Praxisbuch Meer & Küste fotografieren - Theo Bosboom - E-Book

Praxisbuch Meer & Küste fotografieren E-Book

Theo Bosboom

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Beschreibung

Maritime Motive ausdrucksvoll in Szene setzen

  • Wie eindrucksvolle Fotos von Küste und Meer gelingen
  • Aufnahmen aus Norwegen, Island, den Färöer Inseln, Schottland, Irland, Frankreich und vielen anderen Ländern
  • Tipps und Tricks zur Bildgestaltung, Technik und Bildbearbeitung von einem erfahrenen Küstenfotografen

Küste und Meer sind seit Jahrhunderten eine Quelle der künstlerischen Inspiration. Bei der Natur- und Landschaftsfotografie ist das nicht anders. Ein wolkenverhangener Himmel, Brandung, rollende Wellen oder Treibsand während eines Sturms, grafische Muster und Texturen überall im Sand und vor allem das besondere Licht gehören zu den beliebtesten Motiven. In diesem Buch werden alle Zutaten für spektakuläre Küstenfotos behandelt, von der Bildidee über die Ausführung bis zur Bildbearbeitung.
Theo Bosboom ist am Meer geboren und aufgewachsen. Obwohl er jetzt in der Region Veluwe lebt, ist er immer noch regelmäßig an der Küste anzutreffen. Er kennt die Geheimnisse dieses Landschaftstyps wie kein zweiter und teilt sie mit Ihnen in diesem Praxisbuch über spektakuläre Küstenfotografie. Sie erfahren alles über die Entwicklung einer Bildidee, die Kunst des Sehens und die Vorbereitung des Shootings. Schritt für Schritt führt Sie der Autor in seine Arbeitsweise ein. Das Buch ist nicht nur eine wertvolle Inspirationsquelle, sondern mit den zahlreichen Bildern, die für seine Naturfotografie so typisch sind, auch eine Augenweide.

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Theo Bosboom war schon in jungen Jahren meist am Meer zu finden. In Island wurde er mit dem Fotovirus infiziert, und Island hat Theo nie wieder losgelassen. Zahlreiche Besuche auf der Insel mündeten in seinen Fotobildband »Iceland pure«. Im Jahr 2012 hängte er seinen Beruf als Anwalt an den Nagel, erfüllte sich seinen Traum und machte die Natur- und Landschaftsfotografie zur Vollzeittätigkeit. Diese Entscheidung hat er nie bereut. Die Fotografie ist für Theo die perfekte Mischung aus Outdoor-Aktivität und kreativer Ausdrucksmöglichkeit. Sein innigster Wunsch ist, dass seine fotografischen Arbeiten zu mehr Respekt und Wertschätzung der Natur führen.

Dass auch seine Heimat faszinierende Naturmotive zu bieten hat, bewies er in seinem zweiten Bildband »Dreams of wilderness«. Und in »Shaped by the sea« kehrte Theo zu seinen geliebten Küstenlandschaften zurück.

Theo hat mehrfach erste und zweite Preise bei so renommierten Wettbewerben wie Wildlife Photographer of the Year oder European Wildlife Photographer of the Year gewonnen. Seine Fotos werden regelmäßig in Zeitschriften wie National Geographic, GEO, Outdoor Photography und BBC Wildlife Magazine abgedruckt.

Zu diesem Buch – sowie zu vielen weiteren dpunkt.büchern – können Sie auch das entsprechende E-Book im PDF-Format herunterladen. Werden Sie dazu einfach Mitglied bei dpunkt.plus+:

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Theo Bosboom

PraxisbuchMeer & Küste fotografieren

Spektakuläre Küstenfotos bei Ebbe und Flut einfangen

Übersetzung aus dem Niederländischen von Rolf Dräther

Theo Bosboom · www.theobosboom.nl

Lektorat: Rudolf Krahm

Lektoratsassistenz: Anja Weimer

Übersetzung: Rolf Dräther

Copy-Editing: Sandra Petrowitz, Weyarn

Layout & Satz: Birgit Bäuerlein

Herstellung: Stefanie Weidner

Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de, unter Verwendung eines Fotos des Autors

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print

978-3-86490-873-6

PDF

978-3-96910-832-1

ePub

978-3-96910-833-8

mobi

978-3-96910-834-5

1. Auflage 2022

Translation Copyright für die deutschsprachige Ausgabe © 2022

dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17 · 69123 Heidelberg

Copyright der niederländischen Originalausgabe © 2021 by Uitgeverij Birdpix/Nederpix (PixFactory)

Copyright für die Fotos: Theo Bosboom

Titel der Originalausgabe: Seascapes: Handboek spectaculaire kustfotografie

PiXFACTORY, Watergoorweg 104, 3861 MA Nijkerk

ISBN: 978-9079588350

Hinweis:

Der Umwelt zuliebe verzichten wir auf die Einschweißfolie.

