Praktikerhandbuch Umsatzsteuer - Ralf Walkenhorst - E-Book

Praktikerhandbuch Umsatzsteuer E-Book

Ralf Walkenhorst

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Beschreibung

Umsatzsteuer für die Praxis – Grundlagen, Detailfragen, Handlungsempfehlungen. Das Umsatzsteuerrecht unterliegt einem ständigen Wandel. Neue Gesetze sowie die Flut von BFH- und EuGH-Entscheidungen machen es dem Praktiker immer schwerer, sich zurechtzufinden. Dieses grundlegende Handbuch stellt die äußerst komplizierte Thematik aktuell, ausführlich und systematisch in einem Band dar. Es bietet Ihnen einen schnellen Zugang zu konkreten Fragestellungen der Umsatzsteuer. Der Aufbau des Handbuchs orientiert sich am umsatzsteuerlichen Prüfungsschema und ermöglicht Ihnen, sich die Grundlagen systematisch zu erarbeiten. Weiterführende Literaturhinweise, zahlreiche Beispiele und Handlungsempfehlungen unterstützen Sie bei der praktischen Umsetzung. Neu in der 6. Auflage: Rechtsstand 1.1.2016. Neuerungen beim Steuerschuldnerwechsel für Bauleistungen. Ausweitung des § 13b UStG auf die Lieferung von Edelmetallen und unedlen Metallen. Einführung eines besonderen Besteuerungsverfahrens („MOSS“). Neuerungen bei der Ortsvorschrift des § 3a UStG. Inhalt: Einführung. Steuerbarkeit. Steuerbefreiungen. Bemessungsgrundlage. Steuersatz. Entstehung. Rechnung. Vorsteuer. Besteuerungsverfahren. Sonderregelungen.

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Seitenzahl: 1138

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NWB Verlag GmbH & Co. KG, Herne

Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Buch und alle in ihm enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahmen der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages unzulässig.

ISBN: 978-3-482-72733-7

Vorwort

Die Umsatzsteuer ist im Fokus der Öffentlichkeit und dies nicht erst seit der Diskussion um die Steuersatzerhöhung auf 19 % zum 1. 1. 2007. Die Steuerharmonisierung innerhalb der Europäischen Union findet vor allem im Bereich der Umsatzsteuer statt, da insoweit eine allgemeine Grundlage, die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, existiert. Das nationale Umsatzsteuerrecht muss sich immer mehr am EU-Recht ausrichten, was an den zahlreichen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs zur Mehrwertsteuer abgelesen werden kann.

Auch die Betrugsanfälligkeit der Umsatzsteuer, vor allem die sog. Karussellgeschäfte, zwingt den Gesetzgeber zum ständigen Handeln, um die drohenden Steuerausfälle zumindest teilweise zu verhindern.

Das Umsatzsteuerrecht unterliegt einem ständigen Wandel. Neue Gesetze sowie die Flut von BFH- und EuGH-Entscheidungen machen es dem Praktiker immer schwerer, sich im Umsatzsteuerrecht zurechtzufinden. So ist das UStG seit der 5. Auflage des Praktikerhandbuchs Umsatzsteuer durch mehrere Änderungsgesetze, zuletzt durch das Steueränderungsgesetz 2015 vom 2. 11. 2015, BGBl 2015 I S. 1834, an zahlreichen Stellen geändert worden. Die Umsatzsteuer-Richtlinien 2008 sind mit Wirkung ab dem 1. 11. 2010 aufgehoben worden; an die Stelle der Richtlinien ist der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. 10. 2010, BStBl 2010 I S. 846, getreten. Dieser ist bereits wieder an zahlreichen Stellen geändert worden.

Dieses grundlegende Handbuch stellt die äußerst komplizierte Thematik aktuell und ausführlich dar und gibt dem Praktiker präzise Antworten auf alle Fragen rund um das Umsatzsteuerrecht.

Durch das tief gegliederte Inhalts- und das ausführliche Stichwortverzeichnis bietet das Werk dem Praktiker einen schnellen Zugang zu konkreten Fragestellungen der Umsatzsteuer. Gleichzeitig verschafft ihm das Werk die Möglichkeit, sich in einzelne Teilbereiche des Umsatzsteuerrechts detailliert einzuarbeiten oder seine Kenntnisse zu vertiefen. Weiterführende Hinweise ermöglichen eine noch tiefer gehende Literaturrecherche zum gesuchten umsatzsteuerlichen Thema. Zahlreiche Beispiele und Handlungsempfehlungen runden das Werk ab.

Ibbenbüren, im Januar 2016Ralf Walkenhorst

A. Einführung

Literatur:Weber, Der lange Weg zum Ursprungslandprinzip, UR 2003 S. 422; Lohse, 20 Jahre unmittelbar geltende Mehrwertsteuer-Terminologie durch EU-Verordnungen, UR 2012 S. 8; Widmann, Primärrechtliche Defizite der Binnenmarktübergangsregelung, UR 2012 S. 32; Monfort, Hintergrund und Rechtswirkung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011, UR 2012 S. 172; Mellinghoff, Deutsches Umsatzsteuerrecht unter unions- und verfassungsrechtlichem Einfluss, UR 2013 S. 5; Engels, Chancen zur Sicherung des Umsatzsteueraufkommens, UR 2013 S. 188; Kube, Verantwortung für ein prinzipiengeleitetes Umsatzsteuerrecht, UR 2013 S. 489.

1. Geschichtliche Entwicklung

1Die Umsatzsteuer (USt) wurde durch das Umsatzsteuergesetz (UStG) vom 26. 7. 1918 zu einer selbständigen Reichssteuer. Eine grundsätzliche Reform der USt erfolgte durch das UStG vom 29. 5. 1967,1) das mit Wirkung vom 1. 1. 1968 die Allphasen-Nettoumsatzsteuer mit Vorsteuerabzug einführte. Dies bedeutet, dass die Umsatzbesteuerung grundsätzlich auf jeder Wirtschaftsstufe stattfindet. Die nächste wesentliche Änderung des UStG erfolgte durch das UStG 1980 vom 26. 11. 1979,2) mit dem eine Anpassung des deutschen Rechts an die vom Rat der EWG am 17. 5. 1977 erlassene 6. EG-Richtlinie vorgenommen wurde. Die bisher letzte grundlegende Reform des UStG ist durch das USt-Binnenmarktgesetz vom 25. 8. 19923) mit Wirkung ab dem 1. 1. 1993 eingetreten. Die 6. EG-Richtlinie ist durch die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. 11. 20064) neu gefasst worden. Diese sog. Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie ist am 1. 1. 2007 in Kraft getreten.

2Der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister hat am 16. 12. 1991 die Richtlinie 91/680/EWG zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen verabschiedet. Durch diese Richtlinie wurde die 6. EG-Richtlinie vom 17. 5. 1977 zur Harmonisierung der USt umfassend ergänzt. Diese Richtlinie stellt einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Beseitigung der Steuergrenzen und Grenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union (EU) dar. Die in der Richtlinie vom 16. 12. 1991 vorgesehene Regelung musste von den Mitgliedstaaten bis zum 1. 1. 1993 in das jeweilige nationale Recht umgesetzt werden (Art. 28l der 6. EG-Richtlinie). Die Bundesrepublik Deutschland ist dieser Verpflichtung mit dem USt-Binnenmarktgesetz vom 25. 8. 1992, das hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Bestimmungen am 1. 1. 1993 in Kraft trat, nachgekommen.

3Die durch die Richtlinie vom 16. 12. 1991 getroffene Regelung stellt gem. Art. 28l der 6. EG-Richtlinie (nunmehr: Art. 402 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) nur eine Übergangsregelung dar. Eine endgültige Regelung, die eine allumfassende Besteuerung im Ursprungsland, d. h. eine umsatzsteuerliche Behandlung von Lieferungen und sonstigen Leistungen wie Umsätze im Inland, regelt, konnte nicht verabschiedet werden. Die von deutscher Seite vorgeschlagene Regelung, Besteuerung im Ursprungsland mit einem Clearing-Verfahren, wurde von den übrigen Mitgliedstaaten abgelehnt, da sie bezüglich der Ausgleichsmechanismen mit erheblichen Haushaltsrisiken rechneten.

4Nach langwierigen Verhandlungen wurde schließlich mit der Richtlinie vom 16. 12. 1991 eine Einigung erzielt, die im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Unternehmen eine Belastung mit USt im Bestimmungsland herstellt. Da das endgültige Ziel eines einheitlichen Binnenmarktes durch diese Regelung noch nicht erreicht ist, handelt es sich um eine Übergangsregelung, die gem. Art. 28l der 6. EG-Richtlinie auf zunächst 4 Jahre – bis 31. 12. 1996 – befristet war, allerdings mit der Maßgabe, dass sich die Geltungsdauer automatisch bis zum Inkrafttreten der endgültigen Regelung verlängert. Um den Übergangscharakter im UStG deutlich zu machen, sind die entsprechenden Regelungen durch Kleinbuchstaben gekennzeichnet, z. B. §§ 1a, 1b und 6a UStG.

5Das Ursprungslandprinzip ist bisher nur im Bereich des privaten Reiseverkehrs umgesetzt worden. Der private Letztverbraucher kann seit dem 1. 1. 1993 – ohne jede mengen- und wertmäßige Beschränkung – Waren aus einem Mitgliedstaat mit der USt dieses Mitgliedstaates belastet in seinen Wohnsitzmitgliedstaat mitbringen, ohne dass bei Grenzübertritt eine umsatzsteuerliche Erfassung erfolgt.

