Praxis der psychodynamischen Psychotherapie - Annegret Boll-Klatt - E-Book

Praxis der psychodynamischen Psychotherapie E-Book

Annegret Boll-Klatt

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Beschreibung

Für Einsteiger, Fortgeschrittene und langjährig tätige Therapeuten - die 2., überarbeitete und erweiterte Auflage Schon mit der ersten Auflage ist das Buch zu einem »must have« aller Aus- und Weiterbildungskandidaten avanciert, und auch für erfahrene Psychotherapeuten ist es das Referenzwerk zum Nachschlagen und Auffrischen. Entsprechend setzt die zweite Auflage auf den bewährten Aufbau, verbunden mit wichtigen Ergänzungen und Aktualisierungen, die Sie kennen sollten. - Spannbreite: Von klassischen psychoanalytischen Konzepten bis zu aktuellen neurobiologischen Ansätzen - Anschauliche Fallbeispiele aus dem therapeutischen Alltag und praktische Zusammenfassungen Das thematische Spektrum reicht von den wichtigsten Konzepten der klassischen Psychoanalyse bis hin zu modernen Ansätzen wie den Ergebnissen der Säuglingsforschung, der Neurobiologie und aktuellen Therapieformen wie die Übertragungsfokussierte Psychotherapie. Hinzugekommen sind unter anderem die Theorie Bions, Neuerungen in der Bindungstheorie und Aktuelles aus der Mentalisierungsforschung sowie das Embodiment-Konzept als neurowissenschaftliche Fundierung moderner Psychosomatik.  In ihrem neu aufgenommenen Prolog setzen sich die Autoren mit dem genuin psychoanalytischen Konzept des Unbewussten auseinander. Damit greifen sie die wichtige Frage auf, wie sich die Arbeit mit dem Unbewussten sowie die Hermeneutik als Methode des Verstehens mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und Empirie verbinden lassen. So erhalten die Leser das Rüstzeug für die Konzeption einer erfolgreichen psychotherapeutischen Behandlung und werden auf den gegenwärtigen Stand der Theoriediskussion in den psychodynamischen Therapieverfahren gebracht. Dieses Buch richtet sich an: - Psychologische und ärztliche Psychotherapeuten - Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie - Psychologen und Ärzte in psychotherapeutischer Aus- bzw. Weiterbildung - Dozenten an psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildungsinstituten - Angehörige anderer Berufsgruppen mit psychologisch/psychotherapeutischer Beratungstätigkeit Aus dem Inhalt Das Unbewusste – brauchen wir eine Identität? Ein Prolog | Die vier klassischen Psychologien der Psychoanalyse | »Die Pathogenese rekapituliert die Ontogenese«: Die vier Kinder der Psychoanalyse und ihre Nachkommen | Die ätiopathogenetischen Krankheitsmodelle der psychodynamischen Therapieverfahren | Von der Symptomdiagnostik zum psychodynamischen Verständnis ausgewählter psychischer Störungen | Von der Ein-Personzur Zwei-Personen-Psychologie | Übertragung und Gegenübertragung

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Seitenzahl: 1222

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Annegret Boll-Klatt ■ Mathias Kohrs

Praxis der psychodynamischen Psychotherapie

Grundlagen – Modelle – Konzepte

2., aktualisierte Auflage

Mit Geleitworten von Sven Olaf Hoffmann und Rainer Richter

Mit 40 Abbildungen und 27 Tabellen

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Dr. phil. Dipl.-Psych. Annegret Boll-Klatt

Leiterin der Ambulanz des Instituts für Psychotherapie

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistr. 52

20246 Hamburg

[email protected]

Dipl.-Psych. Mathias Kohrs

Psychoanalytiker DGPT

Strohredder 15

22587 Hamburg

[email protected]

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Besonderer Hinweis

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Dieses Ebook enthält aus technischen Gründen kein Register. Bitte benützen Sie die Suchfunktion Ihres Readers.

Schattauer

www.schattauer.de

© 2018 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Printed in Germany

Cover unter Verwendung eines Fotos von © Pia Kohrs, Renate Kohrs, Sara Combes: La Porte.

Lektorat: Marion Drachsel, Berlin

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Printausgabe: ISBN 978-3-608-43176-6

E-Book: ISBN 978-3-608-19132-5

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-29003-5

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Inhalt

Geleitwort zur zweiten Auflage

Geleitwort zur ersten Auflage

Vorwort

Die vier klassischen Psychologien der Psychoanalyse

Das Unbewusste – brauchen wir eine Identität? Ein Prolog

Warum ist das so bedeutsam?

Das Unbewusste – das unverzichtbare Paradoxon der psychodynamischen Psychotherapie

Wo stehen wir heute in dieser Frage?

Und wie steht es nun um das Unbewusste im interdisziplinären Diskurs mit den Nachbarwissenschaften, insbesondere mit den Neurowissenschaften?

Fazit: Brauchen wir eine Identität?

1 Triebtheorie und Metapsychologie

1.1 Einführung

1.2 Von der Hypnose zur Redekur: Trauma und Neurose

1.3 Von der Katharsis zum dynamischen Unbewussten: Das topische Modell

1.4 Vom Trauma zur Psychosexualität: Die duale Triebtheorie

1.5 Von der Biologie zur Psychologie: Das Strukturmodell

1.6 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

2 Ich-psychologische Orientierungen

2.1 Zur Definition des Ich-Begriffs

2.2 Ich-psychologische Orientierung bei Freud

2.3 Anna Freud: Das Ich und die Abwehrmechanismen

2.4 Hartmanns Modell der Ich‑Psychologie im geschichtlichen Kontext

2.5 Zusammenfassung der theoretischen Formulierungen der durch Hartmann geprägten Ich-Psychologie

2.5.1 Begriff der menschlichen Anpassung

2.5.2 Die Apparate der primären Autonomie

2.5.3 Die undifferenzierte Matrix

2.5.4 Die durchschnittlich erwartbare Umwelt

2.5.5 Die sekundäre Autonomie

2.5.6 Streben nach einer Psychoanalyse als einer Allgemeinen Psychologie

2.5.7 Die intrasystemischen Konflikte

2.5.8 Die Abwehrmechanismen in der Ich-Psychologie

2.6 Klinische Implikationen der Ich-Psychologie

2.7 »Es gibt im Gehirn keine Zentrale«

2.8 Aktuelle Definition und Klassifikation der Abwehrmechanismen

2.8.1 Aktuelle Definitionen

2.8.2 Klassifikation und Systematik der Abwehrmechanismen

2.9 Kritische Würdigung der Ich-Psychologie

2.10 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

3 Objektbeziehungstheorien

3.1 Entwicklung der Objektbeziehungstheorien im geschichtlichen Kontext

3.2 Melanie Klein: Primärer Neid und Destruktivität

Therapeutische Implikationen

3.3 Michael Balint: Die primäre Liebe und die Grundstörung

Therapeutische Implikationen

3.4 William Fairbairn: Die Suche nach dem Objekt

Therapeutische Implikationen

3.5 Donald W. Winnicott: Umwelt und Objekt

Therapeutische Implikationen

3.6 Otto F. Kernberg: Die Organisation der Persönlichkeit

Therapeutische Implikationen

3.7 Ein vergleichender Überblick

3.8 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

4 Die Selbstpsychologie

4.1 Die Entwicklung der Selbstpsychologie im geschichtlichen Kontext

4.2 Definitionen und Konzeptualisierungen des Selbst

4.2.1 Zur Geschichte des Selbst in der Psychoanalyse

4.2.2 Die Konzeptualisierung des Selbst aus selbstpsychologischer Sicht

4.3 Zusammenfassende Darstellung der wichtigsten Begriffe der Selbstpsychologie

4.4 Psychopathologie aus selbstpsychologischer Sicht

4.5 Selbstobjekt-Übertragungen

4.6 Therapeutische Implikationen

4.7 Kritische Würdigung des Kohutschen Modells

4.8 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

II 

»Die Pathogenese rekapituliert die Ontogenese«: Die vier Kinder der Psychoanalyse und ihre Nachkommen

5 Freuds triebtheoretische Entwicklungspsychologie: Psychosexualität und Phasenlehre

5.1 Einführung

5.2 Sexualität bei Freud: Das Konzept der Psychosexualität, der Partialtriebe und erogenen Zonen

5.3 Erstes Lebensjahr: Oralität

5.4 Zweites Lebensjahr: Analität

5.5 Drittes und viertes Lebensjahr: Präödipale genitale (phallisch-narzisstische) Phase

5.6 Fünftes und sechstes Lebensjahr: Ödipalität

5.7 Siebtes bis zehntes Lebensjahr: Latenzphase

5.8 Adoleszenz: Der zweite Ansatz der Sexualität, Ablösung und Objektfindung

5.9 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

6 Melanie Klein und Wilfred Ruprecht Bion: Projektion und Introjektion – Archaische Objekte und die Entwicklung des Denkens

6.1 Melanie Klein im geschichtlichen Kontext

6.2 Grundlagen kleinianischer Theoriebildung

6.3 Die paranoid-schizoide Position

6.4 Die depressive Position

6.5 Exkurs: Bion und die Entwicklung des Denkens

6.6 Klinische Implikationen – eine kritische Würdigung des kleinianischen Ansatzes

6.7 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

7 Margaret S. Mahler: Autismus, Symbiose, Separation und Individuation

7.1 Mahlers Untersuchungsmethodik

7.2 Die Entwicklungsphasen nach Mahler

7.2.1 Phase des normalen Autismus (0–2. Monat)

7.2.2 Symbiotische Phase (2.–6. Monat)

7.2.3 Phase des Separations- und Individuationsprozesses

Subphase 1: Differenzierung und Entwicklung des Körperschemas (5./6.–10. Monat)

Subphase 2: Übungsphase (10.–16. Monat)

Subphase 3: Wiederannäherung (16.–24. Monat)

Subphase 4: Konsolidierung der Individualität und Anfänge der emotionalen Objektkonstanz (24. Monat bis 4. Lebensjahr)

7.3 Klinische Implikationen

7.4 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

8 Heinz Kohut: Entwicklung der narzisstischen Regulation

8.1 Die Ursprünge des Selbst

8.2 Das Selbstobjekt als zentraler Begriff der Selbstpsychologie

8.3 Pathogene Selbstobjekte

8.4 Exkurs: Das wahre und das falsche Selbst

8.5 Die Entwicklungslinie des Narzissmus

8.6 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

9 Entwicklungspsychologische Grundlagen und wichtige Konzepte der Bindungstheorie

9.1 Geschichtlicher Kontext: Zählt die Bindungstheorie zu den psychodynamischen Theorien?

9.2 Postulate der Bindungstheorie

9.3 Mütterliche Feinfühligkeit

9.4 Vom Bindungsverhalten zum Konstrukt »Bindung« als innerer Repräsentanz

9.4.1 Internale Arbeitsmodelle als bindungsrelevante Organisationsmuster

9.4.2 Die Identifizierung von Bindungsmustern anhand der »Fremden Situation«

9.4.3 Das »Adult Attachment Interview« (AAI) bzw. das Erwachsenen-Bindungsinterview

9.5 Die Rolle des Vaters in der Bindungsentwicklung

9.6 Zusammenfassung der Grundannahmen der Bindungstheorie

9.7 Klinische Bedeutung der Bindungsforschung

9.8 Therapeutische Implikationen: Bindung und Psychotherapie

9.8.1 Integration der Bindungstheorie in die psychodynamischen Therapieverfahren

9.8.2 Bindung und der psychotherapeutische Prozess

9.9 Zusammenfassung

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10 Die psychoanalytisch inspirierte Säuglings- und Kleinkindforschung