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Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag noch Übersetzer können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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Von klein auf bin ich in Küste und Meer verliebt. | 95 mm, 1/13 s, Blende 13, ISO 200

Von ablaufenden Wellen geschaffene Sandmuster, fotografiert im ersten Sonnenlicht an einem Strand in der Bretagne. | 85 mm, 1/30 s, Blende 11, ISO 200

Einleitung

Wie viele andere Fotografen finde auch ich es großartig, an der Küste zu fotografieren. Mein Herz hüpft jedes Mal vor Freude, wenn ich wieder auf eine unserer Wattinseln oder zu einer herrlich wilden Stelle irgendwo an der europäischen Atlantikküste darf. Es fühlt sich an, als würde man am Meer alles noch intensiver als an anderen Orten erleben. Das Rauschen der Wellen, der Wind im Gesicht, das sich ständig ändernde Licht, der Geruch nach Meer – für mich ist es immer wieder ein wenig so, als kehrte ich nach Hause zurück.

Küstenlandschaften zu fotografieren ist einfach und schwierig zugleich. Einfach, weil man keine spezielle Ausrüstung braucht und es an jedem Strand und zu jeder Tageszeit möglich ist. Immer gibt es mehr als genug zu fotografieren, und die Chancen stehen gut, dass man mit ein paar schönen Bildern heimkommt. Andererseits kann es zu einer ziemlichen Herausforderung werden, im Bild die Dynamik eines Strandes einzufangen, die manchmal hohen Kontraste zwischen Hell und Dunkel gut wiederzugeben und vor allem, mehr aus dem Foto zu machen als den soundsovielten Sonnenauf- oder -untergang. Vielleicht lauern bei Meereslandschaften noch viel mehr Klischees als bei anderen Arten der Landschaftsfotografie. Mit diesem Buch werde ich Ihnen helfen, diese Klischees zu vermeiden und Ihre Fotografie persönlicher zu gestalten.

Die Fotografie hat mein Leben tiefgreifend verändert. Während einer Reise nach Namibia und Tansania im Jahr 2003 faszinierte mich nicht nur die überwältigende Natur Afrikas, sondern auch die Magie der Fotografie. Ich hatte eine analoge Spiegelreflexkamera und ungefähr fünfzig Rollen Dia-Film mitgenommen und spürte plötzlich, wie das Fotografieren meine Reise bereicherte. Der Spruch, man sehe nichts, wenn man die ganze Zeit nur durch die Kamera schaut, traf auf mich nicht zu. Mehr noch: Für mich war es genau andersherum – auf diese Weise nahm ich mehr Dinge wahr und war mir gleichzeitig all dessen, was um mich herum vorging, überdeutlich bewusst. So erlebte ich Natur und Landschaft auf eine wundervolle Weise. Alles war viel intensiver als zuvor. Und mit den entstandenen Dias konnte ich das Erlebnis zu Hause wiederholen.

2006 fuhr ich zum ersten Mal nach Island. Inzwischen war ich begeisterter Hobbyfotograf und arbeitete mit einer viel besseren, digitalen Fotoausrüstung. Auch diese Reise beeindruckte mich nachhaltig – so sehr, dass ich in den Folgejahren nur noch eins wollte: Island weiter mit der Kamera entdecken! Das habe ich dann auch getan, teils sogar mehrmals pro Jahr, zu allen Jahreszeiten und unter allen Umständen. Damals arbeitete ich noch als Anwalt, mit einem guten und sicheren Einkommen, aber sehr wenig Zeit und Raum für Fotografie.

»Yin und Yang«, fotografiert auf den wilden Färöer-Inseln. | 24 mm, 1/20 s, Blende 16, ISO 200

Letztlich brachte ich erst 2012 den Mut auf, endlich das zu tun, wovon ich schon seit Jahren träumte: kündigen, ins kalte Wasser springen und hauptberuflich zum professionellen Fotografen werden! In finanzieller Hinsicht hatte ich logischerweise erhebliche Einbußen, und doch habe ich diesen Schritt keinen Tag bereut. Ich habe so viel zurückbekommen, dass ich mich noch immer glücklich schätze, so leben zu können. Vor allem die häufigen Aufenthalte in der Natur, die Reisen zu wunderbar wilden Orten und das Bestreben, als Fotograf immer wieder neue Wege einzuschlagen, verschaffen mir ein hohes Maß an Befriedigung. Auch die große Freiheit, über die ich als selbstständiger Fotograf verfüge, ist herrlich, und nicht zuletzt habe ich durch die Fotografie viele liebenswerte, reizende, interessante und talentierte Menschen kennengelernt.

