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Pflegebedürftigkeit betrifft alle Bevölkerungsgruppen vom Baby bis zum Erwachsenen. Angehörige oder Helfer stehen den Betroffenen oft zur Seite, organisieren und übernehmen die Pflege.
Dieses Füreinander erfordert das nötige Wissen,
Der Praxisratgeber Pflegeversicherung vermittelt das nötige Know-how, damit Betroffene und ihre Angehörigen selbst handeln und bestimmen können:
Das Buch ist auch als schnelles Nachschlagewerk für Helfer aus dem sozialen Bereich geeignet, um Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Mit den Neuerungen 2024 und 2025 durch das Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG).
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Seitenzahl: 560
Veröffentlichungsjahr: 2024
3., aktualisierte. Auflage
© WALHALLA Fachverlag, Regensburg
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Pflegebedürftigkeit betrifft alle Bevölkerungsgruppen vom Baby bis zum Erwachsenen. Angehörige oder Helfer stehen den Betroffenen oft zur Seite, organisieren und übernehmen die Pflege.
Dieses Füreinander erfordert das nötige Wissen,
wie die Pflegeversicherung funktioniert,welche Leistungen in Betracht kommen,wie diese kombiniert und geltend gemacht werden.Der Praxisratgeber Pflegeversicherung vermittelt das nötige Know-how, damit Betroffene und ihre Angehörigen selbst handeln und bestimmen können:
Wie funktioniert die Pflegeversicherung?Welche Rechte und Ansprüche und welche Pflichten bestehen aus dem Versicherungsverhältnis?Was bedeutet Pflegebedürftigkeit?Wie läuft die Begutachtung zur Einstufung ab?Nach welchen Grundsätzen werden die Pflegegrade ermittelt?Welche Leistungen können wie kombiniert werden?Was ist bei der Beantragung von Hilfs- und Pflegehilfsmitteln zu beachten?Welche Hilfen gibt es für pflegende Angehörige?Was tun, wenn ein Antrag abgelehnt wurde?Welche Besonderheiten sind bei Begutachtung und Leistungen von pflegebedürftigen Säuglingen, Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen zu beachten?Das Buch ist auch als schnelles Nachschlagewerk für Helfer aus dem sozialen Bereich geeignet, um Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Mit den Neuerungen 2024 und 2025 durch das Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG).
Dr. André Wieprecht und Annett Wieprecht-Kotzsch sind Fachbuchautoren im Sozialrecht und seit vielen Jahren mit dem Thema Pflege befasst. Ihr Wissen um die rechtlichen Grundlagen sowie ihre praktischen Erfahrungen im Umgang mit der Pflegekasse und sonstigen Leistungsträgern sind – mit vielen Praxistipps – in diesen Ratgeber eingeflossen. Dr. André Wieprecht ist Professor für Sozialrecht an der Evangelischen Hochschule Dresden (ehs).
Vorwort
1. Wie funktioniert die Pflegeversicherung?
2. Feststellung der Pflegebedürftigkeit in drei Schritten
3. Begutachtung durch den MD oder einen beauftragten Gutachter
4. Die Leistungen der Pflegeversicherung
5. Welche Leistungen gibt es für Pflegepersonen?
6. Was kann man tun, wenn ein Antrag abgelehnt wurde?
Abkürzungen
Auszüge aus referenzierten Vorschriften
Zur besseren Lesbarkeit haben wir auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulinum verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.
Pflegebedürftigkeit ist in weiten Teilen der Bevölkerung immer noch ein Tabuthema. Häufig reden Betroffene oder Angehörige von Pflegebedürftigen nicht gern über die Notwendigkeit einer Pflege. Der Hilfebedarf der betroffenen Person wird meist mit dem Eingeständnis der Schwäche und der Verwundbarkeit nach dem Motto „Was sollen die Leute von mir bzw. von meinem Kind denken?“ gleichgesetzt. Es wird deshalb versucht, den Hilfebedarf durch eigene Kräfte oder die von Familienangehörigen und Nachbarn so gut wie möglich auszugleichen. Dieser Umstand macht es schwierig mit einem Thema umzugehen, das so viele Menschen betrifft. In Deutschland gibt es derzeit fünf Millionen Menschen, die von Pflegebedürftigkeit betroffen sind. Die Tendenz ist steigend. Pflegebedürftigkeit betrifft alle Bevölkerungsgruppen vom Baby bis hin zum Erwachsenen. Sie kann plötzlich, etwa durch einen Unfall, oder nach und nach, zum Beispiel als Krankheitsfolge, eintreten. Auch Menschen, die mit einer Behinderung auf die Welt kommen, haben oft Anspruch auf Leistungen aufgrund von Pflegebedürftigkeit.
Außerdem dürfen neben den Pflegebedürftigen die Angehörigen und sonstigen Helfer sowie die im Sozial- und Gesundheitsbereich tätigen Menschen, wie Mitarbeiter in kommunalen Pflegestützpunkten oder sonstigen Beratungsstellen oder Mitarbeiter der Pflegedienste und Pflegeheime, nicht vergessen werden. Sie alle sind vielfach in die Pflege und Betreuung involviert oder stehen mit Rat und Tat zur Seite.
Im Vorfeld und zu Beginn der Pflegebedürftigkeit wissen die Pflegebedürftigen und deren Angehörige oft nicht, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollen und welche Pflegeleistungen überhaupt in Betracht kommen. Später kommt es darauf an, die Leistungen der Pflegeversicherung der veränderten Pflegesituation anzupassen, um so die optimale Pflege zu gewährleisten. Meist fehlen aber die nötigen Informationen und das Wissen zur Pflegeversicherung und ihren Leistungen. Für Betroffene, Eltern von pflegebedürftigen Babys, Kindern und Jugendlichen sowie Angehörige von Pflegebedürftigen kann fehlendes praktisches Wissen vor allem finanzielle Folgen für die Pflege und die Pflegeplanung haben. Denn Pflege kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld.
Dieser Praxisratgeber soll das nötige Know-how zur Pflegeversicherung vermitteln, damit selber gehandelt und bestimmt werden kann. Er enthält alle Änderungen des Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetzes (PUEG) vom 19.06.2023 für die Jahre 2024 und 2025. Das Buch ist als Nachschlagewerk aufgebaut, sodass man die für sich relevanten Themen – je nach Lebensumständen und Hilfebedarf – unabhängig voneinander lesen kann:
Kapitel 1 informiert über den Hintergrund der Pflegeversicherung. Vielen ist nicht bewusst, dass es rechtliche Formalien gibt, die bereits über eine Leistung mitentscheiden. Deshalb erweist es sich auch für den Laien als günstig, über ein fundiertes Hintergrundwissen zu verfügen.
Kapitel 2 erklärt die Voraussetzungen des Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Im Vordergrund stehen die sechs Module zur Bestimmung der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten sowie die Besonderheiten bei Babys und Kindern bis unter 11 Jahren und die anschließende Einordnung in den Pflegegrad 1 bis 5. In drei Schritten kann die Pflegebedürftigkeit geprüft und dem jeweiligen Pflegegrad zugeordnet werden. Die einzelnen Module wurden dazu mit ihren Inhalten in Tabellen dargestellt. Die Tabellen sind zusätzlich mit einer Spalte zum Ankreuzen der Punkte bzw. mit Spalten zum Ausfüllen versehen. Dies ermöglicht im Schritt 1 die Zuordnung von Einzelpunkten in den Modulen 1 bis 6. Sie werden im Schritt 2 zusammengerechnet und zur Berechnung eines Gesamtpunktwerts gewichtet. Der Gesamtpunktwert wird im Schritt 3 dem jeweiligen Pflegegrad zugeordnet.
Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Bundesländer (MD) oder dem gesondert von der Pflegekasse beauftragten Gutachter. Diese führen unter anderem die Prüfung der Pflegebedürftigkeit durch und empfehlen den Pflegegrad. Viele Pflegebedürftige und Angehörige haben ein mulmiges Gefühl, wenn sie auch nur an den Begutachtungstermin denken. Diese Angst ist meist unbegründet und kann mit einer guten Vorbereitung gemindert bzw. überwunden werden.
Kapitel 4 stellt die möglichen Leistungen der Pflegeversicherung vor, wie zum Beispiel die Pflegesachleistungen, das Pflegegeld, die Verhinderungspflege oder den zusätzlichen Entlastungsbetrag. Diese Leistungen kommen nicht nur den Pflegebedürftigen zugute, sondern teilweise auch den pflegenden Angehörigen. Sie werden durch die Leistungen der Pflegeversicherung von der meist anstrengenden und zeitintensiven Pflege etwas entlastet oder bekommen eine Anerkennung für ihre Tätigkeit, wie etwa beim Pflegegeld. In diesem Kapitel wird auch auf die Hilfsmittelversorgung eingegangen – ein Thema, das immer wieder zu Ärger mit den Kranken- und/oder Pflegekassen führen kann. Ausführlich behandelt werden weiterhin Möglichkeiten von alternativen Wohnformen, die in den letzten Jahren verstärkt im Rahmen der Pflegeversicherung gefördert werden und die anstelle der oft gewünschten – und manchmal nicht mehr zu realisierenden – Pflege in der eigenen Häuslichkeit eine Perspektive bieten können. Um einzuschätzen, welche möglichen Leistungen am besten zur individuellen Lebenssituation passen bzw. welcher Pflegebedarf vorliegt, ist den einzelnen Leistungsbeschreibungen eine Checkliste vorangestellt.
