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Was machen Führungskräfte, deren Teams nachhaltig überdurchschnittliche Leistung erbringen, eine geringere Fluktuation haben und deren Zufriedenheit und Motivation dabei hoch bleibt, anders? Dieses Buch bietet zahlreiche Impulse, wie die Erkenntnisse der Positiven Psychologie den Führungsalltag bereichern und wie Teams zu Bestleistungen geführt werden können. Inhalte: - Positive Leadership konkret - Konstruktives Selbstmanagement - Positive Emotionen fördern und Sinn in der Arbeit verstehen und vertiefen - Miteinander, Vertrauen und Stärken stärken - Erfolg planen, erleben, feiern - Wirksamer kommunizieren - Durch Krisen, Wandel, Ungewissheit souverän führen
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Seitenzahl: 362
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Christian Thiele
Praxisbuch Positive Leadership
1. Auflage 2021
© 2021 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
www.haufe.de
Bildnachweis (Cover): Christian Thiele
Produktmanagement: Jürgen Fischer
Lektorat: Barbara Buchter, extratour, Freiburg
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Sie leiten eine Firma, einen Bereich, ein Team? Seit Langem schon, mit viel Erfahrung – oder ganz frisch beziehungsweise Sie bereiten sich darauf vor, dies zu tun? Mehr oder weniger freiwillig und überzeugt? Vielleicht weil Sie damit gewürdigt werden sollen für Ihr Engagement und Ihre Erfolge? Oder weil Sie gerne Verantwortung übernehmen und gestalten wollen? Oder vielleicht auch bloß, weil Sie die Treppe hinaufgefallen sind und nicht schnell genug »Nein« gesagt haben, als nach einer oder einem1 (neuen) Verantwortlichen gefragt wurde?
Für Sie alle ist dieses Buch gedacht.
Vielleicht haben Sie ja schon einmal etwas von Positiver Psychologie oder Positive Leadership gehört. Vielleicht kennen Sie sich schon aus mit Stärken und mit Ressourcen und wollen dazu Ihr Wissen vertiefen. Vielleicht stoßen Sie auch zufällig oder durch Empfehlung auf dieses Buch, haben von Stärkenorientierung, positiven Emotionen und Ähnlichem noch nie etwas gehört, erst recht nicht in Bezug auf Führung: Alles richtig, alles erlaubt.
Ich will mit diesem Buch einen Überblick geben über wichtige Themen von Positive Leadership, also einer systematischen, wissenschaftlich fundierten, aber doch ganz alltagstauglichen Haltung und Methode des Führens. Positives Führen, das ist in immer mehr Untersuchungen nachgewiesen, kann unter anderem signifikant beitragen zu:
mehr und nachhaltigen Erfolgen entlang betriebswirtschaftlicher Logiken,gesünderen Mitarbeitenden und Führenden,zufriedeneren Kunden, Patientinnen, Anwenderinnen,weniger arbeitsbedingten Unfällen, Überlastungen und Krankheiten,weniger Fluktuation von Mitarbeitenden,einem besseren Image als Arbeitgeber.Was Positive Leadership genau heißt und wie sich dieses Führungsverständnis von anderen abgrenzt, dazu mehr in den unterschiedlichen Kapiteln dieses Buches.
Sie können und dürfen es in Häppchen lesen, über den Index für Sie interessante Themen heraussuchen – oder es in einem Rutsch wegarbeiten, falls Sie das möchten. Die einzelnen Texte dieses Buches sind teils als Zeitungsinterviews, als Gastbeiträge in [10]Magazinen, als Blogposts, als Radiobeiträge oder als Podcastfolgen erschienen. Sie funktionieren für sich – daher kann es durchaus zu Überschneidungen und Überlappungen in unterschiedlichen Kapiteln kommen. Immer wieder werden Sie auch zu Übungen eingeladen, die Sie für sich selbst oder im Austausch mit anderen machen können. Viel Erfolg und Spaß damit!
Mein Dank geht erst mal an Herrn Fischer vom Haufe Verlag für die unkomplizierte, freundliche, engagierte Realisierung einer Idee, die in einem gemeinsamen Telefongespräch entstand! Herzlichen Dank auch an Magazine, Plattformen, Sender und Zeitungen wie Deutschlandfunk, Kununu, Personalwirtschaft, Psychologie Heute, t3n, die Welt, Xing, die Zeit und andere, dass ich dort meine Gedanken und Impulse ursprünglich verbreiten durfte! Niemand schreibt ein Buch allein, sodass ich unter anderem den Dozierenden der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie, Dr. Markus Ebner, Dr. Robert Biswas-Diener und vielen mehr für all das danken möchte, was ich bei ihnen lernen durfte! Für mögliche Missverständnisse, Vereinfachungen, Auslassungen und Fehler bin allerdings allein ich verantwortlich. Besonders viel habe ich aber von meinen Coaching-Klientinnen und -Klienten, den Teilnehmenden meiner Führungsseminare und Teamworkshops sowie den Auftraggeberinnen und Auftraggebern gelernt – danke dafür! Letztlich und vor allem und überhaupt aber danke an dich, Christiane, dass du noch mal ein Buch von mir ausgehalten hast!
Mit positiven Grüßen aus Garmisch-Partenkirchen
Christian Thiele
1 Selbstredend verwende ich eine geschlechtergerechte Sprache. Dort, wo die Lesbarkeit durch Mehrfachnennungen stark eingeschränkt würde, gelten die gewählten, möglichst abwechselnd genutzten personenbezogenen Bezeichnungen für alle Geschlechtszugehörigkeiten.
