Priesterweihe auch für Frauen? - Klaus Berger - E-Book

Priesterweihe auch für Frauen? E-Book

Klaus Berger

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Beschreibung

Der bekannte Theologe Klaus Berger schaltet sich mit diesem Buch in die aktuelle Debatte um die Priesterweihe von Frauen in der katholischen Kirche ein. In seinem Buch diskutiert er das Für und Wider und plädiert dafür, das Priesteramt weiterhin von Männern ausüben zu lassen. Der Band versteht sich als kritischer Beitrag zu einer Diskussion, die nicht nur Theologen, sondern alle kirchlichen Ebenen, Verbände und interessierten Kreise seit langen Jahren beschäftigt und die überdies von großem Gewicht für die Ökumene ist. So führt die ökumenische Perspektive Klaus Berger am Ende auch zu der Frage, ob und in welchen Grenzen weibliche Amtsträgerinnen in einer vereinten Christenheit womöglich doch akzeptiert werden können.

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Klaus Berger

Priesterweihe auch für Frauen?

Für Martin und Elisabeth Mosebach

Inhalt

1. Zu Beginn

1.1 Mein persönliches Interesse

1.2 Religiöse Metaphern bilden einen Kosmos

2. Das Modell Jesu

2.1 Vollmacht hat, wer dient

2.2 Das Stärkere dient

2.3 Dienen, Beten, Prophezeien

2.4 Jesus selbst ist das Beispiel

2.5 Der sichere Weg zu Hoheit, Macht und Ehre

2.6 Wer betet, ist Großmacht

3. Christliche Prophetinnen

3.1 Prophetinnen als Schülerinnen des großen Meisters

Der Fall der Prophetin nach Cyprian.

3.2 Frauen streiten gegen Bischöfe

4. Das paulinische Modell

4.1 Es gilt die gestufte Abbildlichkeit

4.2 Autorität nach dem Abbild-Schema

4.3 Sind Frauen Abbild vom Abbild?

Die paulinischen Aussagen

— Zu 1 Kor 11, 2–16

— Hintergrund der Logos-Christologie

— Gibt es eine aktuelle Bedeutung von 1 Kor 11?

— Menschen zweiter Klasse?

4.4 Nach 1 Kor 14 geht die Frauenregel auf ein Wort Jesu zurück

1 Kor 14,34 in der Verkündigung Jesu

— Die Begründungen

4.5 Lieber nicht öffentlich reden?

Plutarch, Ehevorschriften

— O hättest du doch geschwiegen …

5. Gottesbild und Frauenbild

5.1 Verhindert Gottes Männlichkeit das Priestertum der Frauen?

5.2 Doch priesterlich?

Der außerchristliche Einfluß ist stetig gewachsen

5.3 Weibliche Figuren zwischen Gott und Mensch

6. Die Begründung des Amtes aus der Liturgie

6.1 Nicht wie die Engel

6.2 Engel als Gemeinde Gottes

6.3 Spannung zwischen Engeln und Frauen

6.4 Engel zwischen Leben und Tod

6.5 Engel und Gottesdienst im Tempel

6.6 Wie man Frauen sieht, so denkt man vom Menschen

6.7 Frauen als Exempel der Gnadenlehre

7. Herleitung aus dem allgemeinen Priestertum?

7.1 Besprechung der Bibelstellen

7.2 Beobachtungen zu den Bibelstellen

7.3 Der priesterliche Charakter der Christen

7.4 Es geht im Ganzen um Metaphern

7.5 Worin besteht der priesterliche Charakter aller Getauften?

Nur metaphorische Sprache

— Unsinnige Folgen der Rede vom allgemeinen Priestertum

— Plädoyer für das Heilige

— Der priesterliche Charakter der Getauften hat nichts mit einem Amt zu tun

— Weder Amt noch Recht von Menschen

7.6 Der katholische Priester ist kein beamteter Kulttechniker im vorchristlichen Sinn

7.7 Die Ältesten nach Num 11

7.8 Zwei Priestertümer, ein allgemeines und ein Amtspriestertum

Jesus und Paulus als Priester im engeren Sinne des Wortes?

— Allgemeines Priestertum und Taufe?

7.9 Die Zukunft der Rede vom allgemeinen Priestertum

Liegt alle Gewalt bei der Gemeinde?

— Konsequenzen für die Frage des Frauenpriestertums

— Geweihte Älteste im Gegenüber zur Gemeinde

— Worin besteht der priesterliche Charakter aller Getauften?