Kapitel 5 beschreibt die Leistungen zur sozialen Absicherung für die Pflegepersonen. Ferner werden Möglichkeiten zur Auszeit von der Arbeit durch das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz dargestellt. Diese Gesetze ermöglichen den Angehörigen zeitweise ihre Anstellung ruhen zu lassen bzw. in Teilzeit zu arbeiten, um die Pflege zu übernehmen oder zu organisieren.
Kapitel 6 widmet sich den rechtlichen Möglichkeiten, wenn die Pflegekasse die beantragten Leistungen ablehnt. Ausführlich wird auf das Widerspruchsverfahren eingegangen. Muster und Checklisten sollen helfen, den Widerspruch so zu formulieren, dass die Chancen einer Bewilligung steigen.
Bei unseren Ausführungen haben wir Wert darauf gelegt, diese übersichtlich und verständlich zu gestalten. Dafür wurden Beispiele, Erfahrungen aus der Praxis, Musterformulierungen, Checklisten und Tabellen eingefügt. Außerdem fanden wir es wichtig, die Erläuterungen mit den entsprechenden Paragrafen zu unterlegen. Leider ist häufig festzustellen, dass einem nicht geglaubt wird, wenn man nicht weiß, wo es steht. Zudem ist die eigene Position durch den gesetzlichen Beweis gegenüber den Mitarbeitern der Pflegekasse und teilweise der Krankenkasse besser und man lässt sich nicht so leicht verunsichern.
Wir hoffen, dass wir Ihnen so das Thema Pflegeversicherung nahebringen können. Es ist kein leichtes Thema, viele Aspekte sind sehr emotionsgeladen. Zudem ist es nicht immer einfach, die richtigen Ansprüche zu finden, zu kombinieren und sie geltend zu machen. Umso wichtiger ist es, sich damit auseinanderzusetzen und zu schauen, wie man die beste Pflegesituation für sich bzw. für den Pflegebedürftigen schafft. Denn Pflegebedürftigkeit heißt nicht, dass das Leben des Betroffenen oder seiner Angehörigen vorbei ist. Sicherlich wird es Einschränkungen geben. Die Pflegesituation bedeutet auch eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Gute Organisation, Hilfe bei der Pflege, das (Hintergrund-)Wissen über die Pflegeversicherung und deren Leistungen können aber helfen, den Alltag so normal wie möglich zu gestalten. Dazu möchten wir mit diesem Ratgeber beitragen.
Dieses Buch ist unseren Omas Adele und Käte gewidmet – in Liebe und Dankbarkeit.
Dresden, im Januar 2024Annett Wieprecht-Kotzsch und Dr. André Wieprecht
Teilleistungssystem der Pflegeversicherung
Beispiele von Pflichtversicherten
Mindestmitgliedschaftszeit
Antragspflicht ist zu beachten!
Krankenkasse oder Pflegekasse?
Information und Beratung über die Leistungen
Zusätzliche Leistungen und verdeckte Kosten
Sozialrechtliches Dreiecksverhältnis
In welchem Rechtsverhältnis befinde ich mich?
Vertragsschluss zwischen Pflegebedürftigen und Leistungserbringer beachten!
Mitwirkungspflichten des Pflegebedürftigen
Die Pflegebedürftigkeit von Menschen jeden Alters, egal ob Baby, Kind oder Erwachsener, wird immer mehr zur Herausforderung in Deutschland. Deshalb trat Anfang 1995 die gesetzliche Pflegeversicherung in Kraft. Sie wird als fünfte Säule der Sozialversicherung bezeichnet. Ihr Ziel ist es, dem Pflegebedürftigen die Führung eines selbstbestimmten menschenwürdigen Lebens vorrangig in seinem häuslichen Umfeld zu ermöglichen. Dabei existiert zwar ein Wunsch- und Wahlrecht hinsichtlich der einzelnen Leistungen der Pflegeversicherung, das System der Pflegeversicherung ist aber nicht darauf ausgelegt, dass das gesamte Pflegerisiko des Pflegebedürftigen abgedeckt wird. Es herrscht ein sogenanntes Teilleistungssystem, das zur Begrenzung der Versicherungsleistungen auf gesetzlich festgesetzte Höchstbeträge führt. Ein darüber hinausgehender Bedarf an Pflegeleistungen muss privat finanziert werden oder wird durch die Sozialhilfe im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 ff. SGB XII sichergestellt. Diese Hilfe zur Pflege setzt aber die finanzielle Bedürftigkeit des Pflegebedürftigen voraus. Außerdem werden die Kosten für Unterkunft und Verpflegung – etwa in einem Pflegeheim – nicht vom Leistungskatalog der Pflegeversicherung erfasst (vgl. z. B. § 4 Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Ein Ausgleich der Kosten kann daher grundsätzlich auch hier nur von den Trägern der Sozialhilfe beim Vorliegen einer Bedürftigkeit des Pflegebedürftigen erfolgen.
Träger der Pflegeversicherung sind die Pflegekassen, die bei allen Krankenkassen bestehen. Dies ist dadurch begründet, dass nach § 1 Abs. 2 Satz 1 SGB XI alle Menschen in den Schutz der sozialen Pflegeversicherung kraft Gesetzes einbezogen werden, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Somit erfasst die Pflegeversicherung grundsätzlich alle pflichtweise oder freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten. Sie sind automatisch Pflichtversicherte in der sozialen Pflegeversicherung. Ein Vertragsschluss ist nicht notwendig. Die Pflegeversicherung folgt damit sinnbildlich der Krankenversicherung. Das führt meist zu dem Gedanken, dass die beiden Versicherungszweige vollständig zusammen gehören. Man sollte sie jedoch aus der Sicht des Pflegebedürftigen eher als sinnvolle Ergänzung sehen, um das volle Spektrum an notwendigen Leistungen zu erhalten.
Zu den Pflichtversicherten in der Pflegeversicherung gehören nach §§ 20 Abs. 1, 25 SGB XI zum Beispiel:
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte (vgl. § 7 SGB IV)
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach SGB III erhalten
grundsätzlich Personen, die Bürgergeld nach SGB II erhalten
Menschen mit Behinderungen in anerkannten Werkstätten (WfBM) oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 SGB IX
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese beantragt haben, soweit sie der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht unterliegen
beitragsfreie Familienversicherte im Sinne des § 25 SGB XI, wie Ehegatte, Lebenspartner, Babys und Kinder von Mitgliedern und deren familienversicherten Kinder bis grundsätzlich zur Vollendung des 18. Lebensjahres
Ein Anspruch des Pflegebedürftigen besteht nach § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB XI nur, wenn der Versicherte in den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung von Versicherungsleistungen mindestens zwei Jahre als Mitglied versichert oder nach § 25 SGB XI familienversichert war. Für familienversicherte Babys und Kinder gilt die zwei Jahre Vorversicherungszeit als erfüllt, wenn ein Elternteil sie erfüllt hat (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 3 SGB XI). Es sollte daher vorher überprüft werden, wie lange der Pflegebedürftige in einem Versicherungsverhältnis bei der Pflegekasse gestanden hat. In den meisten Fällen wird es bei diesem Punkt aber keine Probleme geben.
Für den Pflegebedürftigen, die Eltern und die Angehörigen des Pflegebedürftigen ist es wichtig zu verinnerlichen, dass die Leistungen der Pflegeversicherung nur auf Antrag gewährt werden (sog. Antragsprinzip). Der Antrag ist in deutscher Sprache zu stellen, dies kann schriftlich, telefonisch oder mündlich vor Ort geschehen. Somit hat die fehlende formularmäßige Antragstellung keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Verfahrens (vgl. § 60 Abs. 2 SGB I). Es muss sich daher keine Sorgen gemacht werden, dass die falsche Form gewählt wurde. Vielmehr reicht es aus, wenn der Pflegekasse formlos das Gewollte mitgeteilt wird. Die Pflegekasse wird das Anliegen als Antrag werten und ggf. mit dem Pflegebedürftigen oder dessen Eltern bzw. Bevollmächtigten Kontakt aufnehmen. Mit dem Antrag werden die möglichen Fristen gewahrt und der Beginn des Verfahrens bestimmt. Ferner kann bei Geldleistungen bereits ab dem Zeitpunkt der Antragstellung und dem Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Zahlung verlangt werden.
Name und Adresse des Pflegebedürftigen
Adresse der eigenen Pflegekasse
Betreff: Antrag auf ..., Versicherungsnummer/Aktenzeichen:
Ort, Datum
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich beantrage ...
(z. B. Leistungen der Pflegeversicherung bzw. die Höherstufung von Pflegegrad 1 auf Pflegegrad 2)
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift des Pflegebedürftigen/Eltern/Bevollmächtigter
Wenn man sich dennoch unsicher ist, ob der Antrag richtig formuliert wurde, aber genau weiß, welche Leistung beansprucht werden soll, bieten viele Pflegekassen die Möglichkeit, sich über das Internet einen entsprechenden Antrag herunterzuladen. Ansonsten kann bei der zuständigen Pflegekasse nachgefragt und das richtige Antragsformular angefordert werden.
Man sollte den Antrag grundsätzlich schriftlich stellen. Im Verhältnis zur Pflegekasse kann es immer wieder zu Unstimmigkeiten kommen. Dazu gehört auch der Zeitpunkt der Antragstellung. Ein Nachweis fällt aber meist schwer, wenn der Antrag nur telefonisch erfolgt ist. Siehe zur Zustellung per Brief näher unter „Antrag und Bearbeitungsfristen von Hilfsmitteln nach der Krankenversicherung“ (Seite 157).