Führungskräfte unterschätzen oft, wie sehr sich ihre Mitarbeitenden an ihnen orientieren. An dem, was sie tun, was sie nicht tun, wie sie es tun. Andere nachhaltig positiv führen kann also nur, wer konstruktiv mit sich selbst umgeht. Wer eigene Stärken kennt und wertzuschätzen weiß, wer mit eigenen Macken realistisch umgehen kann, wer sich auch Auszeiten gönnen kann und will. Wer in der Lage ist, auch fordernde Zeiten und Aufgaben, Ambiguitäten und Niederlagen wirksam zu meistern. Fähigkeiten, die in diesen Zeiten von Verdichtung, Beschleunigung und Umbrüchen immer wichtiger werden.
Die Texte in diesem Kapitel drehen sich um diese Themen, also im engeren und weiteren Sinne um positives Selbstmanagement. Sie erhalten hier Impulse, Übungsanregungen, Denkanstöße und Tipps, um sich selbst und damit auch andere nachhaltig positiv führen zu können – auch in turbulenten Zeiten.
Vielleicht mag Ihnen manches bekannt vorkommen – umso besser, dann schließen Sie an das an, was Sie eh schon draufhaben! Anderes kommt Ihnen vielleicht fremd und merkwürdig vor: Probieren Sie die Impulse und Übungen aus, die Sie interessieren, und passen Sie sie so an, dass sie für Ihre Situation hilfreich sind – oder lassen Sie sie links liegen. Denn nach gelegentlichen Tendenzen zu Allheilmitteln kommt die Forschung im Rahmen der Positiven Psychologie und der Positive Leadership immer mehr zu dem Schluss: Was Direktorin Meier auf dem Weg zu einem erfüllteren (Arbeits-)Leben hilft, muss für Abteilungsleiter Schmidt nicht unbedingt genauso gelten – und für Teamchefin Huber gleich dreimal nicht …
»Wohlbefinden, Glück – das lässt sich doch alles gar nicht wirklich messen, das ist doch total subjektiv«, höre ich immer wieder. Von Coachees, von Führungskräften, von Personalerinnen.
Ja, Wohlbefinden ist höchst subjektiv. Und gleichzeitig ist es messbar. So messbar wie, sagen wir mal, die Inflationsrate oder das Bruttosozialprodukt. Dafür gibt es ja auch unterschiedliche Messmethoden, über die gestritten wird, aber mit deren Ergebnissen auch gearbeitet wird.
[12]Es gibt unterschiedliche Konzepte des Wohlbefindens und dementsprechend unterschiedliche Skalen, um diese zu messen: das Konzept von Ryff2, die Lebenszufriedenheitsskala nach Diener3, das schottische Wellbeing Assessment Tool4. Performance- und glücksförderndes Führungsverhalten im Sinne der Positive Leadership lässt sich mit dem PERMA-Lead® Profiler messen, darüber habe ich kürzlich in meinem Blog geschrieben5. All diese Fragebögen sind überwiegend Selbsteinschätzungen, aber es gibt sie auch, wie zum Beispiel beim PERMA-Lead® Profiler6, mit Fremdeinschätzungskomponente. Abgesehen davon, dass sich Wohlbefinden natürlich über Sprach- und Verhaltensweisen messen lässt und über die diversen somatopsychischen Marker wie Hormonspiegel etc.
Ich habe mit vielen Menschen zu tun – im Coaching, in Onlinekursen oder in Seminaren –, die ihr Leben in irgendeiner Form ändern wollen. Die anders führen wollen, die anders arbeiten möchten, die weniger Konflikte haben wollen etc. Wenn ich aber meinen Kurs ändern will, egal auf welchem Feld und egal wie radikal oder sanft, dann muss ich erst mal meine Position bestimmen. Wissen, wo ich gerade bin. Und dazu brauchen wir Messung. Außerdem wollen wir ja wissen, ob es auf dem eingeschlagenen Kurs wirklich weitergeht. Und dazu brauchen wir Messung. Außerdem fällt es manchen Menschen leichter, anderen dagegen schwerer, über persönliche Dinge wie die Beziehung, die Gesundheit, die Jobzufriedenheit zu sprechen. Auch da hilft Messung.
Zudem kommen viele Führungs- und Fachkräfte, mit denen ich zu tun habe, aus Umfeldern, in denen sich alles um Zahlen, Daten, Fakten dreht (auch ZDF-Kulturen genannt), wo geführt, entschieden und organisiert wird getreu dem Motto: »Ohne Daten keine Taten« oder, wie immer wieder betont wird: »Miss es oder vergiss es!«7 Wobei ich mich, das unterscheidet mich als Praktiker dann vielleicht von Wissenschaftlern, mehr für die Bedeutung interessiere, die Menschen den erhobenen Daten geben, als für die Daten an sich.
Bill Burnett und Dave Evans sind zwei Stanford-Professoren, die ein sehr schönes, positives, schlaues, alltagstaugliches Buch mit dem Titel »Designing your Life« geschrieben haben, das ich mitsamt dem dahinterliegenden Konzept bei einem Workshop beim Beratungsunternehmen +Rasmussen8 kennenlernen durfte. Darin stellen die beiden eine simple und geniale Messmethode vor, die ich hier – in meiner Abwandlung – vorstelle. Ich nenne sie die »Reglerstände«, sie eignet sich für das (Selbst-)Coaching genauso wie für den Dialog unter Partnern oder für das Männerwochenende auf dem Segelboot (und für das Frauenwochenende natürlich auch, damit kenne ich mich bloß weniger aus). Sie besteht im Wesentlichen aus vier Fragen:
Wie zufrieden bin ich mit meiner Arbeit (und allem, was ich als »Arbeit« definiere, Verbandstätigkeit, Lehraufträge etc.)?Wie zufrieden bin ich mit dem Spiel in meinem Leben (mit »Spiel« sind Interessen, Hobbys, Leidenschaften gemeint)?Wie zufrieden bin ich mit meiner Gesundheit – der körperlichen, der geistigen und der seelischen?Und, viertens, wie zufrieden bin ich mit der Liebe aktuell – dem Eingebundensein in Familie, Partnerschaft, Freundschaften etc.?Für jeden der vier Reglerstände setze ich üblicherweise eine Skala von 0 (völlig unzufrieden) bis 10 (besser geht nicht) auf. Dabei geht es gar nicht darum, auf möglichst vielen Skalen auf Maximalstand zu kommen – wie gesagt, mich interessieren die Werte an sich weniger als deren Bewertung durch meine Klienten.
