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Plötzlich Prinzessin! Weil Natalie verblüffende Ähnlichkeit mit Prinzessin Valentina hat, soll sie eine Weile deren Rolle spielen. Doch in der prunkvollen Welt verliebt sie sich in Prinz Rodolfo, den gutaussehenden Verlobten der echten Prinzessin …
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Seitenzahl: 170
IMPRESSUM
Prinzessin auf Zeit, Geliebte für immer? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2017 by Caitlin Crews Originaltitel: „The Prince’s Nine-Month Scandal“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 451 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Trixi de Vries
Umschlagsmotive: GettyImages
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733728786
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Natalie Monette hatte in ihren siebenundzwanzig Lebensjahren kein einziges Mal etwas Unbedachtes getan – und bis jetzt war sie darauf immer sehr stolz gewesen. Nach der Kindheit bei einer rastlosen Mutter, die als Freigeist in der ganzen Welt umherflatterte, nie einen festen Wohnsitz hatte und der alles zuwider war, was auch nur den Anschein von Normalität verkörperte, legte Natalie als erwachsene Frau größten Wert auf Sicherheit und Vorhersehbarkeit – besonders im Beruf.
Nun reichte es ihr allerdings.
Fünf lange Jahre hatte sie es bei ihrem extrem eigenwilligen Chef ausgehalten. Wohlwollend würde der egozentrische Milliardär ihre Kündigung ganz sicher nicht akzeptieren. Natalie graute schon vor seiner Reaktion! Als seine persönliche Assistentin kannte sie seine Wutausbrüche zur Genüge.
Zuletzt hatte er sie wegen eines eingebildeten Fehlers vor der gesamten Chefetage in London heruntergeputzt. Da war für Natalie das Fass endgültig übergelaufen. Jetzt ist Schluss! hatte eine innere Stimme ihr zugeraunt. Du musst kündigen, sonst gehst du noch zugrunde!
Natalie konnte sich kaum vorstellen, wie es sich anfühlen mochte, nicht auf Gedeih und Verderb einem Tyrannen ausgeliefert zu sein. Oh ja! Irgendwo würde es einen besseren Job für sie geben.
Warum sollte sie also nicht ein einziges Mal etwas Unbedachtes tun und wirklich auf der Stelle kündigen? Es konnte ihr doch gleichgültig sein, ob ihr Chef mit einem Wutanfall darauf reagieren würde.
Natalie seufzte. Gerade befand sie sich im noblen VIP-Waschraum eines kleinen Privatflugplatzes am Londoner Stadtrand, wusch sich die Hände und versuchte, sich zu beruhigen. Normalerweise behielt sie in allen Situationen einen kühlen Kopf. Aber heute war gar nichts normal.
Völlig in Gedanken versunken nahm sie kaum wahr, wie die Schwingtür sich öffnete und eine Frau sich neben sie an den marmornen Waschtisch stellte. Natalie bemerkte aus den Augenwinkeln lediglich das glamouröse Erscheinungsbild des anderen Fluggastes, beachtete die Frau aber nicht weiter. Sie war einfach zu beschäftigt damit, sich zu überlegen, wie sie ihrem Chef die Kündigung plausibel machen sollte. Jetzt oder nie, dachte sie entschlossen. Sonst würde sie ja doch wieder klein beigeben und sich weiterhin tyrannisieren lassen.
„Entschuldigen Sie, aber Sie kommen mir irgendwie bekannt vor!“, sagte die Frau neben ihr plötzlich.
Die Stimme klang sehr kultiviert. Natalie beschlich ein komisches Gefühl. Es konnte gar nicht angehen, trotzdem war sie sicher, diese Stimme zu kennen. Unmöglich, ich verkehre ja nicht in diesen Kreisen, dachte Natalie verwirrt, sah aber trotzdem auf, um im Spiegel das Gesicht der feinen Dame neben ihr zu betrachten.
Und plötzlich schien die Welt aus den Fugen zu geraten …
Natalie stockte der Atem. Die Frau neben ihr war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten!