Für viele Betroffene, Eltern und Angehörige von Pflegebedürftigen wird es häufig schwierig sein, die verschiedenen Leistungen und den dazugehörigen Ansprechpartner, die Kranken- oder Pflegekasse, auseinanderzuhalten. So gibt es Hilfsmittel nach der gesetzlichen Krankenversicherung, wie etwa
Seh- und Hörhilfen, Rollstühle, orthopädische Anfertigungen
und Pflegehilfsmittel nach der Pflegeversicherung, die zur häuslichen Pflege notwendig sind und von der Pflegekasse finanziert werden, wie zum Beispiel
das Pflegebett oder das Hausnotrufsystem/-gerät.
Es stellt sich daher vielfach die Frage nach dem zuständigen Ansprechpartner. Das Gesetz hilft damit weiter, dass der Antrag auch bei der unzuständigen Kasse gestellt werden kann. Nach § 16 SGB I muss der Antrag dann an die zuständige Kasse weitergeleitet werden. Es schadet also nicht, wenn man den Antrag anstatt zur Pflegekasse an die Krankenkasse schickt. Die Krankenkasse wird nach Prüfung ihrer Unzuständigkeit den Antrag an die Pflegekasse weiterleiten. Der Eingang des Antrags bei der unzuständigen Kasse gilt in diesem Fall gleichzeitig als Zeitpunkt der Antragstellung bei der zuständigen Kasse. Zu beachten ist aber, dass das Anschreiben der unzuständigen Kasse einen Zeitverlust bei der Bearbeitung des Antrags mit sich bringt. Es wird daher immer besser sein, wenn man sich vorher informiert und klärt, welche Versicherungsleistung überhaupt in Betracht kommt und wer zuständig ist.
Die Pflegekassen sind dazu verpflichtet, den Pflegebedürftigen unverzüglich nach Eingang eines Antrags auf Leistungen insbesondere über
die unentgeltliche Pflegeberatung (vgl. § 7a SGB XI),
die nächstgelegenen Pflegestützpunkte, sofern sie von den Pflegekassen und Krankenkassen errichtet wurden (vgl. § 7c SGB XI),
die Leistungs- und Preisvergleichslisten, die unter anderem Leistungen und Vergütungen der zugelassenen Pflegeeinrichtungen und Angebote für niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsleistungen enthalten,
kostenlos zu informieren (vgl. §§ 7 ff. SGB XI). Die Leistungs- und Preisvergleichslisten sind auf der Internetseite der Landesverbände der Pflegekassen veröffentlicht und werden nur auf Aufforderung des Pflegebedürftigen per E-Mail oder auf dem Postweg zugesandt oder persönlich ausgehändigt.
Eine richtige Pflegeberatung findet dagegen nur durch den zuständigen Pflegeberater oder eine sonstige Beratungsstelle, die Pflegeberatungen durchführt, statt. Die Pflegekasse hat aber die Pflicht
bei Erstanträgen,
aber auch bei späteren Folgeanträgen, wie zum Beispiel Neueinstufungsverfahren zur Pflegebedürftigkeit, den Wechsel von Pflegesachleistungen zu Pflegegeld, der Ergänzung durch Tages- und Nachtpflege oder Kurzzeitpflege (Ausnahme: einmalige oder monatliche Ansprüche auf Kostenerstattung), Wohngruppenzuschlag, Pflegezeit, Inanspruchnahme von Pflegekursen
dem Pflegebedürftigen ein Angebot auf eine Beratung innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung zu machen.
Dazu kann sie einen konkreten Beratungstermin und eine Kontaktperson benennen (vgl. § 7b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI) oder einen Beratungsgutschein für eine Beratungsstelle (vgl. § 7b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI) ausstellen. Auf Wunsch des Pflegebedürftigen darf der Termin zur Beratung auch außerhalb der Zwei-Wochen-Frist liegen. Die Pflegekasse muss über diese Möglichkeit informieren.
Nach dem Gesetz soll jeder Pflegebedürftige eine zuständige Beratungsperson haben. An diese kann er sich bei Erst- und Folgeanträgen wenden. Ist der zuständige Pflegeberater nicht da, muss die Pflegekasse für eine Vertretung sorgen oder es ist eine sonstige Beratungsstelle zu benennen, um die Zwei-Wochen-Frist für die Einräumung eines Beratungstermins zu gewährleisten.
Die Pflegeberatung soll dem Pflegebedürftigen eine individuelle Beratung und Hilfestellung für seine besonderen Lebensumstände ermöglichen. Da die Pflege meist – zumindest am Anfang oder vorübergehend – durch pflegende Angehörige, Lebenspartner oder weitere Personen, wie zum Beispiel Nachbarn, sichergestellt wird, kann bei Zustimmung des Pflegebedürftigen auch gegenüber diesen Personen eine Pflegeberatung erfolgen. Die Pflegeberatung geht damit über die allgemeine Information der Pflegekasse nach § 7 SGB XI hinaus.
Eine individuelle Pflegeberatung umfasst nach § 7a SGB XI zum Beispiel:
die Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs vor allem auf der Grundlage der Ergebnisse des Gutachtens des Medizinischen Dienstes (MD)
die Klärung der Ansprüche gegenüber der Pflegekasse und anderen Leistungsträgern, wie zum Beispiel von Leistungen nach der Krankenversicherung für Heil- und Hilfsmittel oder die Möglichkeit von komplexen Leistungen, wie etwa Besuchs- oder Fahrdienste und das sogenannte „Essen auf Rädern“
die Erstellung und Überwachung eines individuellen Versorgungsplans, der zum Beispiel gesundheitsfördernde, präventive, pflegerische und soziale Hilfen enthält
die Aufnahme von Veränderungen des Hilfebedarfs und deren Anpassung sowie
die Hinwirkung auf notwendige Genehmigungen
die Information über Leistungen zur Entlastung der Pflegepersonen
Der Pflegeberater kommt auf Wunsch des Pflegebedürftigen nach Hause oder in die Pflegeeinrichtung. Ferner kann die Pflegeberatung per Videokonferenz durchgeführt werden (vgl. § 7a Abs. 2 Satz 3, 4 SGB XI). Damit bietet sich die Möglichkeit, in einem vertrauten Umfeld die Wünsche besser darzustellen. Der Pflegebedürftige kann zum Beispiel in der Wohnung zeigen, was fehlt und was er sich deshalb für die Pflege wünscht. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Pflegebedürftige konkret die Leistungen gegenüber dem Pflegeberater benennt. Vielmehr ist es gerade die Aufgabe des Pflegeberaters, dem Pflegebedürftigen bei der Formulierung seiner Wünsche gegenüber der Pflegekasse zu helfen. Sollte auf diesem Weg eine Leistung in Betracht kommen, kann der Pflegebedürftige gegenüber dem zuständigen Pflegeberater mündlich einen Antrag auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung oder der gesetzlichen Krankenversicherung stellen. Der Antrag wird dann an die zuständige Kasse weitergeleitet.
Sprechen Sie Ihre Pflegekasse bei Bedarf direkt auf einen Pflegeberater an. Es wird allzu gern vergessen, darüber zu informieren, obwohl eine Pflicht dazu besteht. Der Pflegeberater bietet die Möglichkeit, in der häuslichen Umgebung die Pflegesituation zu analysieren, um dann richtig zu entscheiden, welche konkrete Leistung infrage kommt. So kann sich zum Beispiel bei der Wohnungsbesichtigung mit dem Pflegeberater herausstellen, dass die Wohnung für die Pflegesituation ungünstig ist (z. B. Türschwellen) und umgebaut werden muss. Solche Dinge ergeben sich aber häufig erst bei einer Beratung zu Hause.
Hat sich der Pflegebedürftige nach einer Beratung entschlossen, eine Versicherungsleistung in Anspruch zu nehmen, sollte er sich die Frage nach zusätzlichen Kosten stellen. Manchen ist nicht bewusst, dass die Pflegeversicherung nicht alle Kosten deckt. Die meisten Broschüren, zum Beispiel der Pflegedienste oder der Pflegeheime als Leistungserbringer, vermitteln den Eindruck, alles sei durch die Pflegeversicherung abgedeckt. So enthalten sie häufig alle nur erdenklichen Leistungen rund um die Pflege. Nur wer genau hinschaut, bemerkt, dass sich seitens des jeweiligen Leistungserbringers vorbehalten wird, dass im Zweifelsfall der Pflegebedürftige zu zahlen hat. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Leistungen von der Pflegeversicherung nicht oder nur teilweise erfasst sind. Über den nicht versicherten Leistungsteil schließt der Pflegebedürftige unter Umständen mit dem Leistungserbringer einen Vertrag (z. B. Pflegevertrag mit ambulanten Diensten) und trägt demnach auch die Kosten.
Um verstehen zu können, warum ein Pflegebedürftiger einen Vertrag schließen kann oder sogar muss, sollte man sich den Begriff des sogenannten sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses merken. Dieses bestimmt die Rechtsbeziehungen zwischen der Versicherung als Leistungsträger, dem Pflegebedürftigen als Leistungsbezieher und dem Leistungserbringer, wie zum Beispiel Pflegeheim oder Pflegedienst. Es gilt im gesamten Sozialrecht und somit auch bei der sozialen Pflegeversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Grund für das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis besteht darin, dass viele der von der Pflegekasse angebotenen Leistungen nicht von ihr selbst, sondern von Dritten erbracht werden müssen. Dadurch soll der Wettbewerb zwischen den einzelnen Anbietern begünstigt und dem Pflegebedürftigen die Möglichkeit geboten werden, zwischen diesen Anbietern zu wählen. Dieses Wahlrecht sollte man nicht unterschätzen. Es garantiert zum Beispiel, dass man sich den Pflegedienst aussuchen und notfalls wechseln kann, wenn die Leistung schlecht erbracht wurde oder man einfach unzufrieden ist. Einer Rechtfertigung gegenüber der Pflegekasse bedarf es nicht.
