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Der 1879 in Stuttgart verstorbene Sixtus Carl von Kapff war ein deutscher evangelischer Theologe und Pietist. In theologischer Hinsicht stand er auf entschieden biblisch-orthodoxen Standpunkten, der Supranaturalismus der Tübinger Storrschen Schule durchdrungen von württembergischem Pietismus samt dessen chiliastistischen Anschauungen bildete den Inhalt seiner Anschauung. Trotz seiner vielen Ämter und einer außerordentlich großen Korrespondenz entfaltete er eine bedeutende schriftstellerische Tätigkeit, besonders im erbaulichen und praktisch-theologischen Gebiet. Seine Gebet- und Predigtbücher erschienen in vielen Auflagen und sind in Tausenden von Exemplaren verbreitet.
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Seitenzahl: 342
Predigten über die alten Episteln
SIXTUS CARL VON KAPFF
Predigten über die alten Episteln, Sixtus Carl von Kapff
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783849663520
Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen. Diese Ausgabe folgt den Originaltexten und der jeweils bei Erscheinen gültigen Rechtschreibung und wurde nicht überarbeitet.
Cover Design: 27310 Oudenaarde Sint-Walburgakerk 82 von Paul M.R. Maeyaert - 2011 - PMR Maeyaert, Belgium - CC BY-SA.
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Am ersten Sonntag des Advents.1
Am Feiertag des Apostels St. Andreas.12
Am zweiten Sonntag des Advents. 22
Am dritten Sonntag des Advents.32
Am vierten Sonntag des Advents.42
Am Feiertag des Apostels St. Thomas.50
Am heiligen Christfest.57
Am Feiertag des Märtyrers Stephanus.66
Am Feiertag des Apostels St. Johannes.74
Am Sonntag nach dem Christfest.83
Am Neujahrsfest.93
Predigt am Sonntag nach dem Neujahr,101
Am Sonntag nach dem Neujahr.111
Am Erscheinungsfest, das zugleich Missionsfest war.122
Predigt am 7. deutschen evangelischen Kirchentag zu Frankfurt a. M.132
Predigt am 7. deutschen evangelischen Kirchentag zu Frankfurt a. M.138
Am ersten Epiphanien-Sonntag.147
15. Am zweiten Epiphanien-Sonntag.156
Predigt am vierten Sonntag nach Epiphanias. 165
Text: Röm. 13, 11-14.
Weil wir solches wissen, nämlich die Zeit, daß die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf: sintemal unser Heil jetzt naher ist, denn da wir es glaubten, die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbeigekommen; so laßt uns ablegen die Werke der Finsterniß, und anlegen die Waffen des Lichts. Lasset uns ehrbarlich wandeln, als am Tage; nicht in Fressen und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid; sondern ziehet an den Herrn Jesum Christum, und wartet des Leibes, doch also, daß er nicht geil werde.
Machet die Thore weit und die Thüren in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe. Wer ist derselbige König der Ehren? Es ist der Herr, stark und mächtig, der Herr, mächtig im Streit, der Herr Zebaoth (Ps. 24). Er ist der König der Ehren, der König, den alle Engel Gottes anbeten, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, Jesus Christus, der Heiland der Welt. Dieser König der Gerechtigkeit und des Lebens will seinen Advent, d. i. Ankunft, wieder bei uns halten, will zu uns kommen und bei uns eingehen, wie er in Jerusalem einzog, und einer jeden gläubigen Seele gilt das Wort des Propheten Sacharia (9, 9.): „Du Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze, siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“
Wie Er vom Himmel herabgekommen ist in unser armes Fleisch und Blut und hat die Menschheit in sich mit der Gottheit vereinigt, und wie Er gekommen ist zu seinem Volk Israel und hat sich mit wunderbaren Worten und Thaten als das Licht und Leben erwiesen, so will Er heute noch kommen in unsere Herzen und Wohnung machen in ihnen durch den heiligen Geist. Daher sagt Er Offenb. 3, 20.: „Siehe, Ich stehe vor der Thüre und klopfe an; so Jemand meine Stimme hören wird und die Thür aufthun, zu dem werde Ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit Mir.“
O Geliebte, wir wollen seine Stimme hören und die Thüren unserer Herzen aufthun und Ihn so empfangen, wie das Volk Ihn empfing, da Er in Jerusalem einzog. Sie warfen Jesu zu Ehren ihre Kleider auf den Weg und riefen: Hosiannah dem Sohne David! Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosiannah in der Höhe! Haben Leute, die Ihn kaum kannten, Ihn so geehrt, wie viel mehr müssen unsere Herzen Ihm offen stehen. Wir wissen, daß mit seinem Kommen oder Advent eine neue Zeit anfängt, ein neues Kirchenjahr im Großen und ein neuer Tag in jedem einzelnen Herzen, wie das unsere Epistel sagt mit den Worten: „Die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbeigekommen.“ Mit dem Kommen Jesu wird es helle in den Herzen und in der Welt. Der Advent des Herrn ist eine Ankunft von Licht und Leben, von Friede und Freude, von Gerechtigkeit und neuer Geisteskraft.
Dieser lebensvolle Gnadenadvent wird uns auf's Neue geschenkt. Die heilige Weihnacht naht heran, und da dürfen wir nicht blos die äußerliche Geburt Christi feiern, sondern innerlich in uns soll Er geboren werden, und als die Sonne der Gerechtigkeit will Er mit allerlei geistlichen Segnungen in himmlischen Gütern uns erfüllen. Darum ergeht auch an uns die Stimme: Bereitet dem Herrn den Weg, machet eine ebene Bahn unserem Gott (Jes. 40,3.). Wie das geschehen soll, sagt uns unsere Epistel; ihr gemäß betrachten wir unter dem Segen des Herrn
Die Adventsbotschaft
1. als eine Botschaft des Heils und der Freude,
2. als eine Botschaft zur Buße und Erneuerung.
Jesu, komm doch selbst zu mir
Und verbleibe für und für,
Komm doch, werther Seelenfreund,
Liebster, den mein Herze meint!
Keine Lust ist auf der Welt,
Die mein Herz zufrieden stellt.
Dein, o Jesu, bei mir seyn
Nenn' ich meine Lust allein.
