Praxisleitfaden IoT und Industrie 4.0 - Andreas Holtschulte - E-Book

Praxisleitfaden IoT und Industrie 4.0 E-Book

Andreas Holtschulte

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Beschreibung

Praxisleitfaden für den Einsatz von IoT-Anwendungen in Logistik und Produktion

Dieser Praxisleitfaden richtet sich an Fach- und Führungskräfte, die IoT-Anwendungen in der Logistik und Produktion einsetzen möchten, um ihr Unternehmen fit für die Industrie 4.0 zu machen. Das Buch stellt Methoden, Tools und Best Practices für die erfolgreiche Umsetzung von IoT-Projekten vor.

Folgende Themen werden behandelt:
- IoT-Komponenten und -Begrifflichkeiten: Sensoren & Aktoren; Hot, Warm & Cold Storage, Digital Twins, DevOps
- Bauplan für IoT-Systeme: Merkmale, Anforderungen und Architektur nach ISO 30141
- IoT-Plattformen: PaaS, SaS und IaaS
- IoT ohne Internet: Edge & Fog Computing
- IoT und Unternehmenssoftware (ERP, LVS, TMS, MES)
- IoT im Zusammenspiel mit Künstlicher Intelligenz, Big Data, AR/VR und 3D-Druck
- Konzeption und Umsetzung von IoT-Anwendungen mit Design Thinking, Scrum, Kanban & Co.

Zahlreiche Use Cases, die wertvolle Anregungen für mögliche Einsatzfelder des Internets der Dinge im industriellen Umfeld liefern, runden den Inhalt ab.

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Andreas Holtschulte

Praxisleitfaden IoT und Industrie 4.0

Methoden, Tools und Use Cases für Logistik und Produktion

Der Autor:

Andreas Holtschulte, Ilvesheim

Alle in diesem Buch enthaltenen Informationen wurden nach bestem Wissen zusammengestellt und mit Sorgfalt geprüft und getestet. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Buch enthaltenen Informationen mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autor und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht.Ebenso wenig übernehmen Autor und Verlag die Gewähr dafür, dass beschriebene Verfahren usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) – auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2021 Carl Hanser Verlag München, www.hanser-fachbuch.deLektorat: Julia SteppHerstellung: Björn GallingeCoverkonzept: Marc Müller-Bremer, www.rebranding.de, MünchenTitelmotiv: © stock.adobe.com/spainter_vfxCoverrealisation: Max Kostopoulos

Print-ISBN:        978-3-446-46683-8E-Book-ISBN:   978-3-446-46895-5ePub-ISBN:       978-3-446-47015-6

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhalt

Vorwort

1 Vernetzte Dinge: Menschen, Maschinen und Anlagen im Internet der Dinge (IoT)

1.1 Dinge in der Wolke: Was ist IoT?

1.2 Wie alles begann

1.2.1 Die erste Kaffeemaschine im Netz

1.2.2 Funktechnik als Wegbereiter

1.2.3 Die vier industriellen Revolutionen

1.2.3.1 Maschinenzeitalter – Industrie 1.0

1.2.3.2 Industrialisierung – Industrie 2.0

1.2.3.3 Digitales Zeitalter – Industrie 3.0

1.2.3.4 Digitale Transformation – Industrie 4.0

1.3 Beispiele für IoT-Anwendungen

1.3.1 Use Cases aus dem Consumer-Bereich

1.3.2 Use Cases aus dem industriellen Bereich

1.4 Potenziale und Entwicklungen im IoT-Umfeld

1.4.1 Wo steht IoT in Deutschland?

1.4.2 Was sagen die Zahlen?

2 Bauplan für IoT-Systeme

2.1 IoT-Komponenten und -Begrifflichkeiten

2.1.1 Sensoren und Aktoren

2.1.2 Hot, Warm und Cold Storage

2.1.3 Digital Twin

2.1.4 DevOps

2.2 Merkmale und Anforderungen nach ISO 30141

2.2.1 Sicherheit von IoT-Systemen (Normabschnitt 7.2)

2.2.2 Architekturanforderungen von IoT-Systemen (Normabschnitt 7.3)

2.2.3 Funktionen von IoT-Systemen (Normabschnitt 7.4)

2.3 Architektur von IoT-Systemen nach ISO 30141

2.3.1 IoT-konzeptionelles Modell

2.3.2 IoT-Referenzmodell

2.3.3 IoT-Referenzarchitektur

3 IoT-Plattformen

3.1 IoT ohne Internet

3.1.1 Edge Computing

3.1.2 Fog Computing

3.2 Cloud Computing

3.2.1 Software as a Service (SaaS)

3.2.2 Infrastructure as a Service (IaaS)

3.2.3 Platform as a Service (PaaS)

3.3 Das Internet der Dinge – ein wachsender Markt

3.3.1 IoT-Anbieter im Wettbewerb

3.3.2 IoT als eigenes Marktsegment

3.4 Auswahlkriterien für IoT-Plattformen

3.4.1 Fraunhofer-Studie als Entscheidungshilfe

3.4.2 Integrierte versus separate Sensoren

3.4.3 Daten- und IT-Sicherheit

3.5 Multi-Cloud-Strategien

4 IoT und Unternehmenssoftware

4.1 Generelle Tipps zur Softwareanschaffung

4.2 Enterprise Resource Planning (ERP)

4.3 Lagerverwaltungssystem (LVS)

4.4 Transport Management System (TMS)

4.5 Manufacturing Execution System (MES)

5 Interaktion von IoT mit anderen Technologien

5.1 Big Data

5.2 Künstliche Intelligenz (KI)

5.3 Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR)

5.4 3D-Druck

6 IoT-Projekte erfolgreich vorbereiten

6.1 Designdenken nach Rams

6.2 Design Thinking – besser als Brainstorming

6.2.1 Design Thinking-Phasen im Überblick

6.2.2 Tipps für die erfolgreiche Umsetzung

6.3 Realitätscheck für Use Cases

6.4 Partner und Support für IoT-Projekte

6.5 Neu kaufen oder upgraden?

7 Use Cases für das Internet der Dinge

7.1 Fahrerlose Transportfahrzeuge in der Produktion und Logistik

7.1.1 Ausgangssituation

7.1.2 FTS-Leitstand – Marke Eigenbau in der Cloud

7.1.3 Erfolg durch Vereinfachung

7.1.4 Architektur und Komponenten

7.2 Containermanagement in Echtzeit

7.2.1 Problemstellung

7.2.2 Lösungsdesign mit Design Thinking

7.2.3 Lösung

7.2.4 Architektur und Komponenten

7.3 Corona-Warn-App

7.4 Track & Trace in der Logistik und Produktion

7.4.1 IoT in der Intralogistik

7.4.2 Diebstahlüberwachung im Lager mit IoT

7.4.3 Nachverfolgung in globalen Lieferketten

7.5 Intelligente Datenbrillen im Lager und in der Produktion

7.6 Objekterkennung mit IoT

7.7 Wartung und Instandhaltung in der Produktion

7.8 IoT-Geschäftsmodelle im Maschinenbau

8 Vom Projekt zur IoT-Strategie

8.1 Projekte agil umsetzen

8.1.1 Scrum

8.1.2 Kanban

8.1.3 Rapid Prototyping und Minimum Viable Product

8.2 Aufbau eines digitalen Geschäftsmodells

8.3 Strategische Partnerschaften für IoT

8.4 Innovation und Transformation

Vorwort

Sind Sie bereit für die digitale Revolution der Logistik, Produktion und Supply Chain in Ihrem Unternehmen? Dieser Praxisleitfaden liefert Ihnen eine konkrete Anleitung, wie Sie mithilfe des Internets der Dinge (Internet of Things, IoT) zum Unternehmen 4.0 gelangen. Möglicherweise denken Sie jetzt: Der nimmt den Mund ja ganz schön voll. Das mag sein, doch ich bin davon überzeugt, dass IoT der zentrale Treiber der digitalen Transformation ist. Keine andere Technologie steht in ihrer Gesamtheit für Industrie 4.0 wie das industrielle Internet der Dinge. Im Zusammenspiel mit Technologien wie Analytics oder Machine Learning ist IoT in der Lage,

       Abläufe in Unternehmen zu digitalisieren,

       Abteilungen und Unternehmen miteinander zu verbinden,

       Geschäftsabläufe zu automatisieren,

       neue Geschäftsmodelle umzusetzen und

       Unternehmensprozesse intelligenter zu machen.

Durch die Interaktion von IoT mit anderen Innovationstechnologien und durch die Integration von IoT-Systemen in die klassische Unternehmenssoftware zur Planung, Steuerung und Überwachung lassen sich Prozessinnovationen und Zusammenarbeitsmodelle über die komplexen Wertschöpfungsketten der Supply Chain abbilden und umsetzen.

Industrie 4.0 und das Industrial Internet of Things (IIoT) verändern die Supply Chain bereits heute substanziell – und wir stehen gerade erst am Anfang. Insbesondere Deutschland als Logistikweltmeister und als Heimatland des Maschinen-, Anlagen- und Automobilbaus kann von den Innovationen im Bereich IIoT profitieren. Im industriellen Internet der Dinge können Maschinen, Anlagen und Bauteile über einen digitalen Zwilling abgebildet werden. Die Informationen in Echtzeit zu Position, Geschwindigkeit und Zustand von Objekten eröffnen Chancen für neuartige Dienstleistungen und Geschäftsmodelle.

Durch die über die komplette Supply Chain erfassten und gesammelten Maschinen-, Bestands- und Transportdaten werden die Prozesse in der Kette transparenter, schneller, flexibler und sicherer. Produkte können individualisierter und zu günstigeren Stückkosten hergestellt werden. Ganze Produktionsanlagen werden dadurch autonom. Supply Chain-Netzwerke werden vorhersagbar und transparent für alle Parteien, die in der Logistik- und Produktionskette partizipieren.

