Professor Zamorra 1185 - Timothy Stahl - E-Book

Professor Zamorra 1185 E-Book

Timothy Stahl

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Beschreibung

Der Geist des Hauses

PROFESSOR ZAMORRA und Geisterjäger JOHN SINCLAIR kämpfen Seite an Seite!

Halloween 2018: Ein mysteriöses Haus taucht aus dem Nichts auf. Ein unheimlicher Mörder geht um. Menschen verschwinden. Genau wie am Ende der Nacht das Haus und der Mörder. Eigentlich ein Fall für den Geisterjäger John Sinclair - aber der ist tot! Sein bester Freund, der Reporter Bill Conolly, muss anderswo Hilfe finden ...

Halloween 2019: Professor Zamorra ist der Spur, die das Haus in der Vergangenheit hinterlassen hat, gefolgt und stellt ihm eine Falle. Doch sein großer Plan droht dem Meister des Übersinnlichen selbst zum Verhängnis zu werden - ihm und ... John Sinclair?

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Geist des Hauses

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8868-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Geist des Hauses

von Timothy Stahl

Eine Faust schoss auf ihn zu. Beim Versuch, den Hieb abzuwehren, verlor Professor Zamorra sein Amulett. Er hörte, wie es zu Boden fiel. Dann ein, zwei Sekunden lang nichts mehr. Nur das Dröhnen seines Schädels, wie eine Kirchenglocke.

Der nächste Treffer landete in seiner Magengrube und schleuderte ihn mit anscheinend übermenschlicher Kraft nach hinten. Rücklings flog er durch eine offene Tür ins Nebenzimmer. Reflexhaft rief er Merlins Stern in seine Hand zurück.

Wie von selbst klappte die Tür zu, einem Maul gleich, das ihn verschluckte.

Im letzten Moment erhaschte Zamorra einen Blick durch den kleiner werdenden Spalt – und wollte nicht glauben, was er da sah. Oder vielmehr, wen er da sah.

Denn John Sinclair, der Geisterjäger, war doch … tot!

Ein Rückblick

In PROFESSOR ZAMORRA 1140 bis 1142 gab es plötzlich zwei Welten:

Eine spielt im PROFESSOR-­ZAMORRA-Universum, die andere im JOHN-SINCLAIR-Universum.

Professor Zamorra und John Sinclair waren jetzt tot! Jedenfalls in der jeweils anderen Serie.

Von den bekannten Mitgliedern des Sinclair-Teams leben in der Zamorra-Welt heute nur noch Superintendent James Powell, der nach der Auflösung der geisterjagenden Sonderabteilung von Scotland Yard ins Ressort Wirtschaftskriminalität versetzt wurde, und der Reporter Bill Conolly.

Professor Zamorra und John Sinclair wissen aber von der Existenz der jeweils eigenen Welt des anderen, und sie wissen auch, dass der Kollege und sein Anhang dort wohlauf sind und den endlosen Kampf unverdrossen weiterführen. Ein Wechsel zwischen den beiden Welten ist allerdings nicht ohne Weiteres möglich, sondern im Gegenteil sogar gefährlich! Es bedarf schon besonderer Voraussetzungen, die nur selten gegeben sind – an Halloween zum Beispiel, jener einen Nacht im Jahr, wenn die Grenzen zwischen den Welten dünn sind und die Wege der Lebenden und der Toten sich kreuzen …

PROLOG

Halloween 2019

»Na, wer traut sich?«

Die drei berüchtigten Serienkiller – Jason Voorhees, Michael Myers und Freddy Krueger – standen im südlichen Teil Londons am Fuß einer Einfahrt, die zu einem Bungalow hinaufführte. Dunkel lag das große, flache Gebäude dort oben, kaum auszumachen in der beginnenden Nacht. Nichts rührte sich und nirgends brannte ein Licht, hinter keinem Fenster, auch die Außenbeleuchtung nicht. Selbst die Lampen links und rechts der Toreinfahrt waren aus. Eigentlich ein Zeichen, dass hier heute Abend nichts zu holen war.

Aber der Reiz, es dennoch zu versuchen, war groß. Der Nervenkitzel lockte.

Drei Augenpaare blickten durch die Löcher in den Masken zum Bungalow hoch.

Hinter ihnen fuhr ein Auto vorbei. Geisterhaft huschte das Licht der Scheinwerfer über die Sträucher vor dem Haus, die Fassade und die Fenster, und …

»Da! Habt ihr das gesehen?«

Aufgeregt zeigte Freddy mit einem seiner Klingenfinger zum Bungalow hinauf.

