PROCURATOR - Erster Roman der GERMANICUS-Trilogie - Kirk Mitchell - E-Book

PROCURATOR - Erster Roman der GERMANICUS-Trilogie E-Book

Kirk Mitchell

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 1988 nach Christi Geburt...

Das Römische Imperium kämpft noch immer gegen die Barbaren...

Mit den modernsten Waffen halten die Römer die Barbaren des Nordens in Schach. Größte Gefahr droht dem Imperium jedoch von den Zaims – einem Geheimbund, der mysteriöse Morde begeht.

Der Procurator Germanicus Agricola erhält den Auftrag, diesen Geheimbund mit seinen Truppen zu vernichten. In seinem ausgeklügelten Plan hat er sich selbst die Rolle des Köders zugedacht. Doch nicht nur die Zaims haben es auf ihn abgesehen: Während er mit seinen Sandgaleeren das Land durchquert, versuchen finstere Mächte das Reich von innen zu zerstören...



»Ein ungemein spannendes Buch, das gelungenste Debüt eines jungen Autors der letzten Jahre...«

  • Science Fiction Chronicle



»Eine faszinierende und lebendige Welt... ein Roman der Sonderklasse.«

  • Science Fiction Review

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KIRK MITCHELL

Procurator

Erster Roman der GERMANICUS-Trilogie

Roman

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Der Autor 

Das Buch 

 

PROCURATOR 

Prolog 

I. 

II. 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

VIII. 

IX. 

X. 

XI. 

XII. 

XIII. 

XIV. 

XV. 

XVI. 

XVII. 

XVIII. 

XIX. 

XX. 

XXI. 

XXII. 

XXIII. 

XXIV. 

XXV. 

 

Der Autor

Kirk Mitchell, Jahrgang 1950.

Kirk (John) Mitchell ist ein US-amerikanischer Autor. Er beschäftigt sich vor allem mit Science Fiction und Alternative History und schreibt Romane zu Filmen. Teilweise schreibt er auch unter dem Pseudonym Joel Norst.

Im deutschsprachigen Raum wurde er hauptsächlich durch seine Germanicus-Trilogie bekannt: Procurator (1984, dt.: Procurator, 1988), The New Barbarians (1988, dt.: Imperator, 1989) und Cry Republic (1989, dt.: Liberator, 1990).

Mitchell studierte an der University of Redlands Englische Literatur und machte seinen Abschluss magna cum laude. Bevor er sich mehr der Schriftstellerei zuwandte, absolvierte er zunächst eine Ausbildung an der San Bernardino County Sheriff’s Academy und diente danach eine Weile als Hilfssheriff in einem Indianerreservat im Osten der Sierra Nevada, wo er zusammen mit einigen Paiute, Shoshone, und Comanche auf Wüstenpatrouille ging. Diese Erfahrung löste ein anhaltendes Interesse an den Kulturen dieser Völker und an ihrem modernen Stammesleben aus. Er beendete seine Karriere in der Strafverfolgung im Rang eines SWAT Sergeant von Südkalifornien.

Seit 1983 ist er hauptberuflich als Schriftsteller tätig.

Zu seinen bekanntestens Roman-Adaptionen von Filmen zählen (teilweise verfasst unter dem Pseudonym Joel Norst): The Delta Force (1986), Lethal Weapon (1987), Colors (1988), Mississippi Burning (1989) und Backdraft (1991).

Sein aktuellster Roman ist Under The Killer Sun: A Death Valley Mystery (2011).

Der Apex-Verlag veröffentlicht Neu-Ausgaben seiner Romane Procurator, Imperator und Liberator.

Das Buch

Wir schreiben das Jahr 1988 nach Christi Geburt...

Das Römische Imperium kämpft noch immer gegen die Barbaren...

Mit den modernsten Waffen halten die Römer die Barbaren des Nordens in Schach. Größte Gefahr droht dem Imperium jedoch von den Zaims – einem Geheimbund, der mysteriöse Morde begeht.

Der Procurator Germanicus Agricola erhält den Auftrag, diesen Geheimbund mit seinen Truppen zu vernichten. In seinem ausgeklügelten Plan hat er sich selbst die Rolle des Köders zugedacht. Doch nicht nur die Zaims haben es auf ihn abgesehen: Während er mit seinen Sandgaleeren das Land durchquert, versuchen finstere Mächte das Reich von innen zu zerstören...

»Ein ungemein spannendes Buch, das gelungenste Debüt eines jungen Autors der letzten Jahre...«

Science Fiction Chronicle

»Eine faszinierende und lebendige Welt... ein Roman der Sonderklasse.«

Science Fiction Review

PROCURATOR

Prolog

Jedes Jahr zum Anlass des Festes pflegte der Statthalter gemäß der Wahl des Volkes einen Gefangenen freizulassen. Damals hatten sie einen besonderen Gefangenen - sein Name war Barrabas. Der Statthalter rief daher die ganze Menge zusammen und fragte: »Wen wollt ihr, dass ich freilasse: Barrabas - oder Jesus, von dem es heißt, er sei der von Gott gesandte Messias?« Während Pilatus auf dem Thron des Richters saß, erhielt er eine Botschaft von seiner Frau, die ihm ausrichten ließ: »Lass die Hände von diesem Gerechten. Ich hatte seinetwegen einen beängstigenden, schweren Traum.«

Doch die Priester und die Ältesten überredeten die Menge, um Barrabas zu bitten, für Jesus hingegen sollten sie die Todesstrafe fordern. Also fragte der Statthalter ein weiteres Mal: »Wen soll ich freigeben?«

Die Menge rief: »Barrabas.«

Pilatus fragte dagegen: »Was soll ich mit Jesus tun, von dem man sagt, er sei der heilige Herrscher der Juden?«

Sie schrien alle zusammen: »Schlagt ihn ans Kreuz!«

Mit sorgenvoller Miene versank der Statthalter nun in Gedanken. Und als er daraus erwachte, verdoppelte er die Wachen beim Fest und befahl, Jesus freizulassen. Aus der Menge erhob sich daraufhin ein großes Geschrei gegen ihn an.

Aber Pilatus blieb unnachgiebig.

Der Statthalter... gab viel auf seine Frau und ihre Träume.

  I.

Als man ihn zum ersten Mal lebend gesehen hatte, war der Wachtposten auf dem Bahnstein der Station auf und ab gegangen. Die Kälte des Februars sog ihm Dampfwolken aus dem Mund. Von Zeit zu Zeit sah er sich über die Schulter nach der Schienengaleere vom Bosporus nach Parthia um, die in wenigen Augenblicken in pneumatischer Geräuschlosigkeit vorbeigleiten würde.

Vielleicht hatte er davon geträumt, diesen Ort zu verlassen; der Dienst im Osten Anatoliens war alles andere als angenehm. Sämtliche Kampfhandlungen fanden in den Novo Provinces gegen die kürzlich entdeckten Barbaren statt. Und die Mädchen hier standen zu sehr unter dem Einfluss ihrer sonderbaren Religion, als dass man seinen Spaß mit ihnen haben konnte.

Als die Schienengaleere schließlich in einem Schleier aus grünen, roten und weißen Lichtern vorbeigerauscht war, fand man den Wachposten mit dem Gesicht nach unten auf dem Eis. Er war tot. Aber an seinem Körper war nichts zu sehen.