Konnte ich mit meinen Aussagen Ihr Interesse wecken? Wollen Sie Ihre internen und nach außen gerichteten Prozesse mithilfe von IoT optimieren und verschlanken? Wollen Sie erfahren, wie Sie – basierend auf Ihrem derzeitigen Geschäftsmodell – mit IoT neue Chancen und Bereiche, zum Beispiel in Form eines digitalen Service, erschließen? Wollen Sie lernen, wie Sie ein IoT-Projekt durchführen, welches sich in seiner Komplexität von typischen IT- und Innovationsprojekten unterscheidet? Wollen Sie herausfinden, wie vergleichbare Projekte von anderen umgesetzt wurden und was deren Erfolgsfaktoren waren? Dann ist dieses Buch wie für Sie gemacht, denn es wird Sie dabei unterstützen, Ihr Unternehmen im Bereich Logistik, Produktion und Supply Chain mit Hilfe von IoT auf die nächste Entwicklungsstufe zu heben.

In Kapitel 1 erläutere ich, was unter dem Internet der Dinge zu verstehen ist und welches Potenzial in der Technologie steckt. Alles begann mit einer Kaffeemaschine, deren Video im Intranet veröffentlicht wurde. Sie werden lernen, dass das Internet der Dinge zwar auch im privaten Bereich an Bedeutung gewinnt, dass IoT aber vor allem in der Industrie, insbesondere im Bereich Produktion und Logistik, enorme Chancen eröffnet – und das speziell für den Wirtschaftsstandort Deutschland mit seinen tiefen Kenntnissen im Bereich Maschinen- und Anlagenbau.

In Kapitel 2 gebe ich Ihnen die technische Basis an die Hand, die notwendig ist, um IoT-Systeme zu planen, zu bauen und zu betreiben. Wir werfen einen Blick auf den internationalen Standard zur IoT-Referenzarchitektur (ISO/IEC 30141:2018) und beleuchten weitere Grundlagen, die für die IoT-Welt von Bedeutung sind.

Was ist ein IoT-System ohne Cloud-Plattform? Wahrscheinlich würde ohne sie das Internet im Internet der Dinge fehlen. Daher werfen wir in Kapitel 3 einen detaillierten Blick auf die am Markt verfügbaren Cloud-Plattformen und ich zeige Ihnen, worauf Sie bei der Auswahl achten sollten.

Im Kontext von Industrie 4.0 ist nicht nur die IoT-Applikation, das IoT-System oder die Cloud-Plattform entscheidend, sondern auch das digitale Rückgrat des Unternehmens, in welches die Informationen aus dem IoT-System eingebunden werden sollen. Deshalb schauen wir uns in Kapitel 4 die für IoT relevanten Unternehmenssoftware-Systeme und die Verarbeitung der IoT-Informationen in diesen Systemen an. Dies ist eine wichtige Grundlage dafür, dass IoT einen Wertbeitrag zu einer ganzheitlich integrierten Supply Chain leisten kann.

IoT ist die Kerntechnologie in der Industrie 4.0. Sie steht aber nicht isoliert da – weder in Bezug auf das digitale Rückgrat der Software eines Unternehmens noch bezogen auf andere Innovationstechnologien unserer digitalen Welt. Aus diesem Grund widme ich mich in Kapitel 5 der Interaktion von IoT mit Technologien wie Big Data, Künstliche Intelligenz, Augmented Reality, Virtual Reality und 3D-Druck.

IoT-Projekte sind komplex. Das liegt unter anderem am Zusammenspiel von Netzwerktechnik, Elektrotechnik, Steuerungs- und Regelungstechnik, Cloud-Technologie, On-Premise-Software, integrierten Informationssystemen sowie Informatik. Zum anderen drängen sich für das Design einer IoT-Lösung moderne Methoden geradezu auf. Insbesondere im Umfeld von Industrie 4.0 ist die Fokussierung auf den User und die Prozesseffizienz durch dessen Einsatz erfolgskritisch. In Kapitel 6 zeige ich Ihnen, wie Sie bereits in der Design-Phase das Maximum aus der Lösung herausholen.

In Kapitel 7 stelle ich konkrete IoT-Anwendungsfälle aus der Industrie vor, die von realen Kunden aus dem Logistik- und Produktionsbereich stammen. Ich erläutere, wie die Kunden zu der Lösung gekommen sind und beschreibe dabei auch die technischen Komponenten.

Vergessen Sie nicht die ganzheitliche Strategie Ihres Unternehmens. Machen Sie sich und Ihr Unternehmen startklar für eine Zeit, die von größeren Umwälzungen und Veränderungen geprägt sein wird als alles, was wir uns heute vorstellen können. Wie Sie darauf reagieren können und wie Sie sich für die Zukunft aufstellen, wie Sie strategische Partnerschaften aufbauen und pflegen, verrate ich Ihnen in Kapitel 8. Hier lernen Sie auch, wie Sie durch den Einsatz und die Festigung agiler Methoden in Ihrem Unternehmen aus einem Projekt eine IoT-Strategie entstehen lassen. IoT ermöglicht es Ihnen, Ihr traditionelles Geschäftsmodell zu erweitern oder komplett zu transformieren.

Ohne eine Danksagung kommt kein gutes Buch aus. Besonderer Dank gilt meiner Frau Gitti und meinen beiden Kindern Marlene und Kurti für ihre Geduld und Unterstützung während des Verfassens dieses Werkes, das in Zeiten von Corona-Pandemie, von Home Schooling sowie der Gründung und des Aufbaus meiner Unternehmen in 2020 entstand. Für die Hilfe meines Freundes und Redakteurs Dirk Nordhoff (deutschmitdirk.de), mit dem ich bereits seit Ende der 90er Jahre zusammenarbeite, möchte ich mich ebenfalls bedanken. Wir starteten beide unsere berufliche Laufbahn als Journalisten bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung in der Funke Mediengruppe. Ohne ihn und die hervorragende Unterstützung und Engelsgeduld meiner Lektorin Julia Stepp wäre dieses Buch nicht in der vorliegenden sprachlichen Qualität entstanden. Ein großer Dank gilt auch den Unternehmen, die mit Use Cases und Interviews zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben: Zolitron Technology GmbH, IdentPro GmbH, Huawei, Cisco, IoT Analytics, Fraunhofer-Institut, PAC Deutschland, digit-ANTS GmbH und iIoT.institute.

Ilvesheim, Februar 2021

Andreas Holtschulte

1Vernetzte Dinge: Menschen, Maschinen und Anlagen im Internet der Dinge (IoT)

Wenn wir uns das Wort „Allesnetz“ einmal auf der Zunge zergehen lassen, klingt es stark nach Science-Fiction und nicht nach Normalität – für mich jedenfalls, möglicherweise geht es Ihnen da anders. Fakt ist aber: Das „Allesnetz“, besser bekannt als Internet der Dinge (Internet of Things, IoT), ist keine Fiktion mehr. Es ist Realität.

Dieses Kapitel zeigt, wie es dazu kam, dass wir uns heute ganz konkret mit dem Internet der Dinge befassen. Es resümiert die historische Entwicklung des Internets der Dinge und geht der Frage nach, warum im Zusammenhang mit den heutigen Möglichkeiten der Industrie 4.0 häufig von einer Revolution gesprochen wird. Warum ist IoT so bedeutsam? Und wie hat das alles angefangen? Außerdem schauen wir uns einige Anwendungsbeispiele aus dem privaten und industriellen Bereich an. An welchen Stellen in unserem Leben begegnet uns das Internet der Dinge? Wie beeinflusst es unser Wohn- und Freizeitverhalten? Welche Rolle spielt es in unseren Fabriken, Lagern und Logistiksystemen? Zum Schluss werfen wir noch einen Blick auf die Potenziale und Entwicklungen, bevor wir dann in Kapitel 2 in die technischen Details einsteigen.

1.1Dinge in der Wolke: Was ist IoT?

Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) ist die Kombination von physischen Dingen und deren digitalen Abbildern. Bei dieser Verbindung entsteht ein sogenanntes cyber-physisches System (CPS). Dieses CPS vereint Bestandteile der Informatik und Software mit denen der Elektronik und Mechanik. Damit wir ein cyber-physisches System im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge nennen dürfen, muss die Kommunikation des CPS über das Internet laufen. Komplexe cyber-physische Systeme sind beispielsweise innerhalb einer Produktionshalle über kabelgebundene und kabellose Netzwerkverbindungen verknüpft und senden bestimmte Informationen über das Internet in die entsprechende Cloud. Dort werden beispielsweise die Informationen vieler CPS aus anderen Produktionsanlagen zusammengeführt. Durch dieses Geflecht an cyber-physischen Systemen, die sich im Internet verbinden, entsprießen neue Dimensionen globaler Netze von Produktionsanlagen. Diese sind in der Lage, einerseits hochflexibel auf neue Anforderungen aus der Produktion, aber auch auf Einflüsse von außen zu reagieren. Im Bereich der Logistik bedeutet dies, dass hochdynamisch neue Versorgungsketten eröffnet werden, sollte es in der geplanten Weise zu Lieferengpässen oder Problemen im Verlauf des Transports kommen. Durch IoT wird die Vernetzung von Dingen und CPS untereinander über das Internet möglich, und so können die Dinge im Netzwerk weitgehend eigene Entscheidungen treffen.