Das kupferrote Haar war anders gestylt. Auch fehlte die schwarze Hornbrille, hinter der Natalie ihre grünen Augen verbarg. Aber davon abgesehen, waren die Gesichter identisch: die schmale Nase, das leicht herausfordernd wirkende Kinn, die hochgezogenen Augenbrauen, die hohe Stirn. Allerdings war die andere Frau etwas größer, wie Natalie seltsam erleichtert feststellte. Automatisch ließ sie den Blick an ihrer Nachbarin hinuntergleiten und bemerkte die superhohen Absätze, die nur Frauen tragen konnten, die lediglich kurze Strecken zu Fuß gehen mussten. Dadurch gewann sie mindestens sechs Zentimeter, denn Natalies Sandaletten waren nur halb so hoch. Schließlich musste sie ja ständig mit ihrem durch die Gegend hastenden Chef Schritt halten.
Die andere Frau atmete tief durch. „Als ich Sie vorhin aus der Ferne gesehen habe, ist mir eine gewisse Ähnlichkeit zwischen uns aufgefallen, auf die ich Sie gern ansprechen wollte. Aber das hier ist ja …“ Ihr fehlten die Worte.
Fassungslos beobachtete Natalie, wie sich ihre Lippen im Gesicht einer anderen Frau zu bewegen schienen. Der Spiegel schien ein Eigenleben zu führen. Aber das war doch unmöglich.
„Das hier ist mehr als eine gewisse Ähnlichkeit.“ Die andere Frau hatte die Stimme wiedergefunden.
„Aber ich verstehe das nicht“, stieß Natalie schockiert hervor. „Wie ist das möglich?“
„Keine Ahnung.“ Nachdenklich blickte die Frau vor sich hin. „Faszinierend, oder?“ Sie wandte sich vom Spiegel ab und musterte Natalie nun direkt. „Ich bin übrigens Valentina“, sagte sie schließlich freundlich.
„Und ich Natalie.“ Jeder Mensch hatte ja angeblich irgendwo auf dem Planeten einen Zwilling. Doch dabei ging es eher um oberflächliche Ähnlichkeiten und identische Mimik und Gestik. Die Frau neben Natalie war ihr aber wie aus dem Gesicht geschnitten, sogar der winzige Schönheitsfleck auf der linken Wange war identisch. Das konnte ja nur bedeuten, dass …
Nein, in diese Richtung mochte Natalie gar nicht weiterdenken! Solche Erwägungen würden alles nur verkomplizieren. Außerdem war Natalies Kindheit ein Kapitel in ihrem Leben, mit dem sie abgeschlossen hatte. Nur zu gut erinnerte sie sich daran, wie ihre Mutter stets behauptet hatte, nicht zu wissen, wer Natalies Vater gewesen sein könnte …
Während Natalie sich noch redlich bemühte, nicht die Nerven zu verlieren, kam ihr plötzlich ein Gedanke. Der Name Valentina sagte ihr etwas. Natürlich! Ihr fiel ein, wer heute noch eine Maschine von diesem Flugplatz nehmen wollte und die Terminplanung ihres Chefs dadurch kräftig durcheinandergewirbelt hatte.
Immer dieser Hochadel, hatte Natalie noch abfällig gedacht. Sie hatte für diese hochnäsigen Leute nichts, aber auch gar nichts übrig. Seit frühester Kindheit war ihr von ihrer Mutter eingebläut worden, wie nutzlos die Mitglieder des Hochadels waren. Wenn andere kleine Mädchen sich als Prinzessinnen verkleideten, die auf ihren Traumprinzen warteten, hatte ihre Mutter nur verächtlich das Gesicht verzogen. „Es gibt kein Happy End“, hatte sie Natalie versichert. „Das Gerede davon ist dummes Zeug. Es soll dich nur einlullen. Darauf fällt meine Tochter aber nicht herein. Du musst realistisch sein, Natalie.“
Daran hatte Natalie sich bisher immer gehalten. Und jetzt? Verstört betrachtete sie Valentina. „Du bist eine Prinzessin, oder?“
„Ja, leider.“ Valentina lächelte flüchtig. „Du aber auch, wie ich stark annehme.“
Natalie musterte sie schockiert. Sie weigerte sich, dieser offensichtlichen Tatsache ins Auge zu sehen. „Wir können gar nicht miteinander verwandt sein. Ich arbeite als Direktionssekretärin und bin ohne festen Wohnsitz aufgewachsen. Du bist eine Prinzessin! Wahrscheinlich lebst du in einem Schloss – und deine Abstammung lässt sich bis zu den alten Römern nachweisen, oder?“
