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Das Lern- und Praxisbuch für alle, die Landschaftsfotografie planvoller betreiben wollen. - Detailliertes Profiwissen zu Licht, Komposition und dem Arbeiten mit Zeit - Ausführliche Anleitungen zum Fotografieren von Landschaften mit Nachthimmel und zur Filterfotografie, zahlreiche Checklisten - Einführung in Planung und Location-Scouting, Wettervorhersage u.v.a.m. Außergewöhnliche Landschaftsfotos entstehen erst im Zusammenspiel von persönlichem Ausdruck und handwerklichem Können. Was Sie wissen und können müssen, um Ihre Motive in faszinierende Bilder umzusetzen, lernen Sie mit diesem Buch – vom Verstehen und Finden des richtigen Lichts, über Bildkomposition mit Formen und Farben bis hin zum Gestalten mit Zeit. André Koschinowski nimmt Sie mit in die Küsten-, Wald- und Berglandschaften dieser Welt und zeigt anhand meisterhafter Fotos und Schaubilder, dass sich Landschaftsfotografie tatsächlich in aller Fundiert- und Detailliertheit erlernen lässt. Zusätzliche Inspiration finden Sie in den Gastbeiträgen von sieben international bekannten Landschaftsfotograf*innen. Diese geben Ihnen nicht nur einen Einblick in ihre Denk- und Arbeitsweise, sondern auch in das reiche Spektrum der Landschaftsfotografie mit ihren Stilrichtungen von dokumentarischer, künstlerischer bis hin zu abstrakter Fotografie. Aus dem Inhalt: - Licht und Wetter planen - Nachthimmel, Polarlichter, Meteore fotografieren, Lightpainting - Landschaften und Naturphänomene übers Jahr - Bildaufteilung und -aufbau mit Formen und Farben (und wie die Wahrnehmungspsychologie unser Sehen bestimmt) - Professionelle Belichtungsmessung mit Lichtwerten - Arbeiten mit Schärfe und hyperfokaler Distanz - Histogramme verstehen und Motivkontraste meistern - Mit Filtern fotografieren (Pol-, Grau- und Grauverlaufsfilter) - Fokus-Stacking und Panoramafotografie - Praxistipps für die richtige Ausrüstung von Kamera und Objektiven bis zu Stativ und Rucksack - u.v.a.m.
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Seitenzahl: 923
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André Koschinowski ist freischaffender Fotograf mit den Schwerpunkten Küsten-, Wald- und Gebirgslandschaften in Europa, Neuseeland und den USA. Seine Bilder zeichnen sich durch eine poetische, manchmal melancholische, aber immer ästhetische Sensibilität aus, die beim Betrachter eine tiefe Resonanz hervorruft. Seine Arbeiten, die sich einer Vielzahl fotografischer Techniken bedienen, zeugen von technischem Können und der Leidenschaft für Perfektion. Er ist ständig auf der Suche nach neuen Wegen, um sein künstlerisches Repertoire zu erweitern – etwa indem er Aufnahmen der Milchstraße mit Kunstlicht kombiniert oder Berglandschaften aus ungewöhnlichen Perspektiven fotografiert.
André Koschinowskis Bilder wurden bereits in zahlreichen Magazinen und Fachzeitschriften veröffentlicht. Zu seinen Auftraggebern zählen Tourismusverbände und internationale Unternehmen. Er ist Preisträger nationaler und internationaler Wettbewerbe und Mitglied im DVF und PSA. Sein fotografisches Wissen – insbesondere das von ihm entwickelte Konzept des fotografischen Dreiklangs aus Licht, Komposition und Zeit – gibt er in Fotokursen weiter. Weitere Informationen finden Sie auf seiner Website https://photo.koschinowski.de.
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André Koschinowski
Der Praxisleitfaden für magische Momente aus Licht, Komposition und Zeit
André Koschinowski
[email protected], photo.koschinowski.de
Lektorat: Boris Karnikowski
Lektoratsassistenz: Friederike Demmig, Julia Griebel
Copy-Editing: Friederike Daenecke, Zülpich
Grafiken: André Koschinowski, Veronika Schnabel, Torsten Winkler
Satz: Ulrich Borstelmann, www.borstelmann.de
Herstellung: Stefanie Weidner, Frank Heidt
Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN:
978-3-86490-449-3
978-3-96910-878-9
ePub
978-3-96910-879-6
1. Auflage 2024
Copyright © 2024 dpunkt.verlag GmbH
Wieblinger Weg 17
69123 Heidelberg
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Einleitung
1Spurensucher des Lichts
1.1Auf der Suche nach dem Licht
1.2Lichtqualität der Sonne im Tagesverlauf
1.2.1Sonnenaufgang und -untergang
1.2.2Morgen- und Abenddämmerung
1.2.3Übersicht
1.2.4Die blaue und goldene Stunde über das Jahr
1.3Die Richtung des Lichts
1.4Planungs-Apps für das Licht
1.4.1The Photographer’s Ephemeris
1.4.2Standardisierter Austausch von Geodaten
1.4.3Profiwerkzeuge Sun Surveyor, PhotoPills und Planit Pro
1.4.4Mit dem 3D-Erdnavigator auf Location Scouting
1.4.5GPS-Koordinatenformate
1.4.6Motivstandorte mit Google Earth verwalten
1.5Das Wetter und seine Lichtwirkung
1.5.1Ausgeprägtes Morgen- und Abendrot
1.5.2Wolken und ihr Einfluss auf das Licht
1.5.3Ausgeprägtes Abend- und Morgenrot
1.5.4Vorausschauende Planung
1.6Der Nebel und das Licht
1.6.1Morgennebel und Inversionswetterlage
1.6.2Die Nebelprognose
1.6.3Nebelvorhersage mit Wetterstation und Webcam
1.6.4Hoch-, Küsten- und Verdunstungsnebel
1.7Nachtfotografie
1.7.1Lichtverschmutzung
1.7.2Wetterbedingungen bei Nachtaufnahmen
1.8Das Mondlicht
1.8.1Die Mondphasen
1.8.2Den Einsatz von Mondlicht mit Apps planen
1.8.3Zur Wirkung des Mondlichts
1.9Sternenfotografie
1.9.1Die Milchstraße im Jahreszyklus
1.9.2Praxisleitfaden für Milchstraßenfotos am Nord- und Südhimmel
1.9.3Zehn goldene Schritte zur erfolgreichen Milchstraßenaufnahme
1.10Meteorfotografie
1.11Polarlichtfotografie
1.11.1Wie entsteht Polarlicht?
1.11.2Polarlichtvorhersage
1.11.3Motiv und Aufnahmerichtung
1.11.4Aufnahmetechnik
1.11.5Kleidung am Polarkreis
1.12Lightpainting
1.12.1Der Wächter im Rembrandtlicht
1.12.2Im Lichtstrom zum Leuchtturm
1.12.3Märchenhafte Waldstimmung
2Komposition – Die Gestaltung von Landschaftsaufnahmen
2.1Mit wohlkomponierten Aufnahmen überzeugen
2.2Wahrnehmungspsychologie und Fotografie
2.2.1Fünf Wahrnehmungsprinzipien
2.3Leserichtung und visuelles Gewicht
2.4Konsequenzen für die Landschaftsfotografie
2.4.1Wahrnehmungsprinzipen am fotografischen Beispiel
2.4.2Die Scheinräumlichkeit
2.4.3Ordnungsprinzipien der Komposition
2.5Der Workflow bei Kompositionsentscheidungen
2.5.1Fotografisches Sehen und bildliches Gestalten am Aufnahmeort
2.6Die Landschaftsaufnahme
2.6.1Die Bildfläche
2.6.2Hoch- oder Querformat?
2.6.3Das ideale Seitenverhältnis
2.6.4Die Horizontlinie
2.6.5Das quadratische Bildformat
2.6.6Das Panorama
2.7Die Aufnahmeperspektive
2.7.1Augen-, Frosch- und Vogelperspektive
2.7.2Gestalten mit Aufnahmeperspektive und Brennweite
2.7.3Objektive und Brennweiten in der Landschaftsfotografie
2.7.4Praxisübungen zur Gestaltung der Perspektive
2.8Bildaufteilung und Proportionen
2.8.1Harmonische Proportionen nach dem goldenen Schnitt
2.8.2Die Fibonacci-Spirale
2.8.3Die Drittelregel
2.8.4Die Diagonalmethode
2.9Visuelle Grundformen
2.9.1Punkte
2.9.2Linien
2.9.3Fläche, Form und elementare Grundformen
2.10Das visuelle Gewicht
2.10.1Das visuelle Gleichgewicht im Bild
2.10.2Fragen an die Komposition
2.10.3Schwerpunkte und Ruhepunkte
2.11Farbgestaltung
2.11.1Farben transportieren Stimmungen und Emotionen
2.11.2Wahrnehmungspsychologie und Farben
2.11.3Die Funktion der Farbe in Landschaftsaufnahmen
2.11.4Systematik von Farben
2.11.5Farbmodelle und Farbräume
2.11.6Die ästhetische Farbtheorie nach Johannes Itten
2.11.7Die sieben Farbkontraste zur Gestaltung
2.11.8Der Farbtonkontrast
2.11.9Der Hell-Dunkel-Kontrast
2.11.10Der Komplementärkontrast
2.11.11Der Kalt-Warm-Kontrast
2.11.12Der Simultankontrast
2.11.13Der Qualitätskontrast
2.11.14Der Quantitätskontrast
2.12Farbharmonien
2.12.1Fünf Grundprinzipien zur Farbharmonie
2.12.2Harmonische Farbakkorde mit Zwei-, Drei-, Vier- und Sechsklängen
2.12.3Entschlüsselung gelungener Farbkompositionen
2.12.4Harmonischer Farbsechsklang im ausgewogenen Quantitätskontrast
3Den Dreiklang vollenden – Zeit in der Landschaftsfotografie
3.1Der entscheidende Moment
3.2Geduld, Aufmerksamkeit und Neugier
3.3Die Mehrdimensionalität des Zeitbegriffs
3.4Fotografische Zeitentscheidungen
3.5Landschaft in Bewegung
3.5.1Wasserbewegung am Fluss
3.5.2Wasserbewegung am Meer
3.5.3Abstrakte Wasserbewegungen
3.5.4Wolken und Wind
3.5.5Startrails | Sterne in Bewegung
3.6Naturphänomene über das Jahr
3.6.1Kalendarische Licht-, Wetter- und Naturphänomene
3.7Jahreszeitabhängige Motive
3.7.1Das blaue Band des Frühlings
3.7.2Südfrühling
3.7.3Landschaftliche Sehnsuchtsorte in den Bergen
3.7.4Gipfellicht
3.7.5Fotografische Besonderheiten in den Bergen
3.7.6Drahtseilakt im Team | Bergfrühling bei Nacht
3.7.7Licht über dem Markenmeer
3.7.8Indian Summer im Teutoburger Wald
3.7.9Lärchenfeuer in den Ampezzaner Dolomiten
3.7.10Geschichten erzählen
3.7.11Altes Bergdorf in den Hautes-Alpes
3.8Das subjektive Erleben der Landschaft sichtbar machen
3.8.1Geführte Kamerabewegungen
3.8.2Kreative Fotos vom Beifahrersitz aus
4Das handwerkliche Rüstzeug des Landschaftsfotografen
4.1Technische Grundlagen der Belichtung
4.1.1Die Belichtungsdauer
4.1.2Die Blende
4.1.3Die Lichtempfindlichkeit (ISO)
4.1.4Die Lichtintensität
4.1.5Zusammenfassung zur Belichtung
4.2Der absolute Lichtwert
4.2.1Abschließende Anmerkungen
4.3Der relative Lichtwert und die Belichtungsmessung in der Praxis
4.3.1Belichtungsmessung
4.3.2Belichtungswaage und Belichtungskorrektur
4.4Gestalten mit dem Belichtungsdreieck
4.4.1Das Belichtungsdreieck mit der Kamera meistern
4.4.2Fotografische Gestaltung mit der Blende
4.4.3Gestaltung mit der Belichtungszeit
4.4.4Die Gestaltung unterstützen mit dem ISO-Wert
4.5Grundlegende Aufnahmetechnik
4.5.1Qualitätsanspruch
4.5.2Arbeiten mit dem Live-View
4.5.3Raw, JPEG oder HEIF?