In den letzten Jahren habe ich mich intensiv mit dem Fotografieren von Küstenlandschaften auseinandergesetzt. Für mein Fotobuch »Shaped by the Sea« war ich in zehn Ländern entlang der europäischen Atlantikküste von Südportugal bis Nordnorwegen unterwegs, um wilde, interessante und fotogene Strände zu besuchen und zu fotografieren. Dieses großartige Projekt hat meine Liebe zu Meer und Küste weiter vertieft. Man trifft mich auch regelmäßig an den heimischen Küsten. Ich bin verrückt nach Wattgebieten. Meiner Meinung nach ist die niederländische Natur dort am schönsten und authentischsten. Seit Langem fahre ich mindestens einmal im Jahr nach Schiermonnikoog und bin darüber hinaus regelmäßig an anderen Stellen der Wattküste unterwegs. Auch die Küste der Provinz Zeeland und die Nordseeküste haben Fotografen viel zu bieten. Außerdem ist die Opalküste (Côte d’Opale) in Nordfrankreich, gleich hinter der belgischen Grenze, für niederländische und belgische Fotografen ein gut erreichbares, fantastisches Revier, um Meereslandschaften zu fotografieren.1

Ich bin in Noordwijk geboren und somit an der niederländischen Küste aufgewachsen. Viele meiner Jugenderinnerungen sind auf die eine oder andere Weise mit Strand und Meer verbunden: die Touristeninvasion an schönen Frühlingstagen oder während des Sommerurlaubs. Das Gefühl, dass immer Wind weht – etwas, das ich damals für selbstverständlich gehalten habe und von dem ich heute, nach meinem Umzug nach Arnhem, weiß, dass es typisch für die Küste ist. Ich erinnere mich an lange Strandwanderungen im Winter und an Fahrradtouren nach Zandvoort und Langevelderslag im Sommer. Ich erinnere mich an das erste Mal, dass ich durch die starke Strömung Mühe hatte, zum Strand zurückzuschwimmen. Von diesem Moment an war mir klar, dass man den Kräften des Meeres mit viel Respekt begegnen muss. Als Teenager war ich oft mit Freunden im Meer schwimmen. Dabei versuchten wir, uns seiner Kräfte zu bedienen, indem wir mit den brechenden Wellen in der Brandung mittauchten. Bei gutem Timing und einer guten Welle konnten wir uns entspannt Dutzende von Metern mitschleppen lassen. Passte das Timing nicht oder war die Welle zu groß, zog es uns nach unten, und wir landeten gefühlt in einer Art Unterwasserwaschmaschine, in der wir ordentlich durchgeschüttelt wurden.

Die Nordsee an einem stürmischen Tag, fotografiert an der Küste von Noordwijk, meinem Geburtsort.| 70 mm, 1/800 s, Blende 6,3, ISO 800

Die gewaltige Kraft und die potenzielle Gefahr des Meeres haben mich wohl immer fasziniert, auch jetzt als Fotograf. Deshalb werde ich dem Ziel, diese Kraft im Foto festzuhalten, viel Raum in diesem Buch widmen – neben anderen Aspekten der Küstenfotografie. Ich möchte mit Ihnen meine Vision von Küstenlandschaften teilen und zeige Ihnen Schritt für Schritt, welche Ausrüstung ich verwende, wie ich vor Ort arbeite und was ich in der Nachbearbeitung mache. Vor allem hoffe ich, dass ich Ihnen Anregungen geben und Sie dazu inspirieren kann, sich mit Meereslandschaften zu beschäftigen, dabei Ihren eigenen Weg zu finden und die Küste auf Ihre einzigartige Weise zu fotografieren.

Inhaltsverzeichnis

1Vision

1.1Die Kunst des (Hin-)Schauens

Von anderen abgucken

Gemälde und Filme

Unbewusst inspiriert

Das Meer in Kunst und Literatur

1.2Der Reiz des Meeres

Der Kampf gegen das Wasser

2Planung und Vorbereitung

2.1Wohin?

Passende Orte finden

2.2Reizvolle Orte

Die niederländischen Wattinseln

Provinz Zeeland

Belgien

Die europäische Atlantikküste

Kleine Torfflüsse am Strand

2.3Die Jahreszeiten

2.4Das Wetter

Nützliche Wetter-Apps

2.5Sicherheit

Zehn Tipps, mit denen Sie Problemen am Meer vorbeugen können

2.6Die Gezeiten

Gezeiten-Apps

Andere praktische Foto-Apps

3Fotografieren

3.1Ausrüstung

Kamera und Objektive

Vollformat – ja oder nein?