»Nein, was denn?«, fragte Jason verdutzt.

»Ich hab’s gesehen«, sagte Michael Myers. Seine Stimme klang leise, nicht nur wegen der Maske, unter der sie gedämpft hervordrang. Und die ihm, verdammt noch mal, zu groß war. Ständig rutschte ihm das blöde Ding in die Augen, und dann sah er nichts mehr, bis er die Maske aus schmutzig weißem Gummi wieder zurechtgezogen hatte.

Boah, und wie das stank! Als hätte sein großer Bruder, der ihm das Teil geliehen hatte, irgendwann mal hineingekotzt!

Egal jetzt. Das da oben, das hatte Michael gesehen – der übrigens wirklich so hieß. Im Gegensatz zu »Jason« und »Freddy«. Unter deren Halloween-Masken – die neu gekauft waren – steckten seine Freunde Jared (Freddy) und Matthew (Jason). Sie waren alle drei elf Jahre alt und seit dem Kindergarten beste Freunde. Und in diesem Jahr hatten sie zum ersten Mal allein losziehen dürfen an Halloween, ohne elterliche Aufsicht!

Aber natürlich die Ohren voll mit Instruktionen, was sie durften und was sie nicht durften, was sie tun und lassen und vor allem wovor sie sich hüten sollten – vor unverpackten Süßigkeiten zum Beispiel, und wenn ihnen jemand Obst gab, dann sollten sie nicht einfach reinbeißen; man kannte ja die Geschichten von Perversen, die Rasierklingen in Äpfeln versteckten und zu Halloween an arglose Kinder verteilten.

Michael, den – zu seinem Leidwesen – alle nur (den kleinen) Mikey nannten (sein großer Bruder war Michael und sein Dad Mike), Jared und Matthew hatten lange darüber diskutiert, ob das mit den Äpfeln wohl wirklich schon mal passiert sei. Aber nicht einmal Google hatte ihnen auf die Frage konkret Auskunft geben können. Allerdings konnten sie sich gut vorstellen, wie ein Kind aussehen würde, das so einen präparierten Apfel aß, und sie hatten es sich auch lebhaft ausgemalt.

Wie auch immer, mit annähernd dem gleichen Nachdruck wie vor Rasierklingen-Obst hatten ihre Eltern sie vor dem Bungalow dort oben gewarnt! Und nun standen sie, natürlich, trotzdem davor. Wenn auch in sicherem Abstand – noch.

»Hallo? Habt ihr nicht gehört? Wer traut sich?«, wiederholte »Freddy« seine Frage von vorhin. Bevor er und auch Mikey es gesehen hatten. Matthew nicht. Der brauchte eigentlich immer und für alles ein bisschen länger.

Was es gewesen war, hätte Mikey gar nicht sagen können. Weder vorhin, als er es gesehen hatte, noch jetzt, wo er es sich in Erinnerung zu rufen versuchte. Im Grunde war es nichts gewesen. Nur eine Bewegung an einem der Fenster, und vielleicht nicht einmal das. Vielleicht nur ein letzter Lichtreflex der Scheinwerfer des vorbeifahrenden Autos.

Nur hatte er, als er es gesehen hatte, auch das zwar kurze, aber ganz deutliche Gefühl gehabt, es hätte in diesem Moment auch ihn gesehen. Ihn angesehen.

»Ich trau mich«, erklärte Matthew. Er rückte seine Eishockey-Maske, die viel zu sauber war für einen Serienkiller, der laut Internet in allen »Freitag der 13.«-Filmen zusammen 146 Morde auf dem Kerbholz hatte, gewissenhaft zurecht, als wäre es das Helmvisier eines Ritters, der zum Turnier antrat. Dann setzte er sich in Bewegung und stapfte – er war auch in körperlicher Hinsicht der Schwerfälligste von ihnen – die Einfahrt hinauf.

Jared lugte unter seiner pizzagesichtigen Freddy-Krueger-Maske hervor und sah Mikey an.

»Und du?«

Mikey verzog das Gesicht unter der gruseligen Maske. Wieder rutschte sie ihm runter, und wieder sah er nichts mehr. Er schnaufte genervt.

»Hast du Schiss?«, hörte er Jared fragen. Er ließ die Plastikklingen-Finger seines Killer-Handschuhs spielen.

Mikey zog seine Maske ab und musste an sich halten, um das Scheißding nicht ins Gebüsch zu feuern. Aber sein Bruder wollte sie ja wiederhaben …

»Schiss? Nee«, sagte er.