Wenn Sie sich dieses Buch zugelegt haben, um zu verstehen, was das Internet der Dinge ist, dann können Sie es jetzt zur Seite legen und sich anderen Themen widmen. Sollten Sie jedoch verstehen wollen, wie Sie das Internet der Dinge für den Aufbau neuer Geschäftsmodelle, die weltweite Verfolgung von Waren und Maschinen sowie die vollständige Automatisierung ganzer Fabriken und Lieferketten nutzen können, werden Sie in diesem Buch die Antworten darauf finden. Sie werden auch erfahren, wie andere Unternehmen die Chancen von IoT nutzen.

IoT-Systeme stellen äußerst komplexe Software- und Hardwarearchitekturen dar. Keine andere Technologie vereint so viele Disziplinen. Ein IoT-System ist ein komplexes Zusammenspiel folgender Technologien und Disziplinen:

       Netzwerktechnik

       Elektrotechnik

       Steuerungs- und Regeltechnik

       Cloud-Technologie

       On-Premise-Software

       integrierte Informationssysteme

       Informatik

Daher wird ein breites Spektrum an Fähigkeiten und Kompetenzen benötigt, um ein IoT-System zu planen, aufzubauen und zu betreiben. Glücklicherweise müssen Sie dabei nicht bei null anfangen, denn die international tätigen Gremien der International Organization for Standardization (ISO) und der International Electrotechnical Commission (IEC) haben im Jahr 2017 mit der ISO/IEC 30141 erstmalig eine internationale Norm erarbeitet, welche eine Referenz für IoT-Architekturen, -Konzepte und -Modelle darstellt. Eine IoT-Architektur muss aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden, um alle Aspekte zu berücksichtigen und einen nachhaltigen Betrieb zu gewährleisten. Die Norm gibt Hinweise zu den entsprechenden Perspektiven bezüglich Funktionen, System, Netzwerk, Betrieb und Nutzern. In Kapitel 2 werde ich die technischen Komponenten, Merkmale und Anforderungen an ein IoT-System beschreiben.

1.2Wie alles begann

Aller Anfang ist schwer und sieht insbesondere im Innovationbereich häufig nach Bastelei und Spielerei verschrobener Technikfreaks aus. Doch es sind oft diese sehr speziellen Anwendungen, die einer Technologie oder Technologiekonzepten zum Durchbruch verhelfen, auch wenn zunächst viele fragen: „Wofür soll das bitte gut sein?“ Die ersten Anwendungsfälle von IoT haben durchaus diesen Charakter. An unterschiedlichen Orten auf der Welt hatten einige Menschen innovative Ideen, die das Leben etwas leichter machen und Prozesse vereinfachen. Über Funkchips und eine relativ einfache Kameraüberwachung sparten sich technikverliebte Wissenschaftler zum Beispiel den Weg zur Kaffeemaschine, und Getränkeautomaten meldeten automatisch, wann sie wieder gefüllt werden sollten.

Wann hat das mit dem Internet der Dinge eigentlich genau angefangen? Die offensichtliche Antwort darauf lautet: mit dem Internet. Je nachdem, ob man sich auf das frühe Internet als Netz einiger Großrechner oder auf das daraus resultierende Internet als Massenmedium bezieht, könnte man also auf die 1970er Jahre verweisen, in denen beispielsweise Universitäten ihre Computer vernetzten, oder auf die 1990er Jahre, in denen die Vorläufer der heutigen Browser für alle ihren Durchbruch hatten.

Nicht wenige Stimmen bezeichnen das Internet der Dinge als eine Wendepunkt-Technologie, die die Welt flächendeckend und für immer verändern wird. Wenn man IoT und Industrie 4.0 als vierte industrielle Revolution betrachtet, kann man bei den drei vorangegangenen Revolutionen ansetzen, um die heutige Entwicklung einzuordnen. Dann redeten wir nicht nur über 30 bis 50 Jahre unmittelbare Vorgeschichte, sondern würden einen Bogen bis zur Entstehung der ersten Großindustrien im 18. Jahrhundert spannen. Der Begriff IoT ist jedoch deutlich jünger. Die meisten datieren die englische Wortschöpfung auf das Jahr 1999 zurück. Allerdings gab es schon lange, bevor das Internet Realität wurde, Überlegungen zu einer Art Internet der Dinge im Kontext von Maschinenvernetzung, Systemen und Kommunikationsmöglichkeiten, die auf andere, zeitgenössische Worte zurückgriffen.

Wie auch immer Sie zur historischen Entwicklung stehen mögen: An zwei Meilensteinen sollten wir auf jeden Fall kurz innehalten, um die Dynamik der heutigen IoT-Welt zu verstehen. Das ist zum einen die Funktechnik RFID und zum anderen der Moment, als die erste Kaffeemaschine ins Netz ging.

1.2.1Die erste Kaffeemaschine im Netz

Unabhängig davon, ob Sie ein klassisches Gerät verwenden, das vom Internet abgekoppelt ist, oder eine moderne Version des mit dem Internet verbundenen Geräts, bleiben die Grundfunktionen und Anwendungsoptionen normalerweise gleich. Selbst wenn die intelligente Kaffeemaschine automatisch Kaffee brüht und Ihre Vorlieben außerhalb des Tages und der Woche berücksichtigt, müssen Sie doch selbst Kaffeepulver kaufen und nachfüllen und den Filter oder andere Teile reinigen. Gut, in Hightech-Regionen wie der südkoreanischen Hauptstadt Seoul könnten Sie sich noch etwas mehr Maschinenunterstützung holen, indem Sie in ein futuristisches Café wie B;eat gehen, um sich von einem 5G-fähigen Roboter-Barista bedienen zu lassen. Wenn Sie das einmal selbst ausprobieren und zusätzlich noch in Marc-Uwe Klings Satire Quality Land nachlesen, warum Roboterkellner keinen Kaffee servieren können, ohne zu schlabbern, haben Sie eine Idee davon, dass Kaffee – auch technologisch gesehen – nicht gleich Kaffee ist.

Trojan Room-Kaffeemaschine hieß die Maschine, die das erste dokumentierte Ding im Internet gewesen sein soll. Einige von Ihnen werden diese Kaffeemaschine sicher kennen. Wenn ich mich recht erinnere, hatten meine Eltern in den frühen 1990er Jahren auch so ein Modell. Was aber soll dieser einfache Brühautomat aus den späten 1980ern, der von Krups unter dem Markennamen ProAroma verkauft wurde, mit dem Internet zu tun haben? Er hatte weder einen Netzwerkanschluss noch einen Wireless LAN-Adapter verbaut. Das brauchte die ProAroma aber auch gar nicht.

1991 hatten es die Wissenschaftler des Instituts für Computerwissenschaft der University of Cambridge satt, ständig mehrere Gänge zu durchstreifen, um – im Trojan Room (der Teeküche des Instituts) im ersten Stock des Instituts angekommen – festzustellen, dass der Kaffee noch nicht vollständig durch den Filter in die Kanne gelaufen war. Kaffeedurstig und frustriert waren die Forscher jahrzehntelang wieder den beschwerlichen Weg ins Büro zurückgelaufen, ohne einen Schluck des schwarzen Goldes in der Tasse. Jeder Gang macht schlank, sagt man, aber der Ärger über die Zeitverschwendung war doch zu groß.

So machten sich die IT-Mitarbeiter um Quentin Stafford-Fraser Gedanken, wie sie die unnötigen und frustrierenden Wege zum Trojan Room vermeiden könnten. Sie wollten aus der Ferne Informationen über den Fortschritt im Brühprozess erhalten, um im richtigen Moment den Weg zum warmen Getränk anzutreten. Wie bei vielen anderen großen Erfindungen der Menschheitsgeschichte auch, etwa der Erfindung des Automobils, war der Treiber für eine neue Technologie, die die Welt verändern würde, schlicht Faulheit. Also stellten die Forscher eine Kamera auf, die die Menge der schwarzen Flüssigkeit in der Kanne filmte und die bewegten Bilder in das lokale Netzwerk der Universität übertrug. Gespannt verfolgten die Erfinder an ihren Computermonitoren nun den Fortschritt des Brühprozesses – und das in Echtzeit.

Ungefähr zeitgleich mit der Kaffeemaschinen-Kamera nahm das frühe Internet Gestalt an, das nicht nur lokale Vernetzung, sondern größtmögliche, weltweite Rechnerverbindungen ermöglichen sollte. Ab 1993 war die Trojan Room-Kaffeemaschine der IT-Spezialisten im World Wide Web zu sehen. Die Kamera war die erste Webcam im Internet und die Kaffeemaschine somit das erste Ding im Internet der Dinge.

Die intelligente Kaffeemaschine von heute würde sich nicht schnöde abfilmen lassen, sondern selbstständig durch eingebaute Sensoren den Füllstand messen und uns auf direktem Wege über Fertigstellung des Brühprozesses oder etwaige Wartungsmaßnahmen wie Entkalken und Reinigen informieren – zum Beispiel über Push-Nachrichten auf das Smartphone. Die eigentlichen Komponenten der Maschine müssten dabei nicht einmal verändert werden. Es müssten lediglich einige Sensoren, Aktoren und Netzwerkverbindungen nachgerüstet werden.

Noch ein paar Jahre älter als die Trojan Room-Kaffeemaschine ist übrigens ein Cola-Automat mit einer ganz ähnlichen Geschichte: In einer Uni in Pittsburgh, Pennsylvania, arbeiteten und forschten ebenfalls einige Computerspezialisten, die sich mit Cola statt mit Kaffee wachhielten. Auch hier waren die Wege lang, und oft waren alle gekühlten Dosen vergriffen, wenn man endlich am Automaten ankam. Was die Tüftler sich ausdachten, nennt man heute zum Beispiel bei IBM „the world’s first IoT device“.1 Sie installierten in dem Automaten ein Board, das dessen Lichtanzeigen über ein Gateway an den Hauptcomputer weiterleitete. Mit ein bisschen Programmierarbeit führte das zu einer Anwendung, die es allen Computernutzern im lokalen Netz der Uni ermöglichte, aus der Ferne zu überprüfen, welche Dosen gerade im Angebot waren und wie lange sie schon kühlten. Da das genutzte Gateway auch mit dem damaligen Internetvorläufer, dem Arpanet mit seinen maximal 300 Computern, verbunden war, stand diese 1980er-Jahre-App auch außerhalb des Uninetzes zur Verfügung.