4.6Die praktische Belichtungskontrolle mit dem Histogramm
4.6.1ETTR (Exposure to the right)
4.7Charakteristik digitaler Kamerasensoren
4.8Histogrammtypen und Belichtung mit den Kanalhistogrammen
4.9Dynamikumfang in Abhängigkeit vom ISO-Wert
4.10Unzulänglichkeiten der implementierten Histogrammfunktion
4.11Mit Filtern fotografieren
4.11.1Warum Filter?
4.11.2Polfilter
4.11.3Die Polfilter-Handregel bei blauem Himmel
4.11.4Mit dem Polfilter gestalten
4.11.5Unsachgemäßen Polfiltereinsatz vermeiden
4.11.6Kriterien für den Polfilter-Kauf
4.11.7Farbige Polfilter
4.12Neutraldichtefilter
4.12.1Das Problem mit dem Motivkontrast
4.12.2Der richtige Umgang mit dem Motivkontrast
4.13Grauverlaufsfilter
4.13.1Den Motivkontrast meistern
4.13.2Arten von Grauverlaufsfiltern
4.13.3Gestaltungswerkzeug Graufilter
4.13.4Gestaltende Langzeitbelichtung am Meer
4.14Abschließende Übersicht
4.14.1Weitere Anwendungsbeispiele
4.14.2Handwerkliche Auswahlkriterien beim Kauf eines Filtersystems
4.14.3Entscheidungstabelle für den Kauf eines Filtersystems
4.15Das Filtersystem im Praxiseinsatz
4.15.1Filteraufbewahrung mit System
4.15.2Der Aufnahmeprozess bei der Fotografie mit Filtern
4.15.3Praxistipps für die Filterfotografie
4.16Weitere optische Filter
4.17Schärfe in Landschaftsaufnahmen
4.17.1Kein zentimetergenauer Fokus
4.17.2Fokus auf Unendlich?
4.17.3Wie nah kann ich ran?
4.18Kritische und förderliche Blende
4.18.1Die kritische Blende ermitteln
4.19Die hyperfokale Distanz
4.19.1Praktischer Einsatz der Hyperfokal-Tabelle
4.19.2Objektive mit Schärfentiefeskala
4.19.3Fokussieren auf die hyperfokale Distanz in der Praxis
4.20Weitere Einflussfaktoren für scharfe Landschaftsaufnahmen
4.21Mehr Schärfentiefe mit Fokus-Stacking
4.21.1Schwenken der Schärfeebene mit Tilt-Shift-Objektiven
4.21.2Mut zur selektiven Schärfe
4.22Der Crop-Faktor und das KB-Format
4.22.1Das Vollformat als Referenz
4.22.2Den Crop-Faktor berechnen
4.23Der Weißabgleich und die Farbstimmung
4.24Landschaftspanoramen mit einfachen Mitteln
4.24.1Der Nodalpunkt
4.24.2Anforderungen an den Aufnahmeprozess
4.24.3Panorama-Motiveinschränkungen
5Ausrüstung
5.1Die richtige Ausrüstung für die Landschaftsfotografie
5.1.1Auswahlkriterien Kamerasystem
5.1.2Objektivauswahl
5.1.3Blendenlamellen, Bokeh und Filterdurchmesser
5.1.4Abbildungsfehler (Aberrationen)
5.1.5Blendenfleck-Verhalten
5.1.6Wetterschutz, Gewicht und Abmessungen
5.1.7Mit welchen zwei Objektiven sollten Sie beginnen?
5.1.8Welche Objektive bieten sich als nächste an?
5.2Stativauswahl
5.2.1Haltefähigkeit (Traglast)
5.2.2Aufbauhöhe
5.2.3Stativkopf: Kugelkopf oder Mehrwegeneiger?
5.2.4Das Material der Stativbeine
5.2.5Arbeiten mit dem Stativ
5.3Der Kamerarucksack
5.3.1Passformen und Rückenlänge
5.3.2Das Tragesystem
5.3.3Einsatzzweck
5.3.4Warum Kameraeinsätze in Rucksäcken sinnvoll sind
5.3.5Volumen
5.3.6Verarbeitung, Material, Funktionalität und Service
5.3.7Front-, Rücken- und Seitenzugriff
5.3.8Rucksackeinmaleins: Schweres dicht am Körper tragen
5.3.9Kleidung einrollen und in Ziplock-Beutel packen
5.4Wanderschuhe und die richtige Kleidung
5.5Das Smartphone, die Immer-dabei-Kamera
Index
Alexandre Deschaumes
Joe Cornish
Michael Kenna
Theo Bosboom
Valda Bailey
Marc Adamus
Andris Apse
Der fotografische Dreiklang der Landschaftsfotografie
Willkommen zu Ihrer aufregenden Reise durch die Welt der Landschaftsfotografie!
So vielfältig wie die Landschaftsfotografie selbst ist, so vielfältig werden auch Ihre Interessen und Fragen sein, die Sie beim Aufschlagen dieses Buches haben. Und doch wird eine Frage über allen anderen stehen, nämlich die, ob es einen Schlüssel zu besseren Fotos gibt.
Doch was ist mit »besseren Fotos« gemeint?
Nach meiner persönlichen Erfahrung macht man ausdrucksstarke Fotos genau dann, wenn man etwas von sich selbst preisgibt und für das, was man sagt und wie man es sagt, ein aufmerksames Publikum findet. Aufmerksamkeit setzt Interesse des Betrachters und eine klare Kommunikation des Fotografen voraus.
Während Ihre persönlichen Geschichten so einzigartig sind wie Sie selbst, braucht jeder und jede, die sich mit der Landschaftsfotografie befassen will, zunächst umfangreiches Praxiswissen über die visuellen Ausdrucksmöglichkeiten. Denn nur dann, wenn Sie die fotografische Sprache in ihrer Vielfalt beherrschen, also richtig »sprechen« gelernt haben, können Sie Ihren eigenen Stil und Ihre Ausdrucksweise zur Perfektion bringen und Ihren Bildern Menschlichkeit und Seele einhauchen.
Doch wie lässt sich die bildliche Sprache idealerweise vermitteln? Was ist die visuelle Grammatik, welchen Wortschatz braucht es – und müssen Sie sämtliche Gattungen1 wie Epic, Drama und Lyrik der visuellen Sprache beherrschen? Kurzum: Worauf kommt es an?
Je länger ich mich mit dieser Frage in vielen meiner Fotoworkshops, in Diskussionen mit den hier vorgestellten Profifotografen und ganz konkret im Rahmen dieses Buches beschäftigt habe, umso klarer wurde mir, dass die Herangehensweise für Lernende eine ganz andere sein muss, als es viele Bücher didaktisch bisher vermittelt haben.
Dieses Buch stellt daher die sonst am Anfang stehenden Foto- und Aufnahmetechniken erst im vierten (und vorletzten) Kapitel vor. Denn viel wichtiger ist es, die zentralen Elemente kennenzulernen, die den Unterschied zwischen einer gewöhnlichen Aufnahme und einem fotografischen Meisterwerk ausmachen.
Das vorliegende Buch beginnt daher in den ersten drei Kapiteln mit dem von mir entwickelten Konzept des fotografischen Dreiklangs in der Landschaftsfotografie, der sich aus Licht, Komposition und Zeit zusammensetzt. Sie müssen zunächst diese drei Säulen und ihr Zusammenwirken verstehen, bevor ich das zu ihrer Umsetzung notwendige Handwerkszeug vorstellen kann (vgl. die Abb. auf S. xiii).
Fotografisches Sehen und bildliches Gestalten entwickeln sich am besten, indem Sie sich überzeugende Landschaftsaufnahmen wiederholt anschauen und analysieren, was sie im Hinblick auf Licht, Komposition und Zeit ausmacht. Die Vielzahl an Gestaltungsentscheidungen kann der Fotograf oder die Fotografin dabei bewusst oder unbewusst getroffen haben.
Um Ihnen diese detaillierte Bildanalyse zu erleichtern, habe ich ergänzend einhundert Gestaltungselemente in Form einer Piktogramm-Systematik erarbeitet. Diese Piktogramme finden Sie unter den in diesem Buch besprochenen Fotos. Dort sollen sie Ihnen helfen, die jeweiligen Gestaltungsaspekte möglichst schnell zu erfassen, indem sie die Gestaltungsschwerpunkte und Ergebnisse der Bildanalyse einfach, effizient und präzise beschreiben.
Ich führe diese Piktogramme schrittweise ein, aber trotzdem ist es nicht erforderlich, dass Sie dieses Buch von vorne bis hinten durcharbeiten: Sollte Ihnen ein Piktogramm beim Lesen noch unbekannt sein, verhilft Ihnen ein Blick auf den beigefügten Einleger zu einer kurzen Erläuterung. Die Piktogramme selbst dienen damit auch als Symbol-Index, wenn Sie einzelne Themenschwerpunkte in diesem Buch gezielt vertiefen wollen oder Bildbeispiele mit bestimmten Gestaltungseigenschaften suchen. Haben Sie sich mit der hier erarbeiteten Symbolik erst einmal vertraut gemacht, empfehle ich Ihnen, auch für Ihre eigenen Bilder mit diesen Piktogrammen zu arbeiten.