Im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis gibt es mindestens zwei Rechtsverhältnisse. Diese bestehen zwischen der Versicherung als Leistungsträger und dem Pflegebedürftigen als Leistungsbezieher und ferner zwischen der Versicherung und dem Leistungserbringer. Nur wenn ein weiterer Vertrag zwischen dem Pflegebedürftigen und dem Leistungserbringer hinzu kommt, können drei Rechtsverhältnisse bestehen. Diese Verhältnisse sind unterschiedlich in ihren rechtlichen Folgen zu bewerten. Dazu folgender Überblick:
Der Pflegebedürftige wird es grundsätzlich nur mit dem Rechtsverhältnis zur Pflegekasse zu tun haben. Die Leistungserbringung gegenüber ihm erfolgt aufgrund der öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen der Pflegekasse als Leistungsträger und dem Leistungserbringer, wie zum Beispiel dem Pflegedienst. In diesem Normalfall nimmt der Pflegebedürftige die Leistung seiner Pflegekasse beim Leistungserbringer in Anspruch, dieser hat im Ausgleich dazu einen Vergütungsanspruch gegenüber der Pflegekasse. Der Pflegebedürftige nimmt somit nur eine Leistung seiner Pflegekasse in Anspruch. Eine weitergehende Erklärung ist für die Leistungsinanspruchnahme nicht notwendig. Der Leistungserbringer dagegen kommt nur seiner Verpflichtung aus der Teilnahme an der vertraglichen Versorgung mit der Pflegekasse nach. Eine Forderung des Leistungserbringers auf Vergütung gegenüber dem Pflegebedürftigen besteht daher grundsätzlich nicht. Eine etwaige zusätzliche Leistung müsste vertraglich vereinbart werden. Dabei ist zu beachten, dass ein Vertrag bereits dann geschlossen wird, wenn der Pflegebedürftige die angebotene Leistung in Anspruch nimmt, wie zum Beispiel durch das schlüssige Verhalten des Hinnehmens der Leistung. Der Leistungserbringer muss aber vorher dem Pflegebedürftigen gegenüber erklären, dass zusätzliche Kosten entstehen können. Wird dies vergessen und geht der Pflegebedürftige zurecht von einer Versicherungsleistung aus, wird die Gegenseite es schwer haben, einen wirksamen Vertrag zu begründen. Meist wird versucht, diese Situation zu umgehen, indem der Pflegebedürftige mit Broschüren überhäuft wird, die die entsprechenden Informationen enthalten, oder die geforderte Summe zu gering ist, um sich zu streiten. Letztlich hängt es vom Einzelfall ab, ob ein Vertrag mit zusätzlichen Kosten zustande gekommen ist oder nicht.
Ein zusätzlicher Vertrag zwischen dem Pflegebedürftigen und dem Leistungserbringer ist, wie oben beschrieben, schnell vereinbart. Ist ein solcher Vertrag geschlossen worden, hat die Pflegekasse automatisch mit diesem Teil der Leistung nichts mehr zu tun. Es hilft dann nicht weiter, sich bei der Pflegekasse zu beschweren, wenn man mit den erbrachten Leistungen unzufrieden ist oder die Preise zu hoch findet. Allein der Leistungserbringer als Vertragspartner ist Ansprechpartner für den Pflegebedürftigen.
Es empfiehlt sich, immer vorher (telefonisch) nachzufragen, ob zusätzliche Kosten entstehen und wenn ja, warum. Wenn gesagt wird, das mache man immer so, oder es wird keine Antwort gegeben, sollte man stutzig werden. Einen solchen (Vertrags-)Partner braucht man nicht! Dann ist es besser, sich einen anderen Anbieter zu suchen. Es handelt sich um die Versicherungsleistung bzw. zusätzliche Leistung des Pflegebedürftigen und ggf. sein Geld! Bei Handwerkerarbeiten würde man sich auch vorher informieren, Angebote einholen und dann den für sich passenden Handwerker auswählen. Ein wirklich guter Anbieter informiert ungefragt und umfassend über mögliche Kosten und Alternativen.
Mit der Mitgliedschaft in der Pflegekasse wird zwischen dem Pflegebedürftigen und der Versicherung ein gegenwärtiges oder zukünftiges öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis begründet. Aus diesem Rechtsverhältnis resultieren für beide Seiten Rechte und Pflichten. Der Pflegebedürftige hat neben den klassischen Leistungsansprüchen auch Informations- und Beratungsansprüche gegenüber der Pflegekasse. Es handelt sich dabei um ein umfassendes Betreuungsverhältnis der Pflegekasse gegenüber dem Pflegebedürftigen. Ihm obliegen aber auch Mitwirkungspflichten gegenüber der Pflegekasse, die unter anderem in §§ 60 ff. SGB I aufgeführt sind.
Der Pflegebedürftige, der Leistungen der Pflegeversicherung beantragt hat oder erhält, muss insbesondere folgende Mitwirkungspflichten beachten:
alle leistungserheblichen Tatsachen, wie zum Beispiel Name, Alter, Pflegegrad und andere Leistungen von Sozialträgern, sind anzugeben (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I)
Änderungen in den Verhältnissen, die für den Bezug der Leistung erheblich sind, wie zum Beispiel, dass sich der Schweregrad der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten positiv verändert hat, sind unverzüglich mitzuteilen (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I, § 50 SGB XI)
Beweismittel, wie zum Beispiel ein Gutachten, sind zu benennen und bei Verlangen der Pflegekasse vorzulegen (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I)
auf Verlangen sind Vordrucke zu verwenden (vgl. § 60 Abs. 2 SGB I – allerdings kann der Antrag selbst formlos erfolgen, so die obigen Ausführungen zum Antragserfordernis, Seite 16)
hat auf Verlangen der Pflegekasse persönlich zu erscheinen (vgl. § 61 SGB I)
muss sich untersuchen lassen (vgl. § 62 SGB I)
hat sich einer Heilbehandlung zu unterziehen (vgl. § 63 SGB I)
Der Pflegebedürftige hat beim angeordneten persönlichen Erscheinen (vgl. § 61 SGB I) und bei durchzuführenden Untersuchungen (vgl. § 62 SGB I) die Möglichkeit, einen Antrag auf Ersatz seiner Aufwendungen bei der Pflegekasse zu stellen. Der Aufwendungsersatz umfasst die notwendigen Auslagen, wie zum Beispiel das Busticket oder das verbrauchte Benzin, und den Verdienstausfall. Dabei ist jedoch der enge Rahmen des § 65a SGB I zu beachten. Die Aufwendungen sollen nur in einem angemessenen Umfang von der Pflegekasse ersetzt werden. Somit darf der Pflegebedürftige keine übertriebenen finanziellen Forderungen stellen. Außerdem bekommt er nur die nachgewiesenen und dringend erforderlichen Aufwendungen erstattet.
Die Pflegekasse kann den Pflegebedürftigen nicht zwingen, seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen. Sie hat weder einen durchsetzbaren Anspruch noch die Möglichkeit, einen Schadensersatzanspruch bei Nichtbeachtung der Mitwirkungspflicht gegenüber dem Pflegebedürftigen geltend zu machen. Kommt der Pflegebedürftige, der eine Leistung der Pflegeversicherung beantragt hat oder erhält, den Mitwirkungspflichten nicht oder nicht vollständig nach, kann die Pflegekasse nur die Leistung bis zur Nachholung ganz oder teilweise versagen oder entziehen (vgl. § 66 SGB I).
Die Pflegekasse muss den Pflegebedürftigen über diese Folgen schriftlich informieren und ihm für die Nachholung seiner Mitwirkungspflicht eine angemessene Frist setzen (vgl. § 66 Abs. 3 SGB I). Vergisst die Pflegekasse dies, darf sie die Leistungen des Pflegebedürftigen nicht kürzen.
Die Mitwirkungspflichten des Pflegebedürftigen gegenüber der Pflegekasse haben ihre Grenzen. Sie müssen vom Pflegebedürftigen nach § 65 Abs. 1 SGB I nicht erfüllt werden, wenn
sie in keinem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Pflegeversicherungsleistung oder ihrer Erstattung stehen, das heißt, der Aufwand für den Pflegebedürftigen höher als der Nutzen der Leistung ist. Es sollen zum Beispiel mehrere Gutachten oder Urkunden von ihm beschafft werden, die Leistung der Pflegeversicherung ist dagegen nur von geringem Wert.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden können. Dies können körperliche, seelische, geistige, familiäre oder soziale Gründe sein, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls dem Pflegebedürftigen nicht zumutbar sind.
die Pflegekasse sich mit einem geringeren Aufwand als der Pflegebedürftige die erforderliche Kenntnis zum Beispiel durch ein altes Gutachten oder Aussagen von Ärzten beschaffen kann.
Außerdem muss der Pflegebedürftige sich keiner Behandlung oder Untersuchung unterziehen, wenn
ein Schaden für sein Leben oder seine Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden kann,
sie mit erheblichen Schmerzen verbunden ist oder
ein erheblicher Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit, wie zum Beispiel bei der Entnahme von Rückenmarksflüssigkeit (Lumbalpunktion), zu erwarten ist (vgl. § 65 Abs. 2 SGB I).
