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Was mit einer großen Liebe und einer heimlichen Hochzeit begann, endet bald mit einer Trennung: Sarah ist überzeugt, dass ihr Ehemann, der vermögende Grieche Damon Nicolaides, sie mit einer anderen betrügt. Tief verletzt verlässt sie ihn. Doch ein Jahr später holt die Vergangenheit sie wieder ein: Damon kommt nach London. Ihn zu sehen, seinen Sex-Appeal zu spüren, die Blicke aus seinen dunklen Augen zu erwidern, lösen in Sarah eine prickelnde Sehnsucht nach seiner Liebe aus. Ein Gefühl, das sie sich eigentlich verboten hat ...
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Seitenzahl: 198
IMPRESSUM
Prickelnde Sehnsucht nach Liebe erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2003 by Kate Walker Originaltitel: „The Married Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1607 - 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Dorothea Ghasemi
Umschlagsmotive: KatarzynaBialasiewicz/GettyImages
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733727666
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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So leise sie konnte, wich Sarah von der halb geöffneten Tür zurück.
Es war nicht leicht. Bei der Vorstellung, die Leute im Raum zu stören und sie auf sie aufmerksam zu machen, klopfte ihr Herz schneller, und ihr wurde schwindelig. Ihr von rotblondem Haar gerahmtes Gesicht war blass geworden, und das Smaragdgrün ihrer Augen wirkte nun noch intensiver.
Sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, bevor sie sich dem Unvermeidlichen stellen würde. Sie musste wieder nach unten gehen. Sie musste vor dem fliehen, was sie gerade beobachtet und was sie um den Seelenfrieden gebracht hatte, den sie gerade gefunden zu haben geglaubt hatte.
Von wegen, dachte sie, als sie die Treppe erreichte. Seelenfrieden hatte sie schon lange nicht mehr gefunden, nicht jenen Frieden, der daraus resultierte, dass sie mit sich und der Welt zufrieden war. So wie sie es vor einer Ewigkeit, wie es ihr jetzt schien, gewesen zu sein geglaubt hatte.
Nein, sie wollte jetzt nicht an die Vergangenheit denken. Sie musste sich auf die Gegenwart konzentrieren, sonst würde sie damit nicht umgehen können.
„Sarah?“
Das war Jasons Stimme. Sie klang schockiert.
Dann hörte Sarah, wie das Bett knarrte und Jason aufstand. Er hatte sie gehört und folgte ihr nun.
Der Mann in der Eingangshalle hörte die Geräusche auch. Hörte die Stimme – eine sehr maskuline Stimme –, und sein Magen krampfte sich zusammen.
Sarah hatte einen Mann. Hier. In diesem Haus, in dem sie einmal zusammen gewohnt hatten. Offenbar hatte sie seine Drohung, dass er bald zurückkommen würde, nicht ernst genommen.
Aber offenbar war er nicht schnell genug gekommen. Seine süße Sarah hatte sich während seiner Abwesenheit einen neuen Mann gesucht. Und sie hatte ihn wieder verloren, denn sie eilte die Treppe herunter.
Sie trug eine elegante hellgrüne Bluse und einen dunkelgrünen kurzen Rock und wirkte sehr unglücklich – so unglücklich, dass sie ihn gar nicht bemerkte. Es bestand kein Zweifel daran, was sie gerade im Schlafzimmer entdeckt hatte.
In dem Schlafzimmer, das sie einmal gemeinsam genutzt hatten.
Diese Vorstellung machte ihn so wütend, dass er nicht mehr klar denken konnte.
„Sarah?“, rief Jason wieder. „Bist du das?“
Jason klang jetzt aufgebracht, und ehe Sarah antworten konnte, lehnte er schon am Geländer und blickte auf sie herab.
Sein blondes Haar war immer noch zerzaust und sein Gesicht gerötet. Doch er hatte sich wenigstens Jeans übergezogen.
„Du bist es also? Hast du mich nicht rufen hören? Warum bist du schon so früh wieder zurück?“
Dass er sie mit solchen Fragen überhäufte, kannte sie nur zu gut. Es bewies, wie durcheinander er war. Schließlich wusste er nicht, wie lange sie vor der Tür gestanden hatte oder ob sie überhaupt oben gewesen war.