Innerhalb von nur einer Stunde hatte in der Garnison von Firat das Gerücht die Runde gemacht, dass der Soldat durch die Haarspitzen verblutet war und seine Augäpfel in ihren Höhlen wie überreife Granatäpfel zerplatzt waren. Nach zwei Stunden hieß es, angeblich hätte einer der barbarischen Zaims oder Heiligen Männer gegen den Legionär zusammengeballt.

Die Zusammenballung war das, was die Römer in jenen schneebedeckten Außenposten entlang der Großen Arterie in diesem Winter am meisten fürchteten.

Wie der Zufall es wollte, war Germanicus Julius Agricola, der Militärstatthalter von Anatolien, seit zwei Stunden von Nova Antiochia aus unterwegs, als seine Schienengaleere in der Station von Firat haltmachte, um aufzutanken. Das stärkte die Moral der Männer erheblich, die glaubten, Germanicus sei wegen der Zusammenballung gekommen. In Wirklichkeit stand er am Anfang einer einmonatigen Inspektionsreise.

Germanicus trat hinaus auf den Bahnsteig, um sich die Beine zu vertreten, und wurde von einem ungestümen »Ave, Procurator!« aus dem Mund einer großen Zahl von Soldaten empfangen, die sich um die Station drängten.

Germanicus wandte sich an seinen Adjutanten, den Parther Marcellus. »Findet heraus, was hier vorgeht, Oberst.«

»Jawohl, Procurator.«

Dann begann Germanicus auf- und abzugehen, genau wie es der nun tote Legionär wenige Stunden zuvor getan hatte. Der Procurator war ein untersetzter Mann von fünfzig Jahren. Er hatte immer kräftig ausgesehen, und als Kind hatten seine Freunde ihm den Spitznamen Taurus - der Bulle - gegeben. Er hatte offene, haselnussbraune Augen, die in den Leuten unverzüglich den Wunsch weckten, sie hätten mehr für ihn getan - auch wenn sie ihr Bestes gegeben hatten.

Trotz all der Autorität, die er ausstrahlte, lag jedoch ein Zug sarkastischen Humors, sogar von zurückhaltender Traurigkeit um seinen Mund.

Um zehn Schritte seinem Atem, der in der Luft hing, voraus, kam Oberst Marcellus vom Hauptquartier der Garnison zurückgeeilt. »Nun?«, fragte Germanicus.

»Eine Zusammenballung. Die Männer sind überzeugt davon, einer der hiesigen Zaims hat einen Legionär getötet.«

»Welchen Zaim hat man im Verdacht?«

»Den ältesten Heiligen Mann des Dorfes Firat«, sagte Marcellus. »Soll ich seine Kreuzigung anordnen?«

»Nein, wartet. Ruft meinen Arzt. Wir werden uns zunächst die Leiche ansehen.«

Ein paar Minuten später bahnten sich Germanicus, Marcellus und Epizelus, der griechische, Arzt des Procurators, ihren Weg durch knietiefen Schnee zum Badehaus der Legionäre, wo der Leichnam aufbewahrt wurde, bis ein Isis-Priester aus der Provinzhauptstadt herkommen konnte. Gelber Dampf wallte an der Decke entlang. Der Tote war auf einer Bank neben dem Einweichbecken aufgebahrt worden. Ein Auge stand ein wenig offen.

»Kann man der Sache Glauben schenken?«, fragte Germanicus im Flüsterton, denn fünf oder sechs Legionäre, die sich in der Nähe herumdrückten, hingen an jedem Wort, das er sagte.

Der Doktor runzelte die Stirn. »Vorsatz kann nicht aus menschlichem Gewebe abgeleitet werden, Procurator. Kann man Vergewaltigung mit Samenspuren beweisen?«

»Ich bin kein Rechtsgelehrter. Ich möchte eine Antwort haben - ja oder nein.«

»Geduld, Herr.« Epizelus wandte sich an einen germanischen Centurio, der Wasser auf heiße Steine goss. »Wer ist der Tote?«

»Er sein Gaius Paulus, Herr.«

»Wie alt?«

»Vierundzwanzig.«

»Irgendwelche Krankheiten, von denen Ihr wisst?«

»Jawohl, Syphilis in Ephesus diesen Sommer.«

Epizelus schüttelte den kahlen Kopf und sagte zu Germanicus: »Wie oft muss ich Euch noch darum bitten, diese verdammten Örtlichkeiten an der Küste zu schließen?«

»Und die Vergewaltigung von Anatolierinnen um das Zehnfache anwachsen zu lassen?« Schweigend sah Germanicus zu, wie der Doktor die Augen des Toten aufhielt, auf seine weiße Brust pochte und seine Genitalien befingerte. »Was könnt Ihr sonst noch sagen, Epizelus?«

»Dies ist ein römischer Erwachsener von vier- oder fünfundzwanzig Jahren, etwa hundertacht Pfund, sechs Fuß groß«, antwortete er.

»Ist das alles? So viel kann ich selber sehen.«

»Ich werde die Erlaubnis zu einer Sektion benötigen.«

»Ihr habt sie.«

»Und etwas Ruhe, um ungestört zu arbeiten.«

»Alle hinaus!«, rief der Procurator barsch.

»Euch eingeschlossen, Procurator«, sagte Epizelus. »Oberst Marcellus mag bleiben, um meine Beobachtungen aufzuzeichnen - mit Eurer Zustimmung, natürlich.«

Während ihn draußen die Winternacht in Eiseskälte einhüllte, musterte Germanicus den Centurio. Heißer Dunst stieg von der Uniform des Mannes auf. Es sah aus, als koche er unter seinen Kleidern. »Wie ist Euer Name, Centurio?«

»Rolf, Herr.«

»Ein guter Name. Seid Ihr ein guter Soldat?«

»Jawohl«, antwortete er ernst.

»Kommt und zeigt mir, wo dies geschehen ist.«

Nahe bei der Station stand eine Gruppe Soldaten und rauchte Lungenkraut. Nach ihrem Aussehen zu urteilen, waren sie Veteranen. Eine raue Stimme fragte: »Procurator, was hat den Burschen niedergestreckt?«

Germanicus lächelte. »Flatulenz.«

»Wie bitte, Herr?«

»Furzen. Ich werde die Köche maßregeln.«

In ihrem Gelächter klang noch immer Beunruhigung mit. Aber Germanicus wusste, dass er ein Gegengerücht in Umlauf gesetzt hatte. Wie konnte es eine echte Zusammenballung sein, wenn der Procurator selbst Witze darüber riss?

Ein Lichtpunkt schoss im Bogen zum Himmel hinauf und explodierte in einem Funkenschauer. »Heute Nacht schon Leuchtkugeln?«, fragte Germanicus.

»Jawohl, Herr«, sagte Rolf. »Die ganze Nacht, jede Nacht jetzt - um die Wickelköpfe davon abzuhalten, sich zur Arterie zu schleichen. Wir nie wissen, wann nächster Angriff kommen.«

Germanicus hatte seine Feldflasche mit Essig dabei, den Soldatentrank aus dreitausend Jahren von Feldzügen und Okkupationen. Nichts stillte besser den Durst. Er bot etwas davon Rolf an, der das Gelass zur Hälfte leerte.