Mein Arbeitspferd

Stativ und Kugelkopf

Filter

Weiteres Zubehör

Kleidung

Schuhe oder Stiefel?

Wartung

3.2Die Kameraeinstellungen

Raw oder JPEG

Zeitvorwahl, Blendenvorwahl oder manuelle Belichtung

Weißabgleich

Spiegelvorauslösung

Die richtige Belichtung

Expose To The Right (ETTR)

Schärfe und Schärfentiefe

Focus-Stacking

Scharfstellen

ISO-Wert

HDR

3.3Komposition

Drittel-Regel

Jedes für sich

Tiefe durch Führungslinien

Auf Ecken und Ränder achten

Größengefühl durch wiedererkennbare Elemente

Abstrakte Fotos ohne Größenvergleich

Ein starker Vordergrund

Fußspuren im Sand

Abstrakt denken

Der entscheidende Moment

»Weniger ist mehr« und negativer Raum

Ruhe erzeugen durch lange Belichtungszeiten

Komposition in zehn Tipps

3.4Schönes Licht

Sturm

Abends, nachts und während der blauen Stunde fotografieren

3.5Intime Landschaften

3.6Wellen

3.7Küstenlandschaften mit Vögeln

3.8Kleine Meerestiere

Fotografische Strandräuberei

3.9Seegras

3.10Vegetation

3.11Der Strand aus der Luft

4Nachbearbeitung

4.1Nachbearbeitung, persönliche Vision

4.2Welche Software?

4.3Bildbearbeitung Schritt für Schritt

Kalibrierung und Profil

Eine erste Analyse

Heller oder dunkler

Lichter und Tiefen

Gradationskurve

Weißabgleich

Zuschneiden und Begradigen

Präsenz

Lokale Anpassungen

Der letzte Schliff

4.4Andere praktische Funktionen

Sensorflecken entfernen

Objektivkorrektur und chromatische Aberration entfernen

Schärfen

Rauschen entfernen

Vignette

Bearbeitung einfügen und synchronisieren

4.5HDR

4.6Focus-Stacking

Fehlerkorrekturen

4.7Panoramabilder

4.8Entfernen unerwünschter Elemente

4.9Schwarzweißbilder

Silver Efex Pro

5Inspiration

5.1Napfschnecken in ihrem Lebensraum

5.2Priel im ersten Sonnenlicht

5.3»Wimpern«

5.4Der Rhythmus der See

5.5Ein Meer von Farben

5.6Der perfekte Sturm

Schlusswort

Index

Fliegender Sand am Nordseestrand. | 102 mm, 0,6 s, Blende 16, ISO 50

1Vision

Vielleicht haben Sie dieses Buch vor allem gekauft, um von mir zu hören, welche Ausrüstung Sie brauchen und welche Einstellungen Sie benutzen müssen, um an der Küste schöne Bilder zu machen. Keine Angst, all diese Dinge kommen in den folgenden Kapiteln ausführlich zur Sprache. Doch Sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass Technik und Ausrüstung nicht das Wichtigste sind. Ein erstklassiger High-End-Backofen garantiert ebenso wenig leckere Aufläufe, wie der Einsatz der besten Kameras und Objektive automatisch fantastische Fotos hervorbringt. Zu guter Letzt sind es doch der Koch und der Fotograf, die für den Unterschied sorgen müssen – also Sie selbst!

Lassen Sie mich mit einem Blick auf die Veränderungen der vergangenen zwei Jahrzehnte noch etwas näher darauf eingehen. In diesem Zeitraum hat sich der Charakter der Fotografie durch das Aufkommen digitaler Fotoausrüstung und der Bildbearbeitungsprogramme einschneidend verändert. Früher war der Fotograf noch ein echter Handwerker – er verfügte über die beste Ausrüstung und wusste als Einziger damit umzugehen. Beim Fotografieren lag der Fokus oft darauf, ein technisch gutes Foto aufzunehmen, auf der richtigen Belichtung und Schärfe. Vor allem beim Arbeiten mit Dias war das regelmäßig eine Herausforderung. Wenn die Belichtung nicht stimmte, war das Dia entweder viel zu dunkel oder völlig überbelichtet, und man konnte es nur noch wegwerfen. Es gab keine Möglichkeit, zwischendrin zu prüfen, ob die Einstellungen passen. Erst Tage oder manchmal Wochen später, wenn man die Filme entwickelt vom Fotoladen abgeholt oder sie in der eigenen Dunkelkammer selbst entwickelt hatte, bekam man die Ergebnisse zu Gesicht. Der nutzbare ISO-Wert war abhängig vom gewählten Film und lag in der Farbfotografie meist bei 100 oder 200. Es gab keine Möglichkeit, den ISO-Wert für eine spezielle Aufnahme zu erhöhen oder zu verringern – dazu musste man erst den Film zu Ende fotografieren und ihn dann gegen einen neuen mit anderer Empfindlichkeit auswechseln. Und so ließen sich noch weitere Einschränkungen aufzählen, mit denen sich ein Fotograf vor zwanzig Jahren herumschlagen musste.