„Mehr oder weniger.“ Valentina nickte würdevoll. Bei Natalie hätte diese edle Geste vermutlich lächerlich ausgesehen, aber bei der Prinzessin wirkte sie vollkommen natürlich. „Es kommt darauf an, welchen Zweig der Familie man betrachtet …“
„Aha. Ich hatte bisher immer gedacht, dass eine königliche Familie mit Anspruch auf einen Thron nicht so leicht ein Familienmitglied aus den Augen verliert.“
„Das sehe ich genauso“, antwortete Valentina zustimmend und betrachtete Natalie eingehend. „An die Verschwörungstheorie, dass meine Mutter ums Leben gekommen sein soll und ihr Tod vertuscht worden ist, habe ich nie geglaubt. Ihre Abwesenheit wurde mir damit erklärt, dass sie den Anforderungen an ein Leben als Königin nicht gewachsen war und deswegen aus freien Stücken weggegangen ist. An die Gerüchte, dass sie wegen psychischer Probleme in einer Spezialklinik behandelt wird, habe ich auch nie geglaubt. Jedenfalls habe ich meine Mutter nie kennengelernt. Mein Vater hat mir erzählt, dass meine Mutter sich von allen Bindungen freimachen wollte und untergetaucht ist.“
Am liebsten hätte Natalie die Flucht ergriffen und sich wieder für ihren anstrengenden Chef in die Arbeit gestürzt. Dann hätte sie vielleicht so tun können, als wäre die Begegnung im Waschraum nur ein Traum gewesen. Stattdessen atmete sie tief durch und vertraute ihrem Ebenbild ein bis dato perfekt gehütetes Geheimnis an.
„Ich habe meinen Vater nie kennengelernt“, gestand sie leise und wunderte sich über das Vertrauen zu einer Wildfremden, selbst wenn diese aussah wie sie selbst. Seltsam, aber es kam ihr vor, als hätte sie Valentina schon ihr ganzes Leben lang gekannt … Beherzt sprach Natalie weiter. „Meine Mutter hat immer behauptet, sie hätte keine Ahnung, wer mein Vater ist. Aber sie hat mir immer wieder eingeschärft, dass es im wahren Leben keine Märchenprinzen gibt. Dass sie nur eine Erfindung sind, um junge Mädchen einzulullen. Und dass man keinem Mann vertrauen darf …“ Nach kurzem Schweigen fügte Natalie hinzu: „Meine Mutter hat sich von einer Affäre in die nächste gestürzt. Irgendwann hab ich ihr geglaubt, dass sie vergessen hat, wer mich gezeugt hat.“
Valentina lachte. Es klang tief und rauchig – wie mein eigenes Lachen, dachte Natalie schockiert.
„Man kann ja viel über meinen Vater behaupten“, sagte Valentina amüsiert. „Er ist Seine königliche Hoheit, König Geoffrey von Murin. Aber jede Frau würde sich daran erinnern, mit ihm zusammen gewesen zu sein. Davon bin ich überzeugt.“
„Du unterschätzt meine Mutter“, widersprach Natalie. „Sie hat ihre Neigung zu Gedächtnisverlust zu einer Art Kunstform erhoben. Manchmal bewundere ich diese Gabe.“ So offen hatte Natalie noch nie mit jemandem über ihre Probleme gesprochen.
„Meine Mutter Frederica de Burgh entstammt einer sehr alten Adelsfamilie in Murin.“ Valentina ließ Natalie nicht aus den Augen, um keine Reaktion zu verpassen. „Schon seit ihrer Geburt war sie meinem Vater versprochen und wurde im Kloster erzogen. Später erklärte man sie dann wegen angeblich psychischer Probleme ungeeignet für die Aufgaben einer Königin. Ich bezweifle das, aber irgendwie mussten sie ihr Verschwinden ja begründen, oder? Wie heißt deine Mutter?“
Natalie stellte seufzend ihre schwere Handtasche auf der Marmorkonsole des Waschbeckens ab. „Sie nennt sich Erica.“
Erica? Das klang ja wie eine Kurzform von Frederica! Wissend und schockiert zugleich musterten die beiden Frauen einander.
Plötzlich nahm Natalie ihre Umgebung überdeutlich wahr: den Fluglärm, den viel zu laut gestellten Nachrichtensender in der VIP-Lounge. Wahrscheinlich wunderte ihr Chef sich bereits, wo sie so lange blieb, und würde gleich wütend in den Waschraum stürmen.