Schließlich besteht nach § 65 Abs. 3 SGB I ein Verweigerungsrecht über Angaben von entscheidungserheblichen Tatsachen (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I) oder Änderungen der Verhältnisse (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I), für die der Pflegebedürftige oder ihm nahestehende Personen strafrechtlich verfolgt werden können oder die eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Dies gilt auch für die Zustimmung zur Erteilung von Auskünften und der Bezeichnung von Beweismitteln sowie der Vorlage von Beweisurkunden. Zu den nahestehenden Personen gehören:
der Verlobte
der Ehegatte, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht
der Lebenspartner, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht
diejenigen, die mit dem Pflegebedürftigen in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren
Die Grenzen der Mitwirkungspflichten sind absichtlich sehr eng formuliert worden. Der Pflegebedürftige muss sie grundsätzlich nachweisen, was einigen Begründungsaufwand mit sich bringt. Außerdem ist jede Entscheidung eine Einzelfallentscheidung der Pflegekasse, was Platz für Beurteilungsspielräume lässt. Im Ergebnis kann sich kaum der Mitwirkungspflicht entzogen werden.
Zunächst sollte immer bedacht werden, dass die Bewilligung einer Versicherungsleistung durch die Pflegekasse das Ziel ist. Es empfiehlt sich aber die Grenzen der Mitwirkung im Kopf zu behalten, wenn zum Beispiel zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gerade ein Gutachten gemacht wurde. Dies gilt besonders deshalb, weil sich Gutachten widersprechen können. Man hat keine Gewähr dafür, dass der nächste Gutachter die Sache ähnlich sieht. In diesem Fall muss auch einmal „Nein“ gesagt werden.
Ermittlung der Pflegebedürftigkeit und Einordnung in den Pflegegrad
Modul 1 – Schritt 1: Zuordnung der Einzelpunkte
Modul 2 – Schritt 1: Zuordnung der Einzelpunkte
Modul 3 – Schritt 1: Zuordnung der Einzelpunkte
Modul 4 – Schritt 1: Zuordnung der Einzelpunkte
Modul 5 – Schritt 1: Zuordnung der Einzelpunkte
Modul 6 – Schritt 1: Zuordnung der Einzelpunkte
Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren
Schritt 2: Zusammenrechnen der Einzelpunkte und Gewichtung
Schritt 3: Zuordnung in den Pflegegrad
Haushaltsführung als zusätzliche Informationsquelle
Der zentrale Begriff der sozialen Pflegeversicherung ist die Pflegebedürftigkeit. Er gilt für alle Altersgruppen, vom Baby bis hin zum Erwachsenen. Die Zuordnung zu diesem Begriff entscheidet über die Leistungen der Pflegeversicherung.
Das Gesetz gibt in § 14 SGB XI vor, was unter Pflegebedürftigkeit zu verstehen ist; in § 15 SGB XI werden zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit die Pflegegrade 1 bis 5 festgelegt.
§ 14 Abs. 1 SGB XI definiert den Begriff der Pflegebedürftigkeit wie folgt:
Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches [SGB XI] sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen.
Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können.
Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.
Nach § 14 Abs. 2 SGB XI sind für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten die folgenden sechs Bereiche (Module) maßgebend, die jeweils zu ihrer Einschätzung weitere Kriterien enthalten:
(Die Ziffer des jeweiligen Kriteriums entspricht der Anlage 1 zu § 15 SGB XI.)
Modul 1 – Mobilität
(Pflegefachliche Konkretisierung siehe Seite 33)
Positionswechsel im Bett (Ziff. 1.1)
Halten einer stabilen Sitzposition (Ziff. 1.2)
Umsetzen (Ziff. 1.3)
Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs (Ziff. 1.4)
Treppensteigen (Ziff. 1.5)
Modul 2 – Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
(Pflegefachliche Konkretisierung siehe Seite 39)
Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld (Ziff. 2.1)
Örtliche und zeitliche Orientierung (Ziff. 2.2 und 2.3)
Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen (Ziff. 2.4)
Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen (Ziff. 2.5)
Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben (Ziff. 2.6)
Verstehen von Sachverhalten und Informationen (Ziff. 2.7)
Erkennen von Risiken und Gefahren (Ziff. 2.8)
Mitteilen von elementaren Bedürfnissen (Ziff. 2.9)
Verstehen von Aufforderungen (Ziff. 2.10)
Beteiligen an einem Gespräch (Ziff. 2.11)
Modul 3 – Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
(Pflegefachliche Konkretisierung siehe Seite 50)
Motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten (Ziff. 3.1)
Nächtliche Unruhe (Ziff. 3.2)
Selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten (Ziff. 3.3)
Beschädigen von Gegenständen (Ziff. 3.4)
Physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen (Ziff. 3.5)
Verbale Aggression (Ziff. 3.6)
Andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten (Ziff. 3.7)
Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen (Ziff. 3.8)
Wahnvorstellungen (Ziff. 3.9)
Ängste (Ziff. 3.10)
Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage (Ziff. 3.11)
Sozial inadäquate Verhaltensweisen (Ziff. 3.12)
Sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen (Ziff. 3.13)
Modul 4 – Selbstversorgung
(Pflegefachliche Konkretisierung siehe Seite 53)
Waschen des vorderen Oberkörpers (Ziff. 4.1)
Körperpflege im Bereich des Kopfes (Ziff. 4.2)
Waschen des Intimbereichs (Ziff. 4.3)
Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare (Ziff. 4.4)
An- und Auskleiden des Oberkörpers (Ziff. 4.5)
An- und Auskleiden des Unterkörpers (Ziff. 4.6)
Mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken (Ziff. 4.7)
Essen (Ziff. 4.8)
Trinken (Ziff. 4.9)
Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls (Ziff. 4.10)
Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma (Ziff. 4.11)
Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma (Ziff. 4.12)
Ernährung parenteral oder über Sonde (Ziff. 4.13)
Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen (Ziff. 4.K)
Modul 5 – Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
(Pflegefachliche Konkretisierung siehe Seite 67)
in Bezug auf Medikation (Ziff. 5.1), Injektionen (Ziff. 5.2), Versorgung intravenöser Zugänge (Ziff. 5.3), Absaugen und Sauerstoffgabe (Ziff. 5.4), Einreibungen oder Kälte- und Wärmeanwendungen (Ziff. 5.5), Messung und Deutung von Körperzuständen (Ziff. 5.6), körpernahe Hilfsmittel (Ziff. 5.7)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung (Ziff. 5.8), Versorgung mit Stoma (Ziff. 5.9), regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden (Ziff. 5.10), Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung (Ziff. 5.11)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung (Ziff. 5.12), Arztbesuche (Ziff. 5.13), Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (Ziff. 5.14), zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (Ziff. 5.15), Besuche von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern (Ziff. 5.K)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften (Ziff. 5.16)
Modul 6 – Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
(Pflegefachliche Konkretisierung siehe Seite 76)
Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen (Ziff. 6.1)
Ruhen und Schlafen (Ziff. 6.2)
Sichbeschäftigen (Ziff. 6.3)
Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen (Ziff. 6.4)
Interaktion mit Personen im direkten Kontakt (Ziff. 6.5)
Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds (Ziff. 6.6)
Im Vordergrund der Module 1 bis 6 steht der Lebensalltag, der grundsätzlich jeden Pflegebedürftigen betrifft. Die Module 1, 4 und 6 beurteilen die Person danach, inwieweit sie die Handlung bzw. die Aktivität selbstständig durchführen kann. Im Modul 2 geht es dagegen um die Prüfung, ob die jeweiligen kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten der Person vorhanden sind. Das Modul 3 wertet die Häufigkeit des Auftretens der dort genannten Kriterien und Modul 5 dokumentiert die Häufigkeit der Hilfe durch andere Personen.
Durch die Bewertung in den Modulen soll sich ein möglichst genaues Bild ergeben, ob aufgrund der gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten ein Hilfebedarf besteht.
Der Hilfebedarf des Pflegebedürftigen darf nicht nur gelegentlich vorliegen, sondern muss dauerhaft sein. Eine Dauerhaftigkeit liegt nach § 14 Abs. 1 SGB XI vor, wenn die Hilfe durch andere voraussichtlich mindestens sechs Monate anhält. Somit sind kurzfristig erforderliche Hilfeleistungen nicht von der Pflegeversicherung gedeckt.
Die Entscheidung darüber ist eine Prognoseentscheidung. Es muss somit nicht erst ein Zeitraum von sechs Monaten abgewartet werden, sondern die Pflegekasse muss anhand der medizinischen Unterlagen sofort, und zwar ab dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit und nicht erst ab dem Zeitpunkt der Begutachtung, über die Dauerhaftigkeit entscheiden. Eine Ausnahme von der Mindestfrist besteht nur für den Fall, dass die Lebensspanne des Pflegebedürftigen voraussichtlich weniger als sechs Monate betragen wird.
Die Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten und der daraus resultierende Pflegegrad ergeben sich durch folgende drei Schritte:
Schritt 1: Zuordnung von Einzelpunkten in den Modulen 1 bis 6 nach der Anlage 1 zu § 15 SGB XI mit der Einschränkung, dass ein zusätzlicher Zwischenschritt bei Babys und Kindern bis unter 11 Jahren durch einen Vergleich mit gleichaltrigen Kindern in den altersabhängigen Modulen 1, 2, 4 und 6 durchzuführen ist (siehe dazu „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“, Seite 82)
Schritt 2: Zusammenrechnen der Einzelpunkte und Gewichtung der Gesamtpunkte im jeweiligen Modul gemäß der Anlage 2 zu § 15 SGB XI sowie Zusammenrechnen der gewichteten Punkte
Schritt 3: Zuordnung der gewichteten Gesamtpunkte in den jeweiligen Pflegegrad nach § 15 Abs. 3 SGB XI bzw. § 15 Abs. 7 SGB XI bei Babys und Kindern im Alter bis zu 18 Monaten
Diese drei Schritte sind gesetzlich vorgegeben und vermitteln den Eindruck einer einfachen Rechnung mit einem klaren Ergebnis. Es kommt jedoch auf die Details bei den einzelnen Kriterien der Module an, die die Punktevergabe und damit das Ergebnis beeinflussen können. So besteht nach dem Lesen der Kriterien zwar meist eine klare Vorstellung über deren Inhalt, aber letztlich weiß man nicht genau, wie sie im Einzelfall im Zusammenhang mit der Punktevergabe angewendet werden. In den „Richtlinien des Medizinischen Dienstes Bund zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches“ (im Folgenden: BRi) hat der Medizinische Dienst Bund im Zusammenwirken unter anderem mit den Medizinischen Diensten, dem GKV-Spitzenverband und den Verbänden der Pflegekassen auf Bundesebene festgelegt, wie diese Kriterien zu begreifen sind.
