich helfen konnte; außerdem enthält es Beispiele für erfahrungsorientierte Bewegungserkundungen, die Sie als Leser:in selbst ausprobieren können.

Es richtet sich an alle, die bei mir Weiterbildungen absolviert haben und immer wieder mit der Bitte an mich herangetreten sind, meine Ideen in Buchform zusammenzufassen. Außerdem widme ich es denen, die nicht persönlich zu Workshops bei mir kommen können, aber dennoch mehr über meinen Denkansatz erfahren möchten. Es wendet sich an Fachkräfte auf dem Gebiet Bewegung, Lernen und Rehabilitation. Es ist für Menschen gedacht, die wissen wollen, wie sich Veränderungen realisieren lassen, die bis dahin als unerreichbar galten. Es wendet sich an Therapeut:innen, die mit Kindern arbeiten, und an andere, die sich für die Umset|21|zung neuer Ideen in der Praxis und für neue Anwendungspotenziale interessieren. Es richtet sich zudem an Erwachsene mit Schwierigkeiten in bestimmten Funktionsbereichen, denen es zusätzliche Möglichkeiten bietet, funktionelle Einschränkungen zu überwinden, für die ihnen bislang zufriedenstellende Lösungen fehlten.

Durch das Bestreben, andere an meinen Ideen teilhaben zu lassen, ist nun ein Buch entstanden, in dem es nicht um Techniken geht – es ist kein Handlungsleitfaden oder Neun-Punkte-Programm, das es zu absolvieren gilt, wenn man Erfolg haben möchte. Es befasst sich vielmehr mit den Gedanken hinter meiner Arbeit, die es ermöglichen, dass sich bestimmte Techniken und praktische Verfahren herausschälen. Es präsentiert einen praxisbezogenen Denkansatz, dessen Anwendung „magische Momente“ mit sich bringen kann: Augenblicke, in denen „Wunder“ geschehen. Es beleuchtet ein Phänomen, das viele als nicht wirklich greifbar, nebulös und oft rätselhaft erleben.

|23|1  Sehen lernen, wie sich ein Kind bewegt

„Beobachter schaffen wir nicht, indem wir sagen: ‚Beobachte‘, sondern indem wir ihnen die Ermächtigung und die Mittel für diese Beobachtung geben, und diese Mittel werden durch Sinnesbildung bereitgestellt.“

(Maria Montessori)

Ausgangspunkt des Jeremy Krauss Approach (JKA) ist, sehen zu lernen, wie sich ein Kind bewegt. Dieses nachvollziehende Beobachten von Bewegungsabläufen beinhaltet ein

Beobachten (visuell),

Beschreiben (verbal, und zwar in Schriftform), und

Durchführen (Bewegung).

Es gilt bei diesem unvoreingenommenen Hinsehen und Beobachten, seine Aufmerksamkeit konzentriert zu lenken, nämlich auf

einzelne Elemente,

Kombinationen von Elementen, und

Muster.

1.1  Meine Anfänge: Mein Weg zum Jeremy Krauss Approach (JKA)

Als ich mit Kindern zu arbeiten begann, stellte ich schon früh fest, dass das, was ich bei einem sich bewegenden Kind sah, das sich auf die typische oder auch eine atypische Weise entwickelte, sich stark von dem unterschied, was meine Kolleg:innen, Kursteilnehmer:innen und andere Leute wahrnahmen. Wenn ich mit einem Kind arbeitete, wurde ich von Beobachter:innen immer wieder gefragt: „Worauf achten Sie?“, „Woran sehen Sie das? “, „Woher haben Sie gewusst, dass das jetzt der entscheidende Punkt war?“ Es kamen Fragen wie: „Sind Sie sicher, dass das Kind das gemacht hat?“, „Wann ist das passiert?“, „Warum ist das wichtig?“ Ich fand solche Fragen damals sehr merkwürdig, da mir das alles sonnenklar schien. Verstand es sich nicht von selbst, dass jemand, der mir bei der Arbeit mit einem Kind zusah, dabei die Bewegungen des Kindes so mitbekam wie ich? Nach und nach jedoch rea|24|lisierte ich, dass andere durchaus nicht sahen, was ich sah, und abgesehen davon auch nicht verstanden, was ich da mit dem Kind machte oder warum.