Gehen Sie doch mal Ihre eigenen vier Reglerstände durch! Und fragen Sie sich dann — zum Beispiel – folgende Fragen:
Wie kommt es, dass ich etwa bei »Arbeit« eine 7 und bei »Liebe« eine 2 habe?Was bedeutet das für mich? Wie würde eine Kommilitonin, ein guter Freund meine Werte beurteilen?Was leiste ich dafür, dass ich bei »Arbeit« auf 7 stehe? Und was ist vielleicht der Preis, den ich dafür zahle?Wie kommt es, dass ich bei »Liebe« nicht auf 0, nicht auf 1, sondern auf 2 stehe? Und wenn ich gerne auf eine 3 oder 4 kommen würde – wie wäre das? Was müsste ich dazu tun? Wer könnte mir dabei helfen?Vielleicht wollen Sie Ihre Reglerstände ja mit einer Kollegin, einem Freund abgleichen? Und/oder diese zum Ende des nächsten Halbjahres erneut ablesen (lassen)?
Wir Menschen sind Beziehungstiere. Die Coronakrise ist ein Beleg dafür, denn worunter meine Coachees und die Führenden, mit denen ich gerade zu tun habe, in den Wochen des Shutdowns am meisten gelitten haben, ist der reduzierte Sozialkontakt. Wir können nicht schneller laufen als andere Gattungen, wir können nicht besser sehen, wir sind auch nicht stärker. Aber wir sind die einzigen Lebewesen, die ihre Toten beerdigen, soziale Netzwerke im Internet errichten – und wir sind die einzigen, die im Namen unserer Gruppe Kriege gegen andere Gruppen führen. Warum ist unser Gehirn im Verhältnis zu unserer Körpergröße so riesig? Wegen der vielen sozialen Verschaltungen, weil unser Inneres permanent nach äußeren Verbündeten, Partnern, Freunden Ausschau hält, weil wir andauernd – und weitgehend unbewusst – abschätzen, wie wir zu anderen stehen und wie diese zu uns.
Für den freien, autonomiebewussten Menschen ist das eigentlich eine Kränkung: Wir sind gar nicht in der Lage, für uns selbst Wohlempfinden – oder sagen wir es ruhig: Glück – zu erschaffen. Wir sind dazu auf unsere Mitmenschen angewiesen. Leider oder zum Glück, je nachdem.
Eine simple Übung, die ich mir ausgedacht habe und gerne in Trainings und Coachings durchführe, kann dabei helfen, unsere soziale Einbindung zu überprüfen – und zu verbessern: das Beziehungsrad. Ich stelle es hier vor.
Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und zeichnen Sie einen Kreis auf. Halbieren Sie den Kreis mit einer Linie, halbieren Sie die Hälften in zwei Viertel und machen Sie dann mit zwei Diagonalen acht mehr oder weniger gleich große Tortenstücke aus dem Kreis.Wer sind die aktuell acht wichtigsten Personen in Ihrem (Berufs-)Leben? Denken Sie eine Weile nach und schreiben Sie jeweils einen Namen neben jedes Tortenstück.Wie nah stehen Sie jeder dieser Personen? Setzen Sie für jede dieser Personen ein Kreuzchen in »Ihr« jeweiliges Tortenstück, und zwar entsprechend der Nähe, die Sie gerade zu dieser Person empfinden. Ganz in der Mitte heißt: Ich fühle mich der Person momentan sehr verbunden. Ganz außen hieße: Ich bin derzeit ziemlich auf Distanz mit der Person, habe Ärger mit ihr oder Ähnliches.Sie können die Punkte nun verbinden. Wenn Sie auf Ihr Beziehungsnetz schauen: Was fällt Ihnen auf? Was überrascht Sie? Was bestärkt Sie?Wenn Sie drei der Personen ganz innen im Kreis anschauen, denen Sie sich also besonders eng verbunden fühlen: Was macht das Verhältnis mit diesen Menschen so besonders? Inwiefern stärken und stützen diese Verbindungen Sie? Was ist Ihr Beitrag dazu?Manchmal kann aber auch Abgrenzung ein wichtiger Resilienzfaktor sein, betrachten Sie daher nun zwei der Personen relativ weit außen: Wie kommt es, dass [15]diese Personen einerseits recht wichtig in Ihrem Leben sind, Sie sich aber doch entfernt fühlen? Gibt es etwas, das Sie tun könnten, um das Verhältnis zu verbessern, zu intensivieren, zu klären? Oder handelt es sich um eine sehr belastende, fordernde Beziehung, die Ihnen mehr Energie rauben als geben kann, möglicherweise sogar eine sogenannte toxische Verbindung9? Wie könnte das Verhältnis zu diesen »Energieräubern« vermindert, verkleinert werden? Wie können Sie einen gesunden Abstand zu dieser Person finden oder diesen vergrößern?Sieht Ihr Tag auch so aus? Nach dem Aufstehen betteln Fantastilliarden ungelesener Mails um Aufmerksamkeit. Deutschlandfunk auf dem Weg zur Espressomaschine. Tageszeitung und/oder ein paar Dutzend Browserfenster beim Morgenkaffee abarbeiten. Welchen Podcast zum Duschen hören? Auf dem Weg in die Arbeit das Hörbuch von gestern, in 2,5-facher Geschwindigkeit. Oder doch den Onlinekurs fortführen? Welchen eigentlich, den neuen oder den alten? Und so weiter und so fort …
Viele Führende, mit denen ich zu tun habe, stehen von früh bis spät im Dauerfeuer der Informationen. Haben das Gefühl, in einer Flut aus Newslettern, Zeitungen, Social-Media-Posts, WhatsApps, Anrufen zu – pardon: ersaufen. Nicht zu vergessen die Briefe und Faxe, die gibtʼs ja auch noch gelegentlich. »Erst recht in diesen Zeiten« zu schreiben ist eine Floskel geworden. Aber hier verweise ich dennoch darauf, dass in Coronazeiten die Verdichtung des Arbeitstages und die Überhäufung mit Daten für viele zugenommen hat – auch weil die tote Zeit für Reisen, Warten, Pendeln häufig weniger geworden ist.