Nimm nur Alles von mir hin;
Ich verändere nicht den Sinn:
Du, o Jesu, sollst allein
Ewig meine Freude seyn! Amen.
I. Zuerst betrachten wir die Adventsbotschaft als Botschaft des Heils und der Freude.
Nach unserem Text ist dadurch, daß unser Heil nahe gekommen ist, die Nacht vergangen, der Tag aber herbeigekommen, und wie man nach dunkler Nacht sich des hellen Tages freut und dankbar die Sonne begrüßt, so und noch unendlich mehr gereicht das Kommen des Heils uns zur Freude und Wonne, und der Aufgang der Sonne der Gerechtigkeit ist uns der Anfang einer neuen Zeit. Denn was ist unser Leben, wenn es nicht von dieser Sonne erleuchtet ist! Unser Text stellt es dar als Nacht, als Finsterniß, als Todesschlaf und als ein Leben in mancherlei Sünden, von denen der Apostel Gal. 5,21. sagt, daß, die solches thun, werden das Reich Gottes nicht ererben. Fressen, Saufen, Kammern und Unzucht, Hader, Neid und allzu weichliches Warten des Leibes - das nennt unser Text als die Werke der Finsterniß, in deren Gefangenschaft die Seele in einem geistlichen Todesschlafe liegt, aus dem es außer Christo kein Erwachen gibt, als zu den Schrecken der Hölle. In solchem Todesschlaf und düsterer Finsterniß ist der natürliche Mensch nach seinem angeborenen Sündenverderben, bald mehr auf gröbere, bald mehr auf feinere Weise.
Nicht blos Fressen und Saufen sind Werke der Finsterniß, nicht blos offenbare Unzucht und wilder Zorn und Hader, auch die feineren Regungen der Selbstsucht und Eigenliebe, auch der Mangel an wahrer Bruderliebe und an stillem, sanftmüthigem Geist, der Mangel an Verläugnungskraft und Enthaltsamkeit, überhaupt so vielfache Nachgiebigkeit gegen das Fleisch - das Alles schläfert den Geist auch ein und macht, daß er des hellen Tages nicht theilhaftig wird. Wie Mancher hat zuerst blos des Leibes zu viel gewartet, und einer gewissen Weichlichkeit, Genußsucht und Eitelkeit Raum gelassen, ist aber dadurch immer mehr in Fleischeslust, Augenlust und hoffärtiges Leben hineingekommen und hat vielleicht bald durch Unkeuschheit sich an Leib und Seele verderbt! Und wie Mancher kann äußerlich ganz freundlich und liebreich scheinen, aber im Herzen nagt an der Wurzel des Lebens ein geheimer Neid, grämliche Eifersucht und Unzufriedenheit, oder bitterer Hader und Haß.
O prüfe sich doch ein Jedes unter uns, ob es nichts von diesen Werken der Finsterniß an sich habe, oder doch, ob wir sie bekämpfen und sie uns innerlich zur schweren Last geworden sind. Denn wohl ist es einer Seele nie wahrhaft, so lange sie noch in der Nacht des natürlichen Lebens sich befindet. Jesaias schildert (59, 9 ff.) diese traurige Nacht mit den Worten: „Das Recht ist ferne von uns, und wir erlangen die Gerechtigkeit nicht. Wir harren auf das Licht, siehe, so wird es finster, auf den Schein, siehe, so wandeln wir im Dunkeln. Wir tappen nach der Wand, wie die Blinden, und tappen, als die keine Augen haben. Wir stoßen uns im Mittag als in der Dämmerung, wir sind im Düstern, wie die Todten. Unserer Uebertretung vor Dir ist zu viel und unsere Sünden antworten wider uns.“
Für diesen jammervollen Zustand des natürlichen Menschen hatte der Alte Bund keine eigentliche Hülfe. Mit allen seinen Gnadenanstalten ist er doch nur die Morgendämmerung, noch immer mit dunklem Schatten, wie wir Ebr. 10,1. lesen: Das Gesetz hat den Schatten von den zukünftigen Gütern, nicht das Wesen der Güter selbst. Wenn daher unser Text sagt: die Nacht ist vergangen, so können wir unter dieser Nacht nicht blos den Zustand des natürlichen Menschen verstehen, sondern auch die Dunkelheit unter dem Alten Bund, da es fehlte an der wahren Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, an lebendiger Gemeinschaft mit Gott und an freudiger Hoffnung auf die Ewigkeit.
Deßwegen zieht sich durch den ganzen Alten Bund der Sehnsuchts- und Schmerzensruf hindurch: „Ach, daß die Hülfe aus Zion über Israel käme und der Herr sein gefangen Volk erlösete, so würde Jakob fröhlich seyn und Israel sich freuen.“
Nach dieser Freude sehnten sich Könige und Propheten, und wenn der Geist des Herrn ihnen den Sohn Davids als den großen Erretter zeigte, so war es ihnen, als müsse sein ganzes Heil jetzt alsbald erscheinen. Aber erst als die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn, und in Ihm ging die Sonne der Gerechtigkeit auf über der finstern Erde. Nur, wer Jesum hat, nur der kann sagen: die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbeigekommen. Denn nach unserem Texte ist Er unser Heil, d, h. unsere vollkommene Hülfe, durch die wir errettet werden aus den tiefsten Nöthen unseres Sündenverderbens.