10.1 Das Spannungsfeld zwischen der Entwicklungspsychologie des rekonstruierten und des beobachteten realen Kindes

10.2 Das rekonstruierte Kind im Vergleich mit dem realen beobachteten Kind

10.3 Untersuchungsmethoden der Säuglings- und Kleinkindforschung

10.4 Kompetenzen des Säuglings

10.4.1 Perzeptuelle und kognitive Kompetenz

10.4.2 Affektive Kompetenz

10.4.3 Handlungskompetenz und Kontingenzerfahrung

10.4.4 Fazit aus den empirischen Befunden zu den Kompetenzen des Säuglings

10.5 Das Selbstempfinden als organisierendes Prinzip der Entwicklung

10.6 Zur Kritik der Konzepte des primären Narzissmus und der Symbiose

10.7 Neurobiologisch fundierte Zeitfenster der frühen Entwicklung

10.8 Säuglingsforschung und Psychoanalyse – ein beispielhafter Diskurs um die wissenschaftstheoretische Ausrichtung der Psychoanalyse

10.9 Bedeutung der Ergebnisse der Säuglingsforschung für die psychodynamischen Psychotherapien

10.10 Zusammenfassung

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11 Peter Fonagy: Die Entwicklung der Reflexiven Kompetenz

11.1 Fonagys Theorie der Entwicklung psychischer Realität im geschichtlichen Kontext

11.2 Mentalisierung und primäre Objektbeziehung

11.3 Das markierte Spiegeln

11.4 Die Entwicklungsstufen der Mentalisierung

11.5 Die Pathologie der Mentalisierung

11.6 Reflexive Kompetenz in der Therapie

11.7 Zusammenfassung

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12 Die Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz aus triebtheoretischer, Ich-psychologischer, objektbeziehungstheoretischer und selbstpsychologischer Sicht

12.1 Die Adoleszenz im geschichtlichen und gesellschaftlichen Kontext

12.2 Adoleszenz: Phase disruptiver Konflikte oder Übergangsstadium?

12.3 Stufen der Adoleszenz

12.3.1 Präadoleszenz

12.3.2 Frühe Adoleszenz

12.3.3 Mittlere Adoleszenz

12.3.4 Späte Adoleszenz

12.3.5 Emerging Adulthood

12.4 Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz aus objektbeziehungstheoretischer und selbstpsychologischer Sicht

12.4.1 Abschirmung in der Phase der Frühadoleszenz

12.4.2 Stabilisierung durch narzisstische Selbstkonfigurationen in der Phase der mittleren Adoleszenz

12.4.3 Entwicklung zunehmend realistischer Selbst- und Objektbilder in der Spätadoleszenz

12.5 Einige typische Pathologien der Adoleszenz

12.6 Psychodynamische Reflexionen anhand eines Fallbeispiels

12.7 Zusammenfassung

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III 

Die ätiopathogenetischen Krankheitsmodelle der psychodynamischen Therapieverfahren

13 Der ödipale Konflikt: Plädoyer für ein archaisches Narrativ

13.1 Mythologisches Narrativ oder Psychopathologie?

13.2 Versuch einer Definition

13.3 Kritik und Erweiterung des Ödipuskomplexes

13.3.1 Der frühe Ödipus bei Melanie Klein

13.3.2 Die Kritik am weiblichen Ödipus

13.3.3 Die Bedeutung der elterlichen Fantasien im ödipalen Prozess

13.3.4 Die Verschränkung ödipaler und präödipaler Entwicklungsprozesse

13.3.5 Ein vorläufiges Resümee

13.4 Einige Implikationen des ödipalen Konflikts für die psychodynamische Praxis

13.5 Der ödipale Konflikt anhand eines Fallbeispiels

13.6 Zusammenfassung

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14 Konfliktpathologie: Von Freuds ödipalem Konflikt zur Konfliktachse der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD)

14.1 Konfliktmodelle von Freud bis zur modernen Selbstpsychologie Lichtenbergs

14.2 Unterschiedliche Konflikte und ihre Bedeutung für die Psychotherapie

14.2.1 Der »normale« Konflikt

14.2.2 Der antinomische Konflikt

14.2.3 Der »tragische« Konflikt

14.2.4 Der neurotische Konflikt

14.3 Die Differenzierung in »reife« und »frühe« Konflikte

14.4 Konflikte als Folge selbst- und objektbezogener Tendenzen und daraus resultierende Ängste

14.5 Die Entstehung neurotischer Symptome als Folge einer Konfliktpathologie

14.6 Die Modi der Konfliktverarbeitung nach Mentzos

14.7 Die Konfliktachse der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD)

14.7.1 Exkurs: Zur Konzeptualisierung der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik

14.7.2 Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik anhand der Achse III – Konflikt

14.7.3 Die OPD-Konfliktachse im Vergleich mit der herkömmlichen psychoanalytischen Konfliktdiagnostik

14.8 Die Grundkonflikte nach Rudolf und die Verknüpfung von Konflikt und Struktur

14.9 Unterschiedliche Wege der Symptombildung

14.9.1 Verarbeitung von Konflikt und struktureller Vulnerabilität nach Rudolf

14.9.2 Mentzos und Rudolf – zwei unterschiedliche Konzeptualisierungen

14.10 Zusammenfassung

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15 Strukturpathologie: Von Balints Grundstörung zur Strukturachse der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik

15.1 Die Entwicklung des Konzeptes der Persönlichkeitsstörungen im geschichtlichen Kontext

15.2 Die Persönlichkeitsstörungen in den aktuellen diagnostischen Manualen

15.2.1 Persönlichkeitsdiagnostik im DSM-5

15.2.2 Persönlichkeitsdiagnostik in der ICD-10

15.3 Strukturpathologie und Persönlichkeitsstörungen im Licht unterschiedlicher Objektbeziehungstheorien

15.3.1 Kernbergs strukturpathologisches Konzept: Die Borderline-Persönlichkeitsorganisation (BPO)

Beschreibung der unterschiedlichen Ebenen der Persönlichkeitsorganisation

Strukturiertes Interview zur Persönlichkeitsorganisation (STIPO-D)

Die Strukturachse der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik

Bewältigungsstrategien struktureller Defizite

15.3.3 Strukturelles Basismerkmal: Die Fähigkeit, zu mentalisieren

15.4 Überschneidung von Struktur- und Traumapathologie

15.5 Therapeutische Implikationen

15.6 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

16 Traumapathologie: Zwischen psychoökonomischer und hermeneutisch-objektbeziehungstheoretischer Perspektive

16.1 Die Entwicklung der modernen Psychotraumatologie im geschichtlichen Kontext

16.2 Das Psychotrauma im Spannungsfeld der psychoanalytischen Theorien

16.2.1 Unerträgliche (äußere) Situation versus unakzeptabler (innerpsychischer) Impuls

16.2.2 Psychoökonomie oder Beziehung?

16.3 Weiterentwicklungen im Rahmen der modernen Psychotraumatologie

16.3.1 Das Trauma als Ereignismerkmal

16.3.2 Traumatisierung und Neurobiologie

16.3.3 Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

16.3.4 Neurobiologische Befunde zur Posttraumatischen Belastungsstörung

16.4 Identifikation von Traumafolgestörungen – eine differenzialdiagnostische Herausforderung

16.5 Therapeutische Implikationen

16.6 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

17 Reaktive Pathologie: Aktualkonflikt und Anpassungsstörungen

17.1 Psychogene Reaktionen bzw. reaktive Störungen in den diagnostischen Glossaren

17.2 Die reaktive Pathologie im Vergleich mit anderen ätiopathogenetischen Modellen

17.3 Das Stresskonzept

17.3.1 Situationsorientierte Definitionen

17.3.2 Physiologische Stresskorrelate und -effekte

17.3.3 Relationales Stresskonzept

17.3.4 Die Rolle des Bewältigungsverhaltens

17.4 Der Aktualkonflikt in der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik

17.5 Therapeutische Implikationen

17.5.1 Krisenintervention

17.5.2 Fokaltherapie als psychodynamische Kurzzeittherapie

17.5.3 Spezifische Interventionen bei somatopsychischen Anpassungsstörungen

17.5.4 Veränderungen der Psychotherapie-Richtlinie

17.6 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

18 Psychosomatische Krankheitskonzepte: Von der wortlosen Sprache des Körpersymptoms zum Narrativ

18.1 Die Entwicklung der psychosomatischen Medizin im geschichtlichen Kontext

18.2 Basale Konzepte des psychosomatischen Krankheitsverständnisses

18.3 »Der rätselhafte Sprung vom Seelischen ins Körperliche«

18.3.1 Konversion und Konversionsstörungen

18.3.2 Somatisierung und Somatisierungsstörungen

18.3.3 Die Alexithymie

Differenzierende Beschreibung alexithymer Merkmale

Die Alexithymie als Strukturpathologie

Alexithymie als Störung der Mentalisierungsfähigkeit

18.4 Somato-Psychosomatosen und bio-psycho-soziale Krankheitsmodelle

18.4.1 Bio-psycho-soziale Krankheitsmodelle am Beispiel der Genese der koronaren Herzkrankheit

18.4.2 Depressionsinduzierte Pathomechanismen in der Genese der koronaren Herzkrankheit

18.4.3 Narzisstische Pathologie und koronare Herzkrankheit: Ein Beispiel für die Verbindung von Empirie und Hermeneutik in der modernen Psychosomatik

18.5 Psychoanalytische Psychosomatik heute: Die Unfähigkeit zur Symbolisierung

18.6 Aktuelle Entwicklungen: Das verkörperte Selbst und das Embodiment-Konzept

18.7 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

IV 

Von der Symptomdiagnostik zum psychodynamischen Verständnis ausgewählter psychischer Störungen