— Allgemeines Priestertum: Zusammenfassung und Ausblick

— Priesterliche Vollmacht durch Taufe

— Aufgeblähte Taufe

8. Neue Schöpfung

8.1 Gilt nicht „weder Mann noch Frau“?

8.2 Zum Kontext in Gal 3 und Gal 6

8.3 „Weder männlich noch weiblich“

8.4 Verweigerung der Menschenrechte

8.5 Zur Frage der Menschenrechte generell

8.6 Die Ferngeltung der Bibel

8.7 Unterschiedliche Konzeptionen von Gottesdienst

9. Ausblick

9.1 Was für Frauen bleibt

9.2 Was getan werden kann

9.3 Diakonat der Frau?

Zur Spiritualität des Dienens

— Das jesuanische Modell des Dienens und die aktuelle Diskussion über den Diakonat der Frau

— Diakonie als Hilfe für die Apostel bzw. Bischöfe

— Paradoxien der Nachfolge

— Diakonissen als Spenderinnen der Taufe

— Zum Verlauf der Diskussion

— Vorschläge für die praktische Lösung

10. Und andererseits … Frauen als Amtsträgerinnen in einer vereinten Christenheit?

10.1 Auschlußkriterien

10.2 Möglichkeiten der Realisierung

10.3 Bedingungen

10.4 Theologische Denkbarkeit

10.5 Grunderfordernis

10.6 Zusatzargumente

Frauen im Rahmen der Sukzession

— Kein Ausverkauf der Wahrheit

— Ein Parallelfall

— Ein Nebeneinander

11. Klartext

Abschließende Thesen

Literatur

1.  Zu Beginn

1.1 Mein persönliches Interesse

Es ist einfach das neugierige Interesse an Begründungen, das mich leitet. Es ist eine Frage, die mich seit Jahrzehnten beschäftigt. Wie kann es sein, daß orthodoxe und römisch-katholische Christen Frauen die Ordination verweigern? Und wie war es umgekehrt möglich, nach dem 2. Weltkrieg das Herkommen zu durchbrechen und Frauen zu ordinieren? Mich ärgert besonders, daß die Begründungen, die man für das eine oder für das andere geliefert hat, oft ein wenig positivistisch sind. Wer die Ordination ablehnt, verweist darauf, Jesus habe nur mit männlichen Jüngern den Neuen Bund geschlossen. Wer sie bejaht, verweist zumeist auf Gal 2,26f, wonach „in Christus“ die Differenzen nicht mehr gelten, auch nicht die zwischen Mann und Frau. Die Spärlichkeit der Begründungen steht in umgekehrtem Verhältnis zur Heftigkeit der Emotionen, mit denen gestritten wird. Oft habe ich persönlich die Erfahrung gemacht, daß vor Ort hier kein Zureden hilft und keine Rücksicht auf den gefährdeten Frieden genommen wird. Ich will hier nicht wiederholen, was es allein zwischen Protestanten und Orthodoxen hier für Streit gegeben hat. Und ich erinnere mich nur sehr ungern an hitzige Attacken – von Diskussion konnte man dann nicht mehr reden – gegen Positionen, die sich nicht für eine Frauenordination aussprachen. Schließlich: Das vorletzte Kapitel dieses Buches heißt: „Und andererseits …“

Ich war, das muß ich auch gestehen, über weite Strecken der Entstehung dieses Buches nicht so weit vorangeschritten, daß ich hätte sagen können, „was heraus kommt“. Und meine Neugier auf plausible Antworten hält bis jetzt, in die Schlußphase der Entstehung des Buches, an. Schließlich hatte ich in meinem Buch Glaubensspaltung ist Gottesverat all meinen Mut zusammengenommen und als äußerste Möglichkeit eine Tolerierung der Frauenordination durch die römisch-katholische Kirche wenigstens zart angedeutet. Als ‚äußerste‘ Möglichkeit heißt: Wenn in allen anderen Dissenspunkten passable Wege gefunden sind, sich zu treffen. Sollte, wenn alles andere einmal geklärt ist, die Einheit der Christenheit eben daran scheitern? Denn dieser Punkt ist einer der härtesten Fälle. Ein Gespräch mit Kardinal Meisner im Jahre 2007 zu diesem Thema glich an Heftigkeit allen übrigen Gesprächen auf dem Weg. Ich erbat Bedenkzeit und habe sie mir genommen.

In der Wallfahrtskirche Am Perlach in Augsburg gibt es ein Madonnenbild Maria Knotenlöserin. Da ich selbst im Lösen von Knoten nicht sehr geschickt bin, war diese Erinnerung ein gewisser Trost.

So bleibt am Schluß die brennende Frage des Anfangs: Warum in aller Welt gibt es dieses Problem? Es ist doch noch keine 400 Jahre alt, sondern erst 60. Oder spiegeln sich in ihm alle anderen Probleme auf ihre Weise, noch einmal und hier besonders hart und schmerzlich?

1.2 Religiöse Metaphern bilden einen Kosmos

Die Frage nach der Rolle von Mann und Frau in der Liturgie (und daraus folgernd im kirchlichen Amt) ist nicht ein Problem von Anstand, Moral und Menschenrechten, auch nicht primär eine juristische Frage wie etwa die nach den kirchenjuristischen Folgen der Taufe. Folgende Bereiche fallen daher aus: Moral, Anstand, Menschenrechte, Kirchenrecht. Und durchgehend ist die hier erörterte Frage nicht die nach den Beziehungen zwischen Frau und Mann, sondern es handelt sich zumeist um einen besonderen Fall des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch.

Vielmehr geht es um den sensiblen Bereich der theologischen Metapher, die eine Rolle spielen in der Liturgie, im Kirchbau und in der Kunstgeschichte, in der Sprache der Mystik in der Sprache der systematischen Theologie, in der Symbolik.