Kein Vergleich zu heute! Selbst das einfachste Einsteigermodell einer Spiegelreflex- oder Systemkamera bietet schon Möglichkeiten, von denen man früher nur träumen konnte. Da man jederzeit kontrollieren kann, ob die Belichtung und andere Einstellungen stimmen, lassen sich Schnitzer viel einfacher vermeiden. Der ISO-Wert kann bei den meisten Kameras derzeit problemlos auf 800 oder 1600 eingestellt werden, bei den aktuellen Top-Modellen manchmal sogar auf 8000 oder 10.000! Mit Speicherkarten von 64 oder 128 GB Speicherkapazität lassen sich beinahe endlos Fotos machen, ohne irgendetwas wechseln zu müssen oder einen Cent extra zu bezahlen. Hinzu kommt, dass es beispielsweise durch den großen Dynamikumfang der Kameras, die Bildstabilisation in Kameras und Objektiven und – last but not least – die immer weiter fortschreitenden Möglichkeiten der Bildbearbeitung nicht mehr so schwierig ist, technisch gute Fotos zu machen. Das kann heutzutage jeder!

Dieses Close-up einer Monsterwelle an der isländischen Küste fotografierte ich vor ein paar Jahren mit ISO 2500. Was im analogen Zeitalter undenkbar gewesen wäre, ist heutzutage nicht einmal ein besonders hoher ISO-Wert. | 280 mm, 1/800 s, Blende 6,3, ISO 2500

Die wohlbekannten Pfähle am Strand sind ein Lieblingsplatz der Meeresschnecken. | 100 mm, 1/6 s, Blende 16, ISO 250 und 100 mm, 0,4 s, Blende 16, ISO 400

Da sich heute mit nahezu jedem Telefon Fotos machen lassen und man so immer und überall eine Kamera dabeihat, fotografieren sehr viele Menschen Tag für Tag. Eine aktuelle Schätzung geht von etwa 2,7 Milliarden Fotos täglich aus! Und diese Bilder werden dann massenhaft auf sozialen Medien wie Instagram und Facebook geteilt. All das hat Fotografie der breiten Masse zugänglich gemacht. Sie wurde dadurch demokratisiert, und wir werden täglich überschwemmt von Bildern. Bilder sind wichtiger denn je.

Natürlich sind viele davon Familien- oder Urlaubsbilder, die nur für Freunde und Angehörige von Interesse sind. Doch auch eine beachtliche Zahl hervorragender professioneller, semiprofessioneller und Amateur-Fotografen ist im Internet ausgesprochen aktiv. Allein in den Niederlanden beschäftigen sich vermutlich zehntausende Fotografen mit der Landschafts- und Naturfotografie. Manchmal kann es entmutigend sein, diesen Menschen in den sozialen Medien zu folgen und täglich von fantastischen Fotos überflutet zu werden. Nicht von ungefähr hört man Fotografen regelmäßig stöhnen, dass heutzutage alles schon einmal fotografiert worden ist.

Obwohl dieses Stöhnen verständlich ist, bin ich anderer Meinung. Natürlich ist es schwierig, zum Beispiel bekannte Strände auf den Lofoten oder Island oder die Pfahlreihen entlang der Nordseeküste auf neue Art zu fotografieren – aber es ist bestimmt nicht unmöglich. Es ist sogar erstaunlich einfach, Stellen zu finden, die selten oder nie fotografiert wurden, weil es die meisten Fotografen zu den populären Orten zieht und sie andere Gebiete links liegen lassen. Auch hierbei spielen soziale Medien eine wichtige Rolle: Aufgrund der fantastischen Fotos von ikonischen Orten zieht es immer mehr Menschen dorthin, um ebenfalls solche Bilder zu machen.