19 Depression: Von Trauer und Melancholie zum depressiven Grundkonflikt

19.1 Einführung

19.2 Die Diagnose der Depression im geschichtlichen Kontext

19.3 Depression und Trauer

19.4 Freuds klassische Arbeit zur Depression: »Trauer und Melancholie«

19.5 Depressiver Grundkonflikt: Psychogenese und Psychodynamik

19.5.1 Psychogenetische Perspektive

19.5.2 Psychodynamische Perspektive

19.6 Aktuelle Ansätze zur Analyse und Beschreibung der depressiven Störung

19.7 Beschreibung und Analyse der Depression mithilfe des Drei-Säulen-Modells

19.8 Burnout und/oder narzisstische Depression?

19.9 Depressionen auf unterschiedlichen Strukturniveaus

19.9.1 Borderline-Depression

19.9.2 Neurotische Depression bei mäßig integrierter Funktionsfähigkeit der psychischen Struktur

19.9.3 Neurotische Depression bei gut integrierter Funktionsfähigkeit der psychischen Struktur

19.10 Therapeutische Implikationen

19.11 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

20 Angststörungen: »Angst ist nicht gleich Angst«

20.1 Die Entwicklung der Psychoneurose »Angst« im geschichtlichen Kontext

20.1.1 Unterschiedliche psychoanalytische Konzeptualisierungen der Angst

20.1.2 Freuds Konzepte der Angstneurose und Angsthysterie

20.2 Psychodynamische im Vergleich mit phänomenal-deskriptiven Klassifikationen der Angststörungen und deren Prävalenzen

20.3 Realangst, neurotische Angst und ihre Interaktion

20.4 »Angst ist nicht gleich Angst«

20.5 Aktuelle psychodynamische Modelle zur Entstehung von Ängsten und Angststörungen

20.5.1 Konfliktbedingte Genese pathologischer Ängste

20.5.2 Strukturbedingte Genese pathologischer Ängste

20.5.3 Ethologisch bedingte Genese pathologischer Ängste

20.6 Grundzüge der psychodynamischen Psychotherapie von Angststörungen

20.6.1 Psychoedukation

20.6.2 Bewältigungsorientierte und Ich-stärkende Maßnahmen bei Angsterkrankungen

20.6.3 Aufforderung zur selbstgesteuerten Angstkonfrontation bei allen Phobien

20.6.4 Sorgfältige Analyse der Rolle naher Bezugspersonen

20.6.5 Beachtung der möglichen unbewussten Attraktion durch die Angst (»Angstlust«)

20.6.6 Schwierigkeiten und Fallstricke beim Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung

20.7 Die Panikfokussierte Psychodynamische Psychotherapie (PFPP)

20.8 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

21 Borderline: Zwischen Trieb, Trauma und den neuen Therapien

21.1 Gibt es überhaupt

die

Borderline-Persönlichkeitsstörung?

21.2 Gegenüberstellung der unterschiedlichen Behandlungsvoraussetzungen von neurotischen und Borderline-Patienten

21.3 Vier aktuelle Modelle zur Konzeptualisierung der Borderline-Persönlichkeitsstörung und deren Behandlung

21.3.1 Das objektbeziehungstheoretische Paradigma

Übertragungsfokussierte Psychotherapie

Therapeutische Interventionen der Übertragungsfokussierten Psychotherapie

Festigung des Behandlungsrahmens durch Therapievereinbarungen

21.3.2 Das psychotraumatologische Paradigma

Zum Verhältnis von Borderline-Persönlichkeitsstörung und Komplexer Posttraumatischer Belastungsstörung

Die multifaktorielle traumazentrierte Ätiologie der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung als Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung: Traumazentrierte behandlungstechnische Konzeptionen

21.3.3 Das bindungstheoretische Paradigma

Desorganisierter Bindungsstatus, Borderline-Persönlichkeitsstörung und Dissoziation

21.3.4 Das neurobiologische Paradigma

21.4 Der mentalisierungsbasierte Therapieansatz: Ein aktuelles Behandlungskonzept auf bindungstheoretischer Grundlage

21.5 Modifikationen und Grenzen Psychodynamischer Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung

21.6 Überlegungen zur Indikation störungsspezifischer Behandlungsansätze

21.7 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

22 Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung im Spannungsfeld unterschiedlicher Theorien und Behandlungsansätze

22.1 Das doppelte Gesicht des Narzissmus

22.2 Die Grundlagen bei Freud

22.2.1 Die narzisstischen Neurosen

22.2.2 Der primäre und der sekundäre Narzissmus und die frühe psychische Entwicklung

22.2.3 Zwei Formen der Objektwahl

22.2.4 Das Ich-Ideal

22.2.5 Die Regulierung des Selbstgefühls

22.3 Diagnostik: Die Phänomene des pathologischen Narzissmus

22.3.1 Narzisstische Persönlichkeitsstörungen

22.3.2 Die narzisstische Krise

22.4 Zwei Perspektiven auf den gesunden und den pathologischen Narzissmus

22.4.1 Die Selbstobjektübertragungen bei Kohut

22.4.2 Das Narzissmuskonzept bei Kernberg

22.4.3 Diskussion

22.5 Differenzialdiagnostische Überlegungen

22.6 Reflexionen zu Psychodynamik und therapeutischen Perspektiven

22.7 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

Von der Ein-Person- zur Zwei-Personen-Psychologie

23 Übertragung und Gegenübertragung

23.1 Einführung

23.2 Entwicklung und Kontroversen des Übertragungskonzeptes im geschichtlichen Kontext

23.3 Übertragung

23.3.1 Unterschiedliche Positionen in der Konzeptualisierung einer Übertragungsszene

23.3.2 Die Wiederkehr des Verdrängten: Das Vergangene in der Gegenwart oder die Gegenwart in der Vergangenheit?

23.3.3 Übertragungsdeutungen

23.4 Gegenübertragung

23.4.1 Die Gegenübertragungsanalyse

23.4.2 Die Dimensionen der Gegenübertragung

23.4.3 Das Konzept der konkordanten und komplementären Gegenübertragung

23.5 Zusammenfassung

Ausgewählte Tipps zum Weiterlesen

Anhang

Literatur

Geleitwort zur zweiten Auflage

Der Verfasser dieses Geleitworts bezeichnete dessen erste Auflage in einer Besprechung als »eine von hoher Sachlichkeit und Kompetenz getragene Synopsis«. Es gebe derzeit keine bessere. Die Vermutung, dass diese Empfehlung dazu führte, den Autor um ein Geleitwort für die vorliegende zweite Auflage zu bitten, hat viel für sich. Also, was hebt dieses Buch heraus?

Boll-Klatt und Kohrs verfügen über detaillierte Kenntnisse ihres Gegenstandes, aber sie verzetteln sich kaum einmal in Gelehrsamkeit, sondern lassen sich von einem Anspruch auf Nachvollziehbarkeit und Verständlichkeit leiten. Sie sind ganz gewiss bodenständige Praktiker. Wenn die Autoren in jeweils geschlossenen Kapiteln Triebtheorie, Ich-Psychologie, Objektbeziehungstheorie und Selbst-Psychologie entwickeln, dann erhält der Leser eine konkrete Vorstellung von den klassischen Referenzsystemen der Psychoanalyse. Diese bilden sich natürlich – modifiziert – in der Psychodynamischen Psychotherapie (PDP) ab. Man kann auch persönliche Präferenzen in diesen Leittheorien erkennen – und ausnahmslos jeder im Felde der PDP wird zu solchen neigen –, sie werden jedoch erst einmal entlang ihrer Konzeptlinien dargestellt. Es liegt dann beim Leser zu prüfen, welches Referenzsystem im Einzelfall seines Patienten dessen Problem, dessen inneren Konflikt, dessen Trauma am besten gerecht wird. Heuristisch geht es um die Frage, mit welcher Theoriesprache die jeweilige Individualität am gültigsten abzubilden ist. Der wahrnehmbare Anspruch von Boll-Klatt und Kohrs ist es, den Leser zu dieser Freiheit zu führen.

Das wird noch deutlicher bei der Darstellung von Grundpositionen der Entwicklungs-Psychologie, die sich mit den Namen Freud, M. Klein, M. Mahler und H. Kohut umreißen lassen. Nimmt man noch die Bindungstheorie (Bowlby) und die reflexive Kompetenz (Fonagy) hinzu, dann wird deutlich, dass viele Annahmen der einen Position die der anderen fast ausschließen. Sieht man in den Modellen jedoch Formen dynamischer Beschreibungen ohne Absolutheitsanspruch, dann wird man feststellen, dass eine bestimmte biographische Entwicklung sich mit der einen Konzeption deutlich näher am Erleben des Patienten verstehen lässt als mit einer anderen. Die Autoren referieren exakt und verbindlich. Dem lernenden oder erfahrenen Leser wird so die Vielfalt psychodynamischer Theoriebildung deutlich, ohne ihn zu verwirren. Er kann sich in Verständnislinien einarbeiten und ihre Stringenz in der Praxis prüfen. Das hat nichts mit Beliebigkeit, aber viel mit einem reflektierten Umgang mit psychoanalytischer Theorie zu tun. So lange man in der Theorieanwendung weiß, wo man sich befindet, welchem Wegweiser man gerade folgt und wo man diesen Weg auch sinnvollerweise wieder verlassen sollte, geht man nicht irre. Dafür bieten Boll-Klatt und Kohrs den nun in zweiter Auflage vorliegenden, ambitionierten und zugleich undogmatischen Wegweiser (›Navigator‹).

Die zweite Auflage ist natürlich durchgesehen, aktualisiert und erweitert worden. So muss es sein. Am wichtigsten erscheint jedoch ein neuer Prolog, der dem Unbewussten seine Bedeutung als Unterscheidungsmerkmal gegenüber allen ähnlichen Therapieformen zuweist. Keine andere Psychotherapie hat so eindeutig unbewusste Motive in das Zentrum ihres Verständnisses gestellt. Gewissermaßen das ›Alleinstellungsmerkmal‹ der psychodynamischen Familie. Eigentlich weiß das jeder Mann und jede Frau, die sich für Psychotherapie interessieren. Aber in Zeiten, in denen andere Therapieformen in erstaunlicher Weise Zusammenhänge neu ›entdecken‹, die primär psychoanalytischem Wissen entstammen, scheint es nicht überflüssig, die Herkunft der Konzepte wieder zurechtzurücken. Der manchmal bärbeißige Sigmund Freud hat in diesem Zusammenhang von den Fremden gesprochen, die am Feuer der Psychoanalyse ihr Süppchen kochten, aber nicht für die Gastfreundschaft dankten. Da ist man mit der Originaltheorie in zeitgenössischer Gewandung einfach besser bedient.

Prof. Dr. med. Sven Olaf Hoffmann

Geleitwort zur ersten Auflage

Psychodynamische Psychotherapie als Oberbegriff für die tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapien und die psychoanalytischen Therapien zu verwenden, beruht auf dem Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie nach § 11 PsychThG aus dem Jahre 2004. Zwar werden die beiden »psychoanalytisch begründeten« Verfahren in der Gesetzlichen Krankenversicherung nach wie vor unterschieden, in der Wissenschaft und klinischen Praxis setzt sich jedoch der Oberbegriff nach und nach durch. Und das aus gutem Grund. Rechtfertigen doch gerade die gemeinsamen Grundlagen – die Psychoanalyse und ihre Weiterentwicklungen – eine einheitliche Bezeichnung.