Warnen möchte ich davor, diese Gebiete insgesamt der luftigen Ästhetik oder der sprichwörtlichen Willkür von bildender Kunst zuzuordnen. Vielmehr steht hier der Weg der Verkündigung in der Öffentlichkeit zur Diskussion. Auch von der Kirche des Wortes gilt, daß sie in der Welt der Bilder lebt (HORST KASNER, † 2.9.11). Die Texte der Liturgie, die Bilder der Kunstgeschichte, die symbolischen Riten zeigen immer, daß es hier weniger um Einzelobjekte geht, sondern daß ein ganzer Kosmos von mehr oder weniger zusammen passenden Bildern und stabil kontinuierlichen Motiven besteht.

Die Bestandteile dieses Kosmos sind oft zueinander gefügt worden. Das Element des königlichen Hofes (daher: basileomorphe Mystik, inklusive Engeldarstellungen) sind oft mit älteren kultischen Motiven vermischt, dazu mit solchen aus der Berufswelt des Hirten (poimenistische Mystik).

Je stärker diese Bildtradition auch die (liturgischen) Gesten bestimmt, um so gewaltsamer erscheinen und um so schwererer wiegen Änderungsversuche bzw. Maßnahmen des Abschaffens. Sie sind stets einschneidend, da sie stets ‚religiöse Heimat‘ zerstören. Wenn Ästhetik hier nicht gleich Willkür und gefährliche Spielerei ist, besteht dann die Alternative als Problem von Leben und Tod, von Wahrheit oder abscheulicher Häresie? Kann oder sollte man für oder gegen Frauenordination sterben wollen? Wie ernst ist hier das ungeschriebene Gesetz der Liturgie zu nehmen? Oder kommt man erst dann auf den Trichter, wenn man in phänomenologischer Beschreibung Liturgie zu erfassen sucht, liebevoll und in geduldiger Beobachtung.1

Zu den gravierenden und eingefleischten Metapherntraditionen im Bereich der biblischen Religion und darüber hinaus gehört die Metaphorik der Männlichkeit Gottes inklusive ihrer liturgischen Auswirkungen. Darum geht es in dieser Studie. Und am Ende jedes Kapitels müssen wir uns fragen, was die betreffende Tradition wert ist, was es kosten könnte, sie abzuschaffen.

Eine Suche nach theologischen Gründen dafür, daß Frauen von Katholiken und Orthodoxen die Ordination verweigert wird, führt auf zwei klar unterscheidbare Spuren. Beide sind durchaus gegensätzlich, die eine ist jesuanisch, die andere eher paulinisch. Jesus und Paulus haben, das zeigen diese beiden Linien, ein potentiell unterschiedliches Amtsverständnis, ohne daß freilich in der Praxis daraus Gegensätze würden. Denn auch bei Jesus bereits geht es um eine Theorie und Praxis der Leitungsvollmacht. Zwei Modelle sind zur Einordnung der Rolle der Frau in Liturgie und Amt der frühen Kirche grundsätzliche hilfreich.

Das Modell Jesu: Vollmacht für den, der dient.

Das paulinische Modell: Vollmacht in abgestufter Ebenbildlichkeit.

2.  Das Modell Jesu

2.1   Vollmacht hat, wer dient

Jesus formuliert sein Verständnis von Leitungsfunktion in der Belehrung der Jünger in Mk 9,35 und Mk 10,43–45. Demnach qualifiziert allein das Dienen zum Anführen und Leiten. In der Bezeichnung Minister ist diese Auffassung bis heute erhalten, doch leider erkennbar oberflächlich. Zuhause ist dieser Ansatz im Umkreis dessen, was man theologisch Magnificat-Theologie nennt. Sie ist auch die Basis der Kreuzestheologie von 1 Kor 1. Denn Gott erwählt nur das Bescheidene, Niedrige, Unansehnliche, also diejenigen Menschen, die aus Liebe zum Realismus demütig sind. In Lk 1,46–55 findet diese Auffassung im Lobgesang Mariens ihren maßgeblichen Ausdruck.

Jesus korrigiert an den genannten Stellen in Mk 9 und 10 das Verhalten seiner Jünger, das man in der Bibelauslegung Rangstreit nennt. Jesus trifft damit eine typisch männliche Verhaltensweise. Das wird auch an der Art der Darstellung durch die Evangelisten erkennbar. Aus dem Kontext von Mk 9 und 10 geht nämlich hervor, daß der Rangstreit unter den Jüngern genau das ist, was sie von Jesus auf seinem Weg zum Kreuz unterscheidet. Die Frauen in der Begleitung Jesu harren aus bis unter dem Kreuz (vgl. Mk 15), sie laufen auch nicht weg wie die opportunistischen männlichen Jünger, vor allem machen sie keine großspurigen Versprechungen wie Petrus. Wo sie versagen, geschieht es eher aus Angst (Mk 16,8). Üblicherweise harren sie lange aus und werden häufiger auch als Dienende und damit der Gemeinde als Vorbild vor Augen gestellt.

Diakonie wird in der frühen Gemeinde in Jerusalem von den Sieben geübt. In den heidenchristlichen Gemeinden der Frühzeit ist dieses eine immer wieder notwendig werdende Funktion. Der Weg Jesu nach (Mt 23,1–12) führt – gewissermaßen als Schlußwort Jesu zu den Jüngerparänesen – zwangsläufig zu der aporetischen Frage der Moralisierung des Autoritätsverständnisses.