Es schadet auf keinen Fall, sich ab und an zu fragen, auf welche Weise man als Fotograf noch etwas hinzufügen und mit seinen Bildern auffallen kann in diesen Zeiten des Überflusses. Das gilt insbesondere dann, wenn Sie als fortgeschrittener Fotograf überlegen, wie Ihr nächster Entwicklungsschritt aussehen könnte. Gute Ausrüstung oder eine ausgezeichnete Technik allein machen keinen Unterschied mehr. Schließlich sind all die Bilder in den sozialen Medien und in Zeitschriften von außerordentlicher Qualität, eins schöner als das andere, manchmal mittels intensiver Bildbearbeitung. Das bedeutet, dass nun andere Dinge für einen Fotografen viel wichtiger werden. Es geht dabei um so etwas wie Originalität, den persönlichen Stil, eine eigene Vision und die Fähigkeit, Menschen zu berühren und mit den eigenen Bildern eine Geschichte zu erzählen. Zu diesen Themen finden sich viel weniger Lehrbücher und Workshops, und es ist deutlich schwieriger, sie sich anzueignen. Dafür gibt es keine fertigen Rezepte oder Tricks – was nicht heißen soll, dass Sie nicht daran arbeiten und entsprechende Fähigkeiten entwickeln können. Deshalb werde ich in diesem Buch wiederholt auf diese Dinge eingehen. Denken Sie dabei immer an das englische Sprichwort: »Give a man a fish and you feed him for a day; teach a man to fish and you feed him for a lifetime.«1 Der Schwerpunkt dieses Buchs liegt darauf, dass Sie selbst fischen lernen!

Zweimal Pfähle auf eine etwas andere als die übliche Weise fotografiert. | 50 mm, 1/25 s, Blende 16, ISO 200 und 67 mm, 1/2 s, Blende 18, ISO 100

Man fügt etwas hinzu, wenn man einen Teil von sich in das Foto legen kann; das war in diesem Fall nicht so schwierig. Schaum-Selfies an einem Strand in Zeeland. | 100-mm-Makroobjektiv, 1/60 s, Blende 13, ISO 1000

Im Übrigen ist es durchaus wichtig, dass ein Fotograf die Arbeitsweise seiner Kamera und die Grundelemente der Fotografie gut beherrscht. Ich vergleiche das gern mit Autofahren: Man muss das Auto ohne viel Nachdenken bedienen und in einer bestimmten Situation die passenden Einstellungen vornehmen können. Falls das noch zu viel Kopfzerbrechen bereitet oder regelmäßig schiefgeht, ist es vielleicht besser, ein paar Fahrstunden zu nehmen und viel zu üben. Genauso ist es bei der Fotografie. Wer es schafft, ohne viel nachzudenken die richtige Belichtungszeit und Blende für ein bestimmtes Foto auszuwählen, der kann sich stärker auf die anderen Aspekte der Fotografie konzentrieren.

Ansel Adams

Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass Fotografie etwas sehr Persönliches ist. Ein Zitat des berühmten US-amerikanischen Fotografen Ansel Adams bringt das sehr treffend zum Ausdruck: »You don’t make a photograph just with a camera. You bring to the act of photography all the pictures you have seen, the books you have read, the music you have heard, the people you have loved.«2

1.1Die Kunst des (Hin-)Schauens

Alle genannten Vorteile der digitalen Fotografie haben natürlich auch einen gewaltigen Nachteil: Man wird als Fotograf schnell bequem. Gerade weil das Fotografieren so viel einfacher ist und ein weiteres Foto keine zusätzlichen Kosten verursacht, erlebe ich regelmäßig, dass Fotografen vor Ort eifrig drauflosknipsen, statt sich erst einmal gründlich umzusehen und sorgfältig eine Komposition zu entwickeln. Offenbar besteht die Hoffnung, dass immer etwas Passendes dabei ist, wenn man nur viele Fotos macht. Doch dieser Weg führt selten zum besten Ergebnis.

»Wir und sie«: Vielleicht haben diese Napfschnecken nicht den besten Standort auf den Felsen gewählt. | Focus-Stack aus 5 Aufnahmen mit unterschiedlichen Scharfstellpunkten bei 41 mm, 1/6 s, Blende 8, ISO 200

Ein angespülter Aal – auf den ersten Blick nichts Besonderes, bis ich das prächtige Auge entdeckte! | 100-mm-Makroobjektiv, 1/4 s, Blende 13, ISO 100

Auf der Suche nach interessanten Sandmustern: eine gute Übung für den fotografischen Blick und zudem eine schöne Beschäftigung. | 105 mm, 0,8 s, Blende 16, ISO 250

Es ist ganz wichtig, sich ausreichend Zeit für seine Fotos zu nehmen und sich erst einmal in Ruhe umzuschauen. Das gilt nicht nur für Strand und Küste, sondern eigentlich für alle Orte, an denen man fotografiert. Stürzen Sie sich nicht auf das erstbeste Motiv, das Ihnen begegnet, sondern finden Sie heraus, ob es vielleicht noch schöner oder interessanter wird, wenn Sie hundert Meter weiterlaufen. Ebenso wichtig ist, dass in Ihren Kopf Ruhe einkehrt, denn dann fotografiert es sich viel besser und angenehmer, als wenn man völlig aufgedreht ist und herumspringt wie ein Flummiball. Auf meinen geführten Fotoreisen fällt mir oft auf, dass Menschen zu Beginn erst Stress abbauen müssen und im Laufe der Reise immer entspannter werden. In diesem Teil der Reise entstehen dann oft die interessantesten Fotos.