Eine solche einheitliche Bezeichnung ist nicht nur im Interesse der Patienten, denen die Unterschiede der diversen Behandlungsmethoden nur schwer zu vermitteln waren, sondern auch im Interesse der psychodynamischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Diesen wurden in ihrer Aus- und Weiterbildung die Grundlagen und Konzepte der Psychoanalyse bzw. der Tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie als jeweils für ihr Verfahren spezifische vermittelt, ohne dass auf deren Gemeinsamkeiten explizit hingewiesen wurde. Diese wurden dann allerdings, durchaus zur Verwunderung der Teilnehmer, in gemeinsamen Fallseminaren deutlich, wenn sich die vermeintlich spezifischen Konzepte als übergreifend gültig und sich die Unterschiede allenfalls in den Indikationen, Behandlungszielen und Interventionstechniken zeigten. Diese »Prägung« in der Ausbildung bildet sich bei manchen bis heute in der professionellen Identität als »Psychoanalytiker« oder als » TPler« ab.

Solche professionellen Selbstzweifel reichen weit in die Geschichte der Psychoanalyse zurück. Georg Groddeck hatte weitgehend unabhängig theoretische Konzepte erarbeitet, die denen der Wiener Psychoanalytiker sehr ähnlich waren. Seine überlieferten Behandlungen könnte man aus heutiger Sicht aber mit Fug und Recht als tiefenpsychologisch fundiert bezeichnen. Er wandte sich im Jahre 1917 mit der fast submissiv vorgetragenen Frage an S. Freud, ob er denn »gleichwohl das Recht habe, sich als Psychoanalytiker öffentlich aufzuspielen«. Freud, der bekanntlich den Begriff des Es von Groddeck in seine eigene Theorie übernahm, antwortete umgehend und deutete, dass er Groddecks unbewussten Wunsch, sich als etwas Besonderes, Eigenständiges auszugeben, nicht erfüllen möge, sondern Anspruch auf ihn erhebe, und versicherte ihm, ein »prächtiger Analytiker« zu sein. »Wer erkennt, dass Übertragung und Widerstand die Drehpunkte der Behandlung sind, gehört nun einmal rettungslos zum wilden Heer.«

Zwei immer noch aktuelle Themen lassen sich an dieser Urszene der psychoanalytischen Bewegung aufzeigen: Entwertung, Selbstentwertung sowie Aus- und Abgrenzung im professionellen Verhältnis der psychoanalytisch begründeten Verfahren und eine (in Freuds Worten wohl erstmalige) Kurzbeschreibung der theoretischen Grundlage aller psychoanalytischen Verfahren.

Das von Annegret Boll-Klatt und Mathias Kohrs vorgelegte Werk, das ich mit diesem Geleitwort gerne begleite, entstand vor diesem Hintergrund und trägt der Notwendigkeit einer zeitgemäßen Zusammenschau der Grundlagen Rechnung. Es zeugt von der breiten und reflektierten Praxis der beiden Autoren in der Aus- und Weiterbildung von Psychologen und Ärzten sowie ihren jahrzehntelangen Erfahrungen in der ambulanten und stationären Versorgung: Zum einen ist ihnen die selbstbewusste Darstellung der theoretischen Grundlagen und Konzepte der Psychodynamischen Psychotherapie und damit der Versuch gelungen, die gemeinsamen Grundlagen, einschließlich ihrer historischen Entwicklung und besonderen Wege, darzustellen, ohne dass (Selbst-)Entwertung und Ausgrenzung den fachlichen Blick eintrüben. Anderseits durchzieht das gemeinsame Werk Freuds Axiom, auf dem eine psychodynamische Theorie aufsetzen muss, wenn sie denn eine für alle psychoanalytisch begründeten Verfahren und Methoden gemeinsame sein soll, die Bedeutung von Widerstand und Übertragung.

Dazu, dass ihnen beides gelungen ist, möchte ich sie herzlich beglückwünschen, der wertschätzenden Resonanz in der psychodynamischen Szene bin ich mir sicher.

Prof. Dr. phil. Rainer Richter

Vorwort

Die überaus positive Resonanz auf die 1. Auflage dieses Buches hat unsere Vorstellung, dass es sowohl als Basislektüre für Aus- und Weiterbildungskandidaten als auch für eine theoretische Auffrischung erfahrener Psychotherapeuten interessant sein könnte, bestätigt. Insbesondere freut es uns, dass zahlreiche Ausbildungsinstitute das Buch inzwischen systematisch nutzen, um einen die psychoanalytischen Schulen übergreifenden theoretischen Hintergrund der Psychodynamischen Psychotherapie zu vermitteln, der aus unserer Sicht die Basis einer undogmatischen und flexiblen Ausübung unseres Berufes darstellt.

Die Überarbeitung gibt uns nun die Gelegenheit zur Aktualisierung und Ergänzung einiger Kapitel. Das inhaltliche Konzept und die Struktur haben wir beibehalten, sie haben sich bewährt.

Darüber hinaus haben wir uns in einem längeren Prolog der Frage nach der Identität, dem common ground der psychoanalytisch begründeten Verfahren und ihrer theoretischen Schulen, kurz: nach dem Fundament der Psychodynamischen Psychotherapie gestellt.

Veranlasst dazu hat uns die in den letzten Jahren weiter zunehmende Diversifizierung der psychodynamischen Verfahren, die den klassischen Rahmen der verschiedenen psychoanalytischen Schulen (die sog. Vier Psychologien) allmählich hinter sich lässt: Störungsspezifische Behandlungsansätze, manualisierte Therapiekonzepte, wachsender Effizienzdruck seitens der Kostenträger, integrative stationäre Therapien sowie die drängenden Fragen der Akademisierung der bevorstehenden Direktausbildung in einem Psychotherapiestudium werfen Fragen auf, denen sich ein psychodynamisch ausgerichtetes Curriculum stellen muss. Wir hoffen, einen kleinen Beitrag zu einem identitätsstiftenden Diskurs leisten zu können.

Auch dieses Mal möchten wir Herrn Dr. Wulf Bertram als Verlagsleiter von Schattauer für sein Vertrauen und seine wohlwollende Begleitung unseres Projektes herzlich danken. Unser Dank schließt unsere Lektorin, Frau Marion Drachsel, und Frau Dr. Nadja Urbani in der Funktion der Projektmanagerin ein.

Annegret Boll-Klatt

Mathias Kohrs

Hamburg, im Januar 2018

I

Die vier klassischen Psychologien der Psychoanalyse

Das Unbewusste – brauchen wir eine Identität? Ein Prolog

Mathias Kohrs und Annegret Boll-Klatt

Das vorliegende Buchprojekt befasste sich von Beginn der ersten Auflage an mit dem Versuch, die inzwischen fast unüberschaubare Komplexität, Widersprüchlichkeit und Reichhaltigkeit psychodynamischer Konzepte, Modelle, Theorien und Behandlungsformen im jeweiligen historischen Zusammenhang zu kontextualisieren, um sie Studierenden und Ausbildungskandidaten, aber auch erfahrenen Praktikern zugänglich und nutzbar zu machen. Schon der Begriff psychodynamisch ist strittig; seit 1980 wird der Begriff der Psychodynamischen Psychotherapie in der amerikanischen Literatur verwendet, wenn über kurze, meist auf spezielle Störungsbilder ausgerichtete Behandlungen berichtet wurde (z. B. Davanloo 2001; Shedler 2011). Heute gilt er als Sammelbegriff für aus analytischen Ursprüngen entstandene, vielfältig weiterentwickelte Behandlungsformen.

Psychodynamische Psychotherapie ist dabei ein vieldeutiges Paradigma, ohne einheitliche Theorie, das von verschiedenen Schulen unterschiedlich verwendet und interpretiert wird. Heute ist es zunehmend üblich, nicht mehr nur von den vier klassischen Schulen (Triebtheorie, Ich-Psychologie, Objektbeziehungstheorie und Selbstpsychologie) auszugehen, sondern den Intersubjektivismus als fünfte Schule einzubeziehen. Im Format einer fiktiven Diskussion der verschiedenen Schulen veranschaulicht Mertens (2010, 2011a) diese Heterogenität und Diversifizierungen im Hinblick auf die Persönlichkeits- sowie die Krankheits- und Behandlungstheorie der einzelnen Schulen. Während die Psychodynamische Psychotherapie in der Definition des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung von 2004 als ein Verfahren mit zwei Methoden, nämlich der tiefenpsychologisch fundierten und der psychoanalytischen Psychotherapie, erscheint, definiert die Psychotherapie-Richtlinie weiterhin zwei Verfahren und trennt die analytische von der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie. Heute setzt sich die Bezeichnung Psychodynamische Psychotherapie jedoch international und insbesondere in Deutschland zunehmend als Oberbegriff für die psychoanalytisch begründeten Verfahren durch (vgl. auch Richter im Geleitwort zur 1. Auflage dieses Buchs). Darüber hinaus bildet dieser Begriff eine Klammer, die auch die überaus diversifizierten psychoanalytischen Schulen, Theoriegebäude usw. noch zusammenhält. Ermann und Körner zeigen auf, dass international der Begriff »psychodynamisch« den älteren Begriff »psychoanalytisch« sogar zunehmend verdrängt, sobald »[…] Phänomene unter der Perspektive des Unbewussten betrachtet werden« (Ermann & Körner 2017, S. 234).

»Wie kann ich mich in einem Wissensgebäude orientieren, welches eine Unzahl von Zimmern aufweist, vielfältige Anbauten, Umbauten, Renovierungen und stillgelegte Flügel? Neben diesem Gebäude finden wir dann noch Gartenhäuser und Neubauten, deren Bauherren die ehemalige Freudsche Villa für ein Museum halten oder sie gar abreißen wollen. Schließlich ist der ganze Gebäudekomplex bereits über 100 Jahre alt, und inzwischen haben viele herausragende Forscher daran mitgearbeitet.« (Focke 2012, S. 25)

Was hat es nun aber inhaltlich mit dieser Klammer auf sich, was bedeutet psychodynamisch eigentlich? Wir betreten hier die berühmt-berüchtigte »Common ground«-Debatte (vgl. z. B. Erlich et al. 2003; Thomä 2004; Tuckett 2007; Zwiebel 2013), die wir in der 1. Auflage umgangen haben, um angesichts der Komplexität unserer Aufgabe nicht zu verzagen. Worum geht es? Ausgehend von der Frage »Was macht einen guten Psychoanalytiker aus?« (Zwiebel 2013) geht es um die Suche nach der Gemeinsamkeit aller psychoanalytisch begründeten Schulen, Verfahren und Theorien, so es denn noch eine oder sogar mehrere gibt.

Die Fragestellung ist keineswegs rein theoretischer oder akademischer Natur. Sie berührt sehr zentrale Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung, wenn etwa angesichts der aktuellen Novellierung des Psychotherapeuten-Gesetzes mit Planung einer Direktausbildung darüber nachgedacht wird, was die Studierenden lernen sollen, um sich für eine Approbation in psychologischer Psychotherapie zu qualifizieren. Braucht es noch die Triebtheorie? Was genau ist eine Objektbeziehung? Gibt es psychodynamische Psychotherapie ohne Gegenübertragungsanalyse? Was genau ist eine korrigierende emotionale Beziehungserfahrung? Natürlich spielt auch die berufspolitische Dimension eine wichtige Rolle; so ist es wichtig, gegenüber Kostenträgern und auch im Wettbewerb mit der Verhaltenstherapie, die Grundlagen unseres Verfahrens zu benennen und die Essentials unseres Tuns zu explizieren. Aber da zeigt sich schon das grundlegende Problem: Wir begegnen hier der Spezifität des Gegenstandes, mit dem wir uns befassen – seiner grundlegenden Unschärfe, die nie vollständig auszuloten, gewissermaßen nicht zu quadrieren oder zu digitalisieren ist. Diese Besonderheit lässt sich nun unserer Erfahrung nach an keinem Eckpfeiler des psychoanalytischen Theoriegebäudes so sehr illustrieren und herleiten wie an und von Freuds Konzept des Unbewussten.