Der Text aus Mt 23 ist eine Anweisung über den Umgang mit geistlicher Autorität unter den Jüngern Jesu. Die Titel, die hier zur Diskussion stehen, sind „Rabbi“, „Vater“ und „Lehrer“. Alle diese Titel werden für Jünger Jesu abgelehnt. Die Schlüsselregel steht in 23,11:„Der Größte unter euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht.“

Sätze wie Mt 23,11 (Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht) gehören direkt in das Zentrum der Menschensohn-Christologie. Das zeigt besonders Mk 10,43f:„Wer groß sein will unter euch, der sei euer Diener. Und wer unter euch der erste sein will, der sei aller Sklave. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse …“ Denn der Menschensohn ist auf jeden Fall am Ende der höchste Hoheitsträger und Gottes Regent in der Welt. Seine Existenz hat allerdings zwei Phasen, eine der Niedrigkeit, des Sklavendienstes, des Ausgeliefertseins und des Leidens, und eine der Herrlichkeit und des Stehens zur Rechten Gottes (Mk 10,43–45; Apg 7,56)

Die Begründung geistlicher Autorität ‚im Sinne Jesu‘ geschieht daher in Nachahmung der Zwei-Phasen-Existenz des Menschensohnes. Nachahmung und Nachfolge sind hier eine Einheit. Damit stehen sich in der Schilderung von Mt 23 zwei Entwürfe gegenüber, wie theoretisch geistliche Autorität zu begründen wäre. Der erste Entwurf ist der bis heute gesellschaftlich akzeptierte, daß man Autoritäten mit ihrem erworbenen und / oder verliehenen Titel („Vater“, „Lehrer“ etc.) anredet. Jesus lehnt dieses Konzept für seine Jünger rundweg ab. In 23,3b sagt er auch, warum: Diese Leute sagen, was sie nicht tun, und tun nicht, was sie anderen vorschreiben möchten. So wird nichts weiter als eine Schein-Autorität gehandelt. Für die Kirche war dieses Auseinanderfallen von titularer Autorität und moralischer Qualität zu Zeiten ein großes Problem, massiv im Donatistenstreit des 4. Jahrhunderts, dann in der Reformation und nicht zuletzt in der Gegenwart.

Die Lösung des Donatistenstreits stellt allerdings einen dritten Weg dar zwischen moralischem Rigorismus und rein formaler Autorität, die innen hohl ist. Diese Lösung ist jedenfalls von der herrschenden Volksmeinung vergessen. Ich habe sie in der jüngeren Diskussion nicht gefunden. Diese Lösung heißt: sakramentale Begründung des kirchlichen Amtes. Das Problem der Donatisten war: Ist zum Beispiel die Taufe, die ein moralisch verkommener Priester spendet, überhaupt wirksam und verläßlich (gültig)? Modern formuliert: Kann ein Ehebrecher Postbote sein und insoweit Hoheitsfunktionen des Staates wahrnehmen? Und andererseits: Darf die Kirche nur moralisch rundum überwachten, insoweit zuverlässigen und ‚vollkommenen‘ Menschen Ämter anvertrauen? Antwort: Das geht nicht, weil die Kirche kein Gefängnis ist, auch kein ‚Pensionat‘ älterer Ordnung. Unter Rückgriff auf das Neue Testament (Amtseinsetzung durch Handauflegung und Mitteilung des Heiligen Geistes) kam man zu dem Schluß: Weder der Doktortitel (die Summe der Leistungen oder Ähnliches) noch die moralische Perfektion qualifizieren zum kirchlichen Amt und begründen die Gültigkeit seiner Maßnahmen, sondern es kann nur die sakramental vermittelte Amtsgnade selbst sein, die das bewirkt. Insofern ist es Gott selbst, der allein die Wirksamkeit der Gnade im Amt garantiert, die Verheißung seiner Begleitung, seine Gegenwart in dem Tun unter seinem Namen. Die kirchlichen Amtshandlungen geschehen damit im Rahmen dessen, was Paulus „Bund des heiligen Geistes“ nennt (2 Kor 3,6). Jeder biblische Bund aber ist eine unkündbare Selbstfestlegung Gottes. Insofern ist es gerade beim Amt, wo die menschlichen Schwächen so offenkundig sind, von entscheidender Bedeutung, daß Gott hier die unverrückbare Zusage seines Wirkens und Beistands gegeben hat.

Mit diesen Überlegungen ist hier freilich für unser Thema nicht direkt etwas gewonnen. Denn wenn die Lösung durch die sakramentale Weihe gilt – warum ist diese dann Frauen verschlossen?

Antwort: Die sakramentale Weihe erübrigt den Weg der Niedrigkeit keineswegs, vielmehr wird sie ihn im besten Falle unterstützen. Sie beseitigt aber die Peinlichkeit, die entstehen kann, wenn ein Amt ein moralisches Show-down der Bewerber wird, wer denn die größte Demut habe.