Im Folgenden sind die Kriterien der Module mit ihren jeweiligen Inhalten (pflegefachliche Konkretisierung durch die BRi) in Tabellen dargestellt. Zusätzlich ist eine Spalte mit der Punktevergabe zum Ankreuzen bzw. Spalten zum Ausfüllen angefügt. Ziel ist es, zum Schluss die Einzelpunkte des jeweiligen Moduls zusammenzurechnen, sie pro Modul zu gewichten und dann den Gesamtpunktwert in den richtigen Pflegegrad einzuordnen. Dadurch soll es jedem ermöglicht werden, nachvollziehbar, zum Beispiel vor einem Antrag auf Pflegebedürftigkeit bei der Pflegekasse oder vor der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD), einen Anhaltspunkt über die Schwere der Pflegebedürftigkeit zu haben. Bei der Begutachtung kann das Buch mit den bearbeiteten Modulen zudem eine Hilfe sein, die Prüfung in Ruhe zu meistern. Außerdem dient es als praktische Hilfe für die Vorbereitung eines Widerspruchs gegen das Ergebnis der Begutachtung.
Die Feststellung der Pflegebedürftigkeit bei Babys und Kindern unter 11 Jahren entspricht mit einigen Besonderheiten den folgenden Darstellungen zur Einschätzung der Pflegebedürftigkeit im Schritt 1.
Die Besonderheiten ergeben sich jedoch aus der Forderung, bei Babys und Kindern unter 11 Jahren einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbstständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Babys und Kindern durchzuführen (vgl. § 15 Abs. 6 SGB XI). Dieser zusätzliche Zwischenschritt ist im Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ (Seite 82) dargestellt. Es empfiehlt sich, diesen Abschnitt zuerst zu lesen.
Schritt 2, das Zusammenrechnen der Einzelpunkte und die Gewichtung der Gesamtpunkte im jeweiligen Modul, wiederum ist für alle Pflegebedürftigen gleich. Nur im letzten Schritt 3 gibt es eine andere Einordnung in den Pflegegrad für Babys und Kinder im Alter bis zu 18 Monaten (siehe dazu näher unter „Besonderheiten der Zuordnung des Pflegegrades bei Babys und Kindern bis zu 18 Monaten“, Seite 95).
Das Modul 1 „Mobilität“ umfasst fünf Kriterien, die die motorischen Fähigkeiten in Bezug auf das Einnehmen und den Wechsel der Körperhaltung und die Fortbewegung beurteilen. Dabei sind zum Beispiel die Körperkraft, die Balance oder die Bewegungskoordination entscheidend. Die Einzelpunkte werden nach Anlage 1 zu § 15 SGB XI anhand einer vierstufigen Skala gewertet. Die Skala für die Bewertung der fünf Kriterien sieht wie folgt aus:
EinschätzungInhalt(vgl. BRi, S. 46 ff.)PunkteselbstständigPerson kann die jeweilige Handlung bzw. Aktivität ohne Unterstützung durch eine Pflegeperson durchführen
Handlung bzw. Aktivität kann z. B. langsam oder durch Nutzung von Hilfsmitteln ohne Hilfe durch eine Pflegeperson erfolgen
für kurze Zeit auftretende Beeinträchtigungen bleiben außer Betracht
0überwiegend selbstständigPerson kann im Wesentlichen aus eigener Kraft die Handlung bzw. Aktivität durchführen
Pflegeperson muss nur wenig helfen, z. B. als Motivator, durch Anreichen von Hilfsmitteln oder einzelnes Handreichen oder Anwesenheit aus Sicherheitsgründen
1überwiegend unselbstständigPerson kann sich an Handlung bzw. Aktivität nur zu einem geringen Maß beteiligen
Pflegeperson muss z. B. Teilschritte der Handlung bzw. Aktivität übernehmen, ständig motivieren oder anleiten sowie fortwährend beaufsichtigen und kontrollieren
2unselbstständigPerson kann Handlung bzw. Aktivität nicht durchführen oder steuern
Pflegeperson muss alles oder im Wesentlichen die Handlung bzw. Aktivität übernehmen
3Im Folgenden werden die einzelnen Kriterien des Moduls 1 an der vierstufigen Skala näher erläutert.
Zum Kriterium „Positionswechsel im Bett“ gehört das Einnehmen von verschiedenen Positionen im Bett, das Drehen um die Längsachse und das Aufrichten aus dem Liegen. Zur Einschätzung der Selbstständigkeit beim Positionswechsel im Bett folgende Tabelle:
EinschätzungPositionswechsel im Bett(vgl. BRi, S. 50 f.)Punkte*selbstständigPosition kann allein verändert werden
alleinige Positionsveränderung durch Nutzung von Hilfsmitteln, wie z. B. Aufrichter, Bettgitter oder elektrisch verstellbares Bett, sprechen nicht gegen die Bewertung der Selbstständigkeit
keine Hilfe durch Pflegeperson notwendig
0überwiegend selbstständigPosition der Person kann etwa durch das Reichen einer Hand oder eines Hilfsmittels von der Pflegeperson verändert werden
1überwiegend unselbstständigPositionsveränderung durch Hilfe der Pflegeperson
Mithilfe durch die Person kann nur wenig erfolgen (z. B. durch auf den Rücken rollen oder am Bettgestell festhalten)
2unselbstständigPosition kann nur durch Pflegeperson verändert werden
Mithilfe der Person ist bei der Positionsveränderung nicht möglich
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachten.Das Halten einer stabilen Sitzposition erfasst das Sitzen der Person zum Beispiel auf einem Bett oder Stuhl ohne Rücken- oder Seitenstütze. Zur Einschätzung der Selbstständigkeit der Aktivität die folgende Tabelle:
EinschätzungHalten einer stabilen Sitzposition(vgl. BRi, S. 50)Punkte*selbstständigSitzposition kann allein gehalten werden
Selbstständigkeit ist auch dann gegeben, wenn sich die Person zum Halten der Sitzposition mit den Händen abstützt
keine Hilfe durch Pflegeperson notwendig
0überwiegend selbstständigSitzposition kann ohne Seitenstütze nur kurz gehalten werden
für längere Zeit kann eine stabile Sitzposition z. B. auf einem Sessel oder einer Couch mit Armlehnen gehalten werden
1überwiegend unselbstständigeingeschränkte Rumpfkontrolle
keine stabile Sitzposition für längere Zeit ohne Rücken- und Seitenstützen z. B. wie beim Lagerungsstuhl oder Therapiestuhl
2unselbstständigSitzposition kann auch mit Lagerungshilfen nicht stabil gehalten werden
Lagerung liegend im Bett oder auf dem Lagerungsstuhl
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachten.Das Kriterium „Umsetzen“ umfasst das Aufstehen von einer erhöhten Sitzfläche, wie zum Beispiel einem Stuhl oder Sessel, und das Umsetzen auf einen Rollstuhl, Toilettenstuhl oder Sessel usw. Im Folgenden die Übersicht zur Einschätzung der Selbstständigkeit beim Umsetzen:
EinschätzungUmsetzen(vgl. BRi, S. 51)Punkte*selbstständigPerson kann sich aus eigener Kraft umsetzen, z. B. vom Bett zum Rollstuhl und umgekehrt
Selbstständigkeit liegt auch vor, wenn zwar nicht gestanden werden kann, aber die erforderliche Armkraft für das Umsetzen ausreicht, z. B. durch das Benutzen von Tisch, Armlehnen und Hilfsmitteln, wie z. B. Griffstangen
keine weitere Personenhilfe durch Pflegeperson notwendig
0überwiegend selbstständigPerson kann sich mit wenig Mithilfe der Pflegeperson, z. B. durch Hand- oder Armreichen, umsetzen
1überwiegend unselbstständigdas Umsetzen erfolgt durch die Pflegeperson mit erheblicher Kraftaufwendung durch Hochziehen, Halten, Stützen oder Heben
Person ist es in geringem Maß möglich beim Umsetzen mitzuhelfen, z. B. kann kurzzeitig stehen
2unselbstständigPflegeperson muss betreffende Person umsetzen, z. B. durch Heben oder Tragen
eine Mithilfe durch die betreffende Person ist nicht möglich
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachten.Unter der „Fortbewegung innerhalb des Wohnbereichs“ versteht man das Gehen in der Wohnung oder des Wohnbereichs einer Einrichtung zwischen den Zimmern. Die Fähigkeit einer Person sich bei der Fortbewegung räumlich zu orientieren oder eine Etage durch Treppensteigen zu überwinden, spielt bei diesem Kriterium keine Rolle. Die Fähigkeit zur Orientierung wird unter Modul 2, Ziffer 2.2 und das Treppensteigen unter Modul 1, Ziffer 1.5 geprüft. Zur Einschätzung der Selbstständigkeit der Fortbewegung innerhalb des Wohnbereichs folgende Tabelle:
EinschätzungFortbewegen innerhalb des Wohnbereichs(vgl. BRi, S. 51 f.)Punkte*selbstständigPerson kann sich aus eigener Kraft ggf. unter Nutzung von Hilfsmitteln (z. B. Stock, Rollator oder Rollstuhl) innerhalb des Wohnbereichs fortbewegen
Selbstständigkeit ist gegeben, wenn die Gehstrecke mindestens 8 Meter beträgt
0überwiegend selbstständigFortbewegung kann durch die Person selbstständig mit geringer Hilfe der Pflegeperson erfolgen, z. B. in Form von Anreichen von Hilfsmitteln oder gelegentlichem Stützen bzw. Unterhaken