„Ich kann kommen und gehen, wann ich will, Jason. Das ist mein Haus!“
Es ist mein Haus, verbesserte der Mann im Dunkeln sie im Stillen. Das große Haus in London hatte sich schon immer im Besitz der Familie Nicolaides befunden. Er hatte Sarah darin wohnen lassen, aber es gehörte ihr nicht, auch wenn sie vor dem Gesetz noch immer seine Frau war.
Noch vor wenigen Sekunden war er versucht gewesen, sich zu erkennen zu geben und die beiden zur Rede zu stellen. Als der Mann oben am Geländer erschienen war, hatte er seine Meinung allerdings geändert. Er wollte lieber beobachten, was weiter passierte. Offenbar hatte Sarah diesen Mistkerl in flagranti ertappt.
„Sarah, reg dich nicht auf! Es ist nichts!“
Jason kam jetzt die Treppe herunter und zog dabei den Reißverschluss seiner Jeans zu.
„Nichts!“
Sarahs eisiger Tonfall ließ den stummen Beobachter lächeln. Er kannte diesen Tonfall nur zu gut.
„Nichts?“
„Also gut, ich habe ein Nickerchen in deinem Bett gemacht. Wir werden es von jetzt an sowieso teilen.“
„Ich habe dir noch nicht erlaubt einzuziehen.“
„Nein, aber wir wussten beide, dass es nur eine Frage der Zeit ist.“
Jason scheint sich seiner ja sehr sicher zu sein, dachte Sarah. Sie war so wütend und verletzt, dass sie sich kaum beherrschen konnte. Er hielt sie für so gutgläubig, dass er glaubte, sie würde ihm alles abnehmen. Und was sie am meisten aufbrachte, war die Vorstellung, dass sie ihm diesen Eindruck vermittelt hatte, einsam und unglücklich, wie sie war.
„Jace? Jacey, Schatz …“
Der Klang einer Frauenstimme riss Sarah aus ihren Gedanken. Als Jason herumwirbelte, wurde die Schlafzimmertür geöffnet, und eine kleine, kurvenreiche Frau betrat den Flur. Sie hatte einen dunkelroten seidenen Morgenmantel übergeworfen, den Sarah sofort erkannte, da er ihr gehörte. Der Fremden war er viel zu lang.
„Kommst du noch mal wieder?“, fragte die Frau schmollend und blickte übers Geländer. „Ich vermisse …“
„Andrea, ich habe dir doch gesagt, du sollst warten!“, unterbrach Jason sie zornig.
„Ich habe mich gelangweilt“, verkündete Andrea.
„Ich soll mich also nicht aufregen, weil nichts ist!“, meinte Sarah bitter. „Ich frage mich, was deine … Freundin dazu sagt, wenn man sie als nichts bezeichnet.“
„Und wer sind Sie?“, erkundigte sich Andrea.
„Ich?“ Verblüfft stellte Sarah fest, dass ihre Stimme nur unmerklich bebte. „Mir gehört bloß dieses Haus – das Bett, in dem Sie gerade gelegen haben, der Morgenmantel, den Sie tragen …“
Der Mann im Dunkeln sah, wie ihr Gesicht alle Farbe verloren hatte und sie die Lippen zusammenpresste. Plötzlich verspürte er so etwas wie Mitleid, was ihm gar nicht recht war.
Es war ein großer Fehler, mit dieser Frau Mitleid zu haben, weil es ihn verletzlich machte. Er hatte ihr einmal sein Herz geschenkt, und sie hatte es mit Füßen getreten. Es war unwahrscheinlich, dass er es noch einmal riskieren würde.
„Daher schlage ich vor, dass Sie jetzt Ihre eigenen Sachen anziehen und von hier verschwinden. Und Ihren Freund können Sie mitnehmen!“
„Sarah …“
„Raus!“
Vielleicht kann ich mich zusammenreißen, wenn Jason sofort geht, dachte Sarah. Vielleicht wäre sie dann in der Lage zu vergessen, wie naiv sie in den letzten Wochen gewesen war. Naiv insofern, als sie sich wieder Hals über Kopf auf eine Beziehung eingelassen hatte, die von Anfang an ein Fehler gewesen war. Sie hatte lediglich Trost und Zuflucht gesucht.