1.2.2Funktechnik als Wegbereiter

Wenn die physische Welt und die Dinge in ihr ein Abbild in der digitalen Welt finden, sprechen wir vom Internet der Dinge. Entstanden ist dieses Bild um das Jahr 2010, denn zu dieser Zeit veränderten Cloud-Plattformen, -Architekturen und -Anwendungen die Welt, in der Digitales mit Realem verschmilzt. Was das genau bedeutet und wie sich das Internet vom Internet der Dinge unterscheidet, darauf gehe ich im Laufe des Buches noch ein. Bleiben wir aber noch einen Moment bei der historischen Entwicklung.

Technologiehistorisch war der Urvater des Internets der Dinge die RFID-Technologie. RFID steht für Radio Frequency Identification. Das bedeutet, dass Objekte, Waren und Ladeeinheiten, die mit Funkwellen aktiviert werden (passive Tags) oder von sich aus ein Funksignal senden (aktive Tags), ihre Identität per Funk senden. So werden die Objekte identifiziert, und es kann beispielsweise beim Durchfahren durch ein Tor oder Portal automatisch ein Wareneingang gebucht werden. Der Empfänger weiß also, dass die Ware nun in seinem Lager angekommen ist, ohne dass seine Lagermitarbeiter die Labels scannen oder Wareneingangsscheine in einem Warenwirtschaftssystem verbuchen müssen.

Im Zusammenhang mit dem Begriffspaar IoT und RFID trifft man bei der Recherche immer wieder auf den Namen Kevin Ashton. Er gilt als Erfinder des Begriffs „Internet of Things“. Der Brite soll die Formulierung gewählt haben, als er 1999 an einer Präsentation arbeitete. Er war zu dieser Zeit als Experte für RFID-Themen am damaligen Auto-ID Center des Massachusetts Institute of Technology (MIT) tätig. Genau genommen braucht es für die Nutzung von RFID kein Internet, da die Vorteile der berührungslosen und scannerlosen Vereinnahmung (ohne Sichtkontakt) bereits einen enormen Mehrwert bieten, selbst wenn die Technologie direkt an einem Warenwirtschaftssystem angeschlossen ist.

Die RFID Technologie basiert auf dem Konzept, dass Daten wie der Produktcode, die Seriennummer, die Charge etc. auf sogenannten RFID-Tags gespeichert und am Paket, an der Gitterbox oder dem Ladungsträger befestigt werden. Dazu ein Beispiel: Werden auf dem RFID-Tag die Materialnummer, die Chargennummer und das Herstellungsdatum abgespeichert, trägt das Produkt, an dem das Tag angebracht ist, über den kompletten Lebenszyklus diese Informationen auf seinem Chip mit sich. So lässt sich auch später noch feststellen, von wem, wo und wann es hergestellt wurde. Was aber ist der Unterschied zu einem einfachen Barcodelabel, das diese Informationen auch speichern kann, die wiederum durch einen Barcodescanner ausgelesen werden können? An den verschiedenen Stationen eines Trägers dieses Tags können je nach Speicherkapazität zusätzliche Informationen auf dem RFID-Chip gespeichert oder Informationen aktualisiert werden. Über die so entstehende digitale Spur ist es möglich, Güter und Waren über den Globus zu verfolgen, was heute unter dem Begriff Track & Trace oder bei der Chargenverfolgung Global Batch Traceability genannt wird.

Bild 1.1Aufbau eines RFID-Chips (© Syrma Technology)

Zudem ergibt sich bei diesem Ansatz die Möglichkeit der Automatisierung, und so nutzen viele Unternehmen die Technologie zur Optimierung der Supply Chain. Buchungen in Echtzeit und eine hohe Transparenz führen in der Logistik zu höherer Warenverfügbarkeit, schnelleren Abläufen, Bestandsreduktion und so zu geringeren Prozesskosten sowie weniger Kapitalbindung im Lager.

IoT entstand also durch die Weiterentwicklung der RFID-Technologie und ihrer Kombination mit kabellosen Sensoren, die über ein Netzwerk kommunizieren. In dieser Zwischenetappe waren die Sensoren aber nicht über das Internet verbunden. Daher wäre der Begriff IoT noch etwas unpassend, da die zentrale Zutat – das Internet – noch fehlte.

In den frühen 1990er Jahren nannte man diese Technologie Wireless Sensor Network (WSN). Das Grundkonzept des Internets der Dinge wurde durch WSN bereits verwirklicht – nur eben ohne das Internet. Solche drahtlosen Sensornetzwerke wurden beispielsweise bei der Gesundheitsüberwachung in Krankenhäusern oder der Prozessüberwachung in Fabriken eingesetzt.

Stand zu Beginn noch die Verfolgung und automatische Identifizierung von Vermögenswerten (Assets) in Gebäuden im Mittelpunkt, wurden die Use Cases zunehmend komplexer. So wurden durch die Identifikation von Gegenständen und Objekten betriebswirtschaftliche Buchungsprozesse in Warenwirtschafts-, Lagerverwaltungs- und Produktionssteuerungssystemen ausgelöst. Mehr und mehr trat die Überwachung von Maschinen, Anlagen und ganzer Fabriken in den Mittelpunkt. Das, was wir heute unter dem Buzzword Predictive Maintenance (Vorausschauende Instandhaltung) verstehen, war bereits im WSN möglich. So war es bereits durch Erreichen definierter Sensorwerte bezüglich Temperatur, Vibration, Drehzahl oder Ausdehnung möglich, bevorstehende Reparaturen vorherzusagen oder Wartungsservices anzustoßen.

Mit der Zeit entwickelten sich neben den kabellosen Netzwerken innerhalb der Fabrik- und Lagergebäude auch die Mobilfunknetze massiv weiter. So ist es über 3G, 4G (LTE) bis zur heutigen 5G-Mobilfunktechnik möglich, immer größere Datenpakete in deutlich kürzeren Zeiten zu übertragen. Die 5G-Technologie bildet damit einen Meilenstein in der Weiterentwicklung des Internets der Dinge. Pkws, die sich autonom im öffentlichen Straßenverkehr bewegen, übermitteln x MB pro Sekunde, was sich mit der derzeit maximal verbreiteten Mobilfunktechnologie nicht bewältigen lässt, wollte man die Informationen in Echtzeit in das Internet hochladen und in der Cloud verarbeiten. Inzwischen wurden neue Konzepte entwickelt, um die Datenmenge, die in Echtzeit in der Cloud verarbeitet werden soll, zu begrenzen. Die Konzepte nennen sich Edge Computing (engl. für Rand) und Fog Computing (engl. für Nebel). Daten werden hier sprichwörtlich am Rand oder im Nebel des lokalen Netzwerks verarbeitet, und es werden nur die wirklich notwendigen Daten in die Cloud hochgeladen und dort verarbeitet. Ich gehe auf diese Konzepte der Industrie 4.0 in Kapitel 3 detailliert ein.

1.2.3Die vier industriellen Revolutionen

Wie vorangehend bereits angesprochen, lässt sich das Internet der Dinge auch in einen größeren Zusammenhang stellen, gerade wenn man sich mit der sozialen und gesellschaftlichen Dimension auseinandersetzen möchte. Haben Sie schon einmal etwas von der vierten industriellen Revolution gehört? Während Industrie 4.0 eine originär deutsche Wortschöpfung ist, hat sich der Begriff „vierte industrielle Revolution“ inzwischen auch international als Bezeichnung für eine ganzheitliche Digitalisierung der Produktion und Lieferketten etabliert. Das liegt daran, dass er an eine gängige und gut nachvollziehbare Fortschrittserzählung anknüpft, die die meisten von uns aus dem Schulunterricht kennen. Was aber hat der Begriff Industrie 4.0 und dessen Bedeutung mit dem Internet der Dinge gemeinsam? Warum vierte industrielle Revolution und nicht zehnte oder zweite? Warum widme ich diesem Thema einen kompletten Abschnitt?

Industrie 4.0 ist die industrielle Ausprägung von IoT. Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen haben wir es in der Industrie mit realen, physischen Dingen zu tun, die produziert, transportiert, gelagert, gewartet und repariert werden. Somit ist die Verbindung dieser physischen Dinge mit dem Internet und die Ausstattung mit Sensoren und Servomotoren der Weg zur Industrie 4.0. Im Bereich Internet der Dinge hat man deshalb eine Erweiterung des Begriffs vorgenommen: Das Industrial Internet of Things (IIoT) ist gleichzusetzen mit Industrie 4.0. Ohne IoT-Technologie wäre das, was wir heute unter Industrie 4.0 verstehen, lediglich eine leere Worthülse. Alle zusätzlichen Technologien wie Big Data, Analytics, Virtual Reality, Augmented Reality sind im Bereich der Industrie wichtige Zusatztechnologien, die immer auf den Dingen und den von ihnen erzeugten Daten aufsetzen.

1.2.3.1Maschinenzeitalter – Industrie 1.0

Folgen wir nun aber erst einmal dem Lauf der Geschichte über alle industriellen Revolutionen hinweg bis zum heutigen Stand der Technologie. Den Anfang machte die erste und entscheidende industrielle Revolution, die Industrialisierung Ende des 18. Jahrhunderts, angefeuert durch die massive Förderung von Steinkohle und die Erfindung und massenhafte industrielle Nutzung der Dampfmaschinen. Erstmals verrichteten Maschinen, angetrieben durch Wasserkraft oder Dampf, in großem Umfang mechanische Arbeiten und lösten damit den Menschen in diesen Arbeitsbereichen ab. Das Maschinenzeitalter war angebrochen. Maschinen und Geräte werden Ihnen in diesem Buch immer wieder begegnen. Sie sind die wohl wichtigsten „Dinge“ im Internet der Dinge.