Der Germane spuckte das meiste von dem, was er getrunken hatte, in den Schnee. »Kein Wein. Wäre ich Procurator, müsste es gallischer Wein sein.«

Germanicus lachte. Als oberster Befehlshaber von Anatolien herrschte er über dreihunderttausend Quadratmeilen. Sein Zuständigkeitsbereich umfasste die alten Provinzen Galatien und Cappadocien sowie das untergegangene Königreich Armenien. Wenn der Kaiser das Amt nicht vor langer Zeit infolge der blutigen Ereignisse nach der Verschwörung der Prokonsuln abgeschafft hätte, wäre Germanicus der oberste Prokonsul des Imperiums gewesen. Aber er hatte immer noch Essig in seiner Feldflasche.

»Was für eine Art Legionär war dieser Paulus?«, fragte Germanicus.

Der Germane zuckte die Achseln, bevor er sprach, was darauf hindeutete, dass es da irgendein Problem gab, über das er nicht reden wollte. »Er in Ordnung gewesen, Herr. Gut mit dem Pilum wie mit der Klinge.«

»Hatte er es mit Frauen?«

»Hier keine Frauen, Herr, die willig sein.«

»Waren es Jungs, Centurio?«

Der Mann sagte nichts.

Germanicus schaute finster drein. »Das ist es also, warum der Zahn ihn sich vorgeknöpft hat.«

Sie sprangen die Stufen zum Bahnsteig hinauf. Im Licht der Station konnte Germanicus den Centurio besser sehen.

Der Mann war ein Krieger, so viel war klar - er war deutlich größer als sechs Fuß, ein kräftig gebauter Germane, ohne eine Spur von Fett auf den Rippen. Seine rötlichen Handrücken waren goldgefleckt wie Lachshaut, und er hatte einen vollen, blonden Schnurrbart. Der Veteran wusste genau, wie er in Anwesenheit eines Höherrangigen dastehen musste, ohne einen Fußbreit seiner eigenen ruhigen Würde aufzugeben.

»Wie lang seid Ihr schon im Dienst, Centurio?«, fragte Germanicus.

»Zwanzig Jahre, Herr.«

»Wo habt Ihr dem Kaiser gedient?«

»Zuerst vier Jahre bei der Leibgarde in Rom.«

»In der Tat?« Germanicus nickte anerkennend. Der Centurio sah wie aus dem Ei gepellt aus, so dass er durchaus bei den Männern des Kaisers gewesen sein konnte.

»Dann ich wechseln zur Sechsten Legion.«

»Aus welchem Grund?«, wollte Germanicus wissen.

»Um nach Germanien heimzugehen und bei meinem Vater sein, wenn er sterben. Drei Jahre dort. Vier auf Feldzügen gegen die neuen Barbaren.«

»Wie habt Ihr sie aufgespürt?«

»Die falschen Hunde sein wirkliche Meister des Überfalls aus dem Hinterhalt«, sagte der Germane respektvoll. »Dann drei Jahre in Hibernia.«

»Unter meinem alten Kommando bei der Dritten also?«

»Nein, nach Euch, Herr.«

»Aha, und was habe ich euch dort hinterlassen?« Das war eine Fangfrage. Germanicus könnte das augenblickliche Unbehagen des Mannes spüren. Hibernia war ein einziger Schlamassel, ganz gleich, wer dort Befehlshaber war. Dieser Germane war ein zu alter Hase, um in jedes Fettnäpfchen zu treten, und ein zu alter Soldat, um irgendwem um den Bart zu gehen. »Ist es auf der Insel besser geworden?«, fragte Germanicus.

»Ich war froh, als ich weg war, Herr.« Rolf blieb in einem Lichtkreis auf dem Bahnsteig stehen und brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. »Hier sein es, wo ich stehen. Und Paulus sein direkt gegenüber auf anderer Seite der Arterie. Die letzte Position des Legionärs war jetzt von der Schienengaleere des Procurators verdeckt.

Germanicus ließ den Blick umherschweifen, als hinge ein wichtiger Tatbestand möglicherweise wie eine Spinne in der Luft. »Welchen Eindruck machte Paulus beim Essen?«

»Keinen anderen als sonst auch.«

»War er nervös?«

»Nicht nervöser als gewöhnlich.«

Unter Germanicus' Führung gingen sie durch die Schienengaleere zum gegenüberliegenden Bahnsteig, wo der Legionär auf- und abgegangen war. Dort war nichts zu sehen außer einem hellen rötlichen Fleck auf dem Eis, wo der Mann zusammengebrochen war. »Habt Ihr Paulus gesehen, unmittelbar bevor die Schienengaleere zwischen euch kam?«

»Ja, Herr.«

»Und was hat er getan?«

Krähenfüße sprossen in den Augenwinkeln des Centurio. »Er sehen nach der Schienengaleere, die schnell näherkommen. Aber ganz plötzlich er schauen hinter sich - als ob jemand hinaufkriechen, um ihn zu überraschen. Dann die Bos-Parthia kommen zwischen uns. Gleich darauf die Schienengaleere sein fort und Paulus sein tot am Boden.«

»Was habt Ihr getan?«

»Ich geben Alarm.«

Oberst Marcellus kam mit erhitztem Gesicht durch die Schienengaleere. »Procurator!«

»Habt Ihr Neuigkeiten?«

»Jawohl«, sagte der Oberst ernst. In dem von oben herabfallenden nackten Licht war er eine kerzengerade Gestalt mit einer Adlernase und feuchten, brütenden Augen in der Farbe von Korkrinde. In den Handschuhen sahen seine Finger wie weiße Federbüsche aus - seine parthischen Vorfahren waren von königlichem Blut.

»Wartet in meinem Quartier«, wies Germanicus Marcellus an, dann warf er Rolf einen scharfen Blick zu. »Was haltet Ihr von dieser Zusammenballungs-Geschichte?«

»Es sein so, Herr. Zwei Tage vor heute Nacht dieser Zaim stolzieren prahlerisch herum und prahlen, er sein bereit, einen Römer zu töten, ohne ihn auch nur mit einem Finger zu berühren.«

»Was redet man so in der Kaserne?«

»Die Männer sagen, es sein ganz gewiss der Zaim gewesen. Nicht der geringste Zweifel, Procurator.« Der Centurio zog die Stirn in Falten. »Das sein mein Rat - nicht zulassen, dass die Zahns ihre alte Macht zurückgewinnen.«

»Ich habe nicht die Absicht, das zuzulassen. Und was Euch angeht: Holt Eure Sachen und teilt Eurem Tribun mit, dass Ihr bis auf weiteres zu meinem Stab abkommandiert seid.«

»Herr, mein Tribun sein ein sehr junger Offizier, der hier noch nicht recht Bescheid wissen.«

»Ihr habt Eure Befehle, Centurio.«

Der Mann nahm blitzartig Haltung an.

»Seid in einer halben Stunde an Bord meiner Schienengaleere. Wegtreten.«

Der Germane trabte den Bahnsteig hinab. Sein herabhängender Schnurrbart verstärkte den Eindruck, dass er betrübt war. Stabsdienst war keine Aufgabe für einen Mann, der das Schlachtfeld liebte. Schon gar nicht Dienst im Stab des Procurators.