Freud hat die Idee, das Konzept des Unbewussten keineswegs erfunden oder entdeckt, sich jedoch auf eine einzigartige Weise damit auseinandergesetzt, es für die therapeutische Behandlung bestimmter Patienten nutzbar und in erkenntnistheoretischer und kultureller Hinsicht zugänglich gemacht. Wie Gödde (2005) zeigt, hat Freud zeitlebens an seiner Vorstellung vom Unbewussten gearbeitet und diese immer weiterentwickelt, verändert, jedoch stets daran festgehalten, dass im Unbewussten das Fundament allen psychischen Lebens bestehe: »Das Unbewußte ist das real Psychische[…]« (Freud 1900 [1990], S. 617).

Warum ist das so bedeutsam?

Wir müssen uns vor Augen halten, dass große Teile des ursprünglichen psychoanalytischen Theoriegebäudes überarbeitet und diversifiziert wurden, bis hin zur Bildung neuer Schulen, Denk-, manchmal möchte man sagen: Glaubensrichtungen. Das hat u. a. und vielleicht vor allem damit zu tun, dass psychoanalytische Therapien im Laufe der letzten Jahrzehnte zur Behandlung bestimmter Patientengruppen spezialisiert wurden, für welche die klassische Psychoanalyse ursprünglich nie gedacht war. Genannt seien vor allem die schweren Persönlichkeitsstörungen, die früher als nicht analysierbar galten, ebenso bestimmte psychotische Patienten oder solche mit schweren Mentalisierungsstörungen oder ausgeprägter Trauma-assoziierter dissoziativer Symptomatik.

Bei allem Fortschritt entstand dabei unserer Erfahrung nach auch ein zunehmendes Problem, das sich vor allem in den langjährigen Psychotherapieausbildungen der jungen Psychologen und Ärzte zeigt. Die Vielzahl an modernen störungsorientierten Behandlungskonzeptionen vermittelt neben massiver theoretischer Konfusion und Überforderung doch auch oft die Illusion einer generellen Machbarkeit im Sinne eines »Was mache ich, wenn […]?«. Im Kontext von Behandlungen, die sich auf bewusst wahrnehmbare Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der psychischen Struktur und damit auf Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit sich selbst und anderen beziehen, wie dies in der Strukturbezogenen Therapie (Rudolf 2012) konzeptualisiert wurde, geraten nicht nur Ausbildungskandidaten in Versuchung, in etwas abzugleiten, was man im ungünstigsten Fall als schlechte Verhaltenstherapie bezeichnen könnte. Genauso kritisch sind Äußerungen einzuschätzen, die darauf abheben, dass ein Patient vor einer »richtigen Therapie« erst noch sein Mentalisierungsdefizit aufarbeiten müsse, so, als ob man erst einmal Vokabeln lernen müsse, bevor man zum Unterricht zugelassen wird.

Hier besteht nach Einschätzung der Autoren die sehr ernst zu nehmende Gefahr, das Spezifikum der psychodynamischen Therapie aufzugeben: die immer wieder paradoxe, oft schwer erträgliche und letztlich nicht abzuschließende Auseinandersetzung mit dem Unbewussten im Prozess des Patienten wie im eigenen Selbst und Lebensprozess.

Das Unbewusste – das unverzichtbare Paradoxon der psychodynamischen Psychotherapie

Warum betonen wir die Bedeutung des Konzepts des Unbewussten so sehr?

Freud wundert sich bereits 1895: »[…]und es berührt mich selbst noch eigentümlich, daß die Krankengeschichten, die ich schreibe, wie Novellen zu lesen sind, und daß sie sozusagen des ernsten Gepräges der Wissenschaftlichkeit entbehren.« (Freud 1895d [1999], S. 227)

Das ist genau das Dilemma, vor dem wir heute auch stehen, allerdings können wir es nicht ganz so leichtnehmen wie Freud, der fortfährt: »Ich muss mich damit trösten, daß für dieses Ergebnis die Natur des Gegenstandes offenbar eher verantwortlich zu machen ist als meine Vorliebe.« (Freud 1895d [1999], S. 227)

Aus verschiedenen, zum Teil bereits o. g. Gründen sind wir heute sehr bemüht, die Wirkungen des Unbewussten insbesondere im Hinblick auf seelische Krankheit, Behandlung und Gesundheit zu beforschen und zu beweisen. Die damit verbundenen Chancen und Risiken dokumentiert z. B. Buchholz (2004) sehr gründlich. Er zeigt, dass die Wirksamkeit psychodynamischer Therapien sehr wohl empirisch belegt werden kann, wenn die Besonderheiten dieser Konzeption präzise berücksichtigt werden, wie dieses in der Zwischenzeit eindrucksvoll geschehen ist (z. B. Leichsenring 2015; Leichsenring et al. 2015b). Andererseits entzieht sich aber das Fundament der Freudschen Konzeption, »das Zentralmassiv der Psychoanalyse« (Buchholz & Gödde 2005, S. 11), dem vollen Zugriff der bewussten, kognitiven Untersuchung immer wieder. Die genannten Autoren zeigen in ihrem fundamentalen dreibändigen Werk, wie weit die Auseinandersetzung mit dem Unbewussten in der menschlichen Geistesgeschichte zurückreicht. Wenn es um das »Erkenne Dich selbst« geht, verweist Freud selbst auf die ödipale Tragödie; die damit verbundene – und nie schmerzlos zu habende – Suche nach der Individualität wird aber von den Autoren weit vor dem antiken Griechenland des bekannten Orakels verortet (vgl. Buchholz & Gödde 2005, S. 321). Freud ist somit nicht der Entdecker des Unbewussten. Wenn man überhaupt von einem Entdecker oder Entdeckern sprechen wollte, müsste man ebenso Kant, Schopenhauer und Nietzsche nennen sowie auch Platon und Aristoteles aus der Antike. Hieronymus Bosch, der im 15. und am Beginn des 16. Jahrhunderts in den heutigen Niederlanden seine Werke schuf, hat wohl am eindrücklichsten die Schreckensvisionen einer von unzähligen Dämonen bevölkerten intrapsychischen Unterwelt im Bild zur Darstellung gebracht. In der tiefsten Tiefe der menschlichen Psyche wuchern die unbändigen Leidenschaften und Begierden, hier lauern das Böse und die Destruktivität. Umgangssprachlich wird das Unbewusste häufig auch als das Unterbewusste bezeichnet, was der Tatsache geschuldet ist, das es von Beginn an mit einer Tiefenmetaphorik in Zusammenhang gebracht wurde, die Freud selbst später dann noch gesteigert hat, indem er das Unbewusste metapsychologisch zu einem asozialen Ort des Triebhaften erklärt hat. Schon mit Beginn der Aufklärung, lange, bevor sich die Psychoanalyse dem Unbewussten zuwandte, avancierte das Unbewusste zum Gegenstand öffentlicher Erforschung (Altmeyer 2016, S. 105). Die »Geheimkammern der Seele«, »die gefährlichen Unterströmungen der animalischen Natur des Menschen« (Altmeyer 2016, S. 105), die Region, in der sich das Ungeheure und Unheimliche verbarg, sollten der Selbsterkenntnis, der Erkenntnis durch andere und der Kommunikation zugänglich werden. Im 17. Jahrhundert begann mit Descartes der Siegeszug der Bewusstseinsphilosophie; mit der Bezeichnung »res cogitans« für die psychische Realität setzte er die Seele mit Bewusstsein gleich und stellte sie den »res extensa« als materielle Realität gegenüber. Der darin begründete Leib-Seele-Dualismus wirkt bis heute weiter. Vor allem aber ist die Auseinandersetzung mit dem Unbewussten historisch im Spannungsfeld zwischen Aufklärung und Romantik verortet. Die Aufklärung, seit Kant definiert als »Mut, selber zu denken«, verführe häufig genug zum Irrtum, Vernunft mit maximaler Planbarkeit gleichzusetzen, die Resultate seien jedem bekannt: »Vernunft kommt immer zu spät« (Buchholz & Gödde 2005, S. 32).

Die Romantik stellte dann eine gewisse Gegenbewegung dar, auch philosophische Bewegungen suchten nach Erfahrungen und Erweiterungen in Bereichen jenseits oder abseits der Vernunft. Ähnlich wie später in den 1960er- und 1970er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es starke Sehnsüchte nach Entgrenzung, Verschmelzung, kosmischer Erfahrung und Transzendenz der Rationalität.

Und genau in diesem Bereich ist wohl das Fundament der psychoanalytischen Konzeption bis heute zu sehen: zwischen dem unbedingten Ziel, auch beängstigende, hoch konflikt- und triebhafte Bereiche des menschlichen Seelenlebens offenzulegen, zu benennen und sie in ihren Funktionen wie Dysfunktionen so gut wie möglich zu begreifen – und dem Wissen um den nicht auszulotenden Urgrund des zutiefst irrationalen leiblich-seelischen Bereiches des Unbewussten. Im besten Fall gelingt es, das Unheimliche in uns zumindest teilweise zu entschlüsseln, ein Verständnis für das letztlich Un-fassbare zu entwickeln und Inhalte des mystischen, abergläubischen, religiösen voraufgeklärten Kosmos, die zum Grundbestand des menschlichen Seelenlebens gehören, gewissermaßen zurückzuerobern – diesmal aber in einem humanistischen und wissenschaftlichen Kontext!

Freud war sich der Tragweite dieser Perspektive sehr bewusst. Bereits in einer frühen Arbeit über Charcot weist er darauf hin, dass eine Theorie der Neurose »den ›Dämon‹ der priesterlichen Phantasie durch eine psychologische Formel ersetzt« habe (Freud 1893f [1999], S. 34, Hervorhebung i. O.). In der Konsequenz wurde aus der Psychoanalyse bereits sehr früh sehr viel mehr als eine hochspezialisierte medizinische/psychologische Disziplin zur Krankenbehandlung. Wie wir heute wissen, nahm sie einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf die kulturelle Entwicklung des 20. Jahrhunderts und wurde eine bis heute nicht erschöpfte Fundgrube als Kulturtheorie.