Die Wirtschaft, das Arbeiten und das Leben der Arbeiter veränderte sich nachhaltig und heftig. Durch Erfindung des mechanischen Webstuhls und anderer Maschinen im Textilsektor verloren die zum Teil hochqualifizierten und gut verdienenden Textilberufsgruppen Tuchscherer, Weber und Strumpfwirker ihren Status und wurden weitgehend durch Maschinen ersetzt.

Ein weiterer entscheidender Faktor, der diese Phase geprägt hat, war die Kooperation zwischen Wissenschaft und Industrie. So kooperierten viele Industrieunternehmen mit Bildungseinrichtungen und Universitäten oder gründeten direkt interne Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.

Es war aber auch eine Zeit, in der diejenigen, die durch die Maschinen ihre Jobs gefährdet sahen, massiven Protest und offene Gewalt gegen die neuen Maschinen und Produktionsverfahren anwendeten. Diese Gruppe nannte man „Maschinenstürmer“. Nicht nur die Textilbranche war davon betroffen, sondern auch die Landwirtschaft und die metallverarbeitende Industrie.

1.2.3.2Industrialisierung – Industrie 2.0

Nachdem im Maschinenzeitalter kräftig auf den Einsatz von Maschinen statt menschlicher Kraft gesetzt wurde, wurde es zunehmend erforderlich, Prozesse konsequent zu standardisieren und zu automatisieren. So kam es in Deutschland ab den 1870er Jahren der Industrialisierung vermehrt zum Einsatz von Fließbändern in der Massenfertigung. Ein bedeutender und herausragender Name der Zeit der Massenfertigung, der aufkommenden Fließbandproduktion und der zugrunde liegenden Standardisierung im Automobilsektor war Henry Ford. Mit seinem legendären Model T perfektionierte er die Produktionsprozesse mithilfe des Fließbandes derart, dass sich die Produktionszeit des Fahrzeugs von 12 Stunden auf 93 Minuten verringerte. Durch die massive Steigerung der Produktivität in seinen Fabriken sank der Preis des Autos von 780 US$ im Jahr 1911 auf 490 US$ im Jahr 1914. So wurde das Automobil für weitere Teile der Bevölkerung erschwinglich und das Model T millionenfach in Amerika und später auch im Rest der Welt verkauft. Eine weitere Maßnahme, die die Produktionskosten massiv senkte, war die radikale Standardisierung. Das Model T wurde lediglich in einer einzigen Farbe angeboten. „Sie können jede Farbe haben, solange diese Farbe nur Schwarz ist“, sagte er damals zu seiner Kundschaft. Revolutionär ist dies unter dem Gesichtspunkt, dass bis zum Ende des 19. Jahrhunderts noch jedes Fahrzeug komplett in einer Art Werkstattfertigung vollständig zusammengebaut wurde, bevor ein neues Fahrzeug gefertigt werden konnte. Daher waren die frühen Automobile nur für sehr reiche Menschen erschwinglich.

Neben der Automobilindustrie waren insbesondere die Chemie-, Elektro-, Maschinenbau- und die optische Industrie Pioniere dieser Entwicklung.

Was aber verhalf dieser Revolution auf die Sprünge und machte diesen enormen Wandel neben dem starken Optimierungsdrang überhaupt möglich? In dieser Zeit war es die Elektrizität, mit deren Hilfe man Generatoren, Glühlampen und Elektromotoren betreiben konnte – und das dezentral. Die örtliche Verbindung zwischen Dampfmaschine, Schwungrad und Werkzeugmaschine wurde aufgelöst, und man konnte mit vielen kleinen Elektromotoren arbeiten, die ihre Wirkkräfte bei Bedarf am Ort des Verbrauchs erzeugen konnten.

Ab 1880 wurde der Telegraf durch das Telefon abgelöst, das von Alexander Graham Bell zur Marktreife gebracht wurde. Die Kommunikationsindustrie entstand. Zunehmend gewannen in dieser Zeit Forschung und Entwicklung und ihre Verzahnung mit der Wirtschaft an Bedeutung, was sich erstmals in der Geschichte durch firmeneigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zeigte.

1.2.3.3Digitales Zeitalter – Industrie 3.0

Machen wir nun einen Sprung von rund 100 Jahren, landen wir im Informationszeitalter, der dritten industriellen Revolution ab den 1970er Jahren. Diese digitale Revolution war geprägt von der Automatisierung der Produktion vor allem durch den Einsatz speicherprogrammierbarer Steuerungen (SPS) und weiterer Elektronik und vom Aufkommen der Informationstechnologie (IT). Sie ermöglichten die Herstellung sowie den Einsatz von Industrierobotern und modernen Werkzeugmaschinen, die durch moderne Steuerungstechnik kontrolliert wurden. Wie war dies möglich? Die Basis für die Errungenschaften im digitalen Zeitalter war die Erfindung der Mikrochips und der integrierten Schaltkreise (Integrated Circuit, IC).

Just in dieser Zeit begann auch die Erfolgsgeschichte des Personal Computers (PCs). Dieser fand seinen Platz zunächst in der Industrie und wurde bald auch zum Standard im privaten Umfeld. Die Verbreitung von Internet und Mobilfunk hatten zusätzlichen Einfluss auf fast alle Entwicklungen, die wir mit dieser Revolution in Verbindung bringen.

Zu den Innovationen2 in diesem Zeitalter zählen:

       1967: Taschenrechner

       1969: Internet

       1976: Personal Computer

       1977: Datenbanken

       1984: analoges C-Mobilfunknetz

       1992: digitales D-Mobilfunknetz

       2001: Das erste kleine UMTS-Netz der Welt wird auf der Isle of Man in Betrieb genommen.

       2006: Die erste LTE-Verbindung wird in Hongkong zur Verfügung gestellt.

       2010: Die LTE-Mobilfunktechnik startet in Deutschland mit der Versteigerung von Frequenzen.

       2012: Die LTE-Technik steht über 50 % der deutschen Haushalte zur Verfügung.

Bild 1.2Verlauf der Errungenschaften und technischen Neuerungen, die sich zum heutigen IoT zusammensetzen (Quelle: iIoT.institute)

Die Entwicklung der Mobilfunktechnologie im 21. Jahrhundert hat einen massiven Einfluss auf die Entwicklung im Bereich IoT, da wir über sie Güter, Fahrzeuge und Maschinen auf dem gesamten Erdball verfolgen, deren Zustand überwachen und Maßnahmen einleiten können.

Eine andere wichtige Facette dieser dritten industriellen Revolution sind nachhaltige Energiekonzepte, etwa in Bezug auf erneuerbare Energien.

Auch wenn wir heute stark von den Errungenschaften wie der Erfindung der Mikrochips profitieren, war auch das digitale Zeitalter geprägt von Aufständen und Protesten durch Arbeiter, Angestellte und Gewerkschaften, die durch den Einsatz der neuen Technologien, Maschinen und Verfahren um Arbeitsplätze fürchteten. Die sogenannten modernen Maschinenstürmer protestierten gegen Innovationen in der Druckindustrie und im Maschinenbau (CNC- und NC-Maschinen), denn sie sahen die modernen Maschinen als Konkurrenz zu ihrer eigenen Arbeitskraft und hatten folglich Angst, ihre Arbeitsplätze zu verlieren. Daher gingen sie auf die Straße und forderten sozialverträgliche Lösungen.

Sind Digitalisierung, Automatisierung und der Einsatz von Maschinen moderne Jobzerstörer?

Langfristig gesehen stimmt diese Aussage mit Sicherheit nicht. Kurzfristig kam es in der Geschichte bei Innovationen und der Nutzung neuer Entwicklungen immer mal wieder dazu, dass diese Innovationen Arbeiten von Angestellten und Menschen übernahmen. Jedoch stieg die Qualität, und die Produktivität erhöhte sich, was zu geringeren Einzelkosten führte. Dadurch erhöhte sich auch der gesellschaftliche Wohlstand. Was die Arbeitsplätze betrifft, führte die Einführung von Innovationen und Prozessverbesserungen stets zu sinkender Arbeitszeit und höheren Löhnen. Arbeitsplätze entstanden dann oft an anderer Stelle neu, wobei für die neu geschaffenen Stellen eine etwas höhere Qualifikation erforderlich war.

1.2.3.4Digitale Transformation – Industrie 4.0

Wir beschreiten gerade die Phase der vierten industriellen Revolution. Was aber unterscheidet die vierte von den vorangegangenen industriellen Revolutionen? Die ersten drei Revolutionen kamen durch grundlegende Innovationen zustande. Durch die Erfindung und Implementierung dieser neuen Grundlagentechnologien konnten neue Produkte und Innovationen geschaffen werden. Heute stehen uns gleich mehrere neue transformative Basistechnologien zur Verfügung, die sich gegenseitig befeuern. Dies könnte zu einem massiven Umbruch in der Gesellschaft, dem Arbeitsleben, dem Alltag und der Beschäftigungssituation führen. Roboter könnten bald viele unserer Aufgaben übernehmen und diese deutlich gewissenhafter, schneller und ohne Flüchtigkeitsfehler erledigen.