Als solches Heil hat sich Jesus bei seinem ersten Advent auf der Erde geoffenbart. Warum rief alles Volk: Hosiannah dem Sohne Davids, warum huldigten sie Ihm als ihrem König und Herrn? Weil Er ihre Kranken gesund, ihre Blinden sehend, ihre Sprachlosen redend und ihre Todten lebendig gemacht hatte, und weil Er auch den Armen das Evangelium vom Reiche Gottes predigte, so daß Alle durch Ihn eingeladen waren zu der Seligkeit des neuen Bundes. Aber erst durch das, was nach jenem Einzug in Jerusalem geschah, erst durch sein Todesleiden ist Jesus das Heil der Welt geworden. Am Kreuz hat Er als unser Stellvertreter sich geopfert für uns und unsern Fluch getragen. Um unserer Missethat willen war Er verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Unsere Strafe lag auf Ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilet (Jes. 53). Mit Einem Opfer hat Er in Ewigkeit vollendet die geheiliget werden durch den Glauben an Ihn. Darum ist Er nun der Mittler des Neuen Testaments, daß durch seinen Tod die, so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen. Denn weil Er sich selbst ohne allen Wandel (als der Heilige ohne alle Sünde) durch den heiligen Geist (als der ewige Sohn Gottes) Gott geopfert hat, so reinigt nun sein Blut unsere Gewissen von den todten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott (Ebr. 9 und 10). Für alle Sünden aller Menschen in allen Zeiten und an allen Orten hat Jesus eine in alle Ewigkeit gültige Versöhnung gestiftet, daher Ihn Johannes die Versöhnung für unsere und der ganzen Welt Sünde nennt, und zwar so, daß sein Blut uns rein macht von aller Sünde, so daß die Verheißung Jes. 1,18. in Erfüllung gehen soll: „Wenn eure Sünde gleich blutroth ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie Wolle werden.“ Weil eine so reiche Vergebung der Sünde uns durch Jesum erworben worden, deßwegen ist Er das Heil für eine jede Seele, die durch wahren Glauben seines Verdienstes theilhaftig wird. Eine solche Seele kann mit unserem Liede sagen:
Ich lag in schweren Banden,
Du kommst und machst mich los,
Ich stund in Spott und Schanden,
Du kommst und machst mich groß,
Und hebst mich hoch zu Ehren
Und schenkst mir großes Gut,
Das sich nicht läßt verzehren,
Wie irgend Reichthum thut.
Dieses große Gut, durch das Jesus unser vollkommenes Heil wird, ist Vergebung der Sünde, Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, Friede mit Gott und beständiger Zugang zu seinem Gnadenthron, Gemeinschaft des heiligen Geistes und dadurch Kindschaft Gottes und Genuß aller der Seligkeiten, die einer gläubigen Seele den Himmel schon auf Erden geben, so daß sie als eine neue Kreatur sagen kann: das Alte ist vergangen, siehe, es ist Alles neu geworden, neuer Glaube, neue Liebe, neue Geduld in aller Trübsal und Muth gegen alle Feinde, neuer Eifer zu allem Guten und neue Hoffnung.
Um dieses reichen Heiles willen, das durch Jesum uns zu Theil wird, ist die Botschaft von seinem Kommen zu uns eine Botschaft der höchsten Freude und Wonne. Denn wer sollte sich nicht freuen, wenn die Nacht der Sündenschuld und Sündennoth und Sündenmacht vorüber ist und der helle Tag des neuen Lebens in Jesu erschienen, da wir Nichts mehr zu fürchten, sondern Alles zu hoffen haben. Deßwegen frohlockt die erlöste Seele nach Jes. 61, 10.: „Ich freue mich im Herrn und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott, denn Er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet, wie einen Bräutigam mit priesterlichem Schmuck gezieret und wie eine Braut in ihrem Geschmeide bürdet.“ O, wenn doch wir Alle dieser Freude uns hingeben könnten, daß bei dem Adventsruf: „siehe, dein König kommt zu dir,“ es uns festlicher und fröhlicher zu Muthe wäre, als wenn uns die höchsten irdischen Freuden angekündigt würden. Ja, freuet euch Alle des großen Heiles, das in Jesu Advent uns auf's Neue angetragen wird, freuet euch auch ihr, ihr betrübte und leidende, oder angefochtene und gedrückte Seelen:
Frisch auf in Gott, ihr Armen,
Der König sorgt für euch,
Er will durch sein Erbarmen
Euch machen groß und reich;
O tretet All' heran,
Den Heiland zu begrüßen,
Der alles Kreuz versüßen
Und uns erlösen kann.
Aber wer die Freude kennt, womit der vergangene Advent Jesu erfüllt, sein Kommen in's Leben und zum Tode, sein Wiederkommen in der Auferstehung und in der Ausgießung des heiligen Geistes, wer die Ewigkeitsfrüchte dieses ersten Advents Jesu im Glauben sich zugeeignet hat, dem wird der längst vergangene Advent zu einem gegenwärtigen und zukünftigen, noch immer herrlicheren. Er erlangt zuerst die Himmelsfreude des täglich fortgehenden Advents Jesu nach seinem Wort: „Wer mich liebet, der wird mein Wort halten und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.“ Höheres kann keine Seele sich wünschen, als diesen innerlichen Advent des Sohnes und in ihm des Vaters, dieses Kommen des Herrn in unsere Herzen, da Er mit uns sich vermählt und vereinigt, daß wir nach des Apostels Wort Ein Leib und Ein Geist mit Ihm werden, Glieder seines Leibes von seinem Fleisch und von seinem Gebein, daß seine Liebe uns erfüllt, sein Geist uns durchleuchtet, sein Leben uns durchdringt, und wir Eins werden mit Ihm, bleiben in Ihm und Er in uns. Wer davon etwas erfahren, der erst versteht die Adventsbotschaft: „Dein König kommt zu dir,“ und sie erfüllt ihn mit größerer Freude, als wenn alle Königs- und Kaiserkronen ihm geschenkt würden. Denn Größeres und Herrlicheres gibt es nicht im Himmel und auf Erden, als die Inwohnung Jesu.
Für solche Seelen ist dann auch der zukünftige Advent Christi der Gegenstand der höchsten Freude. Wie Er sichtbar gen Himmel gefahren, so wird Er wiederkommen auf die Erde, aber nicht mehr in Niedrigkeit, sondern in großer Kraft und Herrlichkeit, und wird senden seine Engel mit hellen Posaunen und sie werden sammeln seine Auserwählten von einem Ende des Himmels zu dem andern. Und es wird Ihm nachfolgen das Heer der Heiligen im Himmel, angethan mit weißer und reiner Seide, und als der König aller Könige und als der Herr aller Herren wird Er seine und der Seinigen Feinde alle hinwegthun und wird den Satan binden lassen in den Abgrund auf tausend Jahre, und wird seine Ueberwinder, die Ihm lebten und Ihm starben, mit der Herrlichkeit der ersten Auferstehung krönen, und wird das Reich errichten, von dem Jesaias sagt, daß seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende in seinem Königreich, das Reich, in dem Eine Heerde und Ein Hirte seyn wird auf der ganzen, von des Herrn Ehre wie von Meereswellen bedeckten Erde, und werden alle Heiden der Erde mit dem bekehrten Volk Israel Ihm, dem Einen, alle Ehre geben, Ihm, dem Gesalbten Gottes, dem alle Königreiche und Gewalten zu Theil werden, daß von Ihm allein und von seinem heiligen Zion alles Gesetz ausgeht auf der ganzen Erde.