1überwiegend unselbstständigPflegeperson muss sich beim Gehen in der Wohnung stützen oder festgehalten werden
2unselbstständigkein Gehen der Person möglich
Person muss z. B. von Pflegeperson getragen oder im Rollstuhl geschoben werden
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachten.Das Treppensteigen wird als Aktivität verstanden, die unabhängig vom Vorhandensein einer Treppe in der Wohnung zu beurteilen ist. Dabei dient das Überwinden der Treppe von einer Etage zur nächsten als Beurteilungsgrundlage. Zur Einschätzung der Selbstständigkeit des Treppensteigens folgende Tabelle:
EinschätzungTreppensteigen(vgl. BRi, S. 52)Punkte*selbstständigPerson kann ohne Hilfe der Pflegeperson die Treppen zwischen zwei Etagen in aufrechter Position überwinden
0überwiegend selbstständigPerson kann die Treppen alleine steigen
es wird eine Pflegeperson wegen eines möglichen Sturzrisikos benötigt
1überwiegend unselbstständigPerson kann nur mit Hilfe einer Pflegeperson die Treppen steigen
Pflegeperson muss sich stützen oder festhalten
2unselbstständigTreppensteigen ist nicht möglich
Person muss getragen oder z. B. mit einem Treppenlifter befördert werden
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachten.Das Modul 2 bezieht sich in seinen 11 Kriterien auf die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten der zu beurteilenden Person. Dabei werden bei den Kriterien 1 bis 8 die kognitiven Funktionen und bei den Kriterien 9 bis 11 die kommunikativen Fähigkeiten beurteilt. Die vierstufige Bewertungsskala des Moduls 2 ist ähnlich aufgebaut wie die vierstufige Skala zur Beurteilung der Selbstständigkeit im Modul 1. Sie unterscheidet sich aber darin, dass nicht eine Handlung bzw. Aktivität, sondern eine geistige Funktion der Person eingeschätzt wird. Zur vierstufigen Skala beim Modul 2 folgender Überblick:
EinschätzungInhalt(vgl. BRi, S. 54)PunkteFähigkeitvorhanden/unbeeinträchtigtFähigkeit ist fast vollständig vorhanden
0FähigkeitgrößtenteilsvorhandenFähigkeit ist überwiegend vorhanden
Person hat Schwierigkeiten, durchgängig komplizierte Sachverhalte zu meistern
1Fähigkeit ingeringem Maße vorhandenFähigkeit ist stark beeinträchtigt, Ressourcen sind aber vorhanden und erkennbar
Person hat in den meisten Situationen Schwierigkeiten, auch nur geringe Anforderungen zu meistern
2Fähigkeit nicht vorhandenFähigkeit ist nicht oder nur sehr selten vorhanden
3Die einzelnen Kriterien im Modul 2 werden im Folgenden anhand der vierstufigen Skala näher erläutert.
Zur Fähigkeit des Erkennens von Personen gehört das Wiedererkennen von Personen, mit denen man normalerweise Kontakt hat, wie zum Beispiel Familienangehörige, Nachbarn oder auch Mitarbeiter des Pflegedienstes.
EinschätzungErkennen von Personen aus dem näheren Umfeld(vgl. BRi, S. 54)Punkte*Fähigkeitvorhanden/unbeeinträchtigtPersonen aus dem näheren Umfeld werden wiedererkannt
0FähigkeitgrößtenteilsvorhandenPerson hat immer wieder einmal Schwierigkeiten, vertraute Personen zu erkennen
Personen aus dem näheren Umfeld werden erkannt, jedoch erst nach längerer Zeit, z. B. im Gespräch
1Fähigkeit ingeringem Maße vorhandenvertraute Personen werden kaum erkannt
ist die Tagesform entscheidend, dann bestehen beträchtliche Schwankungen im Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld
2Fähigkeit nicht vorhandenvertraute Personen, wie z. B. Familienangehörige, werden nicht oder nur sehr selten erkannt
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachtenDie örtliche Orientierung einer Person beschreibt das Zurechtfinden in der räumlichen und der näheren außerhäuslichen Umgebung. Unter der räumlichen Umgebung versteht man die eigenen Räumlichkeiten zu Hause oder in der Einrichtung. Der außerhäusliche Bereich umfasst zum Beispiel den Park, die Geschäfte oder die Bushaltestelle in der näheren Umgebung. In diesen Umgebungen geht es darum sich zurechtzufinden, verschiedene Orte zielsicher anzusteuern und zu wissen, an welchem Ort man sich gerade befindet. Zur Einschätzung der Fähigkeiten der örtlichen Orientierung folgende Tabelle:
EinschätzungÖrtliche Orientierung(vgl. BRi, S. 55)Punkte*Fähigkeitvorhanden/unbeeinträchtigtZurechtfinden in den eigenen Räumlichkeiten, aber auch in der näheren außerhäuslichen Umgebung
0FähigkeitgrößtenteilsvorhandenPerson findet sich in den eigenen Räumlichkeiten zurecht
im außerhäuslichen Bereich bestehen Schwierigkeiten, sich zu orientieren, z. B. der Weg nach Hause wird nicht wieder gefunden
1Fähigkeit ingeringem Maße vorhandenPerson hat Schwierigkeiten, sich in der häuslichen und außerhäuslichen Umgebung zu orientieren
2Fähigkeit nicht vorhandenPerson ist zur Orientierung in der häuslichen und außerhäuslichen Umgebung nicht in der Lage und braucht daher Unterstützung durch eine Pflegeperson
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachtenDie zeitliche Orientierung einer Person spiegelt die Fähigkeit wider, zeitliche Strukturen zu erkennen. Dazu gehören zum Beispiel:
Uhrzeit
Tagesabschnitte, wie morgens, vormittags, nachmittags, abends
Wochentag, Monat, Jahr
Jahreszeit sowie
zeitliche Abfolge des Lebens der Person
Zur Einschätzung der Fähigkeiten in Bezug auf die zeitliche Orientierung folgende Übersicht:
EinschätzungZeitliche Orientierung(vgl. BRi, S. 55 f.)Punkte*Fähigkeitvorhanden/unbeeinträchtigtPerson verfügt über zeitliche Struktur und kann sich ohne wesentliche Einschränkungen zeitlich orientieren
0FähigkeitgrößtenteilsvorhandenPerson kann sich bis auf wenige Ausnahmen zeitlich orientieren
es bestehen Schwierigkeiten, den Tagesabschnitt z. B. ohne Uhr zu bestimmen
1Fähigkeit ingeringem Maße vorhandenPerson kann sich in der Regel nicht zeitlich orientieren
Orientierungshilfen, wie z. B. Uhr oder Dunkelheit, können nicht helfen, den jeweiligen Tagesabschnitt zu bestimmen
2Fähigkeit nicht vorhandenPerson verfügt über keine bzw. eine sehr geringe zeitliche Struktur
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachtenZum Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen zählen die Fähigkeiten sich
kurz zurückliegende Ereignisse oder Beobachtungen, wie zum Beispiel, was man zum Frühstück oder Mittag gegessen hat oder wo man am Abend war, und
auch länger zurückliegende Ereignisse oder Beobachtungen, die mehrere Tage, Wochen oder Jahre in der Vergangenheit liegen, wie zum Beispiel das Geburtsjahr, den Geburtsort, den Hochzeitstag oder den erlernten Beruf,
ins Gedächtnis zu rufen. Zur Einschätzung der Fähigkeit sich an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen zu erinnern folgende Tabelle:
EinschätzungErinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen(vgl. BRi, S. 56)Punkte*Fähigkeitvorhanden/unbeeinträchtigtPerson kann sich fast vollständig an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen aus allen Bereichen ihres Lebens erinnern
Erinnerung kann u. U. auch durch Handlungen oder Gesten zum Ausdruck gebracht werden
0FähigkeitgrößtenteilsvorhandenPerson hat Schwierigkeiten, sich an manche kurz zurückliegende Ereignisse oder Beobachtungen zu erinnern oder braucht längere Zeit dazu
1Fähigkeit ingeringem Maße vorhandenPerson vergisst ständig auch kurz zurückliegende Ereignisse oder Beobachtungen
wichtige Erinnerungen aus der Lebensgeschichte sind teilweise noch vorhanden
2Fähigkeit nicht vorhandenbetreffende Person kann sich nicht oder nur sehr selten an Ereignisse oder Beobachtungen erinnern
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachtenBei diesem Kriterium stehen die richtige Reihenfolge von Teilschritten und die Ausführung von täglichen oder nahezu täglichen Handlungen im Vordergrund. Außerdem soll das angestrebte Ergebnis der Alltagshandlung, wie zum Beispiel das komplette An- und Auskleiden, Bettmachen, Kaffee- oder Teekochen, erreicht werden. Die Fähigkeit mehrschrittige Alltagshandlungen zu steuern wird nach folgender Tabelle eingeschätzt:
EinschätzungSteuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen(vgl. BRi, S. 57)Punkte*Fähigkeitvorhanden/unbeeinträchtigtPerson kann fast vollständig alltägliche Handlungen zielgerichtet durchführen
0FähigkeitgrößtenteilsvorhandenPerson hat immer wieder einmal Schwierigkeiten, die Handlungsschritte einzuhalten, z. B. weil sie vergessen wurden