Marcellus erhob sich von der Liege, als Germanicus den Wagen betrat, obwohl der Procurator murmelte: »Schon gut, schon gut.«

»Epizelus hat ein paar recht interessante Dinge herausgefunden, Herr.«

»Zum Beispiel?«

»Die Geschlechtskrankheit des Legionärs war im Abklingen begriffen. Sie spielt bei seinem Tod keine Rolle.«

»Das wird seine Eltern freuen. Was sonst?«

»Das, woran der Mann gestorben ist, nenne man ein Aneurysma.«

»Und was ist das?« Germanicus lehnte sich auf seiner eigenen Liege zurück und nahm einen Schluck Essig aus der Feldflasche.

»So gut wie ich es beschreiben kann, Herr, hat sich ein Blutgefäß in Paulus' Kopf aufgebläht und ist geplatzt.«

»Charicles, bring dem Oberst Wein«, befahl Germanicus seinem betagten Diener. »Für einen jungen Burschen eine merkwürdige Art zu sterben, was, Marcellus? Seid Ihr für mich noch einmal auf die Zusammenballung zu sprechen gekommen?«

»Das bin ich. Der Doktor kennt nichts dergleichen in der ärztlichen Wissenschaft. Er legt Euch nahe, Euch mit solchen hochgeistigen Fragen an Oberst Crispa zu wenden.«

Bei der Erwähnung der Frau schwiegen die Männer plötzlich.

Charicles tappte von der verräucherten Messe her durch den Gang; seine Zungenspitze lugte aus einem Mundwinkel hervor, während er ein Weinservice auf einem Tablett balancierte. »Guten Abend, die Herren.« Er lächelte, als hätte er einen Scherz gemacht. Aber es war nicht seine eigene Bemerkung, die ihn belustigte, sondern Marcellus' Anspielung auf Crispa.

Der alte Mann hatte Marcellus und Germanicus seit einer Weile zugehört. Er war sicher, dass er als einziger wusste, dass diese Offiziere beide die blasse, blonde gotische Schönheit liebten. Und das war kein Wunder: Trotz ihres hohen Ranges war sie eine sinnliche junge Frau mit verführerischen, fast gehetzten aquamarinblauen Augen. »Sonst noch etwas, Procurator?«

»Für mich nichts. Wir werden einen Centurio mitnehmen. Sieh zu, dass er irgendwo eine Koje bekommt.«

»Das wäre wohl der Germane?«, fragte Charicles voller Widerwillen.«

Germanicus klopfte dem Diener auf den gebeugten Rücken. »Trag es mit Fassung, alter Freund. Das ist die einzige Art, die ich kenne, seinen Seelenfrieden zu bewahren.«

»Aber ein Germane, Herr.«

Marcellus leerte seinen Becher mit einem einzigen Zug. »Nun, ich muss mich aufmachen, um das Auftanken zu überwachen. Irgendwelche weiteren Befehle, Herr?«

»Ja, stellt fest, wo, zum Hades, Crispa ist.«

»Sofort, Procurator.«

Als er allein war, machte Germanicus seinen Brustharnisch los und legte ihn beiseite. Er war sich vor Marcellus töricht vorgekommen. Es ärgerte ihn, dass man ihm seine Gefühle für Crispa ansehen konnte, obwohl sie immer leicht zu erkennen gewesen waren, seit sie in seinem Hauptquartier in Hibernia aufgetaucht war: eine schlanke Tribunin mit Augen, die für ihr Gesicht zu groß und für ihr Alter zu wissend waren. Sie war ihm wie die schöne Tochter einer anderen Welt erschienen, die nur in das Imperium gekommen war, um von allen um sie herum mit Bewunderung bedacht zu werden.

Aber der Procurator hatte das Räderwerk seiner Zuneigung nie in Bewegung gesetzt. Er hatte das ausgeprägte Gefühl, dass der Schwung dieser Leidenschaften, einmal ins Rollen gebracht, nicht zu bremsen war.

Außerdem hatte er eine Ehefrau in Ostia, die von schlechter Gesundheit war. Er würde sich sein Vergnügen nicht zum Preis ihres Leidens verschaffen.

Noch zwei Monate, und er würde wieder zu Hause sein - im Ruhestand. Das würde eine Erleichterung bedeuten. Er würde die Tage damit verstreichen lassen, an der Spitze der Landzunge unter dem Olivenbaum zu sitzen, dessen Blätter im Winter von der Salzgischt zerfressen wurden. Dort auch lag die Asche seines Sohnes versteckt. Er hatte Virgilia, seine Frau, belogen, als er ihr gesagt hatte, dass die Asche des jungen Tribuns über der Quelle des Tiber verstreut worden war. Sie sollte keinen Punkt haben, auf den sie ihren Kummer konzentrieren konnte.

Als seine Dienstzeit jedoch kürzer und kürzer wurde, lastete auf seinem Vorsatz, Crispa aus dem Weg zu gehen, eine solche Spannung wie auf einer bis zum Äußersten durchgezogenen Bogensehne. Nicht, dass es ihm an Willenskraft gefehlt hätte. Als er bemerkte, dass er an zu vielen seiner freien Abende zu tief in den Becher schaute, gab er den Wein auf und rührte nie wieder etwas anderes als Essig an. Als ihm Epizelus darüber hinaus erklärte, dass fortgesetztes Rauchen von Lungenkraut ihn um seinen wohlverdienten Ruhestand bringen konnte, nahm Germanicus die Tonpfeife aus dem Mund und zerbrach sie.

Es war beinahe so, als bereite es ihm Freude, sich von Dingen zu trennen, die er begehrte.

Seine Treue war zu einer Art Legende geworden. Die Legionäre unter seinem Kommando hatten eine Ballade komponiert, in der Germanicus Helena und Cleopatra nackt in seiner Kammer fand - ein paar Schönheiten hieß es da - und beide streng ermahnte, in seinem Bett gäbe es keine Ringkämpfe.

Alles wäre einfacher gewesen, wenn Crispa ihm nicht erklärt hätte, was sie für ihn empfand.

Es war während des Bürgerkriegs in Hibernia geschehen. Germanicus ordnete gerade die Inspektion einer Garnison an der Westküste der Insel an, als ein besorgter Ausdruck über Crispas Gesicht ging. Diese Tribunin war normalerweise derart pflichtbewusst und eifrig, dass Germanicus zu reden aufhörte und dann fragte: »Was ist los?«

»Brecht - brecht nicht auf, Herr.«

»Was?«

»Nicht heute«, sagte sie. Ihre Augen waren nun feucht vor Verlegenheit.

Germanicus lächelte, damit die anderen nicht von dem angesteckt wurden, was sie aus der Fassung brachte, was auch immer es war. Leute, die Tag für Tag unsichtbare Gefahren ertragen müssen, werden so abergläubisch wie Schafhirten. »Kommt, Tribunin«, sagte er fröhlich, »Ihr fahrt in meiner Sandgaleere.« Als er die Marmorstufen seines Hauptquartiers hinabgegangen war, hatte ihn ein flüchtiges Trugbild aufgeschreckt: Auf der Sonne lag ein Blutstropfen.

Charicles klopfte mit seinen harten Knöcheln an das Schott. »Procurator!«

Germanicus wurde aus seinen Erinnerungen gerissen. »Ja?« Sein Herz raste bereits wegen der Schärfe in der Stimme des alten Mannes.