»Aber?«, fragte Jared.

»Kommt ihr?«, rief Matthew, der die Einfahrt schon zur Hälfte hinter sich hatte.

»Ja, gleich!«, gab Jared zurück.

»Wenn ihr nicht kommt, sack ich alles alleine ein, wenn’s was gibt!«, warnte Matthew und schwenkte den schon mit einigen Süßigkeiten gefüllten Beutel in seiner Hand. Sie waren schon seit fast einer Stunde unterwegs.

»Na, was ist?«, wandte Jared sich wieder an Mikey.

Der wischte sich über das Gesicht. Er hatte geschwitzt unter der Maske. Trotzdem fühlte sich seine Haut kalt und feucht an. Wie ein Fisch.

»Meinst du echt?«, fragte er und spähte die Einfahrt hoch. Der lichtlose Bungalow war schon fast eins mit der Nacht. Matthew hatte das Gebäude beinahe erreicht, seine Gestalt schien sich dort oben im Zwielicht aufzulösen.

»Warum denn nicht? Komm schon«, drängte Jared und klopfte ihm ermunternd auf die Schulter. Normalerweise verfehlte die Geste ihre Wirkung auf Mikey nicht. Heute schon.

»Du weißt, was man sich über das Haus erzählt«, sagte er.

»Du meinst, was man über den Mann sagt, der hier wohnt«, korrigierte Jared.

»Ist doch egal. Kommt aufs Gleiche raus.«

»Natürlich weiß ich, was die Leute reden.« Jared grinste. »Deshalb ist es doch so aufregend. Komm, Matthew ist schon oben.«

Mikey sah wieder zum Haus hinauf. In der Tat war ihr Freund nicht mehr zu sehen.

»Wir können ihn doch auch nicht alleine lassen«, versuchte es Jared jetzt auf eine andere Tour. »Wenn doch etwas dran ist an den Geschichten …«

»Was denn für Geschichten?«, fragte Mikey gleich. Geschichten hatte er nämlich noch keine gehört, weder über das Haus noch den darin lebenden Mann. Er hatte nur gehört, dass er komisch sei – komisch geworden sei, nach dem Tod seiner Frau und dem Verschwinden seines Sohnes …

… dieser unheimliche Mr Conolly.

Bill Conolly, genau, so hieß er.

Früher sei er sehr nett gewesen, sagten die Leute, die ihn schon länger kannten und seine Nachbarn waren. Umgänglich und freundlich. Ja, es sei auch da über die Jahre schon zu ein paar Vorfällen gekommen, die Anlass zu Fragen gegeben hätten. Fragen, die nie richtig beantwortet worden wären. Und natürlich sei das ein Nährboden für allerlei Gerüchte gewesen. Aber die Conollys hätten mit ihrer Liebenswürdigkeit alle aufkommenden Vorbehalte stets zerstreut.

So sagte man.

Aber seit Bill Conolly allein war, sprach man anders über ihn …

Mikey und Jared erstarrten!

Oben am Bungalow, ein Schrei, der ihnen schier das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Sie sahen sich an, entsetzt und fragend.

Matthew?

Dann, wie aus einem Mund und so schrill, wie der Schrei gewesen war:

»Matthew!«

Der schreckliche Schrei war verklungen, ihr Ruf nach dem Freund verhallte.

Ungehört?

Stille kehrte ein. Währte aber nur kurz.

Schritte waren zu hören, und sie kamen schnell und lauter werdend näher, vom Bungalow her, die Einfahrt herunter …

Eine Sekunde lang standen Mikey und Jared noch da, wie am Boden festgeklebt.

Dann warfen sie alles Hinderliche von sich und rannten auch schon.

VOR EINEM JAHR

Halloween 2018

»Auf unsere Toten, Sir James!«

»Und auf die Lebenden, Mr Conolly.«

»Hört, hört«, sagte Bill und trank.

Ein ausgezeichneter Tropfen. Wie es sich geziemte für diesen exquisiten Club. Er gehörte zu den renommiertesten nicht nur in London. Hier Aufnahme zu finden, schlicht auf eine Anfrage hin, war unmöglich. Auch eine Empfehlung half nicht. Neue Mitglieder durften in den Kreis dieser erlauchten Gentlemen nur dann eintreten, wenn die Natur einen Platz frei machte.