Dieses zweiten äußerlichen Kommens Jesu warten alle gläubigen Seelen mit tiefster Sehnsucht und wenn heute der Posaunenruf alle Luft erfüllte: „Er kommt,“ so würden sie voll heiliger Freude ihre Häupter aufheben, darum, daß sich ihre Erlösung nahete.
Ja selbst des letzten Kommens Jesu, da Er erscheint zum Weltgericht, und nach der allgemeinen Auferstehung die Lebendigen und Todten aller Zeiten und Orten vor seinem Richterstuhle gerichtet werden, selbst dieser dritten Hauptzukunft Jesu freut sich eine gläubige Seele, weil nicht in's Gericht kommt, wer in Glaubenseinheit mit Ihm Freudigkeit hat auf den Tag des Gerichts, und weil Er zu den Seinigen sprechen will: „Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt,“ und weil dann der neue Himmel und die neue Erde erscheint und der Allmächtige sein Wort erfüllen will: „Siehe, Ich mache Alles neu.“ Ueber diesen Advent hörte daher Johannes eine Stimme großer Schaaren im Himmel, die sprachen: Hallelujah! Heil und Preis, Ehre und Kraft sei Gott, unserem Herrn! Lobet unsern Gott, alle seine Knechte und die Ihn fürchten, beide, Kleine und Große!
Bei solchen Aussichten kann selbst der Advent, den wir täglich erwarten müssen, nämlich das heimholende Kommen des Herrn im Tode, uns mit Freude erfüllen. Wer in Jesu eine gewisse Hoffnung des ewigen Lebens hat, der legt gerne das Kleid der Sterblichkeit ab und scheidet mit Freuden aus einer sünden- und trübsalsvollen Welt, um bei dem Herrn zu seyn allezeit. Einem wahren Christen ist es so zu Muth, daß, wenn heute Krankheit oder schmerzlicher Unglücksfall den Ruf an ihn ergehen läßt: „Dein Herr kommt, dich zu holen,“ so befiehlt er getrost seinen Geist in die Hände seines Vaters und läßt den Leib dem Grab in Hoffnung herrlicher Auferstehung. So in verschiedenem Sinn ist das Kommen des Herrn uns zur Freude, wenn wir Ihn recht kennen und lieben. O, wer möchte nicht dieser hohen Adventsfreude vollkommen theilhaftig werden! Wollen wir das, so müssen wir
II. Die Adventsbotschaft als eine Botschaft zur Buße und zur Erneuerung an uns wirken lassen.
Davon hauptsächlich spricht unsere Epistel. Eben weil das erschienene Heil so groß und weil der helle Tag nach finstrer Nacht so schön und herrlich ist, und weil noch unendlich Herrlicheres in der Zukunft unserer wartet, deßwegen ist für Alle, die vom Licht des Neuen Bundes angeleuchtet werden, die Stunde da, aufzustehen vom Schlaf und abzulegen alle Werke der Finsternis und anzulegen die Waffen des Lichts. So lautet auch die Stimme des Adventpredigers: Alle Thäler sollen erhöhet werden und alle Berge und Hügel sollen geniedriget werden, und was ungleich ist, soll eben, und was höckericht ist, soll gerade werden (Jes. 40,4.). Alle Höhen der Selbstgerechtigkeit und des Hochmuths sollen erniedrigt werden, alles krumme und verkehrte Wesen soll recht werden, so, wie es nach Gottes Willen seyn soll.
O liebe Seelen, wie Vieles muß da wegfallen, wie mancherlei Werke der Finsterniß verbirgt unsere Natur in sich, die das Licht Jesu zu scheuen haben. Wie viel Fleischeszärtlichkeit und Trägheit, wie viel Empfindlichkeit und Eigenliebe, wie vielerlei Lüste und Begierden! Wollen wir Jesum recht empfangen, so müssen wir alles das, was Ihm zuwider ist, als Sünde erkennen und bekennen, von Herzen bereuen, hassen und lassen. Nur in solcher Buße bereiten wir Ihm den Weg, daß Er einziehen kann in unsere Herzen. Und so nur können wir das, was unser Text besonders verlangt und wodurch wir allein wahrhaft erneuert werden, anlegen die Waffen des Lichts, ja anziehen den Herrn Jesum Christum selbst. Was es heiße: „anlegen die Waffen des Lichts,“ das sagt Paulus 1. Thess. 5, 8.: “Wir, die wir des Tages sind, wollen nüchtern seyn, angethan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit.“ Glaube, Liebe, Hoffnung, das sind die Waffen des Lichts, das sind die Mittel, wodurch das göttliche Licht immer Heller in uns scheint. So wollen wir der Adventsbotschaft: „Siehe, dein König kommt zu dir,“ mit neuem Glauben entgegenkommen und alles das, was Jesus für uns und uns zu gut gethan hat, uns zueignen als solche, die ohne Ihn in der schwärzesten Finsterniß auf ewig gefangen säßen. Nicht soll unser Glaube ferner das todte Annehmen alter Wahrheiten seyn, wobei wir bleiben, wie wir sind. Unser Gebet, unsere Betrachtung des Wortes Gottes und all unser Gottesdienst sei ferner nicht bloßes Außenwerk, nicht Form ohne Geist, nicht Schein ohne Seyn, sondern in tiefer Erkenntniß unseres Sündenelends, in Gott-verlangendem Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit - so wollen wir die Heilsanstalten und Gnadenmittel Gottes gebrauchen.