Manchmal hilft es, gezielt nach etwas zu suchen. Für eine Foto-Story über Napfschnecken suchte ich nach einem Bild von Vögeln, die Napfschnecken fressen. Vielleicht habe ich dadurch dieses Bild mit Vogelspuren und einer leeren Napfschneckenschale entdeckt. | 65 mm, 1/25 s, Blende 11, ISO 200

Eine ausgetrocknete Salzlagune, oder sind es Sackgassen? | 50 mm, 1 s, Blende 11, ISO 200

Mich beruhigt beim Fotografieren der Gedanke, dass ein einziges wirklich gutes Foto pro Tag völlig ausreicht. So kann ich mir Zeit nehmen und Ruhe gönnen, um an meinen Fotos zu arbeiten. Wenn ich eine geeignete Stelle gefunden habe und spüre, dass ein wirklich gutes Foto entstehen kann, gehe ich erst weg, wenn ich sicher bin, alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben.

Hinschauen zu lernen ist ein wesentlicher Aspekt, um sich als Fotograf weiterzuentwickeln. Wenn Sie vor Ort viele Möglichkeiten erkennen können, ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass ein gutes oder ein besonderes Foto entsteht. Mancher Fotograf bringt dafür eine größere Begabung mit als andere. Dazu gehören auch Kreativität, Fantasie und die Fähigkeit zur Prävisualisierung: sich Dinge vorstellen zu können. All dies lässt sich trainieren. Dazu brauchen Sie nicht weit zu reisen – im Gegenteil, Sie können zu Hause damit anfangen. Versuchen Sie einmal, alltägliche Dinge in Ihrem Haus oder Garten auf eine überraschende, andere oder interessante Art zu fotografieren. Wenn Sie das ein paar Mal gemacht haben, werden Sie erleben, dass Sie schon anders, besser und vielleicht auch auf eine kreativere Art hinzuschauen beginnen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt wird Ihnen vielleicht sogar auffallen, dass Sie den fotografischen Blick gar nicht mehr abschalten können. Dann sehen Sie auf einmal überall Fotos – ganz gleich, wo Sie sind und was immer Sie gerade tun. Ich leide darunter oder profitiere davon – kommt ganz darauf an, wie man es betrachtet. Wo ich gehe und stehe, kneife ich regelmäßig kurz die Augen zusammen, um herauszufinden, wie sich ein Stuhl in einem Raum, ein Mensch im Zug oder ein Regal in einem Supermarkt am besten fotografieren ließe.

Der Einsatz von Hell und Dunkel in einem Bild lässt sich auch in der Bildbearbeitung beeinflussen. Natürlich wäre es möglich gewesen, in den dunkleren Partien mehr Details sichtbar zu machen, doch das hätte zu sehr vom obersten Bereich der brechenden Welle abgelenkt, der wunderschön von der aufgehenden Sonne erhellt wird. | 420 mm, 1/2000 s, Blende 10, ISO 640

Von anderen abgucken

Sie können Ihren fotografischen Blick auch schulen, indem Sie sich häufig Bilder anderer Fotografen oder andere Kunstformen anschauen. Ich bin davon überzeugt, dass sehr viele Landschaftsfotografen das wirklich machen. Die meisten von ihnen beschränken sich dabei jedoch auf die Arbeiten anderer Landschaftsfotografen. Dagegen ist nichts einzuwenden, doch besteht das Risiko, dass man eine Art Tunnelblick entwickelt und bewusst oder unbewusst versucht, diese Arbeiten zu kopieren. Auch Letzteres ist an sich nicht schlimm. Viele bekannte Maler haben ihr Handwerk erlernt, indem sie die Gemälde berühmter Vorgänger so gut wie möglich nachahmten. Das ist eine hervorragende Übung, um sich alle Techniken und Arten des (Hin-) Schauens anzueignen.