Eine universelle Sprache wie die Fotografie besitzt unendlich viele Stilmittel und Möglichkeiten, sich auszudrücken. Verstehen Sie die in diesem Buch vorgestellten visuellen Gestaltungsmittel daher nicht als Vorgabe, die es unbedingt zu erfüllen gilt, um Meisterwerke der Fotografie zu erschaffen. Vielmehr entscheiden Sie selbst, welche Stilmittel eine Bedeutung für Ihren individuellen Ausdruck haben sollen und welche nicht. Solch ein bewusster Verzicht setzt aber voraus, dass Sie die Stilmittel kennen und wissen, wie sie wirken.
Atemberaubendes Licht, das den Himmel streichelt und Schatten über die Landschaft tanzen lässt, Kompositionen, die die Natur in einem harmonischen Gleichgewicht oder einem magischen Moment wiedergeben, und Zeit, die den entscheidenden Augenblick einfriert und die Magie eines Ortes unvergesslich werden lässt – ich behaupte, dieser fotografische Dreiklang der Landschaftsfotografie ist auch der Schlüssel zum Erfolg der in diesem Buch porträtierten Profifotografen.
Lassen Sie sich also beeindrucken von den gefühlsbetonten und abstrakten Arbeiten der britischen Fotografin Valda Bailey. Valdas zeitgenössische Bildsprache ist geprägt von künstlerischer Originalität und kreativer Experimentierfreudigkeit.
Bewundern Sie die wilden Naturschätze Neuseelands vor der majestätischen Kulisse der Südalpen, die der bekannteste Fotograf Neuseelands, Andris Apse, so einmalig zu fotografieren weiß.
Auch der Niederländer Theo Bosboom hat ein außergewöhnliches Talent, die Schönheit und Vielfalt der Naturräume Europas in seinen Bildern einzufangen. Seine Fotografien reichen von epischen Landschaften über intime Naturdetails bis hin zu einzigartigen Naturschauspielen.
Vielleicht inspiriert Sie auch der preisgekrönte Landschaftsfotograf Marc Adamus aus den USA, der für seine dramatischen und epischen Landschaftsaufnahmen bekannt ist. Marcs fotografisches Markenzeichen liegt in der Verwendung von Licht und Farbe, um Landschaften in einer surreal wirkenden Schönheit einzufangen.
Ganz anders zeigt sich das Œuvre des führenden zeitgenössischen Landschaftsfotografen Michael Kenna. Michael ist bekannt für seine minimalistische und ästhetisch ansprechende Schwarzweiß-Fotografie im analogen Mittelformat. Seine poetischen Haiku-artigen Aufnahmen vermitteln eine tiefe Ruhe und laden zur Kontemplation ein.
Lernen Sie von dem renommierten Altmeister Joe Cornish, was Präzision in der Komposition bedeutet und welch starke Verbindung zur Natur Großbritanniens aus seinen Bildern spricht.
Durch ihre künstlerische Originalität und emotionale Tiefe faszinieren auch die Bilder des einflussreichen Landschaftsfotografen Alexandres Deschaumes aus Frankreich. Seine Fotografien sind oft eine Hommage an die Schönheit und die Wunder der natürlichen Welt und sollen den Betrachter dazu inspirieren, eine tiefere Verbindung zur Natur zu suchen.
Von der visuellen Ästhetik fotografischer Meister zu lernen, ihre Ausdrucksweise nachzuahmen, um den eigenen persönlichen Stil zu entwickeln, daran ist wahrlich nichts auszusetzen. Und doch möchte ich Sie mit diesem Buch einladen, sich selbst auf eine Suche zu begeben und in der Auseinandersetzung mit der Landschaft die Frage für sich zu beantworten, was Sie persönlich der Welt zu sagen haben. Seien Sie dabei nicht die fotografische Kopie eines anderen, sondern zeigen Sie Ihre ganze Persönlichkeit und Einzigartigkeit mit ausdruckstarker Kunst. Lassen Sie sich bei dieser Reise nicht von Rückschlägen entmutigen und bleiben Sie sich stets treu.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie beim Durcharbeiten der vielen Praxisbeispiele nicht nur besser fotografieren lernen, sondern sich auch auf eine Entdecksreise begeben und lernen, Geschichten zu erzählen. Denn es gilt: Fotografieren lernt man am besten beim Fotografieren.
Technisch konzentriere ich mich in diesem Buch stets auf die Erstellung einer qualitativ hochwertigen Raw-Datei. Auch wenn die digitale Bildbearbeitung mittlerweile einen nicht unerheblichen Stellenwert in der Landschaftsfotografie einnimmt, behandele ich sie hier nur in Auszügen (für eine ausführliche Darstellung wäre wohl ein zweites Buch notwendig geworden). So oder so haben aber die hier aufgezeigten Aspekte zur Gestaltung, zur Wirkung von Farbe sowie zur menschlichen Wahrnehmung unveränderte Gültigkeit auch für die Nachbearbeitung.
Die Landschaftsfotografie öffnet Ihnen eine Tür zu einer Welt unbegrenzter Abenteuer und spannender Geschichten. Kein anderes Genre bietet so viele Möglichkeiten, sich persönlich auszudrücken und sich mit der Natur verbunden zu fühlen.
Begleiten Sie mich und die hier vorgestellten Fotografen und Fotografinnen auf eine Reise durch die Welt der Landschaftsfotografie. Seien Sie bereit, Ihre fotografischen Grenzen zu sprengen, und erleben Sie magische Landschaftseindrücke aus Licht, Komposition und Zeit!
André Koschinowski
Abb. 1.0:Magisches Licht am Ellenbogen in List | Sylt | Deutschland
Haben Sie sich schon einmal überlegt, was außergewöhnliche Landschaftsaufnahmen1 von eher durchschnittlichen unterscheidet?
Sie kennen sicherlich viele Landschaftsmotive weltweit, die bereits unendlich oft fotografiert wurden. Aber aus dieser Unzahl von Aufnahmen stechen nur einige wenige Fotos auf bedeutsame Weise hervor.
Ganz gleich, welches Motiv Sie interessiert – es ist immer das Licht, das den Unterschied macht und ein Motiv außergewöhnlich erscheinen lässt.
Zuerst das Licht, alles andere folgt.
Licht ist das Ausgangsmaterial der Fotografie und definiert seine Sprache. Wie ein Dichter Worte oder ein Musiker Töne einsetzt, so benutzen Landschaftsfotografen das natürliche Licht.2
Das Wissen darüber, wie Licht auf die Landschaft wirkt, kann in seiner Wichtigkeit für die Landschaftsfotografie nicht überschätzt werden. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Beide sorgen dafür, dass die vor Ort wahrgenommene Räumlichkeit der Landschaft auch in der Zweidimensionalität eines Fotos erhalten bleibt.
»Licht ist nicht alles, aber ohne Licht ist alles nichts« lautet das Motto eines befreundeten Landschaftsfotografen aus Rheinland-Pfalz. Die intensive Auseinandersetzung mit der Bildwirkung von Licht ist der für sich betrachtet wichtigste Schritt, damit sich Ihre Landschaftsfotografie von den Aufnahmen anderer abheben kann. Selbst wenn Sie noch Schwächen bei der Komposition Ihrer Bilder oder beim Einsatz Ihrer Technik haben, ist Licht das für die Bildwirkung zentrale Gestaltungsmittel.
Licht macht unsere Welt sichtbar und spielt bei jeder Art von Darstellung die entscheidende Rolle. War das Licht in der Malerei des Mittelalters noch als »Eigenlicht« vorhanden, entwickelte sich mit den Anfängen der Neuzeit in der italienischen Renaissance und gleichzeitig in der altniederländischen Malerei eine realistische Darstellung des Lichts mit Charakterisierung der Lichtquelle (Sonnenlicht, künstliche Beleuchtung) sowie der Richtung des Lichteinfalls, was die Modellierung von Figuren von hell nach dunkel und ihren Schattenwurf ermöglichte. Maler der Hochrenaissance wie Raffael3 bevorzugten noch weiches, diffuses Licht, während um 1600 der Maler Caravaggio4 Bilder mit starkem Licht- und Schattenspiel (»Chiaroscuro«) schuf, für das er bis heute berühmt ist. Im 19. Jahrhundert und mit dem Aufkommen der Freilichtmalerei entdeckten die Impressionisten die Ästhetik des grellen Sonnenlichts. Feste Formen der gegenständlichen Welt lösten sich in Lichtflecken auf. Landschaftsmaler wie William Turner5, Vincent van Gogh6 und Claude Monet7 werden häufig als »Maler des Lichts« bezeichnet. Auch die Erfindung der Fotografie veränderte unser Bewusstsein für Licht.
Analog zur Malerei wird in der Landschaftsfotografie natürliches Licht oft mit dem Licht der Sonne gleichgesetzt Doch auch das Mondlicht, das Licht der Sterne (insbesondere das Band der Milchstraße sowie Sternschnuppen) und spezielle Wetterphänomene wie leuchtende Nachtwolken8 oder Polarlichter9 fallen unter »natürliches Licht«. Im Gegensatz dazu spielt das von Menschenhand geschaffene künstliche Licht10 von Glühlampen, Straßenlaternen und Stadtlichtern für die Landschaftsfotografie eine geringere, aber ebenfalls mitentscheidende Rolle (vgl. Abb. 1.1 oben).
Beide Lichtquellen sind in Kombination als sogenanntes »Mischlicht«11 beim Fotografieren von Stadt- und Kulturlandschaften12 zu berücksichtigen. Die stimmungsvolle Leuchtturmaufnahme am Ellenbogen auf Sylt, die Sie zu Beginn des Abschnitts gesehen haben, ist für mich in ihrem natürlichen Umgebungslicht am Meer ohne das künstliche Licht des Leuchtfeuers nicht vorstellbar.
Oft tritt künstliches Licht während der Aufnahme von Landschaften aber auch negativ als sogenannte »Lichtverschmutzung«13 in Erscheinung. Aufnahmetechnisch herrschen bei künstlichem Licht in Nachtaufnahmen bisweilen starke Motivkontraste14 vor, die es zu bändigen gilt.
Richtig dosiert und kreativ eingesetzt, kann künstliches Licht gezielt mithilfe von Lightpainting15-Techniken zum Einsatz kommen und das Motiv sowie die Bildwirkung von Landschaftsaufnahmen verstärken. Licht kann aber noch mehr. Licht entlockt unserer Welt ihre Farben und kann Gewöhnliches in Magisches verwandeln. Darüber hinaus wirkt Licht direkt auf unsere Stimmung und ruft unmittelbar Emotionen in uns hervor.
Abb. 1.1:Natürliche und künstliche Lichtquellen
In Abschnitt 2.2 über Wahrnehmungspsychologie und Fotografie ab S. 155 beschreibe ich, dass der Betrachter eines Bildes bereits in seinem Unterbewusstsein eine Grundaussage über die Lichtwirkung getroffen hat, bevor er beginnt, das eigentliche Bild zu interpretieren.
Magisches Licht kann einem Motiv zusätzlich eine mystische Dimension verleihen und damit eine tiefe Verbundenheit mit einem Ort oder einer Situation erzeugen. Mir selbst ist es viele Male passiert, dass ich von einer magischen Lichtsituation so überwältigt war, dass ich vor lauter Aufregung das eigentliche Fotografieren vergaß.