6Es ist zz. nicht absehbar, wann die Übergangsregelung durch eine endgültige Regelung abgelöst werden wird. Eine endgültige Regelung in absehbarer Zeit wäre nach dem derzeitigen Stand eine große Überraschung. Man wird also noch länger mit der Übergangsregelung leben müssen. Als erster wichtiger Schritt wäre die Angleichung der Steuersätze innerhalb der EU durchzuführen. Die Spannbreite liegt derzeit zwischen 17 % (Luxemburg) und 27 % (Ungarn).

7Der EU gehören zz. folgende Mitgliedstaaten an:

Belgien

Bulgarien (ab 1. 1. 2007)

Dänemark

Deutschland

Estland (ab 1. 5. 2004)

Finnland (ab 1. 1. 1995)

Frankreich

Griechenland

Irland

Italien

Kroatien (ab 1. 7. 2013)

Lettland (ab 1. 5. 2004)

Litauen (ab 1. 5. 2004)

Luxemburg

Malta (ab 1. 5. 2004)

Niederlande

Österreich (ab 1. 1. 1995)

Polen (ab 1. 5. 2004)

Portugal

Rumänien (ab 1. 1. 2007)

Schweden (ab 1. 1. 1995)

Slowakei (ab 1. 5. 2004)

Slowenien (ab 1. 5. 2004)

Spanien

Tschechien (ab 1. 5. 2004)

Ungarn (ab 1. 5. 2004)

Vereinigtes Königreich

Zypern (teilweise) (ab 1. 5. 2004)

Eine detaillierte Auflistung der Mitgliedstaaten enthält Abschn. 1.10 UStAE.

8Zur Erweiterung der EU zum 1. 5. 2004 hat das BMF mit Schreiben vom 28. 4. 20045) Stellung genommen. Zum Beitritt von Bulgarien und Rumänien zum 1. 1. 2007 hat das BMF mit Schreiben vom 26. 1. 20076) Stellung genommen. Zum Beitritt der Republik Kroatien zum 1. 7. 2013 wird auf das BMF-Schreiben vom 28. 6. 20137) hingewiesen.

9Seit dem 1. 1. 1993 ist das UStG durch zahlreiche Änderungsgesetze in mehr oder weniger erheblichem Umfang geändert worden. Die letzten Änderungen erfolgten durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. 3. 1999,8) das Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22. 12. 1999,9) das Steuersenkungsgesetz vom 23. 10. 2000,10) das Steuer-Euroglättungsgesetz vom 19. 12. 2000,11) das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz vom 19. 12. 2001,12) das Steueränderungsgesetz 2001 vom 20. 12. 2001,13) das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen vom 23. 7. 2002,14) das Gesetz zur Neuregelung der Energiestatistik und zur Änderung des Statistikregistergesetzes und des Umsatzsteuergesetzes vom 26. 7. 2002,15) das Gesetz zur Sicherstellung einer Übergangsregelung für dieUmsatzbesteuerung von Alt-Sportanlagen vom 1. 9. 2002,16) das Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen vom 16. 5. 2003,17) das Gesetz zur Förderung von Kleinunternehmern und zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung vom 31. 7. 2003,18) das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 15. 12. 2003,19) das Gesetz zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von Investmentvermögen vom 15. 12. 2003,20) das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. 12. 2003,21) das Gesetz zur Einordnung des Sozialhil­ferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. 12. 2003,22) das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom 29. 12. 2003,23) berichtigt am 13. 1. 2004,24) das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Sicherstellung einer Übergangsregelung für die Umsatzbesteuerung von Alt-Sportanlagen vom 23. 4. 2004,25) das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. 7. 2004,26) das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und der damit zusammenhängenden Steuerhinterziehung vom 23. 7. 2004,27) das Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30. 7. 2004,28) das EG-Amtshilfe-Anpassungsgesetz vom 2. 12. 200429) und das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 9. 12. 2004.30)

10Diese zahlreichen Änderungen führten zur Neufassung des UStG 2005 i. d. F. der Bekanntmachung vom 21. 2. 2005.31) Seitdem ist das UStG bzw. die UStDV durch das Gesetz zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters vom 22. 9. 2005,32) das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. 4. 2006,33) das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. 4. 2006,34) das Haushaltsbegleitgesetz 2006 vom 29. 6. 2006,35) das Erste Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft vom 22. 8. 2006,36) das Jahressteuergesetz 2007 vom 13. 12. 2006,37) das Zweite Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft vom 7. 9. 2007,38) das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10. 10. 2007,39)das Jahressteuergesetz 2008 vom 20. 12. 2007,40) das Jahressteuergesetz 2009 vom 19. 12. 2008,41) das Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens vom 20. 12. 2008,42) das Dritte Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft vom 17. 3. 2009,43) das Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen vom 16. 7. 2009,44) das Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums vom 22. 12. 2009,45) das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 8. 4. 2010,46) das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. 8. 2010,47) die Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen vom 17. 11. 2010,48) das Jahressteuergesetz 2010 vom 8. 12. 2010,49) das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. 3. 2011,50) das Gesetz zur bestätigenden Regelung verschiedener steuerlicher und verkehrsrechtlicher Vorschriften des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 5. 4. 2011,51) das Sechste Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 16. 6. 2011,52) das Gesetz zur Anpassung der Rechtsgrundlagen für die Fortentwicklung des Emissionshandels vom 21. 7. 2011,53) das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. 11. 2011,54) die Zweite Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen vom 2. 12. 2011,55) das Dritte Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 6. 12. 2011,56) das Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 7. 12. 2011,57) das Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und von steuerlichen Vorschriften vom 8. 5. 2012,58) die Verordnung zum Erlass und zur Änderung steuerlicher Verordnungen vom 11. 12. 2012,59) die Elfte Verordnung zur Änderung der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung vom 25. 3. 201360), das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 26. 6. 201361), das Gesetz zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz vom 18. 12. 201362), das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. 7. 2014,63) die Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen und weiterer Vorschriften vom 22. 12. 2014,64) das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22. 12. 2014,65) und das Steueränderungsgesetz 2015 vom 2. 11. 201566) geändert worden.

2. Rechtsgrundlagen

11Rechtsgrundlagen für die USt sind das UStG und die UStDV. Die Verwaltung ist darüber hinaus noch an den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE), der mit Wirkung ab dem 1. 11. 2010 die Umsatzsteuerrichtlinien 2008 ersetzt hat, sowie an die Schreiben des BMF, die Erlasse der jeweiligen Finanzministerien der Länder und die Verfügungen der Oberfinanzdirektionen gebunden.

3. Einordnung in das Steuersystem

12Die USt ist

eine Sach- oder Objektsteuer; d. h. persönliche Verhältnisse werden nicht berücksichtigt,
eine Verkehrsteuer, da wirtschaftliche Verkehrsvorgänge (Umsätze) besteuert werden,
eine indirekte Steuer, da Steuerschuldner (Unternehmer) und Steuerträger (Endverbraucher) verschiedene Personen sind,
eine Veranlagungssteuer, da sie nach dem Prinzip der Selbstberechnung durch den Unternehmer (Steueranmeldung) erhoben wird,
eine periodische Steuer, da sie auf der Basis eines jährlichen Besteuerungszeitraums erhoben wird,
eine Gemeinschaftssteuer, da das Aufkommen zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden verteilt wird. Zum Ausgleich der seit dem 1. 1. 1998 weggefallenen Gewerbekapitalsteuer erhalten auch die Gemeinden einen Anteil an der USt.

13Die USt ist eine Netto-Allphasen-USt mit Vorsteuerabzug; d. h. die Besteuerung findet grundsätzlich auf jeder Wirtschaftsstufe statt.

Beispiele:1) Unternehmer U1 stellt eine Ware in seinem Unternehmen her; Vorsteuerbeträge sind hierfür nicht angefallen. Die Ware wird für 1 000 € zzgl. 190 € USt an den Unternehmer U2 veräußert. U2 veräußert die Ware für 2 000 € zzgl. 380 € an den Unternehmer U3. U3 veräußert die Ware für 3 000 € zzgl. 570 € USt an den Privatmann P. Es ist davon auszugehen, dass sämtliche Rechnungen ordnungsgemäß sind.
U1 muss aus dem Verkauf der Ware an U2 eine USt-Zahllast i. H. v. 190 € an das Finanzamt abführen.
U2 schuldet aus dem Verkauf der Ware an U3 eine USt i. H. v. 380 €. Da U2 ein Vorsteuerabzug i. H. v. 190 € zusteht, ergibt sich eine Zahllast von insgesamt 190 €.
U3 schuldet aus dem Verkauf der Ware an P eine USt i. H. v. 570 €. Da U3 ein Vorsteuerabzug von 380 € zusteht, ergibt sich eine Zahllast von insgesamt 190 €.
P ist wirtschaftlicher Träger der USt i. H. v. 570 €.
2) Wie hoch ist die Steuereinnahme des Staates, wenn die Ware bei U3 vernichtet wird?
Bei Vernichtung der Ware bei U3 ergeben sich für U1 und U2 keine Änderungen; d. h. U1 hat eine USt-Zahllast von 190 € und U2 hat ebenfalls unter Berücksichtigung der Vorsteuer eine Zahllast i. H. v. 190 €.
U3 schuldet keine USt, da es nicht zu einem Verkauf der Ware kommt. U3 steht allerdings ein Vorsteueranspruch i. H. v. 380 € aus der Rechnung des U2 zu. Folglich hat U3 einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt i. H. v. 380 €.
Aus der Sicht des Staates ergibt sich zusammengefasst eine Steuereinnahme von 0 €.

4. Zuständigkeit

14Nach Art. 105 Abs. 2 GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung für die USt, da dem Bund das Aufkommen an der USt zum Teil zusteht und eine bundesgesetzliche Regelung der USt zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich ist.