Was sind die Ursachen – und was Folgen dieser Information Overload?Wie erkenne ich sie an mir?Und wie kann ich sie bewältigen?Darum geht’s in diesem Kapitel.
Da ist einerseits die Digitalisierung, sie versorgt uns mit einem medialen Dauerstrom an Daten: Jede Sekunde werden 6000 Tweets über Twitter herausgezwitschert, jede [16]Minute werden 400 Stunden an neuem Material auf YouTube gestellt, Tag für Tag gehen 103.000.000 Spammails irgendwo ein – von den CC-Mails ganz zu schweigen …
Andererseits konnte man sich auch schon zu Gutenbergs Zeiten überfressen an Information. Denn unsere Neugier und unsere Unfähigkeit oder unser Unwillen, Filter einzubauen, sind der eigentliche Grund für das Gefühl, in mehr oder weniger nützlichem Wissen zu ertrinken, Digitalisierung hin oder her.
Schon vor fast 50 Jahren schrieb der Zukunftsforscher Alvin Toffler in seinem Bestseller »Future Shock«: »Just as the body cracks under the strain of environmental overstimulation, the ‹mind› and its decision processes behave erratically when overloaded« (Toffler, 1971, S. 343).
Das damals vorherrschende Bild vom Gehirn als Computer, genauer gesagt: als Festplatte, die irgendwann voll ist, ist zwar längst widerlegt. Denn unser Gehirn kann immer neue Verschaltungen bilden, immer dazulernen, es tut sich mit der dritten Fremdsprache nicht schwerer als mit der zweiten, sondern leichter – und mit der vierten, sechsten oder achten erst recht.
Dennoch gibt es durchaus kollektive Folgen von – gefühlter oder tatsächlicher – Informationsüberlastung, wie etwa:
Fehlentscheidungen mit zum Teil tödlichen Folgen, wie die US-Armee in einer 2011 veröffentlichten Studie10 herausgefunden hat,das Übersehen von kritischen Informationen, was Forscher mit dem Begriff der »begrenzten Aufmerksamkeit« bezeichnen11 – die Kreditblase zu Beginn der Finanzkrise 2007/08 ist dafür nur ein Beispiel.Schlechte Stimmung, Gereiztheit, Konflikte, sinkende Produktivität, Hypersensibilität oder Abstumpfung bis hin zu totalem Rückzug aus dem öffentlichen Diskurs sind nur einige der individuellen Folgen von Information Overload.
Kurzum: Nicht nur ich selbst habe etwas davon, wenn ich den Datenschwall zu kanalisieren weiß, der auf mich einströmt. Auch mein Umfeld profitiert von größerer Medien- und Informationskompetenz. Und dazu im Folgenden ein paar Anregungen.
Hier nun einige Strategien gegen die Informationsüberflutung – für Führende, aber nicht nur:
Dass sich Browserfenster schließen, Mailprogramme und -benachrichtigungen abschalten lassen, dass der Flugmodus eingestellt werden kann – das hat man Ihnen schon gesagt, oder? Ich zumindest weiß das – und vergesse es doch allzu oft …Bringen Sie sich in Bewegung, wenn Ihnen der Kopf schwirrt! Fokussieren Sie sich auf den Atem! Kommen Sie mit Ihrem Körper in Kontakt!Haben Sie Mut zum Abbruch, zum Unvollständigen! Sie müssen nicht jeden Newsletter bis ganz nach unten scrollen, jedes Buch bis zum Rückdeckel lesen. Umarmen Sie »Fomo« (»Fear of missing out«, auf Deutsch in etwa: Angst, etwas zu verpassen) – ich sage nur: 400 neue Stunden YouTube-Material pro Minute! Folgen Sie dem Paretoprinzip12!»Ich lese seit Jahren keine Zeitungen mehr«, brüsten sich manche Menschen. Ich halte eine solche Informationsabstinenz für unpolitisch und unverantwortlich, aaaaaaber: Schonzeiten einzulegen, Kanäle und Rituale für die eigene Information zu pflegen ist eine gute Idee!Verschaffen Sie sich immer wieder positive Emotionen wie Freude, Freundschaft, Gelassenheit und begrenzen Sie die Zahl der Negativnachrichten. Nicht nur, weil sich das schön anfühlt, sondern weil uns das auch leistungsfähiger, resilienter, kreativer macht.Wofür lese ich, was ich gerade lese? Was will ich aus dem Podcast, den ich höre, lernen? Was will ich aus diesem – ja genau: diesem Kapitel mitnehmen und umsetzen? Was ist der nächste wichtige Schritt in meinem (Berufs-)Leben, was ist dafür hilfreich – und was nicht? Solcherlei Fragen nach dem Wofür können helfen, das wahllose Konsumieren von Informationen zu kanalisieren.Neugier, Wissensdurst oder Liebe zum Lernen sind eigentlich Stärken – einerseits. Aber sie können auch aus einem Gefühl von Unzulänglichkeit, aus einer Unersättlichkeit herrühren: Was erwarte ich von mir? Was erwarten die anderen von mir? Wie will ich mit diesen Erwartungen umgehen? Welche will ich erfüllen, welche will ich nicht erfüllen? Auf solche Fragen kann Coaching Antworten finden helfen (ich spreche darüber unter anderem in meinem Podcast »Positiv Führen«13).Und neben all den individuellen Strategien: Wir Menschen sind durch und durch soziale Wesen, überlegen Sie also auch, wie andere Sie von der Informationsüberflutung entlasten können. Geben Sie ab, delegieren Sie, bitten Sie um Hilfe!Ich wünsche mir das häufig:
Die wichtigen Signale aus dem digitalen Rauschen herausfiltern,mehr im Hier und Jetzt und Ich sein,weniger gehetzt sein.Und Sie vielleicht auch, egal ob Sie nun Führungskraft sind oder nicht. Die folgende Fokusübung mit dem Smartphone kann dabei helfen, diese Wünsche umzusetzen, sie ist inspiriert von dem lesenswerten Buch »Stop missing your life« von Cory Muscara (2019).