Freud erkannte bald die daraus resultierende Sonderstellung der Psychoanalyse und deren problematische Konsequenzen: »So erwachsen der Psychoanalyse aus ihrer Mittelstellung zwischen Medizin und Philosophie nur Nachteile. Der Mediziner hält sie für ein spekulatives System und will nicht glauben, daß sie wie jede andere Naturwissenschaft auf geduldiger und mühevoller Bearbeitung von Tatsachen der Wahrnehmungswelt beruht; der Philosoph, der sie an dem Maßstab der eigenen kunstvoll aufgebauten Systembildungen mißt, findet, dass sie von unmöglichen Voraussetzungen ausgeht, und wirft ihr vor, daß ihre – erst in Entwicklung befindlichen – obersten Begriffe der Klarheit und Präzision entbehren.« (Freud 1925e, S. 104)

Die psychoanalytische Bewegung hat seit ihrer Frühzeit unter den daraus resultierenden Tendenzen und Spannungen teilweise sehr leidvolle, aber eben auch bedeutsame Entwicklungsprozesse durchlaufen. Einerseits galt und gilt es, Grundpositionen wie eben das Konzept eines dynamischen Unbewussten zu verteidigen, um zu verhindern, dass die Psychoanalyse ihre Identität verliert. Andererseits – und das gilt heute umso mehr – musste sich die Psychoanalyse stets mit der Forderung auseinandersetzen, kontroverse Erkenntnisse aus der eigenen Behandlungserfahrung wie auch aus Nachbardisziplinen zumindest nicht zu leugnen, sondern sie in einen möglichst produktiven Reflexionsprozess zu überführen.

Wir wissen heute, dass das – vorsichtig formuliert – nicht immer zeitnah gelungen ist. Man denke an die leidvolle, fast tragische Geschichte Bowlbys, der zunächst aus der psychoanalytischen Gemeinschaft ausgeschlossen werden sollte, weil er die psychoanalytische Forschungsmethode, das sog. psychoanalytische Junktim, verlassen hatte und Kleinkinder beobachtete, statt aus Analysen älterer Kinder und Erwachsener entsprechende theoretische Rückschlüsse zu ziehen (▶ Kap. 9, Kap. 10). Die Bindungstheorie gilt heute als Basis der Mentalisierungstheorie Fonagys und stellt eine nicht mehr wegzudenkende psychodynamische Entwicklungstheorie der Angstbewältigung dar.

Allerdings: Wie bereits angesprochen, haben viele dieser zahlreichen neuen Einflüsse – so hoch ihr Erkenntnisgewinn auch jeweils sein mag – oft die Wirkung, gerade dem Berufsanfänger zu suggerieren, man könne nun auf einige Basics der psychodynamischen Therapie verzichten, etwa die Widerstandsanalyse und den sorgfältigen Umgang mit Übertragung und Gegenübertragung. Und genau dann gerät das basale Konzept der psychoanalytischen Verfahren in die bereits von Lorenzer beschriebene Gefahr, zur »Lagerhalle psychoanalytischer Theorien« zu werden, in der sich »alle möglichen Disziplinen […] bedienen können, wie in einem Selbstbedienungsladen« (Lorenzer 1986, S. 16, zit. n. Buchholz & Gödde 2005, S. 19). Dieser gewissermaßen zentrifugalen Wirkung mancher Einflüsse und Theorien stehen die eher zentripetalen Kräfte gegenüber, die sich im Rahmen klassischer Konzepte um die Erhaltung des psychoanalytischen Grundbestandes bemühen. Als ein Repräsentant dieser Richtung ist André Green zu nennen, dessen Kontroverse mit Daniel Stern legendär ist (▶ Kap. 10). Die Betonung der zentripetalen Kräfte birgt allerdings zunehmend die Gefahr in sich, den Anschluss an den wissenschaftlichen Diskurs und damit allmählich an berufspolitischer Relevanz zu verlieren.

Wie sich also leicht zeigen lässt, hat die ungeheuer spannungsreiche »Mittelstellung«, von der Freud spricht, auch heute nichts von ihrer Brisanz verloren. Buchholz (2017) nennt sie »die alte Frontstellung zwischen ›Hermeneutikern‹ und ›Empirikern‹«. Er arbeitet heraus, dass sich in der aktuell beabsichtigten Akademisierung der Ausbildung erneut regelrechte »psychotherapy wars« entfalteten. Vor dem Hintergrund eines empirischen Forschungsparadigmas drohe eine »Remedizinalisierung der psychotherapeutischen Profession« mit einem technisch-pharmakologischen Verständnis von Psychotherapie zulasten einer humanwissenschaftlichen Perspektive (Buchholz 2017, S. 289 ff.).

Zur Vertiefung der Thematik sei an dieser Stelle auf den umfassenden Überblick über die erheblichen Weiterentwicklungen des Konzepts vom Unbewussten in den wichtigsten psychoanalytischen Schulen und den Nachbarwissenschaften, aber auch einiger Randdisziplinen der letzten 100 Jahre von Leuzinger-Bohleber & Weiß (2014) verwiesen.

Wo stehen wir heute in dieser Frage?

Wie sich im Verlauf dieses Buches immer wieder zeigen wird, hat Freuds Konzept des dynamischen Unbewussten nichts von seiner Bedeutung verloren.

Gödde (2005, S. 347 ff.) zeigt, dass Freud in einer langen geistesgeschichtlichen Tradition steht, die sich mit der Natur des Unbewussten auseinandersetzt. Er fasst drei Linien zusammen, die sich mit je eigener Perspektive und Akzentuierung der Frage nähern und die Freud erkennbar beeinflusst haben:

Die Vorstellung eines kognitiven Unbewussten, das der Aufklärung nahesteht. Es lässt sich dem Vorbewussten bei Freud zuordnen, das dieser auch deskriptiv Unbewusstes genannt hat. Es ist nicht unmittelbar zugänglich, kann aber durch kognitive Prozesse relativ einfach erschlossen und dann auch verbalisiert werden. Im Zentrum steht ein rationales Erkenntnismodell. Eine Beschränkung auf diese Dimension ergebe letztlich eine Bewusstseinspsychologie.

Das Konzept eines vitalen Unbewussten, das der Romantik entstammt. Es entspricht Freuds Vorstellungen vom Unbewussten, dem er zahlreiche Eigenarten, gewissermaßen ein Eigenleben zuordnet. Unter anderem betont er schöpferische Prozesse, die sich aus der Kommunikation zwischen Unbewusstem und Vorbewusstem entwickelten (Freud 1915e [1999], S. 288 ff.). Das Unbewusste ist hier eher fast ein eigener Organismus, ein dunkler Kontinent, dessen vitale Potenz unser Lebens sehr viel mehr bestimmt als unser bewusster Wille und die rationale Kognition.

Das Modell eines triebhaft-irrationalen Unbewussten, das im Gegensatz zur häufig verklärenden, idealisierenden Perspektive der Romantik die letztlich eher leibliche, dem Tierreich nahestehende Natur des Es betont, in der es letztlich um Selbst- und Arterhaltung geht. Hier sind vor allem Freuds späte Konzeptionen zu verordnen, in denen er die Autonomie des Ich grundlegend infrage stellt (»Nicht Herr im eigenen Haus«!) und es im Rahmen seines Instanzenmodells einem gefährlich triebhaften Es und einem ebenso übermächtigen repressiven Über-Ich gegenüberstellt.

Es wird bereits in dieser kurzen Zusammenfassung deutlich, wie schillernd, gegensätzlich und ergänzend die Vorstellungen vom Unbewussten in uns, dem Individuum, aber auch der kollektiven Kultur sind – das Unbewusste ist auch immer das Andere, das Gegen, das Vergessene oder Nie-Gewusste.

Auch Freud hat sich damit – und zwar Zeit seines Lebens – befasst. Für ihn gab es im Wesentlichen drei entscheidende Dimensionen in der Auseinandersetzung, man könnte vielleicht sagen der Kartographierung des Unbewussten:

Die Unterscheidung zwischen dem bloß deskriptiven, eigentlich latent Unbewussten, dem Vorbewussten, jederzeit durch Ansprache bewusstseinsfähig und der Rationalität recht zugänglich, und dem dynamischen Unbewussten. Letzteres ist das eigentliche Objekt der Psychoanalyse, es speist sich aus verdrängtem seelischem Material, das einerseits zurück zum Bewusstsein, zur Entladung und Triebbefriedigung drängt und dem sich andererseits der Widerstand entgegenstellt, der unsere Therapien oft so schwierig gestaltet.

»Unseren Begriff des Unbewußten gewinnen wir also aus der Lehre von der Verdrängung. Das Verdrängte ist uns das Vorbild des Unbewußten.« (Freud 1923b [1999], S. 241)

Wie in Kapitel 1 ausgeführt wird, betont Freud in der Auseinandersetzung mit dieser kategorialen Unterscheidung immer wieder die sehr spezifischen Eigenheiten des dynamischen Unbewussten: die nur hier ablaufenden Prozesse der Verschiebung/Verdichtung, die Unzerstörbarkeit der Inhalte, die Dominanz von Primärprozess und Lustprinzip, die Abwesenheit von Zeit, Kausalität, Verneinung und Widerspruch.

Die Vorstellung, dass die konflikthafte Grundkonstellation in der Entstehung von Neurosen stets zwischen einem bewussten Ich und einem andrängenden Unbewussten zu sehen sei, müsse aufgegeben werden:

»Auch ein Teil des Ichs, ein Gott weiß wie wichtiger Teil des Ichs, kann ubw sein, ist sicherlich ubw.« (Freud 1923b [1999], S. 244, Hervorhebung i. O.)

Hier liegt die bis heute gültige therapeutische Basis der psychoanalytisch begründeten Verfahren, dass der unbewusste Konflikte in und zwischen allen seelischen Instanzen wirksam werden kann.

Die Anerkennung eines nicht-verdrängten Unbewussten:

»Alles Verdrängte muss unbewußt bleiben, aber wir wollen gleich eingangs feststellen, dass das Verdrängte nicht alles Unbewußte deckt. Das Unbewußte hat den weiteren Umfang; das Verdrängte ist ein Teil des Unbewußten.« (Freud 1915e [1999], S. 264)

Freud postuliert bereits sehr früh eine vererbte, kollektive Basis des Unbewussten, die er einer »psychischen Urbevölkerung« gleichsetzt und zu der das später verdrängte seelische Material, das »als unbrauchbar Beseitigte« hinzukomme (Freud 1915e [1999], S. 294).

Diese letztgenannte Dimension hat in den vergangenen Jahren eine erhebliche Aktualität gewonnen. War die Annahme einer »Urverdrängung« (Freud 1915b [1999], S. 280) lange eher Bestandteil metatheoretischer Überlegungen zur Entstehung des psychischen Apparates und Entwicklung grundlegender Funktionsweisen, treten heute Bezüge in den Vordergrund, die erhebliche Konsequenzen für Diagnostik und Therapie spezifischer und bedeutsamer Störungsformen haben.

Wie z. B. Geißler (2014) zeigt, wusste Freud bereits, »[…] dass die Mehrheit der unbewussten Gedanken nicht-verdrängte Inhalte des Unbewussten sind« und »[…] dass es Erlebnisse aus sehr früher Kindheit gebe, zu deren Kenntnis der Analytiker nur durch Träume gelange« (Geißler 2014, S. 415). Er hat diese intuitiven Erkenntnisse allerdings nicht weiter verfolgt und sie nicht in behandlungstechnisch relevante Konzeptionen umsetzen können.