»Marcellus sieht Feuer im Norden!«

»Wo ist er?«

»Auf Eurem Ballistae-Verteidigungsdeck.«

Germanicus rannte durch den Gang und polterte die Metalltreppe zu der Plattform im hinteren Teil seines Wagens hinauf. Marcellus starrte über das schneebedeckte Dach der Station hinweg in die Ferne.

»Hochexplosive Feuergarben in unregelmäßigen Abständen direkt über der Antenne der Station, Herr.«

»Wann war die letzte?«

»Erst vor ein paar Augenblicken.«

Germanicus lehnte sich mit den Unterarmen auf die Reling. »Wer, im Namen des Mars, kann dort in einen Kampf verwickelt sein?«

Marcellus gab keine Antwort.

»Ihr glaubt doch nicht... oder doch?«, fragte der Procurator.

»Der Bordfunker hat die letzten zehn Minuten über ihre Signatur durchgegeben. Keine Antwort.«

Plötzlich leuchteten orangefarbene Feuer auf, die ein paar Sekunden lang ihr Leben verstrahlten, dann klang tiefes Krachen aus der Dunkelheit herüber.

So war es jedes Mal, wenn eine Revolte begann: Eine einzelne römische Einheit musste es ausbaden, und die Barbaren bekamen einen leichten Sieg geschenkt. Übelkeit schnürte Germanicus den Magen zu. Er hatte ihr kein Feldkommando übertragen wollen.

»Geht hinunter zum Fernmeldewagen. Marcellus, und leitet das Abtasten persönlich.«

»Jawohl, Herr.«

Charicles brachte ihm einen Marderpelzmantel und einen großen Becher warmen Essig. »Sie kann auf sich aufpassen, verehrter Herr«, sagte der alte Mann leise.

»Bei Jupiter, ich hoffe es.« Germanicus kostete von der bitteren Flüssigkeit.

Im Norden flammten weitere orangefarbene Feuer auf.

Sie waren von derselben Farbe wie diejenigen, die er an jenem Tag in Hibernia draußen vor dem Fenster der Sandgaleere gesehen hatte, als er Crispas Warnung ignoriert hatte und trotzdem auf Inspektionsreise gegangen war. Innerhalb weniger Herzschläge war die Sandgaleere auf der Straße in ein ausgebranntes Wrack verwandelt worden. Mit versengten Haaren waren Crispa und er den Flammen im letzten Augenblick durch die Luke am Heck entkommen.

Sie waren in einen so grausamen Überfall aus dem Hinterhalt geraten, dass sie sich einfach nur an einen Steinwall pressten und auf den Tod warteten. Das Krachen der Pili und die Geräusche der griechischen Feuerwerfer, die ölige Flammenblitze über den Himmel spritzten, vereinigten sich zu einem Lärm wie kaskadenartig herabstürzendes Wasser.

Crispas Augen waren dicht an seinen.

Plötzlich verließen ein Tribun und ein Centurio ihre Deckung und stolperten in der Hoffnung, die Masse der Angreifer umgehen zu können, über ein steiniges Feld. Aber ein Feuerbogen zischte aus einem Dickicht und umschloss sie mit Flammenarmen. Sie brachen zusammen, als bestünden sie aus Spatzenknochen und Reispapier. Augenblicke später war nichts mehr von ihnen übrig.

»Verdammt!«, knurrte Germanicus.

»Ist ja schon gut«, sagte Crispa immer wieder zu ihm. »Schon gut... schon...«

Ein paar Legionäre kamen zu dem Schluss, dass ihre Chancen überall anders besser waren als da, wo sie gerade kauerten, und wie ein einziger angsterfüllter Körper sprangen sie auf und rannten von der blutbesudelten Straße fort.

»Nein!«, schrie Germanicus. »Bleibt hier, Kerle!«

Aber es war zu spät, sie vor den Pili zu retten. Germanicus schloss die Augen. Dann sah er Crispa an und lächelte hoffnungslos.

»Wenn wir jemals wieder, Tribunin, wenn wir jemals wieder...«

Etliche Meter entfernt brandete eine Woge griechischen Feuers über den Wall. Germanicus spürte diesen Samum von Menschenhand vor seinem Gesicht blasen. Er dachte an Karthago im Sommer, an frisch angeschnittene, in der heißen Sonne tropfende Melonen, die gierigen Augen der numidischen Huren...

Crispa legte ihre Rehwange an seinen Handrücken. Sie küsste seine Finger. »Ich liebe dich, Germanicus Julius Agricola.«

»Stimmen, hört ihr, Stimmen/« fingen die Legionäre längs des Walls zu schreien an, was das unverhoffte Paar voneinander zurückschrecken ließ.

Wie verlegen sahen sie aus, als sie von einer Centurie piktischer Freischärler gerettet wurden, die auf dem Rückweg von einem vierzehntägigen Urlaub in einem staatlichen Bordell waren. Die hundert Soldaten stolperten über die Säume ihrer wollenen Röcke, während sie dahintaumelten, aber sie hatten noch genug wütende Entschlossenheit aufzubieten, um die Hiberner in die Flucht zu schlagen.

Germanicus beachtete Crispa nicht, während er die Aussonderung der Sklaven aus denjenigen beaufsichtigte, die wegen ihrer Widerspenstigkeit nur dazu taugten, auf der Stelle ans Kreuz geschlagen zu werden.

Noch Tage nach dem Überfall achtete er darauf, keineswegs in ihre Richtung zu blicken.

Über dem verschneiten Dach der Station von Firat wurde der Himmel im Norden jetzt hell wie bei Tagesanbruch. Germanicus zuckte zusammen. Eine Sandgaleere war zerstört worden. Lass es nicht ihre sein, betete er stumm zu Juno.

In Hibernia hatte er Dinge über Crispa erfahren, die schockierender waren als ihre Liebe zu ihm.

Zwei Monate nach dem Angriff auf der Straße waren sie und zwei ihrer Offizierskameraden von iberischen Söldnern, die vom Dienst auf der düsteren Insel die Nase voll hatten und bis auf den letzten Mann revoltierten, aus einem Wirtshaus entführt worden. Die erste Tribunin, ein dunkeläugiges Mädchen von etruskischer Abstammung, ließen sie vor den Augen der anderen verbluten. Der zweite, der berühmte Scilla, ertrug die Folter, ohne den Standort einer Reserve-Waffenkammer zu verraten. Sein Mut beeindruckte die Rebellen; er allein rettete ihm das Leben.

Crispa wurde vergewaltigt.

Während der endlosen Wellenbewegungen der Lust der Iberer rief sie aus, dass ihr Führer Geschwüre bekommen, aus jeder Körperöffnung bluten und sich die Lunge aus dem Leib spucken würde, ehe die Nacht vorüber sei. Seltsamerweise wurde dem Mann kurz vor Morgengrauen übel. Seine wankelmütigen Kameraden wollten nichts riskieren. Sie enthaupteten ihn in neuerlichem Gehorsam gegen Kaiser Fabius und eine neunzehnjährige gotische Tribunin mit aquamarinblauen Augen.

Es war das erste, was Germanicus jemals von Zusammenballung gehört hatte.