SMARTPHONE-MEDITATION: SO GEHTʼS
Ich verwende für die Übungsanleitung das Du, o. k.?
Du kannst die Übung mit jedem Smartphone machen.
Setz dich bequem hin und schalte dein Smartphone aus oder auf Flugmodus.
Lege dein Smartphone in ca. einem Meter Abstand vor dich hin. So, dass du es anfassen könntest – aber nicht anfasst. Sitz aufrecht und entspannt, ruckel dich gegebenenfalls noch mal zurecht.
Und falls du dich gerade fragst »Was will er jetzt von mir?« oder »Wie viele Likes hat mein letzter Post inzwischen?« – einfach auuuuuusatmen. Ein, zwei, drei Mal. Und dazwischen wieder einatmen, das wäre ebenfalls hilfreich. Machen wir aber meistens eh automatisch.
Was erleichtert dir dein Telefon, in der Arbeit, im Leben? Was geht dadurch schneller, effizienter, einfacher – oder ist überhaupt nur durch das Smartphone möglich?
Aaaaaaausatmen. Und eiiiiinatmen.
Wo macht das Smartphone dir den Kontakt mit anderen Menschen möglich oder leichter? Durch Mails, Anrufe, Nachrichten, soziale Medien?
Welche schönen Momente sind in deinem Handy gespeichert? Bilder von der Familie, von den Kindern, von schönen Dingen, schönen Erlebnissen? Gute Musik, vielleicht auch Bücher? Schlaue Notizen? NEIN, jetzt nicht überprüfen und nachschauen, einfach nur:
Aaaaaausatmen. Und eiiiiinatmen.
Schau dir dein Telefon genau an. Wie groß ist es, welche Farbe hat es? Hat es irgendwo Kratzer, Gebrauchsspuren? Zeichne mit den Augen die Konturen nach. MIT DEN AUGEN!
»Sitze ich jetzt echt hier und mache eine Meditation über mein Handy?«, fragst du dich wahrscheinlich. Die Frage ist berechtigt, du kennst die Antwort.
[19]Atme drei Mal aus und wieder ein. Vielleicht spürst du deinen Atem im Rachen oder im Brustkorb oder in den Flanken oder im Rücken. Aus. Ein. Aus. Ein.
Aus. Ein.
Dass dein Handy so vor dir liegt, du es nicht anfasst und jetzt gerade keine Mails und Benachrichtigungen checkst – was macht das mit dir? Wie fühlt es sich an für dich? Wie abhängig ist dein Smartphone von dir? Wie abhängig bist du von ihm?
Vielleicht würdest du jetzt gern ein Selfie machen, von dir und deinem Smartphone, und das posten. Aber das machen wir jetzt gerade nicht.
Ausatmen. Einatmen.
Was stresst dich, was nervt dich an deinem Smartphone? In welchen Situationen fühlst du dich von ihm gehetzt? Was machen deine Augen, der Nacken, die Finger, wenn du lange am Handy warst?
Ausatmen. Einatmen.
Wie fühlt es sich an, wenn du merkst, der Akku wird leer und du hast kein Ladekabel dabei? Oder wenn du sogar merkst, dass du ohne Handy aus dem Haus gegangen bist – wie ist das?
Schöööööön Wei-Ter-At-Men!
Aus. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein.
Vielleicht merkst du gelegentlich, du bist nicht ganz da, bist nicht im Kontakt, wenn du dein Handy bei dir hast, bist weniger zugänglich.
Vielleicht hast du schon Konflikte gehabt aufgrund des Handys und deines Umgangs damit, mit der Partnerin/dem Partner, mit Kolleginnen und Kollegen?
Ausatmen. Einatmen.
Ausatmen. Einatmen.
Ausatmen. Einatmen.
Gleich ist die Übung vorbei, gleich darfst du wieder Mails checken.
Vielleicht hast du ja auch schon Versuche gemacht, deinen Handykonsum zu kanalisieren, zu minimieren.
Vielleicht hat dein Handy ein Bett, wo du es zur Ruhe legst.
Vielleicht hast du bestimmte Zeitbudgets für Apps eingerichtet.
Vielleicht gibt es Zeiten, Aktivitäten, bei denen du ohne Smartphone klarkommst – abends, morgens nach dem Aufstehen, beim Sport – wie machst du das?
Aaaaaus. Eeeeein.
Vielleicht hältst du an bestimmten Tagen Smartphonesabbat: Wie geht es dir dann? Was ist dann anders?