15Die USt wird von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes gem. Art. 108 Abs. 3 GG verwaltet. Sachlich zuständig für die Verwaltung der USt sind die Finanzämter als örtliche Landesbehörden; die Verwaltung der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) obliegt den Hauptzollämtern als örtliche Bundesbehörden.

16Die örtliche Zuständigkeit, also die Frage, welches Finanzamt zuständig ist, richtet sich nach den Vorschriften der AO. § 21 Abs. 1 Satz 1 AO bestimmt, dass für die USt mit Ausnahme der EUSt grundsätzlich das Finanzamt zuständig ist, von dessen Bezirk aus der Unternehmer sein Unternehmen im Geltungsbereich des Gesetzes ganz oder vorwiegend betreibt.

Beispiel: A ist selbständiger Steuerberater mit Wohnsitz in Ibbenbüren. A betreibt im Bezirk des Finanzamts Münster-Innenstadt seine Steuerberatungspraxis.
Zuständig für die USt des A ist das Finanzamt Münster-Innenstadt, da A von dessen Bezirk aus sein Unternehmen betreibt (§ 21 Abs. 1 Satz 1 AO).

17Abweichend von diesem Grundsatz kann das BMF gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 AO zur Sicherstellung der Besteuerung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für Unternehmer, die Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs der AO haben, die örtliche Zuständigkeit einem Finanzamt für den Geltungsbereich des Gesetzes übertragen. Von dieser Ermächtigung ist durch Erlass der USt-Zuständigkeits-VO vom 21. 2. 199567) Gebrauch gemacht worden. Die Verordnung ist am 1. 3. 1995 in Kraft getreten und bestimmt für die im § 1 der VO aufgeführten Länder jeweils ein bestimmtes Finanzamt, das für die USt der Unternehmer zuständig ist, die ihr Unternehmen von diesem Staat aus betreiben. Bei den aufgeführten Staaten handelt es sich sowohl um EU-Staaten als auch um Staaten außerhalb der EU. Die Auflistung ist im Rahmen der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Umsatzsteuer im Ausland ansässiger Unternehmer vom 22. 5. 199668) erweitert worden. Weitere Änderungen erfolgten im Rahmen des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 22. 12. 1999,69) des Gesetzes zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe vom 30. 8. 2001,70) des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20. 12. 2001,71) des Steuervergünstigungsabbaugesetzes vom 16. 5. 2003,72) des Gesetzes zur Neuorganisation der Bundesfinanzver­waltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters vom 22. 9. 2005,73) des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. 12. 2006,74) des Gesetzes zur Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers der Finanzen und zur Änderung des Münzgesetzes vom 8. 5. 2008,75) des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8. 12. 2010,76) des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. 7. 201477) und der Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen und weiterer Vorschriften vom 22. 12. 2014.78) Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die zentrale Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AO bereits dann eingreifen, wenn auch nur ein Anknüpfungspunkt der Kriterien Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland gegeben ist.79)

Beispiele: Zuständig für die im Königreich der Niederlande ansässigen Unternehmer ist das Finanzamt Kleve.
Zuständig für die in der Französischen Republik ansässigen Unternehmer ist das Finanzamt Offenburg.

18Die Verordnung schließt jedoch die Anwendung des § 27 AO nicht aus. Sollten daher betroffene Unternehmer, für deren Besteuerung vor dem 1. 3. 1995 bereits ein Finanzamt im Inland zuständig war, den Antrag stellen, die Zuständigkeit auf ein anderes als das in der Verordnung festgelegte Finanzamt zu übertragen, kann eine entsprechende Zuständigkeitsvereinbarung getroffen werden, wenn beide Finanzämter zustimmen.

19Für die USt von Personen, die keine Unternehmer sind, ist das Finanzamt zuständig, das auch für die Besteuerung nach dem Einkommen zuständig ist; in den Fällen des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist das Finanzamt für die USt zuständig, das auch für die gesonderte Feststellung zuständig ist (§ 21 Abs. 2 AO).

Beispiel: Der Angestellte A mit Wohnsitz in Recklinghausen erwirbt von dem französischen Pkw-Händler F in Paris ein neues Fahrzeug der Marke Renault.
A muss den Erwerb des neuen Fahrzeugs in Deutschland der Besteuerung unterwerfen. Zuständig für die USt des A ist das Finanzamt Recklinghausen, da A kein Unternehmer ist und für die Besteuerung nach dem Einkommen das Finanzamt Recklinghausen gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 AO örtlich zuständig ist.

5. Prüfungsschema

20Bei der USt ist folgendes Prüfungsschema einzuhalten:

Steuerbarkeit (§ 1 UStG)
Steuerfreiheit/Steuerpflicht (§§ 4, 4b, 5 UStG)
Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25, 25a UStG)
Steuersatz (§ 12 UStG)
Sondertatbestände (z. B. § 14c UStG)
Entstehung (§§ 13, 13b, 18b UStG)
Vorsteuerabzug (§ 15 UStG)
Vorsteuerberichtigung (§ 15a UStG)

21–30 (Einstweilen frei)

B. Steuerbarkeit

Literatur:Boettger, UStB 2001 S. 182; Grawe, UStB 2001 S. 343; Robisch, UVR 2001 S. 279; Haase, UStB 2002 S. 297; Lange, UR 2002 S. 489; Nieskens, UR 2002 S. 345; Raudszus, UStB 2002 S. 289; Strunk/Käbisch, UR 2002 S. 163; Mende, NWB F. 7 S. 6339; Rondorf, NWB F. 7 S. 5391 ff.; Leibner/Pump, UStB 2003 S. 23; Hundt-Eßwein, UStB 2003 S. 341; Müller-Lee, UStB 2003 S. 238; Pump, UStB 2003 S. 15; Sikorski, UStB 2003 S. 119; Tiedtke, UR 2003 S. 129; Weimann, UVR 2003 S. 225; Widmann, UStB 2003 S. 302; Winter, UStB 2003 S. 213; Vellen, UR 2003 S. 53; Schlecker/Scholz, NWB F. 7 S. 6109; Jungbluth/Keisinger, NWB F. 7 S. 5505; Dose/Jansen, UStB 2004 S. 322; Herbert, UR 2004 S. 506; Lickteig, UR 2004 S. 454; Robisch, UStB 2004 S. 57; Schrader, NWB F. 7 S. 6547; Braun, NWB F. 7 S. 6477; Schleder, NWB F. 7 S. 8381; Wäger, UStB 2004 S. 424; Sobotta, NWB F. 7 S. 6533; Sikorski, NWB F. 7 S. 5279; Damas, UR 2005 S. 303; Hundt-Eßwein, UStB 2005 S. 205; Müller-Lee, UStB 2005 S. 312; Storg, UR 2005 S. 142; Streit, UStB 2005 S. 383; Vellen, UR 2005 S. 133; Birkenfeld, UR 2006 S. 80; Hölzle, DStR 2006 S. 1210; Stapperfend, UR 2006 S. 112; Streit, UStB 2006 S. 195; Küffner/Zugmaier, EU-UStB 2007 S. 7; Streit, UStB 2007 S. 46; Forster, UStB 2007 S. 353; Hahne, UR 2007, S. 677; Schreib, UR 2007 S. 437; Thoma, UStB 2007 S. 133; Mende, NWB F. 7 S. 6339; Rondorf, NWB F. 7 S. 5391; Rondorf, NWB F. 7 S. 7077; Dorau/Heidler, UR 2008 S. 793; Flückiger, UR 2008 S. 799; Tiedtke, UR 2008 S. 373; Birkenfeld, UR 2008 S. 2; Scholz/Nattkämper, UR 2008 S. 716; Nieskens, UR 2008 S. 677; Klein, UR 2008 S. 133; Wäger, UR 2008 S. 69; Tehler, UVR 2008 S. 57; Hundt-Eßwein, UStB 2008 S. 285; Sterzinger, UR 2009 S. 37; Connemann, UStB 2009 S. 15; Lange, UR 2009 S. 289; Becker/Englisch, UR 2009 S. 701; Ammann, UVR 2010 S. 144; Jacobs, NWB 32/2011 S. 2700; Reiß, UR 2011 S. 729; Hättich/Renz, NWB 1/2012 S. 33; Zölch, UR 2012 S. 387; Ismer/Endres, UR 2012 S. 897; von Streit, UR 2012 S. 904; Nosky, UR 2013 S. 605; Jansen, UR 2013 S. 693; Michelutti/Wohlfahrt, NWB 41/2013 S. 3215; Birkenfeld, UR 2014 S. 120; Sterzinger, UR 2014 S. 133; Rondorf, NWB 12/2014 S. 842; Heuser, BBK 4/2014 S. 197; Hammerl/Fietz, NWB 21/2014 S. 1564; Grambeck, NWB 43/2014 S. 3230; Becker, NWB 44/2014 S. 3308; Ehrke-Rabel/von Streit, UR 2015 S. 249; Weber, NWB 33/2015 S. 2422; Kemper, UR 2015 S. 649; Sterzinger, UR 2015 S. 655; Forster/Körner, UR 2015 S. 822.

I. Allgemeines

31Steuergegenstand der USt ist gem. § 1 Abs. 1 UStG der steuerbare Umsatz. Nur die im § 1 Abs. 1 UStG abschließend aufgeführten Umsätze sind steuerbar; es liegt eine enumerative Aufzählung vor. Es handelt sich um folgende Umsätze:

Lieferungen und sonstige Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG),
Einfuhr von Gegenständen im Inland (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG),
innergemeinschaftlicher Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG).