Bill Conolly war heute Abend auf Einladung von Sir James Powell hier. Sie hatten schon länger nichts mehr voneinander gehört. Seit John Sinclairs Tod und der Auflösung seiner Sonderabteilung bei Scotland Yard hatten sie im Grunde auch nichts mehr miteinander zu tun, keine Gemeinsamkeiten, sah man von der durchaus freundschaftlich zu nennenden Verbindung ab, die sie über die Jahre, da sie John bei der Geisterjagd unterstützten, entwickelt hatten.

Allerdings fürchtete Bill auch, dass ein regelmäßiger Kontakt zu Superintendent Powell nur unnötig immer wieder alte Wunden aufreißen würde, die ohnedies nicht verheilen wollten. Schließlich hätten sie – von Small Talk abgesehen – auch kaum andere Gesprächsthemen als die Erinnerungen an alte Zeiten. Und die Gefährten aus diesen alten Zeiten waren alle tot …

»Gibt es etwas Neues von Ihrem Sohn, Mr Conolly?«

… tot oder verschollen.

Bill schaute in sein Glas.

»Nein, Sir, leider nicht.«

»Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann, Sie wissen …«

»Ich weiß.« Bill nickte.

Aber Sir James konnte nichts für ihn tun. Das wusste er auch selbst. Seine Befugnisse waren mit dem Ende der Sonderabteilung für Fälle, »die ins Übersinnliche hineinspielten«, wie es anfangs geheißen hatte, eingeschränkt worden. Natürlich, über gewisse Beziehungen verfügte er unverändert, er war schließlich nicht von ungefähr Mitglied dieses Clubs; aber bei Bills Suche nach Johnny konnte Sir James damit nicht helfen. Johnny Conolly war nicht irgendwo auf dieser Welt verschwunden – er steckte in irgendeiner anderen. Und davon gab es viele. Unzählige. Und ebenso vielfältig waren die Schicksale, die Johnny dort ereilt haben mochten.

Bill konnte nur hoffen, dass es das eine, das endgültige und unumkehrbare, nicht war …

Die Suche nach seinem Sohn hatte er mangels Möglichkeiten notgedrungen aufgegeben. Die Hoffnung, dass er – wider alle Wahrscheinlichkeit – noch lebte, jedoch nicht.

Und trotzdem er mit Gott haderte ob des Leids, das Er ihm aufgebürdet hatte, betete Bill jede Nacht und bat um Schutz und Hilfe für Johnny, wo er auch sein mochte.

Bill leerte sein Glas und stellte es auf den kleinen Tisch, der zwischen den beiden Sesseln stand, in denen sie sich gegenübersaßen. Sie hatten einen kleinen Salon für sich. Mit einer Glocke ließ sich bei Bedarf ein Diener rufen.

Sir James wies auf Bills Glas.

»Noch einen Schluck?«

Er griff schon nach der Glocke.

Bill wehrte ab.

»Wie Sie wünschen«, sagte Sir James, als wäre er Bills Diener. Auch er stellte sein Glas nun weg. Er hatte ohnehin nur daran genippt, um mit Bill anzustoßen. Seine Magenprobleme waren in all den Jahren nicht besser geworden. Er bestellte sich ein kohlensäurefreies Wasser. Sie machten unterdessen Konversation über die Arbeit. Sir James fragte, an welcher Reportage Bill gerade arbeite, der Reporter erkundigte sich, wie es im Ressort Wirtschaftskriminalität laufe.

»Ich fürchte, ich werde sie nicht ausrotten können bis zu meiner Pensionierung«, antwortete der Superintendent, den man nach der Schließung seiner Abteilung, für die John und Suko gearbeitet hatten – und gestorben waren –, innerhalb des Hauses versetzt hatte.

»Danke«, sagte er dann freudig, als sein Wasser gebracht wurde, und trank gleich einen großen Schluck, der ihm sichtlich besser mundete als der erlesene Whisky, den man nicht in jedem Laden bekam.

»Sir«, begann Bill, als sich die Tür hinter dem Diener wieder geschlossen hatte, »Sie sagten am Telefon, Sie würden mich aus einem bestimmten Grund hierher einladen.«

Es war nicht so, dass er es eilig hatte, nach Hause zu kommen. Niemand wartete dort mehr auf ihn. Aber hier zu sitzen und das Gefühl zu haben, nur um den heißen Brei herumzureden, fand er ähnlich unerträglich. Außerdem konnte er daheim noch ein Glas trinken – und es bis obenhin vollmachen, ohne sich einen vorwurfsvollen Blick einzuhandeln. Es war ja niemand mehr dort, der ihm das Trinken verübelt hätte …

»Das ist richtig, Mr Conolly«, erwiderte Sir James. »Und es stimmt auch. Ich möchte Ihnen etwas geben. Ich glaube, bei Ihnen sind diese Dinge in den richtigen Händen.«

Er schob die Gläser beiseite, griff neben seinen Sessel, hob den schmalen Aktenkoffer, der dort stand, hoch und legte ihn auf den Tisch. Dann klappte er den flachen Koffer auf und drehte ihn so herum, dass Bill hineinschauen und sehen konnte, was sich darin befand.