„Ich habe vorhin den berühmt-berüchtigten Milliardär Achilles Casilieris in der VIP-Lounge gesehen.“ Valentina schien Natalies Gedanken zu lesen. „Er ist ja noch furchteinflößender als auf Fotos. Man spürt seine Power förmlich.“
„Er ist mein Chef. Und wenn ich ihm nicht sofort wieder zur Verfügung stehe, reißt er mir den Kopf ab“, sagte Natalie trocken.
Das war ihre erste laut geäußerte Kritik an dem Mann, dessen weltweit operierendes Unternehmen die Rezession völlig unbeschadet überstanden hatte. Sofort kam Natalie sich wie eine Verräterin vor. Fünf lange Jahre hatte sie für ihren anstrengenden Chef gearbeitet. Und obwohl sie entschlossen war, den Job an den Nagel zu hängen, kam sie sich wie eine Verräterin vor, weil sie sich einer Frau anvertraute, die aussah wie sie, die sie aber gar nicht kannte. Natalie wusste plötzlich gar nicht mehr, wer sie eigentlich war.
Die Prinzessin zog gerade ein brummendes Handy aus der eleganten Lederclutch, die sie achtlos auf die Konsole gelegt hatte. „Mein Verlobter“, sagte sie, warf einen Blick gen Himmel und schob das Handy wieder zurück. „Oder besser gesagt sein Adjutant.“
„Herzlichen Glückwunsch zur Verlobung.“ Natalie betrachtete Valentina neugierig. Freudensprünge machte die Prinzessin ja nicht gerade.
„Danke. Ich habe wirklich Glück.“ Valentina rang sich ein Lächeln ab, doch ihre Augen blickten ernst. „Prinz Rodolfo ist wirklich attraktiv. Die Paparazzi sind ganz heiß darauf, der Welt seinen durchtrainierten Körper zu präsentieren. Oder seine unzähligen Affären mit Models und Schauspielerinnen aus mindestens vier Kontinenten. Daran hat sich auch seit unserer Verlobung im Herbst nichts geändert.“
„Klingt nach einem echten Märchenprinz“, spottete Natalie, die sich in ihrer Meinung über die oberen Zehntausend mal wieder bestätigt fühlte.
Valentina zuckte die Schultern. „Er steht auf dem Standpunkt, bis zur Hochzeit ein freier Mann zu sein. Nach der Geburt des Thronfolgers will er sich auch wieder seine Freiheiten nehmen. Hoffentlich ist er dann wenigstens diskreter. Aber ich bin natürlich überglücklich, in nur zwei Monaten meinen Platz an seiner Seite einnehmen zu müssen.“
Natalie lachte über Valentinas Ironie und fühlte sich der Frau eng verbunden. „Dann stehen uns beiden ja aufregende zwei Monate bevor. Mr. Casilieris ist nämlich gerade in Hochform und arbeitet an einem besonders komplizierten Deal. Im Moment läuft es nicht so gut, das ist er nicht gewohnt. Statt zwanzig Stunden muss ich also jetzt noch zwei Stunden länger am Tag seine Launen ertragen.“
„Das kann auch nicht schlimmer sein, als mit einem höflichen Lächeln den stundenlangen Ausführungen seines zukünftigen Ehemannes über die absurden Erwartungen an die eheliche Treue in einer Vernunftehe zu lauschen. Absurd ist für ihn, mir bis zur Geburt des Thronfolgers treu bleiben zu müssen. Von mir wird aber wie selbstverständlich erwartet, dass ich Erfüllung in wohltätiger Arbeit finde. Wie seine fast als Heilige verehrte Mutter, die sich angeblich aus Gesundheitsgründen nach Bayern zurückziehen musste, um dort ein abgeschiedenes Leben zu führen.“
„Dann versuch mal, die Zähne zusammenzubeißen und nicht in Tränen auszubrechen, wenn dein schlecht gelaunter Chef dich innerhalb einer Stunde hundertmal grundlos zur Schnecke macht“, antwortete Natalie lächelnd. „Was meinst du, wie oft ich schon drauf und dran war, den Medien zu stecken, wie er wirklich ist.“
Valentina setzte noch einen drauf. „Wie würden dir stundenlange Presseinterviews zu deiner bevorstehenden Hochzeit gefallen? Wobei die Antworten vorher in mühsamer Kleinarbeit mit dem Hofpressestab eingeübt werden müssen, bis man nur noch Süßholz raspelt und sich wie eine Comicfigur fühlt.“
„Apropos Süßholz: Ich muss auch Schönwetter bei den Vorständen des Unternehmens machen, wenn Mr. Casilieris die Direktoren mal wieder wie ungezogene Schuljungen abgefertigt hat“, erzählte Natalie. „Seine verflossenen Geliebten muss ich auch besänftigen. Auch keine leichte Aufgabe, jede Ex hat ihren eigenen Racheplan. Ganz zu schweigen von den verängstigten Angestellten, die ich vor Terminen mit ihm coachen muss. Einige von ihnen mussten schon wegen posttraumatischer Belastungsstörungen behandelt werden. Außerdem ist da noch das Hauspersonal in seinen Residenzen rund um den Erdball. Wenn diese Leute was von ihm wollen, schicken sie immer mich vor, weil sie genau wissen, dass er in die Luft gehen wird.“
Wissend nickten die beiden Frauen einander zu – wie beste Freundinnen. Oder Schwestern, dachte Natalie. An diese Vorstellung konnte sie sich aber nicht so schnell gewöhnen.