32Die Nummern 2 (Eigenverbrauch) und 3 (unentgeltliche Leistungen von Personenvereinigungen an ihre Mitglieder) des § 1 Abs. 1 UStG sind im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 mit Wirkung ab dem 1. 4. 1999 aufgehoben worden. Damit wurde eine Anpassung an die 6. EG-Richtlinie (nunmehr Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie – MwStSystRL) vorgenommen. Die bisher erfassten Umsätze werden teilweise den Lieferungen (§ 3 Abs. 1b UStG), teilweise den sonstigen Leistungen (§ 3 Abs. 9a UStG) gleichgestellt und teilweise wird ein Vorsteuerabzug versagt (§ 15 Abs. 1a UStG).

II. Steuerbarkeit gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG

1. Voraussetzungen

33Der USt unterliegen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

34Tatbestandsmerkmale für einen steuerbaren Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG sind:

Lieferungen und sonstige Leistungen,
Unternehmer,
im Rahmen des Unternehmens,
im Inland,
gegen Entgelt.

35Nur wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, ist der Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar. Ist nur ein Tatbestandsmerkmal nicht gegeben, ist der Umsatz nicht steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG.

2. Lieferung und sonstige Leistung

2.1 Lieferung

2.1.1 Begriff

36Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Oberbegriff für die Lieferung i. S. des § 3 Abs. 1 UStG und die sonstige Leistung i. S. des § 3 Abs. 9 UStG ist die Leistung. Eine Leistung setzt regelmäßig ein willensgesteuertes Verhalten des Unternehmers voraus. Der Leistende muss immer ein Unternehmer sein bzw. in den Fällen des Fahrzeuglieferers gem. § 2a UStG wie ein Unternehmer behandelt werden. Der Leistungsempfänger hingegen kann Unternehmer oder Nichtunternehmer sein.

37Der Begriff der Lieferung i. S. des UStG stimmt nicht mit dem allgemeinen Sprachgebrauch überein. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Lieferung i. S. von „Auslieferung" gebraucht. Die Auslieferung muss nicht zwingend mit der umsatzsteuerlichen Lieferung identisch sein.

38Eine Lieferung liegt vor, wenn die Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft wird. Voraussetzungen der Lieferung sind somit:

Gegenstand,
Verschaffung der Verfügungsmacht.

2.1.2 Liefergegenstand

39Es können nur Gegenstände geliefert werden. Der umsatzsteuerrechtliche Begriff des Gegenstandes ist enger gefasst als der zivilrechtliche Gegenstandsbegriff. Das Zivilrecht verwendet den Gegenstandsbegriff als Oberbegriff für körperliche Gegenstände (= Sachen gem. § 90 BGB) und nichtkörperliche Gegenstände. Zu den nichtkörperlichen Gegenständen gehören die Rechte, wie beispielsweise Geldforderungen, Patente, Eigentum und Besitz. Gegenstände i. S. des UStG sind hingegen körperliche Gegenstände (Sachen gem. § 90 BGB, Tiere gem. § 90a BGB), Sachgesamtheiten und solche Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsverkehr wie körperliche Sachen behandelt werden.1)Rechte sind demzufolge umsatzsteuerrechtlich keine Gegenstände. Die Übertragung eines Rechts ist keine Lieferung, sondern ggf. eine sonstige Leistung.2) Auch die Übertragung von Wertpapieren und Anteilen stellt eine sonstige Leistung dar.3)

40Körperliche Gegenstände sind Sachen i. S. des § 90 BGB und Tiere i. S. des § 90a BGB. Hierbei kann es sich sowohl um bewegliche als auch um unbewegliche Sachen, wie z. B. Grundstücke, handeln. Als Liefergegenstand kommen Gebäu­de, wirtschaftlich abgrenzbare Teile eines Gebäudes und auch andere wesentliche Bestandteile eines Grundstücks in Betracht, sofern sie wirtschaftlich selbständig und verkehrsfähig sind.4) Zu den umsatzsteuerlichen Fragen bei der Errichtung von Gebäuden auf fremdem Boden hat das BMF mit Schreiben vom 23. 7. 19865) ausführlich Stellung genommen.

41Sachgesamtheiten können Gegenstand der Lieferung sein. Eine Sachgesamtheit stellt die Zusammenfassung mehrerer selbständiger Gegenstände zu einem einheitlichen Ganzen dar, das wirtschaftlich als ein anderes Verkehrsgut angesehen wird als die Summe der einzelnen Gegenstände.6) Beispiele für solche Sachgesamtheiten sind z. B. der Betrieb, die Briefmarken- oder Münzsammlung, der Blumenstrauß, die Stereoanlage.

42Auch bestimmte nichtkörperliche Gegenstände können Gegenstand einer Lieferung i. S. des UStG sein. Hierbei muss es sich um solche Wirtschaftsgüter handeln, die zwar nicht körperlich sind, im Wirtschaftsleben aber wie körperliche Sachen behandelt werden. Dies gilt z. B. für Elektrizität, Wärme und Wasserkraft.7) Nicht mehr hierzu gehören der Firmenwert und der Kundenstamm; insoweit sind sonstige Leistungen anzunehmen.8) Unter Firmenwert ist sowohl der Geschäftswert als auch der Praxiswert zu verstehen. Rechte und Forderungen werden grundsätzlich nicht geliefert, sondern im Wege der sonstigen Leistung übertragen.9) Dies gilt auch für Wertpapiere und Anteile.10)

43§ 3 Abs. 5 UStG stellt klar, dass in den Fällen, in denen der Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstandes entstehen, zurückzugeben hat, sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstandes an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben, beschränkt. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer anstelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

2.1.3 Verschaffung der Verfügungsmacht

44Eine Lieferung setzt zwingend die Verschaffung der Verfügungsmacht voraus. Die Verschaffung der Verfügungsmacht beinhaltet den von den Beteiligten endgültiggewollten Übergang von wirtschaftlicher Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstandes vom Leistenden auf den Leistungsempfänger. Der Abnehmer muss faktisch in der Lage sein, mit dem Gegenstand nach Belieben zu verfahren, insbesondere ihn wie ein Eigentümer zu nutzen und veräußern zu können.11) Verfügungsmacht ist also dann verschafft, wenn dem Leistungsempfänger wirtschaftlich die Substanz, der Wert und der Ertrag des Gegenstandes zugeflossen ist; d. h., der Leistungsempfänger die Sachherrschaft über den Gegenstand erlangt hat. Nicht entscheidungserheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Leistungsempfänger von der erlangten Verfügungsmacht tatsächlich Gebrauch macht.

45Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist in aller Regel mit dem Übergang des bürgerlich-rechtlichen Eigentums verbunden. Das Zivilrecht regelt den Eigentumsübergang in den §§ 925, 929 ff. BGB. Hiernach sind folgende Übertragungen möglich:

Bei beweglichen Sachen erfolgt die Eigentumsübertragung grundsätzlich durch Einigung und Übergabe (§ 929 Satz 1 BGB).
Ist der Erwerber bereits im Besitz der Sache, genügt die Einigung (§ 929 Satz 2 BGB).
Übereignung durch Einigung und Abschluss eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 930 BGB).
Eigentumsübertragung durch Einigung und Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB).
Eigentumsübertragung durch Übergabe eines Traditionspapieres.
Das Eigentum an Grundstücken wird durch Einigung (Auflassung) und die Eintragung im Grundbuch übertragen (§§ 873, 925 ff. BGB). Die Lieferung i. S. des UStG ist nicht erst im Zeitpunkt der Grundbucheintragung, sondern bereits mit dem Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Lasten ausgeführt.

46Diese Verbindung von bürgerlich-rechtlichem Eigentumsübergang und der Verschaffung der Verfügungsmacht ist aber nicht zwingend.12) Das Umsatzsteuerrecht knüpft an wirtschaftliche Vorgänge an, so dass die Verschaffung wirtschaftlichen Eigentums i. S. des § 39 Abs. 2 AO ausreichend ist. Die Lieferung eines Gegenstandes setzt die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag voraus. Die Verfügungsmacht an einem Mietwohngrundstück ist mangels Ertragsübergangs nicht verschafft, solange der Lieferer dieses aufgrund seines Eigentums wie bislang für Vermietungsumsätze verwendet.13)

Beispiel: Der Dieb A veräußert die von ihm gestohlenen Gegenstände an einen Hehler, der diese an Dritte weiterverkauft.
Sowohl der Dieb als auch der Hehler führen Lieferungen i. S. des § 3 Abs. 1 UStG aus, da sie die Verfügungsmacht an den gestohlenen Gegenständen verschaffen. Ein zivilrechtlicher Eigentumsübergang ist nicht gegeben, da weder der Dieb noch der Hehler jemals zivilrechtlicher Eigentümer der gestohlenen Gegenstände gewesen ist.

47Bei einer Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt behält sich der Veräußerer das Eigentum vor bis zur Zahlung des gesamten Kaufpreises, d. h., das zivilrechtliche Eigentum geht erst im Zeitpunkt der endgültigen Zahlung über. Die Lieferung i. S. des UStG ist indessen bereits mit Übergabe des Gegenstandes ausgeführt; denn der Käufer kann ab diesem Zeitpunkt über den Gegenstand tatsächlich verfügen.