Man kann daher sagen: Was für kirchliche Autorität Jesus in Mt 23 im strikt christologischen Sinne entworfen hat (Verheißung des ersten Ranges für den, der jetzt allen als Sklave dient), wird zweifach aus der Sphäre menschlicher Fehlerhaftigkeit und Vergänglichkeit herausgehoben: einmal bei Jesus durch die Zusicherung der Geschicksgemeinschaft mit dem Menschensohn, zum anderen bei Paulus und Späteren durch die sakramental begründete Anteilhabe am Bund des Heiligen Geistes. Auf beide Weisen gelingt es, fehlbare Amtsträger unter göttliche Protektion zu stellen. Damit werden die Fehler der Menschen nicht ungeschehen gemacht, aber diese Fehler können nicht die Institution zerstören. Dabei verstehe ich unter Institution nicht den Apparat der katholischen Kirche, sondern die Zusicherung des Mitseins durch den Menschensohn (Geschicksgemeinschaft mit dem Menschensohn) und den Neuen Bund. Also Gottes eigene Ehe mit seinem Volk.

Eine der Folgen der sakramentalen Begründung der Weihe war, daß die moralische Qualifikation an Ansehen verlor. Unter den Voraussetzungen zur Weihe spielt diese selbstverständlich weiterhin und zu allen Zeiten eine wichtige Rolle. Aber sie bekommt nicht den Charakter einer notwendigen Bedingung. Was gute und auch zweifelhafte Folgen hat. Und andererseits ersetzt die sakramentale Weihe die „Berufung durch den Heiligen Geist“, wenn man das einmal in der Sprache von Apg 13,2 ausdrücken darf. Das aktuelle charismatische Geschehen spielt z.B. bei der Wahl des hl. Ambrosius zum Bischof noch eine große Rolle. Doch es verblaßt.

Fazit: Jesu Amtsverständnis orientiert sich am Geschick des Menschensohnes selbst. Gerade als der Bevollmächtigte Gottes qualifiziert sich der Menschensohn durch Dienst in Demut und Niedrigkeit, johanneisch gesprochen: indem er den Jüngern die Füße wäscht. Dieses Kriterium war auf die Dauer nicht durchzuhalten, anders gesagt: Wo es praktiziert wird, handelt es sich um paradiesische Glücksfälle. Die Gemeinden verlangten offenbar für ihre Führungsaufgaben Kriterien, die über moralisch meßbares menschliches Verhalten hinausgingen. Bis zu einem gewissen Grad erfüllte die sakramentale Weihe diese Funktion. Das immense und in seiner Tragweite gar nicht abzuschätzende Wirken der Frauen im frühen Christentum entzog sich vielleicht auf Dauer der Bewertung oben / unten nach der Menschensohn- Theologie.

2.2  Das Stärkere dient

Für das kirchliche Wirken von Frauen ohne jede Ordination wirkt das Modell Jesu vor allem in den Ostkirchen, und zwar in den für das Selbstverständnis aller Ostkirchen maßgeblichen Apostolischen Konstitutionen. Die besondere Bedeutung dieser Texte vom Anfang des 3.–4. Jh. für unser Thema ist, daß die uns beschäftigende Frage hier bereits kritisch erörtert wird. Denn Jesu Worte in Mk 9 und 10 gelten kritisch für die männlichen Jünger, aber ohne Zweifel werden sie in der Rolle der Frauen für Leitung der Kirche praktisch berücksichtigt. Das ist bereits bei allen alten Ostkirchen der Fall. Folgende Einsichten gestatten diese Texte:

a) Die Qualifikation der Frauen ist das Dienen.

b) Das Dienen gilt besonders vom Dienst der Frauen an anderen Frauen.

c) Dieser Dienst gilt besonders schwächeren (kränkelnden) Frauen.

d) Damit wird die Faustregel erfüllt: „Das Stärkere dient dem Schwächeren.“ Daraus folgt: Der Dienst ist für viele Frauen die Gelegenheit, sich als Stärkere zu erweisen. „Maria Magdalena hat bei der Mitteilung heiliger Geheimnisse gelacht“.

Diese Auskunft gilt in den alten Ostkirchen für Jahrhunderte als ein Grund für den Ausschluß von Frauen von der Weihe. Das Weitere ist dann klar: Wer bei heiligen Gelegenheiten lacht, muß für den Rest des Gottesdienstes demütig (wir würden sagen: zur Buße ‚betroffen‘) zu Boden gucken und darf nicht in Orantenhaltung aufrecht stehen. Oder so: Wer lacht, spielt den Überlegenen, und eine Wiedergutmachug kann er / sie nur durch Dienen leisten, eben durch das willentliche Unterlegen-Sein.

e) Der Protest der Jünger angesichts der eucharistischen Zumutung in Joh 6,60–61 ([Murren] „Wer kann dies hören?; das Wort ist „hart“) wird in dieser Tradition auf Maria und Martha übertragen, und zwar so, daß Maria mit Maria Magdalena identifiziert wird und daß sie lacht, wie einst Sara über Gottes Wort gelacht hatte (Gen 1,12–15; von Abraham Gen 17,17). Maria und Martha sind bekannt aus Joh 11 und Lk 10,38f. Nach Lk 10,40 ist Martha mit Dienen beschäftigt. Hier dagegen lacht Maria Magdalena, und folgerichtig erweist sie ihre Stärke durch Dienen.