So nur können wir des neuen Kirchenjahres, das wir heute antreten, uns recht freuen, und von dem, was es uns bringt, an geistlichen Segnungen und himmlischen Gütern, uns die rechte Kraft und Frucht versprechen. Bloß äußerlicher Gottesdienst und bloßer Kopfglaube hilft uns nichts, wenn wir auch alle Kirchen und alle Stunden besuchen, so wenig als die Israeliten durch das äußerliche Mitsichführen der Bundeslade den Sieg über die Philister, den sie davon erwartet hatten, erhielten, sondern weil sie unbußfertig waren, so wurden 3000 Menschen sammt den Priestern getödtet und die Bundeslade wurde von den Philistern weggeführt.
Nur das ist der wahre Glaube, der der Welt und dem Fleisch kein Recht, Gott aber alles Recht über sich läßt, der dem Teufel Nichts, Jesu aber Alles glaubt, und von seinem Wort und von seinem Geist in Allem sich regieren läßt. Ein solcher Glaube flieht die vergängliche Lust der Welt und trachtet in Gott zu leben, oder wie unser Text gebietet, Jesum anzuziehen, das heißt: nicht blos an Ihn glauben, sondern, wie das uralte Glaubensbekenntniß wörtlich sagt, in Ihn glauben, in Ihn hineingehen mit allen Bewegungen des Willens, Ihm sich hingeben zu einem völligen Eigenthum, Ihn lieben von ganzem Herzen und aus allen Kräften, in Ihm bleiben, wie die Rebe im Weinstock, in Ihm und in seiner Liebe leben, wirken, wandeln und handeln, wie Paulus sagt: „nicht ich lebe, sondern Christus lebet in mir, denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebet hat und sich selbst für mich dargegeben.“ Das ist der rechte Glaube, der nicht nur Jesu Verdienst, sondern Jesum selbst und seines heiligen Lebens Art und Kraft sich aneignet. Das sind Waffen des Lichts, das ist eine Burg gegen alle Feinde, das ist ein Schild, mit dem wir auslöschen können die feurigen Pfeile des Bösewichts. Ja, solcher Glaube ist ein ganzes Zeughaus voll göttlicher Lichts- und Lebenswaffen, mit denen wir die Hölle verjagen, das Fleisch kreuzigen, die Welt überwinden und den Himmel erobern können.
Denn welche Macht hat die aus dem Glauben fließende Liebe, von der Paulus sagt, daß wir mit ihr wie mit einem Panzer umschlossen seyn sollen. Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung heißt es unmittelbar vor unserem Text. Was keine menschliche Kraft vermag, das thut die aus Christo uns zufließende Liebe. Sie thut nichts Böses, sie ist langmüthig und freundlich, sie treibt nicht Muthwillen, bläht nicht hochmüthig sich auf, sie stellt sich nicht ungebärdig, sie sucht nicht das Ihre, sie ist nicht schadenfroh, sie freut sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freut sich aber der Wahrheit, sie verträgt Alles, sie glaubt Alles, sie hofft Alles, sie duldet Alles. Hast du solche Liebe? Und wenn der Geist dir zeugt, daß du nicht so bist, erkennst du es mit Scham und Reue, und bestrebst du dich, so zu werden?
Dann nur ziehst du Lichtwaffen an, und dann nur ist auch der Helm der Hoffnung auf deinem Haupte, der Hoffnung zur Seligkeit. Nur wer diese Hoffnung hat, nur der ist glücklich, denn was ist die ganze Welt mit aller Herrlichkeit, wenn der Tod Allem ein schreckliches Ende macht, und die arme betrogene Seele zittern muß vor dem Richterstuhl, vor dem nur versöhnte und mit Jesu verbundene Seelen bestehen können.
Deßwegen mahnt der Adventsruf uns so ernstlich nicht bloß an das große Heil, das Jesus bei seinem ersten Advent uns erworben hat, sondern auch an den heiligen Ernst, den er bei seinen noch zukünftigen Adventen beweisen wird. Wer seines Gnaden-Adventes sich nicht freuen kann, der hat seinen Gerichts-, und Schreckens-Advent zu fürchten. Wie Er als Richter kam zur Zerstörung Jerusalems, so will Er einst kommen zur Zerstörung alles Antichristenthums. Da sagt Er selbst: „Wenn einst das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen werde, dann werden heulen alle Geschlechter auf Erden, ja, die Menschen werden verschmachten vor Furcht und vor Warten der Dinge, die kommen sollen auf Erden.“ Denn wenn Er dann kommt in den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit, da wird er mit dem Stab seines Mundes die Erde schlagen und mit dem Odem seiner Lippen die Gottlosen, Unbekehrten tödten und wird erfüllet werden, was gedroht ist den Seelen, die im Unglauben und in der Sünde sich vom antichristlichen Geiste haben verführen lassen, „solche werden von dem Wein des Zornes Gottes trinken, und werden gequälet werden mit Feuer und Schwefel vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm, und der Rauch ihrer Qual wird aufsteigen von einer Ewigkeit zur andern, und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht.“
So will der Herr auch bei seinem letzten Advent am Weltgericht die zur Linken verwerfen, die ihn nicht mit einem Glauben, der durch die Liebe thätig ist, geehrt haben. Zu ihnen will Er sagen: „geht von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln.“ O wer von uns könnte so thöricht seyn, einen so entsetzlichen Höllenjammer über sich hereinbrechen zu lassen. Wer eilt nicht, seine Seele zu erretten, um vor allem Anderen zu haben eine gewisse Hoffnung des ewigen Lebens? Oder hat es keine Eile? darfst du es aufschieben, dich zu bekehren? denkst du, wie der schlechte Knecht: „mein Herr kommt noch lange nicht?“ Wisse, wenn auch sein großer Herrlichkeit-Advent noch länger verzieht, so kann heute noch sein Todes-Advent über dich kommen, wie ein Fallstrick. Weißt du, ob du heute Abend noch leben wirst? Wenn du sorglos dich auf dein Lager hinlegst, weißt du, ob du auch wieder aufstehst, ob nicht diese Nacht deine Seele von dir gefordert wird? Und wenn so der Tod, den wir täglich erwarten müssen, als ein Gerichts-Advent des Herrn schnell über dich käme, wohin kämest dann du? Wie wäre dein Advent, deine Ankunft in der Ewigkeit?