Die Automatisierung wird durch Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) angetrieben und ermöglicht. Besonders leicht können Maschinen Aufgaben mit einem sehr hohen Standardisierungsanteil sowie Routineaufgaben übernehmen. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichte im August 2019 einen Bericht, der beschreibt, dass der Anteil an Tätigkeiten, die von Maschinen übernommen werden können, durch die Innovation in der Technologie seit 2013 fortlaufend ansteigt. Das bedeutet, dass Jobs, deren Tätigkeitsprofile sehr stark standardisiert und von Wiederholungen geprägt sind, sehr bald von Maschinen übernommen werden. Der Anteil der Mitarbeiter in diesem standardisierbaren Umfeld bildet sich erfahrungsgemäß seltener fort als in Bereichen, die deutlich weniger standardisierbar sind, wie beispielsweise der kreative oder soziale Bereich. Was auf der Ebene des einzelnen Unternehmens als Innovation, Marktanpassung oder „mit der Zeit gehen“ betrachtet werden kann, birgt somit gesamtgesellschaftlich einen gewissen Sprengstoff, wenn sich eine Innovation durchsetzt und von allen genutzt wird.

Muss man sich heutzutage genauso vor der Digitalisierung und dem Internet der Dinge fürchten, wie die Weber die Maschinenstürmer fürchteten? Sind sie nicht die Jobkiller von morgen, auch wenn sie immer wieder als Chance, als Zukunft und als unumgänglich beschrieben werden? Dieses Buch ist nicht dazu gedacht, ethische, moralische oder philosophische Fragen dieser Art auszudiskutieren. Wie Sie sehen werden, tangieren wir sie aber im Rahmen von Aspekten wie der Unternehmenskultur und IoT-Projekten zumindest indirekt immer wieder.

Es ist jedoch keine Alternative, Innovationen im Zusammenhang mit der Industrie 4.0 zu ächten und zu stoppen, um Arbeitsplätze und veraltete Verfahren zu schützen, denn:

       Insbesondere in der Kombination digitaler und physischer Welten werden neue Jobs entstehen.

       Deutschland könnte weltweit bezüglich der Digitalisierung noch weiter ins Hintertreffen geraten, was sehr bald deutlich mehr Arbeitsplätze vernichten oder gar nicht erst in Deutschland entstehen lassen würde.

       IoT ist aus deutscher Sicht ein Thema, das Ingenieure mit ihrem tiefen Wissen im Maschinen- und Anlagenbau mit Digitaltechnologie verbinden und exportieren sollten.

1.3Beispiele für IoT-Anwendungen

Was für frühere Generationen noch undenkbar und für Pioniere nur als entfernte, oft neblige Vision vorstellbar war, ist für uns mittlerweile Alltag: das komplett vernetzte Leben. Jeder von uns trägt sein Smartphone Tag und Nacht mit sich herum, benutzt es knapp 4 Stunden am Tag3 und entsperrt es mehr als 50-mal täglich. Mit diesem Gerät erzeugen wir stetig IoT-Daten, die wir dann an Google, Apple und Co. senden. Wenn wir es nicht ausgeschaltet haben, senden wir stetig unsere Positionsdaten. Die Cloud-Anbieter, wie Google und andere, konsolidieren die einzelnen Nutzerdaten, die ihnen die vielen Smartphones zusenden, und berechnen damit Stauwahrscheinlichkeiten, Straßenengpässe oder das Besucheraufkommen in Hotels, Geschäften und Restaurants.

Bleiben wir einen Moment bei den Smartphones und ihrer Bedeutung für den Menschen. Machen Sie doch einmal das folgende Experiment: Notieren Sie sich eine Woche lang jede Funktion und App, die Sie mindestens einmal nutzen. In der Regel ist das ja viel mehr als nur zu telefonieren. Wenn die Liste fertig ist, überlegen Sie sich: Was davon könnten Sie auch mit einem nicht internetfähigen Telefon machen? Die Antwort wird lauten: so gut wie nichts.

Mit was vernetzt sich das Telefon für die smarten Funktionalitäten eigentlich genau? Meist handelt es sich um ortsabhängige Dienste, was sie im Sinne von Industrie 4.0 zu einem Asset und das Smartphone zu einem Tag macht. Wenn Sie so wollen, werden Sie durch Ihr Smartphone zu einem cyber-physischen System.

Eine andere spannende Frage ist: Was bedeutet es für die Industrie, dass sich mittlerweile nicht nur Computer und Netzwerke, sondern auch industrielle Geräte, Maschinen, Anlagen vernetzen lassen? Darauf gehe ich in Abschnitt 1.3.2 näher ein.

1.3.1Use Cases aus dem Consumer-Bereich

Im Folgenden nenne ich Ihnen einige typische Einsatzbeispiele für IoT im Consumer-Bereich. Genauer gesagt schauen wir uns das Phänomen Smart Home an, also das Wohnen in Räumen und Gebäuden, die vernetzte Maschinen und Geräte beinhalten. Es würde mich sehr überraschen, wenn Sie davon selbst überhaupt nichts nutzen.

Vielleicht haben Sie bereits zur Kenntnis genommen, dass es heute quasi unmöglich ist, einen „dummen“ Fernseher zu kaufen, der das leistet, was wir grundsätzlich von ihm erwarten: ein bewegtes Bild anzuzeigen, dazu einen guten Ton abzuspielen und die notwendigen Schnittstellen für den Anschluss von Antenne, Satelliten und externen Geräten bereitzustellen. Wenn Sie sich heutzutage für den Kauf eines TV-Geräts entscheiden, kommen Sie an einem intelligenten, einem smarten Fernseher nicht mehr vorbei. Eingebaute Mikrofone, Kameras und andere Sensoren sowie die Fähigkeit, sich mit dem Internet zu verbinden, machen die Intelligenz dieser Geräte aus. Damit sind diese in der Lage, das Nutzerverhalten, also die konsumierten Sendungen, zu tracken und gegebenenfalls die Gespräche und Signalwörter zu verstehen. Grundsätzlich steht technologisch kein Hindernis im Weg, die gesammelten Daten an Dienste wie Netflix, Amazon Prime, Google, Apple und Co. zu senden und zielgerichtete Werbung über alle Kanäle des Nutzers zu schalten. Allein die Tatsache, dass diese Geräte mit dem Internet verbunden werden können und teilweise müssen, um sie zu nutzen, machen sie zu einem Device im Internet der Dinge.

Ein anderes Beispiel aus dem Bereich Hausautomation ist das smarte Thermostat. Dieses ist in der Lage, Ihren Energieverbrauch signifikant zu senken, wenn Sie das Haus verlassen. Integrieren Sie die Heizungssteuerung noch in Ihren Kalender, den Sie online pflegen, schaltet die Anlage daheim in den Absenkmodus, sobald Sie in Urlaub oder auf Reisen sind. Gewähren Sie der meist mitgelieferten mobilen App auf unserem Smartphone Zugriff auf Ihren Aufenthaltsort und die Entfernung nach Hause, schaltet die Anlage die Heizung frühzeitig wieder ein, sodass Sie beim Heimkommen ein wohlig warmes Wohnzimmer haben.

Auch der intelligente Kühlschrank ist – na, raten Sie mal – mit dem Internet verbunden und registriert über Ihre Geoinformationen, dass Sie gerade im Supermarkt sind. Haben Sie mal wieder vergessen, eine Einkaufsliste zu schreiben? Kein Problem. Die App, die mit dem Kühlschrank über die Cloud verbunden ist, erscheint auf dem Home-Bildschirm und meldet Alarmstufe Rot. Der Vorrat an Sojamilch geht zur Neige. Glück gehabt. Schöne neue Welt.

Ist Ihre Kaffeemaschine noch dumm oder schon intelligent? Der intelligente Brühautomat von heute würde über das vorangehend vorgestellte Trojan Room-Modell nur laut lachen: „Eine Videoübertragung zur Status- und Füllstandsüberwachung? Wie niedlich!“ Die smarte Kaffeemaschine ist natürlich mit dem Internet verbunden und brüht den Kaffee automatisch nach Bedarf. Dabei prüft sie im Onlinekalender oder Wecker des Besitzers, wann dieser aufzustehen gedenkt, und berechnet, wann der Kaffee fertig zu sein hat. Dabei kann sie natürlich die individuellen und auch wechselnden Tagesabläufe des Besitzers mit in die Kalkulation und den Brühvorgang einbeziehen.

Smarte Lichtschalter und Glühbirnen, die mit dem Internet auf der Hersteller-Cloud verbunden sind, lassen sich über eine App auf dem Smartphone steuern und natürlich auch anhand der Kalenderangaben des Besitzers die Helligkeit in der Wohnung regulieren.

Was das intelligente Zuhause angeht, zeigt Bild 1.3, dass die Vor- und Nachteile von den Nutzern sehr differenziert betrachtet werden.

Bild 1.3Vor- und Nachteile des intelligenten Zuhauses

Im Folgenden möchte ich Ihnen eine kurze Geschichte erzählen, die zeigt, was passieren kann, wenn sich Ihr Smart Home selbstständig macht.

Wenn das Smart Home verrückt zu spielen scheint

An Heiligabend war es kalt in meiner Wohnung. Mein Kaffeevollautomat hatte mir nicht wie üblich um 6:30 Uhr meinen Caffè Crema zubereitet. Er wäre ohnehin kalt geworden, da mich mein Smartphone nicht geweckt hatte. Ich wachte am 24. Dezember 2020 um 9:12 Uhr überrascht von selbst auf, und es schien, als stünde die Welt still. Die Lichter waren aus, die Rollläden waren unten, es war ruhig – und kalt. Das war alles ein bisschen unheimlich. Ich nahm mein Smartphone und schaltete das Licht im Schlafzimmer ein. Okay, der Strom war da. Die Rollläden fuhren nach oben, nachdem ich diese in meiner Smart Home-App manuell ansteuerte.