Ein Tag hat sich mir fest im Gedächtnis eingeprägt. Nach einer Demositzung mit einem Kind, das besondere Förderung brauchte, fragte mich ein Kollege, mit dem ich viel zusammenarbeitete: „Jeremy, was Du da machst, sieht ja beeindruckend aus. Aber wie gehst Du dabei eigentlich im Einzelnen vor? Was beobachtest Du? Woher weißt Du, was es zu tun gilt, um einen eindeutigen Erfolg zu erzielen; ein Ergebnis, das dermaßen viel verändert?“ Ich war völlig perplex. Ich hatte mir nie sonderlich Gedanken gemacht über das, was ich da tat. Ich war davon ausgegangen, dass das doch offensichtlich sei und dass alle es sehen könnten. Solche Erfahrungen waren für mich der Anlass, zu überlegen, wie ich anderen helfen könnte, ebenfalls zu sehen, was ich sehe. Es schien die einzige Möglichkeit, andere nicht nur an meinen Beobachtungen teilhaben zu lassen, sondern auch transparent zu machen, wie und warum ich mich bei der Arbeit mit einem Kind für bestimmte Interventionen entschied. Ich musste einen Weg finden, anderen zu vermitteln und zu zeigen, wie ich vorgehe, um gezielt und schnell diese außergewöhnlichen Veränderungen anzustoßen. Diese Veränderungen, die Kursteilnehmer:innen und hilfesuchende Eltern in Staunen versetzten, sind solche, die ich später noch als Erlebnismomente beschreiben werde (siehe Kap. 5.5): regelrecht magische Momente, in denen „Wunder“ stattfinden. Mir dämmerte, dass mein didaktisches Vorgehen bis dato eindeutig unzureichend gewesen war. Ich musste eine völlig neue Methode entwickeln, um meine Ideen und mein Wissen weiterzugeben. Ich musste so an sie herangehen und sie so präsentieren, dass es anderen erlauben und sie dazu hinführen würde, ihre eigenen Entdeckungen zu machen, wenn es darum ging, das Kind in seiner Bewegung mit unvoreingenommenem Blick sehen zu können. Ohne eine vollkommen neue pädagogische und praktische Herangehensweise würden meine Arbeit und mein Verständnis nur mir vorbehalten bleiben.

Will man meinen Ansatz näher untersuchen und erlernen, so geht es dabei um vier zentrale Elemente: Beobachten, Beschreiben, Durchführen und Anwenden. Jedes dieser Elemente ist unabdingbar, und alle vier zusammen ergeben ein höchst wirksames Lerninstrument. Wichtig ist, sehr spezifisch sehen zu lernen, was Sie eigentlich vor sich haben, wenn Sie ein Kind in Bewegung beobachten. Überlegen Sie einmal für einen Moment, wie es ist, einem sich typisch entwickelnden neun bis elf Monate alten Kind für vielleicht eine Minute zuzusehen, wie es sich bewegt. Wie viele und welche Arten von Bewegungen vollführt das Kind, während Sie es beobachten? Es mag so wirken, als sei diese Frage leicht zu beantworten. Aber um wirklich zu würdigen, wie viele komplexe und geschickte Bewegungen das Kind dabei eigentlich ausführt, versuchen Sie sich einmal vorzustellen, dass Sie die ganzen Bewegungen unmittelbar nach ihren Beobachtungen minutiös protokollieren müssten, einschließlich der ganzen Übergänge, Positionen und feinen Korrekturen, die |25|das Kind während dieser Minute durchgeführt hat. Wie lange würden Sie dafür brauchen? Könnten Sie sie alle beschreiben? Wie schnell sind die Bewegungsabläufe an Ihnen vorbeigezogen? Würden Sie sie noch einmal sehen wollen oder müssen, um sich an alles erinnern zu können? An wie viele Bewegungen würden Sie sich noch erinnern, und wie viele könnten Sie detailliert beschreiben? Einige denken jetzt vielleicht, dass etwa eine Minute ja keine lange Zeit sei, aber wenn Sie tatsächlich versuchen würden, in allen Einzelheiten sämtliche Bewegungen aufzuschreiben, die das Kind innerhalb von einer Minute durchgeführt hat, wären Sie erstaunt.