»Für Sie, Mr Conolly«, sagte James Powell.

The zombies were having fun,

the party had just begun …

Bobby Pickett, »Monster Mash«

Frankensteins Braut hatte sich Dracula an den Hals geworfen, das Monster war stinksauer. Und inzwischen auch stockbesoffen.

Entsprechend brauchte Simon Boyle – hergerichtet wie Boris Karloff in seiner Paraderolle als Dr. Frankensteins nicht ganz geglücktes Experiment – sich keine Mühe mehr zu geben, den schwankenden Gang des klobigen Ungeheuers nachzuahmen. Das ging jetzt ganz von selbst.

Ob er so allerdings nach Hause kommen würde, war fraglich. Ehrlich gesagt, wusste er nicht einmal, ob er die richtige Richtung eingeschlagen hatte. Weil er die Party beziehungsweise das Haus fast buchstäblich Hals über Kopf verlassen hatte. Nachdem er Betsy, mit der er im Partnerlook hingegangen war, mit »Dracula« im Bad erwischt hatte, sie auf den Knien vor ihm …

Er hatte dem Kerl – wer er war, wusste Simon gar nicht – eins in die weiß geschminkte Fresse gegeben. Daraufhin war sein blödes Maul mit echtem Blut verschmiert gewesen. Ein Stoß hatte den Typen dann noch in die leere Badewanne befördert. Darin war er liegen geblieben, die Hose immer noch unten, aber die Freude, die Betsy ihm bereitet hatte, war zusehends vergangen.

Dann hatte Simon ihm den Rücken gekehrt und Betsy keines Blickes mehr gewürdigt.

Er hatte sich dann wieder unter das kostümierte Partyvolk gemischt und binnen kürzester Zeit tüchtig getankt. Und als der Raum sich um ihn herum zu drehen begonnen hatte, war er gegangen. Nicht ohne sich vorher noch eine Flasche durchaus nicht schlechten Whiskys aus den Beständen der Hausbar zu schnappen.

Die Flasche hatte er unterdessen beinahe zur Hälfte geleert – um sich warm zu halten, denn der späte Abend war kühl.

Seine anfängliche Hoffnung, auf ein Taxi zu stoßen, hatte sich nicht erfüllt. Und mittlerweile hatte er sie zwar nicht aufgegeben, aber schlicht vergessen.

Was nicht schlimm war, denn er hatte auch seine Adresse vergessen und hätte sie einem Taxifahrer gar nicht nennen können.

Er trank noch einen Schluck. Dazu blieb er stehen. Als er die Flasche wieder absetzte, schaute er sich um.

Verdammt, wo war er eigentlich?

Also, in London schon noch. So weit konnte er dann doch nicht gekommen sein, dass er die Stadt bereits verlassen hätte. Nicht in dem Zustand. Das war ihm noch klar – auch in dem Zustand.

Aber hier … er drehte sich im Kreis und verlor beinah die Balance … nee, hier war er noch nie gewesen.

Scheiße, die Gegend sah so verflucht einsam aus, als wäre hier noch nie irgendjemand gewesen. Oder schon lange nicht mehr.

Dass es so was gab, mitten in London?

Simon staunte.

Und dann staunte er, weil er doch nicht allein war.

Da kamen zwei Jungs auf ihn zu, und ihrem schwankenden Gang nach zu urteilen, waren sie ähnlich drauf – oder daneben – wie er.

»Hey, Leute!«, rief er die ansonsten leere, dunkle Straße hinab, die links und rechts gesäumt war von anscheinend leeren Grundstücken oder Grundstücken mit anscheinend leeren Häusern, von denen die meisten auf den Abriss zu warten schienen – bevor sie von selbst einstürzten.

Die beiden Typen reagierten nicht auf den Zuruf, kamen aber näher. Zwei scherenschnittartige Silhouetten im trüben Gegenlicht einer entfernt stehenden Laterne.