Marcellus kam die Treppe heraufgestampft. »Sie ist es«, sagte er außer Atem.

»Was hat sie dabei?«

»Ein paar Panzertruppen und eine Handvoll Praetorianer-Ausbilder. Aber es ist eine Ausbildungs-Centurie: völlig grüne Jungs.«

»Wie steht es bei ihnen?«

»Der Bordfunker ist zu aufgeregt, um es mir zu erzählen. Entweder ist es ein Triumph oder eine totale Niederlage.«

Germanicus seufzte. »Na schön. Was haben sie hier in Firat?«

»Drei Panzer-Centurien, vier Infanterie, glaube ich.«

»Gut, wir werden die Sandgaleeren brauchen. Setzt Euch mit dem Befehlshaber in Verbindung. Sucht um zwei Panzergruppen an und macht Euch auf nach Norden. Übrigens, wo ist der Kommandant?«

»In seinem Quartier, den ganzen Abend. Es geht ihm schlecht...«

»Wir wollen sehen, ob frische Luft ihm hilft. Setzt ihn in die Sandgaleere an der Spitze - auf meinen Befehl.« Germanicus wusste, dass das erste Panzerfahrzeug in einer Formation mit größter Wahrscheinlichkeit das Ziel von Feuerbomben sein würde. »Fahrt am Dorf Firat vorbei. Ich werde mich später mit diesem Zaim befassen.«

»Jawohl.« Marcellus' Blick schoss zwischen der fernen Schlacht und Germanicus' Gesicht hin und her. Der Oberst fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Und wo werdet Ihr sein, Herr?«

»Das Feuer bewegt sich nordöstlich. Ich bringe diese Schienengaleere zwanzig Meilen nach Osten, lade meine Sandgaleere aus und fahre von da nach Norden.«

»Ich sorge mich um Eure Sicherheit. Vielleicht wäre dem Imperium besser damit gedient, wenn ich auf diese Erkundung ginge.«

»Was kann mir mit diesem prächtigen Rüpel an meiner Seite schon zustoßen?« Germanicus machte eine Geste zu dem germanischen Centurio hin, der brummig über die vereisten Steine des Bahnsteigs auf den Wagen des Procurators zukam, seine Habseligkeiten auf der Schulter.

»Seid Ihr bereit zu kämpfen, Mann?«, rief Germanicus zu ihm hinab.

»Heil Fabius.«

  II.

 

 

 

»Nach links«, befahl Germanicus dem Galeerenführer, der an dem Lenkhebel zu zerren begann, als versuche er, einen Baumstamm aus dem Boden zu reißen.

»Da sein er wieder!«, schrie Rolf. »Scharf rechts!«

Germanicus und der Centurio kauerten an dem Kristallfenster auf dem Bugdeck der Sandgaleere. Immer wieder trübte ihr Atem die Oberfläche der beschichteten Quarzplatten und ließ die verschneite Ebene draußen wässrig erscheinen.

Vor zehn Minuten hatte Germanicus zum letzten Mal Ballistae-Feuer weit im Norden gesehen. Aber jetzt hatte er aufgehört, danach Ausschau zu halten. Er und seine zwei Gefährten steckten selbst in Schwierigkeiten.

»Jetzt links!«, bellte Germanicus.

»Links, Herr?«, fragte der Legionär.

»Scharf links, scharf links!«

»Ja, Herr!« Von seinem Sitz im Bauch des Fahrzeugs aus hatte der Galeerenführer keine Sicht nach den Seiten. Die Sandgaleere war nicht dazu gedacht, Feuerbombenwerfer bei Nacht über die Ebenen Anatoliens zu jagen.

»Der hier werden müde.« Rolf wischte mit dem Ärmel über das Fenster.

»Feuer von rechts!« Germanicus hatte kaum Zeit, den Galeerenführer aufzufordern, die Luftklappe zuzuschlagen, als auch schon zerbrochenes Glas gegen den Rumpf klirrte. Die Welt draußen zitterte in orangeroten Flammen. Innerhalb von Sekunden waren die rechten Schutzwände zu heiß, um sie noch berühren zu können.

»Verlieren wir unsere Luft?«, fragte der Legionär immer wieder. »Verlieren wir Luft?«

»Da sein der Bastard, der sie werfen, Herr«, knurrte Rolf.

»Wir wollen sie nicht ihr Spiel mit uns treiben lassen, Centurio. Einer nach dem anderen.«

»Nein, Mann. Sie hat gehalten«, antwortete Germanicus. »Halb links.«

»Halb links, Herr.« Dann fügte der Legionär hinzu, als hätte er es die ganze Zeit gewusst: »Die Luftklappe war zu, als sie uns erwischt hat. Und sie ist direkt auf die Öffnung geknallt!«

»Schaut, wie der jämmerliche Dummkopf rennt. Er sollte einfach in den Schneewehen liegenbleiben und uns vorbeifahren lassen.« Germanicus schüttelte den Kopf. »Scharf links, ganz scharf links!«

Der Läufer wirbelte den Schnee hinter sich auf. Seine halbgefrorenen Lumpen flatterten in dem Schneesturm. Er warf einen Blick zurück auf die näherkommende Sandgaleere. Sein Gesicht war spitz vor Kälte. Er schaute wieder zurück - und noch einmal.

»Schneller!«, brüllte Rolf.

»Alles, was drin ist, alles, was drin ist«, sagte der Galeerenführer entschuldigend.

»Er ziehen uns wieder davon.« Rolf sah aus, als wäre er bereit, vom Deck zu springen und den Legionär zu erdrosseln.

»Schneller!«

»Mit dem hier werden wir ihn langsamer machen«, sagte Germanicus. »Schaltet Eure Lichter aus, Legionär.«

»Jawohl, Herr.«

Die Sekunden tickten in der Dunkelheit dahin.

»Jetzt wieder an.«

Der Läufer stand plattfüßig vor ihrem Bug. Von der plötzlichen Dunkelheit zunächst verwirrt und schließlich ermutigt, hatte er aufgehört, über den Schnee zu laufen. Jetzt erkannte er, wie er hereingelegt worden war. Es gab keine Hoffnung mehr für ihn, und Panik trat in seinen Blick. Er hob die Handflächen der dröhnenden Sandgaleere entgegen. Es war die letzte Geste eines Mannes, der wusste, dass er sterben musste.

Es gab einen dumpfen Schlag gegen die vorderen Panzerplatten. Dann spürte Germanicus nur das sanfte Gleiten der Raupenketten auf dem schneebedeckten Land.

Rolf strich sich mit aufgeregten Fingern über den Schnurrbart. »Einer.«

»Nehmt Euch den zweiten Barbaren mit der Ballista vor«, sagte Germanicus. »Das wird alle anderen warnen, die eventuell da draußen sind, nicht mit uns herumzuspielen.«

Rolf kletterte in den engen Geschützturm auf halber Höhe über dem Bugdeck.

»Mit konzentrischen Kreisen anfangen«, befahl Germanicus dem Galeerenführer.

»Kreise nach innen, jawohl.«

»Geben wir unserem Bombenwerfer ein Geschenk aus Gallien, Centurio.« Germanicus reichte dem Germanen ein flachnasiges Geschoss aus dem Munitionslager.

»Ah, Fléchettes«, grunzte Rolf.