Ich entschloss mich, eine warme Dusche zu nehmen, um aufzutauen. Doch – oh nein – das Wasser war fürchterlich kalt. Was war hier los? War die Heizung defekt? Warum hatte mich meine Heizungs-App dann nicht gewarnt? Hatte sich jemand Zugang zu meiner Smart Home-Umgebung verschafft? Es gab bereits viele Fälle, in denen Eindringlinge Passwörter geknackt und sich auf virtuellem Wege Zugang zu Häusern verschafft hatten. Aus sicherer Entfernung hatten Cyber-Kriminelle Alarmanlagen deaktiviert und Wohnungen bzw. Häuser lautlos über intelligente Türschlösser geöffnet. Anschließend hatten sie die Behausungen in aller Ruhe ausgeräumt, während die Hausherren im Urlaub oder bei der Arbeit waren. Ein anderes beunruhigendes Szenario: Hacker hatten sich durch eingebaute Internetkameras Einblick ins Privatleben der Besitzer verschafft oder Babyphones und Baby-Kontrollkameras gekapert. Der häufigste Schwachpunkt dabei waren schlechte oder keine Passwörter zum Schutz der Geräte, die jeweils mit einer IP-Adresse im Internet verbunden sind. Oft wurden die Passwörter, die werksseitig eingestellt waren und in diversen Foren im Internet zu finden sind, nicht geändert. So haben Hacker leichtes Spiel.

Nachdem ich mich langsam wieder aufgewärmt hatte und meine Kaffeemaschine mir meinen Caffè Crema kredenzt hatte, änderte ich umgehend alle Passwörter auf meinen Smart Devices (Lichtschalter, Thermostate, Kaffeemaschine, Glühbirnen, Lautsprecher, Sicherheitssysteme) und meine Drahtlosnetzwerkpasswörter auf meinen Routern daheim. Am Nachmittag erinnerte mich mein Kalender an eine Verabredung zum Abendessen im Restaurante Vegano Bon Lloc, Carrer de Sant Feliu, 7, 07012 Palma, Illes Balears, Spanien mit meinen alten Kumpels Matthias und Dirk. Völlig verwirrt rief ich Dirk an und erzählte ihm von den eigenartigen Geschehnissen an diesem Morgen. Wir erinnerten uns, dass wir im vergangenen Sommer überlegt hatten, über die Weihnachtsfeiertage zusammen nach Spanien zu fahren.

Das gut besuchte Restaurant hatte ich weit im Voraus gebucht und die Reservierung bald wieder vergessen. Die Reise hatten wir aufgrund der COVID-19-Pandemie auf nächstes Jahr verschoben Ein wenig erleichtert schaute ich nach dem Gespräch in meinem Kalender nach. Tatsächlich hatte ich den Weihnachtstrip nach

Mallorca im Kalender geblockt. Jetzt wurde mir langsam klar, was geschehen war: Meine „intelligenten“ Hausgeräte gingen aufgrund des Kalendereintrags davon aus, dass ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht zu Hause sei. Daher fuhr die Heizung herunter und die Warmwasseraufbereitung schaltete ab. Es gab keinen Kaffee für mich, die Wohnung blieb dunkel und die Rollläden fuhren nicht nach oben. Leider war mein Smart Home nicht schlau genug, zu bemerken, dass ich in Mannheim geblieben war.

Als ich meinen Kalendereintrag gelöscht hatte, fuhr die Heizung automatisch hoch, und am Abend war meine Wohnung wieder warm. Bei all der Verwirrung an diesem Morgen war ich sehr froh, dass ich nicht gehackt worden war.

Die Geschichte mag an der einen oder anderen Ecke ein wenig überspitzt klingen, doch dieses Szenario ist heutzutage technisch möglich.

Auch in Bereichen, die mit Mobilität und Verkehr zu tun haben, kommen wir mit dem Internet der Dinge in Berührung. Selbstfahrende Autos befinden sich momentan noch in der Entwicklungsphase. Eine Anwendung ist jedoch schon sehr weit verbreitet. Wer kennt die Situation? Bevor Sie sich halbtot vor Erschöpfung von Ihrem intelligenten Fernseher die Entscheidung über die zu schauende Sendung abnehmen lassen, müssen Sie nach dem anstrengenden Einkaufsmarathon mit der Partnerin oder dem Partner erst noch die letzte Prüfung für diesem Samstagnachmittag bestehen, die da heißt: Autosuche in den Untiefen des Parkhauses. Doch zum Glück sind Sie Besitzer eines Fahrzeugs in der Beta-Phase, das selbstständig ein- und ausparken kann und per Knopfdruck in der mitgelieferten App zu Ihnen kommt.

Doch wirklich durchgesetzt hat sich im Consumer-Bereich bislang nur der Smart-TV. Allein durch die vielen Streaming-Anbieter wie Netflix, Amazon Prime oder Disney+ müssen die Geräte eine Internetverbindung aufbauen können, wenn Sie nicht eine weitere Box zwischen Internet und Ihrem Fernseher anschließen wollen. Bei vielen anderen Use Cases für IoT stellt sich zu Recht die Frage: Braucht man das denn wirklich, und erleichtert das den Alltag? Der Grund dafür, dass sich eine Anwendung durchsetzt, ist der, dass diese einen Zusatznutzen für den Anwender erzeugt. Oftmals scheint es ziemlich modern, die neuesten digitalen Helferlein zu nutzen. Doch verbessert dies tatsächlich unser Leben und sparen wir womöglich Zeit und Geld durch deren Anwendung?

Ein führender global agierender schwäbischer Hersteller für Automatisierungs- und Automobiltechnik wählte zu Beginn des Jahres 2019 eine ziemlich bemerkenswerte Marketingstrategie, um sich im Bereich der Heimautomation und privaten Nutzung von IoT (Consumer-Segment) weltweit als Spitzenhersteller zu positionieren. Rechtzeitig zur Elektronikmesse in Las Vegas stellte dieser seine Kampagne vor, die sich stark an der Internetbewegung „Like A Boss“ orientierte. Hier buhlen mehr oder weniger begabte Talente mit ihren Fertigkeiten, ihren Stunts und ihrer Geschicklichkeit darum, von der Internetgemeinde zum Boss in ihrer Disziplin ernannt zu werden. Der Held der Kampagne, der in diversen Alltagssituationen in Szene gesetzt wurde, wirkte eigentlich gar nicht wie ein Held, sondern eher wie ein IoT-Nerd, der allein durch seine technischen Helferlein zum Helden wird.

Na ja, wenn ich es mir recht überlege, ist der Unterschied zu den Avengers-Superhelden gar nicht so groß. Beispielsweise wird Iron Man erst durch seinen Stahlanzug zum Superhelden. Vielleicht besteht also doch noch eine Chance für uns Normalsterbliche, zum IoT-Superhelden zu werden. Spätestens jetzt habe ich Sie wahrscheinlich überzeugt und Sie wollen wissen, wie Sie mit IoT zum Superhelden mutieren, oder? Kommen wir zurück zu unserem IoT-Nerd: Die Videosequenzen gingen allein durch ihre witzige Aufmachung viral und erzielten durchaus eine sehr große Reichweite. Bricht man das Ganze aber auf die eigentliche Neuerung und Innovation herunter, erscheint die Veränderung nicht als Transformation. Auch der Nutzen, die Zeitersparnis oder die Steigerung der Lebensqualität, die durch den Einsatz von IoT im Alltag entstehen, können einen rationalen Menschen nicht wirklich überzeugen. Er verbucht IoT lediglich unter dem Stichwort „nettes Spielzeug“. Der Alltag und das Verhalten unseres Helden änderte sich durch den Einsatz von IoT nicht. Er wurde weder effizienter noch schneller – eher im Gegenteil: Jeder, der sich im Alltag schon einmal wirklich ernsthaft mit Technik beschäftigt hat, wird feststellen, dass es dadurch oftmals komplizierter wird, vor allem, da wir uns ungern von eingelernten Gewohnheiten verabschieden.

Während sich ein Teil der IoT-Anwendungen sehr eindeutig dem Consumer-Bereich oder dem industriellen Sektor zuordnen lässt, gibt es auch Anwendungen, die beiden Bereichen zuzurechnen sind. Dazu zählt zum Beispiel unser komplettes Stromnetz mit seinen digitalen, am Netz angeschlossenen Stromzählern (Smart Meters), die in regelmäßigen Abständen das Verbrauchsverhalten an die Energieversorger melden. Die Ausstattung aller Haushalte in Deutschland mit diesen intelligenten Stromzählern ermöglicht es den Energieversorgern, die genauen Energiebedarfe je Haushalt zu einem bestimmten Zeitpunkt zu analysieren und für zukünftige Zeiten zu prognostizieren. So ist es ihnen möglich, den Strom bedarfsgerecht zu produzieren und rechtzeitig die Netzkapazitäten heraufzufahren oder Kraftwerke abzuschalten. Zum einen ist dadurch die sehr schwer planbare Energieeinspeisung durch Wasser-, Wind- und Solarkraft deutlich besser mit den Verbrauchern und Kraftwerken zu synchronisieren, zum anderen wird so weitgehend verhindert, dass nicht benötigte Energie, die eben im elektrischen Umfeld nicht gut gespeichert werden kann, in den Netzen ungenutzt verpufft.