Gelacht wie hier Maria Magdalena hatte auch Jesus, der als der wahre Gnostiker nach dem Judasevangelium über den Glauben der Jünger lacht. Maria Magdalena ist auch nach den apokryphen Evangelien (z.B. nach dem Evangelium der Maria) die Frau, die die wahre Erkenntnis hat und deshalb mit den Bischöfen bzw. mit Petrus im Dauerstreit liegt. Doch nicht dieser Punkt wird hier betont, sondern die Stärke des Dienens. Vielleicht ist der Text bereits gegen die gnostische Deutung von Maria Magdalena gerichtet und betont gegenüber der Erkenntnis das Dienen, behält aber die positive Bedeutung des Lachens. Wer lacht, ist stark und überlegen. Wer lacht, kann daher auch etwas für die Schwachen tun. Dabei geht es hier nicht um die in Erkenntnis Schwachen, sondern um die Notleidenden.

Noch in meiner Kindheit, also vor rund 65 Jahren, galt Lachen während der hl. Messe als Sünde, allerdings kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, daß die Mädchen mehr gekichert hätten als die Buben, obwohl letztere eher mit Faustkämpfen beschäftigt waren. Doch im Alten Christentum gilt das Lachen der Maria Magdalena als ungläubig bzw. gnostisch. Wer lacht, gehört nicht dazu. Oder hat man es hier nur mit einer gar nicht so witzigen Legende zu tun, die uns heute als lachhaft erscheint, Dinge begründet, die anderen und tieferen Ursprung hatten?

Belegt ist dieser Zusammenhang zum Beispiel in den Konstitutionen der Apostel Johannes:„Habt ihr vergessen, liebe Brüder, wie unser Herr an dem Tag, da er Brot und Wein opferte, sagte: ‚Das ist mein Leib‘. Und: ‚Das ist mein Blut‘,denn er befahl ihnen, diese nicht für gewöhnliche Dinge zu halten. Doch Martha sagte über Maria M.: Seht, sie lacht. Doch Maria erwiderte: Nicht weil ich gelacht habe, hat der Herr zu uns gesagt: Es ist gut, wenn die Kranken durch die Gesunden geheilt werden.“ 2

Johannes: „Als der Herr sagte: Dies ist mein Leib und Blut, hat er nicht angeordnet, daß sie (sc. die Frauen) bei uns stünden. Martha sagte: (das ist geschehen) wegen Maria, weil er sah, daß sie lachte. Maria erwiderte: Nicht weil ich gelacht hätte, sondern schon vorher hat er uns in der Lehre gesagt: Das Schwache soll durch das Stärkere gerettet werden.“ 3

Fazit: Wer in der Kirche nicht stehen darf, sondern das Gesicht zur Erde wenden muß, kann nicht den Kult leiten. Wer dagegen steht, richtet seine Augen zum Himmel, wie Jesus beim Abendmahl: „Und er erhob seine Augen zum Himmel, zu dir, dem allmächtigen Vater …“ So tut es auch der Zelebrant des Abendmahls. Es ist bezeichnend, daß diese Anordnung von Petrus, dem Dauer-Opponenten der Frauen (nach den frühchristlichen Texten), gegeben wird.

„Da sagte Kephas. Es geziemt sich nicht für Frauen, während sie in der Kirche stehen, ihre Stimme zu erheben. Vielmehr sollen sie niederfallen und ihr Gesicht zur Erde wenden. Da erwiderte Jakob: Wie kann man im Rahmen einer Anordnung für den Dienst das Mysterium für Frauen nur diesen Dienst anordnen, (der darin bestehen soll), daß sie nämlich den Bedürftigen helfen sollen?“4

(Philippus: Männer erwerben sich mit Taten der Liebe einen himmlischen Schatz).

Eine andere Variante bietet die lat. Tradition nach E. Tidner:„Als der Herr sagte: Das ist mein Leib und Blut, erlaubte er den Jüngern nicht, bei uns zu stehen. – Das Schwache soll durch das Starke gerettet werden. – Petrus: Nicht im Stehen beten, sondern auf der Erde sitzen (28): Zu dienen den bedürftigen Frauen … das ist für Frauen bestimmt.“ 5

Beide Regelungen werden zusammengefaßt in den arab. Konstitutionen der Apostel: „Martha sagte über Maria. Schaut sie an, sie lacht. Maria erwiderte: Nicht deswegen (Das ist Mein Leib – das ist mein Blut) habe ich gelacht. – Der Lehrer sagte: „Es ist gut, daß die Kranken von den Gesunden (Starken) geheilt werden. Es ist nicht gut, wenn Frauen im Stehen beten. Für sie gibt es nur den Dienst an den Bedürftigen, Nächstenliebe und was dazu gehört. Kefas: Einzelne haben gesagt, daß es sich nicht geziemt, wenn Frauen im Stehen beten. Vielmehr sollten sie sich auf den Boden niederwerfen. Ebendort Jakobus: Für Frauen können wir nur diesen einen Dienst finden, außer dem einen, daß sie den Bedürftigen helfen sollen.6