„Sarah, bitte. Es hat mir nichts bedeutet – ehrlich! Es war nur eine Affäre!“
„Eine Affäre? Du hast mich für etwas, das dir nicht einmal etwas bedeutet, hintergangen und unsere Beziehung aufs Spiel gesetzt?“
Damon hatte seine Geliebte wenigstens etwas bedeutet. Sie war die Frau gewesen, die er begehrte, und sie, Sarah, diejenige, die er aus Vernunftgründen geheiratet hatte.
Jason machte eine genauso reuige Miene, wie sie es erwartet hatte, und war tatsächlich einige Schritte näher gekommen. Zu nahe.
„Komm schon, Sarr! Du musst das verstehen!“
Wieder machte er einen Schritt auf sie zu und streckte dabei die Hand aus, so dass er sie fast berührte. Das war zu viel.
„Nein!“
Sarah verlor die Fassung und stieß ihn weg. Dann wirbelte sie herum. Sie wollte nur weg von hier. Sie konnte es nicht ertragen, noch eine Sekunde länger im selben Raum zu sein wie Jason. Sie wollte frei sein und Jason und alles, was er ihr je bedeutet hatte, vergessen.
Sie wollte an den Mann denken, der ihr einmal alles bedeutet hatte. Sie wollte …
„Oh!“
Verwirrt und in Panik schrie Sarah auf, als sie gegen etwas stieß, wo eigentlich nichts hätte stehen dürfen. Etwas, das ihr den Weg versperrte.
Etwas Warmes.
Etwas Lebendiges.
Es konnte sich nur um einen Mann handeln. Einen ausgesprochen maskulinen, großen, kräftigen Mann, der in der Blüte seines Lebens stand.
Einen Mann, der instinktiv die Arme ausstreckte, sie stützte und festhielt, als sie das Gleichgewicht zu verlieren drohte. Einen Mann mit einer muskulösen Brust, an der sie nun das Gesicht barg. Sie hörte seinen regelmäßigen Herzschlag und roch den Duft seines After Shaves, der sich mit seinem ureigenen mischte.
Einem Duft, der ihr sehr vertraut war und den sie sofort erkannte. Auch ohne das Gesicht des Mannes sehen oder diesen sprechen hören zu müssen, bestätigte sich ihr schlimmster Verdacht. So ungern sie es auch tat, sie musste den Tatsachen ins Auge sehen.
Und falls sie noch einen Beweis gebraucht hätte, dann war es ihre prompte Reaktion auf seine Nähe, die jeden klaren Gedanken auslöschte.
„Da…“, brachte Sarah hervor und verstummte dann.
Nur ein Mann hatte je solche Gefühle in ihr geweckt. Nur ein Mann hatte je eine so verheerende Wirkung auf ihre Sinne ausgeübt.
„Damon …“, flüsterte sie. „Damon!“
Sie spürte vielmehr, wie Damon triumphierend lächelte, als dass sie es sah, und hörte dann, wie er leise lachte. Er genoss es, dass sie so auf ihn reagierte, und zudem so schnell.
Nur die Erkenntnis, dass sie ihm damit in die Hände gespielt hatte, ließ sie beschämt schweigen, und Sarah presste die Lippen zusammen. Man brauchte Damon Nicolaides nicht zu ermuntern, damit er sich anderen weiter überlegen fühlte. Er war schon anmaßend genug und hätte ihr ohnehin nicht geglaubt, wenn sie seine Wirkung auf sie geleugnet hätte.
„Damon …“, begann sie wieder und bemühte sich diesmal, einen anderen Tonfall anzuschlagen. „Lass mich sofort los!“
Wieder hörte sie, wie er leise lachte.
„Du weißt genau, dass du es nicht so meinst, Schatz.“
Es war das erste Mal seit über sechs Monaten, dass sie seine Stimme hörte. Es rührte sie an, und die Erinnerungen, die es weckte, wurden ihr fast zum Verhängnis.