48An einem zur Sicherheit übereigneten Gegenstand wird durch die Übertragung des Eigentums noch keine Verfügungsmacht verschafft.14) Der Sicherungsnehmer kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht über den Sicherungsgegenstand tatsächlich verfügen. Bei der Sicherungsübereignung erlangt der Sicherungsnehmer erst zu dem Zeitpunkt, in dem er von seinem Verwertungsrecht Gebrauch macht, auch die Verfügungsmacht über das Sicherungsgut. Die Verwertung der zur Sicherheit übereigneten Gegenstände führt zu zwei Umsätzen, und zwar zu einer Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer und zu einer Lieferung des Sicherungsnehmers an den Erwerber.15) Es kann sogar zu einem Dreifachumsatz kommen.16) Hierzu hat das BMF mit Schreiben vom 30. 11. 200617) Stellung genommen. Veräußert der Sicherungsgeber das Sicherungsgut an einen Dritten, liegt ein Dreifachumsatz (Veräußerung für Rechnung des Sicherungsnehmers) erst vor, wenn aufgrund der konkreten Sicherungsabrede oder aufgrund einer hiervon abweichenden Vereinbarung die Verwertungsreife eingetreten ist.18)

49Die Verschaffung der Verfügungsmacht setzt auf der Seite des Leistenden einen Willen zur Leistung voraus. Aus diesem Grunde erbringt z. B. der Bestohlene keine Lieferung an den Dieb, da der Bestohlene keinen Lieferwillen hat. Der Diebstahl von Waren stellt keine „Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt" i. S. von Art. 2 der 6. EG-Richtlinie (nunmehr Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL) dar und kann daher nicht als solcher der Mehrwertsteuer unterliegen.19)

2.1.4 Sonderfälle

2.1.4.1 Kommissionsgeschäft

50Nach § 383 HGB versteht man unter einem „Kommissionär" denjenigen, der es gewerbsmäßig übernimmt, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) in eigenem Namen zu kaufen oder zu verkaufen. Der Kommissionär ist an die Weisungen des Kommittenten gebunden. Der Kommissionär hat gegenüber dem Kommittenten einen Anspruch auf Provision und Aufwendungsersatz. Bei einem derartigen Kommissionsgeschäft liegt gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 UStG zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor.

51Es ist zwischen der Verkaufskommission und der Einkaufskommission zu differenzieren:

Bei der Verkaufskommission liefert der Kommissionär im Auftrag des Kommittenten den Gegenstand an einen Dritten. Gleichzeitig mit der Lieferung an den Dritten kommt eine Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär zustande.20) Gelangt das Kommissionsgut bei der Zurverfügungstellung an den Kommissionär allerdings im Wege des innergemeinschaftlichen Verbringens vom Ausgangs- in den Bestimmungsmitgliedstaat kann die Lieferung bereits zu diesem Zeitpunkt als erbracht angesehen werden.21)

Bei der Einkaufskommission liefert ein Dritter an den Kommissionär und dieser seinerseits an den Kommittenten. Die Lieferung des Kommissionärs an den Kommittenten kann bereits nach dem Erwerb der Ware und vor ihrer Versendung an den Kommittenten erfolgen. Voraussetzung ist, dass dem Kommittenten die Verfügungsmacht an dem Kommissionsgut verschafft worden ist. Das ist der Fall, wenn der Kommittent durch Einigung und Übergabeersatz durch vorweggenommenes Besitzkonstitut Eigentum erlangt hat und dies wirtschaftlich dadurch wahrnimmt, dass er einen Spediteur benennt, die Ware umlagert oder weiterveräußert.

2.1.4.2 Leasinggeschäft

52Werden Gegenstände im Leasingverfahren überlassen, so ist die Übergabe des Leasinggegenstandes durch den Leasinggeber an den Leasingnehmer eine Lieferung, wenn der Leasingnehmer nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung berechtigt ist, wie ein Eigentümer über den Leasinggegenstand zu verfügen. Hiervon kann i. d. R. ausgegangen werden, wenn der Leasinggegenstand einkommensteuerrechtlich dem Leasingnehmer zuzurechnen ist.22) Gegenleistung für die Lieferung des Leasinggebers ist die Summe sämtlicher Leasingraten bis zum Ablauf der voraussichtlichen Nutzungsdauer einschließlich des Kaufpreises bei der Ausübung der Kaufoption oder der Verlängerungsraten.23)

53Unter Beachtung der einkommensteuerrechtlichen Grundsätze ist in folgenden Fällen eine Lieferung anzunehmen:

der Leasinggegenstand ist speziell den Verhältnissen des Leasingnehmers angepasst und nur für ihn sinnvoll verwendbar (Spezialleasing);
die Grundmietzeit und die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer sind annähernd deckungsgleich;
die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer geht zwar erheblich über die Grundmietzeit hinaus, der Leasingnehmer muss aber bei Ausübung der Kauf- oder Verlängerungsoption nur einen wesentlich geringeren Betrag als den üblichen Kaufpreis oder Mietzins zahlen.

54Ist der Leasinggegenstand nicht dem Leasingnehmer zuzurechnen, liegt eine sonstigeLeistung, eine Vermietungsleistung, des Leasinggebers an den Leasingnehmer vor.24)

55Mit Beschluss vom 22. 2. 200125) hat der BFH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob in einem Fall, in dem ein Leasingnehmer das geleaste Auto im Namen und für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen betankt, eine Treibstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vorliegt oder ob die „Weiterlieferung" in der zu besteuernden Dienstleistung des Leasinggebers aufgeht. Der EuGH hat mit Urteil vom 6. 2. 200326) entschieden, dass in einem Fall, in dem ein Leasingnehmer das geleaste Fahrzeug im Namen und für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen betankt, keine Kraftstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vorliegt. Der BFH hat sich mit Urteil vom 10. 4. 200327) dieser Auffassung angeschlossen und entschieden, dass die „Übereinkunft über Kraftstoffverwaltung" kein Vertrag über Kraftstofflieferungen, sondern ein Vertrag über die Finanzierung des Bezugs von Kraftstoff sei. Zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Kraftstofflieferungen im Kfz-Leasingbereich hat das BMF mit Schreiben vom 15. 6. 200428) Stellung genommen.

56Beim „sale-and-lease-back"-Verfahren kann der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an dem Leasinggut durch den Leasingnehmer an den Leasinggeber eine bloße Sicherungs- und Finanzierungsfunktion zukommen mit der Folge, dass weder diese Übertragung noch die Rückübertragung des Eigentums vom Leasinggeber an den Leasingnehmer umsatzsteuerrechtlich als Lieferung zu behandeln ist.29)

Zur Behandlung des Bestelleintritts in Leasingfällen hat das BMF mit Schreiben vom 31. 8. 201530) Stellung genommen.

57Beim Mietkauf ist der Mieter berechtigt, innerhalb einer bestimmten Frist den Gegenstand zu einem vereinbarten Preis unter Anrechnung der bis zur Ausübung der Kaufoption gezahlten Miete zu erwerben. Umsatzsteuerrechtlich verschafft der Vermieter dem Mieter die Verfügungsmacht an dem Mietkaufgegenstand bei dessen Übergabe. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Mieter den Gegenstand wie ein Vorbehaltskäufer beherrscht und er ihm nicht nur wie einem Mieter zum Gebrauch überlassen worden ist.31)

58Zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen, die nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofs dadurch entstehen, dass sich Unternehmer bei Mietkaufverträgen mit hochpreisigen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (z. B. Autokräne) über eine kreative Auslegung des Umsatzsteuerrechts unangemessene finanzielle Vorteile verschaffen, ist im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 200332) die Haftungsvorschrift des § 13d UStG a. F. eingefügt worden. Im Zusammenhang mit offensichtlich „planmäßigen" Insolvenzen kam es zu massiven Steuerausfällen. Bei Zahlungsunfähigkeit des Leistungsempfängers berichtigte der leistende Unternehmer seine Rechnung gegenüber diesem und verminderte entsprechend seine Umsatzsteuerzahllast gegenüber dem Finanzamt. Dagegen erhielt der Fiskus die vom Leistungsempfänger zurückzuzahlenden Vorsteuerbeträge aufgrund dessen Zahlungsunfähigkeit nicht. Diese Steuerausfälle wurden durch die Einführung einer Gesamtschuldnerschaft vermieden.

§ 13d UStG a. F. begründete unter bestimmten Voraussetzungen einen Haftungstatbestand für die Fälle, in denen sich bei einer steuerpflichtigen Lieferung von beweglichen Gegenständen aufgrund eines Mietvertrages oder mietähnlichen Vertrages die Bemessungsgrundlage geändert hatte oder das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden oder die steuerpflichtige Lieferung rückgängig gemacht worden war. Voraussetzung war, dass die steuerpflichtigen Umsätze als Lieferungen anzusehen waren, obwohl ihnen kein Kaufvertrag zugrunde lag. Hierunter fielen auch die Leasinggeschäfte, wenn der Leasinggegenstand einkommensteuerrechtlich dem Leasingnehmer zuzurechnen war. In diesem Fall entstand gegen den Leistungsempfänger ein Steuerrückforderungsanspruch aus der Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs (vgl. § 17 UStG). Der leistende Unternehmer haftete hierfür; allerdings wurde der leistende Unternehmer nachrangig als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Mit der Festsetzung der Haftungsschuld wurde ein Gesamtschuldverhältnis i. S. des § 44 AO begründet. Zuständig für den Haftungsbescheid war das Finanzamt, das für den Leistungsempfänger zuständig war. Ein Ermessen des Finanzamts bestand nicht und auf ein Verschulden kam es ebenfalls nicht an.

Die Haftung des leistenden Unternehmers war der Höhe nach zweifach begrenzt; auf den Betrag der im Fälligkeitszeitpunkt nicht entrichteten Steuer und maximal auf den Vorsteuerberichtigungsbetrag.33)

§ 13d UStG a. F. ist im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. 12. 200734) mit Wirkung ab dem 1. 1. 2008 aufgehoben worden.