In den Quellen des 8. Buches der Apost0lischen Konstitutionen heißt es: „Kephas sagte: Ihr werdet euch an einiges erinnern. Denn dieses hat er den Frauen befohlen, daß sie nicht aufrecht stehend beten sollten, sondern im Sitzen von der Erde her. Jakobus sagte: Wie können wir also für die Frauen einen Dienst beschließen, der nicht Diakonie ist, nämlich die zu stärken, die es nötig haben (gr. die es brauchen)?“ 7

Fazit: Nach der Lehre und Praxis Jesu und der Ostkirche sowie der gesamten Kirche ab 2. Jh. liegt die höchste geistliche Autorität bei denen, die ihren Glauben durch die Praxis dienender Liebe zu den Geringsten unter Beweis gestellt haben. Was unsere Zeit betrifft: Wer die hl. Mutter Teresa von Kalkutta noch miterlebt hat, wurde Zeuge einer einzigartigen geistlichen Autorität. Ihr Zeitgenosse, der sel. Papst Johannes Paul II., gewann seine Autorität wesentlich gegen Ende seines Lebens durch die gelebte Praxis eines Dienstes ohne Grenzen. In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hatte der Urwaldarzt Dr. Albert Schweitzer die Bedeutung eines Vorbilds für eine ganze Generation. Sein Dienst in Afrika stimmte mit seiner Theologie der „Ehrfurcht vor dem Leben“ überein. Ich habe hier Mutter Teresa zuerst genannt, weil sie in unserer Zeit dem Bild der christlichen Frau entsprach, das das Neue Testament und die Kirchenordnungen des 3. Jh. entwerfen.

Man kann aufgrund der Charismen-Kataloge des Neuen Testaments das Dienen als ausgeprägtes Charisma bezeichnen. Dabei wird das Dienen überall vom Lehren als dem typischen Wort-Charisma unterschieden. Gleichzeitig mit dem Dienen wird das Beten als Aufgabe der Frauen genannt. Beides wird jedoch vom Lehren ausdrücklich unterschieden:„… Es ist also nicht nötig oder gar dringend erforderlich, daß Frauen Lehrerinnen sind … Denn nicht um zu belehren, seid ihr Frauen und besonders ihr Witwen angestellt, sondern um zu beten und Gott den Herrn zu bitten. Denn unser Gott der Herr, Jesus Christus, unser Lehrer, hat uns, die Zwölf, ausgesandt, das auserwählte Volk und die Heidenvölker zu lehren. Es waren aber mit uns Jüngerinnen: Maria von Magdala und Maria, die Tochter des Jakobus und die andere Maria; er hat sie jedoch nicht ausgesandt, mit uns das Volk zu belehren. Denn wenn es nötig gewesen wäre, daß die Frauen lehrten, so hätte unser Herr ihnen befohlen, mit uns zu unterweisen.“8

Das Verbot des Lehrens hängt an 1 Kor 14,34. 9

Gegenüber dem Lehren von Lehrern besteht wohl – mutmaßlich von Jesus an – im frühen Christentum eine gewisse Zurückhaltung. Mt 23,7(9)–12 bezeugt das bereits, und in 1 Tim 2,12 wird es speziell für Frauen formuliert. Doch es gilt generell für Männer und Frauen. Das Matthäusevangelium wird als Komposition und Sammlung der Lehrworte Jesu gegen die Autorität der Lehrenden gestellt. Es ist nicht zufällig, daß in Mt 23,11 das „Dienen“ an die Stelle des mitmenschlichen Belehrens tritt. So meine ich, die Intention Jesu nicht zu verfehlen, wenn ich eben das „Dienen“ als jesuanisches Störmanöver gegenüber jeglichem egozentrischem Autoritätsstreben in der Gemeinde herausstelle. Daß das noch einmal besonders von Frauen gilt (1 Tim 2,12), hat rekonstruierbare besondere Gründe. Dennoch scheint aufs Ganze gesehen doch Paulus (wegen der besonderen Rolle des heiligen Geistes in seiner Theologie) derjenige zu sein, in dessen Umkreis weibliche Begabungen besonders erblühen konnten. Ein guter Beleg ist Tertullian.10 Er richtet sich zu Anfang des 3. Jh. gegen die Acta Pauli, weil darin Frauen predigen und taufen durften (z.B. die hl. Thekla). Dagegen berichten die Acta Xanthippae et Polyxenae, daß diese Frauen nebst Rebekka nicht gelehrt hätten. Doch um beten zu lernen braucht Xanthippe keine menschliche Autorität (Kap. 3).

2.3  Dienen, Beten, Prophezeien

Nicht betroffen vom Verbot des Lehrens ist das Prophezeien. Jedoch ist offenbar das Prophezeien für die Wahrnehmung der damaligen Menschen so weit vom Lehren entfernt, daß eine Überschneidung oder Verwechslung nicht zur Debatte stand.

Wir fragen an dieser Stelle daher: Warum sind Dienen, Beten (insbesondere im Witwen-Amt) und Prophezeien für Frauen möglich, und zwar auch in der Öffentlichkeit des Gemeindegottesdienstes, Presbyterat, Episkopat und Lehren dagegen nicht? – Die Antwort kann nur sein: Beim Beten und Prophezeien, aber auch eben beim Dienen ist der geistliche Charakter (Himmelsbezug) weitaus stärker ausgeprägt als bei den stärker funktional geprägten Aktivitäten von Lehren, Presbyterat, Diakonat und Episkopat.