Person kann durch kleinere Erinnerungshilfen oder Hinweise von einer Pflegeperson die Handlungsschritte fortführen
1Fähigkeit ingeringem Maße vorhandenPerson hat erhebliche Schwierigkeiten, die Reihenfolge der einzelnen Handlungsschritte einzuhalten, weil sie z. B. vergessen oder verwechselt werden
2Fähigkeit nicht vorhandenPerson ist nicht in der Lage, mehrschrittige Alltagshandlungen durchzuführen oder gibt sie kurz nach Beginn auf
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachtenDas Treffen von Entscheidungen im Alltag erfasst die Fähigkeit der Durchführung von alltäglichen Entscheidungen, wie zum Beispiel:
das morgendliche Aussuchen der Bekleidung entsprechend den Wetterbedingungen
die Entscheidung zum Einkaufen und die Durchführung dieser Aktivität
die Entscheidung, sich mit Familienangehörigen oder Freunden zu treffen und mit ihnen Freizeitbeschäftigungen durchzuführen
Bei diesem Kriterium ist es wichtig, dass die Fähigkeit vorhanden ist, eine folgerichtige Entscheidung zu treffen. Somit gibt es nicht die richtige Entscheidung, sondern im Einzelfall muss die Entscheidung geeignet sein, das Ziel zu erreichen. Dazu gehört etwa, dass bei Regenwetter Kleidung gewählt wird, die regenbeständig ist und somit Sicherheit vor einer Erkältung bietet und das Wohlbefinden der Person gewährleistet. Zur Einschätzung des Treffens von Entscheidungen im Alltag folgende Tabelle:
EinschätzungTreffen von Entscheidungen im Alltag(vgl. BRi, S. 57 f.)Punkte*Fähigkeitvorhanden/unbeeinträchtigtPerson kann fast vollständig alltägliche Entscheidungen treffen
in unbekannten Situationen, wie z. B. die Person wird von einer fremden Person angesprochen, können folgerichtige Entscheidungen getroffen werden
0FähigkeitgrößtenteilsvorhandenPerson kann in normalen Alltagssituationen aufgrund vorhandener Routine Entscheidungen treffen
in unbekannten Situationen ergeben sich für die Person Schwierigkeiten, folgerichtige Entscheidungen zu treffen
1Fähigkeit ingeringem Maße vorhandenPerson fällt zwar Entscheidungen, diese sind aber häufig nicht folgerichtig und führen daher nicht zum Ziel, z. B. weil leichte Sommerkleidung im kalten Winter ausgesucht wurde
Pflegeperson muss z. B. durch Anleitung oder Erklären der Situation unterstützen
2Fähigkeit nicht vorhandenalltägliche Entscheidungen können nicht oder nur noch sehr selten von der Person getroffen werden
Unterstützung durch Pflegeperson führt nicht weiter
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachtenBeim Verstehen von Sachverhalten und Informationen geht es um die Fähigkeit Situationen zu erkennen, wie zum Beispiel, dass man sich bei einer gemeinschaftlichen Aktivität mit Familienangehörigen befindet. Ferner wird die Fähigkeit beurteilt, inwieweit
schriftliche Informationen aus dem Alltag, zum Beispiel aus Zeitungen, Magazinen oder Büchern, sowie
mündliche Informationen aus dem alltäglichen Leben, zum Beispiel aus Gesprächen oder dem Fernsehen
aufgenommen und inhaltlich verarbeitet werden können. Zur Einschätzung der Fähigkeiten beim Verstehen von Sachverhalten und Informationen folgende Übersicht:
EinschätzungVerstehen von Sachverhalten und Informationen(vgl. BRi, S. 58 f.)Punkte*Fähigkeitvorhanden/unbeeinträchtigtPerson kann Sachverhalte und Informationen des täglichen Lebens fast vollständig aufnehmen und inhaltlich verstehen
0FähigkeitgrößtenteilsvorhandenPerson kann einfache Sachverhalte und Informationen verstehen, z. B. Informationen zum Wetter
Schwierigkeiten treten bei komplizierten Sachverhalten und Informationen auf
1Fähigkeit ingeringem Maße vorhandenPerson kann selbst einfache Sachverhalte und Informationen nur dann nachvollziehen, wenn sie wiederholt und erklärt werden
ist die Tagesform entscheidend, dann sprechen die Schwankungen im Verstehen für eine schwere Beeinträchtigung
2Fähigkeit nicht vorhandenPerson kann Situationen oder Information des Alltagslebens nicht verstehen
das Verstehen kommt weder verbal noch nonverbal zum Ausdruck
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachtenBei dieser Fähigkeit geht es um die Risiken und Gefahren, wie sie im häuslichen Umfeld zu finden sind. Im häuslichen Umfeld gehen Risiken und Gefahren insbesondere von Wasser, Elektrizität, Feuer oder Hindernissen auf dem Fußboden aus. Außerdem zählen zu diesem Kriterium die außerhäuslichen Risiken und Gefahren, wie sie etwa im Verkehr, bei Baustellen oder Glätte auf Fußwegen bestehen. Zur Einschätzung der Fähigkeiten beim Erkennen von Risiken und Gefahren folgende Tabelle:
EinschätzungErkennen von Risiken und Gefahren(vgl. BRi, S. 59)Punkte*Fähigkeitvorhanden/unbeeinträchtigtPerson kann Risiken und Gefahren des Alltags erkennen, auch wenn sie z. B. aus physischen Gründen nicht entsprechend reagieren kann
0FähigkeitgrößtenteilsvorhandenPerson kann Risiken und Gefahren im häuslichen Umfeld erkennen
Schwierigkeiten bestehen im Einschätzen von Risiken und Gefahren im außerhäuslichen Umfeld
1Fähigkeit ingeringem Maße vorhandenPerson kann Risiken und Gefahren im häuslichen und außerhäuslichen Umfeld überwiegend nicht erkennen
2Fähigkeit nicht vorhandenPerson kann Risiken und Gefahren des Alltags nicht oder nur sehr selten erkennen
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachtenZu den elementaren Bedürfnissen von Menschen gehören zum Beispiel das Trinken, das Essen, das Kleiden oder das Schlafen. Somit beinhaltet das Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, die Fähigkeit einer Person andere Menschen darüber zu informieren. Dies bedeutet, dass mittels Sprache, Lauten, Mimik, Gestik oder unter Nutzung von einem Hilfsmittel (z. B. über einen Sprachcomputer) Grundbedürfnisse wie Durst, Hunger, Frieren oder Erschöpfung mitgeteilt werden können. Zur Einschätzung der Fähigkeit der Mitteilung von elementaren Bedürfnissen folgende Übersicht:
EinschätzungMitteilung von elementaren Bedürfnissen(vgl. BRi, S. 60)Punkte*Fähigkeitvorhanden/unbeeinträchtigtPerson kann sich fast vollständig gegenüber anderen zu elementaren Bedürfnissen mitteilen
0FähigkeitgrößtenteilsvorhandenPerson teilt meist von sich aus anderen ihre elementaren Bedürfnisse nicht mit
Person teilt ihre elementaren Bedürfnisse mit, wenn sie von der Pflegeperson gezielt darauf angesprochen wird
1Fähigkeit ingeringem Maße vorhandenPerson kann sich zu ihren elementaren Bedürfnissen nur noch nonverbal, z. B. durch Mimik, Gestik oder Laute äußern
nonverbale Reaktionen stehen im Vordergrund
2Fähigkeit nicht vorhandenPerson kann sich nicht oder nur sehr selten zu ihren elementaren Bedürfnisse äußern
nonverbale Reaktionen sind kaum vorhanden
3*Abschnitt „Zwischenschritt bei Babys und Kindern unter 11 Jahren“ beachtenDieses Kriterium umfasst die Fähigkeit, Aufforderungen und Bitten zu elementaren Bedürfnissen, wie zum Beispiel dem Essen, Trinken und Kleiden, zu verstehen. Verstehen setzt voraus, dass die betreffende Person in der Lage ist, die Aufforderung oder Bitte aufzunehmen und richtig zu deuten. Es spielen daher die kognitiven Fähigkeiten der betreffenden Person eine Rolle sowie mögliche Hörstörungen. Zur Einschätzung der Fähigkeiten beim Verstehen von Aufforderungen folgende Tabelle:
EinschätzungVerstehen von Aufforderungen(vgl. BRi, S. 60 f.)Punkte*Fähigkeitvorhanden/unbeeinträchtigtPerson kann mündlich geäußerte Aufforderungen und Bitten, wie z. B. von der Pflegeperson, verstehen
0FähigkeitgrößtenteilsvorhandenPerson kann Aufforderungen und Bitten, wie z. B. „Ziehe die Schuhe an!“, „Trinke bitte!“ oder „Bitte komm zum Essen!“ verstehen
Aufforderungen und Bitten in nicht alltäglichen Situationen müssen erklärt werden
Verständigung kann u. U. durch Zeichen- oder Gebärdensprache sowie Schrift erfolgen
1Fähigkeit ingeringem Maße vorhandenPerson kann Aufforderungen oder Bitten in der Regel nur nach Wiederholung oder Erklärung verstehen
Verständnis ist von der Tagesform abhängig
nonverbale Aufforderungen, wie z. B. Berührung oder Führen zum Esstisch können von der Person verstanden werden
2Fähigkeit nicht vorhandenPerson kann Aufforderungen und Bitten nicht verstehen
Person zeigt keine Reaktionen
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