Angestrengt überlegte sie hin und her. Mr. Casilieris hatte sie gerade so sehr heruntergeputzt, dass sie es keine Sekunde länger bei ihm aushalten konnte. Ich muss verschwinden, dachte sie entschlossen und sah Valentina an.
„Ehrlich gesagt bin ich drauf und dran, noch heute zu kündigen“, vertraute sie Valentina an.
„Ich kann leider nicht so einfach kündigen!“, seufzte Valentina. Da trat plötzlich ein abenteuerliches Funkeln in ihre Augen. „Ich habe eine Idee! Wir tauschen die Rollen. Sagen wir, für einen Monat. Höchstens für sechs Wochen. Einfach so.“
„Das ist völlig verrückt.“
„Stimmt.“ Valentina nickte. „Aber für dich ist das Hofprotokoll mal was anderes, und ich wollte schon immer mal ausprobieren, wie es ist, richtig zu arbeiten.“
„Aber wir können doch nicht einfach die Rollen tauschen. Wie soll ich mich denn plötzlich in eine Prinzessin verwandeln?“
„Ach, das schaffst du schon. Jedenfalls hättest du Zeit darüber nachzudenken, ob du deinen Job wirklich kündigen willst. Es wäre ein schöner Urlaub für dich. Weißt du schon, wo Achilles Casilieris sich in sechs Wochen aufhalten wird?“
„Vermutlich in London“, antwortete Natalie und fing insgeheim bereits an, ernsthaft über Valentinas unglaublichen Vorschlag nachzudenken.
Valentina lächelte zufrieden. „Prima, dann treffen wir uns in sechs Wochen in London wieder. Wir bleiben über die Handys in Kontakt, um Detailfragen zu klären. In sechs Wochen schlüpfen wir dann wieder zurück in unser eigenes Leben. Niemand wird etwas merken. Das wird bestimmt ein großer Spaß.“ Mitfühlend musterte sie Natalie. „Du siehst aus, als könntest du etwas Spaß gebrauchen.“
„Das kann gar nicht funktionieren“, sagte Natalie pessimistisch. Doch sie wirkte nicht völlig abgeneigt. „Niemand wird mir abnehmen, dass ich du bin.“
Valentina machte eine wegwerfende Geste. „Wie soll uns denn jemand auseinanderhalten? Ich kann es ja selbst kaum.“
„Man wird mir auf den ersten Blick ansehen, dass ich nicht du bin“, beharrte Natalie. „Du siehst aus wie eine Prinzessin.“
Aus langjähriger Gewohnheit sprach Natalie das Wort mit tief empfundener Verachtung aus, aber Valentina ließ sich nichts anmerken. „Du kannst auch wie eine Prinzessin aussehen!“, beteuerte sie lächelnd. „Du tust es bereits.“
„Aber ich habe weder deine Eleganz noch deine Haltung“, gab Natalie zu bedenken. „Die hast du dir sicher über Jahre hinweg erarbeitet. Du hast gelernt, diplomatisch und stets höflich zu sein. Du, du … Na ja, du weißt immer genau, wann man welche Gabel für welches Essen benutzt und all das!“
„Achilles Casilieris gehört zu den reichsten Männern auf diesem Planeten. Er diniert ebenso oft in königlicher Gesellschaft wie ich. Als seine PA hast du ihn sicher schon oft begleitet und längst gelernt, in welcher Reihenfolge das Besteck zu benutzen ist.“
„Trotzdem, wir würden niemals damit durchkommen“, flüsterte Natalie. Oder vielleicht doch? Insgeheim konnte sie sich den Rollentausch gut vorstellen. Einmal Prinzessin sein … Sich verwöhnen lassen, in einem Schloss wohnen … Nur sechs Wochen lang. Eigentlich hatte sie nach fünf stressigen Jahren doch mal eine Abwechslung verdient, oder?