Die mit Metallfolie belegte Kartätsche enthielt fünfhundert Wolfram-Spieße. Jeder hatte die Form eines winzigen Pfeils und war so scharf, dass er einem Mann auch ohne große Kraftanstrengung die Hand durchschlagen konnte. Ursprünglich waren sie in Schierling getaucht und Cupidos Tritt genannt worden, aber das Gift erwies sich als überflüssig; außerdem waren die Pfeile eine zu bösartige Waffe, als dass sie einen derart liebevollen Spitznamen tragen sollten.

Der Galeerenführer wurde langsamer, um den Gang zu wechseln.

»Nicht nachlassen!«, fuhr Germanicus ihn an. »Wollt Ihr verbrannt werden?«

Rolf blinzelte gegen das grelle Licht auf dem Schnee. Seine Aufgabe erforderte äußerste Geschicklichkeit. Die Sandgaleere war von Kaiser Fabius persönlich als Belagerungswaffe entworfen worden. Sie war mit einem einzigen Geschütz ausgerüstet, aber die Anordnung der Halterungen im Rahmen des Fahrzeugs begrenzte die Drehbarkeit und die Richthöhe dieser Ballista auf ein paar Grad. Man war davon ausgegangen, dass das Ziel immer unbeweglich direkt vor einem lag.

»Da ist er!«, rief Germanicus. »Fünfundvierzig rechts!«

»Fünfundvierzig rechts, jawohl!«

Rolfs Sichtbereich, enger als der des Galeerenführers, war nicht mehr als ein tanzender Lichtfleck in der Dunkelheit. Er schwitzte auf seinem Posten, und sein Gesicht verfärbte sich rötlich. Die ganze Hitze der Maschine und des Feuerangriffs hatte sich in dem erhöhten Geschützturm gesammelt.

»Links, links, und wir haben ihn.« Germanicus presste die Fingerspitzen gegen die Schutzwände, bis sie weiß wurden.

»Links, links! Geben mir ein bisschen mehr von ihm!«, schrie Rolf und drückte sein Gesicht gegen die Doppelrahmen der optischen Zielvorrichtung. »Ach, die verfluchten Linsen sein beschlagen!«

»Prüft nach, ob die Entfroster versagt haben, Legionär!«, flüsterte Germanicus heiser. »Und außerdem links jetzt!«

»Entfroster sind wieder in Ordnung, Procurator.«

»Großartig.« Germanicus holte Atem, bekam aber nicht genug Luft. »Ist die Luftklappe offen?«

»Mir sein schwindlig!«, schrie Rolf wie ein Mann, der nur noch ein paar Sekunden zu leben hat.

Der Galeerenführer verkroch sich immer tiefer in seinen Sitz. »Ich hab' sie zugelassen, Herr. Ich - ich dachte, wegen der unmittelbaren... der unmittelbaren Gefahr...«

»Öffnet sie!« Germanicus kauerte sich auf das Deck und schrie dem Legionär in das farblose Gesicht: »Öffnet die Luftklappe!«

»Jawohl... jawohl...« Seine schlaffen Finger glitten auf den Bedienungshebel zu.

Dann ließ ein Schwall kalter, frischer Luft sie langsam wieder aufleben.

»Feuer kommen!« Rolf schlug mit den Fäusten gegen die Schutzwände, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Der Bastard zünden eine Bombe an!«

Germanicus warf sich an das Fenster. »Auf der Stelle rechts, Mann!«

»Rechts, jawohl.«

Wie ein Mann, der auf ein Gespenst zu schießen versucht, schwang Rolf die Ballista immer wieder verzweifelt nach rechts und links. »Ich sehen nichts. Ich sehen nichts.«

»Scharf rechts!«

Dann donnerte die Ballista in die Nacht.

Germanicus fand es merkwürdig, wie ein gewaltiger Krach einen Menschen für einen Augenblick blind machen und ihm das Licht aus dem Schädel hämmern konnte. Im nächsten Moment konnte er wieder sehen, aber er kannte sich mit Fléchettes gut genug aus, um zu wissen, dass die zierlichen Pfeile scheinbar nichts auf ihrem Weg zerstörten. Kein Schnee würde aufgewirbelt werden. Ein Mann, dessen Körper in seiner ganzen Länge überall durchbohrt war, würde völlig aufrecht stehenbleiben, als wäre er verschont worden. Dann würde ihm das unvorstellbare Entsetzen ins Bewusstsein dringen, dass ihm aus fünfhundert winzigen Wunden Blut triefte. Und wie vom Schock allein würde er tot umfallen.

»Daneben«, stöhnte Rolf.

»Luftklappe schließen«, befahl Germanicus. »Wir werden noch einen Treffer abkriegen.« Er fühlte sich seltsam gleichgültig.

Rolf schob eine neue Kartätsche in den Verschluss.

»Befehle, Herr?«, fragte der Galeerenführer.

Die Ballista krachte erneut, dass die blechernen Innereien der Sandgaleere rasselten, und wieder hob der germanische Centurio die Hände, wie vom Pech verfolgt. »Ich sein verflucht!«

»Da kommt sie«, sagte Germanicus leise, als hätte er gemurmelt: »Da kommt ein Schmetterling.« Er schloss die Augen. Mit Sicherheit würde eine dieser Bomben mit ihren roten Fingern in den empfindlichen Bauch des Fahrzeugs greifen. Gütiger Jupiter, an Bord waren rund tausend Gallonen Benzin. Es kam ihm komisch vor - ein pathetisches Aufschimmern seines verborgenen Wesens -, dass all dies in Wirklichkeit nur geschah, damit er Crispa wiedersah.

Ein Tropfen einer heißen Flüssigkeit prallte von Germanicus' Wange ab. Er blickte auf und sah den Schweiß, der sich an Rolfs nackten Ellenbogen sammelte.

Wie Männer, die Angst haben, ihr Glück zu vertreiben, indem sie ihm vorgreifen, wollte nicht einer von ihnen als erster die Ansicht äußern, dass die Feuerbombe harmlos in den Schnee gefallen war. Als jedoch eine endlose Minute ohne das Geräusch von am Rumpf zersplitterndem Glas vergangen war, lächelten sie sich alle an wie die Hüter eines kostbaren Geheimnisses: Das Leben ist schön.

»Welche Richtung, Herr?«

»Ich hab' ihn verloren«, sagte Germanicus. »Wartet - dort bewegt sich etwas. Er ist in einem Flussbett verschwunden. Man sieht nicht, wo er hineingesprungen ist. Jetzt sehe ich's - es ist eine Brücke. Direkt vor uns. Wir sind auf einer Straße.«

»Geradeaus, jawohl.« Der Steuermann machte ein gequältes Gesicht. »Herr, diese kleinen Brücken auf Nebenstraßen werden unser Gewicht nicht aushalten.«

Germanicus sah, dass der Legionär noch unter Akne litt. »Stimmt.«

»Im Campus Martius hat man uns beigebracht...«

»Bestimmt hat man das. Luftklappe auf.«

»...einen Feind aufzufordern, aus seinem Versteck zu kommen und sich zu ergeben...«

»Ihr habt Eure Befehle!«, brüllte Rolf aus dem Geschützturm.

»Geradeaus, jawohl.« Das Gesicht des Galeerenführers war jetzt gerötet.