„Doch, das tue ich!“
Sarah wand sich in seinen Armen und legte den Kopf zurück, so dass sie Damon ins Gesicht blicken konnte.
Sie bedauerte es sofort.
Wenn es ein Fehler gewesen war, ihn ihre prompte Reaktion auf seine Nähe spüren zu lassen, dann war dies hier ganz bestimmt ihr zweiter Fehler.
Denn sobald sie ihn sah, sein gefährlich attraktives Gesicht mit den markanten Wangenknochen, den blitzenden dunklen Augen und den sinnlichen Lippen, schien es ihr, als wäre er nie fort gewesen. In dieser kurzen Zeitspanne erschienen ihr die hundertachtzig Tage seiner Abwesenheit wie Sekunden, und sie fühlte sich in jenen entsetzlichen Moment zurückversetzt, als sie die Wahrheit erfahren hatte. Als sein Vater sie gezwungen hatte zu erkennen, dass ihre Liebe zu diesem Mann nicht auf einem soliden Fundament gegründet war, sondern auf Sand, in dem sie rettungslos versunken war.
„Doch …“, versuchte Sarah es wieder, hörte jedoch selbst, wie halbherzig es klang, und verstummte.
Als sie ihrem Ehemann in die dunklen Augen sah, musste sie sich eingestehen, dass er auch gänzlich unbeeindruckt war, denn er lächelte noch breiter.
„Hallo, Schatz“, sagte er langsam mit dem für ihn typischen weichen Akzent. „Schön, dich wiederzusehen.“
Bevor sie ergründen konnte, was sein breites Lächeln zu bedeuten hatte, bevor ihr klar wurde, dass sie einen dritten Fehler begangen hatte, hatte Damon bereits den Kopf geneigt und die Lippen auf ihre gepresst, um sie verlangend zu küssen.
Sie dachte nicht einmal mehr daran, Widerstand zu leisten. Unter dem Ansturm ebenso verwirrender wie verheerender Gefühle schloss sie die Augen und gab sich ganz den sinnlichen Empfindungen hin. Dies war wie ihr erster Kuss überhaupt und doch ganz anders als alle anderen zuvor – zuerst besitzergreifend und fordernd, dann sanfter, als sie unwillkürlich die Lippen öffnete, um das erotische Spiel seiner Zunge zu erwidern.
Sie verlor jeden Bezug zur Realität. Der Boden schien unter ihren Füßen nachzugeben, die Eingangshalle verschwamm um sie her, und das leise Geräusch des Verkehrs draußen drang nur noch wie aus weiter Ferne an ihr Ohr.
Ihr Verstand sagte ihr, dass sie es nicht wollte – und doch wollte sie alles. Verzweifelt wünschte sie, Damon möge sie loslassen, und gleichzeitig betete sie stumm, er möge sie immer so in den Armen halten. Wenn er sich von ihr löste, bedeutete es, dass sie wieder allein und einsam wäre, so einsam wie nach dem Ende ihrer kurzen Ehe. Und das würde sie nicht noch einmal ertragen.
„Entschuldigen Sie.“
Die kühlen Worte drangen wie aus weiter Ferne an ihr Ohr, ohne dass Sarah die Bedeutung erfasste. Der Tonfall stand jedoch in krassem Widerspruch zu der Höflichkeitsfloskel, denn er war ungläubig und zornig zugleich.
„Entschuldigen Sie“, wiederholte Jason scharf.
Endlich reagierte Damon. Er hörte auf, Sarah zu küssen, und löste sich von ihr.
„Ja?“, fragte er eisig. „Was ist?“
Damon war ihr immer noch so nahe, dass sie seinen Atem auf der Haut spürte und ihn nach wie vor zu schmecken glaubte. Auch seinen Duft roch sie immer noch. Es fiel ihr sehr schwer, den Protestlaut zu unterdrücken, der ihr beinah entschlüpft wäre, und sie stellte entsetzt fest, dass sie schon die Hände gehoben hatte, um seinen Kopf wieder zu sich heranzuziehen. Sie ließ sie wieder sinken und ballte sie zu Fäusten, um sich nicht noch mehr zu verraten.