Nicht wenige Fotografen und Fotografinnen setzen gutes Licht mit viel Licht und schlechtes Licht mit wenig Licht gleich. Sie irren, da Lichtquantität nicht gleich Lichtqualität ist. Die Menge des erforderlichen Lichts können Sie aktiv und kontrolliert über den Belichtungsprozess steuern. Gutes Licht muss sich in der Natur erst einmal einstellen und von Ihnen als solches erkannt werden, während Sie sich für den geeigneten Aufnahmezeitpunkt entscheiden. Ihre Digitalkamera kann Licht lediglich als physikalisches Phänomen aufzeichnen. Sie erkennt dabei weder das Motiv noch weiß sie, wie das vorhandene natürliche Licht die Elemente der Landschaft formt, ihnen Struktur verleiht und sie in Beziehung und Verhältnis zueinander setzt. Ihrer Kamera ist auch nicht bekannt, ob das aktuell aufgenommene Licht magisch oder alltäglich, direkt oder weich ist. Nur Sie legen den Ausschnitt, die Perspektive16 und den Zeitpunkt fest, zu dem das Licht in Ihrer Aufnahme festgehalten werden soll. Ihr gesamtes Können ist deshalb darauf ausgerichtet, das für Sie passende Licht aufzunehmen, um es im Rahmen der digitalen Bildbearbeitung hervorzuheben und beispielsweise durch einen Fine-Art-Print sichtbar und für den Betrachter erlebbar zu machen.
Beobachten Sie daher regelmäßig die Wirkungen des Lichts in der Landschaft und werden Sie so zu einem Spurensucher des Lichts. Beobachten Sie kontinuierlich, wie Licht eine Landschaft von einem Moment auf den anderen, über den Tag verteilt und im Ablauf der Jahreszeiten verändern kann. Aus diesem Erfahrungsschatz lernen Sie, situationsgerecht zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
Für das passende Licht müssen Sie sich oft in Geduld üben. Entwickeln Sie eine ausgeprägte Gelassenheit, falls sich eine Lichtsituation nicht sofort einstellt. Seien Sie gleichzeitig bereit, sofort zu reagieren, falls sich die Bedingungen plötzlich ändern.
Anders als bei der Arbeit im Studio können Sie in der Landschaftsfotografie das Licht weder formen noch vollständig kontrollieren. Zwar besitzen künstliches Licht und natürliches Licht die gleichen Eigenschaften: Beide können kalt oder warm, weich oder hart, gerichtet oder ungerichtet sein. Der wesentliche Unterschied besteht aber darin, dass Sie bei der Studiofotografie die gewünschte Lichtsituation direkt erzeugen, kontrollieren und für Ihre Aufnahme konstant halten können. Bei der Landschaftsfotografie müssen Sie sich hingegen auf ständig wechselnde Lichtsituationen einstellen. Mag das Warten auf den richtigen Augenblick für viele frustrierend sein, für mich macht es die Einzigartigkeit der Landschaftsfotografie aus. Wenn ich beispielsweise zum Sonnenuntergang an abgelegenen Orten magisches Licht erleben darf, fühle ich mich tief verbunden mit der Natur.
Verzweifeln Sie nicht, falls sich magisches Licht einmal nicht einstellt. Versuchen Sie stets, mit dem vorhandenen Licht ein optimales Resultat zu erzielen, um Ihr Wissen um und Ihre Aufnahmetechnik für verschiedene Lichtsituationen auszubauen. Nur dann, wenn Sie über ein ausreichendes Repertoire verfügen, werden Ihnen auch in den wenigen Momenten magischen Lichts die erforderlichen Arbeitsschritte unbewusst und fehlerfrei von der Hand gehen.
Praxistipp
Das Licht ist das am stärksten auf die Emotionen des Betrachters wirkende Stilelement der Landschaftsfotografie. Trainieren Sie Ihr ganzes Fotografenleben lang die Wahrnehmung zur Wirkung von Licht in Landschaften. Werden Sie zu einem geduldigen Spurensucher des Lichts. Versuchen Sie, ein fein abgestuftes Vokabular für Lichtsituationen zu entwickeln. Überlegen Sie stets, welche Lichtsituation Ihre Motividee idealerweise unterstützt.
Licht und Schatten sind in der Kunst nicht nur ein Mittel, um Tiefe zu verleihen, sondern ihre Dualität bedeutet auch Spannung. Diese kann Ihren Bildern eine tiefere Bedeutung geben und so helfen, Ihre Geschichten zu erzählen.
Die natürliche Beleuchtung der Elemente der Landschaft erfolgt aus mindestens drei relevanten Lichtquellen, die mit jeweils unterschiedlicher Intensität als Mischlicht auf jedes Objekt einwirken und ihm dabei Struktur und Farbe verleihen. Zur Erläuterung der drei Lichtarten habe ich in Abb. 1.1 unten einen Golfball – stellvertretend für jedes Element der Landschaft – dargestellt, der auf einer grünen Rasenfläche liegt.
Bei klarem Himmel sorgt die Sonne als punktuelle, weit entfernte Lichtquelle für ein direktes, hartes Licht mit klarer Schattenbildung (vgl. Abb. 1.1 unten | ). Ist der Himmel bewölkt, streuen die Wolken das Sonnenlicht und spenden so über die vergrößerte Abstrahlungsfläche ein weiches, diffuses Flächenlicht mit kaum sichtbaren Schatten17. Diese zweite Lichtquelle scheint zudem räumlich von der Sonne entfernt platziert zu sein – mit der Folge, dass die dunklen Schattenbereiche des direkten Lichts aufgehellt werden (vgl. Abb. 1.1 unten | ).
Sie müssen also erkennen, wie groß die Anteile des punktuellen Sonnen- oder flächigen Wolkenlichts auf der Landschaft sind, die vor Ihnen liegt. Ist der Himmel stark bewölkt, so dominiert das diffuse Licht, andernfalls herrscht starke Licht- und Schattenbildung durch direkte Sonneneinstrahlung vor.
Als dritte Größe wirkt auf den Golfball noch das sogenannte »Umgebungslicht«. Bei diesem handelt es sich um von der unmittellbaren Umgebung reflektiertes, also ebenfalls indirektes Sonnenlicht. In Abb. 1.1 wird ein Teil des Sonnenlichts, das auf die Rasenfläche fällt, von dieser reflektiert und als grünes, weiches Licht auf den Golfball zurückgeworfen (vgl. Abb. 1.1 unten | ).
Zusammen bilden alle drei Lichtarten das Mischlicht, das auf das landschaftliche Element einwirkt. Hinzu kommt, dass sich die Farbe des Sonnenlichts im Tagesverlauf ändert. Je nachdem, welche der drei Lichtarten dominiert, erscheint das landschaftliche Element in seiner Farbe, seinen Konturen und seiner Schattenbildung verschieden.
Selbstverständlich müssen Sie die Verwendung guten Lichts für Ihre Landschaftsaufnahmen nicht dem Zufall überlassen. Es gibt eine Reihe von Vorbereitungsmethoden und Planungs-Apps, die Ihre Erfolgschancen für magische Lichtsituationen zum Aufnahmezeitpunkt erhöhen. Im Wesentlichen sind es drei Einflussfaktoren, die Sie bei Ihren Überlegungen einbeziehen müssen und die das Erscheinungsbild der Elemente der Landschaft prägen:
die Tages- und Jahreszeit
die Kamerarichtung bzw. die Richtung des Lichts
das Wetter (Bewölkung, Dunst, Nebel)
Praxisaufgaben | Licht
Teil 1 | Analyse des Lichts in außergewöhnlichen Landschaftsaufnahmen (15 Minuten)
Blättern Sie bitte dieses Buch durch oder gehen Sie im Internet auf Ihr Lieblingsfotoportal und wählen Sie drei Fotos aus, die Sie unmittelbar ansprechen. Alternativ können Sie auch die Google-Bildersuche in Anspruch nehmen, dort nach bekannten Fotomotiven (z. B. Matterhorn, Südtirol, Hintersee, Rügen, Sylt …) Ausschau halten und jeweils das für Sie ansprechendste Bild auswählen.
Was haben die drei von Ihnen ausgewählten Aufnahmen unabhängig vom Motiv gemeinsam? Welche Bildwirkung entsteht durch die aufgenommene Lichtstimmung? Wie groß sind die Anteile an natürlichen im Vergleich zu künstlichen Lichtquellen sowie an direkter oder diffuser Lichteinstrahlung?
Teil 2 | Werden Sie zum Spurensucher des Lichts (Tages-, Wetter- und Jahreszeitenprojekt)
Suchen Sie einen Fotospot in der Nähe Ihres Zuhauses regelmäßig auf, um die Wirkung des direkten und indirekten Lichts und seiner Umgebung immer wieder zu beobachten. Hierbei sollten Sie die Lichtwirkung zu unterschiedlichen Tageszeiten, zur blauen und goldenen Stunde, bei verschiedenen Wetterlagen und während der Jahreszeiten studieren. Idealerweise machen Sie regelmäßig Fotos von denselben Standpunkten und Perspektiven aus.
Drucken Sie Ihre Aufnahmen aus und legen Sie die Bilder nebeneinander. Notieren Sie auf der Rückseite Ihrer Ausdrucke die charakteristische Lichtsituation. Wie verändern sich Farben und Strukturen Ihres Motivs, wie die Charakteristik von Licht und Schatten? Welche Bildaussagen lassen sich mit welcher Lichtsituationen am besten transportieren?
Achten Sie in Ihrer Bildanalyse auch auf die kleinsten Unterschiede in der Lichtwirkung. Notieren Sie zusätzlich, welches Gefühl mit welcher Lichtstimmung am besten transportiert werden kann. Statten Sie Ihrer Location auch nächtliche Besuche bei Neumond, Vollmond oder in klaren Sternennächten ab.
Das schriftliche Notieren ist sehr wichtig, da unser Gehirn beim Vorgang des Schreibens auf Hochtouren arbeitet. Die Informationen verankern sich auf diese Weise tief in Ihrem Gedächtnis.
Falls Sie unterwegs sind und sich plötzlich eine Lichtsituation einstellt, die Sie so noch nicht kennen, nehmen Sie diese mit Ihrer Handykamera auf. Überlegen Sie, ob und wann sich eine vergleichbare Situation auch an Ihrer Heimat-Location einstellen wird.
Die so gesammelten Erfahrungen können Sie direkt auf andere Aufnahmeorte übertragen.
Wenn wir für einen Moment das Wetter ignorieren und uns mit dem direkten Sonnenlicht beschäftigen, so ist die Qualität des natürlichen Lichts im entscheidenden Maße vom Stand der Sonne abhängig. Um es gleich vorwegzunehmen: Bei der Landschaftsfotografie gilt, dass qualitativ hochwertiges Sonnenlicht insbesondere zu Beginn und am Ende eines Tages vorhanden ist. Die Erfolgsaussichten für magische Momente sind während der goldenen18 und der blauen Stunde19 zum Sonnenaufgang und -untergang am größten (vgl. Abb. 1.2).