Das ist nun unbedingt näher zu begründen. Denn auch die weitere Entwicklung der Rolle der Frauen in der Kirche folgt diesen Bahnen und dieser offenbar grundlegenden Unterscheidung. Das heißt: Beim Beten – und das wird besonders beim Witwenamt erkennbar – wie beim Prophezeien und Dienen (direkt im Anschluß an das Vorbild Jesu vgl. Lk 22; Joh 13,15f) wird der himmlische Ursprung dieser Gaben ohne weiteres wahrgenommen, und darüber herrscht offenbar auch für viele Jahrhunderte Konsens. Prophezeien und Beten sind vom heiligen Geist verliehene Gaben (vgl. Lk 1,67; 11,2.13; Röm 8,26f), auch die Worte des Beters sind inspiriert, und das Dienen ist eine vollständig jesuanische Aktivität. Die ‚jesuanische‘ Eigenschaft dieses Tuns ist so zu begründen:

2.4  Jesus selbst ist das Beispiel

Laut Mk 10,45 ist Jesus gekommen, nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben einzusetzen für alle, und zwar als Lösegeld. Besondere Bedeutung hat diese Stelle, weil sie mit dem zentralen Stichwort „Menschensohn“ verbunden ist. Laut Lk 22,27 sagt Jesus beim letzten Mahl: „Ich bin mitten unter euch als derjenige, der dient.“ Die Anwendung auf die Jünger hatte Jesus in 22,26 gegeben: „Der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste. Und der Leiter wie der, der dient.“ Hier stoßen wir wieder auf das paradoxe Autoritätsmodell Jesu, mit dem wir oben begonnen hatten. Schließlich wird die Fußwaschung in Joh 13 als Dienen Jesu an den Jüngern verstanden (13,16). In Vers 16 geht es wie in den Worten vom Rangstreit um den, der ‚größer‘ ist. Daher gilt: Das Dienen ist deshalb besonders jesuanisch, weil es nach allen Evangelien der Weg Jesu ist. Auch Phil 2,6–11 setzt noch diese Erkenntnis voraus.

2.5  Der sichere Weg zu Hoheit, Macht und Ehre

Für viele Menschen ist es ein gravierendes biographisches Problem, ob und wo es diesen Weg gibt. Es ist auch ein weg zum Glück. Und oft unterstellt man Frauen, die ein Weiheamt anstreben, es gehe ihnen nur um den sicheren Weg zu Macht, Hoheit und Ehre. Jesus ist, weil er selbst so einen Weg gegangen ist, eine Art Lebensberater und Weisheitslehrer. Um diesen Weg geht es in Phil 2,6–11. Denn am Ende dieses Weges erreicht Jesus das Ziel: Die ganze Welt liegt ihm zu Füßen wie einem Superstar unserer Tage. Der Weg Jesu – das muß von Anfang an klar sein – funktioniert nur, weil es Gott gibt. Denn Jesus wagt das Extreme, als Bote Gottes gehorcht er, nimmt demütig den Tod in Kauf. Denn das ist der normale Weg für Menschen auf der Seite Gottes. Gäbe es Gott nicht, dann wäre dieser Weg frustrierend erfolglos. Es ist der Weg vom Sklaven zum Weltherrscher. Jesus hat gezeigt, daß es so geht. Die Ehre, mit der er gekrönt wird, ist die des Gehorsamen und Erniedrigten.

2.6  Wer betet, ist Großmacht

Übrigens wird Jesus auch als der große Beter dargestellt.11 Man kann eben beides von ihm lernen: Dienen und Beten. Dagegen wird Jesus als Vorbild der Bischöfe nicht genannt. Im Blick auf die weitere Kirchengeschichte ist daher die These zu wagen: In allen grundlegend geistlichen Aktivitäten gab es für Frauen ein völlig ungehindertes Betätigungsfeld. Je stärker dagegen die technische, funktional-organisatorische oder mit Machtausübung und Verwaltung behaftete Tätigkeit in den Vordergrund trat, um so schwächer wurde die Anteilhabe der Frauen. Fast könnte man die „frommen“ Aktivitäten von den „eher weltlichen“ Aktivitäten unterscheiden und sagen: in den frommen Aktivitäten hatten und haben alle Frauen freie Bahn.

Dagegen sind die Funktionen von Lehren, Diakonat, Presbyterat und Episkopat gleichzeitig auch stark funktional oder organisatorisch ausgerichtet. Kirche ‚geht‘ nicht ohne Machtausübung. Aber gerade diese ist der Botschaft Jesu entgegengesetzt. Man kann sagen: Das ist die Tragik zum Beispiel des Franziskaner-Ordens. Auflösbar wird diese Tragik vielleicht nur durch eine systematisch eingeübte und in der Biographie für jeden Tag größere Rolle der Kontemplation. Kann man nicht am Beispiel der Kartäuser sehen, daß eine kontemplative Kirche auch eine numquam reformanda