1.2  Feldenkrais-Methode des Selbstlernens

Der Prozess der Selbstentdeckung und des erfahrungsbezogenen Lernens durch Bewegung war Bestandteil der Grundausbildung, die ich noch bei Dr. Moshé Feldenkrais persönlich erhalten habe. Für Dr. Feldenkrais war es bei dieser Art des Selbstlernens unabdingbar, dass die Lernerfahrung nicht auf irgendeiner Art von äußerem Bild aufbaut (Feldenkrais, 1972). Hierzu sollen verbale Anweisungen aufgegriffen werden. Diese verbalen Signale sind von ihrem Empfänger in sensomotorische Handlungen umzuwandeln, ohne sich dabei an einem Vorbild in der Außenwelt zu orientieren. Es ist eine Art von heuristischem Lernansatz, bei dem Bewegung als Medium eingesetzt wird.

Die Idee von Dr. Feldenkrais ist die, nicht die Bewegung anderer zu kopieren, sondern selbst zu spüren und zu fühlen, was der beste und effizienteste Weg ist, eine Bewegung auszuführen und sich dabei vom Nachspüren im eigenen Körper, von der eigenen Erfahrung und dem eigenen Verständnis leiten zu lassen (Feldenkrais, 1972). Grundlegend ist dabei die Annahme, dass es bei der Durchführung einer Bewegung wertvoller sei, seine eigenen körperlichen Empfindungen und Gefühle zu beobachten, als zu versuchen, etwas durchzuführen, was man für den „korrekten“ Bewegungsablauf hält. Dr. Feldenkrais war der Ansicht, dass die Gesellschaft viel zu großen Wert auf das von außen wahrnehmbare Bild lege. Die innere Ästhetik und das Sich-selbst-Spüren kämen dabei zu kurz. Er beobachtete, dass Menschen in der Regel im Außen nach Vorbildern für das suchen, was sie „denken sollten“ – oder was sie „fühlen sollten“ oder wie sie „aussehen sollten“ –, wenn es darum ging, zu entscheiden, ob ein Bewegungsablauf „korrekt“ sei. Wenn jemand durch verbale Anweisungen angeleitet wird, anhand der eigenen Körperempfindungen herauszufinden, was für ihn/sie selbst „richtig“ ist, ist es Dr. Feldenkrais zufolge nicht zielführend, sich an einem äußeren Vorbild zu orientieren.

Dabei sind äußere Bilder ausgesprochen wichtig, wenn es darum geht, klar und präzise sehen zu können, was sich bei einem Kind zeigt, das die typische Entwicklung durchläuft (Stern, 1985; Gage, H., Koop, & Novacheck, 2009; Konner, 2010). |26|Nur so bzw. mit diesem Vorwissen kann man die Bewegungsabläufe bei einem Kind, das sich atypisch verhält, eindeutig erkennen. Denn es geht an dieser Stelle noch nicht um den Punkt, dass Menschen selbst herausfinden sollen, was für sie am besten oder für ihre Zwecke am effizientesten ist.