Als »goldene Stunde« wird die Zeit unmittelbar vor dem Sonnenuntergang und nach dem Sonnenaufgang bezeichnet. Die Sonne steht in einem sehr spitzen Höhenwinkel am Himmel, direkt über dem Horizont (vgl. Abb. 1.2).
Ihnen ist es sicherlich schon aufgefallen, dass die Sonne bei klarer Sicht gegen Sonnenuntergang ihre Farbe wechselt: von einem strahlenden Weiß in ein helles Gelb, dann in ein dunkles Gelb, später in ein Orange – bis sie schließlich als rote Scheibe am Horizont versinkt.
Abb. 1.2:Goldene und blaue Stunde
Der Grund dafür ist, dass das Sonnenlicht umso mehr Luftschichten durchdringen muss, je näher die Sonne dem Horizont kommt: Die kurzwelligen, blauen Anteile des Lichts werden stärker gestreut und das langwellige rote – goldene – Licht bleibt übrig (zusätzlich sorgt der Linseneffekt der Luftschichten für eine optische Vergrößerung der Sonnenscheibe). Die goldene Stunde zum Abend wird daher auch als »Abendrot«20 bezeichnet. Das Gegenstück ist das »Morgenrot«21 zum Sonnenaufgang.
Die Farbe des Lichts wird durch die sogenannte »Farbtemperatur«22 bezeichnet, die in Kelvin gemessen wird – eine physikalische Maßeinheit, um den jeweiligen Farbeindruck einer Lichtquelle mit einer konkreten Zahl belegen zu können. Je niedriger der Kelvin-Wert ist, desto roter ist das Licht; je höher er ist, desto blauer ist das Licht.
Die Sonne strahlt zur goldenen Stunde ein charakteristisches warmweiches Licht mit einer Farbtemperatur von ca. 2.500 K bis 4.000 K aus – je nach Wetter und Sonnenstand. Bitte beachten Sie, dass unser Gehirn eine Veränderung der Farbtemperatur des natürlichen Lichts unmerklich korrigiert – ähnlich wie der automatische Weißabgleich Ihrer Kamera.23 Das heißt, obwohl die Landschaft bereits in goldenes Licht getaucht wird, besteht unser Gehirn auf einer »regulären« Farbwahrnehmung, die sich am mittäglichen Licht orientiert. Die Veränderung der Lichtfarbe zum Sonnenuntergang und damit das warme Licht nehmen Sie dadurch erst sehr viel später wahr, als es tatsächlich auftritt. Begehen Sie daher nicht den Fehler, mit dem Fotografieren zu warten!
Direktes Sonnenlicht zur goldenen Stunde wirft sehr lange Schatten und sorgt für eine fantastische Staffelung der Landschaft, die Ihrer Aufnahme stets den erforderlichen Eindruck von Dreidimensionalität verleiht.
Da die Lichtintensität der Sonne zur goldenen Stunde im Vergleich zur Mittagszeit deutlich schwächer ist, empfiehlt sich der Einsatz eines Stativs, weil die resultierenden Belichtungszeiten länger sind. Um es klar vorwegzunehmen: Ich empfehle Ihnen, sämtliche anspruchsvollen Landschaftsaufnahmen ausschließlich auf einem Stativ durchzuführen.
Meine Aufnahme in Abb. 1.3 auf der Mole von Swinemünde24, der polnischen Seite der Insel Usedom, ist ein klassisches Sonnenuntergangsmotiv. Durch die fast geschlossene Wolkendecke, die sich bis zum Horizont erstreckt, entsteht großflächig eine diffuse Gegenlichtsituation mit gelben, orangenen und rötlichen Farbtönen25 (Abendrot). Teilweise schafft es die untergehende Sonne, durch den Wolkenschleier hindurchzublinzeln, sodass direktes Sonnenlicht für eine dezente Licht- und Schattenbildung der eingefassten Steine auf der Mole sorgt und dem weißen Seezeichen mit den überkreuzten Flügeln Räumlichkeit verleiht. Hierbei erhält das Seezeichen durch das direkte Sonnenlicht eine klare orangerote Lichtkontur. Aufgrund der sehr niedrigen Aufnahmeposition wird an den Stirnkanten der von den Wellen benetzten Mole-Steine das goldene Licht ebenfalls durch Reflexion sichtbar. Sämtliche rotorangenen Töne des Himmels sowie das direkte Licht der Sonne spiegeln sich auf den Wellenkämmen wider. Das Bild erzeugt eine warme, positive Stimmung eines Sommerabends am Meer. Die Urlauber sind auf den Beinen und genießen den Sonnenuntergang. Durch die knapp gehaltene Belichtungszeit wird anhand der hereinströmenden Welle die Bewegung des Meeres sichtbar gemacht (vgl. Abschnitt 3.5 ab S. 303) und dem warmen, positiven Bildeindruck zusätzlich eine leichte, dynamische Spannung hinzugefügt.
Abb. 1.3:Abendrot an der Ostsee | Swinemünde | Polen
Eine einheitliche Definition für die exakte Dauer der goldenen Stunde existiert nicht. Einige Programme (vgl. PhotoPills, Abschnitt 1.4.3), die die goldene Stunde für Sie berechnen, definieren die goldene Stunde als Höhenwinkel der Sonne zum Horizont von +6° bis −4°.
Von jedem Aufnahmestandpunkt auf der Erde können Sie die Position der Sonne im Raum durch Angabe zweier Winkel beschreiben (vgl. Abb. 1.4). Auf der Horizontebene des Betrachters (Landschaftsfotograf) gibt der »Azimut-Winkel«26 die Drehung vom Nordpol im Uhrzeigersinn an (1. Winkel). Damit ist die Azimut-Winkelangabe auch eine Angabe über die Himmelsrichtung (N 0°, O 90°, S 180°, W 270°). Der Azimut-Winkel wird daher auch als »Richtungswinkel«27 bezeichnet.
Der zweite Winkel ist der »Höhenwinkel«28 (Elevation). Das heißt, unabhängig von dem Azimut-Winkel der Sonne über das Jahr gilt der Höhenwinkel der Sonne von +6° bis −4° für einige Berechnungsprogramme als Definition für die goldene Stunde.
Damit reicht die goldene Stunde auch in die Zeit der Dämmerung (Höhenwinkel negativ) hinein.
Persönlich empfehle ich Ihnen, stets die volle Stunde vor Sonnenuntergang fotografisch auszuschöpfen, da dies Ihre prädestinierte Zeit für Landschaftsaufnahmen bei Tageslicht sein sollte. Die goldene Stunde steht auch bei Natur-, Porträt- und Architekturfotografen hoch im Kurs. Außer durch die herausragenden Lichtbedingungen zeichnet sie sich auch durch auf ein akzeptables Maß reduzierte Helligkeitskontraste aus. Mithilfe der Filterfotografie (vgl. Abschnitt 4.11 ab S. 437) und anderer Techniken (vgl. Kapitel 4 ab S. 389) lassen sich Lichter und Tiefen so abbilden, dass sie noch Strukturen erkennen lassen. In Verbindung mit geeigneten Wolken- und Wetterbedingungen können so unvergessliche Momente entstehen.
Abb. 1.4:Azimut- und Höhenwinkel
Abb. 1.5:Abendrot am Weststrand
Der Untergang der Sonne dauert in Mitteleuropa im Durchschnitt etwa vier Minuten. Der Sonnenuntergang29 ist defniert als Zeitspanne zwischen dem ersten Kontakt der Sonnenscheibe mit dem Horizont bis zu ihrem vollständigen Verschwinden. Danach beginnt die Phase der Dämmerung.
Die »blaue Stunde«30 bezeichnet die Zeit der Abenddämmerung nach Sonnenuntergang und vor Beginn der nächtlichen Dunkelheit, wenn die Sonne den Himmel noch erhellt, sich aber bereits unterhalb des Horizonts befindet (bzw. die Zeit der Morgendämmerung vor dem Sonnenaufgang31). Der Begriff »blaue Stunde« leitet sich von der besonderen blauen Färbung des Himmels während der Dämmerung ab (vgl. Abb. 1.2 auf S. 6).
Die blaue Stunde inspiriert seit Jahrhunderten Maler und Dichter. Oft wird mit der blauen Stunde eine eher kühlere, nachdenkliche und manchmal auch melancholische Stimmung assoziiert.
Das blaue Licht entsteht durch die Ozonschicht der Erde, die sichtbares Sonnenlicht blau färbt, da die gelben, orangen und roten Anteile absorbiert werden.
Es werden drei Phasen der Dämmerung32 unterschieden: die »bürgerliche«, die »nautische« und die »astronomische« Dämmerung.
Eine einheitliche Definition für die Dauer der blauen Stunde existiert nicht. Berechnungsprogramme, die die blaue Stunde für Fotografen berechnen, setzen die blaue Stunde entweder mit der bürgerlichen Dämmerung oder der nautischen Dämmerung gleich. Persönlich halte ich alle drei Dämmerungsphasen für reizvoll. Kombiniert mit der Aufnahme von Sternen, können magische Landschaftsbilder entstehen.
Die Farbtemperatur des blauen Himmelslichts verändert sich während der drei Dämmerungsphasen von 9.000 K zu Beginn der bürgerlichen Dämmerung bis hin zu 12.000 K mit Abschluss der astronomischen Dämmerung.
Da kein direktes Sonnenlicht mehr vorhanden ist, lassen sich die Motivkontraste für den Landschaftsfotografen einfacher beherrschen. Selbstverständlich ist mit den verlängerten Belichtungszeiten für anspruchsvolle Landschaftsaufnahmen ein Stativ erforderlich.
Die Abenddämmerung läuft, in zeitlicher Abfolge der drei Dämmerungsphasen, in folgenden Schritten nacheinander ab:
Die bürgerliche Abenddämmerung beginnt nach Sonnenuntergang und endet, wenn die Sonne die Horizontlinie von −6° unterschreitet (vgl. Abb. 1.2 auf S. 6).
Die bürgerliche Dämmerung ist die hellste der drei Dämmerungsphasen. In der Regel benötigt man draußen kein zusätzliches künstliches Licht. Während dieser Zeit ist das Umgebungslicht so hell, dass Sie Zeitung lesen können. Das künstliche Licht der Städte und das natürliche Licht halten sich in der bürgerlichen Dämmerung noch die Waage. Man spricht auch von der »Lichtgleiche« des natürlichen und künstlichen Lichts.
Bei klarer Sicht strahlt auch nach Sonnenuntergang der Westhimmel über dem Horizont in gelborangenen und roten Farbtönen (vgl. Abb. 1.5).