2.1.4.3 Treuhandgeschäft

59Bei Treuhandgeschäften ist zu entscheiden, ob der Treugeber dem Treuhänder und der Treuhänder dem Dritten das Treugut liefert oder aber ob der Treuhänder nur eine sonstige Leistung in Form der Geschäftsbesorgung für den Treugeber bewirkt. Entscheidend ist das Auftreten des Treuhänders nach außen. Wenn der Treuhänder gegenüber dem Dritten im eigenen Namen auftritt und nicht im Namen des Treugebers, sind die von ihm ausgeführten Leistungen seine Umsätze; es liegt eine Lieferung des Treugebers an den Treuhänder und eine Lieferung des Treuhänders an den Dritten vor. Tritt der Treuhänder dagegen im Namen des Treugebers auf, werden diese Leistungen dem Treugeber zugerechnet; es liegt eine Lieferung des Treugebers an den Dritten und eine sonstige Leistung des Treuhänders an den Treugeber vor.

2.1.4.4 Zwangsvollstreckung

60In den Fällen der Eigentumsübertragung durch Zwangsvollstreckung liefert der Vollstreckungsschuldner unmittelbar an den Erwerber. Eine Lieferung des Vollstreckungsschuldners an das Land, das die Zwangsvollstreckung durchführt, liegt nicht vor, da das Land keine uneingeschränkte Verfügungsbefugnis, sondern nur eine Verwertungsbefugnis mit der Pflicht der Verteilung des Verwertungserlöses besitzt. Dasselbe gilt bei der freihändigen Veräußerung einer gepfändeten Sache durch den Gerichtsvollzieher. Der im Wege öffentlicher Versteigerung vorgenommene Verkauf eines Pfandes führt zu einer Lieferung des Pfandleihers an den Erwerber.35)

2.1.4.5 Lieferung im Falle der Insolvenz

61Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Gemeinschuldner die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und über dieses zu verfügen. Da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf die Unternehmereigenschaft des Gemeinschuldners keinen Einfluss hat, sind ihm die Umsätze, die vom Insolvenzverwalter getätigt werden, weiterhin zuzurechnen. Es liegen Lieferungen unmittelbar vom Gemeinschuldner an die Erwerber vor. Die Freigabe von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter gegenüber dem Gemeinschuldner stellt keine Lieferung dar, da der Gegenstand bis zu seiner Verwertung in der Verfügungsmacht des Gemeinschuldners bleibt.36)

2.1.5 Verbringen eines Gegenstandes

62Gemäß § 3 Abs. 1a UStG gilt das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, als Lieferung gegen Entgelt. Dies gilt auch, wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer.

63Die Lieferfiktion steht im Zusammenhang mit der Erwerbsfiktion des § 1a Abs. 2 UStG, die das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, als innergemeinschaftlichen Erwerb fingiert.

64Mit Hilfe dieser Lieferungsfiktion und der Steuerbefreiung des § 6a UStG im Ursprungsland und der Fiktion des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland wird sichergestellt, dass die verbrachten Gegenstände mit der Steuer des Bestimmungslandes belastet werden.

Beispiel: Unternehmer A aus Köln transportiert einen Schreibtisch und Handelswaren auf sein Auslieferungslager in Paris.
Dieses Verbringen von einem Unternehmensteil in einen anderen Unternehmensteil innerhalb der Gemeinschaft wird als Lieferung gegen Entgelt und als steuerbarer Umsatz gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG angesehen. Dieser steuerbare Umsatz ist als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. A unterliegt der Erwerbsbesteuerung in Frankreich.

65Ausgenommen von der Lieferungsfiktion ist das Verbringen eines Gegenstandes zu einer nur vorübergehenden Verwendung. Diese Ausnahme gilt spiegelbildlich auch für den innergemeinschaftlichen Erwerb gem. § 1a Abs. 2 UStG. Es ist zu unterscheiden zwischen einer der Art nach vorübergehenden Verwendung und einer befristeten Verwendung.

66Da für diese innergemeinschaftlichen Verbringungen ein Entgelt nicht besteht, wird als Bemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG der Einkaufspreis zuzüglich Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises die Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes, angesetzt.

67Der Lieferer muss dieses Verbringen in seiner USt-Voranmeldung und in seiner Zusammenfassenden Meldung gem. § 18a UStG erklären.

68Als Lieferung gegen Entgelt galt in der Zeit vom 1. 1. 1993 bis 31. 12. 1995 auch eine sonstige Leistung, bei der im Inland aufgrund eines Werkvertrages aus vom Auftraggeber übergebenen Gegenständen ein Gegenstand anderer Funktion hergestellt wurde und dieser zur Verfügung des Auftraggebers in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangte. Der Auftragnehmer galt als Lieferer. Seit dem 1. 1. 1996 werden sämtliche im Inland ausgeführten innergemeinschaftlichen Lohnveredelungen als sonstige Leistungen behandelt und zwar unabhängig davon, ob eine Funktionsänderung vorliegt. Mit dieser Änderung sollten die in der Zeit ab Einführung der Vorschrift aufgetretenen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Lieferung und sonstiger Leistung bei innergemeinschaftlichen Lohnveredelungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten vermieden werden.

2.1.6 Gleichgestellte Lieferungen

2.1.6.1 Entnahme eines Gegenstandes

69Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. 3. 1999 wurde § 3 Abs. 1b UStG mit Wirkung ab dem 1. 4. 1999 in das UStG eingefügt. Danach wird einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt:

die Entnahme eines Gegenstandes durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG);
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UStG);
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG).

70Voraussetzung für die Gleichstellung ist nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG, das der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Wenn bereits bei der Anschaffung des Gegenstands die Verwendung für eine unentgeltliche Wertabgabe feststeht, kommt ein Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 UStG nicht in Betracht.

71§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG ersetzt den zum 1. 4. 1999 weggefallenen Entnahmeeigenverbrauch.

72Eine Entnahme und damit eine Lieferung gegen Entgelt i. S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG liegt vor, wenn ein Unternehmer Gegenstände aus seinem Unternehmen für Zwecke entnimmt, die außerhalb des Unternehmens liegen. Überlässt ein Steuerpflichtiger einen bislang seinem Einzelunternehmen zugeordneten Gegenstand einer sein Unternehmen fortführenden Personengesellschaft, an der er beteiligt ist, unentgeltlich zur Nutzung, so muss er die Entnahme dieses Gegenstands aus seinem Unternehmen nach § 3 Abs. 1b UStG versteuern.37)

73Nur ein Unternehmer i. S. des § 2 UStG kann eine Entnahme tätigen.

74Gegenstände sind körperliche Gegenstände (Sachen gem. § 90 BGB, Tiere gem. § 90a BGB), Sachgesamtheiten und solche Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsverkehr wie körperliche Sachen behandelt werden, z. B. Elektrizität, Wärme und Wasserkraft. Eine Entnahme von Forderungen ist umsatzsteuerrechtlich nicht möglich.

75Die Entnahme eines Gegenstandes aus dem Unternehmen setzt zwingend voraus, dass der Gegenstand zum Unternehmen gehört hat. Entscheidend hierbei ist, ob der Unternehmer den Gegenstand dem unternehmerischen oder dem nichtunternehmerischen Tätigkeitsbereich zugewiesen hat,38) auf die ertragsteuerliche Behandlung kommt es insoweit nicht an. Bei gemischt genutzten Gegenständen obliegt dem Unternehmer die Wahl der Zuordnung. Nach dem Urteil des EuGH vom 4. 10. 199539) ist der Steuerpflichtige für die Frage der Zuordnung eines Gegenstandes zu seinem Unternehmen weitgehend frei. Bezüglich eines Grundstücks hat er z. B. folgende Wahlmöglichkeiten:

Zuordnung des Grundstücks insgesamt zum unternehmensfremden Bereich, auch wenn das Gebäude teilweise unternehmerisch genutzt wird,
Zuordnung des Grundstücks insgesamt zum unternehmerischen Bereich, auch wenn die unternehmerische Nutzung nur geringfügig ist,
Zuordnung des Grundstücks teilweise zum unternehmerischen Bereich und teilweise zum unternehmensfremden Bereich.

76Zu den Auswirkungen dieses Urteils, das auch für bewegliche Gegenstände gilt, hat das BMF mit Schreiben vom 27. 6. 199640) Stellung genommen. Der EuGH hat diese Grundsätze in seinem Urteil vom 8. 3. 200141) wiederholt. Ein Steuerpflichtiger kann ein Investitionsgut, das er sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke erwirbt, in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen und dadurch vollständig dem Mehrwertsteuersystem entzie­hen. Die Behandlung als ertragsteuerlich notwendiges Betriebsvermögen ist kein Indiz für die umsatzsteuerliche Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen.42)

77Zur Frage der Zuordnung zum Unternehmen hat das BMF mit Schreiben vom 30. 3. 200443) Stellung genommen. Danach erfordert die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers bei Anschaffung, Herstellung oder Einlage eines Gegenstands. Gibt es keine Beweisanzeichen für eine Zuordnung des Gegenstands zum Unternehmen, kann diese nicht unterstellt werden.44) Gegebenenfalls ist eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Finanzamt abzugeben. Nach neuerer Rechtsprechung des BFH45) ist diese Erklärung spätestens bis zum 31. 5. des Folgejahres beim Finanzamt einzureichen. Diese Auffassung ist von der Finanzverwaltung übernommen worden.46)

78Entnimmt der Steuerpflichtige einen Pkw, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hatte, vor der Veräußerung seinem Unternehmen, ist es nach Art. 16 MwStSystRL unzulässig, die Entnahme zu besteuern. Wenn der Steuerpflichtige den Pkw dann veräußert, so ist diese Leistung seinem privaten Bereich zuzurechnen; sie unterliegt daher nicht der USt.47)

Beispiel: Unternehmer A nutzt einen Computer zu 80 % für betriebliche Zwecke und zu 20 % für unternehmensfremde Zwecke. A hatte den Computer nicht seinem Unternehmen zugeordnet. Diesen Computer schenkt A seiner Tochter zum Geburtstag.
Obwohl der Computer ertragsteuerlich zum notwendigen Betriebsvermögen gehört, gehört er nicht zum Unternehmensvermögen. A war nicht gezwungen, den Computer seinem Unternehmensvermögen ganz oder teilweise zuzuordnen. Da der Computer nicht zum Unternehmensvermögen gehört, liegt auch kein steuerbarer Umsatz i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG vor.