„Was kann ich für Sie tun?“
Damons Worte waren an Jason gerichtet und klangen ebenso arrogant wie verächtlich, so dass dieser einen Moment lang verunsichert wirkte.
„Ich … ich würde gern wissen …“
Der Typ ist völlig aus dem Gleichgewicht geraten, dachte Damon und lächelte zufrieden beim Anblick von Jasons hochrotem Kopf und dem wütenden, verwirrten Ausdruck in seinen Augen. Genauso hatte er es sich gewünscht. Es passte perfekt in den Plan, den er geschmiedet hatte, als er an der Tür gestanden und das kleine Drama beobachtet hatte.
Er wollte, dass Jason und Sarah verunsichert waren. Dass sie nicht wussten, was sie als Nächstes tun und wie sie ihn einschätzen sollten. Sie sollten nervös sein und sich fragen, wie er reagieren würde.
Und daher zwang er sich, Jason anzulächeln, was diesen offenbar noch mehr überraschte.
„Ja?“, hakte er höflich nach, ohne seinen Griff zu lockern.
Er tat es nicht nur, um dem Eindringling zu beweisen, wer hier der Herr im Haus war. Die Wahrheit war, dass er Sarah nicht loslassen konnte, nun, da sie nach der langen Trennung wieder in seinen Armen lag. Er hatte so lange auf diesen Moment gewartet, hatte davon geträumt, es sich in den langen, stillen Nächten ausgemalt. Und nun, da er sein Ziel erreicht hatte, wollte und konnte er nicht kampflos aufgeben.
Die bittere Ironie war, dass er sich ihr Wiedersehen so nicht vorgestellt hatte. In seinen Träumen hatte es keinen anderen Mann gegeben – schon gar keinen wie Jason – und auch kein blondes Flittchen im roten Morgenmantel, das immer noch oben am Geländer stand und alles neugierig verfolgte.
Ein echter Spieler musste jedoch die Karte ausspielen, die das Schicksal ihm gegeben hatte. Und dies waren die einzigen Karten, die er hatte. Also hatte er keine andere Wahl.
„Was wollen Sie wissen?“
„Na ja …“, begann Jason wütend, noch unsicherer als zuvor. „Sehen Sie das denn nicht?“
„Nein, leider nicht“, erwiderte Damon gespielt besorgt. „Sie müssen es mir schon erklären. Was ist Ihr Problem?“
„Ist das nicht offensichtlich?“, fragte Jason mühsam beherrscht. „Sie sind mein Problem. Wer, zum Teufel, sind Sie?“
„Wer ich bin?“ Damon tat so, als würde er nachdenken. Sarah hingegen war davon überzeugt, dass er schon genau wusste, was er antworten würde. „Ich dachte, das wüssten Sie. Aber da es offensichtlich nicht der Fall ist, muss ich es Ihnen wohl erklären. Ich …“
Er verstummte und warf ihr einen scharfen Blick zu, als sie sich in seinen Armen bewegte. Als Warnung verstärkte er vorübergehend seinen Griff und beobachtete dann voller Genugtuung, wie sie weiterhin schwieg.
„Ich sage Ihnen, wer ich bin. Sie müssen es ohnehin wissen, weil es Sie direkt betrifft. Wissen Sie, schrie Jason, ich bin der neue Mann in Sarahs Leben. Ich bin Ihr Nachfolger im Bett dieser Lady.“
Als sie daraufhin einen wütenden Laut ausstieß, neigte er den Kopf, um sie auf die wirksamste Weise, die er kannte, zum Schweigen zu bringen – indem er erneut die Lippen auf ihre presste, um sie besitzergreifend zu küssen.
Das hier war jedoch ein ganz anderer Kuss. Er war nicht mehr zärtlich und verführerisch, sondern wütend und besitzergreifend.
Und tatsächlich glaubte Damon, sie, Sarah, würde ihm gehören und er könnte mit ihr tun, was er wollte, bis er sich anders entschied. Er war im Grunde nie bereit gewesen, sie gehen zu lassen. Er hatte sie nur deswegen nicht zurückgehalten, weil sie ihm keine andere Wahl gelassen hatte. Sie hatte gewartet, bis er wie so oft wieder einmal geschäftlich verreiste, und hatte dann ihre Sachen gepackt und die Insel verlassen.