Und wenn du jetzt gleich, nachdem die Übung vorbei ist, wieder zum Smartphone greifen darfst – was machst du dann? Was nicht? Was machst du anders, was ist anders?
Danke fürs Mitmachen!
[20]Und noch ein paar Hinweise, um klarzukommen mit der Informations- und Datenflut als Führungskraft:
Auf meinem Blog habe ich kürzlich ausführlich darüber geschrieben.14Eine Überblicksstudie zum Zusammenhang zwischen Stress und Smartphonenutzung beschreiben Vahedi & Saiphoo (2018).15Eine Untersuchung dazu, wie das Smartphone stressen kann, wenn es nicht da ist, stellen Tams, Legoux und Léger (2018) ausführlich vor.16Und wer Hilfe braucht: Hilfs- und Beratungsstellen zum besseren Umgang mit elektronischen Geräten gibt es über den Fachverband für Medienabhängigkeit.17Mir ist klar, es gibt Schlimmeres – und dennoch wünsche ich diese Situation niemandem: Neulich in einem Webinar, ich bin der Dozent. Weil ich vorher noch etwas anderes zu tun hatte, was länger dauerte als geplant, komme ich viel später als eigentlich vernünftig in den Webinarraum. Die Plattform, auf der ich eigentlich arbeiten wollte, steht mir nicht zur Verfügung, ich muss auf eine andere, mir nicht vertraute ausweichen. Dort hätte ich eigentlich meine Präsentation längst hochladen müssen, das dauert. Genauer gesagt: Das daaaaaaaaaaaauert. Die Teilnehmer sind längst im Warteraum, irgendwie funktioniert das mit Kamera und Mikro alles nicht, minutenlang drücke ich hier einen Knopf und versuche dort, etwas zu verändern, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen einfach nur warten. Sie sehen und hören mal gar nichts, mal mein Gestammel, kurzum: eine absolute Blamage. Mir ist das unendlich peinlich, ich ärgere mich über mich selbst und meine Unprofessionalität.
Da fällt mir ein Konzept ein, eine Haltung, ein Gedanke, den ich in meiner Ausbildung bei Friedemann Schulz von Thun kennenlernen durfte und über den ich hier schreiben möchte. Denn vielleicht haben mache von Ihnen ähnliche Erfahrungen gemacht, vielleicht auch gerade jetzt: Es geht um den Begriff der »Souveränität zweiter Ordnung«.
Wie kann ich klar sein in eigenen Zeiten der Unklarheit? Wie kann ich mehr oder weniger souverän mit Momenten der Unsouveränität umgehen? Wie kann ich in Situationen, da mir die Felle davonschwimmen, auf eine Art und Weise sein und kommunizieren, [21]die einerseits ehrlich ist, human, menschlich – die aber gleichzeitig professionell ist? Und dabei keine aalglatte, antrainierte, fassadenhafte Pseudoprofessionalität zeigen, ein geheucheltes Obercheckertum, das so tut, als wüsste man Bescheid, hat aber gerade eigentlich keine Peilung von fast nix?
Friedemann Schulz von Thun erklärt sein Konzept der Souveränität zweiter Ordnung unter anderem in dem zusammen mit Bernhard Pörksen herausgebrachten Buch »Kommunikation als Lebenskunst: Philosophie und Praxis des Miteinander-Redens« (2014). Auf seiner Website18 ist die Essenz davon noch einmal zusammengefasst:
»In der Welt der Professionalität zählt die ›Souveränität erster Ordnung‹: Alles perfekt im Griff haben, keine Blöße, keine Schwäche, alles zielgerecht nach rationalem Kalkül. Die geglückte menschliche Entwicklung bringt hingegen eine ›Souveränität zweiter Ordnung‹ hervor, welche Schwächen und Fehler, Schuld und Scheitern, Verletztheit und Ratlosigkeit nicht ex-kommuniziert, sondern integriert, ohne dass ein Zacken aus der Krone bricht. Im Gegenteil: dies setzt die Krone der Souveränität höherer Ordnung erst wirklich auf.«
Ich werde in Coachings und Trainings von Führungskräften oft um Tipps und Werkzeuge gebeten, mit denen sie die Dinge mehr im Griff haben können. Eine Führungskraft erklärte mir zum Beispiel mal auf meine Frage, was denn eine gute Frage sei: »Eine gute Frage ist eine, auf die ich von vornherein schon eine Antwort habe!« Das war für mich eine sehr erhellende und ehrliche Antwort, weil sie zeigt, wie viele Führungskräfte den Anspruch an sich selbst haben, souverän erster Ordnung zu sein, um mit Schulz von Thun zu sprechen. Und von Trainern und Beratern dann Rezepte erwarten, um diese Souveränität erster Ordnung zu stärken.
Gerade in Zeiten der radikalen Destruktion, wo heute vieles ganz anders ist als gestern und morgen alles noch mal ganz anders sein mag, stressen Führende, Lehrer, Trainer, Coaches, Eltern sich viel zu sehr, wenn sie immer souverän erster Ordnung bleiben wollen. Sie geben damit ein Versprechen ab, das sie doch häufig nicht halten können. Viel humaner, viel menschlicher und letztlich viel professioneller und agiler sind wir nach meiner Auffassung unterwegs, wenn wir auf Unwägbarkeiten mit mehr »ich weiß es nicht«, »schauen wir mal«, »müssen wir abwarten« antworten. Quasi eine Art permanenter Betastatus.