Obwohl die Sonne jetzt unter den Horizont gesunken ist, wird der gesamte Himmel nicht einheitlich hell erleuchtet: Der Abschnitt des Horizonts, der der Sonnenuntergangsposition am nächsten ist, leuchtet weiterhin als hellster Bereich (Westhimmel). Genau auf der anderen Seite davon befindet sich die dunkelste Stelle (Osthimmel). Das Licht, das aufgrund des Wegfalls der Sonnenscheibe nicht mehr punktuell ist, sondern flächiger wird, bleibt weiterhin gerichtet und fällt aus Richtung des Sonnenuntergangs auf die Landschaft. Zwischen der hellsten Stelle am Westhimmel und der dunkelsten Stelle am Osthimmel stellt sich ein durchgehend abgestufter Helligkeitsverlauf ein. Dieser ist bis zum Ende der Dämmerung sichtbar. Den Helligkeitsverlauf selbst können Sie am besten bei vollständig wolkenfreiem Himmel beobachten.
Abb. 1.6:Vollmond und Gegendämmerung zur blauen Stunde
Bitte beachten Sie, dass während der bürgerlichen Dämmerung auch die Richtung, in die Sie fotografieren, darüber entscheidet, ob Ihre Landschaft im Schatten liegt. Solange das Restlicht der untergegangenen Sonne über dem Westhorizont noch sehr viel intensiver als das Flächenlicht des Himmels scheint, müssen Sie bei einer Gegenlichtposition damit rechnen, dass Elemente der Landschaft im Schatten liegen und ggf. keine Zeichnung33 haben. Unter »Zeichnung« versteht man die Erkennbarkeit von Details und Strukturen in lokalen Bereichen eines Bildes.
Während die Umgebungshelligkeit Minute für Minute abnimmt und damit die Dämmerung weiter voranschreitet, werden zunächst die hellen Planeten sichtbar, insbesondere die Planeten Venus und Jupiter. Sterne sind während der Zeit der bürgerlichen Dämmerung noch nicht zu erkennen.
Die Aufnahme in Abb. 1.5 ist zur Zeit der bürgerlichen Abenddämmerung am Weststrand von Wenningstedt auf Sylt entstanden. Obwohl die Sonne bereits über dem Meer untergegangen ist, erkennen Sie das Farbspektrum des Abendrots mit seinen gelbroten Farbtönen am Himmel. Der von Wind und Wetter vergraute Holzbohlensteg ist bereits mit einem leichten Blauton der blauen Stunde eingefärbt. Das Meer spiegelt ebenfalls die Farben des Himmels wider. Aufgrund der gewählten Langzeitbelichtung (vgl. Abschnitt 3.4, »Fotografische Zeitenscheidungen«, ab S. 291) erscheint das Meer glatt und ruhig.
Schauen Sie sich die Aufnahme hinsichtlich der Lichtsituation nochmals genauer an. Es gibt zwei große Lichtquellen: zum einen ein flächiges Licht aus Richtung des Westhorizonts (Sonnenuntergangsposition, außerhalb des Bildausschnitts, Abb. 1.5 unten | ), zum anderen kommt das blaue Licht des Himmels von oben (Abb. 1.5 unten | ). An den Licht- und Schattenpartien des Holzbohlensteges können Sie erkennen, welche der beiden Lichtquellen zum Aufnahmezeitpunkt eine höhere Intensität hatte.
Da die Aufnahme kurz nach Sonnenuntergang entstanden ist, dominiert noch das Flächenlicht am Westhorizont (Abb. 1.5 unten | +). Die Licht- und Schattenstruktur am Geländer zeigt deutlich, dass die Tonwerte der Geländerflächen Richtung Westen heller als die Holzflächen auf der Oberseite sind. Die Flächen zur abgewandten, rechten Seite (Ostseite) liegen klar im Schatten (dunkle Tonwerte34).
Wenn Sie sich mit meinen Analysen schwertun, so empfehle ich Ihnen erneut die Praxisaufgabe zum »Spurensucher des Lichts« auf S. 5 als Langzeitprojekt umzusetzen.
Sobald Sie beginnen, zu überlegen, wie das Licht Ihr Motiv beeinflusst und welche Lichtsituation Ihre Motividee am besten unterstützt, werden Sie Landschaften nicht mehr rein dokumentarisch fotografieren, sondern Ihr Motiv in Ihrem persönlichen Stil interpretieren und für den Betrachter erlebbar machen. Dieses gelingt nicht auf Anhieb. Seien Sie aber nicht sofort entmutigt: Es braucht schon sehr viele Lichtsituationen Erfahrung, um eine ausgeprägte Vorstellungkraft zu entwickeln.
Ist der Westhimmel über dem Horizont der Sonnenuntergangsstelle wolkenfrei, so können Sie während der bürgerlichen Dämmerung auf der gegenüberliegenden Seite am Osthimmel ein weiteres Phänomen nach Sonnenuntergang beobachten: die »Gegendämmerung«.35
Abb. 1.7:Burgruine Rocca Callasico zur nautischen Morgendämmerung
Die Gegendämmerung ist bei freiem Lichtweg der Sonnenstrahlen bis zu einem Höhenwinkel von ungefähr 10° in rotvioletter Färbung über dem Horizont sichtbar. Mit der Zeit schiebt sich vom Horizont kommend ein dunkler, blauer Streifen nach oben. Der blaue Streifen ist nichts anderes als der Erdschatten, der von der untergegangenen Sonne auf die Atmosphäre projiziert wird. Je tiefer die Sonne fällt, desto höher wird der in der Atmosphäre sichtbare Erdschatten.
Wenn Sie in Abb. 1.6 den Osthimmel über dem Horizont genau analysieren, können Sie bereits das blaue Band des Erdschattens erkennen. Er reicht von der Horizontlinie bis über die Dächer der Häuser und endet ungefähr auf halber Höhe des Leuchtturms. Übrigens sind die am Himmel aufgenommenen Cumulus-Wolken ebenfalls bereits in den Erdschatten getreten und haben die für die blaue Stunde so typische Farbgebung angenommen. Ein kleiner Bereich auf der Oberseite der höheren Wolken wird noch von der unter die Horizontlinie abgesunkenen Sonne beschienen.
Die Gegendämmerung dauert in Zentraleuropa ab Sonnenuntergang etwa eine Viertelstunde. Damit ist sie sehr viel kürzer als die blaue Stunde selbst.
Auch wenn in Abb. 1.6 der Vollmond über dem Westerhever-Leuchtturm bei aufgenommener Gegendämmerung in seiner Kompositionswirkung einfach dazugehört, ist er nicht das Resultat eines Zufalls, sondern das Ergebnis einer akribischen Vorbereitung, die die Bahn und den Untergangszeitpunkt der Sonne, ebenso wie die Bahn und die Aufgangszeit des Vollmondes sowie die vorherrschenden Gezeiten der Nordsee in die Planungen für diese Aufnahme mit einschloss. In Abschnitt 1.4 stelle ich Ihnen die entsprechenden Plannungs-Apps hierzu vor. Letztendlich belohnte das Foto aber auch den Tüchtigen: Zwar hatte meine Wetteranalyse für den beabsichtigten Termin zu einem positiven Ergebnis geführt, allerdings ist die exakte Wolkenkonstellation für ein in der Zukunft liegendes fünfzehnminütiges Zeitfenster niemals vorhersehbar.
Die Sonne war an diesem Abend in meinem Rücken über der Nordsee untergegangen. Just zu diesem Zeitpunkt stieg der Mond während der Gegendämmerung auf und ermöglichte die dargestellte Mitlicht-Komposition. Wäre der Mond vor Sonnenuntergang bereits am Himmel sichtbar gewesen, hätte man ihn aufgrund des starken Sonnenlichts am Himmel nicht so klar erkennen können.
Das abschließende i-Tüpfelchen besteht darin, dass aufgrund der vorherrschenden Dämmerung das Leuchtfeuer des Leuchtturms bereits angeschaltet ist. Selbstverständlich habe ich erst dann ausgelöst, als das Leuchtfeuer in die Sichtachse zur Kamera trat (Abb. 1.6 unten).
Ich hoffe, dass Ihnen diese kurze Darstellung vor Augen führt, welche Überlegungen Sie allein zum passenden natürlichen und künstlichen Licht im Voraus anstellen können. Dabei hat die Aufnahme in Abb. 1.6 auf den Betrachter eine natürliche und ruhige Wirkung. Eine gekünstelte oder sogar gestellte Wirkung stellt sich trotz der vielen Planungsarbeit nicht ein.
Im Anschluss an die bürgerliche Dämmerung folgt die nautische Dämmerungsphase, die zeitlich weiter gefasst ist und definitionsgemäß vom Sonnenuntergang bis zu einem Tiefenwinkel der Sonne von −12° andauert (vgl. Abb. 1.2). Ihren Namen hat die nautische Dämmerung von der Seefahrt erhalten. Während der nautischen Dämmerung sind sowohl der Horizont als auch die helleren Sterne und Planeten sichtbar. Mithilfe eines Sextanten können Seefahrer in diesem Zeitraum die Höhe der Sterne über dem Horizont messen und so ihre Position bestimmen.
Während der nautischen Dämmerung ist bereits künstliches Licht erforderlich.
Meine Aufnahme der Burgruine Rocca Callasico in Abb. 1.7 ist in Italien, genauer in den Abruzzen entstanden. Die Aufnahme erfolgte zum Ende der nautischen Morgendämmerung aus einer Gegenlichtposition. Unzweideutig ist die blaue Stunde zu erkennen und dominiert das gesamte Bild. Das Morgenrot hat noch nicht eingesetzt, aber das Dämmerungslicht am Osthimmel zur Sonnenaufgangsposition (links von der mittelalterlichen Burgruine) ist bereits klar zu erkennen. Aufgrund der Wolkensituation ist eher nicht von einem fantastischen Sonnenaufgang auszugehen.
Abb. 1.8:Astronomische Abenddämmerung | Hooker Lake | Neuseeland
Auf der Ebene im Hintergrund des Bildes erkennen Sie vereinzelte Ansammlungen von Häusern an ihrer noch eingeschalteten Beleuchtung.
Die dritte und letzte Dämmerungsphase vor Einbruch der Nacht schließt sich mit der astronomischen Dämmerung an. Sie ist als Tiefenwinkel des Sonnenstands vom Sonnenuntergang bis −18° definiert. In der astronomischen Dämmerung werden bei wolkenfreiem Himmel und gleichzeitiger Abwesenheit des Mondlichts alle Sterne mit bloßem Auge sichtbar (vgl. Abb. 1.2, Abb. 1.8).
Auch für die astronomische Dämmerung möchte ich Ihnen eine Landschaftsaufnahme vorstellen. Sie soll meine Auffassung belegen, dass die blaue Stunde nicht nur magische Momente während der bürgerlichen Dämmerung, sondern für alle drei Dämmerungsphasen bereithält.