Ein solches Verhalten war Damon Nicolaides nicht gewohnt, vor allem nicht bei Frauen. Da hatte er das Sagen. Er ergriff die Initiative. Er bestimmte, wie lange eine Beziehung dauerte. Und wenn er sich langweilte und das Gefühl hatte, dass es sich totgelaufen hatte – was irgendwann immer der Fall war –, verließ er die Frau.
Sie, Sarah, hatte gegen all diese Regeln verstoßen. Und sie wusste, dass Damon ihr nie verziehen hatte und es auch niemals tun würde. Für ihn würde sie immer die Verräterin sein, die ihn in seinem männlichen Stolz verletzt hatte.
„Damon …“, brachte sie hervor und stellte fest, dass es nicht wie ein Protest, sondern vielmehr wie ein Seufzen klang. „Ich …“
„Pst, agape mou“, erwiderte er gespielt sanft, doch es klang sehr überzeugend. „Überlass es mir.“
„Aber …“
Wieder versuchte sie zu protestieren, und wieder schaffte sie es nicht, weil er sie erneut küsste – diesmal so zärtlich, dass ihr schwindelig wurde und ihr das Herz überging.
„Überlass es mir“, hatte er sie aufgefordert und ihr dabei das Gefühl vermittelt, dass sie tun würde, was er ihr sagte.
Und ihr war klar, dass er richtig lag. Schließlich blieb ihr nichts anderes übrig. Mit ihrer Reaktion auf seine Nähe waren ihr die Fähigkeit zu schauspielern und die, einen klaren Gedanken zu fassen, abhanden gekommen. Allein in seinen Armen zu liegen und das Gesicht an seiner Brust zu bergen war schlimm genug gewesen und hatte ihr die Selbstbeherrschung geraubt, die sie sich in den letzten Monaten angeeignet zu haben glaubte. Die Gefühle, die seine Küsse in ihr geweckt hatten, hatten alles noch viel schlimmer gemacht und ihren Verstand ausgeschaltet.
Diese drei Küsse hatten die vielen Seiten seiner Persönlichkeit erkennen lassen. Er konnte unendlich zärtlich und unwiderstehlich verführerisch sein, aber auch rücksichtslos, beinah brutal. Sie hatte all diese Seiten während ihrer kurzen Ehe an ihm kennengelernt und zuerst geglaubt, der sanfte Damon wäre sein wahres Ich.
Allerdings hatte er sie sehr schnell ihrer Illusionen beraubt. Sowohl das Leben als auch sein Vater hatten ihr die Augen geöffnet. Und von da an hatte sie Damon nie wieder durch eine rosa Brille sehen können.
„Wer sind Sie?“, fragte Jason jetzt. Sein wütender Tonfall verriet, wie schockiert er war.
„Mein Name ist Damon Nicolaides“, erklärte Damon und rechnete ganz offensichtlich mit der üblichen Reaktion, wenn den Leuten klar wurde, wer er war. Diese kam auch prompt.
„Nicolaides?“, wiederholte Jason mit bebender Stimme.
Alle wussten, wer Damon war. Alle.
Da er reich war und zum Jet-Set gehörte, wurde ständig in den Klatschspalten über ihn berichtet. Seine Beziehungen mit Models und Schauspielerinnen, seine Freundschaften mit Filmproduzenten und Medienmogulen sicherten ihm ständige Präsenz in den einschlägigen Magazinen, wo sein überwältigend maskulines Äußeres alle Leserinnen zwischen sechzehn und siebzig beeindruckte. Auch im Finanzteil der großen Zeitungen tauchte sein Name häufig auf, denn er verfügte nicht nur über ein Imperium, sondern genoss auch großes Ansehen.
„Damon Nicolaides?“
Offenbar war er der Letzte, mit dem Jason in dieser Situation gerechnet hatte. Wie war es möglich, dass ausgerechnet sie ihn kannte? Es war offensichtlich, dass ihn genau diese Frage beschäftigte.