1.3  Beobachten, beschreiben, durchführen, anwenden

Vor diesem Hintergrund wusste ich, dass ich mich von Feldenkrais’ Modell des Selbstlernens lösen musste, da das visuelle Bild der entscheidende Ausgangspunkt und der primäre Baustein meiner Arbeit ist. Grundlegend für meine Arbeit ist, zu lernen, ein Kind in Bewegung zu sehen. Das erfordert vom Beobachter:

auf äußerliche visuelle Bilder zurückzugreifen,

diese Bilder zu verstehen,

sämtliche Einzelheiten von Bewegungsabläufen, aus denen ein Bild resultiert, zu erkennen und

diese dann in spezifische Bewegungen umzusetzen, die mit der frühkindlichen Entwicklung einhergehen.

Videos von sich regulär entwickelnden Kindern – selbst wenn es sich um nur 15 Sekunden lange Clips handelt – enthalten zu viele visuelle Informationen. Bei statischen Bildern wiederum fehlt die Bewegung. Ein guter Ausgangspunkt schienen mir Fotoserien, die anhand von Standbildern Bewegungsabläufe von Säuglingen und Kleinkindern zeigten. Ich selbst habe vier Kinder. Immer wieder hatte ich fasziniert ihre frühen Entwicklungsstadien in Sachen Bewegung beobachtet, und ich hatte Hunderte von Stunden damit zugebracht, jedes meiner Kinder per Video und fotografisch in seiner Entwicklung zu dokumentieren. Mir war nie in den Sinn gekommen, dass dieser enorme Schatz an Fotos für meine spätere Arbeit so wertvoll werden würde.

Beobachten: Der erste Schritt war der, diese Fotos zu vergrößern und im Posterformat auszudrucken. So erhielt ich Fotoserien zu zahlreichen für die Entwicklung relevanten Bewegungsabläufen. Anhand der Tausenden von Aufnahmen, die die Kinder in Bewegung zeigen, ließen sich diese Bewegungsabläufe ganz klar und Schritt für Schritt nachvollziehbar machen (vgl. Abbildung 1-1).

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Abbildung 1-1:  Beobachten und beschreiben

Das nächste Unterfangen bestand dann darin, diese statischen Bilder zum Leben zu erwecken, sodass aus ihnen „bewegte Bilder“ wurden. Die umfassenderen Sequenzen mussten in einzelne Elemente untergliedert werden, die sich jeweils auf einen einzigen Bewegungsablauf konzentrieren (vgl. Abbildung 1-2). Dieses Format erlaubt, sich jeweils nur eine Einstellung und ein statisches Element anzu|28|sehen. Statische Aufnahmen lassen einem die Zeit, das, was nun ohne Bewegung zu sehen ist, im Detail anzuschauen. Zeigt man dann das nächste Standbild in der Sequenz und springt auf einem großen Monitor daumenkinomäßig zwischen diesen beiden statischen Fotos hin und her, wird gezielt diejenige Bewegung sichtbar, die beim Wechsel vom einen zum anderen Bild stattfindet, d. h. ein ganz bestimmter Bewegungsablauf. Die Standbilder und die Veränderung zwischen ihnen zu sehen bedeutet, das entscheidende Element des Bewegungsablaufs erkennen zu können.

Abbildung 1-2:  Bewegungssequenzen vergleichen

Es gibt enorm viele Kategorien von Bewegungen, die man bei Kindern in Aktion beobachten kann. Diese allgemeinen grundlegenden Beobachtungen in Worte zu fassen, gibt anderen nützliche Möglichkeiten an die Hand, ihre Beobachtungsgabe zu schulen, um ihre eigenen Entdeckungen machen zu können (Feynman, 1999; Çelil Alexander, 2017). Die Umsetzung besteht darin, Fragen zu stellen, während zunächst einmal nur ein einzelnes Foto betrachtet wird. Dazu werden Kategorien von konkreten Aspekten angegeben, auf die geachtet werden soll; ferner wie darauf geachtet werden soll. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass wir nicht durch unsere gewohnte Brille schauen, und der Fokus wird auf das Bewegungsdetail gelenkt, das es zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entdecken gilt.