Im Zuge der Weiterentwicklung der psychoanalytischen Metatheorie, die sich heute weniger mit den »Triebschicksalen« (Freud 1915c [1999]) in der psychischen Entwicklung, dafür umso mehr mit den Objektschicksalen (▶ Kap. 3, Kap. 6), dem Entwicklungsgang der bewussten und unbewussten Selbst- und Objektrepräsentanzen sowie der Beziehungen zwischen diesen befasst, hat sich diese Situation entscheidend geändert. Wir wissen heute, dass grundlegende Erfahrungen der ersten Lebensjahre, die weit vor der Sprachentwicklung und jeder Symbolisierungsfähigkeit liegen, sehr wohl zu einer Repräsentanz, einer Erinnerung niedergeschrieben werden. Aber eben nicht im expliziten, deklarativen, sprachlich codierten Gedächtnis, sondern im sog. impliziten, prozeduralen Gedächtnis, das manche Autoren auch Körpergedächtnis nennen.

In diesem Kontext wird gern von vorsprachlichen Erinnerungen gesprochen; das macht aus Sicht der ontogenetischen Entwicklung auch Sinn. Hier liegen die frühesten Erinnerungen, das »Ungedachte Bekannte« (Bollas 2014), das unser Leben so grundlegend prägt, ihm eine Tönung verleiht, die der Identität wohl ihre letztlich unabänderliche Eigenheit gibt.

Aus einer anderen Sicht ist es aber evtl. klüger, von einer Ebene unsprachlicher Erinnerungen und Prozesse zu sprechen. Es handelt sich hier eben nicht einfach um unreife, primitive, archaische Vorläufer unserer bewussten, sprachlichen und symbolisierenden Kompetenzen, die sich erst später und in sehr langwierigen Prozessen entwickeln und die dann so nah mit unserem bewussten Selbstbild verbunden sind.

Das Ich ist eben nicht Herr im eigenen Haus, wie schon Freud wusste, und ebenso wenig wird unser Seelenleben in den tieferen Schichten von symbolisierbaren Prozessen bestimmt, sondern offenbar sehr viel mehr von beunruhigender, machtvoller leibnaher Dynamik. Diese lässt sich durchaus theoretisch konzeptualisieren, wir sprechen vom unverdrängten Unbewussten, dessen Psycho-Dynamik sich nicht erschöpfend im Ringen zwischen triebhaften Impulsen, traumatischen Erinnerungen und deren Abwehr beschreiben lässt. Vielleicht kommt man der existenziellen und identitätsstiftenden Natur dieser Prozesse mit Loewald (1960 [2017]) am Nächsten, der in seiner Diskussion der zwingenden Natur der Übertragungsprozesse betont: »Ohne diese Übertragung – der Intensität des Unbewußten, der infantilen Formen des Erlebens, die keine Sprache haben und kaum organisiert sind, aber über die Unzerstörbarkeit und die Macht der Ursprünge des Lebens verfügen – auf das Vorbewußte, auf heutiges Leben und auf gegenwärtige Objekte; ohne diese Übertragung oder in dem Maße, wie sie fehlschlägt, wird das Menschenleben unfruchtbar und zu einer leeren Hülse.« (Loewald 1960 [2017], S. 538 f.; ▶ Kap. 23)

Exemplarisch lässt sich dies auch am Kleinianischen Konzept der projektiven Identifizierung nachzeichnen, die eben nicht nur einen frühen, vorsprachlichen Bewältigungsmechanismus und später einen überwiegend pathologischen Abwehrmodus beschreibt, sondern auch eine genuin menschliche Kommunikation ohne Sprache und Symbol. Diese lässt die Mutter verstehen, wie es ihrem Kind geht, und es liegt sehr häufig dem zugrunde, was wir Intuition nennen, wenn wir spontan spüren, »was los ist«. Es verwundert nicht, dass diesen Phänomenen etwas kaum Greifbares anhaftet, sie sich der Sprache immer wieder entziehen, dies ist eben die ganz spezifische Unschärfe unseres Sujets, der wir nie ganz erliegen dürfen, die wir jedoch auch nie wirklich überwinden werden.

Und genau hier liegt ein unverzichtbarer Besitzstand der psychodynamischen Verfahren, der weit über die Anwendung theoretischer Konzepte hinausgeht und den es – insbesondere im Kontext der Ausbildungen junger Kollegen – zu erhalten gilt.

Auch – evtl. sogar gerade – das vorliegende Buch mag zu der Annahme verleiten, psychodynamische Therapie bestünde in der Anwendung möglichst ausgefeilter Theorie, umgesetzt in Module vorgefertigter oder spontan erstellter Interventionen.

Tatsächlich besteht die Durchführung psychodynamischer Psychotherapie nach Ansicht der Autoren nach wie vor in einem möglichst sensiblen Wahrnehmen paradoxer, widersprüchlicher, seltsamer und zunächst unverständlicher Prozesse, auch und gerade im Behandler selbst. Diese sind allenfalls im Prozess der Nachträglichkeit theoretisch zumindest annähernd zu klären, und jede Stunde, in der wir unbewusster Dynamik erliegen, »deckt dann den Tisch für die nächste Sitzung« (Doering 2016, persönliche Mitteilung). Die fortwährende, hoffentlich ein Berufsleben lang anhaltende Auseinandersetzung mit der Theorie kann dabei helfen, diese Sensibilität zu erhöhen und die Auseinandersetzung möglichst fruchtbar zu gestalten, denn auch hier gilt natürlich Goethes Einsicht : »Man sieht nur, was man weiß« (Goethe 1819 [1948], S. 142). Bohleber et al. (2013) formulieren diesen Prozess folgendermaßen:

»Ein Analytiker ruft in der Behandlungsstunde nicht einfach theoretische Überlegungen und Konzepte aus seinem Gedächtnis ab; vielmehr vollzieht sich ein Entdeckungsprozess, in dem er die auf dem klinischen Material beruhende Theorie wiederentdecken muss, auch wenn er sie bereits internalisiert hat. Auf diese Weise entwickelt der Analytiker implizite und private Theorien, die nicht bewusst sind.«

Und wie steht es nun um das Unbewusste im interdisziplinären Diskurs mit den Nachbarwissenschaften, insbesondere mit den Neurowissenschaften?

Wenn das Unbewusste in der Psychoanalyse und den psychodynamischen Therapiemethoden von zentraler Bedeutung ist, stellt sich u. a. auch die Frage, wie anschlussfähig dieses theoretische Konzept an die Nachbarwissenschaften ist. Leuzinger-Bohleber und Weiß (2014) postulieren in Übereinstimmung mit vielen modernen Analytikern, dass psychoanalytische Modelle und Konzepte nicht im Widerspruch zu denen der Nachbarwissenschaften stehen sollten. Diese Prämisse gilt umso mehr, je fundamentaler und weitreichender ein Modell ist. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wenden sich die beiden Autoren ausführlich der Frage nach dem Unbewussten als Gegenstand interdisziplinärer Forschung zu. Sie betonen, dass die Psychoanalyse eine Wissenschaft sui generis sei (Bohleber & Weiß 2014, S. 34) und sich jeder eindeutigen Zuordnung zu den klassischen Wissenschaften entziehe. Einerseits fokussiere die Psychoanalyse hermeneutische Prozesse, indem sie auf die Interpretation menschlichen Verhaltens ausgerichtet ist. Andererseits berücksichtige sie aber auch die körperliche Verankerung psychischer Vorgänge und stelle damit die Anschlussfähigkeit an die Biologie, die Medizin und insbesondere an die Neurowissenschaften her.

Dabei dürfen grundlegende Unterschiede jedoch nicht übersehen werden: Psychoanalyse beruht auf Intersubjektivität, während die Neurowissenschaften in der Beziehung eines Subjektes zu einem Objekt ihres Forschungsinteresses wurzeln. Auch gehorcht die zugrunde liegende Logik unterschiedlichen Gesetzen: Die Neurowissenschaften beruhen auf einer Logik des Erklärens, während sich die Psychoanalyse vor allem durch die Logik des Verstehens auszeichnet (Mancia 2008, S. 19). Beide Disziplinen beschäftigen sich jedoch teilweise mit sehr ähnlichen Fragestellungen, z. B. wie frühere Erfahrungen bewusst oder unbewusst unser aktuelles Fühlen, Denken und Handeln beeinflussen, wie unser Gedächtnis funktioniert oder wie es in spezifischen Situationen zu bestimmten Erinnerungsprozessen kommt. Dieses interdisziplinäre Nachdenken darf allerdings nicht verstanden werden als eine Neuauflage des Versuchs, psychische Prozesse auf neurophysiologische zu reduzieren, wie Freud sie in seinem »Entwurf einer Psychologie« (1895 [1987]) formulierte. Auch die Neurowissenschaften liefern keine Wahrheiten an sich, sondern formulieren – wie andere Wissenschaften auch – Konzepte und Modelle, die ihre Beobachtungsdaten möglichst adäquat interpretieren und erklären.

Freuds These, dass psychische Vorgänge jeglicher Art unbewusst vonstattengehen, ist unter den renommiertesten Neurowissenschaftlern inzwischen unumstritten (Solms 2015, S. 63). Es wird allgemein anerkannt, dass das Bewusstsein sehr begrenzt ist, es haftet dem geringsten Teil unserer psychischen Aktivitäten an. Man geht heute davon aus, dass das Bewusstsein nicht mehr als ungefähr sieben Informationseinheiten gleichzeitig zu speichern vermag. Dieser Anteil ist mehr als bescheiden, wenn man sich vor Augen führt, welche gewaltige Menge an Informationen im menschlichen Geist enkodiert ist und welches Ausmaß an Informationsverarbeitung nötig ist, um alltägliche mentale Aktivitäten durchzuführen. Diese Überlegungen lassen zu Recht den Schluss zu, den Freud zog: dass nämlich das Bewusstsein nur die Spitze des Eisberges darstelle.

Inzwischen liegt eine Fülle zuverlässigen experimentellen Materials vor, das die Existenz eines »motivierten Vergessens« nachweist. Kaum jemand bestreitet, dass es möglich ist, etwas deshalb zu »vergessen«, weil man es nicht erinnern will. Jeder kennt aus seinem Alltag die negativen Auswirkungen von Stress auf die Speicherungsfähigkeit des Gedächtnisses, auf die kognitive Leistungsfähigkeit und die Verfügbarkeit von Verhaltensalternativen. Im realen und übertragenen Sinne kommt es zu einer verengten Sichtweise, die eng mit der stressassoziierten Cortisolausschüttung zusammenhängt (▶ Kap. 16).