Germanicus klopfte dem Jungen auf die Schulter. »Hier draußen lernen wir, uns alles zurechtzubiegen. Sogar unsere Ehre, glaube ich.«

»Zu Befehl, Procurator.«

Die Sandgaleere erklomm die Zufahrt zur Brücke. Die drei Männer in dem Fahrzeug hielten den Atem an, als könne ihr Brustkasten jeden Moment zerquetscht werden. Der Bug des Gefährts senkte sich ein paar Fuß. Der Galeerenführer fand den niedrigsten Vorwärtsgang, dann trieb er die Sandgaleere mit viel Gas aus der Senke, die sie soeben geformt hatte.

»Ich kann keinen Feuerangriff ungestraft durchgehen lassen«, sagte Germanicus.

»Zwei«, murmelte Rolf.

»Wir haben diese... Sache... im Interesse seiner Freunde gemacht, die noch da draußen in den Schneewehen sind.« Germanicus öffnete seine Feldflasche und bot sie den anderen an. »Aber bei meinen Göttern, ich mag es nicht. Ich mag keine tapferen Männer töten, ohne mir die Hände schmutzig zu machen.«

»Geben mir das alte Pilum für einen richtigen echten Kampf, Procurator«, rief Rolf hinunter. Er meinte den Speer, der ursprünglich diesen Namen getragen hatte, und nicht das Schießpulverding, das ihn ersetzt hatte.

Germanicus klopfte dem Centurio anerkennend an den Stiefel. Es gab nicht genug von seiner Sorte. Es hatte nie genug gegeben. »Haltet die Augen offen. Und, Legionär, nicht langsamer werden. Damit haben wir den letzten Angriff weggesteckt.«

Dann duckte sich Germanicus und kroch unter Maschinen und Leitungsröhren durch. Er war erschöpft und schämte sich irgendwie. Er mied das schlecht isolierte Auspuffrohr, das immer für eine Brandwunde gut war, und begab sich nach hinten in sein Mauseloch von Kabine. Ohne die Stiefel auszuziehen, legte er sich auf die fünf Fuß lange Koje. Es hatte keinen Zweck, es sich dort bequem zu machen.

Unheilvolle Dinge zogen herauf. Im Osten trieben die Ereignisse unausweichlich auf Krieg zu. Aber wenn ihn das in der Tat betraf, warum empfand er dann eine seltsame Erleichterung? War es solch ein Trost, wieder auf dem Schlachtfeld zu sein, weit fort vom ruhigen, beschaulichen Nova Antiochia? Tatsächlich war das einzige, was die Provinzhauptstadt ihm gegeben hatte, eine Hornhautverdickung an seinem Mittelfinger, so groß wie ein Taubenei - vom Schreiben von Edikten, um eine Obergrenze für den Getreidepreis festzulegen. Er wusste, dass die Verwalter bei der Erwähnung seines Namens wütend die Zähne fletschten, während sie gewürzten Wein in ihren Goldtassen schwenkten und unablässig intrigierten. Die Inflation war ihnen völlig schnuppe, soweit es sie anging. Hungeraufstände kümmerten sie noch weniger - die Legionäre würden mit jeder öffentlichen Ruhestörung fertig werden. Es passte, dass Merkur der Gott sowohl der Händler als auch der Diebe war. Geistesabwesend holte Germanicus den Anhänger heraus, den er an einer Kette um den Hals trug, und rieb daran. Seine Frau hatte ihm diesen goldenen Minerva-Kopf vor langer Zeit geschenkt. Die Augen der Göttin waren Smaragde. Sie funkelten hell.

»Verzeihung, Herr.« Rolf stand gebückt im Eingang. Zum ersten Mal sah er demütig aus.

»Was ist los? Wieder Feuer?«

»Nein, Herr. Mein... mein alter Hauptmann sein im Ruhestand auf einer Domäne des Imperiums hier in der Gegend. Vorher ich nicht wissen, dass wir so nahe vorbeikommen.«

»Und Ihr fürchtet um seine Sicherheit.« Germanicus seufzte. Wenn Crispa in ernsthaften Schwierigkeiten steckte, konnte er mit einer Sandgaleere wenig ausrichten. Wirksame Hilfe würde mit Marcellus am späten Morgen eintreffen. Es war seine Liebe, die ihn nach Norden zum Ballistae-Feuer trieb. Germanicus wusste, dass er zu Rolf ja sagen musste, um sich selbst zu beweisen, dass er sich nach wie vor in der Hand hatte.

»Er sein ein Jude aus Palästina«, fuhr Rolf fort. »Mit einer Barbarenfrau. Aber in Zeiten wie diesen sein das nicht genug.«

»Legionär!«, brüllte Germanicus.

»Ja, Herr?« kam es vom Galeerenführer aus dem vorderen Abteil zurück.

»Steuert den Kurs, den der Centurio befiehlt.«

»Ihr seid wahrhaftig aus dem Hause Julius.« Rolfs Augen wurden weich vor Feuchtigkeit. »Ihr sein in Germanien geboren?«

»In Mogontiacum, wo mein Vater diente. Weckt mich, wenn wir diese Domäne erreichen.«

»Jawohl, Germanicus Julius Agricola.«

Germanicus schloss die Augen. In seinen Ohren verklang jeder Laut.

Im Schlaf träumte er von Crispas Mutter. Er hatte sie nie kennengelernt. Aber im Traum konnte er das silberglänzende Haar sehen, das die Umrisse ihres Gesichts wie in Eis fasste. Als sie vor der gotischen Sommersonne den Kopf wandte, erkannte er, dass sie der Urquell von Crispas Schönheit war.

Germanicus hatte Crispas Vater von seiner Schulzeit her gekannt. Er erinnerte sich an ihn als einen angenehmen, aber launenhaften Jungen, der schon in seiner frühen Jugend zu sehr dem Wein zusprach.

Es war jedoch ihre schöne gotische Mutter, die ihm in seinem unruhigen Schlaf immer wieder erschien. Manchmal bat sie ihn, ihre Tochter zu retten. Er wusste nicht, was das bedeuten sollte. »Gute Frau«, sagte seine hohle Traumstimme zu ihr, »ich kann nicht mehr tun, als in meiner Macht steht.«

Ihr Mann hatte als Gesandter des Kaisers am Hof von Mithridates XIV. fungiert. Sie war den heimtückischen Intrigen des parthischen Hofs nicht gewachsen gewesen. Nachdem ein Stelldichein mit ihrem barbarischen Liebhaber von einem eifersüchtigen Sklaven verraten worden war, hatte sie sich das Leben genommen.

Oft tauschte Crispa in diesen Träumen den Platz mit ihrer Mutter. Und ihr Liebhaber wurde Marcellus, Germanicus' parthischer Adjutant.

Man hatte Germanicus nie direkt gesagt, dass Crispa und Marcellus ein Liebespaar waren. Es wäre unter der Würde des Procurators gewesen, auch nur Charicles danach zu fragen. So wusste er nie genau, was er von diesem Gerücht halten sollte. Dessen Bestätigung aber, da war er sicher, würde ihm das Herz brechen und ihn umbringen. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie mit einem anderen Mann zusammen war - schon gar nicht mit einem derart arroganten wie Marcellus. Insgeheim war Germanicus über alle Maßen eifersüchtig.