Siehe, darum ruft die Adventbotschaft nicht blos: dein König kommt zu dir; sie ruft auch: wachet, seyd wacker allezeit und betet, daß ihr würdig werden möget, zu entfliehen diesem Allem, das geschehen soll, und zu stehen vor des Menschen Sohn. Diesen Ruf vernahm aus unsrer heutigen Epistel ein Mann, der lange in heidnischem und sündlichem Leben sich beredet hatte, es sey gleichgültig, wie er lebe, und der im Dünkel der Wissenschaft das laut rufende Gewissen nicht hören wollte. Dieser Mann war der berühmte Kirchenvater Augustinus. Erst in seinem 30sten Jahr weckte eine Krankheit, die ihn dem Tode nahe brachte, ihn auf, er fühlte die Höllenqual der Sünde und freute sich, vom Bischof Ambrosius zu Christo geleitet zu werden, den zu lieben seine fromme Mutter in seiner Kindheit ihn gelehrt hatte. Nach langem Kampf hörte er, daß zwei rohe Soldaten sich bekehrt haben. Tief beschämt ging er in heftiger Gemüthsbewegung in den Garten hinab, warf unter einem Feigenbaum sich auf sein Angesicht und rief mit Thränen: „Herr! wie lange willst Du zürnen! gedenke nicht meiner Missethaten! Wie lange soll ich sagen: Morgen? Warum kann nicht diese Stunde meiner Knechtschaft ein Ende machen?“ Während er bitterlich weinte, war's ihm, er höre aus der Nähe eine Stimme: „Nimm das Buch und lies.“ Als er die Bibel aufschlug, traf er die Stelle unserer Epistel: „Nicht in Fressen und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern ziehet an den Herrn Jesum Christ.“ Auf einmal waren alle seine Zweifel verschwunden, er gab Jesu sein Herz, studierte fleißig die heilige Schrift, ließ sich taufen und wurde bald ein Licht der Kirche.
So, Geliebte, soll auch uns der Adventsruf: ziehet an den Herrn Jesum Christ, ergreifen und zur Buße und Erneuerung erwecken. Tägliche Erneuerung ist nöthig. Das Fleisch gelüstet allezeit wider den Geist, immerdar klebt die Sünde uns an und macht träge, aber in Jesu ist jeden Tag und jede Stunde neues Leben zu finden, und der heilige Geist will mit allmächtiger Kraft uns helfen zu wachsen an Ihm, der das Haupt ist und der die Krone des ewigen Lebens denen verheißt, die mit Geduld in guten Werten trachten nach dem ewigen Leben.
So wollen wir's denn wagen,
Es ist wohl wagenswerth,
Und gründlich dem absagen,
Was aufhält und beschwert.
Welt! du bist uns zu klein,
Wir geh'n durch Jesu Leiten
Hin in die Ewigkeiten;
Es soll nur Jesus seyn!
O Freund, den wir erlesen,
O allvergnügend Gut!
O ewig bleibend Wesen,
Wie reizest du den Muth!
Wir freuen uns in dir,
Du unsre Wonn' und Leben,
Worin wir ewig schweben,
Du, unsre ganze Zier. Amen.
Text: Röm. 10, 8-18.
Dieß ist das Wort vom Glauben, das wir predigen. Denn so du mit deinem Munde bekennest Jesum, daß Er der Herr sei, und glaubest in deinem Herzen, daß Ihn Gott von den Todten auferwecket hat, so wirst du selig. Denn so man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und so man mit dem Munde bekennet, so wird man selig. Denn die Schrift spricht: Wer an Ihn glaubt, wird nicht zu Schanden werden. Es ist hier kein Unterschied unter Juden und Griechen; es ist Aller zumal Ein Herr, reich über Alle, die Ihn anrufen. Denn wer den Namen des Herrn wird anrufen, soll selig werden. Wie sollen sie aber anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben, von dem sie nichts gehöret haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wo sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben stehet: Wie lieblich sind die Füße derer, die den Frieden verkündigen, die das Gute verkündigen. Aber sie sind nicht Alle dem Evangelio gehorsam. Denn Jesaias spricht: Herr, wer glaubet unserem Predigen? So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes. Ich sage aber: Haben sie es nicht gehöret? Zwar, es ist je in alle Lande ausgegangen ihr Schall, und in alle Welt ihre Worte.
Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Boten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: dein Gott ist König. Diese Worte des Jesaias (52, 7.) führt Paulus in unserer Epistel an als Beweis, daß der Herr es nicht fehlen lasse, Boten zusenden, die das Wort vom seligmachenden Glauben den Herzen zum Trost und zur Erweckung mittheilen. Solche Boten waren die Apostel, die heute noch durch ihr Wort zu uns sprechen, und durch alle Jahrhunderte hindurch zu Zion den Adventsruf bringen: „Dein Gott ist König, dein König kommt zu dir, und wer an Ihn glaubt, wird nicht zu Schanden werden.“ Diesen Segen des Glaubens hatten sie selbst lebendig erfahren. In Jesu hatten sie Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung, ja, ihr Ein und Alles gefunden. Aber ihr Glaube war auch eine recht willige Hingabe und Nachfolge Jesu.
Das sehen wir im heutigen Evangelium an dem Beispiel des Andreas, dessen Andenken wir heute feiern, und seiner Freunde. Auf Jesu Ruf verließen sie Alles, Schiffe, Vater und Freundschaft, und folgten Ihm nach. Was machte sie so willig? Sie hatten schon früher bei ihrem ersten Zusammentreffen mit Jesu einen besondern Eindruck von seiner Freundlichkeit und von seinem überirdischen Wesen bekommen, so daß Andreas schon nach etlichen Stunden des Umgangs mit Jesu seinem Bruder Petrus zurief: Wir haben den Messiam gefunden. Als nun der Heiland zum zweiten Mal mitten in ihrem Geschäft auf dem See mit ihnen zusammentraf, da war sein Ruf: „Folget mir nach, Ich will euch zu Menschenfischern machen,“ hinreichend, sie auf immer an Ihn zu fesseln. Und durch was wurden sie Menschenfischer? Durch das Wort vom Glauben, dessen reiches Evangelium Paulus in unserer Epistel verkündigt.