„Richtig.“
Sarah kannte diesen Tonfall bei Damon nur zu gut. Er war höflich und beherrscht, verriet jedoch, dass Damon mit seiner Geduld am Ende war.
„Jason …“, begann sie und merkte dann, wie er sie leicht schüttelte.
„Lass mich die Fragen beantworten, Sarah. Das ist einfacher.“
„Einfacher!“, wiederholte sie. „Für wen?“
„Für alle Beteiligten.“
Wieder fühlte sie sich von ihm ermahnt, diesmal allerdings noch mehr. Der Unterton in seiner Stimme jagte ihr einen Schauder über den Rücken.
Dies war der Damon, den sie kennengelernt hatte, wenn einer seiner Mitarbeiter ihn mit einem dummen Fehler verärgert oder ein Journalist sich als zu indiskret erwiesen hatte. Es war der Auftakt zu einem Wutausbruch, der sie erschaudern ließ. Sie hatte diese Seite nur kurz an ihm kennengelernt, aber es hatte gereicht. Sie wollte diese Erfahrung nicht noch einmal machen.
„Alle?“
Damon neigte wieder den Kopf, bis seine Lippen fast ihr Ohr streiften und sein Atem ihre Wange fächelte.
„Willst du, dass ich ihn zum Teufel schicke, oder nicht?“
O ja, sie wollte, dass Jason verschwand – aus ihrem Haus und aus ihrem Leben. Und sie wünschte, er würde Damon mitnehmen. Das war allerdings äußerst unwahrscheinlich, dessen war sie sich bewusst.
Daher entschloss Sarah sich für das kleinere Übel. Sie presste die Lippen zusammen und nickte schweigend.
Mehr brauchte Damon nicht. Sichtlich zufrieden, dass sie ihm alles überließ, wandte er sich wieder an Jason.
„Wollten Sie noch etwas wissen?“
Alles, dachte sie, denn sie kannte Jason. Doch er begnügte sich mit einer weiteren Frage. Dabei bebte seine Stimme.
„Sie behaupten, dass Sarah und Sie ein Paar sind?“
„Ich behaupte es nicht“, entgegnete Damon scharf. „Es ist so.“
Wie zum Beweis zog er sie daraufhin enger an sich und legte ihr dabei den Arm um die Taille. Ihre Wange lag nun an seiner Brust, so dass Sarah nicht mehr gut hören konnte. Trotzdem verstand sie Jasons Worte.
„Kannst du das bestätigen, Sarry?“
Wieder konnte sie nur schweigend nicken. Damon soll mich von Jason befreien, dachte sie, und dann werde ich mich von ihm befreien. Falls sie es schaffte. Wenn er so entschlossen war, biss man sich an ihm die Zähne aus.
„Und wann habt ihr beide euch kennengelernt – und wo?“
„Gestern Abend auf der Vernissage“, erwiderte er zu ihrer Verblüffung. „Ihnen ist doch sicher aufgefallen, dass sie nicht nach Hause gekommen ist. Vielleicht auch nicht …“
Sein Nicken sprach Bände. Sarah musste nicht einmal hinsehen, um zu wissen, dass er nach oben gedeutet hatte, wo Jasons Bettgefährtin noch immer am Geländer stand und sie drei neugierig beobachtete.
So leise, dass sie sie beinah vergessen hätte.
„Sie waren sicher anderweitig beschäftigt.“
Allmählich verlor Damon, die Geduld. Das schmutzige kleine Drama, das er unterbrochen hatte, war nur für kurze Zeit amüsant gewesen und verlor nun seinen Reiz. Er wollte diesen Jason und sein Flittchen endlich loswerden. Wenn die beiden jetzt nicht verschwanden, konnte er nicht garantieren, dass er sich noch länger beherrschen würde. Und wenn er die Beherrschung verlor, übernahm er keine Verantwortung für die Folgen.
Das Schlimmste war allerdings, sich eingestehen zu müssen, was ihm am meisten zu schaffen machte. Und das waren jedenfalls nicht dieser widerliche Kerl und sein billiges Flittchen.
„Ich war gestern Abend gar nicht hier. Mein Name ist übrigens Andrea.“