Diese Herangehensweise respektiert den heuristischen und vom eigenen Entdecken geprägten Lernansatz, überträgt ihn aber auf einen völlig neuen und anderen Ansatz und eine komplett andere Anwendung.

|29|Die Bewegungssequenz in Abbildung 1-1 ist nicht nummeriert. Haben Sie beim ersten Blick auf die Fotos den Eindruck gehabt, darin eine Ordnung zu sehen? Falls ja, haben Sie diese von oben nach unten beobachtet oder aber von links nach rechts? Achten Sie darauf, was spontan Ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkt.

Die Reihenfolge der Fotos ist von oben nach unten geordnet, beginnend auf der linken Seite und dann weiter nach oben rechts. Es gibt in dieser Sequenz viele Elemente zu beobachten. Am auffälligsten ist die Gesamtbewegung des Kopfes. Der Kopf folgt einer kontinuierlichen (teils pendelnden) bogenartigen Bewegung, ausgehend von einer annähernd vertikalen Position dahin, dass der Kopf seitlich auf dem Boden aufzuliegen scheint.

Das Becken selbst bleibt relativ unverändert. Die Ansicht des Beckens verändert sich im Laufe der Kopfbewegung, bis der Kopf seitlich auf dem Boden zu ruhen kommt

Auf jedem der sieben Fotos kann man sehen, dass die Augen des Kindes kontinuierlich in Bewegung sind. Der rechte Arm sowie die Finger der rechten Hand bleiben während der gesamten Sequenz durchgestreckt. Der andere Arm beginnt gestreckt und knickt dann am Ellbogen ein. Es entsteht eine kontinuierliche Bewegung, bis der Ellbogen am Ende direkt zur Decke zeigt. Ebenfalls die Finger der linken Hand sind zunächst gerade und beugen sich dann kontinuierlich bis zum letzten Foto unten rechts.

Man beachte, dass beide Füße und die Unterschenkel zunächst angewinkelt sind und sich langsam nacheinander durchstrecken und in Richtung Boden absenken.

In Abbildung 1-2 mag es auf den ersten Blick so wirken, als seien die Fotos identisch. Bei näherem Hinsehen und Vergleichen fallen jedoch viele Unterschiede auf.

Betrachten wir die Beine und Füße auf dem Foto links: Beide sind angewinkelt und in unterschiedlichen Positionen sowie in unterschiedlichem Winkel vom Boden angehoben. Auf dem rechten Foto befindet sich das rechte Bein mit nach innen gedrehter Ferse auf dem Boden, und das linke Bein ist am Knie angewinkelt, so dass die Fußsohle bei aufgestelltem Knie in Richtung Decke zeigt. Die Region um das linke Hüftgelenk weist zudem einen viel geraderen Winkel auf als bei dem linken Foto.

Betrachten wir die Position der Arme, Unterarme, Hände und Finger auf dem Foto links: Der rechte Ellbogen befindet sich enger am Rumpf als auf dem rechten Foto. Auf dem Foto links nimmt der linke Ellbogen einen offeneren Winkel ein als auf dem Foto rechts. Auch der Unterarm, die Hände und Finger sind bezogen auf den Boden in unterschiedliche Richtungen gedreht. Auf dem Foto rechts zeigen Unterarm, Daumen und Zeigefinger mehr in Richtung Decke, während sie auf dem linken Foto mehr in Richtung Boden gerichtet sind.

Beschreiben: Ich war völlig begeistert und freute mich schon darauf, die neue Vorgehensweise auszuprobieren. Dann kam jedoch die Riesenüberraschung angesichts der ersten Resultate dieses „Beobachtungsprojekts“: Obwohl ich die Parameter vorgegeben hatte, innerhalb derer die Beobachtungen angestellt werden sollten, waren die Beobachtungen, die von den Teilnehmer:innen rückgemeldet wurden, alle völlig unterschiedlich, obwohl sie exakt die gleichen Bilder vor Augen gehabt hatten (|30|Hanson, 1958; Siegel, 2007