Valentina lächelte siegesgewiss. Sie spürte, dass Natalie auf ihre Idee eingehen würde, und zog schon mal den spektakulären Verlobungsring vom Finger. Sie legte ihn auf die Marmorkonsole. „Probier ihn mal an! Es ist ein uraltes Familienerbstück aus Prinz Rodolfos Safe. Beeindruckend, oder?“ Sie hielt Natalie den Ring hin. „Wenn er nicht passt, vergessen wir das Ganze.“
Natalie ließ sich darauf ein. Sie konnte nicht anders. Was sie und Valentina da vorhatten, war völlig verrückt. Der Ring würde es beweisen …
Doch der Ring saß wie angegossen!
Schon als Kind hatte sie von so einem Glitzerring geträumt – und von einem echten Zuhause. Wie sehr hatte sie sich insgeheim danach gesehnt, zugehörig zu sein – zu einem Mann, einem Land, zu Traditionen.
Es schien, als wäre der Ring für sie gemacht. Natürlich gehörte er ihr nicht, aber ihn zu tragen, war wie ein Versprechen.
Die Würfel waren gefallen. Die beiden Frauen tauschten einen verschwörerischen Blick und zogen die Schuhe aus. Der Teppich im Waschraum fühlte sich geradezu absurd weich an! Ohne Hemmungen schlüpfte die Prinzessin vor Natalie aus ihrem edlen Kleid, offensichtlich daran gewöhnt, dass Bedienstete ihr beim An- oder Auskleiden zur Hand gingen. Mit leicht herrischem Blick bedeutete sie Natalie, ihrem Beispiel zu folgen.
Da Natalie nicht daran gewöhnt war, dass ihr andere Menschen beim Auskleiden zusahen, verschwand sie lieber in einem der WC-Räume und reichte Valentina diskret ihre Sachen heraus. Nervös nahm sie die exklusive Garderobe der Prinzessin entgegen. Erstaunlich, die Kleidung passte ihr wie angegossen, als wäre sie für sie geschneidert worden.
Natalie kam heraus und stutzte, als sie sich gegenüberstanden. Valentina wollte sich ausschütten vor Lachen, denn auch sie fand die Situation außergewöhnlich, nicht von dieser Welt.
Ein Problem gab es jedoch. Natalie war es nicht gewohnt, auf hohen Absätzen zu gehen. Ihre Knie protestierten, als sie in Valentinas High Heels schlüpfte.
„Du musst das Gewicht auf die Hacken verlagern, nicht auf Zehenspitzen gehen. Das sieht lächerlich aus. Lehn dich einfach zurück!“, sagte Valentina. Sie fühlte sich in Natalies flachen Sandaletten ausgesprochen wohl. Natürlich war auch die Schuhgröße der beiden Frauen identisch …
Doch dann fiel Valentinas Blick auf Natalies Brille. „Oje, daran habe ich nicht gedacht. Wahrscheinlich bekomme ich Kopfschmerzen, wenn ich deine Brille trage, und du bist blind wie ein Maulwurf.“
Natalie lachte. „Es ist nur Fensterglas.“ Sie nahm die schwarze Hornbrille ab. „Die Brille dient lediglich als Abschreckung. Immer wieder haben Mr. Casilieris‘ Geschäftspartner mir Avancen gemacht, was ihn sehr irritiert hat. Da habe ich schließlich in die Trickkiste gegriffen. Eine strenge Frisur dazu, und das Problem war gelöst.“
„Es ist mir unbegreiflich, wie idiotisch Männer sein können“, sagte Valentina amüsiert und setzte die Brille auf.
„Ach, die Männer haben mich nur als Ablenkungsmanöver während der Vertragsverhandlungen benutzt“, erklärte Natalie freimütig. „Du wirst es nicht glauben, aber viele Männer übersehen intelligent wirkende Frauen einfach.“ Natalie schüttelte das lange Haar aus und reichte Valentina das Haarband.
Sekunden später trug nun Valentina einen Pferdeschwanz.
Die Verwandlung war perfekt.