Wie die Apostel Jesum als den Messias mit Freuden aufnahmen, so freuten sich in allen Völkern alle heilsbegierige Seelen über das Wort vom seligmachenden Glauben, aus dem die Freundlichkeit Gottes gegen alle Menschen so wunderbar hervorleuchtete. Hievon gibt unsere Epistel uns einen tiefen Eindruck. Wir fassen ihren Inhalt zusammen in die Betrachtung:
Wie herzgewinnend die Freundlichkeit Gottes aus dem Wort vom Glauben hervorleuchte,
1. aus der Verheißung, die dem Glauben gegeben ist;
2. aus der Art, wie wir zum Glauben gelangen.
Herr! ich glaube, hilf mir Du,
Schreckt mich etwas, gib mir Ruh';
Und das Wort aus deinem Mund
Sei mein fester Herzensgrund.
Zeichne in des Vaters Haus
Mir auch eine Wohnung aus,
Bring' mich ohne Furcht dahin,
Wo ich ewig bei Dir bin. Amen.
I.
Wie große Verheißung dem Glauben gegeben wird, sehen wir aus dem ersten Theil unserer Epistel. Da sagt Paulus: „So du mit deinem Munde bekennest Jesum, daß Er der Herr sei, und glaubest in deinem Herzen, daß Ihn Gott von den Todten auferwecket hat, so wirst du selig.“ Diese Worte zeigen uns, wie außerordentlich leicht Gott den Weg zur Seligkeit macht. Wer selig werden will, der darf nur von Herzen an Jesum glauben und sich zu seiner Wahrheit bekennen, so rechnet Gott ihm seinen Glauben zur Gerechtigkeit und macht ihn selig in Christo. Wie leicht ist dieser Weg und wie herzgewinnend die Freundlichkeit und Gnade Gottes, die auf eine jedem Menschen erreichbare Weise zu dem höchsten Ziele, zur Seligkeit führt! Wie ganz anders war da die Gesetzesanstalt mit allen ihren Geboten und Satzungen und mit ihrer Drohung: „Verflucht sei, wer nicht hält alle Worte dieses Gesetzes!“ Paulus macht es in unserem Text-Kapitel den Juden zum Vorwurf, daß sie durch Erfüllung des Gesetzes selig zu werden hoffen und eine eigene Gerechtigkeit aufrichten, die doch vor Gott nicht gilt, weil kein Mensch das Gesetz recht erfüllt. Er stellt das Bestreben, durch Gesetzerfüllung selig zu werden, als etwas eben so Thörichtes dar, wie wenn Einer gen Himmel fahren und Christum herabholen, oder in die Tiefe fahren und Christum von den Todten holen wollte. Das sei nicht möglich und nicht nöthig, denn, sagt die Schrift: „Das Wort, dessen wir zum Seligwerden bedürfen, ist dir nahe in deinem Munde und in deinem Herzen, nämlich weil dir Christus verkündiget ist und du also nur an Ihn einfältig glauben darfst.“ Vom Gesetz sagt Paulus (Röm. 3, 20.), „daß kein Fleisch durch des Gesetzes Werke vor Gott gerecht seyn mag, denn durch das Gesetz kommt nur Erkenntniß der Sünde, es richtet nur Zorn an,“ und heißt daher 2 Kor. 3, 7. das Amt, das durch die Buchstaben tödtet und die Verdammniß prediget. Dagegen das Wort vom Glauben und seine Verkündigung nennt er das Amt, das die Gerechtigkeit prediget und überschwengliche Klarheit hat.
Von dieser Klarheit gibt auch unsere Epistel uns einen hellen Schein, da sie das reiche Evangelium verkündigt, das in dem Wort vom Glauben liegt. Wer die Wahrheit glaubt und bekennt, daß Jesus der Herr sei, wer also seine ewige Gottheit auch vor den Menschen, und zwar auch vor Ungläubigen zu bekennen sich nicht scheut, dem wird solcher Glaube und solches Bekenntniß Jesu zur Gerechtigkeit gerechnet, wie Jesus sagt: „Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.“ Und so du in deinem Herzen glaubst, daß Gott Jesum von den Todten auferweckt hat, so du also den ganzen wundervollen Lauf Jesu und sein heiliges Erlösungswerk im Glauben dir zueignest, und in seinem Tod deine Versöhnung und in seiner Auferstehung deine Rechtfertigung findest, so wirst du selig nach dem Wort Jesu (Joh. 6, 40.): „Das ist der Wille deß, der mich gesandt hat, daß, wer den Sohn siehet und glaubet an Ihn, habe das ewige Leben, und Ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage,“ und abermal spricht Er: „Ich bin das Brod des Lebens, wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben.“
Daher sagt unser Text: so man von Herzen glaubt, so wird man gerecht, und so man mit dem Munde bekennet, so wird man selig. Diese Worte machen uns den Glauben recht groß und geben uns einen herrlichen Blick in das Vaterherz Gottes hinein, der unserer Schwachheit zu Hülfe kommt und vorerst nichts als Glauben von einem armen, zu nichts Gutem fähigen Sünder verlangt und dann durch den Glauben alles Weitere selbst uns schenkt, was Er an uns sehen möchte, damit wir seinen heiligen Augen Wohlgefallen können. Nicht verlangt Er zuerst gute Werke und schöne Tugenden, wie sie sein Gesetz vorschreibt, nicht thut Er die Thüren zu seinem Reich blos Denen auf, die bereits als rein und heilig zu Ihm kommen, sondern
Ihr dürft, so wie ihr seid, zum Heiland kommen,
Und kommt ihr nur, so werdet ihr angenommen.
Wer nur ein Sünder ist in seinem Wesen
Und nicht aus eigner Kraft sucht zu genesen,
Und liegt zu Jesu Füßen als erstorben.
Von solchen ist kein Einz'ger noch verdorben.