Auch in Bezug auf die Abrufbarkeit, die in der Psychoanalyse in Form des Abwehrkonzeptes von Beginn an als grundlegend erachtet wird, existieren inzwischen viele empirische Belege: Wie auch immer gearteter Stress kann zu Blockaden im Sinne der Repression von Gedächtnisinhalten führen. Diese Informationen sind zwar weiter im Gedächtnis existent, nur der Zugang zu ihnen ist unterbunden. Psychoanalytische Theorien gehen davon aus, dass die Art der Informationen zu bedrohlich ist und deshalb deren Abrufbarkeit verhindert wird. Markowitsch (2009, S. 152) führt aus, dass aller Wahrscheinlichkeit nach die Ausschüttung bestimmter Stresshormone zu einer Änderung der Biochemie im Hirnstoffwechsel führt. Stresshormone koppeln sich an Rezeptoren von Nervenzellen an, die dann keine ausreichende Anzahl »freier Ankerplätze« (Markowitsch 2009, S. 152) für ankommende Überträgerstoffe mehr haben, sodass die zu übertragende abzurufende Information nicht mehr bewusst präsent gemacht werden kann. Ein vor über 15 Jahren in der Zeitschrift NATURE erschienener Kommentar zu einschlägigen Experimenten von Kognitionswissenschaftlern zog folgenden Schluss: »Wenn bei durchschnittlichen Personen in einem harmlosen Laborexperiment signifikante Verdrängungseffekte erzeugt werden können, dann sind in realen Lebenssituationen weit stärkere Effekte zu erwarten.« (Conway 2001, S. 310; vgl. Solms 2015, S. 65). Die Tatsache, dass sowohl die Fähigkeiten zur Einspeicherung als auch die des Abrufes durch innere und äußere Einflüsse beeinträchtigt werden können, steht in einer Linie mit dem Konzept des dynamischen Unbewussten.

Ausgehend von Freuds Konzept des Urverdrängten (Freud 1915e [1999]) hatten Psychoanalytiker von jeher angenommen, dass das prä- bzw. nicht-verbale Erfahrungswissen anderen Gesetzmäßigkeiten der Einspeicherung und des Abrufs unterliegt als das spätere verbal organisierte symbolisierte Wissen, das aus psychodynamischen Gründen verdrängt werden kann. Aber erst die gehirnanatomische und -funktionelle Unterscheidung von zwei Systemen, die des nicht-deklarativen/impliziten und des deklarativen/expliziten Gedächtnisses (LeDoux 1996; Schacter & Kober 2001; Tulving & Craik 2005) führte zu einer interdisziplinär ergiebigen Neukonzeptualisierung entwicklungspsychologischer und klinischer Annahmen. Das explizite, als bewusst definierte Gedächtnis wird durch den Temporallappen und den präfrontalen Kortex vermittelt, wobei dem Hippocampus als der wichtigsten gedächtnissensitiven Struktur eine zentrale Stellung zukommt. Das implizite Gedächtnis hingegen, das seinem Wesen nach emotional ist, steht unter der Kontrolle der Amygdala, die sich verschiedener Hirnstrukturen bedient: des Hypothalamus, des Hirnstamms, der Basalkerne, des Kleinhirns und Bereichen des assoziativen Kortex. Das implizite Gedächtnis reift sehr viel früher; die Amygdala ist bereits in den letzten Schwangerschaftswochen aktiv (Mancia 2008, S. 22). Hingegen ist der für das deklarative Gedächtnis so wichtige Hippocampus erst im dritten bis vierten Lebensjahr funktionsfähig, d. h., dass Neugeborene in den ersten drei Jahren nur über das implizite Gedächtnis verfügten. Dieses frühe Unbewusste ist nicht das Ergebnis von Verdrängung, denn ohne die Strukturen des expliziten Gedächtnisses, vor allem des Hippocampus, gibt es keinen Verdrängungsmechanismus. Erinnert wird in Verhalten, nicht in Gedanken (Kettner & Mertens 2010, S. 50). Die infantile Amnesie ist das bekannteste Phänomen, das auf diese neurobiologischen Prozesse rückführbar ist.

Fazit: Brauchen wir eine Identität?

Auch wenn sich weiterhin viele Diskussionen um die Frage ranken, ob die psychoanalytisch begründeten Therapien überhaupt einen common ground brauchen und worin der denn bestehen könnte, möchten wir Altmeyers Standpunkt übernehmen: »Das Fehlen einer Kerntheorie, als Pluralismus gefeiert, ist verheerend für eine Wissenschaft« (Altmeyer 2014). Wir sehen in der Arbeit mit dem Unbewussten in seinen beiden Dimensionen das Alleinstellungsmerkmal unseres Therapieverfahrens. Sein Pluralismus, gebildet aus vielfältigen Diversifizierungen und Spezialisierungen, wird erst dann zum Reichtum, wenn seine potenzielle Sprengkraft durch die Klammer einer Kerntheorie zusammengehalten wird. Nur die identitätsstiftende Wirkung einer schulenübergreifenden Kerntheorie kann der Gefahr, dass zu viele zentrifugale Kräfte das Dach unseres Verfahrens sprengen, entgegenwirken. So haben durchaus interessante Ideen im Lauf der psychoanalytischen Theoriegeschichte zu einer Überfülle, Überkomplexität und Überspezifizierung von Konzepten geführt, die selbst für Insider kaum noch zu überschauen sind. Um Einordnungen vornehmen zu können und den Überblick zu behalten, braucht es nach Meinung der Autoren (mindestens) zwei grundlegende Kriterien:

die Reflexion des historischen Kontextes und

den Abgleich mit der Theorie des Unbewussten

Noch ein anderes Argument sollte nicht außer Acht gelassen werden: Im Zuge einer zunehmenden Tendenz zur eklektischen Integration unterschiedlicher Therapiemethoden in verschiedene Therapieverfahren werden genuin psychoanalytische Konzepte herausgelöst und häufig in einer gewissen »Light-Version« in andere Verfahren implementiert. Die so wichtige Frage, ob die Kerntheorien unterschiedlicher Verfahren, die auch mit einem abweichenden Menschbild einhergehen, überhaupt kompatibel sind, wird zugunsten eines atheoretischen Pragmatismus vernachlässigt.

Viele kluge psychoanalytische Denker haben im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die Suche nach einer gemeinsamen Grundlage eröffnet und eine Modernisierungsbewegung der zeitgenössischen Psychoanalyse in Gang gesetzt. Die klassische Beschränkung auf innerseelische Vorgänge wurde aufgegeben und dem zwischenmenschlichen Geschehen mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Der Andere ist »[…] nicht länger auf seine bloße Funktion als Objekt eines triebhaften Subjekts reduziert, sondern als anderes Subjekt anerkannt, das jenseits der Lustbefriedigung zu Zwecken emotionaler Bindung, sozialer Beziehung und eigener Selbstvergewisserung gebraucht wird« (Altmeyer 2016, S. 109). Diese Entwicklung wird zumeist als intersubjektive oder relationale Wende benannt (vgl. z. B. Altmeyer & Thomä 2006; Bohleber 2012; Fonagy et al. 2004; Potthoff & Wollnik 2014). Auch und gerade bei einer Fokussierung intersubjektiver Prozesse bleibt das permanente Wirken des Unbewussten unverzichtbarer Gegenstand des psychodynamischen Arbeitens.

1 Triebtheorie und Metapsychologie

Mathias Kohrs

»In den Erinnerungen jedes Menschen gibt es Dinge, die er nicht allen mitteilt, höchstens seinen Freunden. Aber es gibt auch Dinge, die er nicht einmal den Freunden gesteht, sondern höchstens sich selbst und das auch nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Schließlich gibt es auch solche Dinge, die der Mensch sogar sich selbst zu gestehen fürchtet, und solche Dinge sammeln sich bei jedem anständigen Menschen in ziemlicher Menge an.«

(Dostojewskij 1864 [1984])

1.1 Einführung

Freuds Triebtheorie – und eigentlich gibt es derer mindestens drei – liegt im Zentrum der von ihm entwickelten Psychoanalyse. Ohne sie sind weder das dynamische Unbewusste, der unbewusste Konflikt noch die Symptombildung im psychoanalytischen Sinne zu denken.

In der Ausbildung psychologischer und ärztlicher Psychotherapeuten bereitet die Vermittlung der freudianischen Triebtheorie allerdings eine spezifische Schwierigkeit, die jedoch durchaus mit Gewinn für den Lernprozess genutzt werden kann: Freud hat seine Triebtheorie während seines gesamten Lebens kontinuierlich weiterentwickelt. Eine geschlossene, in sich konsistente Darstellung seiner Triebtheorie hat er selbst nie vorgelegt. Im Gegenteil, er hat wiederholt ihren stets vorläufigen Charakter betont:

»Die Trieblehre ist sozusagen unsere Mythologie. Die Triebe sind mythische Wesen, großartig in ihrer Unbestimmtheit. Wir können in unserer Arbeit keinen Augenblick von ihnen absehen und sind dabei nie sicher, sie scharf zu sehen.« (Freud 1933a [1999], S. 101)

Eine solche geschlossene, gewissermaßen endgültige Darstellung ist auch heute unmöglich und soll hier sicher nicht versucht werden (einen zeitgemäßen und sehr lesenswerten Entwurf einer modernen Triebtheorie bietet z. B. Müller-Pozzi (2008), eine differenzierte Auseinandersetzung mit problematischen Annahmen wie auch einigen erstaunlich aktuellen Konzeptualisierungen Freuds findet sich bei Krause (2012, S. 161 ff.) Wozu also dieser historische Rekurs?

Gerade in der Ausbildung in den psychodynamischen Verfahren hat sich gezeigt, dass die verschiedenen Dimensionen psychoanalytischen Begreifens – insbesondere der metapsychologischen Konzepte der Triebtheorie, des dynamischen Unbewussten und der psychoneurotischen Symptombildung – nicht getrennt voneinander verstanden und erlernt werden können. Grundlegend ist ein basales Verständnis unbewusster Prozesse, die nicht unmittelbar beobachtet, eingefühlt oder kommuniziert werden können.

Das Unbewusste im psychoanalytischen Sinne ist nicht nur ein noch nicht gedachtes Bewusstes! Es folgt vielmehr einer Eigengesetzlichkeit, die nur in subjektiven Beziehungsräumen prozesshaft erschlossen werden kann.

Ein solcher Prozess findet sich beispielhaft auch in der historischen Entwicklung der Metapsychologie selbst, deren Skizze dem Lernenden Folgendes vermitteln soll: Freud ist in der Entwicklung seiner Metapsychologie, in deren Zentrum die Triebtheorie steht, stets von spezifischen Schwierigkeiten im Verständnis seiner Patienten und insbesondere von Problemen in deren Behandlung ausgegangen. Vor allem die Wechselwirkung zwischen Behandlungstechnik, Metapsychologie und dem Wandel im Verständnis von Krankheitsbildern wird uns beschäftigen. Diese zirkuläre Entwicklung von theoretischer Konzeption, praktischer Anwendung und psychopathologischen Modellen führte zwar zu definierbaren Schritten in Freuds Theorieentwicklung. Gleichzeitig blieben jedoch wesentliche Erkenntnisse aus den jeweils früheren Stufen in den neuen psychoanalytischen Denk- und Behandlungsformen weiterhin einflussreich. May (2014)