Auch etwas erfahreneren Fotografen, die sich mit ihren Bildern von anderen abheben wollen, kann es helfen, sich mit den Arbeiten von Kollegen zu beschäftigen, die die gleichen Motive und Landschaften fotografieren. Man kann sich anschauen, wie die anderen vorgehen, und sich dann bewusst für eine abweichende Herangehensweise entscheiden oder aber überlegen, was sich hinzufügen lässt. Das trifft im Übrigen auch auf alle Bilder in diesem Buch zu! Ich hoffe, Sie schauen sie sich gut an. Ich habe kein Problem damit, wenn Sie probieren, gleiche oder vergleichbare Bilder zu machen. Aber ich fände es noch viel schöner, wenn Sie das Wissen und die Inspiration auch dazu nutzten, eigene Pläne zu schmieden und zu versuchen, Meereslandschaften auf Ihre persönliche Weise zu interpretieren.

Was zumindest für mich ebenfalls gut funktioniert, ist das Studieren anderer Genres der Fotografie, beispielsweise der Porträt-, Sport- oder Straßenfotografie. Sie können von einem Porträtfotografen viel darüber lernen, wie er Kunstlicht einsetzt, um ein Modell auf eine interessante Art zu beleuchten. Oder von einem Sportfotografen, wie er Bewegungsabläufe, die nur den Bruchteil einer Sekunde währen, haarscharf aufnimmt. Das Schöne daran ist, dass Sie dieses Wissen in Ihrer Landschaftsfotografie nutzen können, ohne damit die Arbeit dieser anderen Fotografen zu kopieren. Schließlich müssen Sie diese Techniken und Ideen immer erst in Ihr eigenes Genre übersetzen, was automatisch zu einer eigenen Interpretation führt.

Die Kamera wurde während dieser Aufnahme ein klein wenig bewegt, was dem Foto eine impressionistische Anmutung verleiht. | 250 mm, 1/4 s, Blende 14, ISO 125

Gemälde und Filme

Dasselbe gilt für die Inspiration, die man aus Gemälden ziehen kann. Häufig ist es nicht so einfach, ein Gemälde durch ein Foto zu kopieren. Das ist auch überhaupt nicht nötig. Doch ein Gemälde oder eine darin benutzte Maltechnik lässt sich wunderbar als Inspirationsquelle für Ihre Fotos nutzen. Denken Sie nur an die Verwendung von Hell und Dunkel in den Gemälden alter Meister wie Rembrandt und Vermeer. Diese Technik können Sie auch als Fotograf für Ihre Landschaftsbilder verwenden. Genauso können Sie sich von impressionistischen Malern wie Monet inspirieren lassen und Ihre Bilder weniger vordergründig, sondern etwas verträumter gestalten. Nutzen Sie dazu beispielsweise bewusst Unschärfe in Ihren Bildern oder setzen Sie kreative Techniken wie das Bewegen der Kamera während der Aufnahme (Intentional Camera Movement bzw. ICM) oder eine Doppelbelichtung ein. Auch in der Nachbearbeitung können Sie versuchen, Ihre Fotos etwas mehr in Richtung impressionistischer oder abstrakter Malerei zu entwickeln. So bekommen Ihre Arbeiten einen individuelleren Charakter und unterscheiden sich von den meisten anderen Fotos, die Sie zu sehen bekommen.

Unbewusst inspiriert

Ab und zu bemerkt man erst rückblickend, dass das eigene Foto Parallelen zur Arbeit eines bestimmten Künstlers aufweist, den man kennt. Ich muss die Werke von Jackson Pollock irgendwo im Hinterkopf gehabt haben, als ich an diesem Gezeitentümpel voller Seegras entlanglief und dachte, dass das ein interessantes abstraktes Foto werden könnte. Vermutlich funktioniert das häufig so mit der Inspiration durch die Arbeit anderer: Man wird auf einer unbewussten Ebene davon beeinflusst mit dem Ergebnis, dass man vor Ort Dinge sieht, an denen man sonst vorbeigelaufen wäre.

Seegras in einem Gezeitentümpel in Schottland. | 123 mm, 1/4 s, Blende 13, ISO 200

Die verträumte Stimmung in diesem Bild ist das Ergebnis einer Doppelbelichtung in der Kamera, wobei ich ein scharfes und ein bewusst völlig unscharfes Foto miteinander kombiniert habe. | 53 mm, 1/40 s, Blende 2,8, ISO 100

Dieses Foto vom Nordseestrand ist mit ICM-Technik aufgenommen; ich habe die Kamera während der Aufnahme horizontal bewegt, um ein Foto mit unscharfen Ebenen zu erzeugen. Das lenkt die Aufmerksamkeit stärker auf die Linien in der Landschaft und die subtilen Farbunterschiede. | 100 mm, 1/2 s, Blende 32, ISO 50