Denn - fährt unser Text fort: wer an Ihn glaubet, wird nicht zu Schanden werden. Warum gilt doch der Glaube so viel vor dem Herrn? Nicht sehen und doch glauben, glauben, da Nichts zu hoffen ist, das ist für unsere Natur eine Aufgabe, und es gehört dazu ein Aufgeben unseres eigenen Willens, unserer eigenen Gedanken und Wege, kurz ein Gehorsam, der sich Gott hingibt im Gefühl des eigenen Nichts und in der Ueberzeugung, daß wir ohne Jesum ewig verloren wären, und daß Niemand und Nichts uns helfen könne, als Er. Solchen Gehorsam des Glaubens rechnet der Herr zur Gerechtigkeit, wie Paulus Röm. 4 sagt: „Dem, der nicht mit Werken umgehet, d. h. der nicht durch Werke oder Tugenden gerecht werden will, glaubet aber an Den, der die Gottlosen gerecht machet, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.“
Und dieses Evangelium ist für alle Menschen da. Alle ohne Unterschied sind eingeladen, durch den Glauben an Jesum selig zu werden. Daher fährt unser Text fort: „Es ist hier kein Unterschied unter Juden und Griechen, es ist Aller zumal Ein Herr, reich über Alle, die Ihn anrufen.“ Wie herrlich lautete dieser allgemeine Gnadenruf in einer Zeit, wo Israel allein zur Seligkeit berufen zu seyn wähnte, und wo auch von den Gläubigen noch Viele meinten, daß nur durch Erfüllung des mosaischen Gesetzes die Heiden fähig werden für die Segnungen des Neuen Bundes. Wie weit thut da der Apostel, oder vielmehr der Geist des Herrn durch ihn die Gnadenthüre auf, da er über Juden und Heiden, d. h. über die ganze Menschheit es ausruft: „Es ist Aller zumal Ein Herr.“ Ein Gott und Vater, Ein Heiland Jesus Christus, für Alle gestorben und reich über Alle, die Ihn anrufen. Wie die Sonne alle Theile der Erde bestrahlt und überall hin Licht und Wärme und Freude und Lust ausbreitet, so ist die Gnade Gottes allgemein und Alle sollen selig werden, die Ihn ernstlich anrufen und denen es um Rettung aus ihrem Sündenelend, um Seligkeit zu thun ist.
Also hat Gott die Welt geliebt,
O Abgrund heil'ger Liebe'.
Die, so sein Vaterherz betrübt,
Küßt Er mit zartem Triebe!
Wer gründet dieses tiefe Meer?
Wer bringt nur einen Abriß her
Von dieser hohen Gnade!
Wer den Namen des Herrn wird anrufen, soll selig werden, sagt unser Text weiter. So freundlich ist das Vaterherz Gottes gegen uns, daß, wenn ein armes Menschenkind aus der Tiefe seines Sündenelends zu dem Herrn hinaufruft, Er es hört in seiner heiligen Wohnung, und erläßt die Schuld und macht los von den Banden, und sendet Hülfe und Trost, Gerechtigkeit und Friede und die ganze Seligkeit, die in der Kindschaft Gottes liegt.
So auch Allen, die in mancherlei äußerlichen Nöthen sich befinden, ist Er nahe, wenn sie im Glauben Ihn anrufen; Er thut, was die Gottesfürchtigen begehren, Er höret ihr Schreien und hilft ihnen. O, ein gnädiger Gott und Heiland! Wer wollte nicht Ihm sein Herz aufthun und in willigem Glaubensgehorsam sich Ihm überlassen und seines vollen Heiles sich theilhaftig machen! So groß ist der Segen des Glaubens, daß, je mehr wir nehmen, desto mehr gibt Er. Ja, der Heiland sagt: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“ (Marc. 9, 23.). Und wie durch solchen Glauben alle unsere Sehnsucht gestillt werde, sagt er in den Worten (Joh. 6, 35.): „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubet, den wird nimmermehr dürsten!“ Wie mächtig ziehen solche Versicherungen von der Kraft des Glaubens und solche Beweise von der Freundlichkeit Gottes und Jesu, wie mächtig ziehen sie uns an und locken uns, im Glauben uns dem Herrn völlig hinzugeben! Und daß wir nicht glauben, es sei schwer, solchen Glauben zu bekommen, so gibt uns unser Text auch noch Veranlassung,
II.
die Art zu betrachten, wie wir zum Glauben gelangen, und auch darin die Freundlichkeit Gottes zu erkennen. Indem Paulus nach dem Bisherigen den Segen des seligmachenden Glaubens und der Anrufung Gottes so hoch pries, so fiel ihm ein, daß der Glaube nicht Jedermanns Ding sei, daß viele Tausende sich dagegen versperren und den Namen des Herrn nicht oder nicht recht anrufen. Daher macht er die fragenden Einwürfe: „Wie sollen sie aber anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben, von dem sie nichts gehöret haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wo sie nicht gesandt werden?“
So möchte man auch in unserer Zeit fragen. Wenige werden gesandt, Wenige von ihren Lehrern so ausgerüstet, daß sie Prediger der Gerechtigkeit, Prediger des Wortes vom Glauben werden könnten. Es gibt viele Gelehrte, die viel wissen, es gibt Philosophen, die Alles ausdenken, nur nicht das Eine, was Noth thut, ja, die dem Wort vom Glauben geradezu widerstreiten; aber rechte Theologen, d. h. von Gott gelehrte, vom heiligen Geist erleuchtete Lehrer werden wenige herangezogen, und das leider auch von den Gemeinschaften nicht so, wie sie es sollten und könnten. Es ist zu wenig geistliche Zeugungskraft da, weil es so vielfach an der rechten Kraft des geistlichen Lebens fehlt, weil der Weltgeist so viel Einfluß auch über die Kinder Gottes hat, so daß unter ihnen sogar offenbare Aergernisse vorkommen, wodurch Andere vom Glauben eher abgehalten, als dazu ermuntert werden. Was unser Text sagt: „sie sind nicht Alle dem Evangelio gehorsam,“ ach, wie sehr gilt es in unserer Zeit, selbst von den Gläubigen! Daher kommt es dann auch, daß wir so oft seufzen müssen: Herr, wer glaubt unserem Predigen? Würden wir ernstlicher beten, auch für die Welt, würde unser Wandel mehr predigen, so würden mehr Leute gläubig.