Sie haben gesehen, dass der Einsatz von IoT im privaten Umfeld oft einen begrenzten Nutzen aufweist und an der Grenze zur technischen Spielerei kratzt. In der Industrie ist dies anders. Hier lassen sich sehr häufig wertschöpfende und nutzbringende IoT-Anwendungen umsetzen. Industrieunternehmen sind in der Lage, durch die Nutzung des Internets der Dinge ihr Geschäftsmodell zu erweitern und somit in für sie neue Märkte vorzudringen. So haben einige Maschinenbauer erkannt, dass ihre Maschinen durch den Einsatz erweiterter Sensorik selbst Daten erzeugen können. Diese nutzen die Ingenieure für Service, Wartung und neue Abrechnungsmodelle je nach Nutzung der Maschine. In der Industrie gibt es einige Anwendungsfälle und Geschäftsmodelle, die erst durch die generierten Daten ihrer Maschinen bei ihren Kunden denkbar sind. Durch die Kombination mit Technologien wie Analytics, Künstliche Intelligenz und Massendatenauswertung erhalten die Daten im neuen Kontext einen extrem hohen Wert.

1.3.2Use Cases aus dem industriellen Bereich

Ein Begriff, der das Internet der Dinge insbesondere im industriellen Umfeld sehr gut beschreibt, ist das cyber-physische System (CPS). Man kann aus diesem Begriff sehr gut herauslesen, dass das Merkmal von IoT die Digitalisierung von physischen Dingen und somit das virtuelle, für Computer lesbare Abbild der Realität ist. So ergibt auch der Begriff „digitaler Zwilling“, der auf diesem Gedankenbild aufbaut, einen Sinn. Durch den Einsatz sowie die Verknüpfung von Sensoren, Aktoren, Motoren, Mikrocomputern, Netzwerkkomponenten und Cloud-Services erschaffen wir eine IoT-Architektur, die die physische Welt in die Sprache der Maschinen und die digitale Welt zurück in die Realität übersetzt. Das Ergebnis sind sich selbst regulierende Liefer- und Produktionsketten (Supply Chains), fahrerlose Transportsysteme, autonome Lkws und Maschinen, die sich beim Wartungstechniker melden, sobald Sensoren einen bevorstehenden Ausfall wegen Verschleißes melden.

Die Vernetzung der Dinge im industriellen Kontext bezeichnen wir als Industrial Internet of Things (IIoT). Besonders im Bereich der Fertigung und Produktion und in globalen Lieferketten spielt IIoT eine zentrale Rolle. Auf diese Weise können die physischen Bewegungen, Zustandsveränderungen und Eigenschaften der produzierten und transportierten Dinge nahtlos verfolgt werden. Medienbrüche sind in diesem Umfeld der Untergang für jedes Objekt, das verfolgt werden will. Daher ist die Strategie vieler Unternehmen eine vollständig digitalisierte, vernetzte, intelligente und dezentrale Wertschöpfungskette.

Ein Beispiel für die Zustandsüberwachung einer Sendung ist die durchgängige Kontrolle der Kühlkette. Manche Waren, insbesondere medizinische Produkte oder Lebensmittel, sind nicht mehr zu gebrauchen, sollten sie nur kurz eine bestimmte Temperatur während des Transports überschreiten. So werden die Sendungen, Pakete oder auch Paletten mit digitalen Temperatursensoren ausgestattet, die in kurzen Intervallen die aktuelle Temperatur an eine Cloud übermitteln. So kann der Empfänger schon sehr früh im Transportprozess informiert werden, wenn die Kühlkette abreißt und er sich um eine alternative Beschaffung seiner Waren kümmern muss. Normalerweise ist bei einem solchen System auch gleich eine Übermittlung der Geoinformationen integriert. Dies ermöglicht zusätzlich die Kalkulation der Ankunft der Sendung und bei Ankunft die automatische Vereinnahmung und Wareneingangsbuchung. Auch in Notfällen, beispielsweise bei einer Panne, einem Unfall oder Stau, kann das System automatisch alternative Lieferoptionen berechnen und veranlassen.

Ein Beispiel für vernetzte Maschinen findet sich bei einem Unternehmen im schwäbischen Teil von Baden-Württemberg. Der Hersteller von Reinigungsmaschinen und -lösungen entwickelte eine IIoT-Anwendung für die Überwachung seiner Maschinen bei seinen Kunden. Die Kunden arbeiten im professionellen Reinigungsumfeld. Im Mittelpunkt dieser Softwarelösung steht eine Plattform, die alle Informationen der Reinigungsmaschinen bei den Kunden sammelt und konsolidiert. In der Firmenzentrale des Maschinenherstellers kann man die Aufenthaltsorte, den Wartungszustand, die Flüssigkeitsfüllstände und Batterieladung über eine Softwareapplikation auf dem PC verfolgen. Haben die Kunden ihrerseits mehrere Reinigungsmaschinen, können sie diese über die Software verfolgen und dessen Einsätze in den verschiedenen Einsatzorten planen. Zur Ortung sind die Maschinen mit einem Real-Time Locating System (RTLS) und einem Global Positioning System (GPS) ausgestattet und übertragen ihre Standortinformationen über ein drahtloses Netzwerk oder über Mobilfunkdatenverbindung in die Cloud. Ein RTLS nutzt für die Orientierung und Positionierung die Informationen, die es über Funktechnologie ermittelt. GPS erlangt die Positionsdaten als Koordinaten durch Kommunikation mit Satelliten in der Umlaufbahn der Erde. So weit, so gut, aber was bringt das Wissen um die Position der Maschinen? Wie kann ein Reinigungsunternehmen damit Kosten einsparen oder den Servicelevel für seine Kunden verbessern? Diese Frage sollte immer am Anfang eines jeden IoT-Projekts stehen, denn niemand wird Sie am Ende dafür bewundern, dass Sie die neueste Technologie zu einem hohen Preis einsetzen, ohne einen Business Case für das Projekt zu haben, der alle Sponsoren des Projekts überzeugt.

Im Fall des Reinigungsmaschinenherstellers war die Sache bereits am Anfang klar. Denn die Kunden und der Hersteller hatten nach einer Möglichkeit gesucht, ihre Maschinen deutlich effizienter einzusetzen und besser auszulasten. Eine Umkreissuche, die derzeit freie Maschinen anzeigt, ermöglicht es, diese für anstehende Einsätze einzuplanen und auszulasten. Des Weiteren können die Reinigungsfirmen einige Maschinen einsparen, da sie jederzeit wissen, wann welche Maschine an welchem Ort ist und wie lange der Einsatz voraussichtlich noch dauert. Verzögert sich der tatsächliche Einsatzbeginn an einem bestimmten Ort, kann sofort umgeplant werden. Die automatische Aufzeichnung der Betriebsstunden je Maschine in Kombination mit der Belastung der Maschine geben dem Hersteller einen Hinweis darauf, dass gegebenenfalls ein leistungsstärkeres Modell von einem anderen Standort genutzt werden sollte oder eine Wartung nötig wird, bevor die Anlage ungeplant ausfällt. Sollte ein Defekt vorliegen oder ein geplanter Wartungstermin anstehen, meldet die Maschine diesen Vorfall. Der Techniker wird somit automatisch über den Vorfall informiert, erhält bereits vorab eine ausführliche Fehlerbeschreibung und weiß, welche Teile er mit zum Kunden nehmen muss.

Auf einer Veranstaltung zur Digitalisierung der Supply Chain des größten Softwareherstellers Europas Ende 2019 habe ich den Begriff der „intelligenten Palette“ für die Kombination einer Ortung von Paletten in Echtzeit mit einem IoT-System und einem Lagerverwaltungssystem (LVS) geprägt. Intelligente Paletten sind mit einer Sende- und Empfangseinheit ausgestattet und melden in Echtzeit ihren Aufenthaltsort an ein übergeordnetes IoT-System. Die Palette weiß somit, wo sie sich befindet, und durch die Kombination mit einem Lagerverwaltungssystem auch, wo ihr Ziel ist. Die Palette „merkt“, dass sie bewegt wird, und meldet sich dann bei dem IoT-Gateway. Moderne Funktechnologie, die einen äußerst geringen Energiebedarf hat, hält die Batterien in diesen Funkeinheiten bis zu zehn Jahre am Laufen und somit sogar länger als die durchschnittliche Europalette. Durch die moderne Funktechnik ist es nicht mehr nur draußen möglich, den Standort über GPS zu bestimmen, sondern auch innerhalb von Gebäuden – mit einer Genauigkeit von wenigen Zentimetern. Die Kosten für diese Technologie liegen inzwischen in einem Bereich, dass sich der Einsatz in Massen lohnt. Interessant ist, dass die intelligente Palette die Schnittstelle zwischen der vollautomatisierten Produktion und der Logistik bildet. Stellen Sie sich vor, dass die Palette innerhalb eines Lagers oder in der Produktionshalle meldet, dass sie aus dem Lagerplatz entnommen wurde. Das IoT-System, das zwischen dem Lagerverwaltungssystem und der intelligenten Palette angesiedelt ist, „weiß“, dass es für diese Palette einen Transportauftrag gibt. Dieser enthält die Informationen Quelle, Senke und zu transportierendes Gut oder Lagereinheit. Kommt die Palette am Ziellagerplatz an, quittiert das System dies automatisch. Die neuen Platzinformationen im Lagerverwaltungssystem werden automatisch in Echtzeit aktualisiert.

Stellen Sie sich dieses Szenario nun im Bereich der Produktion vor: Dort wird durch die Bewegung der Palette von Maschine zu Maschine je eine Position im Fertigungsauftrag rückgemeldet und bestätigt. Somit können auch automatisch Nachschübe und Folgeprozesse in Echtzeit ausgelöst werden.

Bei all diesen Anwendungsfällen im Zusammenhang mit intelligenten Paletten und der automatischen Verbuchung im Produktionsplanungssystem oder LVS steht die Automation und die Vermeidung von Scanvorgängen im Vordergrund. Sie werden in Kapitel 7 noch einige Varianten dieses Konzepts kennenlernen, unter anderem eines, in dem dieses Prinzip sogar ohne die Ausstattung der Paletten mit Sensorik und Funktechnik möglich ist.

1.4Potenziale und Entwicklungen im IoT-Umfeld