Die Aufnahme in Abb. 1.8 zeigt den höchsten Berg Neuseelands. Während er im englischen Sprachgebrauch nach dem berühmten Seefahrer und Entdecker einfach »Mt. Cook« heißt, haben die Ureinwohner Neuseelands ihm den Namen »Aoraki« gegeben.
Was die Aufnahme für mich so einzigartig macht, ist der Umstand, dass die Bergspitze zum Aufnahmezeitpunkt frei von Wolken war und eine freie Sicht auf die südliche Hemisphäre erlaubte. Normalerweise ist der Aoraki die meiste Zeit des Jahres in Wolken gehüllt, die permanent von der tasmanischen See auf die Kämme der Südalpen Neuseelands herüberwehen. Am Fuße des Berges ist der Hooker-Gletscher zu sehen, der mit seiner ebenfalls dargestellten Gletscherzunge und den abbrechenden Eisblöcken den gleichnamigen Hooker Lake und den Hooker River speist. Die Szenerie, zu Beginn der astronomischen Abenddämmerung fotografiert, ist einzig und allein durch das Licht der Sterne und das diffuse blaue Flächenlicht des wolkenfreien Himmels erleuchtet. Ein mögliches Restlicht aus Richtung des Westhorizonts ist nicht vorhanden. Ebenso fehlt das Licht des Mondes.
Im Vordergrund sind einzelne Eisblöcke zu sehen, die als Abriss des Gletschers im Hooker Lake an diesem Spätsommerabend dahinschmelzen. Die einbrechende Nacht bleibt mir in unvergesslicher Erinnerung, da die letzten Wanderer und Fotografen diesen Ort bereits zeitig nach Sonnenuntergang verlassen hatten und ich dieses Schauspiel allein mit meiner Frau genießen durfte.
Aufgrund des vorherrschenden Restlichts ist die Aufnahme als Langzeitbelichtung entstanden. Die Belichtung habe ich maximal nur so weit ausgedehnt, dass ich die Sterne mit dem gewählten 27-mm-Weitwinkel (KB) noch als Punkte aufnehmen konnte. Aufgrund der schwachen Offenblende f/4 meines WW-Zooms36 musste ich eine hohe ISO-Zahl (ISO 20.000) für eine ausreichende Belichtung wählen. Beurteilen Sie selbst, ob nicht auch in der letzten Dämmerungsphase in Kombination mit dem Sternhimmel eindrucksvolle Landschaftsaufnahmen entstehen können.
Sobald die Sonne während der astronomischen Dämmerung einen Tiefenwinkel von −18° unterschritten hat, ist die Abenddämmerung insgesamt zu Ende. Gemäß astronomischer Definition beginnt nun die Phase der Nacht (vgl. Abb. 1.2).
Kurz vor dem nächsten Morgen, wenn die Sonne am Osthimmel wieder aufgeht, werden die drei Dämmerungsphasen in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen. Dabei beginnt die Morgendämmerung mit der astronomischen Dämmerung, sobald die aufgehende Sonne den Tiefenwinkel von −18° zum Osthorizont erreicht hat. Anschließend folgen die nautische und die bürgerliche Morgendämmerung mit der blauen Stunde. Die blaue Stunde endet, sobald die Sonnenscheibe am Horizont sichtbar wird und die goldene Stunde beginnt.
Tab. 1.1:Charakteristik des Tageslichts
Die Farbe des Lichts kann sich also im Laufe des Tages verändern: von Violett bis Blau während der Dämmerung über rötliche Farbtöne zum Sonnenauf- und -untergang bis hin zu hellem Gelb am Vor- und Nachmittag sowie fast weißen Farbtönen zur Mittagszeit.
In Tab. 1.1 habe ich Ihnen nochmals die Charakteristik der goldenen und blauen Stunde zusammengefasst. Mit aufgenommen wurden die Beschreibungen der Lichtverhältnisse während des Vor- und Nachmittags sowie zur Mittagszeit. Zusätzlich ist anhand des symbolischen Golfballs als Element der Landschaft der charakteristische Licht- und Schattenwurf zu den entsprechenden Tageszeiten gegenübergestellt.
Direktes Mittagslicht zeichnet sich dadurch aus, dass es bei hohem Sonnenstand nur einen sehr kurzen Weg durch die Atmosphäre zurücklegen muss und so sehr farbneutral (5.500 K) ist. Bei dieser direkten Lichteinstrahlung sind nur kleine und insbesondere harte und strukturlose Schatten zu sehen. Eine Tiefenwirkung der Landschaft stellt sich damit nicht ein. Aufgrund des senkrechten Lichteinfalls erlaubt das Mittagslicht allerdings eine spiegelungsfreie tiefe Sicht auf landschaftliche Elemente unter Wasser oder Einblicke in z. B. Felsspalten.
Bei entsprechender Wetterlage (siehe Darstellung in Abb. 1.1) können sich direktes und indirektes Sonnenlicht auch überlagern. Reines, direktes Sonnenlicht am Mittag besitzt eine Farbtemperatur von ca. 5.500 K, während die Farbtemperatur des blauen Himmels 9.000 K und mehr beträgt. Beide Lichtquellen mischen sich zu der typischen Farbtemperatur von ca. 6.000 K am Tag. Die bläuliche Farbtemperatur des Himmellichts lässt sich tagsüber in den Schatten beobachten, die von den Elementen der Landschaft geworfen werden.
Obwohl die Lichtqualität zur Mittagszeit nicht optimal ist, nutze ich diese Zeit häufig für das Location-Scouting oder zu Kompositionsstudien. Sollten Sie einmal gezwungen sein, tagsüber Landschaftsaufnahmen durchzuführen, so empfehle ich Ihnen die Aufnahmen in Schwarzweiß zu konvertieren. Häufig lassen sich damit bessere Ergebnisse erzielen. Übrigens hat Ansel Adams37, der Altmeister der Landschaftsfotografie, viele seiner berühmtesten Aufnahmen während des Tages in Schwarzweiß erstellt.
Ist die Vor- beziehungsweise Nachmittagszeit noch nicht zu weit fortgeschritten, gelten die Aussagen für die goldene Stunde in abgeschwächter Form auch für sie. Beachten Sie jedoch, dass sehr starke Motivkontraste auftreten können, die Sie beherrschen müssen.
Vor allem in den Wintermonaten, in denen die Sonne sowieso niemals senkrecht am Himmel steht, lassen sich zur Vor- und Nachmittagszeit ganz passable Landschaftsaufnahmen realisieren.
Praxistipp: Planung des Aufnahmezeitpunkts
Überlassen Sie es nicht dem Zufall, in welchem Licht Sie Ihr Landschaftsmotiv aufnehmen. Die herausragenden Bedingungen für magisches Licht herrschen idealerweise zur goldenen und zur blauen Stunde vor. Seien Sie rechtzeitig am Aufnahmeort. Im Idealfall haben Sie sich bereits Perspektiven überlegt und tagsüber Aufnahmepositionen ausprobiert, die zum Sonnenaufgang bzw. -untergang passen. Den räumlichen Tiefeneindruck der Landschaft können Sie am besten mithilfe des direkten Sonnenlichts (und Schattens) zur goldenen Stunde realisieren. Überlegen Sie vorab, welche Lichtsituation und Farbwirkung Ihr Motiv idealerweise unterstützt und welche Stimmung Sie transportieren möchten. Bereiten Sie sich für einen Aufnahmeort umfangreich vor.
Ebenso, wie sich die Tages- und Nachtzeiten durch den Verlauf der Sonne über das Jahr verändern und von Ihrem Standpunkt auf der Erde abhängen, variieren auch die Zeiten der goldenen und blauen Stunde.
Die blaue Stunde beträgt beispielsweise in Zentraleuropa ungefähr eine halbe Stunde zum Frühlings- (21. März) bzw. Herbstanfang (23. September) und dehnt sich auf circa eine Dreiviertelstunde zum Mittsommer (21. Juni) bzw. zur Wintersonnenwende (21. Dezember) aus. In Äquatornähe ist die blaue Stunde sehr kurz und dauert ca. 20 Minuten; an den Polen hingegen kann sie mehrere Stunden lang sein.
Am Nordpolarkreis wird es beispielsweise bereits im April nicht mehr richtig dunkel. Nächte, in denen die Sonne nur für kurze Zeit untergeht, sodass es auch nachts dämmrig bleibt, werden als »weiße Nächte«38 bezeichnet. Weiße Nächte kommen an allen Orten vor, die zwischen dem 57. Breitengrad und den Polen liegen.
In Tab. 1.2 habe ich Ihnen ein konkretes Beispiel für eine weiße Nacht am Ort Leknes (68° N) in Norwegen auf den Lofoten für den 17. April dargestellt. In dem Diagramm sind die erwähnten Phasen der Dämmerung und die goldene Stunde über den Tagesverlauf aufgeführt. Der verwendete Farbkanon entspricht meiner Definition aus Abb. 1.2 auf S. 6.
Sie sehen, dass es am 17. April weder eine tiefschwarze Nacht noch eine astronomische Dämmerungsphase gibt. Die Sonne sinkt offenbar nicht unter einen Tiefenwinkel von −12° ab. Das heißt, dunkler als zur blauen Stunde mit nautischer und bürgerlicher Dämmerung wird es also nicht. In Summe hält die blaue Stunde fast 8 Stunden lang an. Hinzu kommt die goldene Stunde zum Sonnenaufgang und -untergang. Insgesamt können Sie am 17. April 10 Stunden lang bei magischem Licht fotografieren.
Nicht, wie in unseren Breiten, auf ein paar Stunden begrenzt zu sein, sondern den halben Tag ideale Lichtbedingungen zu haben, lässt Fotografenherzen höherschlagen. Daher haben sich sogenannte From Dusk till Dawn-Workshops für Landschaftsfotografen beispielsweise auf den Lofoten oder auf Island etabliert. Idealerweise stellen Sie als Landschaftsfotograf oder -fotografin hierzu Ihren Wach- und Schlafrhythmus um, sodass Sie für eine maximale Ausbeute nachts durchgehend fotografieren können.
Tab. 1.2:Dämmerung und goldene Stunde in Leknes über das Jahr
Oberhalb der Polarkreise (ca. ≥ 67°) geht die Sonne an den Tagen zwischen der Sonnenwende nicht mehr unter.
Sicherlich haben Sie schon von der sogenannten »Mitternachtssonne«39 gehört. Das heißt, die Sonne sinkt nachts nicht unter den Horizont. Das ist auch am oben genannten Ort Leknes auf den Lofoten der Fall – siehe Tab. 1.2 mit dem 5. Juli als Beispieldatum.
Merksatz: Goldene und blaue Stunde variieren übers Jahr
Über das Jahr variieren die Zeiten für die goldene und blaue Stunde. Um bei optimaler Lichtqualität fotografieren zu können, ist daher eine vorausschauende Planung und Vorbereitung für das gewünschte Zieldatum erforderlich.
Eine weitere Qualität des gerichteten, direkten Sonnenlichts hat damit zu tun, aus welcher Richtung es auf die Landschaft trifft.