[22]In meinem Webinar jedenfalls habe ich, als es dann endlich lief, ein paar tiefe Atemzüge genommen, habe das Krönchen gerichtet und bin so bei mir selbst im Hier und Jetzt angekommen. Und konnte mich ein Stück vom »Müsstesollteeigentlich« distanzieren. Ich habe mich noch mal entschuldigt, habe gesagt, wie unglaublich leid mir das tue, dass ich gerade nichts im Griff hätte, konnte mich an den tollen Julian wenden, der mich so lange technisch supportet hat, bis die Sache irgendwann lief. Ich habe die verpassten, vermasselten 10 Minuten hinten angestückelt und schließlich einige sehr freundliche Rückmeldungen bekommen. Zumindest von den Teilnehmern, die nicht schon längst ausgestiegen waren …
Und zum Abschluss noch ein paar hilfreiche Fragen zum Umgang mit Unklarheit:
Wo sind Sie souverän im Sinne der Souveränität erster Ordnung? Wo ist diese wichtig und hilfreich, wo erwarten Sie und Ihre Mitarbeitenden das von sich?Wo stresst, wo belastet Sie diese Souveränität erster Ordnung? Wo könnte ein milderer, tastenderer Umgang mit dem eigenen Nicht-Wissen oder Noch-nicht-Wissen dazukommen?Und wie könnte so eine Souveränität zweiter Ordnung für Sie aussehen? Wer hätte etwas davon?Und was wäre ein erster Schritt dahin? Woran würden Sie, woran würden andere ihn bemerken?Geschenk hier, Glühweinverabredung da, das muss noch terminiert, jenes noch abgerechnet werden: Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber im (Vor-)Weihnachtswahnsinn die Contenance zu bewahren fällt mir nicht immer leicht. Ich fühle mich häufig wie die Schüttelschneekugel im schlimmsten Flockengestöber. Deshalb hier eine minikleine Meditation, um Seele und Geist zu sortieren. Diese Übung dauert nicht länger als ein paar Minuten. Vielleicht können Sie sie regelmäßig in Ihren Tagesablauf einbauen? An einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit?
5-MINUTEN-MEDITATION
Suchen Sie sich einen möglichst ruhigen Raum, in dem Sie nicht gestört werden.Setzen Sie sich bequem, aber aufrecht auf einen Stuhl, Sessel, auf eine Bank oder was eben gerade verfügbar und angenehm ist.Fokussieren Sie Ihre Augen auf einen Punkt am Boden – oder schließen Sie sie.Ich höre, was um mich herum ist. Laut, leise, fern, nah, Klimaanlage oder Technik: egal. Alles darf sein, nichts stört.Ich spüre den Boden unter den Füßen. Ich spüre meinen Po auf dem Stuhl. Ich spüre die Lehne unter den Armen. Ich spüre meinen Rücken am Sitz.Ich nehme meinen Atem wahr: Wie er durch die Nase oder den Mund einströmt. Wie er durch die Kehle fließt. Wie er in den Bauch wandert. Wie er sich in den Flanken ausbreitet. Wie er hinten unten den Rücken durchströmt.Ich atme absichtslos. Will den Atem nicht ändern, manipulieren, verbessern, ich nehme ihn einfach nur wahr. Ein. Aus. Ein. Aus.Ich bemerke die Ruhe nach einem Atemzug, den Moment der Stille. Ein. Aus.Ich nehme die Gedanken wahr, wie sie durch den Kopf fliegen wie vorbeiziehende Wolken am Himmel. Sie dürfen kommen, sie dürfen wieder [25]gehen, ein innerliches »Aha« – und ich wische sie sanft beiseite. Sie bekommen nachher wieder ihren Raum.Bei jeder Atemruhe zähle ich innerlich. Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Acht. Neun. Zehn. Und dann nochmals: Eins. Zwei …Langsam spüre ich wieder meinen Atem. Meinen Körper. Den Stuhl. Ich komme wieder im Hier und Jetzt an, schüttle mich, strecke mich – und bin wieder voll da.Je häufiger Sie üben, desto stärker wird Ihre Fähigkeit zur Fokussierung, desto gelassener können Sie durch die Stürme des Lebens segeln. Und desto mehr kommen Geist und Seele zur Ruhe, so wie nach einiger Zeit die Flocken in der Schneekugel.
Viel Freude und Erfolg dabei!
Stellen Sie sich eine Zitrone vor. Eine richtig große, reife, saftige Zitrone. Sie schneiden die Zitrone durch. Nehmen eine Hälfte in die Hand. Machen den Mund auf. Riechen schon deren beißende Säure. Der Saft trieft. Und jetzt – beißen Sie herzhaft hinein.
Mit ziemlicher Sicherheit sind Ihnen jetzt zwei Dinge passiert, die selbst mir beim Schreiben passieren:
Der Mund hat sich verzogen, so wie wenn man – nun ja, in eine Zitrone beißt,und im Gaumen hat sich Speichel gesammelt.Das Experiment ist ein Klassiker in der Psychologie, es belegt auf simple Weise, wie wir mit purer Gedankenkraft biochemische und andere Vorgänge im Körper beeinflussen können.
Wir fühlen, was wir fühlen, weil wir denken, was wir denken.
Wenn Sie also wegen finanzieller Ängste, wegen Überforderung im Beruf oder aktuell wegen der Sorge um COVID-19, Homeschooling, Homeoffice oder auch aufgrund irgendwelcher sonstiger Nöte schlecht gelaunt sind und den Blues haben, bedenken Sie: Schlimmer geht immer!