79Eine Einschränkung der Zuordnung zum Unternehmen ist durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingetreten. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstandes, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt, nicht als für das Unternehmen ausgeführt. Der Rat der EU hat mit Entscheidung vom 13. 5. 200348) die Geltungsdauer dieser Regelung bis zum 30. 6. 2004 verlängert. Eine weitere Verlängerung bis zum 31. 12. 2009 erfolgte durch Ermächtigung des Rates der EU vom 19. 11. 2004.49) Eine nochmalige Verlängerung der Regelung erfolgte durch die Entscheidung 2009/791/EG des Rates vom 20. 10. 200950) und zwar bis zum 31. 12. 2012. Nunmehr ist die Regelung durch die Entscheidung des Rates vom 13. 11. 201251) nochmals verlängert worden und zwar bis zum 31. 12. 2015. Bei Anschaffungen in der Zeit vom 1. 4. 1999 bis 4. 3. 2000, vom 1. 1. 2003 bis 17. 5. 2003 und vom 1. 7. 2004 bis 2. 12. 2004 können sich die Steuerpflichtigen auf die verspätete Veröffentlichung der Genehmigungen berufen und auch solche Gegenstände dem Unternehmen zuordnen, die zu weniger als 10 % unternehmerisch genutzt werden.

Beispiel: Der Unternehmer erwirbt einen Gegenstand, den er zu 95 % unternehmensfremd und zu 5 % unternehmerisch nutzen will. Später schenkt er den Gegenstand seiner Tochter.
Die Lieferung an den Unternehmer gilt nicht als für das Unternehmen ausgeführt; ein Vorsteuerabzug aus der Anschaffung ist gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht möglich. Die Schenkung an die Tochter stellt keine Lieferung i. S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG dar, da kein unternehmerischer Gegenstand vorhanden ist und der Unternehmer im Übrigen auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war.

80Kleinunternehmer i. S. des § 19 Abs. 1 UStG haben ebenfalls die freie Wahl der Zuordnung.

81Der Gegenstand muss aus außerunternehmerischen (unternehmensfremden) Gründen aus dem Unternehmen entnommen werden. Dies ist aus der Sicht des Unternehmers zu beurteilen. Hat die Wertabgabe sowohl unternehmerische als auch unternehmensfremde, nichtunternehmerische Gründe, ist darauf abzustellen, welche Gründe überwiegen.

82Eine Entnahme i. S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG kann nur dann vorliegen, wenn der Vorgang bei entsprechender Ausführung an einen Dritten als Lieferung anzusehen wäre. Dies gilt auch dann, wenn es sich gegenüber einem Dritten um eine Werklieferung handeln würde. Ein Vorgang, der Dritten gegenüber als sonstige Leistung bzw. als Werkleistung zu beurteilen wäre, kann keine Lieferung gem. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG darstellen. In diesen Fällen ist § 3 Abs. 9a UStG zu prüfen. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistunggilt auch für diese Leistungen.52) Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung besagt, dass ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang umsatzsteuerrechtlich nicht in mehrere Leistungen aufgeteilt werden darf.53)

83Der BFH hat mit Beschluss vom 29. 8. 199154) unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 27. 6. 198955) entschieden, dass Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie die Besteuerung der Entnahme eines Betriebsgegenstandes zu privaten Zwecken ausschließt, wenn dieser Gegenstand nicht zu einem vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, und dass sich ein Steuerpflichtiger auf dieses Besteuerungsverbot berufen kann. Mit Beschluss vom 17. 12. 199256) hat der BFH an dieser Auffassung festgehalten. Diese Grundsätze sind durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 mit Wirkung ab dem 1. 4. 1999 in das UStG übernommen worden. Nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG steht eine Entnahme einer Lieferung gegen Entgelt nur dann gleich, wenn der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

84Nach Abschn. 3.3 Abs. 2 Satz 3 UStAE gelten als Bestandteile alle diejenigen gelieferten Gegenstände, die aufgrund ihres Einbaus ihre körperliche und wirtschaftliche Eigenart endgültig verloren haben und die ferner zu einer dauerhaften, im Zeitpunkt der Entnahme nicht vollständig verbrauchten Werterhöhung des Gegenstandes geführt haben (z. B. eine nachträglich in einen Pkw eingebaute Klimaanlage). Nicht zu einem Bestandteil führen Aufwendungen für den Gebrauch und die Erhaltung des Gegenstandes, die ertragsteuerrechtlich sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand darstellen (z. B. Aufwendungen für Reparatur-, Ersatz- oder Verschleißteile). Dienstleistungen (sonstige Leistungen) einschließlich derjenigen, für die zusätzlich kleinere Lieferungen von Gegenständen erforderlich sind (z. B. Karosserie- und Lackarbeiten an einem Pkw), führen nicht zu „Bestandteilen" des Gegenstandes.57)

85Aus Vereinfachungsgründen wird keine dauerhafte Werterhöhung des Wirtschaftsgutes angenommen, wenn die vorsteuerentlasteten Aufwendungen für den Einbau von Bestandteilen weder 20 % der Anschaffungskosten des Gegenstandes noch einen Betrag von 1 000 € übersteigen. In diesen Fällen kann auf eine Besteuerung der Bestandteile nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 UStG bei der Entnahme eines dem Unternehmen zugeordneten Wirtschafts­gutes, das der Unternehmer ohne Berechtigung zum Vorsteuerabzug erworben hat, verzichtet werden.58) Auf die Regelung des § 15a Abs. 3 Satz 3 UStG wird hingewiesen.

86Falls an dem Pkw nach seiner Anschaffung Arbeiten ausgeführt worden sind, die zum Einbau von Bestandteilen geführt haben und für die der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt war, unterliegen bei einer Entnahme des Pkw nur diese Bestandteile der Umsatzbesteuerung.59)

Beispiel: Der Unternehmer A mit Sitz in Dortmund erwirbt aus privater Hand einen gebrauchten Pkw für 5 000 €. Der Pkw wird zulässigerweise seinem Unternehmen zugeordnet. A lässt eine Inspektion (einschließlich einer Wagenwäsche) ausführen sowie die Kupplung und Bremsbeläge erneuern. Das Entgelt hierfür beträgt 1 500 €. Später entnimmt A den Pkw in sein Privatvermögen.
Die Entnahme unterliegt nicht der USt. Ein Vorsteuerabzug war für den Pkw selbst nicht möglich. Die Aufwendungen für Verbesserungen, Reparaturen und Wartungsarbeiten (1 500 €) führen nicht zur Annahme eines Bestandteils. Der Umsatz ist nicht steuerbar.

87Wird ein dem Unternehmen dienender Gegenstand während der Dauer einer unternehmensfremden Verwendung aufgrund äußerer Einwirkung zerstört, so liegt keine Entnahme eines Gegenstandes aus dem Unternehmen vor. Dies gilt z. B. dann, wenn ein betrieblicher Pkw auf einer Privatfahrt einen Totalschaden erleidet. Das Schadensereignis fällt in den Vorgang der unternehmensfremden Verwendung und beendet diese wegen Untergangs der Sache. Eine Entnahmehandlung ist in Bezug auf den unzerstörten Gegenstand nicht mehr möglich.60)

88Bei einem Rohbauunternehmer, der für eigene Wohnzwecke ein schlüsselfertiges Haus mit Mitteln des Unternehmens errichtet, ist Gegenstand der Entnahme das schlüsselfertige Haus, nicht lediglich der Rohbau. Entscheidend ist nicht, was der Unternehmer i. d. R. im Rahmen seines Unternehmens herstellt, sondern was im konkreten Fall Gegenstand der Wertabgabe des Unternehmens ist.61) Wird ein Einfamilienhaus für unternehmensfremde Zwecke auf einem zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstück errichtet, überführt der Bauunternehmer das Grundstück in aller Regel spätestens im Zeitpunkt des Baubeginns in sein Privatvermögen. Dieser Vorgang ist unter den Vorausset­zungen des § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG eine steuerfreie Lieferung i. S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG.62)

89Die unentgeltliche Übertragung eines Betriebsgrundstücks durch einen Unternehmer auf seine Tochter unter Anrechnung auf ihren Erb- und Pflichtteil steht einer Lieferung gegen Entgelt gleich, auch wenn das Grundstück aufgrund eines mit der Tochter geschlossenen Pachtvertrages weiterhin für die Zwecke des Unternehmens verwendet wird und die Tochter als Nachfolgerin des Unternehmers nach dessen Tod vorgesehen ist.63)

90Überträgt ein Unternehmer ein Betriebsgrundstück entgeltlich zur Hälfte auf seinen Ehegatten und verwendet er das Grundstück aufgrund eines mit dem Ehegatten geschlossenen Pachtvertrages weiterhin für Zwecke des Unternehmens, so liegt hinsichtlich des dem Unternehmer verbleibenden Miteigentumsanteils keine Entnahme vor.64)

91Der Ort der einer Lieferung gleichgestellten Entnahme ist dort, wo der Unternehmer sein Unternehmen betreibt.65)

Beispiel: Textilunternehmer A mit Sitz in Berlin unternimmt eine Verkaufsfahrt nach Norwegen. In Norwegen entschließt er sich, seinen dort lebenden Bruder zu besuchen und ihm einen noch vorhandenen Anzug zu schenken.
A erbringt eine Lieferung gegen Entgelt i. S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG; denn er entnimmt einen Gegenstand (Anzug) aus seinem Unternehmen für unternehmensfremde, private Zwecke. Ort der Lieferung ist gem. § 3f Satz 1 UStG Berlin. Der Umsatz ist steuerbar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG.