Eine Tiefenwirkung für Ihr Landschaftsmotiv erhalten Sie zur goldenen Stunde am ehesten, wenn das Licht von der Seite einfällt.
Hinweis
Bitte beachten Sie, dass Aussagen über die Richtung des Lichts40 immer vom Kamerastandpunkt aus gemacht werden. Die Begriffe »Kamerarichtung« bzw. »Lichtrichtung« meinen also eigentlich dasselbe.
In Anlehnung an die Porträtfotografie unterscheiden Sie auch in der Landschaftsfotografie zwischen: »Gegenlicht«, »Mitlicht« (bzw. Aufoder Vorderlicht) und »Seitenlicht« (vgl. Abb. 1.10).
Eine spezielle Form des Seitenlichts ist das »Streiflicht«, das nahezu im rechten Winkel zur Kameraposition einfällt. Eine besondere Gegenlichtsituation wird auch als »Durchlicht« bezeichnet. Eine Durchlichtsituation stellt sich beispielsweise im Wald ein, wenn die Sonne in Gegenlichtposition durch die Blätter scheint. Auch wenn starker Nebel das Sonnenlicht abschwächt, kann eine Durchlichtsituation entstehen. In Abb. 1.10 habe ich konkrete Winkelbereiche zur Definition der Lichtrichtungen weggelassen, da sie aus meiner Sicht keinen Mehrwert bringen. Ab welchem Winkel das Gegenlicht per Definition kein Gegenlicht mehr ist, sondern zum Seitenlicht wird, spielt aus meiner Sicht keine praktische Rolle.
Aussagekräftiger ist es hingegen, den Höhewinkel der Sonne anzugeben, aus dem sie auf das Motiv scheinen muss. Dies ist wichtig, wenn Ihr Motiv beispielsweise von Bergen umgeben ist. Dann kann es sein, dass sich direktes Sonnenlicht zum Sonnenuntergang für Ihr Motiv nicht mehr einstellt, da die Sonnenstrahlen zum Sonnenuntergang von den Bergketten geblockt werden, also nicht mehr bis zu Ihrem Motiv durchdringen können. In einem derartigen Fall ist zu prüfen, in welchem Winkel die Sonne für direktes Licht stehen muss. Unter Umständen sind dann Aufnahmen zu Beginn der goldenen Stunde erforderlich, wenn die Sonne noch sehr viel höher am Himmel steht, um noch direktes Sonnenlicht für das Motiv zu erhalten.
Abb. 1.9:Gegenlichtsituation bei Santa Maria della Pietà in den Abruzzen
Abb. 1.10:Die Richtung des Lichts
Seitenlicht ist sicher das von Landschaftsfotografen am häufigsten verwendete Licht. Es ist aufnahmetechnisch am einfachsten zu handhaben, außerdem erlaubt es Ihnen, das Potenzial Ihres Polfilters voll auszuschöpfen (siehe dazu den Abschnitt 4.11.2 ab S. 441).
Daneben steht auch die Gegenlichtposition hoch im Kurs. Technische Herausforderungen ergeben sich hier durch mögliche Strukturverluste aufgrund sehr hoher Motivkontraste. Zusätzlich gilt es, Blendenflecken41 zu bändigen.
Mitlichtpositionen bringen die Schwierigkeit mit sich, dass das Motiv ohne Licht- und Schattenspiel sehr fad wirken kann. Daher vertreten nicht wenige Landschaftsfotografen den Grundsatz, dass man mit der Sonne im Rücken niemals auf den Auslöser drücken sollte. Hinzu kommt, dass vor Sonnenuntergang insbesondere beim Einsatz von Weitwinkelobjektiven die Gefahr besteht, dass der eigene Schatten sehr schnell ins Bild hineinragt. Die von mir gewählte Mitlichtposition in Abb. 1.6 auf S. 12 ist daher ohne direktes Sonnenlicht zur blauen Stunde entstanden.
Hinweis
Bitte beachten Sie, dass meine Aussagen über die Lichtrichtung nicht nur für das Sonnenlicht gelten, sondern auch im Rahmen der Nachtfotografie für das Vollmondlicht, und dass sie selbst beim Lightpainting ihre Gültigkeit behalten.
Grundsätzlich sollten Sie aber keine der Lichtrichtungen per se ausschließen. In Kombination mit den anderen Einflussfaktoren kann jede von ihnen magische Momente erzeugen.
Im Zuge Ihrer Vorbeitungen für eine neue Location sollten Sie die verschiedenen Lichtrichtungen abwägen und sich dann für die optimale Variante entscheiden. In Verbindung mit Ihrer Planung zur goldenen oder blauen Stunde werden sich dann für bestimmte Tage mögliche Aufnahmefenster abzeichnen.
Merksatz: Lichtrichtung
Die Richtung des Sonnenlichts und der Höhenstand der Sonne haben einen erheblichen Einfluss auf die Lichtqualität sowie die beabsichtigte Bildwirkung in Landschaftsaufnahmen. Die Vor- und Nachteile von Gegenlicht-, Mitlicht- sowie Seitenlichtpositionen sind daher abzuwägen. In einer vorausschauenden Planung sollten Sie die für das Motiv passendste Lichtrichtung vorab bestimmen und so Ihren Besuch der Foto-Location entsprechend planen. Die von mir favorisierten Lichtrichtungen liegen im gelb markierten Halbkreis der Abb. 1.10. Um die Tiefe der Landschaft möglichst plastisch zu betonen, planen Sie Ihre Aufnahme in Richtung Sonnenauf- und Sonnenuntergang bis ca. 90° Abweichung.
Als Beispiel für eine Gestaltung in typischer Gegenlichtposition möchte ich Ihnen in Abb. 1.9 meine Aufnahme der Kirche Santa Maria della Pietà in den Abruzzen vorstellen. Zur goldenen Stunde öffnete sich am Horizont ein wolkenfreies Fenster, durch das die Sonne zum ersten Mal an diesem Tag hindurchfiel (vgl. Abb. 1.9 unten | ). Eine atemberaubende Lichtstimmung entstand.
Sehr schön können Sie in der Aufnahme die Tiefenwirkung der Landschaft durch das direkte Sonnenlicht und die entstandene Licht- und Schattenstruktur erkennen. Die gewählte Brennweite von 23 mm (KB) hat einen Bildwinkel von ca. 87°. Die Sonne wurde kompositorisch nicht mittig platziert, um eine leichte Seitenlichtposition mit der gewählten Brennweite entstehen zu lassen. Bewusst habe ich eine Blendeneinstellung von f/18 gewählt, um die untergehende Sonne als Blendenstern aufzunehmen. Das Hauptmotiv – die Kirche – ist klar erkennbar und leuchtet in der untergehenden Sonne. Durch die leicht erhöhte Aufnahmeperspektive schweift der Blick des Betrachters über die weite Landschaft, findet aber immer wieder zur kleinen Kapelle zurück.
Wie Sie so einen magischen Moment in Verbindung mit einem wolkenfreien Aufnahmefenster im Voraus planen können, erläutere ich Ihnen ausführlich in Abschnitt 1.5.4.
Während man in den Anfängen der Landschaftsfotografie noch ganze Skizzenbücher mit Notizen zu Lichtsituationen für bestimmte Zeitpunkte füllte, stehen Ihnen heute auf Ihrem Notebook oder Smartphone mächtige Werkzeuge zur Vorbereitung und Dokumentation von Lichtsituationen zur Verfügung.
Haben Sie sich nicht schon mal gefragt, ob die Sonne an einer bestimmten Stelle in Ihrem Bild über dem Horizont aufgehen könnte? Oder scheiterte Ihr letzter Versuch, die Milchstraße über einer Landschaft aufzunehmen, am zu hellen Mondlicht?
Mit Apps zur Planung des Lichts können Sie die Berechnung und Darstellung der sich ändernden Zugbahnen von Sonne und Mond mitsamt den Verschiebungen der blauen und goldenen Stunde getrost Ihrem Notebook oder Smartphone überlassen. Falls Sie nicht bereits eine entsprechende App im Einsatz haben, empfehle ich Ihnen dringend, sich für eine der nachfolgend aufgeführten Apps zu entscheiden. Ihr Einsatz ist ein Muss für eine effektive Planung im Sinne einer professionellen Landschaftsfotografie.
Der Klassiker unter den Planungs-Apps ist The Photographer’s Ephemeris (TPE), dessen Desktop-Version42 Sie in Abb. 1.11 sehen. Da alle Apps sehr ähnlich funktionieren, möchte ich Ihnen anhand von TPE kurz die Basisfunktionalität vorstellen.
Sie steigen in das Programm ein, indem Sie zunächst den gewünschten Aufnahmestandort durch Eingabe eines beliebigen Ortsnamens auswählen oder alternativ direkt auf der Karte eine Position festlegen oder diese per GPS-Dateneingabe (Pro-Version) bestimmen. Das Programm springt dann an die entsprechende Stelle auf der Karte und setzt für den ausgewählten Aufnahmestandort eine rote Positions-Stecknadel .
Abb. 1.11:TPE – Desktop-Version (Quelle: photoephemeris.com)
Ist die Stecknadel einmal gesetzt, werden für den ausgewählten Punkt alle relevanten Informationen für die blaue und goldene Stunde angezeigt. Nach dem aktuellen oder ausgewählten Tagesdatum werden Sonnen- und Mondereignisse wie Aufgang und Untergang sowie alle drei bekannten Dämmerungsphasen dargestellt.
Sämtliche Apps besitzen zusätzlich einen Zeitschieberegler , sodass Sie für eine beliebige Uhrzeit den Stand und die Himmelsrichtung von Sonne und Mond für die ausgewählte Uhrzeit auf der Karte anzeigen lassen können. In TPE werden außerdem die Himmelsrichtungen sowie die Uhrzeiten für Auf- und Untergang von Sonne und Mond dauerhaft angezeigt.
Da Sie mit TPE auf die Karte aus der Vogelperspektive schauen, wird die Position von Sonne und Mond nur über ihre Himmelsrichtungen angedeutet. Wie hoch Sonne und Mond zum via Schieberegler eingestellten Zeitpunkt tatsächlich am Horizont des Aufnahmeortes stehen, wird zusätzlich mit einem Höhenwinkel-Diagramm dargestellt . Ein negativer Höhenwinkel bedeutet ein Unterschreiten des Aufnahmehorizonts. Falls Ihnen die Begriffe Azimut, Elevation und Aufnahmehorizont nicht geläufig sind, schauen Sie sich zur Erläuterung bitte nochmals Abb. 1.4 auf S. 9 an.
Über das Datumsfeld können Sie für Ihren Standpunkt jedes beliebige Datum aus Zukunft oder Vergangenheit auswählen und entsprechend analysieren.
Als weitere Grundfunktion lässt sich neben Ihrem Aufnahmestandpunkt auch eine zweite, graue Stecknadel für das Motiv setzen