[26]Hier eine kurze Auflistung von Denkstrategien, mit denen Sie Ihren seelisch-psychischen Zustand noch weiter verschlechtern können. Funktioniert mindestens so sicher wie das Zitronenexperiment:
Maximale Ansprüche an mich selbst (statt »Passt scho«-Strategie)Mit Scheitern rechnen (statt Fortschritt bemerken)Sich von Hindernissen behindern lassen (statt sie als Herausforderung sehen)Pessimismus (statt Zuversicht)»Ich bin hilflos« (statt eigene Handlungsspielräume zu erkennen und zu nutzen)Überall nur Bedrohungen und Probleme sehen (statt hie und da auch Gelegenheiten)Schwarz-Weiß-Denken (statt in Grautönen)»Meine Probleme sind allumfassend und ewig« (statt: »Sie werden weniger werden und betreffen nicht alle Lebensbereiche«)Kollegen als Wettbewerber/Konkurrenten sehen (statt sie zu ignorieren oder als Ansporn oder Unterstützer zu sehen)»Der Job, für den ich mich erfolglos beworben habe, wäre der absolute Traumjob gewesen« (statt die Situation realistisch einzuschätzen)Mich selbst permanent und maximal ernst nehmen (statt moderater Introspektion)Scheitern gründlichst analysieren, Erfolge achselzuckend ignorieren (statt genauem Analysieren von Erfolgen und deren Ursachen und gelegentlichem Wegwischen von Fehlern und Niederlagen)Meine Schwächen bekämpfen (statt meine Stärken feiern)Eindeutigkeit von mir verlangen (statt Sowohl-als-auch und Ambiguität akzeptieren)»Meine Erfolge sind Zufall, meine Misserfolge zeigen meinen wahren Charakter« (statt »Meine Erfolge habe ich mir zu verdanken und bei den Niederlagen hatte ich Pech.«).Fallen Ihnen noch andere ein? Wahrscheinlich habe ich ein paar vergessen. Und veilleicht acuh eni para Fheler megacht. Seiʼs drum. Wunschlos ist, um mit dem Nobelpreisträger Peter Handke zu sprechen, nicht mal das Unglück.
2 Siehe dazu: Ryff’s Psychological Well-Being Scales (PWB), 42 Item version. Online verfügbar unter: https://danrobertsgroup.com/wp-content/uploads/2018/02/PWB-Scale.pdf
3 Siehe Diener et al. (1085): Satisfaction with Life Scale. Online verfügbar unter: http://bildungswissenschaften.uni-saarland.de/personal/jacobs/diagnostik/tests/free/swls_deutsche_normen.php
4 Beschreibung siehe Tennant et al. (2007): The Warwick-Edinburgh Mental Well-being Scale (WEMWBS): development and UK validation (doi:101186/1477-7252-5-63). 14 Fragen können direkt beantwortet und ausgewertet werden unter: https://www.samh.org.uk/about-mental-health/self-help-and-wellbeing/wellbeing-assessment-tool
5 Siehe: https://positiv-fuehren.com/positive-leadership/perma-lead-profiler/
6 Mehr dazu unter: https://www.ebner-team.com/positive-leadership/#Zertifizierung
7 Siehe dazu auch meinen Podcast mit Vaude-Chefin Antje von Dewitz: https://positiv-fuehren.com/podcast/mein-podcast-positiv-fuehren-folge-6-interview-antje-von-dewitz-vaude/
8 Mehr dazu siehe https://www.plus-rasmussen.com/
9 Mehr zum Thema »Toxische Verbindung« siehe den Onlineartikel von Christine Carter (2017) unter: https://greatergood.berkeley.edu/article/item/how_to_handle_a_toxic_relationship
10 Siehe dazu https://www.nytimes.com/2011/01/17/technology/17brain.html?_r=2&scp=1&sq=military%20data&st=cse
11 Einen interessanten Beitrag dazu liefern Chugh & Bazerman (2007); online unter: https://doi.org/10.1007/s11299-006-0020-4
12 Das Paretoprinzip, auch die 80-20-Regel genannt, besagt, dass wir 80 % der Arbeit in 20 % der Zeit erledigen, für die letzten 20 % einer Aufgabe aber 80 % der Zeit benötigen.
13 Siehe Folge 30: »Positiv Führen« unter https://positiv-fuehren.com/podcast/
14 Siehe: https://positiv-fuehren.com/selbstmanagement/die-informationsflut-bewaeltigen-strategien-fuer-chefs/
15 Online verfügbar unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/smi.2805
16 Online verfügbar unter: https://doi.org/10.1016/j.chb.2017.11.026
17https://www.fv-medienabhaengigkeit.de/hilfe-finden/
18 Siehe https://www.schulz-von-thun.de/das-institut/unsere-philosophie
19 Mehr dazu unter: https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Fakten/BIBB-BAuA-04.pdf?__blob=publicationFile&v=4macht
20 Nachzulesen in einer bundesweiten Studie zum »Betrieblichen Gesundheitsmanagement 2018«, online unter: https://www.pronovabkk.de/media/downloads/presse_studien/studie_bgm_2018/pronovaBKK_BGM_Studie2018.pdf
21 Gepostet von J. Gifford 2018 auf DeskTime: https://desktime.com/blog/17-52-ratio-most-productive-people/
22 Siehe https://positiv-fuehren.com/resilienz/heile-durch-den-wahnsinn-nennt-es-meditation-fokusuebung-oder-wie-auch-immer/
23 Genauer beschrieben bei: https://www.apotheken.de/krankheiten/hintergrundwissen/4142-augentraining
Die positiven Emotionen sind eines der am meisten und am besten erforschten Themen in der Positiven Psychologie und Positive Leadership. Und eines der missverständlichsten.
Denn viele glauben zunächst an ein permanentes Happiness-Versprechen, das dieser Begriff beinhalte. Als müsse eine positive Führungskraft permanent mit einem Liedchen auf den Lippen pfeifend durch die Gänge tanzen – oder durch die virtuellen Zoom- beziehungsweise MS-Teams-Räume. Das, wie gesagt, wäre ein Missverständnis und eine Überforderung vieler Führungskräfte – und der Geführten.