92Zur Frage der Bemessungsgrundlage wird auf die Ausführungen zu § 10 UStG verwiesen.

2.1.6.2 Zuwendungen an das Personal

93Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UStG steht die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf einer Lieferung gegen Entgelt gleich. Dies gilt nicht, sofern Aufmerksamkeiten vorliegen.

94In diesen Fällen fehlt der ansonsten für die Bewirkung steuerbarer Leistungen erforderliche Leistungsaustausch. Nach dem Urteil des BFH vom 11. 3. 198866) setzt die Steuerbarkeit voraus, dass Leistungen aus unternehmerischen (betrieblichen) Gründen für den privaten, außerhalb des Dienstverhältnisses liegenden Bedarf des Arbeitnehmers ausgeführt werden. Steuerbar sind auch Leistungen an ausgeschiedene Arbeitnehmer aufgrund eines früheren Dienstverhältnisses sowie Leistungen an Auszubildende. Zu den steuerbaren gleichgestellten Lieferungen i. S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UStG gehören z. B. unentgeltliche Deputate.

95Keine steuerbaren Umsätze sind Aufmerksamkeiten oder Zuwendungen, die überwiegend durch das betriebliche Interesse des Arbeitgebers veranlasst sind.

96Hierbei sind unter „Aufmerksamkeiten" Zuwendungen zu verstehen, die ihrer Art und ihrem Wert nach Geschenken entsprechen, die im gesellschaftlichen Verkehr üblicherweise ausgetauscht werden und zu keiner ins Gewicht fallenden Bereicherung des Personals führen. Demnach zählen zu den Aufmerksamkeiten gelegentliche Sachzuwendungen (Blumen, Buch, Tonträger, Genussmittel) bis zu einem Wert von 60 €. Es handelt sich um einen Bruttobetrag.

97Leistungen, die überwiegend durch das betriebliche Interesse des Arbeitgebers veranlasst sind, sind dann anzunehmen, wenn betrieblich veranlasste Maßnahmen zwar auch die Befriedigung eines privaten Bedarfs des Personals zur Folge haben, dies aber durch die mit den Maßnahmen angestrebten betrieblichen Zwecke überlagert wird. Als solche nicht steuerbaren Leistungen sind z. B. übliche Zuwendungen im Rahmen von Betriebsveranstaltungen anzusehen.67) Die Grenze von 110 € pro Arbeitnehmer ist zu beachten. Auf das BMF-Schreiben vom 14. 10. 201568) wird hingewiesen.

98Voraussetzung für die Gleichstellung mit einer Lieferung gegen Entgelt ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG). Steht bereits bei der Anschaffung des Gegenstands fest, dass dieser für eine unentgeltliche Wertabgabe verwendet wird, ist der Vorsteuerabzug zu versagen und ein steuerbarer Umsatz ist nicht mehr anzunehmen.

Beispiel: A betreibt einen Getränkegroßhandel in Dülmen. A überlässt seinem leitenden Angestellten B unentgeltlich Getränke für seinen privaten Verbrauch. Die Aufmerksamkeitsgrenze ist überschritten.
Die Leistung des A ist steuerbar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Die unentgeltliche Zuwendung der Getränke steht gem. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UStG einer Lieferung gegen Entgelt gleich. Es handelt sich auch nicht um Aufmerksamkeiten. A war bei der Anschaffung der Getränke zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt.

2.1.6.3 Andere unentgeltliche Zuwendungen

99Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG steht jede andere Zuwendung eines Gegenstandes, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens, einer Lieferung gegen Entgelt gleich. Ein „Warenmuster" ist ein Probeexemplar eines Produkts, durch das dessen Absatz gefördert werden soll und das eine Bewertung der Merkmale und der Qualität dieses Produkts ermöglicht, ohne zu einem anderen als dem mit solchen Werbeumsätzen naturgemäß verbundenen Endverbrauch zu führen.69) Ein von einem Unternehmer einem Diabetiker zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels unentgeltlich zugewendetes Set – bestehend aus Blutzuckermessgerät, Stechhilfe und Teststreifen –, das einen späteren Verkauf der Teststreifen fördern soll, ist kein Warenmuster i. S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG.70) Der Begriff „unentgeltliche Zuwendung“ setzt nicht lediglich die Unentgeltlichkeit einer Lieferung voraus, sondern verlangt darüber hinaus, dass der Zuwendende dem Empfänger zielgerichtet einen Vermögensvorteil verschafft.71) Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Erschließungsmaßnahmen hat das BMF mit Schreiben vom 7. 6. 201272) Stellung genommen.

100Die Vorschrift dient dazu, einen unversteuerten Letztverbrauch zu verhindern.

101In Betracht kommen unentgeltliche Zuwendungen von Gegenständen aus unternehmerischen Gründen.

102Da durch den § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG Aufwendungenbetreffend Geschenke von nicht geringem Wert vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind, kann eine derartige unentgeltliche Abgabe aus unternehmerischen Gründen gem. § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG den Tatbestand des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG nicht erfüllen.

103Die Leistungsempfänger dürfen für die Leistung kein Entgelt aufwenden. Zur Abgabe von Hardware-Komponenten durch Anbieter von Online-Diensten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines längerfristigen Netzbenutzungsvertrags hat die OFD Koblenz mit Verfügung vom 13. 12. 200573) Stellung genommen. Wird ein Entgelt geleistet, so liegt bereits eine Lieferung gegen Entgelt vor. In diesen Fällen bedarf es keiner Gleichstellung mit einer Lieferung gegen Entgelt.

104Voraussetzung für die Gleichstellung der Zuwendung mit einer Lieferung gegen Entgelt ist, dass der zugewendete Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG). Wird der Gegenstand bereits zum Zwecke einer unentgeltlichen Wertabgabe angeschafft, ist ein Vorsteuerabzug nicht möglich, da es sich um eine nicht wirtschaftliche Verwendung handelt.

105Der Tatbestand des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG bleibt auf seltene Fälle beschränkt, in denen aufgrund einer speziellen einkommensteuerrechtlichen Wertung Gegenstände aus unternehmerischen Gründen zwar unentgeltlich weggegeben werden; es jedoch trotzdem beim Betriebsausgabenabzug verbleiben kann. Hierunter fallen z. B.74)

Sachspenden an Vereine,
Warenabgaben anlässlich von Preisausschreiben.75)

106Sind für die unentgeltlichen Leistungen unternehmensfremde Gründe maßgebend, kann es sich auch um Lieferungen i. S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG handeln. Jedes Gebilde, auch eine Kapitalgesellschaft, kann einen nichtunternehmerischen Bereich haben.

Beispiel: Die A-GmbH betreibt in Mainz eine Maschinenfabrik. Die GmbH schenkt einem Gesellschafter, der ein Bauunternehmen betreibt, einen Baukran. Die GmbH rechnet damit, dass der Gesellschafter einen weiteren Baukran nach seiner Erprobung erwerben wird.
Es liegt ein steuerbarer Umsatz i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG vor. Eine Gleichstellung mit einer Lieferung gegen Entgelt kommt in Betracht, da der Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Der Vorsteuerabzug ist auch nicht gem. § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen, da der zugewendete Gegenstand beim Empfänger ausschließlich betrieblich genutzt werden kann (R 4.10 Abs. 2 Satz 4 EStR 2012).

107Nicht unter diese Vorschrift fallen Leistungen, die nicht im Rahmen eines Unternehmens erbracht werden, z. B. Leistungen, die ein Verein aufgrund seiner Satzung zur Erfüllung des Vereinszwecks für die Belange sämtlicher Mitglieder erbringt und die mit den Mitgliedsbeiträgen abgegolten sind. Diese Leistungen sind nicht steuerbar.76)

108Zur Bemessungsgrundlage wird auf die Ausführungen zu § 10 UStG verwiesen.

2.2 Sonstige Leistung

2.2.1 Begriff

109Sonstige Leistungen sind gem. § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind. Alle Leistungen i. S. des UStG, die keine Lieferungen sind, sind sonstige Leistungen. Die sonstige Leistung stellt sich als die willentliche Zuwendung eines wirtschaftlichen Vorteils dar, der nicht in der Verschaffung der Verfügungsmacht über einen Gegenstand besteht.

110Als sonstige Leistungen kommen insbesondere in Betracht:

Dienstleistungen,
Werkleistungen,
Beförderungsleistungen,
Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen,
Vermittlungsleistungen,
Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Patenten, Urheberrechten, Warenzeichenrechten und ähnlichen Rechten,
Reiseleistungen,
Darlehensgewährungen,
Bewirtungen,
Übertragung von Wertpapieren und Anteilen,
Übertragung eines Firmenwertes oder Kundenstamms.

111Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Beistellung von Personal zu sonstigen Leistungen hat das BMF mit Schreiben vom 30. 1. 200377) Stellung genommen.

2.2.2 Besonderheiten

2.2.2.1 Dulden und Unterlassen

112Die sonstige Leistung muss nicht zwingend in einem positiven Tun bestehen. Nach § 3 Abs. 9 Satz 2 UStG können sonstige Leistungen auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen.

113Dulden ist die Hinnahme fremder Aktivität im eigenen Rechtskreis. Die Bestellung eines Nießbrauchs und eines Erbbaurechts ist eine Duldungsleistung in der Form der Dauerleistung i. S. von § 3 Abs. 9 Satz 2 UStG.78) Auch die Gestattung der Nutzung von Patenten und anderen Urheberrechten stellt eine Duldungsleistung dar. Auch die Vermietungsleistung ist als Duldungsleistung anzusehen.

114Unterlassen